Herzog Sobislav von Böhmen - Schlacht bei Chlumetz 1126

48 Erster Abschnitt.

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Bis Chlumetz 1) im königsgrätzer Kreise war das sächsische Heer (Mitte Februar) vorgedrungen, als es bei der Tiefe des Schnees die rechten Wege verlor und in Gebirgsschluchten gerieth, wo außer der Mühseligkeit des Marsches noch Mangel an Lebensmittel die Krieger ermattete 2). Ueberdies hatte man sich durch die Unvorsichtigkeit, Unkenntniß oder sonstige Schuld der vorausgeschickten Kundschafter dem feindlichen Lager, das unangreifbar zwischen Waldungen und steilen Bergwänden über einem Bache aufgeschlagen war 3), ohne es zu wissen, genähert. Der Vortrab wurde in einem Hohlwege

 

 

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überfallen, und Viele fanden nach sehr tapfrem Widerstande ihren Tod oder geriethen in die Gefangenschaft der Böhmen; unter erstern befanden sich der Bischof Arnold von Merseburg, die Grafen Milo von Ammersleben, Gebhard von Querfurth, des Königs Vetter, Berengar von Quinstedt, Berthold von Achem, Walter von Arnstedt und viele Andere; unter den Gefangenen war der vornehmste und für den Böhmenherzog der wichtigste Markgraf Albrecht, dermaliger Inhaber der Lausitz und der groitscher Lehn- und Erbgüter. Der ganze Verlust der Deutschen wird auf 270 edle und kriegserfahrene Männer angegeben, die, ihres früheren Ruhmes eingedenk, weder durch Flucht noch durch Ergebung sich beschimpfen wollten, und so fallend den Platz deckten, den sie lebend vertheidigt hatten, nachdem ihr Tod mit dem manches Feindes theuer erkauft war 1).

 

Eines aber war entscheidend, daß auch Otto von Mähren in diesem Treffen (am 18. Februar) seinen Tod gefunden hatte. Als die Kunde von dem Unglück seines Vortrabes zu Lothar's Ohren kam, mochte allerdings Schmerz und Zorn seine Seele erfassen und er zum Aeußersten entschlossen sein, um so vieler Theuren Tod zu rächen oder den seinen im Kampfe zu suchen. Bald aber gewann die ruhige Ueberlegung, daß er sein Leben für des Reiches Wohl erhalten müsse, die Oberhand über stürmische Gefühle. Die Ursache der Niederlage blieb ihm nicht unbekannt. In der engen Waldschlucht hatten die Deutschen den von den Höhen herabschleudernden Böhmen ihre bessere Kriegserfahrenheit nicht zeigen und nutzen können, und da sie überdies, von der Nähe des Feindes nicht unterrichtet, der Sorglosigkeit sich hingegeben, und ein Theil sogar, um den beschwerlichen Weg durch den Schnee zu erleichtern Waffen und Panzer abgelegt, so war ihr Verderben Folge ihrer nachtheiligen Stellung und Unbedachtsamkeit 2). Um diesen Fehler zu vermeiden, zog sich der König mit dem Hauptheere auf eine Anhöhe und beobachtete

 

 

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eine ruhige, aber feste Stellung, in welcher ihn der Feind weder angreifen noch umgehen konnte 1). Jetzt zeigte sich abermals seine oft bewährte Kriegserfahrenheit, die Unerschrockenheit, auch einem überlegenen Feinde gegenüber, wie einst in den Feldzügen gegen die Slaven, wie bei der Heimburg wider die verbündeten sächsischen Fürsten, wie in Holland gegen den Kaiser, in Meißen gegen Wiprecht, den Erzbischof Adalbert und diese Böhmen, die nun seinen Untergang oder doch seine schmachvolle Gefangennehmung erwarteten. Sie lagerten sich am Fuße des Berges, dessen Höhen die Deutschen besetzt hielten, glaubten durch aufgeworfene Baumstämme jeden Ausweg ihnen zu verrammen, und hofften, daß die Eingeschlossenen bald sich ergeben würden. Als Sobislav aber die Unerschrockenheit und die unangreifbare Stellung des Feindes erkannte, als ihm der Entschluß Lothar's, lieber Alles zu wagen als schimpflich sich zu ergeben, und die Vorbereitungen zu einem letzten verzweifelten Kampfe aus den Bewegungen im Lager der Deutschen sichtbar wurden 2), hielt er für gerathen, den gereizten Gegner durch Unterhandlungen zu besänftigen, um nicht den errungenen Lorbeer wieder zu verlieren, und der Rache des Königs sich in Zukunft auszusetzen, wenn derselbe den Rückweg sich bahnte und mit einem neuen Heere nach Böhmen zöge. Ließ sich doch jetzt ein Vertrag vortheilhafter abschließen als je. Konnte er doch jetzt den König zur Anerkennung seiner Herzogswürde bereit erwarten, da kein Nebenbuhler mehr, der ihn bedrohe und den deutschen Oberlehnsherrn zu Erfüllung eines gegebenen Versprechens verbinde, für einen von beiden Theilen hindernd im Wege stand; durfte er nun doch mit der Auslieferung der gefangenen Fürsten einen Preis für jene Würde anbieten, die Lothar füglich nicht zurückweisen durfte, da schon der Schmerz über so viele gefallene Edle die Herzen der Sachsen daheim betrüben mußte, denen nur in der Auslösung der Gefangenen einiger Trost gewährt werden konnte.

 

Wo Gewinn und Verlust auf beiden Seiten so ernst zu erwägen

 

 

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waren, wo der König und der Herzog Vieles bieten und doch bei der Entscheidung durchs Schwert leicht Alles aufs Spiel setzen konnten, fand Verständigung, zumal unter zwei besonnenen Männern, leichten Eingang 1). Ueberdies befand sich im Heere des Königs ein sehr geeigneter Vermittler, der zugleich einem Verwandten sich gefällig und dem Manne sich dienstfertig, ja in jetziger Lage unentbehrlich machen konnte, von dem er die Wiederherstellung seiner fast vernichteten Hausmacht allein zu erwarten hatte. Es war dies Heinrich, der Sohn Wiprecht's von Groitsch, der Neffe Sobislav's 2). Hatte doch die traurige Lage dieses jungen Fürsten zu dem Zerwürfniß, zu der Feindschaft des Böhmenherzogs mit Lothar unfehlbar mitgewirkt. Weder dem Neffen noch dem Oheim, die wol ungern sich feindlich gegenüberstanden und zwar zu einem Kampf auf Tod und Leben, konnte es entgehen, daß die Gelegenheit, die Ehre des groitscher Hauses herzustellen, nie günstiger als jetzt geboten wäre. Der Haupturheber seines herabgekommenen Glanzes, Albrecht von Wallenstedt, mußte für seine Befreiung aus böhmischer Gefangenschaft ein Opfer bringen. Der König war schon wegen der geleisteten Heeresfolge nicht nur versöhnt, sondern ihm auch verpflichtet, und jetzt, wo dieser seine Vermittelung anbot, oder doch dazu sich geneigt erwies, konnte die Rückgabe der entrissenen Güter und Lehen an den Erben Wiprecht's ein bedeutender Schritt zur Versöhnung zwischen Lothar und Sobislav werden. Nur auf Kosten Dessen, der seine Freiheit nun einmal nicht billig zu erkaufen hatte, schien eine Annäherung möglich, die dann zu einer Verständigung über den Hauptstreitpunkt, die böhmische Herzogswürde, führen konnte. Was

 

 

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stand dem dann noch entgegen? War doch Otto von Mähren nicht mehr unter den Lebenden, Sobislav nun durchaus Der, welcher allein gerechte Ansprüche erheben durfte, und Lothar, ohne Willkür zu üben, unter Vorbehalt der Oberhoheitsrechte, verpflichtet, ihm die Würde zuzuerkennen. Wenn der König dies auch völlig erkannte und keine Weigerung machte, so war er doch weit entfernt, sich den Frieden mit Sobislav durch ungebürliche Beraubung Albrecht's, eines Mannes, der ihm einst so wesentliche Dienste geleistet und mit seinem Willen die Mark Lausitz eingenommen hatte, zu erkaufen. Auf durchaus ehrenvolle Weise, ohne alle seinem Ansehen, seiner Ehre, seinem Charakter nachtheilige Bedingungen einen Vergleich zu schließen, an Sobislav zu geben und von ihm zu empfangen, was das Lehnsverhältniß, in welchem beide standen, gestattete, war er allein bereit, und der Herzog wagte keine andere Foderungen zu stellen. Der Auffoderung vor dem Könige zu erscheinen, leistete er ungesäumt Folge 1), gelobte in ehrerbietigen Ausdrücken den schuldigen Gehorsam und erhielt dagegen knieend die nachgesuchte Verzeihung und die Gnade, des Königs 2). Gleich den deutschen Reichsfürsten in Mainz übergab er die Herzogsinsignien, und empsing sie dann als Zeichen der Belehnung zurück, schwur den Eid der Treue und der schuldigen Dienstpflicht und versprach die Auslieferung der Gefangenen ohne Lösegeld, worauf beide Männer, die so eben zu einer verzweifelten Schlacht sich rüsten wollten, nicht nur versöhnt, sondern als Freunde schieden, die von einander des Besten gewärtig waren. Wenn Lothar die Dienste Heinrich's von Groitsch nun mit Rückgabe der einst von Wiprecht rechtlich besessenen Erb- und Lehngüter - nicht der Mark Lausitz - lohnte, so war dies seinerseits

 

 

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ein ganz freier Schritt, der ihn ebenso ehrte als er billig war, und Albrecht von Ballenstedt brachte dies Opfer für seine Freiheit nicht dem Herzog Sobislav, sondern dem König Lothar, wie schmerzlich der Verlust für ihn auch sein mochte 1).

 

Mag man den wechselseitigen Verhältnissen oder der Persönlichkeit beider Fürsten oder geschickten Unterhändlern den versöhnlichen Ausgang des Kampfes beilegen, genug der Ehre Keines war Eintrag gethan, und Lothar kehrte wol betrübt über den Tod wackerer Helden, die das unvermeidliche Schlachtengeschick unwiederbringlich entrissen, nach Sachsen zurück 2), aber gedemüthigt, an Macht und Ansehen verkürzt, war er keineswegs, vielmehr der Hoffnung voll, daß er in Sobislav einen ehrenwerthen und kräftigen Helfer in den ihm bevorstehenden Kämpfen finden werde 3) Stärker freilich mußte

 

 

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der Eindruck sein, den der Verlust vieler Hohen und Niederen auf die sächsische Nation machte, und den schon vorhandenen Nationalhaß gegen die Böhmen steigern. Weil noch in spätern Zeiten das Rachegefühl fortlebte und jede Gelegenheit wahrnahm, um sich Luft zu machen, so ist erklärlich, daß das Unglück der bei Chlumetz Ueberfallenen, da sie Schmerz und Haß so tief aufregte, später das Ansehen einer sehr verderblichen Niederlage und somit der ganze Feldzug Lothar's den Vorwurf eines unbesonnenen, mindestens fruchtlosen Unternehmens erhielt, zumal da die Böhmen jener Schlacht wie eines glänzenden Sieges sich rühmten. Die später geleisteten Dienste Sobislav's waren schon wegen der sie begleitenden wilden Raub- und Plünderungssucht kein Gegenstand dankbarer Anerkennung. Die Lothar feindlich gesinnten oder zum Ruhm der Hohenstaufen schreibenden Chronisten machten dem Könige den Vorwurf, daß seine Macht zu klein und die Jahreszeit übel gewählt gewesen, ohne zu bedenken, daß die Verhältnisse in Deutschland und die erfoderliche Eile es nicht anders gestatteten.“

 

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Quelle:

Auszug aus „Kaiser Lothar III.“

von Dr. Eduard Gervais

Privatdocent an der Universität Königsberg

Leipzig F. A. Brockhaus 1842 S. 48-54

 

 

 

Leben und Tod des Joh. Žižka von Trocnov, Führer der böhmischen Hussiten von 1419-1424.

 

Volksbücher aus alter und neuer Zeit

 

 

 

Leben und Tod des Joh. Žižka von Trocnov, Führer der böhmischen Hussiten von 1419-1424.

 

Von Wenzel Jerabek.

 

Mit mehreren Illustrationen.

 

Wien 1855.

 

Verlag von Alb. A. Wenedikt, Lobkowitzplatz 1100.

 

 

 

 

 

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1. Žižka wähnt sich für berufen, den Hus zu rächen.

 

 

 

Unter die berühmtesten Feldherren alter und neuer Zeiten gehört Žižka, der beste Führer der böhmischen Taboriten und der Schrecken seiner Feinde;

 

in Hinsicht auf sein militärisches Genie kann man ihn mit Recht den Napoleon des Mittelalters nennen.

 

 

 

Ueber die Jugendzeit des Johann Žižka und über sein Mannesalter weiß man sehr wenig Wahres zu erzählen und auch über sein Greisenalter haben die Schriftsteller damaliger Zeiten außer seinen Siegen und Schlachten nichts aufgezeichnet. Selbst über sein Geburtsjahr ist man nicht einig; bis beiläufig zu seinem 60. Jahr war er unbekannt und erst fünf Jahre vor seinem Tode fing er an, sich in die öffentlichen Angelegenheiten zu mischen, und in diesen letzten fünf Jahren seines Lebens hatte er sich durch seine Siege, Geschicklichkeit und Unbesiegbarkeit den Ruf eines der größten Heerführer erworben und bei seinen Landsleuten ein ewiges Andenken hinterlassen.

 

 

 

Johann Žižka von Trocnov, oder wie er sich auch später nannte, Johann von Kelch, wurde

 

 

 

 

 

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wahrscheinlich einige Jahre vor 1360 zu Trocnov, einem Dorfe im Budweiser Kreise im südlichen Böhmen, geboren. Seine Mutter war gerade auf dem Felde beschäftiget, als sie die Geburtswehen überfielen, und hier unter einer Eiche gebar sie den künftigen Feldherrn. Die Eiche soll bis zum Anfang des achtzehnten Jahrhunderts noch dorten gestanden sein, später aber, als Böhmen wieder römisch-katholisch wurde, zerstörte man auch unter so vielen Andenken jenen unbedeutenden Baum. Die Eltern Žižka's waren kleine Edelleute und als solche konnten sie ihm eine genug anständige Erziehung geben. Er lernte schreiben, lesen und die lateinische Sprache; die deutsche Sprache, die schon um diese Zeit in Böhmen stark verbreitet war, hat er wahrscheinlich auch gesprochen oder verstanden, später erlernte er auch polnisch. Als Gelehrter sollte er jedoch in der Zukunft nicht erscheinen und deßwegen trieb ihn sein Geist auf andere Wege. Die Waffen waren seine liebste Unterhaltung und man erzählt von ihm, daß er als Knabe über seine Gespielen immer gesiegt, einen festen Willen und viel Geist gezeigt habe. Zum Jüngling herangewachsen, soll er ehrgeizig und händelsüchtig gewesen sein und wegen diesen seinen Unarten soll er aus Böhmen, um seinen Feinden zu entfliehen, fortgezogen sein. Doch das sind lauter falsche Muthmaßungen, um das Leben eines so großen Mannes entweder zu verläumden oder zu verschönern. Die Thaten, nicht die Worte machen den Menschen groß.

 

 

 

Von Žižka’s Jugend- und Mannesalter wissen wir gar nichts Sicheres zu erzählen, als daß er in

 

 

 

 

 

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Polen gegen die deutschen Ritter siegreich gekämpft, daß er seiner Tapferkeit wegen von seinen Bekannten geliebt und geschätzt wurde. Sein niederer Adel jedoch war wahrscheinlich die Ursache, daß er es nicht zu einer bedeutenderen Stellung im polnischen Heere gebracht hatte. Als er von Polen nach Böhmen zurückgekommen war, gefiel er dem Könige Wenzeslaw IV. und wurde von ihm zu seinem Kammerherrn gemacht. Um diese Zeit war es, wo Žižka zu einem regeren Leben und thätigeren Wirken berufen zu sein schien ; die neu eingetretenen Ereignisse in Böhmen brauchten einen Führer. Das schreckliche Ende des Reformators Hus und seines Freundes Hieronimus, die Verbrennung derselben auf

 

 

 

 

 

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der Konstanzer Kirchenversammlung betrachteten und hielten viele Böhmen als einen Schimpf für die ganze Nation.

 

 

 

Die böhmischen Stände, geleitet durch Ulrich von Rosenberg, protestirten gegen die Prozedur bezüglich Hussens und beschlossen, daß jeder Gutsherr in Böhmen befugt sein solle, auf seinem Grunde und Boden Hussens Lehre ferner predigen zu lassen. Dies thaten Viele, Rosenberg an der Spitze. Die Anhänger des Hus nannten sich Hussiten und der Prediger Jakob von Mieß gab ihnen ein äußeres Abzeichen im Kelch, denn er lehrte, das Abendmahl müsse in beiderlei Gestalt (sub utraque forma), als Brod und Wein, gereicht werden. Daher wurden die Hussiten auch Utraquisten oder Calixtiner, Brüder vom Kelche (calix) genannt.

 

 

 

Žižka, noch als Kammerherr beim Könige Wenzeslaw, war der neuen Lehre und ihrem Urheber, dem Hus, ergeben und er so wie Andere besprachen die Verbrennung der Reformatoren als die größte Ungerechtigkeit. Man sagt, daß der König Wenzeslaw den Žižka einmal besonders gereizt und aufgeregt gesehen und ihn nach der Ursache dieser seiner Stimmung befragt, und von, ihm diese Antwort bekommen habe: „Und welcher Čeche könne ruhigen Blutes zusehen, wenn Fremde überall herum unsere böhmische Nation schimpfen, beleidigen und quälen als Ketzer, und wenn in weiten Ländern die edelsten Männer unseres Volkes als wie Verbrecher verbrannt werden?“

 

 

 

Lieber Johann,“ soll der König zu ihm gesagt haben, „was können wir dazu sagen? was können

 

 

 

 

 

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wir thun? wie können wir es gut machen? Wenn du kannst, so thue es, wir gönnen es dir recht gern.“

 

 

 

Von dieser Zeit an dünkte sich Žižka für berufen, um die Hussiten zu schützen; er trat mit ihnen in Verbindung und sein Eifer für ihre Sache, sein Alter und sein Geist gewannen ihm bald einen großen Einfluß unter ihnen, und es ereignete sich in Kurzem daraus eine Gelegenheit, wo Žižka für seine Gesinnungsgenossen zum ersten Male erfolgreich auftreten konnte.

 

 

 

Der König, Unruhen in Prag fürchtend, wollte die Prager Bürgerschaft entwaffnen und befahl ihr, die Waffen auf den Königssitz Vyšehrad zu bringen; sie war unschlüssig und als sie noch berieth, ob sie dem Befehle des Königs zu folgen habe oder nicht, da trat Žižka unter die Bürger umd erklärte, er wolle sich an ihre Spitze stellen, sie sollten im vollen Waffenschmuck erscheinen und ihn zum Könige auf den Vyšehrad begleiten und er versichere sie, daß der König ihnen ihre Waffen belassen würde. Als er mit dem bewaffneten Haufen auf dem Vyšehrad erschien, sprach er zum König: „Die treuen Unterthanen von Prag sind, dem Wunsche Seiner Majestät gemäß, bewaffnet erschienen und Seine Majestät geruhe bloß die Feinde zu nennen, gegen welche sie ziehen sollen, sie Alle seien bereit, für Seine Majestät ihre Güter und ihr Leben zu opfern.” Der König war anfangs betroffen über die sonderbare Auslegung seines Befehles zur Streckung der Waffen,

 

 

 

 

 

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besann sich jedoch und beließ den Bürgern ihre Waffen mit der Ermahnung, sich ruhig zu verhalten.

 

 

 

Žižka traute sich nicht seit dieser Zeit, dem Frühjahr 1419, am Hofe zu erscheinen, und desto inniger verband er sich mit dem Volke, welches in der Mehrzahl hussitisch gesinnt war; außer dem Herrn Nikolaus von Pistné oder anders bekannt: Nikolaus von Husa, und nachdem dieser vom König aus Prag verwiesen wurde, war Žižka um diese Zeit der Leiter der öffentlichen hussitischen Angelegenheiten in Prag und in zwei Monaten nach der Vorführung der bewaffneten Prager Bürger beim König hatte

 

 

 

 

 

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er schon die Hussiten mit Gewalt der Waffen unterstützt.

 

 

 

Es war vom König angeordnet worden, daß die hussitischen Geistlichen ihre Seelsorge in Prag und auf dem Lande verlieren und ihre Pfarreien durch päpstlich gesinnte Priester besetzt werden sollen. Auch der Prager Vorstand, zuerst auf der Neustadt, dann auf der Altstadt und Kleinseite sollte aus entschiedenen Gegnern der Hussiten gewählt werden, was auch auf der Neustadt geschehen ist. Je größer die Gefahr für die Hussiten, desto eifriger waren ihre Priester in der Ermahnung und Stärkung ihrer Gläubigen und zu diesem Behufe veranstalteten sie am 30. Juli eine große Procession. Als sie vorbei dem Rathhause der Neustadt zogen, baten die Hussiten den Neustädter Magistrat um Freilassung einiger gefangenen Hussiten; die Rathsherrn jedoch ließen auf das Volk und auf den Priester, der die Procession mit dem Sakramente begleitet hatte, Steine werfen. Dieses Betragen der Rathsherrn ertrug das Volk nicht, auf Žižka’s Aufruf griff es zu den Waffen und unter seiner Leitung erstürmte es das Rathhaus; sieben Rathsherrn wurden von den fanatischen Hussiten übers Fenster herabgeworfen und von den Untenstehenden auf Spießen aufgefangen und erstochen; andere entkamen durch die Flucht. Das ist einer der so vielen, oft noch grausameren Processe, welche die erzürnte und rohe Menge entscheidet. Die Sieger aus der Neustadt erwählten sich einen neuen Vorstand und teilten die Magistratsgewalt in vier Hauptleute. Als der König solche Nachrichten

 

 

 

 

 

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erhalten hatte, erzürnte er so sehr, daß ihn der Schlag getroffen hat und 16 Tage darauf verschied er.

 

 

 

Die Bevölkerung Prags hatte nun nichts zu fürchten und sie ließ ihrem schon beiläufig ein Jahr verhaltenen Grimm gegen die päpstlich Gesinnten freien Lauf.

 

 

 

 

 

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Der Pöbel machte sich an die Klöster und Kirchen, in welchen das Altarssakrament nur unter einer Gestalt gereicht wurde, plünderte dieselben, zerstörte die Bilder und zerriß die Meßgewänder und Fahnen; die ihnen gehässigen päpstlichen Priester mißhandelten sie, sobald sie ihrer habhaft werden konnten, zerstörten die Zufluchtsorte der liederlichen Dirnen, begingen aber auch Vieles, was man mit gerechter Entrüstung tadeln muß; eine große Menge von Priestern hohen und niederen Ranges, von Mönchen, Kaufleuten und andere reiche Bürger: entflohen in diesen Tagen aus Prag, die Rache des Volkes fürchtend. Bald hierauf gewann die Ansicht vernünftiger Bürger die Oberhand und die Aufregung des Volkes verschob sich zu künftigen Zeiten. In wiefern sich Žižka an der Aufregung des Volkes betheiligte, ist nirgend aufgezeichnet worden; er wußte aber sehr gut solche Stimmung des Volkes für seine Absichten zu gewinnen und er würdigte sie auch gehörig.

 

 

 

Schon damals konnte man drei Hauptparteien in Böhmen unterscheiden, die königlichen und päpstlichen waren treu dem König Sigismund und der römischen Kirche und entschiedene Gegner der Hussiten, sie waren aber die schwächsten im Lande; die zweite Partei war die der Herren und einiger Städte, zahlreich und mächtig, sie hielt in Hinsicht des Glaubens die Mitte zwischen den Katholiken und der radikalen dritten Partei, den eifrigen Hussiten, die später Taboriten genannt wurden und nach einem Kampfe von 15 Jahren den vereinigten ersten zwei Parteien unterlagen. Diese Partei hatte ihre

 

 

 

 

 

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meisten Anhänger im Ritter- und Bauernstande und in der Mehrzahl der böhmischen Städte.

 

 

 

Žižka bekannte sich zu der dritten Partei, indem er in ihr den gesunden Kern des Volkes vermuthete und mit dieser meinte er die Lehre des Hus in Böhmen aufrecht zu erhalten und ein starkes und nach seiner parteiischen Ansicht einiges Vaterland zu erkämpfen, was ihm vielleicht geglückt wäre, wenn ihn nicht frühzeitig der Tod in seinem Vorhaben gehindert hätte.

 

 

 

Was in Prag nach dem Tode des Königs Wenzeslaw geschah, wiederholte sich in einigen anderen böhmischen Städten, wo die eifrigsten Hussiten waren; eine gereizte Stimmung oder, besser gesagt, eine große Ueberspannung bemächtigte sich des gemeinen Volkes auf dem Lande, welches, selbst unerfahren im kirchlichen Streite, den fanatischen Priestern blindlings gehorchte. Das Volk erhob sich und folgte seinen Führern; diese versammelten ihre Anhänger tausendweise, hielten Predigten zu ihnen und erklärten denselben nach ihrer Ansicht das Evangelium. Die berühmteste derlei Versammlungen war die auf einer Anhöhe bei Ustie im südlichen Böhmen, welche Anhöhe sie mit dem biblischen Namen den Berg Tabor nannten; dann weniger berühmt war die Versammlung auf dem Berge Oreb bei Hohenbruck im östlichen Böhmen. Die erste Versammlung auf dem Berge Tabor fand am 22. Juli 1419 statt und wurde von beinahe 50,000 Menschen beiderlei Geschlechtes besucht; sie nannten sich untereinander Brüder und Schwestern, kannten keinen Unterschied des Standes, und Gleichheit im Range

 

 

 

 

 

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und Vermögen war während der Versammlung herrschend; nach Verrichtung des Gottesdienstes und Empfang des heiligen Sakramentes unter beiden Gestalten versprachen sie, bei der neuen Lehre treu zu verharren und solche Versammlungen bald wieder zu veranstalten. Sie versammelten sich auch bald wieder an diesem und einigen anderen Orten.

 

 

 

 

 

2. Žižka’s Rüstungen und seine ersten Siege.

 

 

 

Das Volk war also schon für die neue Lehre gewonnen, und nun trachteten die Häupter der Bewegung, dasselbe für sie wehrhaft zu machen. Žižka und Niklas von Husa befragten die Universität von Prag, ob es den Gläubigen nach der christlichen Lehre erlaubt sei, zu ihrem Schutze und für sie zu kämpfen. Die hussitische Universität antwortete, daß es den Christen jedenfalls erlaubt sei, wenn sie angegriffen würden, sich mit den Waffen zu wehren. Dieß bestärkte den Žižka in seiner Meinung, daß er von der Vorsehung als Beschützer der Hussiten und Vertheidiger der nach seinem Dafürhalten echten christlichen Lehre auserlesen sei. Er hielt sich und seine Partei für die Angegriffenen und bereitete sich im Geiste zur Vertheidigung. Die Gegner der Hussiten im Lande selbst waren mächtig, reich und hatten über eine bedeutende Menge von Söldlingen zu verfügen; Kaiser und König Sigismund und die ganze Christenheit bereitete einen großen Krieg gegen die

 

 

 

 

 

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böhmischen Hussiten: das wußte Žižka sehr gut und er konnte den Tausenden seiner feindlichen wohlbewaffneten und unterrichteten Krieger kaum Hunderte von unbewaffneten, an den Krieg nicht gewohnten Bauern und Handwerkern entgegen stellen. Das Volk war zwar schon durch wiederholte Versammlungen fanatisirt und es blieb nichts mehr übrig, als es mit der Führung der Waffen bekannt zu machen, aber auch dieses gab wenig Hoffnung zu einem glücklichen Ausgange des Krieges, weil die Uebermacht auf der Seite der Feinde sein mußte. Žižka, von seinem Genie angeleitet, erfand neue Waffen und Vertheidigungsmittel. Er ließ die Flegel der Bauern mit Eisen beschlagen, und mit diesen tödtete und verwundete der böhmische Bauer in einer Minute gegen dreißig seiner Feinde in der Schlacht; er erfand eine Art Hacken, Hellebarden genannt, um damit den Reiter von seinem Pferde herabzureißen und zu tödten; aus den Wägen lernte er Wagenburgen zu machen, vor denen schon von weitem die Feinde zitterten; das Schießpulver, welches schon 80 Jahre vor ihm erfunden wurde, gebrauchte er für die damals noch sehr wenig bekannten Kanonen und Mörser, Gewehre und Pistolen. Viele solcher Mörderstücke haben noch jetzt die böhmischen Namen, die er ihnen gegeben hatte, so die Haubitzen von den böhmischen hausnice, die Pistolen von den böhmischen pištialy. Er führte eine schnellere Taktik bei seinen Kriegern ein, übte sie in Manövern und mit einem Worte: er war es, der die neue Kriegskunst geschaffen hat. So vorbereitet blickte Žižka mit seinen wenigen Kriegern auf die Vorbereitungen seiner zahlreichen Feinde und

 

 

 

 

 

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er besiegte dieselben bloß durch seinen militärischen Geist, wie wir später hören werden.

 

 

 

Während Žižka das Volk in den neuen Waffen in Prag selbst übte und auf dem Lande durch seine Agenten üben ließ, um sich für den unvermeidlichen Kampf vorzubereiten, hatte die Regierung des Landes, aus der Königin Witwe Sofie und einigen böhmischen Großen bestehend, in Prag immer mehr und mehr Söldner angehäuft, um in der Stadt Ordnung zu erhalten, und verbot die Versammlungen der Hussiten. Deßwegen erregte Žižka durch den in dieser Zeit berühmt gewordenen Priester Johann Želiwsky einen Aufruhr und bemächtigte sich des königlichen Schlosses Vyšegrad, vertrieb von dorten die königliche Besatzung und besetzte es mit seinen Leuten am 25. Oktober 1419.

 

 

 

Žižka verhielt sich hierauf mit den Seinigen einige Tage ruhig. Die Hussiten aus dem südwestlichen Böhmen sollten in einer Anzahl von einigen Hundert gegen den 10. November nach Prag kommen, um sich mit ihren Freunden daselbst wahrscheinlich zu verbinden und sie zu verstärken. Auf dem Wege wurden sie von den Reitern einiger böhmischen katholisch gesinnten Herrn angegriffen; obschon sie aber kaum so viel als ein Drittel ihrer Feinde zahlreich waren, schlugen sie sich tapfer durch sie durch und kamen glücklich nach Prag. Noch vor ihrer Ankunft daselbst war schon die Nachricht von ihrem Ueberfall in Prag verbreitet und Žižka mit seinem Freunde Niklas von Husa versammelte die eifrigeren und kampfbegierigen Hussiten um sich, und führte sie gegen die königliche Besatzung auf die Kleinseite; die Brücke,

 

 

 

 

 

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welche die Kleinseite mit der Altstadt verbindet, war in den Händen der königlichen Besatzung und diese beunruhigte fortwährend die Altstadt. Žižka mit seinen Kämpfern war an Zahl schwächer als seine Feinde. Es gelang ihm jedoch, die Besatzung von der Brücke wegzujagen und den Weg auf die Kleinseite zu öffnen. Die Besatzung, unter dem Schutze ihrer Kanonen, welche von den höher gelegenen Orten der Kleinseite und von der Burg gegen die Angreifer Tod und Verderben schleuderten, wehrte sich sehr tapfer und erst gegen Abend entschied sich der Sieg zu Gunsten Žižkas und der Prager Bürger. Schritt für Schritt wich die Besatzung, Straße für Straße zog sie sich gegen die Burg zurück, aber die Prager drängten sie von Haus zu Haus und erst die Dunkelheit der Nacht unterbrach diesen furchtbaren Straßenkampf. Brennende Häuser beleuchteten die vielen Hunderte von getödteten Kriegern beiderseits. Als die Sieger mit erbeuteten Waffen, Pferden und vielen Kostbarkeiten ihren Rückweg gegen die Altstadt antraten, keine Besatzung auf der Kleinseite hinterlassend, kehrten die königlichen Streiter auf die Kleinseite zurück, beraubten dort das Rathhaus seiner Schätze und Schriften, zündeten dies und die angränzenden Häuser an und machten sich auf den Heimweg in die Burg. Dieser Kampf war jedoch nicht völlig am diesem Tage, dem vierten November, entschieden; noch durch vier darauf folgende Tage kämpften beide Parteien mit gleicher Grausamkeit. Die Königlichen, durch frisch vom Lande angekommene Truppen verstärkt, wollten ihre erste Niederlage rächen, sie konnten jedoch gegen die Bürger, die zwar

 

 

 

 

 

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an Zahl schwächer, durch Žižkas kluge Befehle aber stark genug waren, nichts ausrichten. Beide Parteien schloßen am 9. November eine Waffenruhe und am 13. November einen Waffenstillstand: Die Bürger sollten zwar unter den Waffen bleiben, sich aber ruhig verhalten, die Kirchen und Klöster schonen und Vyšehrad den Königlichen zurück geben; die Königin und die Regierung verpflichteten sich, die Religionsfreiheit und die Communion unter beiden Gestalten im Lande zu schützen. Žižka war gegen diesen Waffenstillstand, wohl einsehend, daß sein Sieg fruchtlos und das Blutvergießen so vieler tapferen Streiter umsonst gewesen ist; er konnte jedoch die Prager Bürger zur Fortführung des Kampfes nicht bewegen. Er verließ daher mit seinen eifrigeren Anhängern Prag und begab sich nach Pilsen. Aus dieser Stadt wollte er eine neue hussitische Hauptstadt bilden, er vertrieb von hier seine Feinde, berief alle seine eifrigen Anhänger dorthin, übte sie in den Waffen, besserte die Mauern der Stadt aus und erwartete ruhig seine Feinde. Diese fanden sich auch bald bei Pilsen ein, waren jedoch nicht stark genug, um den Platz zu überwältigen. Žižka machte von hier mehrere glückliche Einfälle in die Besitzungen mehrerer böhmischer Großen, welche zum König Sigismund hielten. Auf einem solchen Zuge wurde er von einer Abtheilung, die über 2000 Mann stark war und von Herrn Bohuslav von Schwamberk angeführt wurde, überfallen; er selbst hatte, kaum gegen 300 Streiter und 7 Streitwägen. Er vertheidigte sich mit seinen Wägen aber so künstlich, daß er mehrere Hundert feindlicher Streiter tödtete und die übrigen zur Flucht

 

 

 

 

 

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nöthigte. Sein Verbleiben in Pilsen war jedoch nicht von langer Dauer; die Feinde vermehrten sich so sehr, daß sie die Stadt bald einschließen und wenn nicht mit der Gewalt der Waffen, so durch Hunger zur Uebergabe nöthigen konnten. Žižka zählte kaum einige hundert Kämpfer, auf die er sich hätte verlassen können, die Bürgerschaft zeigte sich auch wankend ; so nahm Žižka den ihm angebotenen Waffenstillstand an, der ihm und seinen Streitern freien Abzug gestattete.

 

 

 

Er verließ am 20. März 1420 die Stadt Pilsen und kehrte sich nach der neu entstandenen Stadt Tabor bei Ustie, welche ihm hinlänglichen Schutz durch ihre Lage zu bieten schien. Seine Feinde bereuten es aber bald, daß sie ihm freien Abzug bewilligten, sie verfolgten ihn daher und holten ihn bei Sudomĕr an der Otava ein. Sie zählten über 5000 Reiter und wurden von den Herren Heinrich von Neuhaus, Peter Sternberg, Nikolaus Divoky, Münzmeister von Kuttenberg, angeführt. Žižka hatte mit Streitern, Weibern und Kindern kaum 400 Leute, 12 Streitwägen und 9 Pferde. Die Königlichen konnten diesen kleinen Haufen bloß mit ihren Pferden erdrücken und auf ihren Hufen wegtragen, sprachen die Leute, welche beide Haufen gesehen haben. Žižka konnte auch an seinen Kampf denken und so lange es ging, floh er vor seinen Verfolgern; als er jedoch die Unmöglichkeit der Entweichung eingesehen hatte, erspähte er mit seinem gesunden Auge (auf einem war er schon lange blind) einen zum Kampfe tauglichen Platz. Doch auch zu diesem konnte er nicht gelangen, wenn er die feindlichen Reiter nicht aufhalten können würde; er befahl den

 

 

 

 

 

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Frauen, alle entbehrlichen Tücher, Schleier und Schürzen in einen Hohlweg, den die Reiterei, eng beisammen und einen langen Zug bildend, passiren mußte, zu werfen. Die ersten Pferde verstrickten sich mit den Füßen in die Tücher und hielten dadurch den ganzen Zug auf, so daß es inzwischen dem Žižka und den Seinigen möglich war, auf den für sie günstigeren Kampfplatz zu entkommen. Er stellte sich bei einem ausgetrockneten Teiche auf und ordnete seine Wägen so künstlich, daß die feindlichen Reiter, wenn sie ihn angreifen wollten, von den Pferden herabsteigen und ihn zu Fuß bekämpfen mußten. Bis in

 

 

 

 

 

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die dunkle Nacht dauerte der ungleiche Kampf und erst dann, als die Königlichen so viele Hunderte der Ihrigen von Žižka und seinen tapfern Streitern getödtet und die Unmöglichkeit sahen, sein kleines Lager zu erobern, zogen sie sich zurück, beschämt, daß fünftausend der besten Krieger gegen einen Haufen von Männern, Weibern und Kindern in der Zahl von 400 nichts ausrichten konnten. Žižka verlor 30 seiner Leute als Gefangene und einmal so viel an Verwundeten und Getödteten; die Königlichen verloren an Verwundeten und Getödteten mehr als zehnmal so viel. Der Sieger Žižka verblieb mit seinen brüderlichen Streitern, die ihm übriggeblieben waren, die Nacht auf dem mit Leichnamen besäeten Schlachtfelde. Am Morgen des andern Tages übergab er seine Verwundeten den benachbarten Dörfern zur Pflege und Beköstigung und zog weiter gegen Tabor zu. Ohne daß er noch einen Kampf zu bestehen hatte, erreichte er die Stadt und wurde von den Bürgern Tabors, wo die eifrigsten Hussiten Böhmens waren, zu einem ihrer vier Hauptleute erwählt; sie waren Niklas von Husa, Rĕpicky, von Buchov und Žižka. Žižka’s Rath befolgten jedoch die übrigen Hauptleute und sie schienen seinem großen Geiste huldigend mehr zu gehorchen als mitzubefehlen; als ein armer Edelmann ohne Vermögen, Würden und mächtige Freundschaften, auf seinen kräftigen Geist sich stützend, übernahm er die militärische Verwaltung seiner Anhänger und bedrohten Freunde.

 

 

 

 

 

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3. Žižka zu Tabor und der erste Kreuzzug nach Böhmen.

 

 

 

Žižka fand in Tabor das, was er in Pilsen suchte, einen sicheren Platz für seine Freunde; die Stadt selbst war von den eifrigsten Hussiten bewohnt und einige tausend zahlreich. Er ließ dieselbe auf die Art befestigen, wie man heutzutage die Festungen erbaut, und bei den damaligen Belagerungskenntnissen war es Žižka leicht, mit Wenigen die Festung gegen große Uebermacht zu vertheidigen, wann er dorten angegriffen würde.

 

 

 

Bisher hatte Žižka kein eigenes Heer, welches um ihn beständig sein würde und mit dem er seine Feinde auch angreifen könnte; er sammelte die besten unter seinen Anhängern um sich, ordnete sie in Fähnlein und Haufen und lehrte sie seine Kriegsmanier. Um auch Cavallerie zu haben, die ihm bei einem größeren Kriege unentbehrlich schien, mußte er die Pferde dazu seinen Feinden nehmen. Eine Abtheilung von 2000 jener Reiter, die den Žižka bei Sudomĕř fruchtlos angegriffen haben‚ war unter ihrem Obristen Divoky im Städtchen Vožice einguartirt.

 

 

 

Am 9. April in der Morgendämmerung kam Žižka mit einer kleinen Schaar seiner Soldaten, überrumpelte die schwachen Mauern des Städtchens, zündete es an und erschreckte durch das große Geschrei, welches seine Kämpfer erhoben, die feindlichen

 

 

 

 

 

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Reiter so sehr, daß sie Waffen und Pferde vergaßen und sich durch die brennenden Häuser, in die Burg zu flüchten suchten; doch kaum zwei Drittel sollen ihr Leben gerettet haben. Einige von ihnen wurden gefangen und Žižka erkaufte mit ihnen seine bei Sudomĕř gefangenen Freunde. Sein Plan war erreicht; eine große Menge von Waffen und Rüstungen und mehre hundert Pferde wurden erbeutet. Žižka konnte sich nun Reiterei bilden und bald darauf hatte er ein kleines Kriegsheer aller Waffengattungen um sich, welches einmal an Zahl überlegenen Feinden sich entgegenstellen konnte.

 

 

 

Während Žižka seine Soldaten in Tabor in den Waffen übte, näherte sich Sigismund Prag, um sich auf den Königsstuhl Böhmens zu setzen und die Hussiten von Gottes Erdboden zu vertilgen. Seine Partei erlaubte sich gegen den Wunsch des Königs viele Gewaltthätigkeiten und Grausamkeiten gegen die Hussiten, und diese vergalten es ihnen, wo sie nur konnten. Die Böhmen, durch ihre Priester fanatisirt, zerfleischten sich unter einander; in einer Ortschaft, ja oft selbst in einer Familie hatte jede Partei einige Anhänger. Die größten Feinde aller Hussiten waren die Kuttenberger; schon am Anfange der Unruhen in Prag hatten sie die Hussiten, deren sie habhaft werden konnten, in den Bergwerksgruben lebendig begraben; später, als die an Kuttenberg näher wohnenden Hussiten die verderblich Stadt mieden, zahlten die Kuttenberger für einen jeden eingebrachten Hussiten ein Schock böhmischer Groschen, und für einen hussitischen Priester fünf Schock; ein böhmischer Groschen war beiläufig

 

 

 

 

 

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nach jetzigem Gelde ein Zwanziger und ein Schock solcher Groschen sind zwanzig Silbergulden. Dorten, wo die Hussiten in den einzelnen Ortschaften: zerstreut waren, hielt man auf sie Jagden und verkaufte sie den Kuttenbergern; in einer kurzen Zeit stürzten sie über 2000 Hussiten lebendig in die Schachte. — Im anderen Böhmen, wo die Hussiten nicht überwiegend waren, erlaubten sich ihre Gegner Mißhandlungen jeder Art, ja selbst des Feuers bedienten sie sich gegen dieselben. Im Pilsner und Prachiner Kreise waren es namentlich die Herrn von Schwamberg, Riesenberg und einige Andere. Hier aber im südlichen Böhmen war Žižka die größte Stütze der Hussiten.

 

 

 

Sobald er nur einige Tausend seiner „Brüder“, so nannten sich die Hussiten unter einander, in den Waffen eingeübt hatte, theilte er sie im mehrere Abtheilungen und schickte sie auf Streifzüge in näher gelegene Ortschaften, damit sie die schwächeren Glaubensbrüder schützen und ihre Feinde, die katholisch gesinnten Herren und die Klöster, bekriegen und vernichten. Er selbst wendete sich gegen den Herrn Schwihowsky, der sich im Prachiner Kreise in der für unbezwingbar gehaltenen Veste Rabi aufhielt; eine zahlreiche Menge von katholischen Priestern und Herren, in ihren Ortschaften vor Žižkas Kämpfern nicht sicher, suchte mit dem Kostbarsten, was sie hatte, Schutz in der Veste und ließ sich mit einschließen. Žižka belagerte nicht lange diese starke Veste und mit Hilfe seiner verbesserten Belagerungsmaschinen erstürmte er sie in Kurzem. Seine Streiter, voll Rachedurst, daß sie einmal den Katholiken ihre Grausamkeiten vergelten konnten, schonten nicht das Leben der Besiegten, aus

 

 

 

 

 

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den vorgefundenen Schätzen und Kostbarkeiten machten sie einen Scheiterhaufen und zündeten ihn an; sieben gefangene Mönche und Priester wurden von den fanatischen Siegern ebenfalls ins Feuer geworfen. Zwei Söhne des Herrn Schwihowsky geriethen in die Gefangenschaft der Hussiten und mit großer Mühe erhielt sie Žižka am Leben. Hierauf trat er den Rückzug gegen Tabor an. Als Žižka in Tabor angelangt war, kamen Gesandte von der Stadt Prag zu ihm mit der Bitte, sie gegen den König Sigmund, der bIos einige Meilen vor Prag stand, zu unterstützen. Žižka begriff sehr wohl, daß wenn der König Prag bezwingen würde, die Hussiten auf dem Lande bald besiegt werden würden. Er hinterließ daher eine hinreichende Besatzung in der Stadt Tabor, und verließ mit 9000 auserlesenen Kämpfern und einer großen Menge von Priestern, Frauen und Kindern die Festung; in Eilmärschen näherte er sich Prag. Als Sigismund davon benachrichtiget war, schickte er den Taboriten 1000 Reiter entgegen unter Anführung berühmter und erfahrener Anführer: von Duba, Sternberg, von Ozor; 1600 Reiter aus der Besatzung der königlichen Schlösser in Prag wurden ihnen noch zur Verstärkung nachgeschickt. Beide Armeen begegneten sich bei Benešow; Die Königlichen wollten den Taboriten den Eingang in die Stadt verwehren, Žižka machte jedoch einen Umweg und von der entgegengesetzten Seite drang er in die Stadt ein, zündete sie an und zog wieder weiter. Er wollte sich in keinen Kampf mit den Königlichen einlassen, seine Krieger für künftige und wichtigere Kämpfe schonend; als aber die feindliche Armee ihn immer mehr umzingelte,

 

 

 

 

 

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stellte er auch seine Schlachtreihen auf und griff die feindlichen Reiter an, die jedoch durch die bergige Gegend ihre Macht nicht hinreichend entwickeln konnten und in die Flucht geschlagen wurden. Den zweiten Tag darauf, am 20. Mai, begrüßte ihn Prag unter Jubeln und Jauchzen. Außer den Taboriten unter Žižka kamen auch die Orebiten unter Krušina von Lichtenburg, dann die Hussiten aus dem Saatzer und Leitmeritzer Kreise den Pragern zu Hilfe. Sigismund lag mit seinen Schaaren bei Königssaal und erwartete die Hilfe, die aus dem deutschen Reiche und den übrigen christlichen Ländern zu ihm stoßen sollte. Am Ende des Monates Juni kamen diese Kreuzschaaren in seinem Lager vollständig an; es waren hier Völker von ganz Europa außer Rußland und Skandinavien vertreten, um die böhmischen Ketzer auszurotten. Sigismunds Streitmacht belief sich über einmalhunderttausend. Die Prager mit ihren Freunden konnten dieser Macht kaum den fünften Theil regelmäßiger Streiter entgegenstellen; Žižka leitete die Vertheidigung der Stadt. Die Stadt liegt in einem Thale der Moldau und wird durch sie in zwei Theile getheilt; auf dem rechten Ufer ist die Altstadt und die Neustadt, östlich von diesen ist eine Anhöhe, Witkowberg früher genannt; auf dem linken Ufer liegen die Kleinseite, und Hračin mit der königlichen Burg gegen Norden; die zweite Burg Wišehrad ist im Süden; die Kleinseite ist mit der Altstadt durch eine große steinerne Brücke von Kaiser Karl IX. verbunden worden. — Die beiden Burgen, auf Anhöhen erbaut, waren in den Händen der königlichen Besatzung, und wäre die Artillerie

 

Johann Žižka.

 

 

 

 

 

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damals etwas ausgebildeter gewesen, so wäre es Sigismunden leicht gewesen, die Stadt zu bezwingen. Vom 30. Juni an belagerte er die Stadt, ohne einen Vortheil über sie zu gewinnen; die Prager schloßen nicht einmal die Thore zu. Sein Kriegsrath entschloß sich daher zu einem Sturm auf die Stadt am 14. Juli Nachmittags. Die Königlichen sollten von der Burg aus mit 16,000 Mann gegen die Kleinseite operiren und sich der Brücke bemächtigen; von Wišehrad sollten die Besatzungstruppen gegen die Neustadt vorrücken; andere Truppen sollten von der nordöstlichen Seite die Altstadt angreifen; die deutschen thüringischen und sächsischen Truppen, die gegen 40,000 Mann stark waren, sollten mit der Hälfte ihrer Mannschaft den Witkowberg besetzen: die übrige Truppenmacht stand im Lager unter Waffen, je diese oder andere Abtheilung zu unterstützen bereit.

 

 

 

Žižka, auf einen Sturm schon lange vorbereitet, theilte nach seinem Gutachten die Vertheidiger ein und er selbst stellte sich auf dem Witkowberge auf. Schon früher sah er die Wichtigkeit des Berges ein und errichtete darauf zwei Blockhäuser aus Holz, umgab sie mit kleinen Gräben und einer steinernen Mauer.

 

 

 

Der erste Kampf entspann sich auf dem Witkowberge. Die deutschen Heerschaaren umzingelten den Berg und tapfer drängten sie die weichenden Vertheidiger bis zu den Blockhäusern. In diesen waren bloß 26 Mann, zwei Frauen und ein Mädchen, also beiläufig ein Vertheidiger wurde von 1000 Mann angegriffen. Hinter den Blockhäusern wehrte sich Žižka mit etlichen hundert seiner Getreuen, wäre jedoch bald selbst in große Gefahr gekommen; in der Hitze des

 

 

 

 

 

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Kampfes wagte er sich zu sehr unter die Feinde und hätten seine Waffengefährten ihn nicht bemerkt und befreit, so wäre er verloren gewesen. Bis jetzt neigte sich dieser ungleiche Kampf so vieler Tausende gegen einige Hundert zu Gunsten der Mehrheit; die Prager fürchteten schon für den Berg. In dem entscheidenden Augenblicke jedoch schlugen sich einige hundert tapfere Krieger aus der Stadt durch die Feinde und vereinigten sich mit Žižka und seinen Kämpfern. Aus den Zurückgedrängten sind Angreifer geworden und mit einer solchen Wuth erteilten sie mit den eisernen Schlegeln und Streitkolben tödtliche Hiebe unter die Feind, dass in einer halben Stunde ein in halbes Tausend derselben getödtet wurde. Die Kreuzschaaren befiel ein panischer Schrecken, so daß sie eiligst die Flucht ergriffen, und noch auf der Flucht würden sie von den Pragern aus

 

 

 

 

 

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der Stadt mit Kanonen und Haubitzen bestrichen, die ganze Reihen unter ihnen niederschmetterten .Die übrigen Stürme an den andern Seiten der Stadt wurden von den Pragern ebenfalls tapfer zurückgeschlagen. Sigismund mit seinem zahlreichen Heere wurde von Žižka und den aufständischen Bauern und Städtern geschlagen, Prag gerettet; noch auf dem Schlachtfelde kniete Žižka mit seinen Kriegern nieder und dankte Gott für den ihm verliehenen Sieg. Sigismunds Kreuzschaaren rächten sich an dem nahen unbewaffneten Landvolke; falls ihnen ein Böhme in die Hände fiel, tödteten oder verbrannten sie ihn ohne Erbarmen; einige Thüringer schonten selbst unmündige Kinder und hilflose Kranke nicht. Bald gebrach es jedoch Sigismund an Nahrung und Pferdefutter, sein Hilfsheer wurde von verschiedenartigem Ungeziefer geplagt und seit der letzten Niederlage am Witkowberge, der nun seinem Vertheidiger zu Ehren Žižkaberg bis jetzt heißt, so in Schrecken gehalten, daß Sigismund nur mit Bitten und kostbaren Geschenken, die er der Burgkirche und dem Königsschatze abgenommen hatte, die Kreuzschaaren einige Tage vor Prag aufhalten konnte. Inzwischen ließ er sich von seinen Treuen in der Burg krönen, verstärkte die Besatzung der beiden Schlösser und hob die Belagerung auf.

 

 

 

Am 30. Juli verließen die Kreuzschaaren ihr Lager bei Prag, zündeten es jedoch an und unerhörte Grausamkeiten auf dem Wege gegen alle Einwohner verübend, entfernten sie sich in ihre Heimath. Den 2. August verließ auch Sigismund die Gegend Prags und zog sich gegen Kuttenberg zurück, wo er neue Streitkräfte gegen die Prager sammelte und an den

 

 

 

 

 

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Ortschaften und Herrn, die den Pragern Hilfe geschickt hatten, seinen Zorn ausließ, indem er ganze Gegenden plündern und verbrennen ließ.

 

 

 

Die Hussiten in Prag, durch Žižka auf einige Zeit von Sigismund befreit, vereinigten sich in folgenden vier übermüthigen Hauptpunkten und schworen, für dieselben ihr Gut und Blut zu opfern.

 

 

 

1. Das Wort Gottes soll überall ohne Hindernisse frei gepredigt werden.

 

 

 

2. Das Altarssakrament soll unter zwei Gestalten verabreicht werden.

 

 

 

3. Güter und Besitzungen sollen dem geistlichen Stande abgenommen und derselbe ein christliches Beispiel der Tugend sein und dazu verhalten werden.

 

 

 

4. Die öffentlichen und Todsünden sollen an jedem Stande, den Geistlichen und Weltlichen, Herrn und Dienern, öffentlich und gerecht gestraft werden.

 

 

 

Das sind die vier berühmten Artikel, welche erst nach fünfzehn blutigen Jahren sowohl von der römischen Kirche auf der Basler Kirchenversammlung als auch von Sigismund in ihrer Hauptsache anerkannt wurden und diesem erst dann die Krone Böhmens sicherten.

 

 

 

Von Kuttenberg aus ließ der König Sigismund mit den Pragern unterhandeln, wollte jedoch die obgenannten Artikel nicht anerkennen, und als er ein zahlreiches Heer, von Ungarn und den katholischen Herrn und Städten aus bömisch-mährischen Ländern um sich gesammelt hatte, zog er gegen Ende Oktober noch einmal gegen Prag, wurde besiegt und zog sich wieder

 

 

 

 

 

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gegen Kuttenberg zurück; die königliche Burg Wišehrad fiel den Pragern in die Hände und wurde von dem ergrimmten Pöbel zerstört. Die Königsburg auf dem Hračin, durch eine neue Besatzung verstärkt, hielt sich noch einige Zeit.

 

 

 

 

 

4. Žižka im südlichen Böhmen. Der Tod Niklas von Husa.

 

 

 

Während dessen war Žižka im südlichen Böhmen. Seine Taboriten, rauh von Natur, konnten sich mit den Prager Bürgern und die taboritischen Weiber und Mädchen mit den Prager Frauen und Fräulein nicht gut vertragen; auch waren die Religionsansichten der Taboriten wesentlich von denen der Prager verschieden, indem die ersteren keine Meßkleider, Meßceremonien und Kirchenschmuck leiden wollten. Um den Zänkereien vorzubeugen, verließ Žižka mit seinen Taboriten am 22. August Prag und wendete sich gegen Süden. Auch war es seine Absicht, die dem Sigismund treu gebliebenen Herren und Städte entweder von ihm abzuwenden und auf seine Seite zu bringen, oder sie zu vernichten; es schmerzte ihn tief, daß sich einige seiner Landsleute mit den Feinden des Landes zur Bekämpfung und Ausrottung ihrer böhmischen Brüder verbanden. Um den König aus dem Lande zu vertreiben, war er zu schwach, er wendete sich daher gegen seine Anhänger. Als Sigismund im Juli Prag belagert hatte, waren außer

 

 

 

 

 

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einigen kleineren Städten und Dörfern an der Seite der Prager die Bürger von Tabor, Saatz, Laun, Slan, Klattau und Pisek unerschrocken gestanden, einige von den übrigen Städten hielten sich neutral und die anderen waren entschieden in der Gewalt der Königlichen; die Großen des Landes auf ihren Burgen hielten ebenfalls zu der Partei des Königs. Städte, die befestiget waren und gleichsam die Festungen des Landes vertraten, gab es über ein Hundert; fester Burgen und Schlösser rechnete man über dritthalb Hundert. Die Hälfte von diesen befestigten Städten und Burgen mußten die Hussiten erobern, wenn sie Herrn des Landes werden wollten.

 

 

 

Žižka kam aus Prag in die hussitische Stadt Pisek, verweilte hier einige Tage und begann von hier aus die ihm feindlichen Städte und Burgen zu erobern. Er wendete sich zuerst gegen Vodniany, welche Stadt auf Befehl des Herrn Ulrich von Neuhaus, des mächtigsten Großen im südlichen Böhmen, viele Grausamkeiten, gegen die Hussiten verübt hatte; in Kurzem eroberte Žižka die Stadt, die Vertheidiger derselben wurden niedergemetzelt und dieselbe von Hussiten besetzt, denen sich auch zuletzt die Bürger angeschlossen haben und bei den vier Prager Artikeln eifrig verharrten.

 

 

 

Von hier zog Žižka gegen die einige Stunden südlich entfernte Stadt Prachatice. Die eifrigeren Feinde flohen vor seiner Ankunft, und die Bürger ergaben sich mit dem Versprechen, die Prager Artikel anzunehmen, und erhielten dadurch von dem Sieger völlige Gnade. Hierauf plünderte er die Besitzungen des Ulrich von Neuhaus, eroberte die Stadt und

 

 

 

 

 

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Burg Lomnic, Bistric, Sviny, Bory. Bei der letzteren Burg wurde er von seinen Feinden überfallen, schlug sie jedoch tapfer zurück. Von hier wendete er sich wieder gegen Prachatice. Diese Stadt hatte nach dem Abmarsche Žižkas ihre hussitischen Mitbewohner aus derselben vertrieben, ihre Güter eingezogen und einige eifrigere Hussiten lebendig verbrannt.

 

 

 

Um seine „Brüder“ zu rächen und die Stadt wegen ihrer Treulosigkeit zu bestrafen, kam Žižka mit einer ansehnlichen Steitmacht vor den Mauern derselben an und verlangte die Uebergabe: „Oeffnet die Thore und laßt uns friedfertig einziehen mit dem Leibe Christi und unseren Priestern; wir versprechen euch Schonung eueres Lebens und euerer Güter.“ Die Bürger spotteten seiner und mit Schmähungen beantworteten sie seine Aufforderung. Žižka erwiederte ihnen mit lauter Stimme: „Ich schwöre bei Gott, daß ich euch Alle tödten lasse.“ — Der Angriff begann, Žižka’s Streiter legten Sturmleitern an und schoßen so trefflich auf die Vertheidiger, daß sich bald Keiner an den Mauern zeigte; die Mauern wurden erstiegen und nun begannen die Taboriten mit ihren mörderischen Flegeln ein Gemetzel unter den Bürgern, daß diese in ihre Häuser flüchteten, um die Schonung ihres Lebens bittend.

 

 

 

Inzwischen wurden von den Stürmern die Thore geöffnet und die ganze Masse der Taboriten wälzte sich in die Stadt. Kinder und Frauen und einige als Hussiten bekannte Männer wurden am Leben erhalten, die übrige männliche Bevölkerung wurde ermordet. Dieses geschah am 13. November. Žižka vertrieb die Frauen und Kinder der Gefallenen, besetzte mit den

 

 

 

 

 

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Taboriten die Stadt und ließ um dieselbe neue Gräben und Mauern errichten.

 

 

 

Auf einer andern Seite waren die Taboriten ebenfalls glücklich; unter Anführung des Stadthauptmannes von Tabor, Zbyniek von Buchow, zerstörten sie die Schlösser Pribenice, dem Herren Ulrich von Neuhaus gehörend, vergalten demselben reichlich seine Grausamkeiten und zwangen ihn, um einen Waffenstillstand zu bitten, der ihm bewilliget wurde, unter der Bedingung jedoch, die vier Prager Artikel anzuerkennen.

 

 

 

Die Taboriten und Žižka fochten zwar mit großem Vortheil im südlichen Böhmen, erlitten aber auf einer anderen Seite empfindliche Verluste im Einfluße auf die Regierungsangelegenheiten im Lande. Wäre Žižka mit seinen Taboriten in Prag verblieben und hätte er die Regierung des Landes in seine Hände genommen, was ihm bei seiner militärischen Ueberlegenheit möglich gewesen wäre, so hätte er die Prager leicht beherrschen und im Falle ihrer Widersetzlichkeit auch bezwingen können, da er im eigentlichen Volke daselbst viele Anhänger zählte; als Herr von Prag, der Mutter des Landes, hätte er die Regierung nach den Grundsätzen seiner Taboriten einrichten und die späteren Bürgerkriege verhüten können. Er kümmerte sich nicht um die Politik und überließ dieselbe den Pragern; während seiner Abwesenheit von Prag hatten die minder eifrigen Hussiten daselbst über die eifrigeren Taboriten Uebergewicht erhalten. Es trat eine Spannung zwischen beiden Parteien ein; die erste hielt die zweite für überspannt und diese die erste wieder für kalt in der Nationalsache. Darin vereinigten sich beide, daß sie Sigismund als ihren König nicht anerkennen und an den

 

 

 

 

 

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vier Prager Artikeln halten wollten. Die Prager, um der Unordnung und Anarchie im Lande zu steuern, bemühten sich, den polnischen König zur Annahme der Krone Böhmens zu bewegen, in der Hoffnung ‚ daß sie, einen so mächtigen König an der Spitze habend, dem König Sigismund kräftiger würden widerstehen und die überspannten Taboriten im Zaum halten können. Žižka hatte zwar im Juli schon sich damit einverstanden erklärt; trotzdem aber, als die Prager im November wieder eine Gesandtschaft zum polnischen König senden wollten, widersetzten sich diesem Schritte einige eifrige Taboriten. Der größte Gegner gegen die Erwählung eines Königs war Nikolaus von Husa, ein hoch gebildeter, kluger, reicher und patriotischer Herr. Schon zu Hussens Lebzeiten war er sein eifrigster Anhänger und nach dessen Verbrennung der geschickteste Führer der hussitischen Bewegung. König Wenzeslaw fürchtete ihn, in der Meinung, er wolle ihn des Thrones berauben und sich selbst auf ihn erheben; nach seinem Tode hatte er am eifrigsten gegen Sigismund gewirkt und den Aufstand der Hussiten betrieben. Er selbst, einer der reichsten Großen des Landes, verband sich mit seinen und anderen Bauern, nannte sie seine Brüder, ihre Frauen Schwestern. Sein überspannter Vorsatz war, aus Böhmen eine Republik zu machen, die so viel wie möglich auf Gleichheit der Untertanen ohne einen großen Unterschied der Stände und des Reichthums beruhen, und in Verbindung des polnischen Reiches ein mächtiger slavischer Staat werden sollte; er wollte eine sociale und panslavistische Republik aus Böhmen und den dazu gehörigen Kronländern bilden. Deßwegen, als die Prager die Erwählung eines neuen Königs betrieben, bestritt

 

 

 

 

 

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er sogar seinen Willen; als sie jedoch dabei verharrten und die Taboriten oder die eifrigeren Hussiten in Prag neckten und ihrer Aemter enthoben, verließ Nikolaus von Husa Prag, Willens, sich zu seinen Brüdern, den Taboriten, im südlichen Böhmen zu begeben und mit ihnen dann mit Gewalt in Prag einzuziehen und eine neue in seinem Sinne ordentliche Regierung einzuführen. Auf dem Wege zu seinen taboritischen Brüdern fiel er vom Pferde, verletzte sich, ließ sich zurück nach Prag bringen, um geheilt zu werden, starb jedoch bald darauf am 24. Dezember 1420 zur Freude der Prager und zur großen Trauer des Žižka und der Taboriten. Hätte Žižka die politischen Talente des Nikolaus oder dieser das militärische Genie seines Freundes gehabt oder wären sie Beide vor Verwirklichung ihrer Pläne nicht gestorben, so wäre der Krieg bald beendiget und Böhmen ein mächtiges slavisches Reich geworden. —

 

 

 

 

 

5. Die Taboriten auf ihren verwüstenden Zügen durch Böhmen.

 

 

 

Wir verließen Žižka bei Prachatice. Als er die Stadt erobert und die Bewohner darin für ihre Treulosigkeit vertilgt hatte, wendete er sich mit einer Abtheilung gegen Prag, um die Burg Ricĕany, welche eine andere Abtheilung der Taboriten nicht bezwingen konnte, zu erobern; sie ergab sich ihm freiwillig. Hierauf kam Žižka nach Prag, um die Versöhnung zwischen den Pragern und seinen Taboriten zu fördern. Priester beider

 

 

 

 

 

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Partheien sollten zusammentreten und über die wichtigsten Unterschiede in ihren Religionsansichten berathen und eine Verschmelzung beider Partheien bewirken. Die Taboriten verwarfen die Meßkleider, behielten nur zwei Sakramente, die Messe hielten sie in ihrer Muttersprache, die Bibel erklärten sie als die alleinige Vorschrift der christlichen Lehre, es soll keine Feiertage außer Sonntag geben, das waren die hauptsächlichsten religiösen Ansichten der Taboriten. Die Prager und andere minder eifrige Hussiten sahen in diesen Lehren nur Ketzereien und wie sie selbst von den Katholiken wegen ihrer Trennung von den Ansichten der katholischen Kirche und wegen den vier Prager Artikeln verketzert wurden, so verketzerten auch sie wieder die Taboriten. Außer den genannten religiösen Ansichten wurden auf dieser Versammlung die von den Taboriten in einem Programme entwickelten politischen Ansichten zur Sprache gebracht: die Taboriten - verwerfen den König, das Volk solle allein regieren, im Vermögen solle vollkommene Gleichheit herrschen, es gebe keinen Unterschied der Stände; es sind lauter kommunistische Ansichten. Wahr ist es, daß mehr oder weniger die Taboriten an diesen Sätzen hielten und wahr ist es, daß in Tabor vollkommene Gleichheit herrschte; Adelige und Bauern nannten sich dort Brüder und Schwestern, selbst Žižka nannte seine Untergebenen so und sie nannten ihn ihren Bruder. Die Versammlung ging unverrichteter Sache auseinander, beide Partheien verhielten sich ruhig, denn vom Lande kamen traurige Nachrichten nach Prag und die gemeinsame Gefahr, die ihnen von den Königlichen und den Katholiken drohte, verdrängte noch auf einige Zeit ihren Partheihaß.

 

 

 

 

 

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Nach dem Tode Nikolaus von Husa übernahm Žižka, der dadurch das alleinige Haupt der Taboriten geworden war, den Oberbefehl über dessen Streiter und nach dem neuen Jahre zog er von Prag in das südwestliche Böhmen. Auf dem Wege eroberte er das Kloster Chotiešov, die Stadt Kladruby und belagerte die Stadt Striebro (Mies). Inzwischen kam der große Feind der Taboriten Bohuslaw von Schwamberg auf das Mies nahe gelegene Schloß Krasikov, anders Schwanberg; Žižka erfuhr es, kam vor dem Schloße an, den zweiten Tag schon bemächtigte er sich eines Thurmes und der Brücke.

 

 

 

Schwamberg, jede Vertheidigung für vergeblich einsehend, ergab sich freiwillig unter der Bedingung, sein und der Seinigen Leben zu schonen. Žižka hielt auch ehrlich sein Wort, entließ die Besatzung und vergalt ihm seine früheren Grausamkeiten mit einer erträglichen Gefangenschaft; den Schwamberg rührte dieses großmüthige Betragen und die anständige Behandlung so, daß er nach einjähriger Haft um die Aufnahme zu den Taboriten bat und einer ihrer geschicktesten Führer und ein treuer Freund von Žižka wurde.

 

 

 

Nach der Einnahme von Krasikov bewegte sich Žižka gegen Tachov, eroberte zwar die Vorstadt, die Stadt konnte er jedoch nicht erstürmen, und als der König Sigismund, der sich in der Nähe befand, den Tachauern zu Hilfe zog, hob Žižka die Belagerung der Stadt auf, verstärkte die Besatzungen in Krasikov, Kladruby und Chotiešov, schrieb den Pragern und er selbst begab sich nach Tabor, um neue Streiter zu bringen, damit er den König besiegen könne. In Žižka’s Abwesenheit belagerte der König Kladruby, jedoch mit keinem

 

 

 

 

 

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Erfolge und als Žižka von Tabor und das Hilfsheer der Prager sich in Dobrieš vereinigten, floh Sigismund vor ihnen nach Leitmeritz und verließ nach einem Monate darauf Böhmen.

 

 

 

Nach der Flucht des Königs hatte Žižka, da ihm kein Feind im Felde gegenüberstand, wieder die katholischen festen Städte erobern wollen. Mit vereinigten Streitkräften seiner Taboriten und des Prager Hilfsheeres wendete er sich zuerst gegen Pilsen. Gleich nach seiner Ankunft eroberte er die Mühlen und die Vorstädte, allein die Stadt vertheidigte sich tapfer einen ganzen Monat und erbat sich bei Žižka einen Waffenstillstand auf 10 Monate.

 

 

 

Die Belagerung Pilsens wurde aufgehoben und die hussitischen Herrschaaren wendeten sich mit ihrem Führer nach Norden in den Saatzer Kreis; hier belagerten und eroberten sie zuerst die feste Stadt Kommotau und hier befleckten sich die Hussiten am meisten. Kommotau war schon damals eine ganz deutsche Stadt und gehörte zu den eifrigsten Verfolgern der Hussiten; die Stadt selbst war mit starken Mauern umgeben, die Bürger einige Tausende zahlreich und überdieß von den benachbarten Herren und Priestern unterstützt. Auf die friedliche Aufforderung Žižka’s zur Uebergabe antworteten die Kommotauer voll Uebermuth auf ihre Stärke mit Hohn und Schmähungen und von den Stadtmauern spotteten und beschimpften sie die Belagerer. Den zweiten Tag der Belagerung ließ Žižka die Stadt stürmen und einen Tag später, am 16. März, wurde sie erstürmt. Die Kommotauer wehrten sich tapfer, siedendes Pech und Wasser gossen sie über die Köpfe der Stürmer, alles war jedoch

 

 

 

 

 

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vergebens ; die Mauern wurden an mehreren Orten gleichzeitig erstiegen, und dann unter den Vertheidigern ein Blutbad angerichtet, ohne daß auf ihre Bitten um Verzeihung der Schmähung und Schonung ihres Lebens Gehör gegeben wurde; bloß Weiber und Kinder wurden verschont, die übrige männliche Bevölkerung wurde niedergemetzelt, außer einigen 30 Männern, die ihre Mitbürger begraben sollten. Ueber 2000 Bürger und Krieger verloren an diesem Tage ihr Leben.

 

 

 

Ein solch blutiges Beispiel wirkte; als Žižka Kommotau mit seinen Leuten besetzt hatte,zog er gegen die den Taboriten treue Stadt Žatec (Saatz) und auf dem Wege dahin ergaben sich Städte und Burgen unaufgefordert. Von Saatz ging Žižka mit seinem Kriegsheere auf die Ostern nach Prag, wo er freundschaftlich empfangen und bewirthet wurde. Einige Tage darauf machte Žižka einen kleinen Ausflug in die Stadt Beroun, wo sich eine starke königliche Besatzung und eine große Anzahl von Prager und anderen den Hussiten feindlichen Priestern und Bürgern befand. Nach fünftägiger Belagerung bemächtigte sich Žižka durch einen Sturm der Stadt und ließ die vorzüglichsten Männer darin, einige Ritter, Priester und Prager Bürger in einer Anzahl von 37 in einem Thurme verbrennen. Von hier wendete sich Žižka nach Tabor, und seine Krieger beließ er zur Unterstützung der Prager. Was mit Beroun geschehen, traf auch die Stadt Böhmisch Brod. Mielniek, Kouřiem, Kolien, Časlav, Nimburk und selbst Kuttenberg ergaben sich freiwillig den Pragern.

 

 

 

 

 

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Zwanzig Tage nach seiner Abreise von Beroum kam Žižka wieder mit neuen Streitern aus Tabor zu dem Prager Heere bei Chrudiem. Die Stadt wurde zur freiwilligen Uebergabe aufgefordert und ergab sich. Von da zog Žižka weiter gegen Osten, zerstörte die Klöster bei Pardubitz, Sezemitz und Podlažic; Hohenmauth (Vysoké Myto) ergab sich freiwillig, Polička wurde mit Sturm genommen, Litomyšl fiel ohne Schwertstreich in die Hände der Hussiten und die kleineren Städte in der Umgebung ergaben sich freiwillig.

 

 

 

Von hier wollte sich Žižka nach Mähren wenden, um auch dieses Land von den Königlichen und den Katholiken zu befreien; die mährischen Stände, in der Mehrzahl zwar hussitisch gesinnt, fürchteten dennoch die kommunistischen Taboriten und Žižka und baten Letzteren um Aufschub und einen böhmisch-mährischen Landtag, der am 1. Juni zu Časlav zusammentreten und die Landesangelegenheiten ordnen würde.

 

 

 

Žižka ließ von dem Zuge nach Mähren ab und zog gegen Norden in den Königgrätzer Kreis, wo die Orebiten von der Stadt Jaromieř viele Beleidigungen erdulden mußten. Einmal hatte der königliche Stadthauptmann der Stadt, Ignaz Červenohorsky, das Städtchen Krĕien überfallen, die Hussiten, die um diese Zeit ihren Gottesdienst verrichteten, in der Kirche ermordet und verjagt, und ließ sein Pferd in der Kirche aus dem Altarkelche der Hussiten tränken, höhnisch hinzufügend, daß sein Pferd auch unter zwei Gestalten empfange. Am 13. Mai wurde Jaromieř von Žižka vollständig eingeschlossen und einige

 

 

 

 

 

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Tage später bemächtigte er sich der Stadtgräben, erlitt jedoch einen beträchtlichen Verlust an seinen Leuten; die Inwohner fochten tapfer, und als sie die Stadt nicht mehr mit Erfolg vertheidigen konnten, übergaben sie dieselbe den Siegern unter der Bedingung, ihr Leben zu schonen. Die Bürger wanderten aus und begaben sich in die nördlichen Gegenden; die gemeinen Taboriten lauerten jedoch vielen auf und ertränkten sie in der vorbeifließenden Elbe. Der Stadthauptmann Červenohorsky und die Mönche und Priester waren unter der Kapitulation nicht mit begriffen, weil Žižka den Bürgern bloß Schonung des Lebens versprach; er ließ diejenigen Priester, welche die vier Prager Artikel anzunehmen

 

 

 

 

 

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sich sträubten, verbrennen und vergalt ihnen das, wozu sie ihre Gläubigen aufhetzten, den Červenohorsky ließ er nach Prag ins Gefängniß abführen. Seit dieser Zeit wurde Jaromieř hussitisch.

 

 

 

Bald darauf ergaben sich Králové Dvůr (Königinhof) freiwillig und Trutnov gezwungen den Hussiten; von hier zog Žižka über Boleslav (Bunzlau) nach Leitmeritz, welche Stadt sich inzwischen an Prag ergeben hatte, aus Furcht, sich an Žižka ergeben zu müssen. Leitmeritz gegenüber ließ er auf einem Berge die Burg Kalich erbauen. Ueberall auf seinen Zügen ergaben sich kleinere Städte und Burgen freiwillig, Die größeren wurden erobert. Von Leitmeritz begab sich Žižka zum Časlaver Landtag, der am 1. Juni eröffnet werden sollte.

 

 

 

 

 

6. Der Časlaver Landtag. Žižka, ein blinder Führer.

 

 

 

Ganz Böhmen, Hussiten und Katholiken waren hier durch ihre Herren und Abgeordnete vertreten; Sigismund selbst schickte dahin Gesandte ab und versprach die Unordnungen im Lande zu beseitigen und die Wünsche der Nation zu erfüllen, die sie ihm nennen sollte. Weil aber die Mehrzahl der Versammlung aus seinen Gegnern bestand, stellte sie ihm so

 

 

 

 

 

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harte Bedingungen, daß seine Gesandten unverrichteter Sache abziehen mußten. Der Landtag beschloß hierauf, Sigismund als seinen König nicht anzuerkennen, so lange er die Fehler, die er gegen Böhmen begangen hatte, nicht gut machen würde, erklärte ihn für einen Feind der Wahrheit und der Ehre des böhmischen Landes und wenn er die Feindseligkeiten fortsetzen würde, so verliere er auf immer die Hoffnung, auf den böhmischen Thron zu gelangen; der Landtag verpflichtete sich weiter zur Vertheidigung Böhmens gegen Sigismund und seine Freunde, zur Aufrechterhaltung der Hussitischen Lehre und erwählte einen Landesausschuß, um das Land bis zur Erwählung eines neuen Königs zu verwalten; wer gegen diese Verordnungen des Landtages handeln und dem Landesausschusse nicht gehorchen würde, solle durch Gewalt dazu verhalten werden. Unter den Vorzüglichsten des Ausschusses befand sich auch Žižka.

 

 

 

Während dieser Zeit rüstete man einen neuen Kampf gegen Böhmen. Papst Martin V. that neuerdings die Hussiten in einen fürchterlichen Bann und bereitete einen zweiten Kreuzzug. Noch vor dessen Ankunft machten die schlesischen Fürsten einen Einfall in das nordöstliche Böhmen, verwüsteten die Gegenden und mordeten die hussitischen Einwohner, die ihr Leben durch Flucht nicht gerettet haben; im nördlichen Böhmen thaten die sächsischen Fürsten dasselbe, nachdem sie die Hussitischen Heere der Prager bei Most (Brix) zum erstenmale geschlagen hatten; diese Schlacht war den 5. August. Doch ein noch größeres Unglück schien die Hussiten betroffen zu haben. Žižka hatte sich nach

 

 

 

 

 

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dem Časlaver Landtage in das südliche Böhmen begeben, um den Anordnungen desselben Gehorsam zu verschaffen. Als er die Burg Rabic im Prachiner Kreise belagerte, wurde er bei einer Rekognoscirung zufällig in die Wange getroffen, so daß das Geschoß ihm das andere gesunde Auge verletzte und ein Splitter in dem Augapfel stecken blieb. Die Burg wurde zwar erobert, aber das Gesicht des Feldherrn war verloren. Žižka betrug sich hier mehr als großmüthig, indem er nach der Einnahme der Burg keinem einzigen ihrer Vertheidiger etwas zu Leide thun ließ; er sagte den erzürnten Taboriten, daß das Unglück ihn allein betreffe und er verzeihe seinem persönlichen Feinde. Hierauf begab er sich nach Prag, um geheilt zu werden. Die Prager Aerzte zogen den Splitter aus dem Auge, die verlorene Sehkraft konnten sie ihm jedoch nicht zurückgeben; er erblindete ganz. Trauer erfüllte die Gemüther seiner Freunde, welche sich hierdurch ihres väterlichen Anführers und Beschützers beraubt sahen. Nur Žižka trauerte nicht; er tröstete sie im Vertrauen auf seinen Geist, der seit seiner Erblindung sich noch kräftiger zeigte. Mit eueren Augen, sprach er zur seinen Freunden, hoffe ich, so lange mir Gott seine Hilfe nicht versaget, euch auch in Zukunft zu Siegen zu führen. Und er hielt sein Wort. Bis zu seiner Erblindung ritt er gewöhnlich ein Pferd und von da an ließ er sich inmitten seines Kriegsheeres auf einem Wagen mitführen, von seinen Adjutanten die Gegenden und die Stellungen der Feinde beschreiben, und ertheilte hierauf die Befehle; mit den Augen seiner Freunde schauend und mit seinen inneren Augen

 

 

 

 

 

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entscheidend, führte er die Taboriten, wie er versprochen hatte, nur zu Siegen.

 

 

 

Als die Prager bei Brix geschlagen wurden, war Žižka in Prag und obschon die Wunde noch nicht geheilt war, konnten ihn dennoch die Aerzte und die Freunde in Prag nicht zurückhalten; er zog mit einer Kriegsschaar nach Norden gegen die Feinde, um die Niederlage der Prager Hussiten durch einen Sieg über die Feinde zu verwischen. Als diese davon Nachricht bekamen und von Žižka’s Anführung hörten, zogen sie eiligst über die Grenze. Žižka hinterließ in den nördlichen Städten einige seiner Krieger zur Stärkung der Besatzungen und kehrte nach Prag zurück, um neue Streitmassen zu sammeln. Das neue zweite Kreuzheer hatte sich nämlich an der westlichen Grenze Böhmens hinter Eger zu sammeln begonnen, und dem verabredeten Kriegsplane gemäß sollte Sigismund von Mähren aus mit einem anderen Kriegsheere in Böhmen einfallen und während der Kreuzzug sich von Westen Prag nähern würde, sollte Sigismund von Osten gegen Prag ziehen, von Norden sollten die sächsischen und schlesischen Fürsten dasselbe thun. Der Plan war gut angelegt, aber schlecht ausgeführt. Während das Kreuzheer einige Wochen an der Grenze, auf den Einfall Sigismunds wartete, versammelte Žižka, so viel ihm möglich war, Streiter um sich und bezog mit ihnen bei Prag ein festes Lager, die Bewegungen der Feinde beobachtend. Die schlesischen und sächsischen Heere fielen zuerst im Böhmen ein und obschon sie so viel Streiter hatten, daß sie mit ihnen ohne große Hindernisse recht weit in das Innere des Landes. vordringen konnten, so wagten sie sich dennoch nicht weit

 

 

 

 

 

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über die Grenze, an der sie die Ortschaften verwüsteten, Häuser und Menschen verbrannten und mordeten; als Žižka, die Langsamkeit Sigismunds und des Kreuzzuges benützend, gegen die nördlichen Feinde einige Tausend seiner Streiter aussendete, zogen sich jene ohne einen bedeutenderen Kampf über die Grenze zurück und Žižka konnte über die Hälfte seiner Streiter zurückrufen, weil die andere Hälfte derselben die nördlichen Feinde in Schach halten konnte. Auch Sigismund ließ auf sich lange warten und als der Kreuzzug die westliche Grenze bei Eger überschritt und schon Saatz belagerte, war Sigismund im westlichen Ungarn. Žižka davon benachrichtigt und durch die Lauigkeit Sigismunds vor seinem Einfalle nach Böhmen für einige Zeit gesichert, hob das Lager bei Prag auf und wendete sich gegen den Kreuzzug, um ihn noch vor-der Ankunft Sigismunds zu schlagen und aus dem Lande zu vertreiben. Das Kreuzheer belagerte um diese Zeit die feste Stadt Saatz, wo sich eine Besatzung von 6000 Man und 400 Reitern befand; überdieß hatten sich hieher mehrere tausend Menschen beiderlei Geschlechtes geflüchtet, um hier gegen die Grausamkeiten des Kreuzheeres gesichert zu sein; denn wo dasselbe durchzog, bezeichnete es seinen Weg mit der Verbrennung der Ortschaften und Ermordung ihrer Einwohner. Die Zahl des Kreuzheeres betrug gegen zweimal Hunderttausend Mann; es befanden sich darunter ein Kardinal, der dem Kreuzheere den päpstlichen Segen überbrachte, drei Erzbischöfe, fünf Kurfürsten, ein Pfalzgraf, und dann mehrere Fürsten und Grafen. Saatz wurde von dem ganzen Kreuzheere belagert und vertheidigte sich so tapfer, daß die Belagerer nicht den

 

 

 

 

 

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kleinsten Erfolg erzwingen konnten. Am 19. September wagten sie einen Sturm auf die Stadt und nach fünfmaligem Stürmen an demselben Tage kehrten sie mit blutigen Köpfen in ihre Zelte zurück, viele Hundert Todte in dem Stadtgraben hinterlassend. Žižka beschleunigte seinen Marsch. Als er so seine Leute Tag und Nacht marschiren ließ und sie endlich ermüdeten und murrten und ihm sagten: ihm sei wohl Tag und Nacht einerlei, weil er nicht sehen könne, aber nicht ihnen — da sprach er: „Wie, ihr seht nicht? So zündet euch doch ein Paar Dörfer an!“ So zogen die Schaaren Žižka’s vorwärts den Feinden entgegen.

 

 

 

Diese jedoch flohen vor ihnen, bevor sie dieselben erblickten, auf die bloße Nachricht, daß Žižka ihr Anführer sei und zum Entsatze der Stadt anrücke. Am 2. Oktober verbrannten sie ihre Zelte und in der größten Unordnung ergriffen sie die Flucht; noch viele unter ihnen, die sich verspätet hatten, wurden von den Saatzern, die inzwischen einen Ausfall gemacht haben, ermordet oder gefangen genommen. Mit Schmach bedeckt floh das Kreuzheer über die Grenze Böhmens nach Deutschland in seine Heimath und hier wurde es von den deutschen Patrioten mit Spott empfangen. Die deutschen Herrn, sagten sie, haben einen solchen Abscheu vor den böhmischen Ketzern bekommen, daß sie aus bloßem Aerger mit ihnen nicht kämpfen und sie nicht einmal sehen wollten.

 

 

 

 

 

7. Žižka rottet die Adamiten aus; sein zweiter Sieg über Sigismund.

 

 

 

Nach der Flucht des Kreuzheeres entließ Žižka die Krieger in ihre Orte und begab sich nach dem südlichen

 

 

 

 

 

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Böhmen, wo man seiner Gegenwart dringend benöthigte. Unter den Taboriten entstand schon vor einem Jahre eine neue Sekte, welche im Laufe einiger Monate viele hundert Anhänger zählte, und den übrigen Taboriten gefährlich werden mußte. Sie verwarf jede Religion und war dem Pantheismus ergeben, sie lehrte, daß „Gott Alles, was ist, sei, in einem jeden Naturdinge befinde sich ein Theil der Gottheit”, es gäbe keinen anderen Gott und keinen Teufel als den in guten und bösen Menschen. Gut war bei ihnen derjenige, der mit ihnen hielt, und böse und lasterhaft jeder Gegner. Alles war ihnen gemeinschaftlich, selbst die Frauen, und in ihren Zusammenkünften verübten sie Laster, welche man nicht ohne Scham erzählen kann; einige unter dieser echt kommunistischen Sekte gingen auch nackt herum und verkündeten, daß sie unschuldig wie Adam im Paradiese seien, weßwegen man sie Adamiten nannte. Die ersten Verkündiger dieser gottlosen Sekte kamen aus Frankreich, Deutschland und den Niederlanden, wo man sie Begharden (so viel als Ketzer) nannte, woraus das Wort die Pikarden oder Pikarditen entstand. In Böhmen hatten sie im Laufe einer kurzen Zeit mehrere hundert Gläubige gezählt und durch ihre gottlosen und kommunistischen Lehren die ohnehin aufgeregten und für Sektirerei empfänglichen Gemüther vieler Taboriten verführt ; ja sie setzen sich sogar zwischen Neuhaus und der Stadt Weselie auf einer Insel fest und unternahmen von dort, obschon sie bloß etliche hundert stark waren, Raubzüge in größere Ortschaften. Žižka, der über die Ueberspanntheit und Gottlosigkeit dieser Sekte entrüstet war, schickte einen seiner Unteranführer gegen die Adamiten; diese aber wehrten sich auf ihrer Insel tapfer und schlugen jeden Angriff zurück, besiegten in einer Schlacht die Feinde, tödteten

 

 

 

 

 

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selbst den Anführer und eine große Menge von den übrigen. Hierauf zog Žižka selbst gegen die Adamiten, überwältigte sie und rottete sie aus; einem einzigen Manne schenkte er das Leben, auf daß er sein Glaubensbekenntniß und die Geheimnisse ihrer Zusammenkünfte offenbare. Ein Ueberbleibsel dieser schändlichen Sekte erhielt sich in Böhmen bis zu unserer Zeit. Unter Maria Theresia und dann im Jahre 1848 tauchten die Adamiten im östlichen Böhmen wieder auf, hielten in mehreren Nächten ihre nackten Zusammenkünfte, doch bald traten sie wieder in ihre Zurückgezogenheit, weil die Zeit für ihren Glauben, wie sie behaupten, noch nicht erschienen ist.

 

 

 

Nach Ausrottung der Adamiten bekämpfte Žižka die Oesterreicher, die in Verbindung mit Herrn von Rosenberg in dem Budweiser Kreise das Land verwüsteten, doch ohne einen größeren Kampf verließen diese Böhmen. Žižka wandte sich hierauf in den Pilsner Kreis, wo die Stadt Pilsen, auf ihre vortheilhafte Lage und Stärke der Besatzung vertrauend, den Katholiken einen sicheren Schutz bot. Die Pilsner belagerten die Burg Krasikov, als Žižka in den Pilsner Kreis eintrat. Er wurde benachrichtigt, daß die Burg einen fühlbaren Mangel an Lebensmitteln leide und sich bald ergeben müsse; ohne Verzug rückte Žižka gegen Krasikov, überraschte die Pilsner, vertrieb sie von den Burgbasteien, die sie schon erobert hatten, und versah die tapfere Besatzung mit Nahrungsmitteln. Er bereitete sich darauf zu einem neuen Angriffe gegen die Pilsner vor und hätte unter ihnen eine große Niederlage angerichtet, aber in dem entscheidenden Augenblick der Schlacht kam den Pilsnern eine unerwartete, aus mehreren tausend Reitern bestehende Hilfe; Žižka sah, daß er nicht leicht siegen könne und seine Krieger

 

Johann Žižka.

 

 

 

 

 

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umsonst dem Schlachten opfern würde, ließ vom weiteren Angriffe ab, ordnete seine Krieger, umgab sie mit den Wägen und trat den Marsch nach Saatz an. Die Pilsner, zahlreicher als Žižka, folgten ihm auf dem Fuße und reizten ihn zu einem Kampfe.

 

 

 

Er schien jedoch auf diese Neckereien nicht zu achten und marschirte, von der beweglichen Wagenburg umgeben, weiter und erst bei der Stadt Zlutice, einige Meilen vor Saatz, ließ er Halt machen, um den Kampf mit den Pilsnern aufzunehmen. In der Eile bildete er auf einem Hügel sein Lager, umschloß es mit den Streitwägen, auf denen sich die trefflichsten Schützen und Kämpfer befanden, und erwartete den Angriff seiner Verfolger. Durch drei Tage stürmten diese sein Lager mit großem Verluste ihrer Mannschaft und immer wurden sie zurückgeschlagen; sie traten hierauf ihren Rückzug an und Žižka konnte nun ungehindert nach Saatz ziehen, wo er freundschaftlich empfangen und bewirthet wurde. Hier verlebte Žižka einige Tage in Ruhe, worauf er sich nach Prag begab, um mit den Pragern einen neuen Krieg zu besprechen. Sigismund nämlich sammelte an der östlichen Grenze Böhmens ein zahlreiches Kriegsheer, um damit das Böhmerland von den Hussiten zu befreien und sich die Regierung zu erobern. Die Prager luden daher Žižka und seine Taboriten in ihre Stadt ein, um ihre gemeinschaftliche Vertheidigung gemeinschaftlich zu berathen.

 

 

 

Als sich Žižka den Thoren Prags näherte, kam ihm die ganze Bevölkerung der Stadt mit ihren Priestern an der Spitze mit Waffenschmuck und Festkleidern entgegen, die Glocken der Kirchen ertönten feierlich und unter Jubeln und Hurrahgeschrei wurde er bis zur Kirche und von hier in die Burg von der dankbaren Menge begleitet,

 

 

 

 

 

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die in dem alten Feldherrn ihren Vater und Beschützer ehrte; Žižka’s Einzug nach Prag glich dem Triumpheinzuge der alten römischen Feldherrn nach Rom, oder dem feierlichen Besuche eines geliebten Königs in einer treuen Stadt. Žižka verblieb eine ganze Woche in Prag und berieth sich mit den Pragern über die Vertheidigung des Landes. Sein Plan, dem Angriffe Sigismund’s auf Prag vorzubeugen, wurde angenommen.

 

 

 

Žižka verließ daher am 8. Dezember Prag und bewegte sich gegen Kuttenberg; bei dieser Stadt ließ er Halt machen und erwartete das Kriegsheer Sigismunds. Die Stärke beider Heere, der Zahl nach, war ungleich; das des Sigismund zählte gegen siebenzigtausend Mann und das hussitische Heer betrug kaum ein Drittel des Feindes. Als Sigismund vor Kuttenberg erschien, verließ Žižka diese Stadt und stellte sich auf der Nordseite derselben auf;

 

 

 

 

 

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vor seinem Abzuge noch hinterließ er zur Unterstützung der Bürger einige seiner Unteranführer, um ihnen die Vertheidigung der Stadt zu erleichtern.

 

 

 

Žižka hatte kaum seine Schlachtordnung aufgestellt, als er von den Feinden angegriffen wurde. Schnell ließ er die Wägen an einander schließen, mit ihnen sodann seine Krieger einschließen und auf die vorderen Wägen Kanonen aufstellen; sodann ließen sich seine Krieger auf die Knie nieder und baten Gott um seinen Segen. Beide Theile fochten tapfer, aber die Königlichen konnten die Wagenburg der Hussiten nicht erstürmen, sie mußten sich bloß damit begnügen, das hussitische Lager in einem weiteren Kreise zu umzingeln. Inzwischen hatte sich Sigismund durch Verrath der Stadt Kuttenberg bemächtiget und hiermit den Hussiten im Felde die Hoffnung, im Falle der Noth darin Schutz zu suchen, vernichtet. Žižka fühlte sich zu schwach, um mit Erfolg dem Sigismund widerstehen zu können; er befahl seinem Heere, in der Abenddämmerung in Schlachtreihen durch die Königlichen durchzubrechen und stellte sich auf einem Berge bei der Stadt Kaňk auf. Aber die Königlichen umzingelten auch hier Žižka’s Heer, welches gleichsam eine Insel unter seinen Feinden bildete, und vom verflossenen Tage her die Erstürmung des Lagers für unerreichbar haltend, wollten sie dasselbe durch Hunger und Kälte statt durch Waffen zur Uebergabe zwingen. Žižka verhielt sich den ganzen Tag ruhig und erst in der Nacht ließ er unter Gedonner seiner Kanonen das Lager aufbrechen und zog durch die Mitte der erschreckten Feinde gegen Kolin zu; er verlor nicht einen Wagen und nicht einen Mann bei diesem meisterhaften Zuge und die Feinde, voll Schrecken und Bewunderung, ließen ihn ruhig abziehen. Sie vermutheten,

 

 

 

 

 

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daß der Krieg beendiget sei, und gönnten sich Ruhe oder plünderten die Umgegend.

 

 

 

Žižka kam nach 14 Tagen wieder und zwar mit neuen zahlreicheren Streitern. Zwischen Kolin und Kuttenberg hatte er eine Abtheilung des feindlichen Heeres unversehens überfallen und geschlagen; Sigismund machte sich darauf eiligst mit dem übrigen Heere davon und floh über Deutschbrod aus Böhmen hinaus. Žižka setzte ihm nach, schlug sein Heer bei Habr und blutiger noch bei Deutschbrod. In zwei Tagen waren beide Heere von Kuttenberg nach der Stadt Deutschbrod marschirt und in einer Zeit, wo die Wege an sich schlecht und durch die Winterszeit noch mehr verschlimmert waren.

 

 

 

Mit der inneren Verwaltung der taboritischen Gemeinden beschäftigte sich Žižka nur sehr wenig; jede einzelne lebte so zu sagen auf ihre eigene Faust und erst, wenn eine große Gefahr allen gemeinschaftlich drohte, schickte jede Gemeinde die auf sie entfallende Mannschaft in den gemeinsamen Krieg. Žižka war bloß im Felde das Haupt Aller und ihr unumschränkter Gebieter, nach beendigtem Kampfe schien er ihr Rathgeber gewesen zu sein; er hätte auch im Frieden ihr Herrscher sein können, doch dazu hatte er keine Neigung. Er fühlte sich von der Vorsehung nur zum Beschützer der neuen Lehre und zum Vertheidiger Böhmens auserkoren, zum Regieren glaubte er nicht berufen zu sein; er sagte von sich selbst, daß er ein Feind der bösen Priester und derjenigen Herrn sei, welche sich gegen ihn, gegen seine Taboriten und gegen das Evangelium feindselig beweisen. Er kannte bloß drei Gattungen Menschen: erstens, treue Christen nach seinem Sinne, ohne jedweden Standesunterschied ; zweitens, öffentliche

 

 

 

 

 

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Gegner des göttlichen Gesetzes, zu denen er alle Ausländer zählte; in die dritte Abtheilung gehörten alle Heuchler, und diese haßte er am meisten und strafte sie sehr grausam, weil er das Laster und die falsche Andacht ausrotten wollte. Wahr ist es aber auch, daß er oft kleinere Fehler mit eben so harten Strafen wie die Verbrechen bestrafte; die Grausamkeit seiner Gegner, die leider jedes menschliche Gefühl aus ihrem Herzen verstießen, entschuldiget jedoch, seine oft übertriebene Strenge und im Vergleiche mit seinen Feinden erscheint Žižka fast gelind.

 

 

 

Böhmen war durch die Siege seines greisen Feldherrn bei Kuttenberg und Deutschbrod in der ersten Hälfte Jänners 1422 von den Feinden befreit, aber von der äußeren Gefahr verschont, begann die nöthige innere Eintracht zu schwinden und in einem Jahre sehen wir diejenigen, welche gegen die fremden Heere gemeinschaftlich glorreich gefochten haben, jetzt gegen einander Krieg führen, und der greise Taboritenführer mußte seiner Selbsterhaltung willen gegen seine ehemaligen Freunde kämpfen.

 

 

 

Die Trennung der Hussiten untereinander und der Kampf unter ihnen war die Folge ihrer verschiedenen Religionsansichten und politischen Gesinnungen. Je weiter sich die Taboriten von den vier Prager Artikeln entfernten, näherten sich die Prager immer mehr der katholischen Kirche; der böhmische Adel mit wenigen Ausnahmen bekannte sich zu der Parthei der Prager. Er that es theils seiner religiösen Ueberzeugung wegen, theils auch wegen der Politik und aus Furcht von den Taboriten, weil diese die Unterthänigkeit des Landvolkes gegen die Adeligen nicht anerkennen wollten. Žižka hatte ja im Felde seinen Unterschied zwischen dem Adel und

 

 

 

 

 

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dem Bauer gemacht und der erste eigentliche Gründer der Taboriten, Niklas von Husa, hatte ja ausdrücklich die Gleichheit aller Böhmen im ganzen Lande einführen wollen; deßwegen bekannte sich das böhmische Landvolk am zahlreichsten zu den Taboriten. Denken wir uns aber diese nicht als eine Räuberrotte, aus entlaufenen Bauern oder gar Leibeigenen bestehend! Das böhmische Landvolk wie überhaupt alle Slaven kannten bis zu dieser Zeit die Leibeigenschaft nicht und ursprünglich war bei ihnen vollkommene Gleichheit des Standes auf die Art, wie man sie noch jetzt in Serbien und Montenegro vorfindet; die Unterthänigkeit des Landvolkes gegen ihren Gutsherrn bildete sich erst zu Ende des Mittelalters.

 

 

 

Zur Zeit der Hussitenkriege hatte das böhmische Landvolk seine persönliche Freiheit, sein eigenes Vermögen und seine Güter; der Adel bezog von demselben nur einige Einkünfte und übte dafür den Schutz über dasselbe aus. Dieser Schutz jedoch ging bei einigen Herrn in öffentliche Gewalt und Ausartung über, und auf ihre zahlreichen Söldlinge gestützt, erlaubten sich die Beschützer gegen ihre Schützlinge manche Handlungen, die von diesen Diebstähle und Räubereien genannt wurden. Was Wunder also, daß das Landvolk die Parthei der Taboriten freudig ergriff und auch in fernen Gegenden seine Güter verkaufte, um sich den Taboriten, wo alle unter einander Brüder und Schwestern waren, anzuschließen? — Aus eben dieser Ursache läßt sich der Haß des böhmischen Adels gegen die Taboriten und Žižka erklären. Noch dürfen wir nicht das Urtheil des Schriftstellers und nachmaligen Papstes Aeneas Sylvius über die Bildung der Taboriten übergehen; über ihre Religionsansichten und politischen Gesinnungen haben wir schon berichtet. Er

 

 

 

 

 

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sagt: „Schämen sollen sich die italienischen Priester, welche in ihrem ganzen Leben kaum einmal die heilige Schrift gelesen haben; wo hingegen das gemeinste taboritische Weib auf jede Frage wie ein gelehrter Theolog aus dem alten und neuen Testamente antwortet;“ — und dann an einer anderen Stelle sagt er weiter: „In ganz Europa können bloß die Gelehrten und wenige Herrn schreiben und lesen, in Böhmen hingegen schreibt und liest der gemeinste taboritische Bauer.“

 

 

 

Ein ganzes Jahr nach Besiegung Sigismunds und seiner Flucht schien Žižka, wenn nicht in vollkommener Ruhe, so doch ohne einen größeren Krieg zugebracht zu haben; die Königlichen im Lande waren nach dem Unglück des Königs viel zu schwach, als daß sie die Hussiten beunruhigen konnten, von Deutschland drohte dieses Jahr auch keine Gefahr und die Zerwürfnisse der Hussiten entwickelten sich erst. Daß die Streitigkeiten derselben in einen Bürgerkrieg ausarten würden, daran dachte Žižka nicht. Er entließ den größten Theil der Taboriten und behielt bei sich bloß eine kleine Abtheilung, gleichsam eine Leibgarde, die aus den tapfersten und treuesten Brüdern und Schwestern bestand und im entscheidenden Augenblicke der Schlacht den Sieg bewerkstelligte: es war ein kleines stehendes Heer. Er hielt sich zumeist im südlichen Böhmen und auf seiner Burg Kalich im Norden bei Leitmeritz auf und schien sich wenig um das Treiben der Prager und ihrer Freunde zu kümmern.

 

 

 

Die Prager unterdessen unterhandelten mit den Katholiken in und außerhalb des Landes um die Anerkennung der vier Prager Artikel und mit dem lithauischen Fürsten Alexander Witold um die Annahme der böhmischen Krone, die der polnische König Wladislaw Jagillo

 

 

 

 

 

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ausgeschlagen hatte. Im Monate Mai kam auch wirklich Sigismund Korybut, Neffe des Königs von Polen und des Großfürsten Witold, nach Prag, um im Namen seines Oheims Witold die Regierung des Landes zu übernehmen. Noch vor dessen Ankunft hatten die Führer der wankelmüthigen Prager auf Anstiften einiger Großen den berühmten taboritischen Priester zu Prag und Freund von Žižka, den Johann Zelivsky, unter einem Vorwande auf das Altstädter Rathhaus gelockt und hier insgeheim tödten lassen, weil er das Volk von Prag im taboritischen Sinne bearbeitet und gegen die Erwählung eines Königs aufgehetzt hatte. Diese schändliche und meuchlerische That erregte unter dem Prager Volke einen Aufruhr, der mit der Ermordung einiger Feinde des Getödteten endigte.

 

 

 

Auch Žižka, als er davon benachrichtiget wurde, trauerte um den schmählich hingerichteten Freund, nahm keine Entschuldigung von den Urhebern des Todes seines Freundes an und ergrimmte in seinem Herzen über die Prager sehr; und als dieselben später unter ihrem Fürsten gegen die Taboriten strenger verfuhren und zuletzt auch Gewalt anwendeten, da wurde der Freund Žižka ihnen zum Feinde.

 

 

 

Mit Korybut war Žižka anfangs unzufrieden, weil ihn jener vor seinem Eintritte nach Böhmen in einem Briefe beleidiget hatte; Korybut hatte bis jetzt den Žižka aus den im Auslande herrschenden Nachrichten beurtheilt, die ihn als einen leibhaftigen Teufel und Raubmörder, statt als einen genialen Führer eines tapferen und begeisterten Heeres geschildert haben. Er bereute seinen Fehler und bat den beleidigten Greis um Verzeihung. Žižka verzieh ihm und erkannte ihn als seinen Herrn an. Er

 

 

 

 

 

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schickte darauf den Pragern einen Brief, worin er sie ermahnt, dem Fürsten gehorsam und einig zu sein, den Partheihaß zu vergessen, auf daß sie mit Andacht beten können: „Vergib uns unsere Sünden, also wie wir vergeben unseren Schuldigern“; weiter verspricht Žižka in seinem Briefe, die Aufrührer und die Ungehorsamen zu strafen, und ermahnet sie nochmals zur Einigkeit und gegenseitigen Liebe. — Diese beiderseitige Liebe und Freundschaft dauerte jedoch nur einige Monate. Mit Bedauern sah Žižka, daß Korybut die taboritischen Anhänger in Prag von den Stadtbehörden ausschloß und, sich zu der Parthei des Adels und der Prager hinneigend, die Wünsche der Taboriten nicht berücksichtigen wollte.

 

 

 

Als Korybut die von den Königlichen besetzte Veste Karlstein belagerte, um sich der darin befindlichen Krone zu bemächtigen, ersuchte er Žižka um Hilfe, dieser aber versagte sie und mit den taboritischen Gemeinden in Verbindung verhielt er sich neutral; mit der That trennte er sich also vom Fürsten. Dieser verließ zu Ende des Jahres Böhmen und begab sich zurück nach Polen.

 

 

 

Böhmen war also wieder ohne Herrscher und die Partheien traten noch schroffer gegen einander. Die Prager und der Adel bildeten eine stärkere Parthei als Žižka mit seinen Taboriten, denn mit diesen hielten außer dem niederen Adel bloß die Städte Tabor, Prachatic, Jaromieř, Časlau, Königinhof, Pisek, Saatz, Laun, Klattau, Königingrätz und einige unbedeutendere Städtchen; zu der ersten Partei gehörte fast das ganze übrige Böhmen mit der Stadt Prag und dem hohen Adel.

 

 

 

 

 

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8. Kriege mit den Pragern.

 

 

 

Der Kampf zwischen beiden Parteien brach im April 1423 aus. Žižka wurde von den taboritischen Brüdern, den Herrn Walečow, im nordöstlichen Böhmen zu Hilfe gerufen, weil sie ihrem Feinde, dem Herrn von Wartenberk, allein nicht widerstehen konnten. Mit Freuden nahm Žižka die Bitte an, erließ einen Aufruf an seine übrigen Glaubensbrüder um Streiter und zum Sammelplatze bestimmte er die Gegend bei Deutschbrod; von hier zog er seinen nördlichen Freunden zu Hilfe und auf dem Wege dahin plünderte er die feindlichen Güter. Im Königgrätzer Kreise bei Hořic lieferte er dem feindlichen Heere das erste größere Gefecht. Er stellte sich bei einer Kirche auf einer Anhöhe auf, umgab wie gewöhnlich seine Stellung mit den Streitwägen und wartete den Angriff ab. Seine Kanonen, auf dem Berge postirt, trafen die Angreifer unten vortrefflich, während die feindlichen ihm auf dem Berge keinen einzigen Mann treffen konnten. Auch die feindliche Reiterei mußte, um anzugreifen, von den Pferden steigen und da sich in der Nähe keine Bäume befanden, woran die Pferde angebunden werden konnten, mußte ein beträchtlicher Theil der Mannschaft bei ihnen bleiben. Žižka ließ ruhig die Feinde bis zu seinen Wägen hinaufsteigen, aber kein einziger von denen, die sich bis zu den Wägen gewagt hatten, blieb am

 

 

 

 

 

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Leben; sodann öffnete er seine Wagenburg und die Taboriten stürzten aus derselben, um die übriggebliebenen Feinde zu tödten. Diese ergriffen gleich nach dem ersten Anprall die Flucht und hinterließen dem Sieger, eine große Beute an Pferden, Waffen und Wägen. Žižka durchzog hierauf das nordöstliche Böhmen, die Besitzungen des feindlichen Adels verwüstend, und kam, ohne beunruhiget zu werden, auf seiner Burg Kalich an, wo er bis zum Monate Juli verblieb.

 

 

 

Die Prager glaubten sich ohne Žižka behelfen zu können und als sie einen Zug nach Mähren veranstalteten, luden sie nicht Žižka zur Theilnahme an demselben ein. Ihr Kriegsheer drang bis nach Kremsier in Mähren vor. Während der Adel mit den Pragern vereint in Mähren focht, kam eine Gesandtschaft der Stadt Königgrätz zum Žižka auf die Burg Kalich, mit der Bitte, er möchte sich ihrer Stadt bemächtigen, und sie versprachen ihm ihre Mithilfe dazu, Žižka brach mit einigen Hundert Streitern und etlichen Wägen alsogleich auf und als er vor Königgrätz angelangt war, erregten die Bürger einen Aufstand gegen die Besatzung, die, der Parthei der Prager und des Adels angehörend, die feste Stadt denselben erhalten sollte; die Thore wurden von den Bürgern geöffnet und die Besatzung ward von Žižka’s Streitern aus der Stadt vertrieben. Žižka ließ hierauf das Schloß, welches mit einer kleinen Besatzung die Stadt beherrschen konnte, zerstören und seit dieser Zeit gehörte Königgrätz unter die eifrigsten Taboritenstädte, ja selbst als nach 13 kriegerischen Jahren Sigismund von ganz Böhmen als König anerkannt wurde, leistete noch Königgrätz allein Widerstand.

 

 

 

 

 

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Als die Prager von dem Falle Königgrätz's gehört hatten, kehrten sie von Mähren nach Böhmen zurück und zogen alsogleich gegen Žižka; er ging ihnen mit seinem Heere entgegen, tödtete denselben einige Hundert Mann, und über 200 nahm er gefangen. Die Besiegten flüchteten sich gegen Kuttenberg zu, wo sie neue Streitmassen an sich zogen. Žižka verließ Königgrätz und wendete sich nach Časlau; hier wurde er von dem Heere, das er bei Königgrätz geschlagen, das sich aber wieder verstärkt hatte, fruchtlos belagert. Die Prager hoben daher die Belagerung auf, ohne daß sie Žižka während der Belagerung einen Schaden zugefügt hatten.

 

 

 

Hierauf wendete sich Žižka nach Mähren, Oesterreich und Ungarn; es scheint jedoch, daß er, in diesen Ländern keinen Kampf zu bestehen hatte, weil seine Zeitgenossen nichts Näheres davon berichten, was sie wohl bei wichtigen Kämpfen und Schlachten nicht versäumt hätten. Nur von seinem Rückzuge aus Ungarn sind glaubwürdige Nachrichten aufgezeichnet worden. Žižka hatte sich bei der Verfolgung eines von ihm geschlagenen ungarischen Heeres zu weit über die Grenze bis hinter Tyrnau gewagt und noch weiter zu gehen reizten ihn die ungarischen Herrn, um ihn zu umzingeln und wenn nicht durch Gewalt, so durch Hunger aufreiben zu können. Žižka brachte dadurch sich und sein Heer in eine große Gefahr, denn als er diese erkannt und den Rückzug angetreten hatte, sah er sich von rechts und Links, vorne und hinten vom ungarischen Heere und seiner zahlreichen Reiterei umringt; sie glaubten schon den gefürchteten Mann vernichten zu können, aber der blinde Greis führte sein Heer unversehrt zurück und tödtete viele vom feindlichen. Sechs Tage dauerte dieser meisterhafte Marsch, der ihm

 

 

 

 

 

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ebenso viel Ehre, als ein großer Sieg verschafft. Er ließ aus seinen Wägen nach der Beschaffenheit der Gegenden bald zwei, bald mehrere Reihen bilden, zwischen den Wägen marschirte die Mannschaft, welche die Angriffe der Feinde auf die Wägen mit den eisernen Flegeln, Lanzen und Streitkolben zurückschlagen mußte, und auf den Wägen waren treffliche Schützen; bald ließ er wieder eine Abtheilung einen Ausfall machen, die anfangs die Feinde reizen und sodann vor denselben scheinbar fliehen sollte, und wehe denjenigen, die in der Verfolgung zu hitzig waren und in die geöffneten Reihen der Wägen und in das bewegliche Lager eindrangen, denn die Wägen wurden von ihren Führern augenblicklich geschlossen und die gefangenen Feinde ermordet; umsonst bemühten sich die Ungarn, Žižka’s Wagenburg zu erstürmen, er wußte Flüsse, Berge, Wälder und Thäler so zu seiner Vertheidigung zu benutzen und mit seinen Wägen so künstliche Stellungen zur bilden, daß die Ungarn ihm nicht nur keinen Schaden zufügen konnten, sondern sie selbst bei einem jeden Versuche des Angriffes immer zurückgeschlagen oder von den Wägen eingeschlossen wurden, um nimmermehr zu ihren Kampfbrüdern zurückzukehren. Die Ungarn, die bisher viele Todte verloren, aber keinen Erfolg errungen hatten, ließen von der weiteren Verfolgung des blinden Greises und seiner tapferen Begleiter ab, in der Meinung, daß Žižka kein Mensch, sondern ein Teufel sei, der allein solche Künste könne und sich nicht schaden lasse“.

 

 

 

Am Anfange Jänners 1424 kehrte Žižka glücklich aus Ungarn nach Böhmen zurück, um neuerdings gegen die Parthei der Prager und des Adels Krieg zu führen. Die Annäherung der Kelchner zu den Katholiken hatte den fanatischen Feldherrn gegen die Prager und ihre Verbündeten

 

 

 

 

 

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so sehr erbittert, daß er sie mehr als die Katholiken zu hassen anfing, weil er jene in seinem Sinne für Verräther des göttlichen Glaubens und für Heuchler hielt und diese wie bekannt haßte er am meisten, weil er die Heuchelei als die größte Gottlosigkeit betrachtete. Er ist aus Frömmigkeit Fanatiker geworden, und er wollte in Böhmen lieber wenige und aufrichtige als viele und falsche Einwohner haben, lieber wenige und fromme, als viele und gottlose. Bisher hatte er seine Taboriten gegen die Fremden und Königlichen angeführt, jetzt führte er sie gegen diejenigen, die er vor zwei Jahren gegen den gemeinsamen Feind beschützt hatte.

 

 

 

Zuerst wendete sich Žižka gegen die Herrn von Opočno, Nachod und andere, die mit diesen in Verbindung waren; denn es hatten ihm, wie er noch in Ungarn streifte, seine Freunde von Königgrätz geschrieben, daß sie von einem gefangenen Herrn, der zur Parthei obiger Herrn gehörte, versichert seien, es befinde sich unter Žižka’s Heere Jemand, der ihn meuchelmörderisch umbringen solle. Er griff daher die obigen Herrn alsogleich nach seiner Ankunft aus Ungarn im Jänner an, plünderte ihre Besitzungen, und als sie ihn mit ihrer Mannschaft bei Skalic angegriffen hatten, siegte er über sie und zerstörte nun ungehindert die feindlichen Burgen, Städtchen und Dörfer. Auf einem solchen verderblichen Zuge kam er bis nach Kostelec an der Elbe. Weil er nur eine kleine Anzahl Streiter bei sich hatte, versammelten die benachbarten Herrn ihre Mannschaften und von den nahen Pragern verstärkt, belagerten sie ihn in dem Städtchen. Žižka vertheidigte das Städtchen mit einem großen Heldenmuthe, hätte aber bei der Zunahme der Verstärkungen seiner Feinde erliegen müssen, und diese frohlockten schon

 

 

 

 

 

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darüber, daß sie ihn wie in einer Mäusefalle gefangen hatten; in einigen Tagen jedoch kamen die Herrn von Podiebrad, Žižka’s Freunde, mit vielen Kriegern in die Nähe des Städtchens, um Žižka zur entsetzen. Die verbündeten Prager Herrn mußten sich nun gegen die Angekommenen wenden und inzwischen gelang es Žižka mit seiner Mannschaft, aus dem gefährlichen Orte zu entkommen. In Eilmärschen, als wenn er fliehen wollte, zog Žižka gegen Osten, theilweise um neue Streiter zu sammeln und in der Nähe seiner Freunde zu sein, theils aber, um einen zur Schlacht geeigneten Ort aufzufinden. Denn bei einem jeden größeren Kampfe focht Žižka nicht auf jedem Platze, sondern er suchte sich taugliche Orte, zumeist Berge aus, weil er hier auch gegen einen vierfachen und noch zahlreicheren Feind mit Vortheil kämpfen konnte.

 

 

 

Einen solchen tauglichen Platz fand er nach Verlassung Kostelec's erst bei Maleschow, nicht weit von Kuttenberg. Er marschirte auch hier wie immer, von den Wagenreihen umgeben, ohne daß ihm die Verfolger einen Schaden thun konnten. Bei Maleschow angelangt, erwählte er einen benachbarten Berg zu seinem Kampfplatze; ein tiefes Thal umschloß denselben auf einer Seite. Seine Krieger auf dem Berge umgab er mit den Streitwägen, die er an einander mit Ketten befestigte und die ihm die Mauern der Festung vertraten; auf dem Platze innerhalb der Wagenmauer theilte er seine Fußgänger in die üblichen Haufen ein, um die Angreifer von den Wägen abzuhalten, und die sich darauf befindenden Schützen gegen die Feinde mit Flegeln und Lanzen zu vertheidigen; einige Haufen waren wieder zu einem Ausfalle aus der Wagenburg bestimmt, wenn der Feind von den Wägen glücklich zurückgeschlagen sein würde. Die-Reiterei, die er

 

 

 

 

 

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bei sich hatte, ließ er außerhalb des mit Wägen eingeschlossenen Platzes und in ihrer Mitte einige gewöhnliche Fuhrwägen, mit Erde und Steinen gefüllt, aufstellen, so zwar, daß sie, von den Reitern ringsum eingeschlossen, dem Feinde gegenüber unsichtbar waren. So postirt, ließ Žižka das feindliche Prager Heer zur Hälfte über das Thal herüber und schickte ihnen dann seine Reiterei, in deren Mitte einige Fußgänger die mit Steinen befrachteten Wägen lenkten, entgegen. Die Prager waren mit ihren Reitern und Wagenreihen am Fuße des Berges angelangt und nun trennten sich Žižka’s Reiter von einander und die schweren Wägen, nicht mehr von den Lenkern aufgehalten, rollten vom Berge auf die anrückenden Feinde bis ins Thal herab, zerschlugen ihre Streitwägen und zermalmten die feindlichen Krieger und ihre Pferde. Auf

 

 

 

 

 

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die weiter Entfernteren ließ Žižka aus Kanonen schießen, welche, auf dem Berge oben aufgestellt, die unten befindlichen Feinde treffen mußten. Im ersten Augenblicke der Verwirrung des Feindes ließ ihn Žižka von seinen Reitern angreifen und von der Wagenburg die Fußgänger mit einigen Wägen einen Ausfall und Angriff auf den erschrockenen Feind machen; die feindlichen Krieger hielten gleich den ersten Angriff nicht aus und ergriffen schleunigst die Flucht. Žižka erbeutete eine große Menge von Waffen, Pferden, Wägen und Gefangenen. Die Zahl der gefallenen Bürger Prag’s und des Adels mit ihren Kriegern betrug gegen 2000 Mann, und Žižka verlor kaum den fünfzehnten Theil an Todten und Verwundeten. Unter den Gefallenen des feindlichen Adels war auch der Schwiegersohn Žižka’s.

 

 

 

Nach dem Siege von Maleschow am 7. Juni bemächtigte sich Žižka der Stadt Kuttenberg, wo die Prager eine starke Besatzung hatten, um die reiche Stadt und ihre einträglichen Bergwerke zu beherrschen. Bei der Eroberung wurde ein Theil der Stadt in Schutt und Asche gelegt und ihre Vertheidiger theils getödtet, theils vertrieben. Bei Maleschow brachte Žižka den Pragern einen großen Verlust an Menschen bei und durch die Wegnahme Kuttenbergs verschloß er ihnen reiche Geldmittel. Von hier wandte er sich wieder gegen Westen zu; die Städte Kouřiem, böhmisch Brod, Nimburg und andere kleine ergaben sich freiwillig an Žižka. Er streifte hierauf bis an die Grenze Baierns im westlichen Böhmen und nach seiner Gewohnheit plünderte er die Güter und Besitzungen der feindlichen Parthei, ohne mit dieser einen größeren Kampf bestehen zu müssen. Nur einmal hatten ihn die Pilsner und Adeligen mit einer Uebermacht

 

 

 

 

 

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angreifen wollen, er jedoch wich dem Kampfe aus und wendete sich nach Norden in die treue taboritische Stadt Saatz.

 

 

 

Hier sammelte er neue Streiter um sich und zog mit ihnen gegen Prag, um die wankelmüthige und falsche Stadt zu bestrafen. Hätte er sich dem Rathe seines früher verstorbenen Freundes Niklas von Husa gefügt und wäre er gleich am Anfange der Aufregung in Prag geblieben, um von dort aus die Kämpfe gegen den Feind zu leiten, so hätte er die Bevölkerung Prags leichter den Taboriten anschließen können, und die Bürgerkriege zwischen ihm und den Pragern verhütet. Jetzt war es zu spät, mit bewaffneter Hand die stärkere Parthei der Prager zu bezwingen und das verwüstete Land noch mehr zu verwüsten. Žižka sah im Geiste den Untergang des Landes voraus und als Ursache dessen betrachtete er das Treiben der gemäßigten, aber zahlreichen Parthei der Prager und des Adels; ob er Recht hatte, zeigen die späteren Jahrhunderte.

 

 

 

Auf dem Marsche nach Prag ließ er im Städtchen Libochowic vier Priester verbrennen. Gegen die Geistlichkeit überhaupt zeigte sich Žižka am grausamsten immer und überall.

 

 

 

 

 

9. Der Tod Žižka’s.

 

 

 

Festen Willens, Prag als den Sitz aller Heuchler, und die Ursache des nationalen Unglückes zu züchtigen, kam Žižka mit einem zahlreichen Kriegsheere vor der Stadt an

 

 

 

 

 

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und lagerte sich im Norden derselben bei Liben. Die Prager wehrten sich tapfer und ein junger Priester, Johann Rokizan, verständigte sich mit Procop, eine Versöhnung zu bewirken, da sie alle Hussiten und Waffenbrüder seien. Žižka wollte jedoch nichts von Versöhnung hören. Der alte blinde Feldherr stieg auf eine Tonne und hielt eine Rede an das Volk, worin er sagte: „Fürchtet innere Feinde mehr als äußere. Mit Wenigen, die einig sind, ist leichter zu siegen, als mit Vielen, die uneinig sind. Wollt ihr in die Stricke fallen, die man euch legt, so thut es. Ihr werdet es gewiß, aber mir mißt keine Schuld bei!“ Einige gemäßigtere Freunde beschwichtigten jedoch seinen Zorn und als selbst die Prager eine Gesandtschaft an ihn sendeten, um Verzeihung und Aussöhnung bittend, so ließ sich Žižka überreden und söhnte sich wieder mit den Pragern aus. Žižka zog in Prag ein. Alle Partheien trugen auf dem Spitelfelde eine große Menge Steine zusammen, zu einem Denkmale des Friedens, und um Jeden, der ihn brechen würde, zu steinigen. Beide Partheien ließen nun von ihren Feindseligkeiten ab und bereiteten sich zu einem gemeinschaftlichen Kriegszuge nach Mähren. Herzog Albrecht von Oesterreich, des Kaisers Sigismund Eidam, wandte sich nach Mähren und suchte es zu erobern, fand aber an dem Hussiten Procop (Rasus, der Geschorne, sonst auch der Große genannt) einen geschickten Gegner. Er fügte wol den dortigen Hussiten großen Schaden zu, errang aber keine besondern Vortheile. (Sigismund hatte dem Herzoge Albrecht den Krieg zu beendigen aufgetragen und eröffnete ihm die Aussicht, er solle das reiche luxemburgische Erbe bei glücklichem Gelingen des Feldzuges

 

 

 

 

 

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erhalten.) Sigismund betrieb zugleich auf dem Reichstag zu Nürnberg eine Reichshilfe. Man beschloß zum ersten Male, Söldner zu werben und das Geld dazu auf die Reichsstände umzulegen. Die Berathungen darüber dauerten ziemlich lange, die Hussiten verlachten dieselben und fielen im Frühjahr sowol im Oesterreich als Brandenburg ein und verheerten Alles schonungslos mit Feuer und Schwert.

 

 

 

Um diese Zeit, nach seiner Aussöhnung mit den Pragern wurde Žižka von Sigismund mit anderen Waffen bekämpft, aber nicht besiegt. Sigismund sah zu seinem Bedauern, daß den Hussiten Alles, ihm nichts gelang, und daß Žižka, vor dem er, dreimal geschlagen, aus dem Lande flüchten mußte, der einzige Mann in Böhmen sei, der ihm zum ruhigen Besitze der böhmischen Länder verhelfen könnte. Er wendete sich daher durch seine Unterhändler an ihn und glaubte, daß dieser als Höfling seines verstorbenen Bruders, des Königs Wenzeslaw, auch dem Sigismund gehorsam folgen werde, wenn er ihn an sich ziehen könnte. Er ließ dem greisen und blinden Führer kostbare Anerbietungen machen, wollte ihn zum Befehlshaber aller seiner Heere und zum Statthalter von Böhmen anstellen, und versprach ihm ungeheuere Besitzungen. Žižka jedoch verkaufte seine Ueberzeugung nicht für Reichthümer, nicht für Länder und hohe Stellen. Er konnte ja, wenn er gewollt hätte, unumschränkter Gebieter der böhmischen Lande durch sich selbst werden, aber er zog es vor, ein einfacher taboritischer Bruder als König zu heißen; Reichthümer, wenn er sie gewünscht hätte, konnte er sich auf seinen Streifzügen in ungeheuerer Masse erwerben, er jedoch theilte die Beute unter seine Krieger und ärmere taboritische Gemeinden,

 

 

 

 

 

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und selbst blieb er immer bloß im Besitze seiner Familiengüter; hohe Stellen von Sigismund wünschte Žižka nicht, weil er selbst noch höhere bekleidete, denn er war ein glücklicher Führer eines begeisterten und tapferen Heeres und Volkes und wurde von demselben so geachtet und geliebt, daß er keines größeren Ansehens bedurfte.

 

 

 

Einen Monat nach seiner Aussöhnung mit den Pragern trat Žižka mit dem verbündeten hussitischen Heere den Marsch nach Mähren an. Auf demselben belagerte das hussitische Heer die feste Burg Přibislav, an der östlichen Grenze Böhmens, unweit Deutschbrod. Hier im Lager erkrankte plötzlich der greise Hussitenführer an einer pestartigen Krankheit und einige Stunden darauf gab er seinen Geist in die Allmacht Gottes zurück; vor seinem Verscheiden ermahnte er noch seine lieben und treuen Brüder und die übrigen Böhmen zur Frömmigkeit, Eintracht und Vertheidigung ihres Glaubens. Man sagt auch, er soll sterbend verordnet haben, daß man seine Haut über eine Trommel spanne und dieselbe bei allen Schlachten rühre, gleich als ob ihr Ton seine Stimme wäre. (Als im Jahre 1743 die Preußen Glatz einnahmen, fanden sie dort noch eine Trommel, die man als die bezeichnete, die mit Žižka’s Haut überzogen gewesen sein soll; sie wurde nach Berlin gebracht.) Seine treuesten Anhänger gaben sich seit dem Tode ihres Führers, den 11. Oktober 1424, den Namen „Waisen“, überbrachten seinen Leichnam nach Königgrätz und begruben ihn in der dortigen Kirche beim Haupt-Altar; später wurde sein Leichnam nach Časlav übersiedelt und dort in der Pfarrkirche der heiligen Apostel Peter und Paul beigesetzt. —

 

 

 

 

 

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Ein solches Ende nahm der Sieger in so vielen Schlachten, und der Rächer Hussens überließ die weitere Vertheidigung seines „göttlichen Glaubens“ an Andere. In den Ietzten fünf stürmischen Jahren seines Lebens hatte er durch seine Kriege ganz Europa erschüttert und erschreckt, er besiegte mit einem kleinen Heere größere Schaaren und selbst wurde er niemals geschlagen und überwunden. Ihm verdankte der Hussitismus in Böhmen seinen Sieg.

 

 

 

Seine Thaten sprechen deutlich zu seinen Gunsten und wir haben sie der Geschichte getreu nacherzählend weder verdunkelt, noch verschönert. Er gehört zu den berühmtesten Männern jeder Zeit und wenn er eine Rüge verdient, so soll diese nicht in Schande und Lüge ausarten. Seine politischen und kirchlichen Gesinnungen haben wir gelegenheitlich berührt, doch möge. der Leser darüber nach seinem Standpunkte urtheilen; wir geben ihm daher die Gelegenheit und lassen hier seine militärische Verfassung oder Reglement folgen. Er ließ dieselbe im Jahre 1423 veröffentlichen und man kann daraus sehr leicht seine Gesinnungen erkennen. Sie lautet in der Kürze also:

 

 

 

Aus Gnade unseres allmächtigen Vaters und Gottes haben wir die wahren Lehren Gottes erkannt und angenommen.

 

 

 

Erstens werden wir dem Worte Gottes Freiheit zur Verkündigung desselben verschaffen und die Predigten überall an jedem Orte erlauben, sie auch im Herzen willig annehmen und darnach unsere Werke einrichten.

 

 

 

Zweitens werden wir den Leib und das Blut unseres Herrn Jesus Christus und allmächtigen Gottes mit

 

 

 

 

 

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Andacht und Aufrichtigkeit empfangen. Alte und Junge, die Kinder gleich nach der Taufe, wir alle sollen die heilige Communion wenigstens einmal in der Woche empfangen und Andere dazu anregen.

 

 

 

Drittens werden wir die Geistlichkeit zum Lebenswandel Christi und seiner Apostel nöthigen und ihre Güter werden wir mit Hilfe Gottes vernichten.

 

 

 

Viertens werden wir die Todsünden und Fehler an uns und an Anderen verbessern und strafen ohne Ausnahme der Personen, an den Herrschern,. Fürsten, Herrn, Bürgern, Handwerkern und Arbeitern, ohne Unterschied des Alters und Geschlechtes.

 

 

 

Und wer diese Stücke nicht halten und nach ihnen sein Leben nicht einrichten würde, sie nicht vertheidigen und beschützen wollte, einen solchen werden wir mit Hilfe Gottes in unserem Heere nicht leiden, aber ihn überall ermahnen, anregen und nöthigen zur Anerkennung jener Artikel. Wir wollen mit Hilfe Gottes also handeln in der Ueberzeugung, daß Alles auf der Erde vergänglich und nur seine Wahrheit ewig sei. Wir Žižka und andere Brüder und Gemeinden ermahnen unsere Anhänger und alle Vertheidiger der Wahrheit ohne Ausnahme zum Gehorsam, weil durch Ungehorsam viele unserer Brüder Schaden erlitten haben. Deßwegen befehlen wir, daß, wenn wir uns auf dem Marsche oder im Lager befinden, Niemand sich unterstehe, ohne Erlaubniß seiner Vorgesetzten aus der Reihe zu treten, um entweder den Feind anzugreifen oder aus anderen Ursachen; wer nicht gehorchen wird, der wird ohne Gnade und ohne Rücksicht auf seinen Stand gestraft werden, wenn er vor gegebenem Zeichen schießen wird. Vor dem Aufbruche von einem Orte, und vorzüglich vor der Schlacht, müssen alle Krieger

 

 

 

 

 

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auf die Knie fallen und Gott um seine Beihilfe bitten; hierauf solle sich jeder zu seiner Abtheilung und Fahne begeben und sich von ihr zu einer anderen nicht entfernen, und dieses ebenso im Lager als auch auf dem Marsche beobachten. Und wenn Jemand durch seine Schuld dem Heere Schaden zugefügt hätte, weil er sich verspätet oder schlecht vertheidigt hätte, einem solchen wird ohne Ausnahme und ohne Unterschied des Standes ans Leben gegriffen und seine Güter eingezogen oder vernichtet werden. Wenn das Heer mit Hilfe Gottes die Feinde besiegen würde, so solle die Beute nach demselben gesammelt und von den Anführern gleichmäßig und nach Gerechtigkeit unter die einzelnen Krieger vertheilt werden, kein Krieger dürfe sich aber unterstehen, das, was er allein erbeutet hat, für sich zu behalten und nicht abzuliefern; ein solcher wird ohne Unterschied des Standes als ein Gottesräuber bestraft werden, so wie in der heiligen Schrift Achiar gestraft wurde, weil er seine Beute für sich behielt. Wer im Lager oder auf dem Marsche Streitigkeiten und Händel veranlaßt, Andere beleidiget oder verwundet und tödtet, der wird ebenfalls ohne Ausnahme je nach dem Grade seines Verbrechens gezüchtiget werden. Wer im Lager oder auf dem Marsche das Heer verläßt oder aus demselben entflieht, der verfällt mit seinem Vermögen und Leben der Gerechtigkeit und wird als ein Verräther behandelt, weil er sich aus dem Heere seiner Brüder von dem Kriege Gottes entfernet.

 

 

 

Wir wollen also in unserem Heere, welches für Gottes Wahrheit kämpfet, keine Verräther, Widersetzliche, Lügner, Diebe, Würfelspieler, Räuber, Plünderer, Säufer, Flucher, Wüstlinge, Ehebrecher und keine liederlichen Frauen leiden, wir wollen in unserer Mitte keine öffentlichen

 

Johann Žižka.

 

 

 

 

 

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Sünder und Sünderinnen haben, wir wollen solche Leute von uns vertreiben und mit Hilfe der heiligen Dreieinigkeit auch überall ausrotten, denn zum Kampf Gottes gehört eine christliche gute Verfassung und ein christlicher Lebenswandel und dann nur können wir von Gott, dem allmächtigen Herrn, Hilfe und Belohnung erwarten.

 

 

 

Wir bitten euch, alle Gemeinden in allen Gegenden, euch Fürsten und Herren, euch Ritter und Freie, euch Bürger, Handwerker, Arbeiter, Bauern und euch Alle aus allen Ständen und zuerst bitten wir euch treue Böhmen, daß ihr zu diesem Besten einwilliget und uns dazu behilflich seiet. Und wir versprechen euch ebenfalls daran zu halten, dasselbe zu erfüllen und aus Liebe zu Gott für sein Märtirerthum, für die Befreiung der göttlichen Wahrheit seines Gesetzes und seiner Heiligen zu streiten, wir wollen auch für die Treuen der heiligen Kirche und insbesondere des böhmischen und slavischen Volkes wegen uns erheben und tapfer kämpfen zur Erhebung der Treuen und zum Aerger und zur Schande aller hartnäckigen und öffentlichen Ketzer und Bösewichter. Es möge uns der Allmächtige in unserem Vorhaben unterstützen, auf daß wir über unsere Feinde siegen können und von uns und von unseren Freunden seine Gnade nicht abwenden.

 

Amen.

 

 

 

Žižka sprach hier seine Gesinnungen verständlich genug aus. Er ist aus Ueberzeugung und aus Frömmigkeit grausamer Fanatiker geworden, hielt seine Religion für die beste und sich für ihren Verfechter und Rächer an den Feinden derselben. Sein militärisches Genie ließ ihn über zahlreichere und von erfahrenen und berühmten

 

 

 

 

 

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Feldherrn angeführte Heere siegen und stellt ihn in den Kreis der berühmtesten Heerführer.

 

 

 

Was seine äußere Persönlichkeit anbelangt, so wird er von seinen Zeitgenossen als ein Mann von mittlerer Größe geschildert, stark und breitschultrig, die Brust kräftig; rundes Gesicht, Adlernase, etwas aufgeschwollene Lippen, kurz geschnittenes Haar und kleiner rother Schnurbart, über der Stirne hatte er eine krumme Linie; nach seiner Rückkehr aus Polen trug er die polnische Tracht bis zu seinem Tode.

 

 

 

Seine Familie erhielt sich im männlichen Geschlechte bis zum verflossenen Jahrhundert.

 

 

 

Die weitern Schicksale der Hussiten sollen nun in kurzen Umrissen hier erzählt werden.

 

 

 

Nach Žižka’s Tode blieben die königlich gesinnten Hussiten in Prag unter Leitung des Prinzen Korybut und des Priesters Johann Rokizana fortwährend von den republikanischen Hussiten im offenen Felde gesondert. Die letzteren theilten sich in drei Haufen. Die Mehrheit der Taboriten wählte Prokop den Großen zum Feldherrn; die Minderheit der Taboriten wählte mehrere Führer, unter denen Prokop der Kleine sich am meisten auszeichnete.

 

 

 

Vergebens suchte der Kaiser in dieser Zeit, und früher mehrmals auf Reichstagen, von päpstlichen Legaten unterstützt, das Kreuz gegen die Hussiten zu predigen. Immer kamen hemmende Umstände dazwischen, und die Hussiten verheerten, ungestraft von Böhmen aus kleine Streifzüge nach Sachsen, der Lausitz, Baiern, Franken, Oesterreich machend, diese Provinzen, stets Böhmen als das gelobte Land, die Nachbarländer als das Gebiet der Kananiter und Philister betrachtend, und raubbegierige

 

 

 

 

 

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Schaaren anderer Nationen schlossen sich an die Hussiten an. Als ein Zug, den Friedrich der Streitbare mit den Meißnern 1425 nach Böhmen machte, und ein anderer Versuch desselben, 1426 mit 20,000 Mann das belagerte Aussig zu entsetzen, gänzlich mißlang und hierbei über die Hälfte seines Heeres erschlagen ward, ergriff ein panischer Schrecken ganz Deutschland. Dennoch brachte Sigmund durch den Cardinal Heinrich von Winchester 1427 einen wohlgeordneten Zug gegen die Böhmen zusammen, der in 4 Colonnen das Land angreifen sollte, allein die erste Colonne, die das Städtchen Mies belagerte, ward beim Anrücken der Hussiten von einem panischen Schrecken befallen, floh und riß die andern beiden Colonnen, die ihr entgegenkamen, mit sich zur Flucht fort, und 10,000 Mann wurden aus derselben von den Böhmen niedergemacht. Ein anderer Zug scheiterte wegen der neuen Auflagen, die man damals nicht gewohnt war, und gleiches Schicksal hatten Unterhandlungen, die der Kaiser 1428 und 1429 mit Procopius dem Großen anknüpfte, indem die Hussiten den Kaiser nur dann als König anerkennen wollten, wenn er die Hussitische Lehre annehme. 1429 machten die Hussiten den ersten großen Einfall in Meißen, zogen an beiden Elbufern hinunter und ins Magdeburgische, wendeten sich dann ins Brandenburgische und kehrten mit Beute beladen über die Lausitz nach Böhmen zurück. Ueberall verbrannten sie die unhaltbaren Orte. Im folgenden Jahre fielen sie 70,000 Mann stark wieder in Sachsen ein; sie theilten sich in mehrere Haufen, eroberten und verbrannten Kolditz, Oschatz, Altenburg, Krimmitschau, Plauen u. s. w., schlugen ein sächsisches Heer bei Grimma, berennten

 

 

 

 

 

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auch Naumburg, zogen aber von da unverrichteter Dinge wieder ab. Die Hussiten wendeten sich hierauf nach Franken und kehrten über Niederbaiern nach Böhmen zurück. Auf diesem Zuge hatten sie über 100 Städte und gegen 1400 Flecken und Dörfer zerstört und eine Colonne der Hussiten war in diesem oder dem vorigen Jahre selbst bis in die Gegend von Danzig vorgedrungen. Diese Einfälle hatten die Reichsfürsten aus ihrer Ruhe aufgeschreckt. Hatten sich daher 1429 die Rüstungen zu einem Kreuzzug zerschlagen, so wurden sie nun um so thätiger betrieben, und 1431 fiel ein nach Einigen 80,000, nach Anderen 130,000 M. starkes Heer, bei dem der Cardinallegat Julian Cäsarinus, die Kurfürsten von Köln und Sachsen, einige Herzöge von Baiern und mehrere andere Fürsten sich befanden, und das von Friedrich, Kurfürsten von Brandenburg, geführt wurde, in Böhmen ein und lagerte bei Tauß, die Diversion erwartend, die der Erzherzog von Oesterreich, Albrecht, nach Mähren machen wollte. Kaum war indessen die Nachricht von dem Anrücken der Böhmen erschollen, als das Heer feig auseinander lief und 11,000 Mann erschlagen wurden. Der Kaiser sah endlich, daß Gewalt nichts ausrichte, und begann nun ernstliche Unterhandlungen, die vor dem Concil zu Basel gepflogen werden sollten. Mißtrauisch verweigerten es anfangs die Böhmen, vor diesem Concil zu erscheinen, endlich 1432 sendeten sie doch Gesandte, an deren Spitze Prokop der Große stand, und welche die Prager 4 Artikel als Grundlage ihrer Lehre aufstellten: man stritt sich hin und her, kam jedoch nicht zum Ziele. 1433 gingen dagegen Abgeordnete des Concils nach Prag und wußten, indem sie sich auf die Seite der gemäßigten, den Frieden herzlich wünschenden Calixtiner wendeten,

 

 

 

 

 

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auch mehrere hussitische Geistliche durch das Vorgeben, ihnen Pfründen verschaffen zu wollen, gewannen, die Spaltung dieser mit den Taboriten und Orebiten klug zu mehren. Endlich kam es 1433 den 30. November zum Abschluß eines Vergleichs, der sogenannten Prager Compactaten *), durch den die Calixtiner in Vielem nachgaben, und besonders auf den beiden letzten Punkte der Prager vier Artikel nicht weiter bestanden. Die Taboriten und Orebiten widersetzten sich indessen; ein Landtag zu Prag, auf dem die Calixtiner den Papst als Oberhaupt anerkannten, brachte 1434 den Streit zum offenen Ausbruch; es kam zum Kampfe und die Calixtiner schlugen vereint mit den böhmischen Katholiken die Taboriten und Orebiten am 30. Mai 1434 unter Meinhardt von Neuhaus bei Böhmisch-Brod, und beide Prokope blieben. Die Reste der Taboriten wurden in den festen Plätzen eingeschlossen, mußten diese nach und nach, selbst Tabor, übergeben und sich ruhig verhalten. Die Böhmen erkannten nun auf einem 2. Landtag zu Prag 1435 Sigismund als König an und legten ihm für das Land und die hussitische Lehre sehr günstige Bedingungen vor, die er auch 1436 zu Iglau beschwor. Die Böhmen wurden hierauf, da auch die katholische Kirche ihnen, nach Annahme der Compactaten, den Kelch im

 

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*) Compactaten nannte man den Vergleich, welchen die böhmischen Stände mit dem Baseler Concil 1433 schlossen, nach welchem den Calixtinern der Gebrauch des Kelches als Vergünstigung, den Priestern die Verkündigung ihrer Lehre (vorausgesetzt, daß sie von den Overn würdig befunden wurden), den Clerikern die Verwaltung des Kirchenguts u. dgl. mehr zugestanden wurde.

 

 

 

 

 

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Abendmahl und mehrere andere Freiheiten zugestand, vom Kirchenbann feierlich losgesprochen und huldigten dem Kaiser. Dieser setzte hierauf einen katholischen Erzbischof zu Prag ein und that alles Mögliche, um den katholischen Glauben wieder in Böhmen einzuführen. Dies erregte neue Unruhen und diese währten fort bis an Sigismunds Tod 1437. Unter Albrecht II., der nach Sigismund zum König gewählt ward, war ziemliche Ruhe und eben so nach dessen Tode 1439. Während der Unmündigkeit seines Sohnes Ladislaus verwaltete Böhmen eine aus Hussiten bestehende Regentschaft, und der letzte von diesen, Georg Podiebrad, ward, als Ladislaus jung starb, 1458 zum König gewählt. Er war Calixtiner, und unter ihm genoß daher seine Religionspartei vollständige Religionsfreiheit. Unter seiner Vormundschaft, um 1453, entstanden aus den strenggläubigen Taboriten, die im schmalkaldischen Kriege aus Böhmen verwiesen wurden, böhmische Brüder. Unter den Nachfolgern Podiebrads genossen die Calixtiner ziemliche Religionsfreiheit, bis 1612, wo sie unter Kaiser Mathias beschränkt wurden. Während des 30jährigen Krieges und nach demselben verschmolzen sie mit den böhmischen Brüdern, Reformirten und Lutheranern, und erhielten erst unter Joseph II. als solche Erlaubniß zur Ausübung ihrer Religion.

 

 

 

 

 

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Druck von U. Klopf sen. u. Alex. Eurich.

 

 

 

 

 

 

 

Quelle:

 

Jeřabek, Wenzel:

 

Leben und Tod des Joh. Žižka von Trocnov, Führer der böhmischen Hussiten von 1419 – 1424

 

Wien: Wenedikt 1855 80 S.

 

 

 

Das Werk wurde durch das Münchener Digitalisierungszentrum eingescannt und kann inkl. der Abbildungen unter folgendem Link eingesehen werden:

 

https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10739478?q=Hussiten&page=2,3

 

urn:nbn:de:bvb:12-bsb10739478-1

 

 

 

 

 

 

 

 


Joseph Łukaszewicz: Von den Kirchen der Böhmischen Brüder im ehemaligen Großpolen

Von den Kirchen der Böhmischen Brüder im ehemaligen Großpolen
durch Joseph Łukaszewicz.

Aus dem Polnischen übersetzt

von G. W. Theodor Fischer. Superintendent und Pfarrer.

Grätz 1877. Druck und Verlag von Louis Streisand.

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Von den Kirchen der Böhmischen Brüder im ehemaligen Großpolen
durch Joseph Łukaszewicz.

 

Conscius sum mihi, quantum mediocritate valui, quaeque antea scierim, quaeque operis hujusce gratia potuerim inguirere, candide me atque simpliciter in notitiam eorum, si qui forte cognoscere voluissent, protulisse.

Quinct. Inst. orat. lib. 12.

 

Aus dem Polnischen übersetzt

von G. W. Theodor Fischer. Superintendent und Pfarrer.

Grätz 1877. Druck und Verlag von Louis Streisand.

 

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Sr. Hochwürden

dem Königl. Generalsuperintendenten

Herrn Dr. Theol. Cranz. Ritter hoher Orden.

In hochachtungsvollster Verehrung und

innigster Dankbarkeit gewidmet.

 

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Die Geschichte der Mährisch-Böhmischen Brüder ist und bleibt ein liebliches, grünes Blatt an dem für alle Zeit segenspendenden Baume der Evangelischen Kirche. Wenn ich es unternehme, dem deutschen Leserkreise eine Uebersetzung des polnischen Werks: O kościołach Braci czeskich w dawnéj Wielkiej-Polsce przez Józefa Łukaszewicza. W Poznaniu 1835, also die Geschichte der Böhmischen Brüderkirchen im ehemaligen Großpolen darzubieten, so meine ich, obgleich in derselben die rege Thätigkeit der Böhmischen Brüder für Ausbreitung des Evangeliums nur auf einem kleinen Raume und in engem Rahmen vorgeführt wird, doch hoffen zu dürfen, daß diese Arbeit willkommen geheißen werde. Das Stückchen Erde, auf welches die evangelische Kirche von Neuem durch diese Arbeit hingewiesen werden soll, nimmt gegenwärtig wieder eine wichtige Stellung in dem Kampfe für Roms nie erstorbene und nie ersterbenden Herrschafts- und Allmachts-Gelüste ein; die Vergangenheit mahnt die Gegenwart, an die Zukunft zu denken.

 

Zunächst sollen die ersten zehn Abschnitte des betreffenden Werkes von Łukaszewicz, welche die eigentliche Geschichte der Böhmischen Brüderkirche in Großpolen erzählen, durch diese Uebersetzung dargeboten werden. Erfreuet sie sich, wie wir hoffen, beifälliger Theilnahme, dann sollen auch die übrigen vier Abschnitte, welche die

 

 

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Chroniken der einzelnen Kirchen des Böhmischen und des mit ihm vereinten helvetischen Bekenntnisses, die Lebensgeschichte der geistlichen Senioren, den Nachweis der Unterrichts- und Bildungsstätten, sowie des Vermögens dieser Religionsgesellschaft enthalten und endlich die polnischen Adelsgeschlechter aufzählen, welche diesem evangelischen Bekenntnisse ehemals zugehörten, nachfolgen.

 

Schließlich sei noch bemerkt, daß der Uebersetzer in seinem Versuch einer Geschichte der Reformation in Polen. Zwei Theile. Grätz, 1855 und 1856. In Commission der Mittlerschen Buchhandlung,“ mehrfach auf die hohe Bedeutung des betr. Łukaszewicz'schen Werks aufmerksam gemacht hat.

 

Grätz, (Posen).

G. W. Theodor Fischer.

Superintendent.

 

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Erster Abschnitt.

Verschiedene Secten in Großpolen bis zu den Zeiten von Huß.

Ehe ich an die Geschichte der Böhmischen Brüderkirchen in Großpolen gehe, muß ich zuerst den etwas älteren Zeiten näher treten und untersuchen, welche Secten sich während der verschiedenen Epochen in diese Provinz eingeschlichen haben, wie sie in ihr gewachsen sind, was ihr Wachsthum begünstigt und was endlich ihrer weitern Ausbreitung eine Grenze gesetzt habe. Von allen Provinzen des alten Polens nahm Großpolen zuerst allgemein das Christenthum an (anno 962). Beweis dafür ist das Bisthum Posen, dessen Gründung der Errichtung anderer und zwar der ältesten Polnischen Bischofssitze um einige Jahrzehnt vorausgeht. 1) Nach dem Posener Bischofssitze entstanden am Anfange des 11. Jahrhunderts noch zwei in Großpolen, nämlich der Kujawische, dessen Residenz anfänglich Kruszwic, dann Włocławek war, und der erzbischöfliche Stuhl zu Gnesen. Als Dotirung der Bischöfe dieser Size bestimmten Mieczysław I. und Bolesław Chrobry den Garbenzehnten von jeder Getreideart, wovon sie die niedern Geistlichen und die zu ihrer Unterstübung angestellten Kirchendiener unterhalten sollten. 2) Schon in dieser ursprünglichen Dotirung der Diener des Altars wurde der Same des Widerwillens des weltlichen Standes gegen den geistlichen und ebenso der Same zum Abfallen von der katholischen Religion ausgestreut. Schon im Jahre 1020 3) zogen es sehr viele Glieder des weltlichen Standes, die der Geistlichkeit

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1) Friese: Von dem Bisthum Posen. Der größere Theil unserer Chronikenschreiber leitet auch den Namen der Stadt Posen von dem Umstande her, daß hier zu allererst in ganz Polen die christliche Religion anerkannt wurde. „Inde Posnania vocata, quod Poloni illo in loco primum notitiam christianae religionis (quod poznaniem prawdy d. i. Erkenntniß der Wahrheit vocant) consequuti sunt." sagt Sarnicki.

2) „Ecclesiis cathedralibus omnem universae Polonorum regionis omnium frugum nascentium deputavit decimationem" etc. Długosz.

3) Ostrowski: Historya kościoła polskiego.

 

 

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den drückenden Zehnten nicht geben mochten, vor, zum Heidenthum, dessen Priester sich mit der dürftigen Gabe für ihre geistlichen Dienste begnügten, zurückzukehren. Hätte damals auf dem Polnischen Throne nicht ein so kräftiger Monarch, wie es Bolesław Chrobry war, gesessen, wahrlich das in Polen kaum angenommene Christenthum wäre wieder untergegangen. Dieser Monarch aber, der einige der Apostaten mit dem Tode, andere mit Gefängniß bestrafte, erfüllte die der Geistlichkeit Abholden mit Furcht und erhielt das Christenthum in Polen. Da er jedoch der Geistlichkeit das unverkümmerte Recht, die Zehnten zu erheben, beließ, so half er durch diese Strenge dem Uebel nur für den Augenblick ab. Und so warfen denn auch gleich nach dem Tode Bolesławs Chrobry viele Polen das Christenthum wieder von sich, und es verfloß unter seinen Nachfolgern eine lange Zeit, ehe die Abtrünnigen, durch Strafen bedroht, durch Versprechungen angelockt, in den Schooß der katholischen Kirche zurückkehrten. Unter den Nachfolgern Bolesław's Chrobry erblicken wir die Geistlichkeit in steten Kämpfen bald mit dem weltlichen Stande um den Zehnten, bald mit den Monarchen, die es wagten, auf irgend eine Weise die Privilegien oder die geistlichen Besitzthümer anzutasten. Wehe dem Herrscher, der es wagte, auf die geistlichen Güter einen Theil der Landeslasten zu legen. Man schleuderte Flüche (Bann) auf ihn, schloß ihn aus der menschlichen Gesellschaft aus, und wenn das noch nicht genügte, dann trafen ihn die Donner des Vaticans. Die Verhältnisse der Herrscher und des weltlichen Standes zu den Geistlichen verschlimmerten sich noch nach der Theilung des Reichs durch Bolesław Krummaul, besonders in Großpolen. Die Nachfolger Mieczysław des Alten, Wladislaus der Speier, Przemysław I. und Bolesław der Fromme, der Geistlichkeit ungemessen ergeben, vertheilten an sie die Nationalgüter, beschenkten sie mit immer neuen Freiheiten und theilten mit ihr selbst die eigenen Vorrechte. 1) Andererseits drückten sie den weltlichen Stand mit mannigfaltigen Abgaben und Lasten, 2) von denen die Diener der Kirche frei waren. Ein solches Begünstigen des geistlichen Standes von Seiten der großpolnischen Fürsten, verbunden mit Zurücksetzung und Beeinträchtigung des weltlichen Standes fachte

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1) Die großpolnischen Fürsten gaben unter andern Herrscherattributen den Posen'schen Bischöfen und Gnesen'schen Erzbischöfen das Recht, Geld zu prägen.

2) Die Arten dieser Abgaben zählt Naruszewicz in der Geschichte des polnischen Volkes auf; der Leser findet sie auch in den schätzbaren Werke Stenzels: Urkundensammlung zur Geschichte des Ursprungs der Städte in Schlesien etc.

 

 

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in diesem Aerger an, den noch dazu die Geistlichkeit selbst durch ihr Verfahren zur Flamme aufblies. Es mehrten sich in ihr große Mißbräuche; die reichen Ausstattungen der Bischöfe, Kapitel und Orden durch die Fürsten erzeugten in den erstern eine gewisse Gefühllosigkeit gegen die kirchliche Zucht, bei den andern Faulheit, ärgerliche Zänkereien und ein schlechtes Leben. Am meisten verletzte der schlechte Gebrauch der dem Altare geweihten Güter den weltlichen Stand. Die Geistlichen schwelgten und hielten zahlreiche Kebsweiber. Die Bischöfssitze glichen den prunkenden Fürstenhöfen; die Bewerbungen um die Bischofssitze erfüllten die Kapitel mit Intriguen, mit Simonie und mit Zänkereien. 1) Während dieser Sittenerschlaffung der polnischen Geistlichkeit trat in Italien die Secte der Geißler (Flagellanten) hervor. Der Einsiedler Rayner in Perugia gründete sie. Das strenge Leben desselben entsprach seiner Lehre, welche die höchste christliche Vollkommenheit in öffentliche Geißelung des Körpers und in Verzichtleistung auf alle Annehmlichkeiten des Lebens setzte. Kaum war ein Jahr verflossen und schon zählte Rayner Tausende von Anhängern in Italien, Deutschland und Böhmen. Aus diesem lezteren Lande 2) kam die Secte der Geißler nach Großpolen. Sie wurde von unsern Vätern mit Eifer, zu welchem der Haß gegen die Geistlichkeit gewiß nicht wenig aufreizte, aufgenommen. Es bildeten sich zahlreiche Gesellschaften, welche, von Ort zu Ort ziehend, Alle zur Vereinigung mit sich anfeuerten; in der That wuchs ihre Zahl immer mehr. Processionen, zweimal des Tags mit Fahnen, Lichtern und Liedern in polnischer Sprache begangen, eifrige Redner der Sectenhäupter, entsetzliches Geißeln des Leibes, wodurch die halb entblößten Geißler die Augen und die empfindsamen Herzen auf sich zogen, blendeten das Volk und überzeugten es von der Güte jener Sectenlehre und von der Heiligkeit ihrer Bekenner. Aber unter dieser Maske der Heiligkeit verbargen sich die größten Verbrechen. In ganz Polen

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1) Dies Sittenbild der damaligen polnischen Geistlichkeit ist aus der Geschichte des polnischen Volkes von Naruschewicz entlehnt.

2) In eodem anno (1261) insurrexit quaedam secta rusticorum; ita quod alius alium nudatus tum lintheo ad umbilicum precinctus sequebatur, se ipsum quilibet flagellandi ad dorsum verberando, quos duo cum vexillis et duabus candelis precedebant, quandam cantilenam precinentes et hoc bis in die, videlicet hora prima et hora nona faciebant. Janussius vero archiepiscopus gnesnensis cum suis suffraganeis in sua provincia sub excommunicationis pena de cetero talia fieri prohibens, principes Poloniae petiit, ut sectatores hujus modi per penas carceris et distractionem rerum a predicto errore compescere deberent. Quod et fecerunt. Nam rustici hoc audientes archiepiscopi et principum edicta a predicto errore compescere desierunt." Bogufał.

 

 

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vervielfältigten sich: Faulheit, Unzucht, Räubereien, Gewaltthätigkeiten und Morde. Als man inne wurde, wohin das hinaus wolle, reichten sich die geistliche und weltliche Macht behufs Ausrottung dieser Secte die Hände. Die über die Sectirer verhängten Leibes- und Gefängniß-Strafen thaten zwar auf einige Zeit der Secte Einhalt, rotteten sie aber keineswegs aus. Großpolen barg die größte Zahl ihrer Anhänger. Später zwar (anno 1349) dämpfte sie Papst Clemens, aber ihre Häupter, die sich in von Rom entfernteren Ländern sicherer wähnten, übersiedelten aus Ungarn und Deutschland nach Polen, besonders nach Großpolen, wo sie zu so großer Zahl anwuchsen, daß, vereinigt mit ihren einheimischen Glaubensgenossen, sie sogar eine Synode zu Kalisch anno 1350 abzuhalten wagten. 1) Endlich säuberte der unermüdliche Eifer des gnesener Erzbischofs Jarosław und des Bischofs von Posen Adalbert Pałuka in Verbindung mit andern Landesbischöfen, und mehr noch die immer weiter dringende Aufklärung im Volke, das Land von dieser schädlichen, unzüchtigen Secte. 2)

 

Noch hatte sich Polen nicht der Geißler entledigt, als eine neue Secte seine Ruhe störte. Zur Zeit des hartnäckigen Kampfes des Władysław Łokietek mit dem arglistigen Orden der Kreuzherrn zeigte sich in Italien die Secte der Beguinen, von andern auch Fratricellen, oder Bizochy, oder Pseudominoriten genannt. Urheber dieser Secte war Heinrich a Ceva, ein Franziskaner, der, nachdem er sich von seiner Ordensregel losgerissen hatte, zur Losung seiner Lehre eine genauere Nachahmung der Armuth Christi und seiner Apostel machte. 3) Hieraus entstanden Streitigkeiten zwischen dem weltlichen und geistlichen Stande. Die Pseudominoriten fanden in allen Ländern viele Anhänger; selbst Weiber verbündeten sich mit ihnen. Diese Secte schien für

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1) Ostrowski: Geschichte der polnischen Kirche.

2) Długosz und andere polnische Schriftsteller.

3) „Signifer horum hypocritarum extitit Henricus a Ceva Franciscanae familiae apostata, atque haeresiarcha, qui plures ex eo ordine infecerat. Desciverant ii adeo a B. Francisci institutis, quem suis, ut reverentiam in Christi vicarium, cardinales ac praesules religiosissime colerent, imperasse vidimus; atque in eam superbiam viri impii proruperant, ut duas fingerent ecclesias, alteram diffluentem opibus et deliciis, obsitamque sordibus, cui praeesset Romanus Pontifex; alteram humanarum rerum inopia divitem, ac virtutum omnium genere exornatam, qua ipsi soli continerentur; negarent praesules ulla vel ad jus exercendum, vel divina conficienda auctoritate pollere: virtutum sacramentorum s sacerdotis sanctitate pendere, jus jurandum sine crimine usurpari non posse, Christi evangelium extinctum antea fuisse, atque in ipsis revixisse et florere effutiebant" sagt Odyryk Raynald in der Kirchengeschichte.

 

 

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Rom sehr gefährlich; die im Jahre 1311 nach Wien einberufene Kirchenversammlung unterdrückte sie. Da aber die Apostel derselben keine geistliche Obrigkeit anerkannten, so hielten sie auch die Erlasse des Kirchenrathes nicht für bindend. Ihre Lehre breitete und pflanzte sich also da fort, wo sie ein weniger achtsames Auge fand und für sich mächtigere Beschützer gewann. Polen, wo ein andauernder Unwille des weltlichen Standes gegen den geistlichen herrschte, wurde für sie einer der zuträglichsten Zufluchtsörter und die beständigen Unruhen im Lande begünstigten ihr Wachsthum. Als dies Pabst Johann XXII. (1326) erfahren hatte, schrieb er, da die strengsten Bannflüche und Verbote gegen die polnischen Pseudominoriten nichts fruchteten, Briefe an den König, den Gnesener Erzbischof und den Provinzial der Dominikaner, daß sie gemeinschaftlich alle Mittel zur Ausrottung dieser Secte anwenden möchten; namentlich empfahl er ihnen, Gebrauch zu machen von der Macht und dem Ansehen der heiligen Inquisition. 1) Dem Wunsche des Papstes gemäß wurde die heilige Inquisition in Polen eingeführt. Auch vergaß man in dieser Beziehung Großpolen nicht. Die Geschichtsschreiber des Dominikaner-Ordens in Polen, Bzowski, Ruszel, Nowomiejski u. A. haben uns den Namen des damaligen Inquisitors aufbewahrt. Er wohnte in Posen und hieß Johann Chrysostomus (1340). Das ihm anvertraute Amt verwaltete er gewiß eifrig, denn von der Zeit ab finden wir bei unsern Historikern keine Spur der Pseudominoriten mehr; aber möglich ist es, daß sie sich in Polen bis an die Zeiten von Huß verborgen hielten und dann erst unter anderen Namen wieder aufzutauchen anfingen. Dies scheint um so mehr wahrscheinlich, da die Glaubenssätze der Pseudominoriten in mehr als einem Punkte mit der Lehre Hussens übereinstimmten.

 

In der Zeit breitete sich in dem Krakauer Sprengel die Secte der Dulcinen 2) aus. Die Kirchenhistoriker erwähnen indessen nicht, ob sie sich nach Großpolen eingeschlichen haben.

Kaum war die Secte der Pseudominoriten in Großpolen niedergedrückt, so stand schon wieder ein neuer Irrlehrer daselbst auf. Dies war Militsch, ein Prager Domherr, welcher, nachdem er Viele in Böhmen und Schlesien von der katholischen Kirche losgerissen hatte, in Großpolen anlangte. Er hielt sich

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1) Diese Briefe bewahrte uns Bzowski auf in dem kleinen Werke: Propago Divi Hyacynthi, auf Seite 62 und folgd. Im Briefe an Peter de Colomaeis, Provinzial der Dominicaner, sagt der Papst u. A.: „Cum igitur sicut accepimus in regno Poloniae hostes crucis, de remotis partibus Alemaniae et circumpositis regionibus frequenter et latenter invadant etc."

2) Raynald. Annal. eccl.

 

 

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in Gnesen auf und streute sowohl in dieser Stadt als in der Umgegend seine Meinungen in Betreff des Glaubens aus. Der Erzbischof von Gnesen Jarosław Skotnicki sah ihm durch die Finger und wurde deshalb vom Pabste Gregor nicht wenig zurecht gewiesen. 1)

Welches seine Glaubenssätze gewesen, wie lange er in Großpolen geweilt und welche Erfolge seine Bemühungen in Betreff der Ausbreitung der neuen Lehre gehabt, darüber schweigen die Geschichtsschreiber. Dies war die letzte Secte vor Johann Huß in dieser Provinz. 2)

 

 

 

Zweiter Abschnitt.

Die Hussiten in Großpolen bis auf die Zeiten Martin Luthers.

Johann Huß gab auf dem Festlande Europas die allgemeine Losung zu Aenderungen in Glaubenssachen. Alle vorhergängigen Glaubenssätze, die nicht mit der Lehre der römischen Kirche

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1) „Inquinabat novis erroribus Poloniam, Boemiam, Silesiam et circumjacentes provincias Milleczius, ac plures a veritate abduxerat: qua de re factus certior Pontifex, gnesnensem archiepiscopum perstrinxit ipsum suo gregi venenata pabula a pestifero homine submínistrari pati, stimulavitque ut illum ac sequaces coerceret: Errores haereticales (de Milleczio haeresiarcha loquitur) simplicibus in tua civi tate et dioecesi gnesnensi praedicare praesumpsit. Nos de iis, si vera sint merito condolentes ab intimis, cum non sint aliquatenus toleranda et de negligentia tuae fraternitatis et aliorun antistitum, in quorum civitatibus et dioecesibus idem Milleczius et sui complices conversantur, ac inquisitorum haereticae pravitatis in illis partibus deputatorum, quod contra tales adversus dictam fidem temere insurgentes, si ita sit, non processitis, prout tenemini, et nobis de praemissis nihil notificare curastis, plurimum admirantes; eidem fraternitati per apostoli ca scripta directe praecipiendo mandamus, quatenus auctoritate nostra de praemissis te planarie informes, et si inveneris ita esse, adversus praefatos Milleczium et sequaces ac fautores eorum, si sint in tuis civitate vel dioecesi praelibatis, procedas secundum canonicas sanctiones, ac errores contentos in dicta cedula publice praedicationibus reprobes, ac per clericos seculares et religiosos peritos in lege Domini facias reprobari. Datum Avin. 1374 mense Januari." Raynald. Ann. eccl.

2) Am Ende des 14. Jahrhunderts fing sich die Secte der Waldenser unter den Kreuzherren und in den preußischen Städten auszubreiten an. Ein gewisser Leander, ein Franzose, brachte sie in dies Land und fand gute Aufnahme bei Konrad Wallenrod, späterem Hochmeister dieses Ordens. Unwahrscheinlich ist es, daß die Lehre der Waldenser aus so naher Nachbarschaft nicht hätte nach Großpolen gelangen sollen; da ich jedoch von ihr keine Erwähnung in den Reichs- und Kirchengeschichtsschreibern finde, wagte ich sie auch nicht zu den Secten zu rechnen, welche in Großpolen Anhänger fanden.

 

 

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übereinstimmten, verfielen nach einiger Zeit. Huß entzündete zuerst die Fackel eines Religionskrieges gegen die katholische Kirche, welche weder die größten Anstrengungen Rom's, noch der Märtyrertod Hussens selbst, auszulöschen im Stande war. Wir wollen sehen, auf welchen Wegen die Lehre Hussens nach Polen und namentlich nach Großpolen gelangte, welche Umstände ihrer Verbreitung günstig waren und welche Schicksale sie in diesem Theile Polens hatte.

 

Am Ende des 14. Jahrhunderts bestimmte die polnische Königin Hedwig einen bedeutenden Fond zur Unterhaltung einer gewissen Zahl polnischer und litthauischer Jünglinge auf der Universität zu Prag. 1) Dies war gerade zu der Zeit, in welcher Huß und sein Freund, der spätere Gefährte seines Ungemachs, Hieronymus von Prag, auf erwähnter Universität lehrten. Die polnische Jugend verabsäumte es nicht, aus den Wohlthaten der tugendhaften Königin Hedwig Nutzen zu ziehen; außerdem aber besuchten viele junge Polen auf eigene Kosten die Prager Hochschule. Von König Władysław Jagiełło wurde Hieronymus von Prag a. 1410 nach Krakau berufen, um die in dieser Stadt neu erichtete Hochschule in Ordnung zu bringen. Hieronymus nahm den Ruf an, kam mit einigen andern gelehrten Böhmen nach Krakau, ordnete die Universität und lehrte selbst einige Zeit auf derselben. 2) Auf diese Weise verbreitete sich die Lehre Hussens durch die Jugend, die sie auf zwei Hochschulen einsog, in einem Augenblicke durch ganz Polen. Nicht genug damit; die Lehre Hussens fand selbst am königlichen Hofe Eingang. Der Königin besonders gefiel die Liturgie in heimathlicher Sprache; auf ihren Befehl wurde die Bibel ins Polnische übersetzt; 3) für sie hielten die im Jahre 1394 aus Böhmen nach Krakau eingeführten Geistlichen nach Art der Bekenner Hussens, alle religiösen Uebungen in polnischer Sprache ab und zwar in der heiligen Kreuzkirche auf der Vorstadt Klepar. 4) Selbst Władysław Jagiełło führte aus Böhmen einen Geistlichen hussischen Bekenntnisses herein und unterhielt sich mit ihm

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1) „Dieselbe polnische Königin Hedwig errichtete mit großen Kosten für polnische und litthauische Studenten eine Stiftung zu Prag." Simon Teofil Turnowski in der Vertheidigung des Sandomirschen Vergleichs. Huß war 1401 Dekan der theologischen Facultät in Prag.

2) Abbildungen böhmischer Gelehrten von Franz Peizl und Voigt. Friese: Beiträge zur Reform. Gesch.

3) Długosz, Wegierski, Ringeltaube und Andere.

4) „Darauf erlangte sie es von dem Könige Jagiełło, ihrem Gemahle, daß die hier nach Polen a. 1394 aus Böhmen gerufenen und in Krakau bestallten Geistlichen, nach evangelischer Weise nicht lateinisch, sondern in verständlicher slavischer Sprache und auf Polnisch Gottesdienst, und besonders Abendmahl (was gewöhnlich Messe heißt) hielten und Lieder böhmisch und slavisch sangen. Dies dauerte so lange, bis ohnlängst es in der Kreuzkirche auf dem Klepar aufhörte.“ S. T. Tarnowski in der Vertheidigung des Cons. Sandom. Auch Długosz erwähnt dessen:,,Haec monasterium fratrum Slavorum sub titulo Passionis Christi fundare et murare coeperat, quod ejus morte imperfectum remansit."

 

 

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im Geheimen über Glaubenssachen. 1) Außerdem verbreiteten durch Polen die Lehre Hussens Leute von verschiedenem Stande, als Kaufleute, Handwerker u. A. m., welche aus Böhmen nach Polen herüberkamen. Johann Ziska kämpfte bei Grunwald anno 1410 in den polnischen Reihen gegen den treubrüchigen Orden der Kreuzherrn. 2) So standen die Angelegenheiten in Polen als die Synode zu Kostnitz (anno 1414-1418) einberufen wurde. Vom Könige und der polnischen Geistlichkeit war Andreas Laskary aus Gosławic, Bischof von Posen, mit einigen andern Geistlichen hingesendet. 3) Die auf dieser Kirchenversammlung verhandelte Sache Hussens war für viele Polen so wichtig, daß sie in ansehnlicher Zahl ihr zueilten. 4) In der 5. Session dieses Concils trug Andreas Laskary aus Gosławic, der polnische Gesandte, darauf an, daß in der Huß'schen Angelegenheit eine besondere Commission möge ernannt werden. 5) Dies beweist, daß er und seine Collegen, wenn sie auch nicht augenscheinlich den Huß begünstigten, es wenigstens verstanden, eine von religiösem Fanatismus weit entfernte Mäßigung zu bewahren. Andere Polen aber, welche sich damals in Kostnitz befanden, thaten mehr für Huß. Sie bemühten sich auf alle Weise, ihn

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1) Kaum hatte Huß in Prag das Evangelium zu predigen angefangen, so wußte dies Polen so gut, daß selbst jener berühmte und fromme König Jagiełło Władysław, an vielen Dingen im Papstthum Anstoß nehmend, sich dem Evangelio zuneigte, nach einem evangelischen Geistlichen ins Böhmer Land sendete, sich mit ihm ins Zimmer einschloß und im Geheim vor den bissigen Bischöfen der wahrhaften Heilströstungen sich erfreute. Dies mußte auch Cromer, freilich nach seiner Art bemäntelnd, bekennen. Simon Theofil Turnowski in der Vertheidigung des Cons. Sandom. In der That spricht auch Cromer in vielen Stellen von einem Wohlwollen Władisław Jagiełło's für die Hussiten z. B. im 11. Buche und an anderen Orten.

2) J. Bielski in der polnischen Chronik.

3) Ostrowski: Geschichte der polnischen Kirche.

4) Als nachher Joh. Huß in Kostnitz vor dem Consilium der ganzen Christenheit stand, waren daselbst auch nicht wenig treffliche Männer aus Polen, welche mit Huß, Hieronymus und andern Evangelisten häufige Unterredungen hatten. Und weil von Alters her die Polen die Böhmen als ihre Brüder anerkennen, unterschrieben sie sich (was die böhmischen Historien bezeugen) bei Huß und den anderen Böhmen, in dem sie sich verwendeten, von dem Huß widerfahrenen Unrecht sprachen und sich über die deutschen Päbstlinge beklagten, daß sie, obgleich sie ihm freies Geleit zugesagt hatten, es nicht hielten, sondern den Nichtwiderlegten ins Gefängniß geworfen hatten. Sim. T. Turnowski in der Vertheidigung des Consens. Sandom.

5) Ostrowski, Geschichte der polnischen Kirche.

 

 

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zu retten, und als ihre dahin zielenden Unternehmungen vergeblich waren, verließen sie Kostnitz, indem sie denen, welche das Hußen gegebene Wort gebrochen hatten, öffentlich die Schlechtigkeit vorwarfen. Der Tod von Huß und Hieronymus von Prag hinderten keinesweges die Ausbreitung ihrer Lehre in Polen 1). Als Pabst Martin V. davon Kunde erhielt, erließ er an den Erzbischof von Gnesen, die Bischöfe von Posen, Krakau und Plock (anno 1422) ein Breve 2), in welchem er ihnen anempfahl, das Hussitenthum in ihren Sprengeln auszurotten. Die durch solche päpstliche Ermahnungen aufgemunterte Polnische Geistlichkeit erwirkte von Wladislaus Jagiełło eine scharfe Verordnung gegen die Hussiten und ihre Gönner; sie wurde 1424 zu Wieluń erlassen. 3) Ja, sich mit dieser Verordnung nicht begnügend, hielt sie eine Synode, auf welcher sie harte Maaßnahmen gegen die Hussiten anordnete. 4) Auch die Erneuerung

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1) Der Feldzug nach Böhmen von Sigismund Korybut, dem Bruder Witold's, welcher sich um den Böhmischen Thron (1491) bewarb, trug nicht wenig zur Verbreitung des Hussitenthums in Polen bei, wie man bei Kromer und anderen unserer Historiker lesen kann.

2) Martinus etc. Nuper ad nostrum pervenit auditum nonnullos in regno Poloniae infectos esse eadem haeretica labe, quae regnum Bohemiae damnabiliter excoccavit et nisi provideatur opportune, periculum imminere de majori scandalo et perditione plurium animarum. Nos igitur cupientes hujus modi scandalis et futuris periculis obviare, et si qua ex parte contracta est aliqua macula in regno illo Poloniae fideli, ipsam totaliter abolere, ac si quae personae sunt in haeresia hac collapsae, illos ab errore reducere ad veritatem et circa haec et alia de prudentia, fide, et devotione tua sumentes in Domino fiduciam specialem, fraternitati tuae per apostolica scripta committimus et mandamus; ut per tuam dioecesim et totum Poloniae regnum diligenter inquiri facias de personis praecipitatis in haeresim et errorem et eas studeas ad viam salutis et poenitentiae revocare: quod ut possis utiliter et feliciter exsequi et juxta cor nostrum praefatum regnum praeservare in sancta fide sincerum, circumspectioni tuae etc. Raynald unter demselben Jahre.

3) Diese Verordnung kann man bei Herbut, bei anderen Sammlern Polnischer Geseze, auch in den Additamenten zur Posener Synode des Schembeck lesen. Sie droht denjenigen Polnischen Unterthanen, welche in einem gewissen Zeitraume aus Böhmen nicht nach Polen zurückkehren würden, mit folgenden Strafen: Et nihilominus omnia bona ipsorum, mobilia et immobilia, in quibuscunque rebus consistentia, publicentur, thesauro nostro confiscanda; prolesque eorum, tam masculina, quam feminina, omni careat successione perpetuo et honore, nec unquam ad aliquas assumatur dignitates vel honores, sed cum patribus et progenitoribus suis, semper maneat infamis, etc. Dieselbe Verordnung verbietet unter den größten Strafen, aus Polen nach Böhmen Waffen, Pulver und Blei auszuführen. Außer dieser Verordnung giebt es noch mehrere ähnlichen Inhalts aus diesem Zeitraum. Siehe Sammlung der Polnischen Gesetze.

4) Diese Verordnungen finden sich in der Sammlung der Gnesener Synoden; in Antiqua et nova von Łaski; in der Sammlung von Karnkowski und Wężyk; im Werke Lipskis: Decas quaestionum publicarum.

 

 

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der heiligen Inquisition vergaß die Geistlichkeit nicht. 1) Bei alle dem war die Lehre Hussens schon so verzweigt in Polen, schon von so vielen Seiten 2) hereingedrungen und von so vielen Umständen in ihrem Wuchse begünstigt, daß kein günstiger Erfolg die Bemühungen der polnischen Geistlichkeit krönen konnte. Inmitten dieser die Ausbreitung des Hussitenthums in Polen erleichternden Verhältnisse entstanden 1334 (vergl. Ostrowski, Geschichte der Polnischen Kirche) zwischen dem Erzbischofe von Gnesen und den Großpolen Streitigkeiten des Zehnten wegen. Zwar wurden diese Zänkereien auf einer Adelsversammlung zu Piotrkow 1335 geschlichtet, doch aber ließen sie einen tief wurzelnden Widerwillen des weltlichen Standes gegen den geistlichen zurück, den die Anhänger des Hussitenthums auszubeuten nicht versäumten. Diese letztern mehrten sich in Polen von Tage zu Tage. Ganz besonders begünstigten die damaligen politischen Verhältnisse Polens ein solches Wachsen derselben. Nach dem Tode des den Polen nicht freundlich gesinnten Kaisers Sigismund boten die Patrioten den verwaisten Böhmischen Thron Kasimir, dem Sohne Wladysław Jagiełło's, an. Wladysław Varnesius sendete vor seinem Bruder ein größtentheils aus Großpolen bestehendes Heer unter Anführung des Wojewoden von Posen Sędziwoj Ostroróg und des Wojewoden von Sandomir Johann Tęczyński nach Böhmen. 3) Dieser Zug hatte zwar keinen Erfolg doch vergrößerte er ansehnlich die Zahl der Hussiten, namentlich in Großpolen. Von den bedeutendsten Personen in Großpolen gehörten damals zu den Hussiten: Sędziwój Ostroróg, Wojewode von Posen, Stanislaus Ostroróg, Wojewode von Kalisch, und Abraham Zbąski, Landrichter zu Posen (nach Simon Teophil Turnowski in seiner Vertheidigung des Consensus Sendomir, und Węgierski in

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1) In Posen war damals der Magister Petrus Cantoris Inquisitor. Bzowski: Propago divi Hyac.

2) Nach Großpolen schlich sich die Lehre Huffens auch aus Schlesien und aus Preußen, wo sie sich damals sehr ausbreitete, ein. Hartknoch sagt in seinen der Duisburger Chronik angefügten Abhandlungen: „Anno 1431 fuit Thorunii Doctor Andreas Pfaffendorf Hieronymi Pragensis discipulus, qui in templo D. Joannis Hussi doctrinam propugnando eo rem deduxit, ut Monachi Ordinis Praedicatorum ex aede D. Nicolao sacra ejicerentur. Et cum esset ordinis Teutonici sacerdos, causam ejus contra Monachos defendit Commendator. Recepti quidem sunt postea Monachi, sed nonnisi jure jurando interposito, ne in posterum Doctori Pfaffendorfio molesti essent. Impetravit deinde Pfaffendorfius a Paulo Bellizero literas, quibus ipsi libera dabatur potestas, ubicunque locorum in Prussia vellet docendi."

3) Długosz, Kromer, Bielski und andere polnische Historiker.

 

 

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seiner Slavonia reformata.) Dieser letztere verheimlichte nicht nur nicht sein Bekenntniß, sondern gab vielmehr auch sieben Hussitischen Geistlichen auf seiner Herrschaft Bentschen eine Zufluchtsstätte, so daß sie in dieser Stadt und der Umgegend die Lehre Hussens öffentlich verbreiten konnten. Stanislaus Ciołek, Bischof von Posen, forderte ihn der Ketzerei wegen vor sein Gericht; aber Zbąski, diese Ladung wenig fürchtend, langte an der Spitze einer zahlreichen Schaar Bewaffneter in Posen an und setzte dem Bischofe so sehr zu, daß dieser, da er sich in Großpolen nicht sicher sah, nach Krakau flüchtete, wo er kurz darauf sein Leben endete. 1) Unterdessen breitete sich ohne Hinderniß die Lehre Hussens in ganz Großpolen aus. Der Nachfolger Ciolek's, Andreas von Bnin, Bischof von Posen, mußte, da er der Kühnheit Zbąski's ein Ziel setzen und zu gleicher Zeit den Brand des Hussitenthums löschen wollte, zum Schwerte greifen. Er sammelte 900 Reiter und belagerte an ihrer Spize Bentschen. Zbąski wurde nach mehrwöchentlicher unvorhergesehener Belagerung genöthigt, auf Verlangen des Bischofs fünf Hussitische Priester auszuliefern; zwei retteten sich durch die Flucht. Die ausgelieferten Hussitischen Priester wurden lebendig verbrannt, entweder in Posen, wie Einige wollen (Kromer und andere Polnische Geschichtsschreiber) oder in Opalenica, wie Andere behaupten (Niesiecki). Diese an den Dienern des Hussitischen Bekenntnisses verübte Grausamkeit verbreitete zwar eine allgemeine Furcht unter den Anhängern dieses Bekenntnisses in Großpolen, aber hinderte keinesweges die heimliche Verbreitung seiner Lehre in dieser Gegend. Größere Frucht trug auch die Verordnung des Reichstages zu Korczyn 2) (1438) gegen die Hussiten nicht: Diese, den Zeitumständen erliegend, legten sich auf die Lauer und warteten auf einen günstigen Augenblick, um auf's Neue sich zu erheben. 3) Nicht lange durften sie auf einen solchen warten. Der Krieg Kasimir Jagiełło's mit den Kreuzrittern, das treulose Verfahren der Legaten Roms in diesen

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1) Treter oder vielmehr Długosz in den Lebensbeschreibungen der Posenschen Bischöfe.

2) Diese Verordnung findet sich bei Herbut und in Schembeck's Additamenten zur Synode.

3) Dieses Verbergens ungeachtet spürten die geistlichen Gewalten in verschiedenen Gegenden Großpolens Bekenner Hussens auf. Damalewicz sagt in den Lebensläufen der Erzbischöfe von Gnesen von Vincent Kot, der von 1336-1348 Erzbischof war, Folgendes: Fuit hic archiepiscopus in premovenda religione orthodoxa zelosus et haereticae pravitatis acer inquisitor: Matthiam de Radziejow, dioecesis Vladislaviensis scholae Klecensis rectorem, compulit ad praestandum juramentum, se amplius non communicaturum sub utraque specie.

 

 

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Streitigkeiten mit dem wortbrüchigen Orden, die Parteilichkeit der Päpste selbst für den Orden und endlich das während eines mehrjährigen Krieges geschwächte Ansehen der Geistlichkeit, alles dies ermuthigte die Polnischen Hussiten zum öffentlichen Hervortreten. Noch mehr Muth machte ihnen, daß Władysław, der Sohn Kasimir Jagiełło's, im J. 1471 den böhmischen Thron bestieg. Von dieser Zeit an finden sich in unsern Geschichtsbüchern und in den Landesarchiven nicht seltene Spuren des durch ganz Polen, besonders durch Großpolen, verzweigten Hussitenthums. Und so berichtet Damalewicz 1), daß im J. 1480 Zbigniew Oleśnicki, Bischof von Kujawien, einen gewissen Priester Matthäus in Inowraclaw deshalb zum Tode verurtheilt habe, weil er vielen Personen das heilige Abendmahl unter beiderlei Gestalt ausgetheilt. In den Akten der Kathedrale zu Posen habe ich gelesen, daß um diese Zeit und um derselben Verschuldung willen man in der Posener Diöces einen angeklagten Meßpriester vorgefordert habe. Andreas Frycz Modrzewski erzählt, daß Krzesław de Kuroszwanki, der Bischof von Kujawien, einen gewissen Priester Adam um derselben Ursache willen habe verbrennen lassen. 2) Damals versammelte sich auch der Großpolnische Adel in Posen und verlangte vom Bischofe Ertheilung des heiligen Abendmahls nach Hussitischer Sitte unter beiderlei Gestalt 3). So groß war die Zahl der Hussiten in Großpolen noch etliche Jahre vor der Reformation Martin Luthers.

 

 

Dritter Abschnitt.

Das Lutherthum in Großpolen bis zur Ankunft der Böhmischen Brüder in dieser Provinz.

Zu der Zeit als Großpolen mit Anhängern Hussens angefüllt war, begann Martin Luther (1517) in Deutschland eine neue Lehre auszustreuen. 4) Diese Lehre schlich sich sogleich nach Großpolen, wo die Gemüther auf jede Veränderung in Glaubenssachen

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1) In seinen Lebensläufen der Bischöfe von Kujawien.

2) Węgierski Slavonia reformata. Damalewicz erzählt zwar diesen Umstand nicht im Leben des Krzesław von Kuroszwanek, aber dafür sagt er: Cum autem magno moerore ferret in sua Dioecesi bonus pastor, mactari oves Christi frequentibus luporum incursibus haeretica contagione virulentis, ut gregem suum ab imposturis haereseos tueretur etc., wodurch man sich überzeugen kann, daß sein Sprengel voller Hussiten war.

3) Derselbe ebendaselbst.

4) Die uralte Lehre des Evangeliums. (Anm. d. Uebers.)

 

 

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vorbereitet waren, ein. Die Hauptursache dieses Vorbereitetseins waren hier gleich wie in Deutschland: die verderbten Sitten der Geistlichkeit, die verschiedenen Mißbräuche, die sich die Diener des Altars zu Schulden kommen ließen 1) und das durch die ganze Provinz verbreitete Hussitenthum. Sobald man nun in Großpolen von diesem neuen Reformator hörte, fanden sich bald viele, die das alte Gebäude zu zerstören und ein neues, sei es nun nach dem Plane Luthers, sei es nach dem eigenen Gefallen, aufzuführen in dieser Gegend begannen. Der erste, der sich an diese Arbeit wagte, war Samuel, unbekannten Zunamens, ein Posener Dominikaner, der seiner ungewöhnlichen Redegabe wegen zum Prediger am Posener Dom genommen worden war. 2) Er war ein Anhänger Martin Luthers und fing um 1520 an, sich von der Kanzel herab gegen die Lehre der katholischen Kirche zu erheben und sie mit seinen Schriften zu widerlegen. Bald nachher, schon 1525, trat Johann Seklucyan, aus Bromberg gebürtig, der auf der Universität zu Leipzig den Grad eines Baccalaureus der Theologie erhalten hatte und deutscher Prediger an der Maria-Magdalenen-Kirche in Posen war, in die Fußstapfen Samuels, und obwohl er auf Veranlassung des Posener Bischofs durch einen Befehl Sigismund I. an den Posener Magistrat von der Kirche zu Maria Magdalena entfernt wurde, so hörte er dennoch nicht auf, auf dieser Seite die Lehren Martin Luthers unter dem Schutze der Familie Górka, welche ihn nicht nur gegen die Verfolgungen der Geistlichkeit deckte, sondern ihm auch ein Amt am Posener Zolle auswirkte 3), auszubreiten. In denselben Zeitraum gehören als bedeutendere großpolnische Reformatoren: Bernhard von Lubin; Johann von Koźmin, der Lehrer von Lucas, Andreas und Stanislaus Górka; Martin Glossa und Eustachius Trepka. 4)

Aber nicht nur auf diese Weise breitete sich anfänglich die Reformation in Großpolen aus, man führte sie überdem

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1) Hozyusz sagt auf der Synode zu Petrikau 1551 unter Anderem: Nostris hoc vitiis et flagitiis debemus, quod ab iis ipsis quibus nos benigne facimus, quod ab iis etiam qui nos arcta necessitudine attingunt, de jurium nostrorum abrogatione, de fortunarum nostrarum eversione, consilia iniri videmus, Cum enim animadvertant multum nos ab officii religione declinare, nec alii fere rei, quam congerendis opibus avide inhiare, cum solo nomine spirituales, revera autem plusquam carnales et saeculares nos esse conspiciant, cum eam esse vitam, eos nostros videant, ut nomen Dei per nos blasphemetur inter gentes, etc.

2) Friese: Beiträge zu der Reformationsgeschichte in Polen, Preußische Sammlung allerlei ungedruckten Urkunden etc. Tom III. pag. 84 et seq.

3) Vom Leben und von den Schriften Seklucyan's geben ausführliche Auskunft Tschepius in „Preußische Sammlung Tom III. pag. 77." und Ringeltaube in „Gründliche Nachricht von Polnischen Bibeln.“

4) A. Węgierski. Slavonia reformata.

 

 

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auf denselben Wegen herein, wie ehemals das Hussitenthum. 1) Die bedeutenderen großpolnischen Städte, als: Posen, Fraustadt, Meseritz u. s. w. 2), großentheils von Deutschen bewohnt, hatten zahlreiche Verbindungen mit deutschen Städten, so mit Leipzig, Wittenberg, Nürnberg und mit den preußischen und schlesischen Städten, welche schon vom Jahre 1520 ab mit Anhängern Luthers angefüllt waren. Von dorther kamen in Großpolen Kaufleute, Handwerker u. dergl.; von Luthers Lehre, die sie unter den Einwohnern Großpolens ausstreuten, angesteckt, an. Die wohlhabenderen Einwohner Großpolens entsendeten ihre Söhne auf deutsche Schulen und Universitäten, und diese, nachdem sie sich mit der Lehre Martin Luthers vertraut gemacht hatten, verbreiteten dieselbe nach ihrer Rückkehr in die elterlichen Häuser unter ihren jungen Landsleuten. 3) Der reiche großpolnische Adel führte als Hauslehrer in den Schulen der Anhänger Luthers erzogene deutsche junge Männer ein. Alle diese Umstände begünstigten die Ausbreitung der Reformation in Großpolen, aber den größten Schwung gab ihr in dieser Provinz Christoph Endorfin, ein Leipziger. Als Anhänger Luthers von der katholischen Geistlichkeit aus Leipzig vertrieben, wurde er von dem Posener Bischofe Johann Latalski (um 1530) zum Lehrer der alten Sprachen an die Lubrański'sche Schule berufen. Dies war zu der Zeit, wo diese Schule am höchsten blühte. Aus den fernsten

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1) Kromer, Piasecki.

2) Von den Anfängen des Lutherthums in Fraustadt spricht Lauterbach im Fraustädtischen Zion. In Meseritz finden sich Spuren der Ausbreitung des Lutherthums um 1535. Im Jahre 1548 aber ging Johann Łacki, der letzte katholische Probst an der Pfarrkirche, zum lutherischen Bekenntnisse über und übergab die Kirche seinen Glaubensgenossen, in deren Händen sie bis 1607 blieb.

3) Das Lutherthum verbreitete sich durch die Schuljugend im ganzen Polen. Reszka im Leben des Hozyusz sagt: Quo tempore (1522-24) illud quoque memoria dignum accidit, quod cum in eadem Academia bonis litteris operam daret (Hozyusz); Fabianus Cema, juvenis nobili loco et familia in Prussia natus et Hosio nostro domestica familiaritate conjunctissimus, nisi quod non aeque ut ille, a rebus novis abhorrebat, et blasphemos Lutheranae factionis libellos, germanica praesertim lingua scriptos, non gravatim lectitabat, in acutam aliquando febrim incidit. Cujus vicem cum Hosius doleret officia consolantium et libenter et studiose praestabat, ac saepe ad lectulum decumbentis assidebat. Quodam ergo die, sub capite jacentis quendam libellum aspicit, quem cum in manus accepisset et haereticum esse cognovisset, haec est, inquit, ista febris, quae te adeo graviter excrutiat. Dann erzählt Reszka weiter, daß Hozyusz jenes ketzerische Buch ins Feuer geworfen habe, und siehe Cema genaß am andern Tage. Bei alle dem nahm die Familie Cema und vielleicht derselbe Fabian später das Bekenntniß der Böhmischen Brüder an, blieb ihm getreu und vereinigte sich durch Familienbande mit dem Geschlechte der Leszczynski, das dieselbe Religion bekannte.

 

 

 

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Gegenden Großpolens und selbst aus Kleinpolen und Schlesien eilte ihr die Jugend zu. Endorfin wußte seine Denkart in Glaubenssachen zu verbergen, und so streute er, indem er sich der Gunst des Posener Bischofs und der höhern Geistlichkeit erfreute, desto sicherer, wiewohl unmerklich, in den von ihm herausgegebenen Schulbüchern und in seinem Unterrichtsstunden die Lehre Martin's aus. 1)

Endlich freilich durchschaute die Geistlichkeit den listigen Fuchs, aber schon war es zu spät. Wohl entfernte man ihn von der Schule, aber der von ihm in die Jugend geworfene Saame der Abtrünnigkeit von der katholischen Kirche ging bald in ganz Großpolen auf. Nicht geringere Dienste erwies der Reformation in dieser um jene Zeit die Schule Trotzendorf's zu Goldberg in Schlesien, welche die polnische Jugend zahlreich besuchte. 2) Damals wuchs die Zahl der Anhänger Martin Luthers in Großpolen so sehr, daß man an verschiedenen Orten, wiewohl im Geheimen, Kirchen dieses Bekenntnisses zu eröffnen anfing. Mächtige Geschlechter, z. B. die Górka, ließen in ihren Wohnungen sogar öffentlich Gottesdienst nach lutherischen Gebräuchen abhalten.

Dies waren die Umstände, welche die Einführung der

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1) Endorfin hatte unmittelbare Verbindungen mit Wittenberg. Hier gab er im Jahre 1534 bei Georg Rhau folgendes für die Posener Schule bestimmte Werk heraus: Stichologia seu ratio scribendorum versuum, Studiosis in Neacadamia Posnaniensi dictata etc. Vittembergae, anno M. D. XXXIV. Dies Schriftchen wurde später in andere polnische Schulen eingeführt, und aus diesem Grunde wurde es einige Male in den Krakauer Buchdruckereien aufgelegt. Diesem Endorfin vertrauten die bedeutendsten Großpolnischen Familien ihre Kinder an. Seine Kostgänger waren: Stanislaus Latalski, Bruderssohn des Bischofs von Posen und späteren Erzbischofs von Gnesen; Johann Krotowski, später Wojewode von Inowrocław, und Raphael Leszczyński, später Starost von Radziejow. Der Bischof Johann Latalski und Johann Leszczynski, Kastellan von Brześć, überhäuften ihn mit Wohlthaten. In der Zueignung des oben erwähnten Werkchens an Johann Leszczyński sagt Endorfin unter Anderem: Quando vero M. T. de me multis benemerita est et etiam nunc benemeretur, tum quod filium suum Dominum Raphaelem, generosae indolis juvenem mihi litteris instituendum, honestissimo animo, stipendio constituto, commisit, tum quod subinde rem familiarem meam adauxit adaugetque etc. Von seinem Leben und seinen Schriften handeln ausführlicher Janocki und Juszyński.

2) Węgierski: Slavonia reformata. Unter andern Schülern dieser Anstalt nennen wir von Polen die Gebrüder Erasmus und Nicolaus Gliciner. „Beły zacne szkoły i w nich nauczyciele zacni, święci, tusz nad Polską, osobliwie w Golperku, gdzie on zacny Doctor Walenti Trocendorph, Preceptor moi, szczęśliwie uczył, z którego nauki Polska wszystka prawdą Bożą jest oświecona, zamnożona a napełniona" sagt Erasmus Gliczner in seiner Appellacya.

 

 

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Reformation in Großpolen erleichterten; aber wie überall, so auch hier, stieß sie auf kräftige (mächtige) Hindernisse. Die Geistlichkeit, welche gleich anfangs erkannte, worum es sich handle, zumal von Deutschland und Rom aus gewarnt vor der der polnischen Kirche drohenden Gefahr, ergriff alle Mittel, um den katholischen Glauben in diesem Lande aufrecht zu erhalten. Auf ihre Vorstellung erließ Sigismund I. zu Thorn 1520 das Edikt, welches bei Strafe der Vermögensconfiscation und der Landesverweisung verbot, Martin Luthers Schriften ins Land einzuführen. 1) Der Großpole A. Krzycki, später Erzbischof von Gnesen, erwies sich unter der ganzen Geistlichkeit als der eifrigste Vertheidiger der katholischen Kirche und der unerbittlichste Feind Luthers, gegen den er mit der Feder kämpfte. Gegen Luther gab er im Jahre 1523 eine Schrift voll der gröbsten Schimpfreden unter dem Titel: Encomia Luteri 2) heraus. Außerdem erwirkte er in Gemeinschaft mit dem päbstlichen Legaten Johann Magni Gotus im Jahre 1523 von Sigismund I. ein Edikt, durch welches dieser Monarch die Bischöfe ermächtigt, in Privathäusern nach lutherischen Büchern zu suchen, und alle im Lande gedruckten Schriften der geistlichen Censur unterwirft. 3) Johann Laski, Erzbischof von Gnesen hielt in demselben Jahre eine Synode zu Łęczyca ab, auf welcher nach Erwägung der Mittel zum Aufhalten der Reformation in Polen, der Bann 4) auf alle

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1) Manifestum facimus" sind die Worte des Edikts „harum serie literarum, quod intelligentes ad Regnum et Dominia nostra inferri nonnullos libellos, cujusdam fratris Martini Lutheri Augustiniani, in quibus multa continentur, tam contra sedem apostolicam, quam etiam in perturbationem communis ordinis, et status rei ecclesiasticae et religionis: cum enim in regno nostro ex hujusmodi scriptis errores aliqui pullularint, officii nostri, ut Christiani principis et fidelis filii Sanctae Matris Ecclesiae, esse duximus, ut autoritate et potestate nostra, huic caepto noxio, resisteremus; Mandamus itaq. vobis omnibus subditis nostris et cuilibet vestrum seorsim, ut nemo deinceps talia opera, ut praemissum est, in Regnum et Dominia nostra inferre, vendere, aut illis uti, sub paenis confiscationis bonorum atque exilii etc." Aus Ankuta: Jus Plenum religionis Catholicae in regno Poloniae etc.

2) Friese: Beiträge zu der Reformationsgeschichte in Polen. Damalewicz sagt von Krzycki: „Orthodoxae religionis, quae motibus Lutheranis graviter in Polonia tum fluctuabat constans propugnator."

3) Dies Edikt findet man in folgenden Worten: in Bzowski's Annales Eccles. ad an. 1523. In der Sammlung der Synoden von Łaski, Karnkowski, Wężyk; in Lipski's Decas quaestionum publicarum; in Orzechowski's Chimera; in Raynald's Annales etc. und in einigen andern Werken.

4) Diese Exkomunikation findet man in den Sammlungen der Synoden von Laski, Karnkowski und Wężyk, und sie beginnt also: „Excommunicamus et anathematisamus omnem heresim extollentem se adversus hanc sanctam orthodoxam et catholicam fidem, ecclesiamque Romanam, condemnantes hereticos universos, et praesertim Lutheranos noviter exortos etc."

 

 

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von der katholischen Kirche Abtrünnige gelegt, auch außerdem noch die bekannte päbstliche Bulle gegen die Irrthümer Martin Luther's und seiner Anhänger veröffentlicht wurde. 1) Vier Jahre später (1527) hielt die polnische Geistlichkeit in derselben Absicht abermals eine Synode zu Łęczyca, auf welcher, unter anderen Mitteln das Lutherthum zu dämpfen, die Erneuerung der hlg. Inquisition 2) durch ganz Polen verordnet wurde. Auch auf die zahlreich im Auslande Unterricht genießende polnische Jugend richtete die Geistlichkeit ihre Aufmerksamkeit. Cochlaeus, Luthers und Melanchthons Hauptfeind, machte der polnischen Geistlichkeit bemerklich, daß eine bedeutende Zahl Polen, besonders Großpolen, in Wittenberg bei diesen zwei Trägern der Reformation Unterricht genossen und sich mit ihren religiösen Grundsätzen vertraut machten. 3) In lebhaften Farben schilderte die Geistlichkeit Sigismund I. den hieraus für die katholische Religion erwachsenden Schaden und erwirkte von ihm im Jahre 1534 das Edict, welches der polnischen Jugend verbot, sich außer Landes auszubilden. Auf Vorstellen des höhern Adels aber änderte Sigismund I. das erwähnte Edict dahin ab, daß er der polnischen Jugend fremdländische Schulen zu besuchen erlaubte, nur sollte sie nicht Luthers

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1) Diese Bulle kann man in denselben Sammlungen Polnischer Synoden lesen.

2) Friese l. c. Die Verordnung dieser Synode, das Verhüten der Verbreitung des Lutherthums in Polen betreffend, sagt unter Anderem: „Decrevit haec sacra synodus, ut Rmi Domini Archiepiscopus et Episcopi pro exterminio sectae Lutheranorum ex dioecesibus comprovincialibus et praesertim Vratislaviensi et Cujaviensi intendant etc." Es ist bekannt, daß ein beträchtlicher Theil der Wojewodschaft Posen zur Breslauer Diöces gehörte und von diesem Theile, nicht von Schlesien, ist in der Verordnung die Rede.

3) Raynald sagt zum Jahre 1534: „Confluebat per id tempus Wittembergam juventus non ex Germania modo, verum etiam ex finitimis regnis, cum haeretici Melanchtonem studiis latinae eloquentiae florentem tanquam cultioris literaturae magistrum ac principem summis laudibus efferent, et licet a catholicis regibus et principibus vetitum esset simplicem juventutem in eam Lutheranae haeresis sentinam mittere, animadversum tamen est a Joanne Cochleo Christianae religionis strenuissimo pugile, plures Polonos in Wittembergensi academia haeresim cum literis exsugere, ut eam in Polonia disseminarent: quocirca Matthiam archiepiscopum gnesnensem et episcopos proceresque periculi imminentis admonuit, ii vero pietatis vindices Sigismundum Regem permovere, ut Polonos juvenes ex eadem Wittembergensi academia revocaret etc." Um diese Zeit war Wittemberg mit jungen Polen angefüllt; unter anderen studirten auf dieser Universität die berühmten Stanislaus Orzechowski und Stanislaus Warszewicki. Von Großpolen waren in diesem Zeitraume in Wittenberg: drei junge Górka; Adalbert Marszewski; Johann Krotowski, später Wojewode von Inowracław; zwei Ostroróg; Johann Lipczyński, später Schöppe von Posen; Johann Tomicki, später Kastellan von Rogasen; Peter Grudziński und viele Andere.

 

 

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Werke mit ins Land bringen. Auf der 1544 zu Piotrkow abgehaltenen Synode wurde bestimmt, daß alle auf lutherischen Universitäten weilende Geistliche binnen sechs Monaten, bei Verlust der Benificien, ins Land zurückkehren sollten. 1)

Doch waren alle Anstrengungen, welche sich die Geistlichkeit in Polen zur Erhaltung der schon seit einigen Jahrhunderten untergrabenen katholischen Religion kosten ließ, vergeblich. Selbst in der Mitte der Geistlichkeit, namentlich in Großpolen, fanden sich Viele, welche die Religion der Väter verwarfen. Johann Laski, ein Neffe des Gnesener Erzbischofs, Probst zu Gnesen, ging im Jahre 1540 auf die Seite der Reformation über. Seinem Beispiele folgten viele Weltpriester 2) und Ordensgeistliche. 3) Einige von ihnen erfüllten später geistliche Pflichten bei andern Bekenntnissen, andere entsagten ihrem Stande und überließen sich ganz und gar weltlichen Beschäftigungen. Nicht weniger trug Albrecht, Herzog von Preußen, Schwestersohn Sigismund I., dazu bei, viele Personen in Polen von der katholischen Kirche abwendig zu machen; er zog nämlich mehrere gelehrte Polen 4) in seine Lande, überschüttete mit im Geiste der Lehre Martin Luthers herausgegebenen Büchern Polen und machte dies Volk für die Reformation empfänglich 5).

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1) Friese l. c.

2) In die Zahl dieser gehören: Johann von Koźmin, Lehrer der Górka; Stanislaus Lutomirski, Probst von Konin, ein späterer Socinianer; Adalbert Serpentyn Kanonikus, später Prediger des Böhmischen Bekenntnisses in Koźminek; Andreas Prażmowski, Probst bei der St. Johanniskirche zu Posen; Georg, unbekannten Zunamens, Probst in Grätz; Martin Czechowicz, Probst zu Kurnik, später Socinianer, und viele Andere. Gewöhnlich geschah es, daß wo der Patron den Glauben der Väter verließ, ihm der Pfarrer nachahmte. Endlich kam es dahin, daß die Bischöfe keinem Geistlichen trauten, und etwas später auf der Synode zu Piotrkow 1551 wurde auf Veranlassung des Hozyusz die Bestimmung erlassen, daß jeder Priester ein Glaubensbekenntniß ablegen solle, cf. St. Reszka im Leben des St. Hozyusz.

3) Die Ordensgeistlichen in Großpolen erfaßten begierig die Reformation. Einige Klöster, so das Bernhardiner in Fraustadt, das Cisterzienser in Paradies und Blesen u. s. w. standen eine Zeit lang leer, da sie von Ordensbrüdern, welche die Regel und den Glauben der Väter abwarfen, entblößt waren.

4) Zu ihnen gehören: Johann Seklucyan, Adalbert von Neustadt, Eustachius Trepka, Martin Kwiatkowski, Johann Radomski u. s. w.

5) Eustachius Trepka sagt in der zu Königsberg 1556 bei Daubmann herausgegebenen Uebersetzung des Catechismus von Brentius: „Thak wielką Catechizmu thego potrzebą i pożytkiem Jego Miłość Xiąże pruskie moi Miłościwy Pan przywiedzione do thego się staraniem i nakładem swoim przyłożył, iszby był na język polski przełożony a pothym w Drukarni wyciśniony. Bo Jego M. iest they chuci ku słowu pańskiemu i tho pilnie omyślawa, aby szeroki plac miało i co dalei thym więcéy dzień pole dnia w Corunie polskiei się rozszyrzało.“

 

 

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Dies war die Lage Polens in Glaubenssachen zu der Zeit, da Sigismund I. sich seinem Ende nahte. Dieser große Monarch, welcher aus Besorgniß vor Unruhen im Lande und auf den Rath der Geistlichkeit fast während seiner ganzen Regierung die Reformation in Polen zu unterdrücken suchte, mußte am Ende seiner Tage die traurige Erfahrung machen, daß ein offener Kampf mit dem Geiste der Zeit bedrohlich und vergeblich sei. Sterbend hinterließ er das Land in religiöser Hinsicht in gänzlicher Auflösung und den eigenen Sohn mit den Grundsätzen der Reformation angefüllt. 1) Der alte Bau war von allen Seiten erschüttert; einen neuen führte man nicht auf, denn Jeder wollte ihn in anderer Gestaltung haben. Die Einen, besonders die deutschen Einwohner Polens, wollten ihn nach dem Grundriß Luthers aufführen; den Andern gefiel die Bauart Calvin's besser; Andern wiederum schienen die Lehrsätze Beider noch zu sehr an den Katholicismus zu streifen, und sie suchten daher Vollkommenheit in der Lehre Servet's und Socin's; Andere endlich wollten einen Nationalbau, verschieden von jedem fremdländischen aufführen.

 

 

 

Vierter Abschnitt.

Der Calvinismus in Großpolen bis zur Ankunft der Böhmischen Brüder in dieser Provinz.

Das Lutherthum riß zwar die Polen von der katholischen Kirche los, aber es gewann sie nicht in bedeutender Zahl für sich. Mannigfach mochten die Ursachen dieser Erscheinung sein, aber das ist gewiß der Hauptgrund, daß es aus Deutschland stammte, von einem Volke, von dem unsere Väter tausende Unbilden erfuhren, mit dem sie in frischem blutigem Kampfe begriffen waren. 2) Der zweite Grund war der, daß die aus Deutschland nach Polen kommenden Apostel des Lutherthums sich nicht im Geringsten nach der Landessitte richteten, sich sogar nicht einmal Mühe gaben, die polnische Sprache zu lernen. 3) Und daher breitete

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1) Piasecki: Chronika Gratiani im Leben Commendonis auf Seite 112.

2) Im Kriege mit Albrecht, dem Großmeister der Kreuzherren a. 1520.

3) Selbst unter der Regierung Stanislaus August's kannte nur eine sehr kleine Zahl der Geistlichen dieses Bekenntnisses in Großpolen ein wenig die polnische Sprache. In dem heutigen Großherzogthum Posen sind nur drei lutherisch-polnische Kirchen: in Adelnau, Kempen und Ostrowo, und dennoch kann man für sie keinen Geistlichen finden, der, wenn auch nur mittelmäßig, polnisch verstände. Die Geistlichen dieses Bekenntnisses hatten nicht den Vortheil ihrer Confession im Auge. Lernten und lernen doch die nach China, Lappland etc. gesendeten Missionäre die Landessprache! Uebrigens giebt es keine Regel ohne Ausnahme: im 16. und 17. Jahrhundert gab es in Polen einige aus Deutschland gebürtige lutherische Geistliche, welche die polnische Sprache gründlich kannten und sogar Werke in derselben zurückließen; in diese Zahl gehört der berühmte Herbinius, Pfarrer zu Bojanowo, und Kaspar Diring, Pfarrer zu Schwersenz, der im Jahre 1635 eine polnische Uebersetzung der Augsburg'schen Confession herausgab.

 

 

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sich das Lutherthum nur in dem königlichen Preußen und in Großpolen unter dem deutschen Stamme aus; nach Kleinpolen und Russen drängte es sich nicht durch, und in Litthauen fand es eine nur sehr kleine Zahl von Anhängern. Vom Großpolnischen Adel erfaßten dies Bekenntniß nur die Górka, Tomicki, Bninski, Ossowski und einige der kleineren Häuser; aber auch diese Geschlechter, mit Ausnahme der Górka und Ossowski, gingen später zum Böhmischen Bekenntniß über. Mit desto größerem Eifer wurde die Lehre Calvin's in ganz Polen gegen das Ende der Regierung Sigismund I. aufgenommen, denn sie kam aus Frankreich, von einem Volke, mit welchem das unsrige stets sympathisirte. In Großpolen war Andreas Prażmowski, Probst an der St. Johanniskirche zu Posen, der erste, der unter dem Schutze Węgorzewski's, eines Malteserritters, auf dieser Seite Calvins Lehre auszustreuen anfing. 1) Wohl wehrte Izbiński, Bischof von Posen, indem er ihn von der Kirche entfernte, der Ausbreitung dieses Bekenntnisses in seinem Sprengel, aber Prażmowski, aus Posen vertrieben, begab sich nach Kujawien, in die Włocławer Diöces, welche auf kurze Zeit der Andersgläubigen mit Leib und Seele ergebene Drojewski lenkte. 2) Unter einem solchen Bischofe sah sich Prażmowski vollkommen sicher und ließ sich in Radziejow, einer königlichen Stadt, deren Starost Raphael Leszczyński, der Schüler Endorfin's, ein Freund der Reformation war. Unter seinem Schutze ging Prażmowski an's Werk, und in kurzer Zeit stellte er mehrere Calvinische Kirchen in drei Kreisen, dem brzesko-kujawischen, dem kcyńskischen und inowraclawischen, deren Hauptkirche die zu Radziejów war, auf. Hier war der Sig des Seniors dieses Bekenntnisses, hier waren seine

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1) Węgierski: Slavonia reformata.

2) Damalewicz sagt in den Lebensbeschreibungen der gnesener Erzbischöfe: „Johannes Drojewski, Vladislaviensis Episcopus palam connivens haeresim introduci spectavit." In den Lebensbeschreibungen der kujawischen Bischöfe aber: „Nam ut in aliis rebus ita in religione facile de sententia deducebatur; animo nutabat, ut nunc hoc, nunc illud sentiebat. Atque dum forte cum illo catholicus aliquis de religione loqueretur et fraudes haereticorum efficacibus argumentis detegeret: Viden' inquiebat, in quas me insidias protrahere voluerunt: rursus cum aliquis haeriticorum veritatem Catholicae religionis apparentibus argumentis traduceret: Item, aiebat, hanc non animadverterem captionem! qua ejus inconstantia et temeritate factum est, ut in dies majora haeresis impune sumeret incrementa etc."

 

 

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Schulen und sein Seminarium. Prażmowski war also der erste, der in Großpolen eine akatholische Hierarchie bildete. Zu den ersten Geistlichen (außer Prażmowski) dieses Bekenntnisses in Großpolen gehören Martin Czechowicz 1) und Stanislaus Lutomirski, 2) früher Pröbste zu Konin und Tuszyn, dann später beide Socinianer.

Das calvinische Bekenntniß zog fast den ganzen kujawischen Adel 3) an; als dasselbe aber zur Zeit Sigismund III. viele Kirchen und endlich die Hauptkirche und das Seminarium zu Radziejow 1615 verloren hatte, vereinigte es sich auf immer mit dem Bekenntnisse der böhmischen Brüder auf der Synode zu Ostrorog 1627, und von der Zeit an theilte es die Schicksale

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1) Czechowicz war, wie ich oben sagte, katholischer Probst zu Kurnik, später ging er zum lutherischen Bekenntniß über, dann zum kalvinischen, endlich zum socinianischen. Lauterbach in seinem Werke: Ariano-Socinismus etc. sagt von ihm: „Gar zeitlich applicirte er sich zu geistlichen Aemtern und gab erstlich einen Präceptor und Kirchendiener zu Wilna in Litthauen ab, darauf war er Pastor in Kujawien etc.“ und bis zu dieser Zeit hielt er am helvetischen Bekenntnisse, denn, wie bekannt, war weder in Wilna, noch in Kujawien eine socianische Kirche; als er Socinianer geworden, übersiedelte er nach Lublin. Ueber sein Leben und seine Schriften sprechen Lubieniecki: Histor. reform. pol.; Sandius, Lauterbach, Bock, Ringeltaube. Hinzufügen muß ich hier, daß Czechowicz ein Großpole war. Andreas Wargocki sagt in seiner Apologie gegen die Lutheraner etc.: „Martin Czechowicz wurde als Katholik auf dem Dorfe in einem Bauernhause geboren. In reifern Jahren griff er zum Glockenstrange und wurde Glöckner in Bentschen. Und da er sah, daß das Luthersche neue Lehrlein im Preise sei, nahm er es an, als aber mit der Zeit es wohlfeil zu werden anfing, ging er zu den Zwinglianern und Calvinisten. Endlich aus Genf zurückkehrend, wohin er von einem Senator des Großherzogthums Litthauen gesendet worden war, kehrte er bei einem wiedertäuferischen Geistlichen ein, und als er von demselben alles Sectirerische erlernt hatte, warf er das Zwinglithum von sich, zog zuerst in Kujawien den Niemojewski und Andere zu sich herüber und legte dann in Lublin um's Jahr 1563 eine wiedertäuferische Kirche an. Er ist schon alt, aber wenn er länger leben sollte, wird er ohne Zweifel mit den Türken: Allah! Allah! Allah! rufen. Auf den Rand schrieb Wargocki folgende Worte: Żyw jest, przeć się tego nie może y nie będzie, dla czego testimonium nie kładę żadnego, d. h.: es ist am Leben, er kann und wird dem nicht widersprechen, deshalb füge ich kein Zeugniß an.

2) Ueber Lutomirski lese man in den Werken Lubieniecki's, Sandius', Bock's und Lauterbach's. Die ausführlichste, wiewohl nicht vollständige Nachricht über ihn gab der gelehrte Ossolinski in der zweiten Nummer seiner: Rozmaitości naukowych krakowskich.

3) Friese irrt sich, wenn er in seinem Werke: Beiträge zur Reformationsgeschichte in Polen, behauptet, daß Prażmowski mit seinen Kirchen in Kujawien erst seit 1560 den Calvinismus erfaßt, früher aber die Lehre Luthers bekannt habe; in den Archiven der Böhmischen Brüder zu Lissa finden sich schlagende Beweise, daß Prażmowski von Anfang an, d. i. von 1549 in Kujawien Kirchenhelvetischen Bekenntnisses gründete. Dasselbe bezeugt auch Reszka, Prażmowski's Zeitgenosse.

 

 

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dieser Confession, oder hörte vielmehr auf dieser Seite zu existiren auf. Denn sein Senior Daniel Mikolajewski wurde in die Reihe der böhmischen Brüder-Senioren aufgenommen und nahm mit seiner Geistlichkeit alle Dogmen und religiösen Gebräuche des Bekenntnisses an, mit welchem er sich vereinigte.

 

 

Fünfter Abschnitt.

Die böhmischen Brüder. Ihre Ankunft in Großpolen, ihr Wachsthum, ihre Schicksale bis zur Synode in Koźminek anno 1555.

Zur Zeit als in Polen in religiöser Beziehung Alles in allgemeiner Auflösung war, erließ Ferdinand I., König von Böhmen im Jahre 1547 einen strengen Befehl an alle Andersgläubige, namentlich aber an die sogenannten Piccarden, die sich selbst Böhmische Brüder oder Unitas 1) nannten, nach welchem sie binnen 42 Tagen die Grenzen seines Reiches verlassen sollten 2). In Folge dieses Befehls entsendeten die böhmischen Brüder den Johann Girk und einen gewissen Adalbert, Baccalaureus der Theologie, zu Herzog Albrecht von Preußen, mit der Bitte, ihnen in den seiner Oberhoheit unterworfenen Ländern eine Zufluchtsstätte gewähren zu wollen. Schon etwas früher hatte Albrecht, nachdem er gnädig den verfolgten und aus Böhmen landesflüchtigen Freiherrn Wilhelm Krynecki von Ronow aufgenommen, durch denselben seinen Glaubensgenossen eine Freistätte im Herzogthum Preußen verheißen. Und so zogen dann, ihren Weg nach Schlesien richtend, am 15. Juni 1548 ganze Gemeinden dieser Verbannten aus Brandeis, Turnau Buttweiß, (Bidsowo), Leitomischl und andern Orten, der Zahl nach etwa 1000 Seelen, aus. Greise, Krüppel, Kranke, schwangere Weiber und Kinder führte man auf 120 Wagen mit sich. Ein Theil der Vertriebenen zog geraden Wegs in's herzogliche Preußen und ließ sich in Königsberg,

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1) Von den Anfängen und von dem Wachsthum dieses Bekenntnisses kann man lesen bei Łasicki: de origine Fratr. Bohemorum; bei Węgierski: Slavonia reformata; bei Rieger und vielen Andern. Die Katholiken und Lutheraner gaben den Böhmischen Brüdern verschiedene Namen: Piccarden, Waldenser, u. s. w. selbst nannten sie sich immer Böhmische Brüder oder Unität.

2) Węgiersti: Slavonia reformata.

 

 

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Marienwerder und anderen Orten nieder. Der zweite Theil, an Zahl 400 Personen, der mit sich die Prediger Matthias Aquila, Urban Hermon, Johann Korytan und Matthias Peterculus führte, begab sich nach Großpolen und langte am 25. Junius desselben Jahres in Posen an. 1) Die höchsten weltlichen Aemter in dieser Provinz bekleideten damals Männer, welche die Reformation begünstigten, oder auch solche, denen Glaubensunterschiede gleichgültig waren. General von Großpolen war Andreas Górka, ein offener Anhänger Luthers; Wojewode von Posen war Janusz Latalski vom Wappen Prawdzicz, weder ein eifriger Katholik, noch auch die Reformation offen begünstigend; Wojewode von Kalisch war Martin Zborowski, vom Wappen Jastrzębiec, der, als er auf der Universität Wittenberg studirte, die Grundsätze der Reformation einsog; Wojewode von Kujawien und zugleich Starost von Radziejow war Raphael Leszczyński, der Schüler Endorfin's; Wojewode von Sieradz, Stanislaus Laski.

 

Die Böhmischen Brüder, gnädig von Andreas Górka aufgenommen, wurden mit der Erlaubniß, Gottesdienst nach den Gebräuchen ihres Bekenntnisses abhalten zu dürfen, nicht nur in den Vorstädten Posens, sondern auch in den großpolnischen Gütern der Górka: in Kurnik, Samter, Wronke, Koźmin 2) u. s. w. desgleichen in Ostrorog, Koźminek u. s. w. den Gütern Jacób und Stanislaus Ostrorog's, deren Vorfahren im 15. Jahrhundert Hussiten gewesen waren, untergebracht. Im Monate August desselben Jahres vergrößerte eine neue mit zwei Predigern, dem Matthias Sionius und Georg Israel, aus Böhmen angelangte Abtheilung die Zahl der Böhmischen Brüder.

 

Die Böhmischen Brüder fanden in Großpolen ihr zweites Vaterland. Zu ihrer guten Aufnahme trugen unfehlbar großen Theils die unserm Volke angeborene Gastfreundlichkeit, die Erinnerungen an die älteren (freundlichen) Verhältnisse Böhmens und Polens und das Mitleid mit dem Unglücke des verbrüderten Volkes, aber vor allem das seit alten Zeiten her noch nicht ausgerottete Hussitenthum in dieser Provinz bei. Die deutschen großpolnischen Einwohner, deren Zahl damals nicht klein war und die das Lutherthum erfaßt hatten, nahmen sie, wiewohl aus andern Gründen, nicht minder gut auf. Sie fanden nämlich das Bekenntniß der Böhmischen Brüder, dessen Apologie Martin Luther selbst gelobt und mit einer von ihm verfaßten Vorrede im Jahre

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1) Węgierski: l. c.

2) Węgierski: l. c. Es scheint als hätten die Flüchtlinge schon im Voraus von ihrer guten Aufnahme in Großpolen gewußt.

 

 

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1542 in Wittenberg bei Johann Luften hatte drucken lassen, in vielen Hauptartikeln des Glaubens übereinstimmend mit dem Bekenntnisse Luthers, sahen nun also die Böhmischen Brüder als ihre Glaubensgenossen an und besuchten den Gottesdienst derselben.

 

Benedikt Izbiński, Bischof von Posen sah mit scheelem Blicke auf diese seiner geistlichen Macht gefährlichen Gäste, die ihm dem katholischen Glauben um so schädlicher zu sein schienen, als sie eine wohl geordnete religiöse Gemeinschaft bildeten, und erwirkte daher bei Sigismund August unter dem 4. August desselben Jahres (1548) den Befehl, daß die Böhmischen Brüder sofort die Grenzen Großpolens zu verlassen hätten. 1) Nach zehnwöchentlichem Aufenthalte in Großpolen begaben sich nunmehr die Böhmischen Brüder nach Thorn im königlichen Preußen, ließen aber viele Anhänger ihrer Lehre in Großpolen zurück. In Thorn weilten sie einige Monate. Die religiösen Ceremonieen in dieser Stadt waren zwar noch katholisch, aber im Geheimen waren alle Einwohner der Reformation zugethan. Deshalb nahmen auch die Thorner mit Freuden die Böhmischen Brüder auf, traten ihnen einige Häuser zur Abhaltung des Gottesdienstes, den sie selbst fleißig besuchten, ab und fingen nunmehr an, den katholischen Glauben offenkundig zu verwerfen. Während des Aufenthaltes der Böhmischen Brüder in Thorn besuchten zu öftern Malen viele vom großpolnischen und besonders vom kujawischen Adel, viele von den Einwohnern der Stadt Posen und anderer großpolnischen Städte, wenn sie zu Jahrmärkten oder auch in andern Angelegenheiten eintrafen, ihre Versammlungen. Als die Geistlichkeit sah, daß die Lehre der Böhmischen Brüder sich in ganz Großpolen und im königlichen Preußen auszubreiten nicht aufhöre, setzte sie bei Sigismund August durch, daß die Kraft jenes Erlasses vom 4. August auch auf das königl. Preußen ausgedehnt wurde. Nun begaben sich die Böhmischen Brüder, einen Geistlichen für diejenigen Einwohner der Stadt Thorn, die sich zu ihren Lehren bekannten, zurücklassend, nach dem herzoglichen Preußen, wo sie Paul Speratus, 2) Bischof von Pomesanien mit offenen Armen empfing. 3)

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1) Węgierski: l. c.

2) Von diesem Speratus kann man mehr in Hartknoch's Kirchen-Historie p. 280 lesen.

3) Wiewohl Speratus die Böhmischen Brüder mit Freuden empfing, legte er ihnen dennoch harte Bedingungen auf, unter welchen er ihnen in den Ländern des Herzogs von Preußen einen Zufluchtsort anbot, und bewies, daß er eben so fern von Toleranz sei, wie die böhmischen Katholiken, die sie aus ihren heimathlichen Sißen vertrieben. Er erließ: Decreta ecclesiastica in Prussia pro advenis Bohemis conscripta 19. Martii 1549, deren erster § also lautet: „Quia vere consentit Bohemorum oblata confessio cum confessione Augustana nostra, in primis volumus, tum nostros pastores, tum Bohemorum Ecclesiasticos ministros nihil omnino docere, quod huic dictae confessioni sit contrarium. Si quis ergo dogmata illa, quae confessio Augustana improbat, ausus fuerit, vel clam in angulis, vel palam, vel etiam in templo profiteri atque docere, is ut haereticus extra Ecclesiam nostram, nisi revocarit, excommunicatus ejici debebit." Andere §§. dieser Anordnung waren für die böhmischen Brüder noch drückender; so sagt z. B. der § 5: „Debent item Bohemorum concionatores, recte, probeque instructi esse August.na confessione; ex cujus sententia populum docere et administrare sacramenta reliqua etc." Wundern darf man sich also nicht, daß sobald nur in Polen die Reformation die Oberhand gewann, die böhmischen Brüder sogleich das herzogliche Preußen, wo man sie zum Lutherthume bekehrte, verließen.

 

 

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Vom herzoglichen Preußen aus entsendeten die Böhmischen Brüder häufig ihre Geistlichen nach Böhmen, Mähren und Großpolen, theils um ihre in diesen Reichen sich verbergenden Brüder in ihrem Glauben zu befestigen, theils um neue Anhänger zu gewinnen. In einer solchen Botschaft und zugleich um seine geschwächte Gesundheit zu kräftigen, langte von dort her im Anfange des Jahres 1549 Matthias Sionius, Senior der böhmischen Brüder, in Posen an, welches damals auch in der Fremde durch geschickte Aerzte berühmt war. Den ihn besuchenden, der Reformation günstigen Einwohnern dieser Stadt flößte er die Grundsätze seines Bekenntnisses ein, und da er bei vielen von ihnen den lebhaften Wunsch, Gottes Wort zu hören, wahrnahm, so pflegte er sie in dieser Absicht, gewöhnlich um Mitternacht, um sich in dem Hause des Posener Schöppen Andreas Lipczyński zu versammeln. Auf einer dieser nächtlichen Versammlungen nahmen der eben erst erwähnte Andreas Lipczyński, Adalbert, ein Eisenhändler, Adalbert Stamet, der Apotheker Jacob und viele Andere das Bekenntniß der Böhmischen Brüder an. Und dies waren um diese Zeit die Anfänge der Böhmischen Brüderkirche in Posen, der ersten in Großpolen.

 

Fast zu derselben Zeit pflegten Matthias Aquila, Matthias Czerwienka und Georg Israel, Prediger der Böhmischen Brüder, unter verschiedenem Vorwande nach Posen zu kommen, in dieser Stadt wochenlang sich aufzuhalten und hier und in der Umgegend die Zahl ihrer Glaubensgenossen zu mehren. Im Jahre 1551 schlug Georg Israel, da es die Umstände gestatteten, seinen dauernden Wohnsitz in Posen auf. In diesem Jahre nahmen, außer andern Personen von adlichem Stande in Großpolen, Catharina Ostrorog, aus vornehmem Geschlechte, Lukas Jankowski mit seiner Frau und seinem Hausgenossen Martin Kadzinski und Anna Kasinowska aus Kasinowo

 

 

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das Bekenntniß der Böhmischen Brüder an; außerdem noch 30 Personen in der Stadt Posen. Das also gegebene Beispiel des Adels ahmten viele der Einwohner Posens und anderer großpolnischen Städte nach. Kurz darauf vermehrte derselbe Georg Israel, der von Marienwerder aus zur Zeit der Posener Jahrmärkte mit Johann Korytan, dem deutschen Prediger dieses Bekenntnisses, nach Großpolen zu kommen pflegte, die Zahl seiner Glaubensgenossen in Posen durch Leute verschiedenen Standes, und von Seiten des benachbarten Adels gewann er für sein Bekenntniß die Familien der Bukowiecki, Sokolnicki, Jaskołecki und Roźnowski.

 

Während so die Angelegenheiten der Böhmischen Brüder in Großpolen den günstigsten Fortgang haben, stirbt Andreas Górka, General von Großpolen, ein eifriger Apostel der Reformation in Polen. Seinen Verlust fühlten die böhmischen Brüder um so mehr, als seine Aemter nunmehr auf Männer übergingen, welche ganz entgegengesetzter Sinnesart waren, in Bezug auf Ansicht und Neigung die Reformation anlangend. Das Generalat erhielt Janus Kościelecki, ein Feind aller religiösen Neuerungen, die Kastellanwürde Peter Czarnkowski. Dieser Umstand bewirkte, daß die Böhmischen Brüder ihr Bekenntniß noch eine Zeitlang in dieser Provinz geheim halten und durch ihre Geistlichen, wie bisher, nur im Geheimen Anhänger für ihre Lehre gewinnen mußten; denn Kościelecki, der sich mit der Geistlichkeit verbunden hatte, verfolgte sie überall und schadete ihnen, wo er nur konnte.

 

Bei alledem wuchs dies Bekenntniß mit jedem Tage an Zahl seiner Anhänger und an Macht. Der großpolnische Adel, die Bewohner der Städte und Flecken vereinigten sich mit ihm noch mehr, mancher katholische Geistliche trat zu ihm über. Bei so glücklichem Stande seiner Sache schlugen viele seiner Geistlichen, welche in dem herzoglichen Preußen in beständigen Zwistigkeiten mit der lutherischen Geistlichkeit lebten, in Großpolen ihren dauernden Wohnsiz auf und bald entstanden mehrere Böhmische Brüderkirchen in dieser Provinz.

 

In Posen nahm Georg Israel seinen Wohnsitz. Ihm gelang es, den Jacob Ostrorog 1) 1553 für das Bekenntniß der Böhmischen Brüder zu gewinnen. Dieser übergab sogleich die katholischen Kirchen auf seinen Gütern Ostrorog, Koźminek u.s.w. seinen neuen Glaubensgenossen, schenkte ihnen später seine zu Posen auf der St. Adalbert-Vorstadt gelegenen großen Gebäude und trug zur Einrichtung ihrer Kirchen, einer polnischen und einer deutschen, bedeutend bei, fortwährend aber leistete er seinem

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1) Węgierski: l. c.

 

 

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Bekenntnisse wichtige Dienste. 1) Zu derselben Zeit traten viele mächtige, großpolnische Häuser als: die Leszczyński, die Krotowski, die Opaleński, die Marszewski, die Lipski u. s. w., sei es neu angeregt durch das Beispiel Ostrorog's, sei es aus eigenem Antriebe zum Bekenntnisse der Böhmischen Brüder, über und übergaben diesen entweder die auf ihren Gütern befindlichen katholischen Kirchen, oder aber erbauten neue für sie. Und doch, trotz dieses mächtigen Wachsthums, hatten die Böhmischen Brüder noch viele Schwierigkeiten zu bekämpfen und mußten, besonders in den königlichen Städten, ihr Bekenntniß immer noch geheim halten. In dieser traurigen Lage befanden sich die Böhmischen Brüder besonders in Posen. 2) Hier werden sie von dem Bischofe Benedict Izbiński und von dem Generale von Großpolen, Janus Kościelecki verfolgt und mußten ihren Gottesdienst heimlich abhalten.

 

Der (großen) Unsicherheit wegen konnten die Geistlichen dieses Bekenntnisses nicht in der Stadt wohnen, vielmehr mußten sie verkleidet hereinkommen, um ihren Glaubensgenossen seelsorgerische Pflege gewähren zu können. Der Nachfolger Benedikt's, Izbinski, Andreas Czarnkowski, Bischof von Posen, erbte den Haß seines Vorfahren gegen Andersgläubige und, ausgerüstet mit größerer Energie und mit Fähigkeiten, drückte er sie um so mehr. Unter seiner Verwaltung fing die heilige Inquisition,

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1) Węgierski: l. c. Jacob Ostroróg hatte schon seit langer Zeit den Glauben seiner Väter aufgegeben; doch schwankte er noch in der Wahl einer neuen Religion. Es gefiel ihm weder das Lutherthum, noch der Calvinismus: er wollte also selbst ein anderes Bekenntniß annehmen und dasselbe auf seinen weitläufigen großpolnischen Gütern einführen. Zur Anfertigung dieses Bekenntnisses rief er aus Kleinpolen Franz Stancari, von Mantua gebürtig, zu sich. Mit diesem langte, theils in derselben Absicht, theils um Verfolgungen zu entgehen, Felix Cruciger aus Szczebrzeszyn bei Ostrorog an. „Stancarus, de quo ante diximus, ad reformandas ecclesias ab anno 1553 magno studio incubuerat: in quam rem hortatu Jacobi Comitis Ostrorogii libros conscripserat. Cum enim ei, tum Felici Crucigero et aliis piis viris, mota in ditione Cracoviensi persecutione (cujus haud levia videmus documenta, Martinum Curoviensem morte acerba sublatum, Valentinum Krzczonoviensem, Nicolaum Olesnicium et Conradum Crupcam in jus tractos) aliae sedes quietae quaerendae essent, in Majorem Poloniam concesserat et Ostrorogii protectu tutus permanserat etc.;" sagt Stanisl. Lubieniecki in Historia Reformationis Polonicae etc. Das Buch Stankar's, welches Lubieniecki erwähnt, führt den Titel: Canones Reformationis Ecclesiarum Polonicarum per Franciscum Stancarum Mantuanum conscripti. Quibus adjuncti sunt libelli contra invocationem Sanctorum etc. Excudebat Johannes Eichorn. Francofordi ad Viadrum Anno MDLII. 12mo.

2) Siehe: Geschichtliche Nachricht von den Dissidenten in der Stadt Posen.

 

 

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so lange Zeit hindurch unthätig, mit allem Eifer dieser Anstalt an, in der ganzen Posener Diöces Andersgläubige zu verfolgen. Der Posener Inquisitor Paul Sarbin zog diejenigen Einwohner Posens, welche im Verdachte der Ketzerei standen, einen nach dem andern vor das bischöfliche Gericht. Erst lud man die Aermsten vor, denn des Bischofs Absicht war, durch harte Strafen, an einigen der armen Andersgläubigen vollstreckt, den mächtigern Ketzern Furcht einzujagen und sie auf diese Weise wieder in den Schooß der katholischen Kirche zurückzuführen. Aber der großpolnische Adel durchschaute die Pläne des Bischofs, vereitelte stets seine Absichten und befreite die um der Ketzerei willen gefangen Gehaltenen mit Gewalt. 1)

 

An der Freiheit und der Macht des Adels also zerschellte, wie im ganzen Lande, so auch in Großpolen, die geistliche Gewalt. Die Mittel, welche die Reformation in dieser Provinz dämpfen sollten, hatten gerade die entgegengesezte Wirkung. Denn was der Bischof durch sein Ansehn und seine Macht schon nicht mehr hemmen konnte, das wurde als erlaubt angesehen. Von nun an verbreiteten denn auch kühner und öffentlicher, nicht mehr achtend auf die Drohungen des Generals von Großpolen, Janus Kościelecki's, die Geistlichen des Böhmischen Bekenntnisses ihre Lehre in den königlichen Städten; öffentlich nahmen viele Einwohner dieser Städte ihr Bekenntniß an.

 

Wiewohl die Bischöfe in ganz Polen auf ähnliche Hindernisse bei Ausrottung der Religionsneuerungen stießen, so war ihre Macht dennoch drohend und gefährlich für die Andersgläubigen. Daher beschlossen diese, um sich desto wirksamer der herrschenden Religion entgegenstemmen zu können, durch wechselseitige Verbindung ihre Kräfte zu stärken. Die erste Anregung hierzu gab Felix Cruciger aus Szczebrzeszyn, der vor Kurzem vom lutherischen Bekenntnisse zum helvetischen übergegangen war, in einem Briefe an Jacob Ostrorog, in welchem er denselben dringend bittet, an der Vereinigung des helvetischen Bekenntnisses in Kleinpolen mit dem Bekenntnisse der Böhmischen Brüder in Großpolen, arbeiten zu wollen. 2) Chręcice in Kleinpolen und

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1) Węgierski: l.c.

2) Ich schreibe hier aus einem gleichzeitigem Manuskripte alles dasjenige aus, was die polnischen Dissidenten Behufs ihrer gegenseitigen Vereinigung vor der Koźminer Synode unternahmen:

Brevis Annotatio eorum quae Cosminecensem conventum antecessere, Anno Domini 1550. Bruder Georg Jsrael und Bruder Mathias Czerwienka kamen nach Ostrorog und besprachen sich daselbst bei Herrn Jacob Ostrorog freundschaftlich mit dem Pfarrer Szczęśny (Cruciger) dem Prediger des Herrn Ostrorog. Aber damals hielt Pf. Szczęsny noch nicht viel von den Brüdern; auch Doctor Stancarus, der sich zu der Zeit bei dem gnädigen Ostrorog aufhielt, zeigte gegen die Brüder einen stolzen Sinn. Dann Anno Domini 1552 als Bruder Georg Israel aus Preußen nach Polen übersiedelte und in Posen wohnend öfters in Ostrorog weilte, verkehrte er daselbst schon besser und freundschaftlicher mit dem Pf. Szczęsny. Darauf wurde Pf. Szczesny Superintendent in der Krakauer Gegend, und als er sich daselbst einst mit dem Herrn Jacob Ostrorog wiedersah, bat er sehr, daß doch Br. Georg Israel zu ihnen Behufs einer Unterredung kommen möchte. Und so geschah es, daß auf den von dem Herrn Ostrorog den Brüdern mitgetheilten Wunsch des Pf. Szczęsny Bruder Georg Israel mit dem Br. Johann Rokita zu Herrn Filipowski nach Chręcice in Kleinpolen in der Fast anno Domini 1555 ad Dominicam Laetare fuhren, wo viele Geistliche waren: Pf. Szczesny, Pf. Alexander (Vitrelinus), Pf. Krowicki. Da hatten sie ein gemeinsames Collegium, in welchem beschlossen wurde, daß die kleinpolnischen Geistlichen die Union mit den Brüdern eingehen wollen, und baten sie die Brüder, ihnen dazu mit Rath und That beizustehen. Die Brüder weigerten sich nicht, sondern wiesen ihnen hierzu den Weg, indem sie riethen: sie selbst möchten zuerst, wie viel ihrer seien, unter einander eins werden, Bestimmtes verabreden und feststellen und dann in Betreff dieser Einigung an die Brüder schreiben. Als sich daselbst die Krakauer oder kleinpolnischen Geistlichen besprochen hatten, schrieben sie nach Großpolen, eiligst aber schickten sie an einige Geistliche ihre Gefährten, daß sie sich in Goluchowo beim Herrn Starosten von Radziejow versammeln möchten, um daselbst über diese Union mit den Brüdern zu berathschlagen. Wirklich versammelten sich nun in Goluchowo folgende Geistliche: Pfarrer Georg aus Grät, Pf. Martin (Czechowicz) aus Kurnik, Pf. Andreas (Prażmowski) aus Radziejowo, Pf. Lutomirski aus Konin. Item die von der Krakauer Seite: Pf. Szczesny, Alexander, Gregor (Pauli) und Krowicki. Und zu der Zeit langte bei ihnen auch Sarnicki aus Wittenberg an. Auch Pf. Discordia (Laurentius Discordia Prážnicki) war daselbst. Auf dieser Zusammenkunft wurde Lorenz aus Brzezin zum Predigtamte geweiht. Da hielten sie ein colloquium über mehrere Sachen, und es war zwischen ihnen Streit über die Buße, denn Discordia behauptete gegen Alle, daß der Glaube nicht pars poenitentiae sein könne. Dann einigten sie sich durch die Bemühungen des Bruder Georg Israel dahin, daß der Glaube auch bei der Buße sein solle. Dort fand auch damals eine Einigung des Br. Georg Israel mit dem Pfarrer Andreas aus Radziejowo und mit dem Lorenz aus Brzezin statt, welche darüber böse waren, daß Br. Georg, als er zu Hl. drei Könige die Frau Kaczkowska in die Kirchengemeinschaft aufgenommen und von dem Kirchenregimente gesprochen habe, er ihnen Unordnung vorgeworfen hätte. In Frieden und in christlicher Liebe gingen sie auseinander und empfahlen sich gegenseitig heiliger Fürbitte. Darauf schrieben die Krakauer oder Kleinpolnischen Brüder an die Aeltesten und baten um Union und Gemeinschaft und nun wurde der Termin zu gemeinsamer Versammlung nach Koźminek auf St. Bartholomäus 1555 angesetzt.

 

 

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den 24. Mai 1555 bestimmte Ostrorog als Ort und Zeit der in dieser Absicht von beiden Theilen zu haltenden freundschaftlichen Unterredung. Und das ist die erste der zahlreichen Zusammenkünfte der Akatholiken in Polen, welche die auf der in der Geschichte der polnischen Dissidenten so denkwürdige Synode zu Sendomir 1570 erfolgte Einigung vorbereiteten. Von den Böhmischen Brüdern befanden sich auf der Zusammenkunft in Chręcice die Geistlichen Georg Israel und Johann Rokita. Da sich die Parteien nicht näherten, wurden auf Vorschlag Raphael's

 

 

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Leszczyński eine neue Zusammenkunft noch in demselben Jahre zu Gołuchowo in Großpolen festgesetzt. Auf ihr waren von calvinischen Geistlichen anwesend der schon erwähnte Felix Cruciger, Alexander Vitrelinus, Andreas Prażmowski, Martin Czechowicz, Sarnicki, gerade von seinen Studien aus Wittenberg rückkehrend, Lorenz aus Brzezin, Laurentius Discordia Prażnicki, Gregor Pauli, Krowicki und Lutomirski, von Seiten der Böhmischen Brüder Georg Israel. Auch noch von dieser Zusammenkunft entfernte man sich ohne Verständigung, denn jedes Bekenntniß wollte, nichts von dem Seinigen aufgebend, unbedingt seine Dogmen und Gebräuche aufdrängen. Besonders unterschied man sich in Betreff des Artikels von der Buße, denn Discordia Praznicki behauptete, der Lehre Anderer entgegengesetzt, daß der Glaube kein Theil der Buße sein könne. Israel vermittelte: Glaube solle bei der Buße sein; dahin einigten sich auch alle nach langen Debatten. Auf derselben Versammlung versöhnte sich auch noch Israel mit Prażmowski, dem Senior der helvetischen Kirchen in Kujawien, welcher sich von ihm dadurch gekränkt fühlte, daß er ihm, als sie sich im vergangenen Jahre in Thorn trafen, große Unordnung in den seiner Leitung unterworfenen Kirchen vorgeworfen.

 

 

 

Sechster Abschnitt.

Synode zu Koźminek im Jahre 1555. Geschichte der Böhmischen Brüder bis zur Sandomir'schen Synode anno 1570.

Glücklicher war der Ausfall der zu demselben Zwecke am St. Bartholomäustage zu Koźminek in Großpolen versammelten Synode. Von Seiten der Kleinpolen oder vielmehr der Calviner erschienen auf derselben folgende: Stanislaus Łasocki, Unterkämmerer von Lenczyc, Hieronymus Filipowski, Andreas Trzecieski, Felix Cruciger aus Szczebrzeszyn, Pfarrer in Secymin, Senior der kleinpolnischen Kirchen, Stanislaus Lutomirski, Pfarrer in Konin, Gregor Pauli, Pfarrer in Pelsznica, Martin Krowicki, Pfar. in Włodzisław, Andreas Prażmowski, Senior der helvetischen Kirchen in Kujawien und Pfar. in Radziejowo Laurentius Discordia Prażnicki. Vor Seiten der Böhmischen

 

 

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Brüder: Jacob Ostroróg, Johann Krotowski, damals Kastellan von Włocław, Johann Tomicki, Kastellan von Rogoźno, Adalbert Marschewski, Peter Grudzinski, Johann Niger, Senior der Böhmischen Brüder, Pfarrer in Bolesław in Mähren, Georg Israel, Pfar. in Posen, Mathias Rybak (Rybinius) Pfar. in Kaminiec, Johann Girk, Pfar. in Naidenburg in Preußen, Adalbert Serpentinus, Pfar. in Koźminek. Herzog Albrecht von Preußen sendete zu dieser Synode den Baron von Ronow, Wilhelm Krzynecki, seinen Hofprediger Johann Funk und Hieronymus Małecki. 1) Außerdem fand sich zur Koźminsker Synode auch noch eine Menge vom großpolnischen Adel ein, den die Neugierde oder auch die Theilnahme herbeiführte.

 

Am St. Bartholomäustage um 11 Uhr versammelten sich Alle in der Kirche, und als sie ihre Plätze eingenommen hatten, hielt Johann Niger, Senior der Böhmischen Brüder, an die Versammlung folgende Anrede: „Da wir uns hier großer, sehr wichtiger und nöthiger Dinge wegen versammelt haben, so geziemt es uns, daß wir uns wenden und unsere Zuflucht nehmen zu dem Herrn, unserm Gotte, seinen allerheiligsten Namen um Hilfe anflehend, daß er uns Alle mit seinem heiligen Geiste erleuchten und unsere Herzen ganz seinem heiligen Willen zubereiten wolle." Darauf erhoben sich Alle und sangen das polnische Lied: Duchu Ś. przyjdź k'nam i. t. d. (Komm heiliger Geist, kehr' bei uns ein.) Nach Beendigung des Liedes ergriff Felix Cruciger das Wort, ermahnte die Anwesenden zum Frieden und zur Mäßigung und stellte die Nothwendigkeit, sich gegen den Antichrist 2) zu vereinigen, vor die Augen. Darauf wurde die Sitzung eröffnet, und man begann die Confession der Böhmischen Brüder durchzunehmen. Ueber die Taufe war langer Streit. In den folgenden Sitzungen besprach man sich über verschiedene Glaubensartikel und Ceremonien. Nach vielem Streite, vielen Fragen, Antworten und Erläutern während sieben Sitzungen vereinigten sich die beiden Bekenntnisse durch Felix Cruciger's 3)

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1) Der bekannte Verfasser einiger lutherischen Bücher in polnischer Sprache.

2) Dies war ein Beinamen, den alle polnische Dissidenten den Katholiken gaben.

3) Felix Cruciger von Szczebrzeszyn unterstützte von allen kleinpolnischen Calvinern am eifrigsten die Vereinigung mit den Böhmischen Brüdern; die Synode zu Koźminek erfolgte ganz besonders auf seinen Antrieb. Anno Domini 1555 sagen die Akten dieser Synode in der Fast, um Mariä Verkündigung, schrieb an die Brüder-Aeltesten in Böhmen und Mähren Pf. Szczęsny Cruciger aus Szczebrzeszyn, damals Pastor zu Secymiń. Da er zum Senior unter jenen Predigern und Dienern erwählt worden war, so sendete er dies Schreiben im Namen aller seiner Brüder und bat freundlichst, die Brüder möchten doch hereinkommen, sie besuchen, sie kennen lernen; kurz, sie möchten mit ihnen in heilige Einheit treten."

 

 

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und Filipowski's 1) (er wurde bald darauf Socinianer) Bemühung unter folgenden Bedingungen:

1) die Kleinpolen nehmen die Confession der Böhmischen Brüder an, erkennen ihre Lehre für lauter und rein und geloben derselben getreu zu bleiben;

2) sie versprechen die Liturgie der Böhmischen Brüder in ihren Kirchen einzuführen, wozu ihnen die Böhmischen Brüder durch Gewährung kirchlicher Bücher und durch Zusendung einiger Geistlichen ihres Bekenntnisses behülflich sein werden;

3) sie werden nichts ohne den Beirath der Böhmischen Brüder unternehmen;

4) sie werden ihre von den Senioren der Böhmischen Brüder unabhängige Senioren haben;

5) sie behalten einige kirchliche Gebräuche bei;

6) sie verzichten auf den Zehnten, den sie nach katholischer Sitte entnehmen.

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1) Wichtig ist die Rede, die Filipowski auf dieser Synode hielt, denn sie wirft volles Licht auf die Anfänge der Reformation in Kleinpolen. Ich lasse sie wörtlich folgen: Wisset, geliebte Brüder, daß seit langer Zeit wir nicht geringe Sorge dafür trugen, unter uns eine gewisse Reformation einzuführen und Ordnung festzusetzen, da wir wahrnahmen, wie im Papstthume Alles verderbt und mit großen Sünden und mannigfaltigen Irrthümern besudelt sei. Wir suchten, wo wir die nächste Kirche, das nächste Volk mit wahrhafter Lehre fänden, um uns anzuschließen. Da wir aber Nichts erfragen konnten, mußten wir selber daran gehen. In der Meinung nun, es sei dies nicht anders möglich, als wenn wir einen Vorkämpfer unter uns hätten, wußten wir die Sache nicht anzufangen. Aber Gott schickte es durch seinen hl. Geist, daß Doctor Stancarus, wahrlich ein tüchtiger und gottesfürchtiger Mann, der nicht wenig, ja auch schwere Gefangenschaft, um des heiligen Evangelii willen erduldet hatte, in Polen anlangte. Als dieser überall große Zerrissenheit und auf allen Seiten Verschiedenheit wahrnahm, unterredete er sich mit uns und stellte vor, daß eine Reformation und Verfassung Noth thue. Und da er von Herrn Ostrorog aufgefordert ward, eine Reformation zu schreiben, verfaßte er sie, kam dann mit derselben zu mir und, als ich sie erblickt und mit Fleiß gelesen, gefiel sie mir ungemein. Dann hielt er sich einen Monat oder länger auf meinen Wunsch in Kleinpolen auf. Hier nun kamen alle Priester und wir Grundherren, (die wir nach einer Reformation verlangten) zusammen und lasen diese Stankar'sche Reformation von Anfang bis zu Ende. Auch nahmen wir noch zwei andere Confessionen, die englische und kölnische, vor. Aus ihnen wählten und nahmen wir, was uns das Beste und mit der heiligen Schrift Uebereinstimmende schien, nahmen zu keiner andern Gemeinschaft der Unvollkommenheiten und vielen Theilnahme wegen unsere Zuflucht, ließen uns auch mit eurer Kirchengemeinschaft, von welcher wir, so wie später (und gerade auch jetzt) der vielen über sie zu uns gelangenden üblen Gerüchte wegen keine rechte Kunde hatten, nicht ein. Da wir nichts Besseres zu thun wußten, nahmen wir nach apostolischem Rathe im heiligen Gebete zu Gott unsere Zuflucht und wählten zuerst aus unserer Mitte einen Mann, den Pf. Szczęsny, damit er unter uns Allen den Vorsitz führe (przedność dzierzał) und uns leite, denn wir glaubten, daß wir anders nicht wohl bestehen könnten.“

 

 

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Auf derselben Synode vereinigten sich mit den Böhmischen Brüdern Andreas Prażmowski, Senior des Helvetischen Bekenntnisses in Kujawien; doch nahm er die Liturgie derselben in seinen Kirchen nicht an, sondern behielt theils seine eigene, theils die Helvetische bei.

Während die polnischen Dissidenten an der Vereinigung ihrer Kräfte arbeiten, blieb auch der Posener Bischof nicht unthätig. Er wirkte bei Sigismund August einen Befehl 1) an den General von Großpolen aus, welcher diesem auftrug, alle dissidentische Kirchen in Großpolen zu schließen und ihnen alle religiösen Zusammenkünfte zu verbieten. Dieser Befehl wurde zwar in den Königlichen Städten ausgeführt, stieß aber auf den adligen Gütern auf unüberwindliche Schwierigkeiten; bald hörte er auch in Königlichen Städten auf maßgebend zu sein. In Gemäßheit des Synodalvergleichs zu Koźminek sendeten die Böhmischen Brüder 1556, viele liturgische Bücher nach Kleinpolen ingleichen den Matthias Czerwienka und Georg Israel, die eine Zeit lang in dieser Gegend wohnen blieben und in den kleinpolnischen Kirchen die religiösen Gebräuche der Böhmischen Brüder einführten. Bei alledem war die Vereinigung dieser beiden Bekenntnisse auf der Synode zu Koźminek keine vollständige. Ungern nämlich nahmen die kleinpolnischen Calviner die Gebräuche der Böhmischen Brüder an. Ja, als in demselben Jahre zu Pinczów eine Synode, auf der sich von Seiten der Böhmischen Brüder Matthias Czerwienka, Johann Laurentius und Johann Cielecki befanden, zusammengetreten war, erklärten sie ohne Umschweife, daß ihnen die Confession der Böhmischen Brüder nicht gefalle. In den Vorschlägen zu dieser Synode stellten sie auch den: man möge ein anderes Glaubensbekenntniß, und nicht dies Böhmische, in die polnische Sprache übersetzt vorlegen; wenn auch in anderer Ordnung und in andern Worten, so doch in demselben Sinne. Sie solle ihren eigenen Titel haben, nämlich: Confession der christlichen Kirchen in Polen und von den Brüdern oder von den Piccarden da solle keine Erwähnung geschehen, damit diese Confession dieses schimpflichen Zunamens wegen nicht verhaßt werde und hieraus nicht irgend welche Verfolgung erwachse." Besonders mißfiel den Kleinpolen in der Böhmischen Confession der Artikel vom

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1) Diesen Befehl, aus dem Grodarchive zu Posen entnommen, habe ich in den Nachrichten von den Dissidenten in der Stadt Posen mitgetheilt.

 

 

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Cölibat; sie wollten ihn also verwerfen. 1) Auch war Streit über das Abendmahl und über andere Artikel. Diese Zwistigkeiten vermehrte ein an die Synode gesendeter Brief Lismanini's, welchen damals auf Verlangen der Kleinpolen Calvin aus Genf zur Einrichtung der Kleinpolnischen Kirchen nach Polen absandte. Der Hauptinhalt des Briefes war: „die Kleinpolen möchten Calvin zur Reformirung ihrer Kirchen berufen; sie möchten keine Confession ohne erfolgte Durchsicht und ohne Urtheil der Helvetischen und Savoyer Kirchen, desgleichen nicht ohne Durchsicht Peter Martyr's und Lismanini's zu Tage fördern." - Auf das Verlangen Lismanini's gingen die Kleinpolen ein, ohne in dieser Beziehung Rath bei den Böhmischen Brüdern einzuholen. Auch auf Johann Laski, 2) den Reformator ausländischer Kirchen richteten die Kleinpolen ihr Augenmerk und beschlossen, auf derselben Synode ihn in's Land zu rufen, ob er nicht vielleicht noch etwas Besseres, als die Confession der Böhmischen Brüder sei, zusammenschmiede. Ein solches Verfahren der kleinpolnischen Calviner regte die Böhmischen Brüder auf, und schon war man nahe daran, den auf der Synode zu Koźminek zwischen diesen beiden Bekenntnissen geschlossenen Bund zu zerreißen, hätten sich dem nicht einige kleinpolnische Herren, welche in lebhaften Farben der Synode die Nothwendigkeit einer Vereinigung der Kräfte gegen den gemeinsamen Feind vorstellten, widersetzt. Und so verließ man nach langem Gezänke die Synode mit Plänen neuer Zusammenkünfte, indem man die Sache selbst in der Schwebe ließ.

 

Im folgenden Jahre (1557) hielten die Kleinpolnischen Calviner wieder eine Synode in Włodzisław ab. Durch Stanislaus Lutomirski und Stanislaus Sarnici zu derselben eingeladen, schickten die Böhmischen Brüder auf dieselbe aus Großpolen ihre Geistlichen, den Br. Czech, und den oben erwähnten Laurentius, nachdem sie ihnen eine ausführliche Instruction über ihr Verhalten auf der Synode gegeben hatten. Diese begaben sich nach Włodzisław über Krakau und Pełsznica, wo sie sich mit dem bei Stanislaus Lasocki verborgenen Lismanini besprachen. Als sie in Włodzisław anlangten, fanden sie die Synode bereits eröffnet (am 15. Juni 1557) und legten, nachdem sie zugelassen worden, eine Beschwerde folgenden Inhalts vor: die

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1) Ueber den Cölibat oder ledigen Stand zogen sie saure Gesichter; das sei nichts; die Ehe empfahlen sie sehr; der ledige Stand, meinten sie, sei gefährlich und fast eine Ketzerei.”— Laurentius in der Beschreibung dieser Synode.

2) Auf derselben Synode beschlossen sie (die Kleinpolen) auch, den Herrn Laski brieflich zu berufen, und sollte ihnen Gott denselben zum Aeltesten geben, so würden sie dies gern sehen. Laurentius: l.c.

 

 

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Kleinpolen hätten, der zu Koźminek mit den Böhmischen Brüdern eingegangenen Uebereinkunft zuwider, den Lismanini aus Genf herbeigeholt, daß er ihre Kirchen reformire; sie hätten die jener Uebereinkunft gemäß ihnen von den Böhmischen Brüdern zugesendeten Agenden, Gesangbücher und dgl. kirchliche Bücher nicht gebraucht; sie hätten die bei den Brüdern üblichen Gebräuche und kirchlichen Ceremonien in ihren Kirchen nicht eingeführt, u. s. w. Endlich fragten sie die Kleinpolen unumwunden: ob sie die auf der Synode zu Koźminek aufgestellte Vereinigung halten wollten oder nicht? Die Kleinpolen entschuldigten sich der ihnen von den Böhmischen Brüdern gemachten Vorwürfe wegen, indem sie die Schuld theils auf die Kürze der Zeit, theils auf das Zusammentreffen von Umständen schoben, die eine genaue Erfüllung des Koźmineker Vertrags erschwert hätten; endlich bezeugten sie, daß sie an ein Zerreißen der Union weder dächten, noch gedacht hätten, daß sie im Gegentheil neuerdings auf dieser Synode vor der Ankunft der Böhmischen Brüderdeputirten einstimmig die Vereinbarung mit den Böhmischen zu Koźminek bestätigt hätten. Auf dieser Synode wurde noch, außer Beschlüssen von minderer Wichtigkeit, auf den Rath Johann Laski's, welcher nach mehrjährigem Herumirren in verschiedenen Ländern Europas in diesem Jahre ins Vaterland zurückkehrte, festgesetzt, daß noch vor dem nächsten Reichstage die zahlreichen Kirchen Augsburg'scher Confession in Großpolen zur Vereinigung mit den Böhmischen Brüdern und dem helvetischen Bekenntnisse eingeladen werden sollten. 1) Jabloński erzählt, daß der Erfolg dieser Aufforderung unbekannt sei. Aber aus den Schwierigkeiten, welche später das helvetisch-böhmische Bekenntniß bei derartiger Verständigung mit den Lutheranern trotzdem, daß man den Senior der lutherischen Kirchen in Großpolen, Erasmus Gliczner, für sich gewonnen hatte, erfuhr, kann man mit einiger Gewißheit schließen, daß die Lutheraner damals noch sehr fern waren von der verabredeten Vereinigung mit dem helvetisch-böhmischen Bekenntnisse. Die Deputirten der Böhmischen Brüder, durch die Antwort der Kleinpolen zufrieden gestellt, überbrachten ihren Aeltesten aus Włodzisław Briefe von Johann Laski und Felix Cruciger, welche freundliche und ein stetes

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1) Dann: wir möchten uns auf den Reichstag vorbereiten, den der polnische König abhalten werde. Auch möchte es vorher noch für die Brüder gut sein, mit den Lutheranern in Großpolen ein Colloquium abzuhalten, um sie zur Union mit uns zu bewegen; so solle man sich einmüthig insgesammt gegen die Päpstlichen stemmen und den König um Freiheit für's Evangelium bitten. Herr Laski sprach viel zur Empfehlung dieser Union oder Einheit etc. Acta dieser Synode.

 

 

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Bleiben an der mit den Böhmischen Brüdern eingegangenen Union zusichernde Worte enthielten.

 

Die Böhmischen Brüder gewannen im Verlaufe einiger Jahre so viele Anhänger in Großpolen, daß schon im Jahre 1557 sie über 30 Kirchen in der Wojewodschaft Posen, Kalisz und Sieradź zählten. Viele Böhmische Familien und besonders fast alle Geistlichen der Böhmischen Brüder, die im herzoglichen Preußen einen Zufluchtsort fanden, siedelten nun nach Großpolen, wo sie inmitten ihrer Stammverwandten und nun großentheils Glaubensgenossen Ruhe und Sicherheit, die sie vergebens in Preußen suchten, fanden, über. Der größte Theil des großpolnischen Adels ging zum Bekenntnisse der Böhmischen Brüder über; Städte und einige Städtchen, als: Posen, Lissa, Lobsens, Schocken, Ostrorog, Chocz, Barcin, Stawiszyn, Lutomirz u. s. w. waren mit Bekennern dieser Lehre angefüllt. Es wurde daher eine besondere Hierarchie der Böhmischen Brüder für diese Provinz nothwendig. Bisher hatten sie von den Senioren dieses Bekenntnisses in Böhmen und Mähren abgehangen. Die Geistlichen und der sich zu dieser Lehre bekennende großpolnische Adel, wollten ihre eigenen Senioren haben. In dieser Absicht begaben sich Jacob Ostrorog und Raphael Leszczyński auf die in diesem Jahre nach Slezany in Mähren einberufene Synode der Böhmischen Brüder. Die Synode nahm die polnischen Herren freundlich auf, willigte in ihr Begehren und setzte einen Senior für Großpolen ein. Georg Israel, der den größten Theil der Böhmischen Brüderkirchen in dieser Provinz gründete und viel andere wichtige Dienste seinem Bekenntnisse leistete, wurde erster Senior. 1)

In demselben Jahre noch (1557) beschlossen die kleinpolnischen Calviner mit den Böhmischen Brüdern in Großpolen zu Gołuchowo am 16. Oktober 2) eine Synode abzuhalten. Zweck dieser Zusammenkunft sollte die Beseitigung aller Hindernisse sein, welche bisher einer engen Vereinigung dieser beiden Bekenntnisse im Wege gestanden. Zu derselben lud Felix Cruciger aus Szczebrzeszyn, Senior der kleinpolnischen Kirchen, die Senioren der Böhmischen Brüder ein. Zur festgesetzten Zeit reisten nach Chodecz in der Kalisch'en Wojewodschaft von Seiten der Böhmischen Brüder: Paul Drzewinski, Johann Laurentius, Georg

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1) Węgierski: Slavonia reformata.

2) Anno Domini MDLVII. um St. Jacobi sendeten die Evangelischen in Kleinpolen Briefe an die Brüder nach Mähren und verlangten in ihnen, daß von den Aeltesten Johann Niger oder Matthias Czerwienka persönlich auf ihre Synode nach Goluchowo in Großpolen am Matthäustage wichtiger Sachen wegen kämen etc." Acta über diese nicht abgehaltene Synode.

 

 

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Israel und Johann Rokita, mit Instruktion versehen. Diese Instruktion lautete wörtlich also:

1. der Gegenpart soll auf Fragen nur nach vorhergegangener einmüthiger, gemeinschaftlicher, allseitiger Berathung und Beschlußnahme geantwortet worden. Wichtige Sachen müssen zu einer allgemeinen Besprechung darüber ausgesetzt werden.

2. Sollten sie nach Beleuchtung einiger Artikel fragen, so ist ihnen zu antworten, daß schon früher in Koźminek ihnen Allen genügt und Alles erläutert worden sei.

3. Sollten sie sich auf irgend welche Spitzfindigkeiten einlassen wollen, so habt ihr sie bestens damit abzufertigen, daß ihr dazu nicht abgeschickt wäret.

4. Sollten sie etwas in Betreff des Vergleichs oder der ersten Feststellung und Annahme unserer Lehre abändern oder vornehmen, so ist ihnen zu sagen, daß ihr gar keinen Auftrag hättet, mit ihnen irgend welchen Vergleich gegen die Union von Koźminek einzugehen.

5. Sollten sie um Rath fragen in Betreff ihrer Verbindung und Vereinigung mit den Lutheranern, so habt ihr dazu nichts zu rathen, aber zu erklären, daß es gut wäre, wenn sie selbst vorerst in der mit uns geschlossenen Union sich befestigen wollten und daß wir keiner andern Vereinbarung mit den Lutheranern außer der Wittenberger und Königsberger bedürfen.

 

Von Seiten der Kleinpolen erschien Niemand; erst nach einigen Tagen schickten sie ihnen Briefe zu und setzten auseinander, aus welchen Gründen sie nicht kommen könnten. 1) Diese

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1) Die Abgeordneten der Brüder: Br. Georg Jsrael, Br. Paul Drzewiecki, Br. Johann Laurentius, B. Johann Rokita reisten zur bestimmten Zeit nach Chocz zur Goluchower Synode. Hier warteten sie einige Tage auf die kleinpolnischen Evangelischen und schickten auch nach Gołuchowo, um zu erfahren, ob sie schon angekommen wären. Am Sonntage nach St. Gallus langte ein Bote Namens Malcher mit Briefen von den Evangelischen aus Pinczom an und berichtete, daß für jetzt die Aeltesten der Evangelischen nicht kommen würden. Es führte aber der erwähnte Bote Malcher seine Gesandtschaft in der Art aus: Zuerst bat er, man möge ihm nicht übel nehmen, daß er allein gekommen sei, um diese Sache zu erledigen. Sein Gefährte, Pfarrer Martin Krowicki nämlich, der mit ihm zugleich zur Ausführung dieser Botschaft entsendet worden sei, hätte, da er auf dem Wege erkrankt sei, nach Hause zurückkehren müssen. Dann übergab der Botschafter Briefe vom Pfarrer Szczęsny und vom Herrn Laski, die gelesen wurden. Als man die Briefe gelesen hatte, wurde der Botschafter Malcher gerufen und gefragt: ob er noch etwas mitzutheilen habe? Nun nannte er die in den beiden Briefen verzeichneten Punkte und erklärte sie deutlicher. Die Ursachen ihres Nichtkommens sind diese:

1. daß gleich wie der heilige Geist St. Paulo nicht verstattet habe, nach Asien und Bithynien zu gehen, so habe auch uns, die wir fast auf dem Wege waren, der Herr dadurch verhindert, daß Herr Laski schwer erkrankte;

2. derselbe Laski sei nicht wenig in seinem Geiste deshalb besorgt und betrübt, daß er noch keinen bestimmten Ort als Wohnung habe, wo er sich mit seinen Hausgenossen bergen könne;

3. daß er häufig zu einzelnen Herren reisen möchte, denen er Christum predige und zu Herzen führe. Grade jetzt auch sei er zum Herrn Tarnowski gereist, von dem er berufen worden sei, um Auskunft zu geben über seine Meinung vom Abendmahl und der Schrift, die er schon darüber verfaßt habe u. s. w. cf. Acta dieser nicht gehaltenen Synode.

 

 

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Briefe waren von dem so oft schon erwähnten Felix Cruciger und von Johann Laski. Als Hauptgrund ihres Nichterscheinens auf der verabredeten Zusammenkunft gaben die Kleinpolen die Krankheit Johann Laski's an, ohne den sie nichts anfangen wollten und ladeten die Böhmischen Brüder zu einer Zusammenkunft nach Pinczow ein. Diese entschuldigten sich aber damit, daß sie zu dieser Reise von ihren Aeltesten keine Vollmacht hätten und mit Mangel an Zeit. Nachdem sie nun auf die Briefe Cruciger's und Laski's geantwortet hatten, verließen sie Chodecz und besuchten einige Gemeinden der Böhmischen Brüder in Großpolen. Als sie in dieser Absicht nach Tomice, dem Besitzthume des Johann Tomicki, bei dem Städtchen Buk liegend, kamen, fanden sie bei ihm Lismanini, mit dem sie ein langes Gespräch 1) über verschiedene Glaubens-Artikel hatten. Eine Folge dieser Unterredung war, daß Lismanini mit Genehmigung der Böhmischen Brüder ihre Confession Johann Calvin, Wolfgang Musculus, Peter Viret und Heinrich Bullinger, welche ein eben nicht sehr schmeichelhaftes Urtheil 2) über dieselbe (1560) an denselben Lismanini sandten, zur Prüfung vorlegte. Dieser ließ solche unter den Geistlichen und dem kleinpolnischen Adel zirkuliren und so erwuchs eine neue Schwierigkeit in Bezug auf die enge Vereinigung der Böhmischen Brüder mit dem helvetischen Bekenntnisse.

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1) Nach Beendigung dieser Angelegenheiten und Abfertigung des kleinpolnischen Botschafters besuchten die abgeordneten Brüder einige Gemeinden in Polen, auch Herrn Johann Tomicki, bei welchem damals noch Doctor Franz Lismanini war. Seit langer Zeit hatte dieser den Wunsch, sich über einige Artikel in der Confession und Apologie der Brüder auszusprechen, er bat daher die Abgeordneten, daß er mit ihnen auf freundschaftliche Weise sich besprechen könne und über jene Punkte Auskunft erhalte. Da die Brüder einsahen, daß sein Wunsch ein billiger sei, gaben sie ihm Raum und besprachen sich mit ihm. cfr. Acta dieser Angelegenheit.

2) Bullinger sagt z. B. in dem Briefe an Lismanini über dieselbe: „Quid sentiamus de Confessione Valdensium impressa sub vel cum commendatione D. Lutheri, dudum cum apud nos esses tibi diximus. Nos illam per omnia commendare non possumus etc."

 

 

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Dennoch gebot die damalige Lage der kleinpolnischen Calviner, die mit den Böhmischen Brüdern in Koźminek 1) eingegangene Union nicht zu zerreißen, im Gegentheil beriefen dieselben zu ihrer größern Befestigung eine neue Synode zum 15. September 1560 in das Städtchen Książ in Kleinpolen, der Familie Bonar 2) gehörig. Die zu dieser Synode eingeladenen Böhmischen Brüder sendeten Johann Laurentius und Johann Rokita. In Książ versammelten sich mehr als 50 Geistliche und ungefähr 40 Personen von dem angeseheneren kleinpolnischen Adel. Den Vorsitz auf derselben führte Ossolinski. Man berieth sich über Einführung eines Regiments für die Kirche in Kleinpolen, über angemessene Besoldung der Kirchendiener und über Zeitbestimmung der Synoden. Verdammt wurde die Lehre Stancar's, in dem Besuche de Mediatore enthalten, auch gab Stanislaus Silnicki Auskunft über seine seitens der Kleinpolen erfolgte Sendung an Calvin. Darauf wurden nach einander die Gesandten von Nikolaus Radziwiłł, Wojewoden von Wilno, von den litthauischen, von den podolischen, von den lutherischen Kirchen in Großpolen, von den Kirchen im Fürstenthum Zator und sogar die Gesandten der lutherischen Kirchen in Schlesien 3) vorgelassen. Lismanini verlangte auf ihr Versorgung.

 

Von den Verhältnissen zu den Böhmischen Brüdern war während der ganzen Dauer der Synode gar keine Rede, man holte nur bei ihren Abgeordneten in Betreff der Einführung eines Kirchenregiments Rath's ein und besprach sich mit ihnen,

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1) Dieser Synode ging noch eine Zusammenkunft der Kleinpolen mit den Böhmischen Brüdern in Lipnik 1558 zu demselben Zwecke voran. Von Seiten der Kleinpolen waren auf derselben Hieronymus Filipowski und Stanislaus Sarnicki.

2) Um diese Zeit fingen Gonesius und Andere an, Viele in Kleinpolen vom helvetischen Bekenntnisse loszureißen.

3) Erstlich entledigte sich seiner Botschaft Doctor Blandrata, welcher früher von den Kirchen zum polnischen Könige und zum Herrn Radziwiłł, Wojewoden von Wilno, war entsendet worden. Der Doctor berichtet durch einen Dolmetscher, denn er kann nicht polnisch, daß der König von den polnisch-evangelischen Kirchen gnädig die Begrüßung aufgenommen und ihre Gottesfurcht gelobt habe, auch ihnen von Gott alles Gute wünsche und erflehe; daß Herr Radziwiłł, Wojewode von Wilno, ganz besonders seine Willfährigkeit und christlichen Dienste zusichern lasse und außerdem auch einen Brief gesendet habe, der sofort in der Synode gelesen wurde; daß er der kleinpolnischen Kirche 1600 Thaler sende zur Unterstützung der Schule und Erhaltung Armer, sowie auch für die Mühe, daß sie einen Theil der Bibel übersetzt habe, daß er Uebersetzung und Druck der polnischen Bibel zu besorgen übernehme und daß er die Auslagen und Kosten dafür machen wolle etc. Und so wurden die Gesandtschaften aus Reussen, Podolien, von der ungarischen Grenze, aus Großpolen der Reihe nach gehört und angenommen u. s. w. Acta dieser Synode.

 

 

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ob man gemeinschaftlich mit den großpolnischen Lutheranern behufs des Heranziehens derselben zu einer Union mit ihnen und dem helvetischen Bekenntnisse in Kleinpolen, zum 1. November l. J. in Posen eine Synode abhalten solle. Uebrigens wurde die Synode mit großem Lärmen abgehalten und glich mehr einem stürmischen Landtage als einer ruhigen Berathung in Glaubenssachen. Nach der Synode kehrten die Abgeordneten der Böhmischen Brüder nach Hause zurück über Secymin, wo sie Felix aus Szczebrzeszyn freundlich aufnahm, ihnen mit allen Kräften an Befestigung der Koźminker Union zu arbeiten versprach und die Abgeordneten inständig bat, sie möchten, was sie mit Aerger geschaut hätten, als Brüder in Christo mit Stillschweigen verdecken. 1)

 

Der Uebereinkunft auf der Synode zu Książ gemäß hielten die Böhmischen Brüder und großpolnischen Lutheraner eine Synode in Posen ab am 1. November desselben Jahres. Zu derselben versammelten sich viele vom Adel und die Geistlichen aller akatholischen Bekenntnisse aus Groß- und Kleinpolen; dennoch kam die Vereinigung mit den Lutheranern nicht zu Stande, denn der berühmte Flaccus Illiricus hatte noch im Jahre 1558 einen gewissen Slawianin entsendet, der Unfrieden zwischen die dissidentischen Bekenntnisse säend, jede Annäherung derselben aneinander erschwerte. Nicht weniger Hindernisse legte auch Morgenstern, lutherischer Prediger zu Thorn, in den Weg, und diesem Morgenstern ist es hauptsächlich zuzuschreiben, daß die Vereinigung der polnischen Dissidenten sich bis zum Jahre 1570 hinschleppte. 2)

 

Nach der Posener Synode hielten die Kleinpolen am 16. Juni 1561 zu Bużenin, einem zwei Meilen von Sieradz entfernten Städtchen, eine Versammlung ab. Severin Bonar, Stadthalter von Krakau und Hieronymus Bużeński ladeten im Namen der helvetischen Kirchen die Böhmischen Brüder durch Johann Krotowski, Wojewoden von Inowracław, zu derselben ein. Von Seiten der Böhmischen Brüder begaben sich auf diese Synode die Geistlichen Paul Drzewiński, ein gewisser Zacharias, Johann Laurentius und Johann Rokita, desgleichen vom großpolnischen Adel: Jacob Ostrorog, Stanislaus Lipski, Johann Zerosławski und Stanislaus Zbikowski. Von Seiten der Kleinpolen befanden sich auf ihr, außer Andern, Hieronymus Filipowski, Lasocki, Felix aus Szczebrzeszyn und Stanislaus Sarnicki. Die Kleinpolen hatten die Confession der Böhmischen

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1) Acta dieser Synode.

2) Es ist dies von der politischen Vereinigung der Lutheraner mit den Böhmischen Brüdern und Calvinern zu verstehen; von einer religiösen war nicht einmal nach der Synode von Sendomir 1570 die Rede.

 

 

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Brüder ins Polnische überfekt, aus ihr ganz und gar den Artikel vom Cölibat ausgemerzt, hier und da kleine Aenderungen gemacht und verlangten nun auf dieser Synode, die Böhmischen Brüder möchten diese Uebersetzung gut heißen. Nach langer, einige Sitzungen hindurch dauernder (sorgfältiger) Prüfung dieser Uebersetzung, verwarfen ihn die Böhmischen Brüder. Dennoch entsprach die Synode zu Bużenin unter allen bisher in dieser Absicht abgehaltenen am meisten dem Zwecke. Die Kleinpolen schlossen auf ihr mit den Böhmischen Brüdern den letzten die Union zu Koźminek vom Jahre 1555 bestätigenden Vergleich. 1) Streitige Fragen über Gegenstände von minderer Wichtigkeit verschob man auf eine zukünftige freundschaftliche bezügliche Unterredung.

 

Während die Böhmischen Brüder so glücklich ihre Angelegenheiten mit den kleinpolnischen Calvinern abwickelten und

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1) Dieser Vergleich lautet wörtlich wie folgt: „Verhandlung, geschehen zwischen den Brüdern aus Groß- und Kleinpolen, anlangend die Union der Kirchen oder christlichen Gemeinden. Anno Domini 1561. Die 16. Junii.

1. Articulus, de Confessione uniformi habenda in utraque Polonia. Da es sich darum handelt, daß die Brüder diese Böhmische Confession, welche sie illustrirten und in Böhmischer Sprache drucken ließen, jetzt in's Polnische übersetzen sollen, so werden sie dieselbe übersetzt ad revisionem den Predigern, die in Kleinpolen sind, vorlegen und sodann gemeinschaftlich herausgeben.

2. Von der Aufnahme in die Kirche Gottes.

Da wir inmitten päpstlicher Täuschung und anderer verirrter Menschen leben, ist es nöthig, daß die Leute mit großem Fleiße aufgenommen werden, so zum Erlernen des Catechismus, als auch noch mehr zum Genusse des Sacraments, mit dem Hinzufügen, daß nicht nöthig de verbo ad verbum zu gebrauchen, jene Vorschriften bei der Aufnahme, nur essentialia und besonders die Frage nach dem Glauben, der Verpflichtung, dem Glaubensbekenntnisse, der Lossagung vom Papstthume und der Sünde, und dem völligen Zutritte zur Kirche Gottes, und das deswegen, damit die Leute desto lebhafter das Recht und die Bedingung fühlen, nach welchen sie in die Kirche Gottes treten.

3. Vom Abendmahle des Herrn.

Gelesen wurde der Reces des Lipniker Colloquii de Coena Domini, welcher den kleinpolnischen Geistlichen in Sipnik übergeben worden. Auch wurde der aus der Confession in's Polnische übersetzte Artikel verlesen. Und weil beide Schriftstücke übereinstimmen, so soll nach Bekenntniß und Sinn beider in den Kirchen gelehrt werden.

4. Von den Ceremonien und dem kirchlichen Verfahren.

In Betreff der Ceremonien und der kirchlichen Gebräuche einigte man sich von beiden Theilen dahin, daß in bedeutenderen Sachen nur unter gemeinsamer Zustimmung solle geändert werden; man möge aber bei den Gebräuchen, welche in den ansehnlichsten Kirchen üblich seien, verharren. Und wo etwa unter gemeinsamer Zustimmung etwas geändert oder eingeführt würde, da solle man bei Zeiten die Leute darüber belehren und verwarnen, um irgend welches Aergerniß zu verhüten.“

Akten dieser Synode.

 

 

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den Lutheranern die Hand reichten, ereigneten sich in ihrem eigenen Hause, in Großpolen, Dinge, welche auf dieser Seite für die Zukunft der Reformation mächtige Hindernisse entgegen stellten. Martin Zborowski, Wojewode von Posen, ein großer Freund der Reformation, rückte 1561 in die krakauer Kastellanschaft ein, und Andreas Kościelecki, der Bruder von Janusz, ein Hauptfeind der Dissidenten, erhielt nach ihm die Wojewodschaft Posen. Andreas Czarnkowski, Bischof von Posen, der sich überzeugt hatte, daß durch offene Verfolgung er den schon sehr ausgebreiteten, neuen christlichen Bekenntnissen in seinem Sprengel einen Damm entgegenzusehen nicht im Stande sei, nahm jetzt zu andern, wirksameren Mitteln seine Zuflucht: zur Verbesserung der öffentlichen Jugenderziehung, zu milder Ueberredung und dazu, von der Kanzel herab die Gemüther für die Kirche zu gewinnen.

 

In dieser Absicht berief er an die von seinen Vorgängern sehr vernachlässigte Posener Schule zwei berühmte Professoren und Schüler der Krakauer Universität: den Benedict Herbest und Gregor Samborczyk. Der Priester Bembus, ein Jesuit, spricht in der Leichenpredigt für Adam Sędziwoj Czarnkowski, den General von Großpolen, also hierüber: „Obenan muß genannt werden, Andreas Czarnkowski, ein Mitschüler jenes, ewigen Gedächtnisses würdigen, Cardinals Hozyusz, ein Mann von hoher Gelehrsamkeit und Thatkraft, der ehrenvolle Gesandtschaften vom Könige Sigismund August an den heiligen Vater und Karl V., den christlichen Kaiser, ausführte und das Posener Bisthum inne hatte. Und das gereicht ihm bei Gott, zum unsterblichen Verdienste, bei den Menschen zum Ruhme, daß, als zu seiner Zeit das neue Evangelium in Deutschland zum Vorschein gekommen, in Polen wie ein plötzliches Feuer ausbrach und sich breitete und mit rascher und gewaltiger Gluth großen Schaden in den Seelen der Menschen anzurichten begann, er, der gottselige und wachsame Hirte, um den plötzlichen und schädlichen Brand sobald als möglich zu hemmen und zu löschen, von der berühmten krakauer Universität zwei gelehrte und musterhafte Professoren, den Benedict Herbest und Gregor Samborczyk nach Posen berief, die in dem Lubrański'schen Collegium, das um jene Zeit fast wüste lag, die großpolnische Jugend wieder sammelten, übten, für den katholischen Glauben gewannen und den neuen Predigern kräftigen Widerstand leisteten. Einer von ihnen, der Priester Herbest, hielt in der Pfarrkirche zu Posen gelehrte und feurige Predigten, entmuthigte die Ketzerei, die in der Stadt einen mächtigen Aufschwung genommen hatte, nicht wenig, und stärkte und befestigte die Katholiken.“

 

 

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Herbest täuschte die Hoffnung Czarnkowski's nicht. Unverzüglich ging er daran, die Lubrański'sche Schule in Ruf und Aufnahme zu bringen; er ließ zwei seiner Brüder, Johann und Stanislaus, nicht minder berühmt als er, als Lehrer nach Posen kommen. Der Ruf, den er sich durch seinen Unterricht in Krakau erworben, gewann ihm auch hier viele Schüler und unter diesen viele aus den ersten großpolnischen Häusern. Welch' schädlichen Einfluß aber dies auf die Reformation in Großpolen hatte, wäre überflüssig zu beweisen. Ich sage nur, daß bei der wissenschaftlichen Bildung der Schüler Herbest nicht verabsäumte, sie zu guten Katholiken zu machen. Und so richtete wunderbarer Umschwung der Dinge! dieselbe Schule, welche vor 30 Jahren unter der Regierung Sigismund I., zu einer Zeit als die Herrschaft des Katholizismus allgemein war, so viel Abtrünnige von der römischen Kirche lieferte, dieselbe Schule, sage ich, richtete unter der Herrschaft Sigismund August's, zu einer Zeit als die Dissidenten überwogen, ja die Oberhand hatten, den sich in dieser Gegend zum Untergang neigenden Katholizismus durch ihre Schüler in die Höhe. Einige von ihnen, so S. Reschka, Johann Brant, ein berühmter Jesuit, und andere, leisteten durch Wissenschaft; andere, so die Czarnkowski, Opaleński, durch ihr Ansehen und ihre Gunst, der katholischen Kirche in Polen nahmhafte Dienste.

 

Herbest's Berufung nach Posen war Czarnkowski's letztes Werk. Sein Tod erfolgte im Jahre darauf (1562). Die Wahl Adam Konarski's auf den posener Bischofssitz und die Anstrengungen Johann Przerębskis 1), des Erzbischofs von Gnesen, zur Ausrottung der religiösen Neuerungen 2) in Großpolen hielten keinesweges den Fortschritt der Reformation in dieser Provinz auf. Denn grade in dieser Zeit eröffneten die Böhmischen Brüder und auch die Lutheraner einige neue Kirchen in Großpolen, und außerdem beschäftigten sich die Böhmischen Brüder, frei von Furcht vor Verfolgung, unbehindert mit Einführung ihrer Kirchenordnung und damit, liturgische Bücher und ihre Konfession 3), der mit den Kleinpolen zu Bużenin getroffenen Verabredung gemäß, in's Polnische zu übersetzen. Als sie dieselbe beendigt hatten, sendeten sie dieselbe mit folgendem Schreiben an die

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1) Die Bischöfe von Kujawien, Drojewski und nach ihm Uchański, gaben sich nicht die geringste Mühe, die Reformation aufzuhalten.

2) „Fidei vindex acerrimus, sed haeresis . . . manum praesulis continuit.“ Rzepnicki: Vitae Praesul. Polon.

3) „Anno Domini 1562 zur Fastnacht schickten die Brüder ihre in's Polnische übersetzte Confession an die kleinpolnischen Brüder, um sie lesen und, falls sie dieselbe zur ihrigen annehmen wollten, sie gemeinschaftlich drucken lassen zu können." Archiv der Böhmischen Brüder in Lissa.

 

 

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Kleinpolen: „Ohne Zweifel gedenket Ihr der Erwähnung unserer Confession (bei unserer Unterredung mit Euch in Bużenin), daß die Aeltesten sich dem unterziehen, mit Fleiß diese Confession durchzusehen und wo etwas hinzuzufügen nöthig erscheine, in Einmüthigkeit es zu thun. Die also bewerkstelligte ließen sie drucken. Als Ihr dies von uns hörtet, fordertet Ihr, die so zugerichtete Confession möge aus der böhmischen Sprache in die Polnische übersetzt und Euch zugeschickt werden. Da wir nun, lieben Brüder, dieses Euren Wunsches und Eurer Bitte gedachten, trugen wir Sorge dafür, solches zu erfüllen. Und so senden wir Euch die in's Polnische übersetzte Confession, wie es bei dem Mangel an Uebersetzern geschehen konnte, um dieselbe durchzulesen und sodann an uns zurückzuschicken. Theilet uns dabei Eure Ansicht und Euer Gutachten darüber so bald als möglich mit, denn wir sollen sie den Aeltesten gleich nach Ostern zur Durchsicht zusenden, bevor sie zum Druck gegeben wird." Felix Cruciger aus Szczebrzeszyn empfing diese Uebersetzung und versprach sie der Prüfung von Senioren der kleinpolnischen Kirchen vorzulegen. 1)

 

Während nun die Kleinpolen sich Mühe gaben, Kirchengemeinschaft (Union) mit den Böhmischen Brüdern anzuknüpfen, entstanden unter ihnen selbst Uneinigkeiten und Mißverständnisse in den hauptsächlichsten Artikeln des christlichen Glaubens. Gregor Pauli 2), erst Pfarrer zu Pelschnica, später in Krakau, verwarf die Lehre von der heiligen Dreieinigkeit, fiel vom helvetischen Bekenntnisse ab und gewann viele, und unter ihnen den Hieronymus Filipowski, als Anhänger seiner Lehre. Sarnicki, ein eifriger Calviner, begab sich auf den im Januar 1563 zu Piotrkow berufenen Reichstag und warnte die treu an dem helvetischen Bekenntnisse haltenden kleinpolnischen Herren vor der den kleinpolnischen Kirchen drohenden Gefahr. Man beschloß eine Synode nach Krakau zum 14. Mai ej. a. in der Absicht zu berufen, um Pauli zum helvetischen Bekenntnisse zurückzuführen und der weitern Ausbreitung seiner Lehre, die in Kleinpolen viele Anhänger gefunden hatte, vorzubeugen. Johann Firlej, Wojewode von Lublin, Stanislaus Myszkowski, Starost von Marienburg; Ludwig Decius, Joachim Lubomirski, von Seiten

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1) „Der Brief mit der versiegelten Confession wurde mir durch einen Unterthan des Herrn Ostrorog übergeben. Die Confession wird erst entsiegelt werden, wenn sich alle Senioren versammelt haben werden. Die Versammlung aber findet im März (1562) statt.“ Aus einem Briefe Felix Crucigers aus Szczebrzeszyn.

2) Ueber Gregor Pauli aus Brzezin findet der Leser Auskunft in Lauterbach's Ariano-Socinismus, bei Bock, Lubieniecki, Friese u. s. w., am ausführlichsten in der 1. Nr. der Rozmaitości naukowych krakowskich von Ossolinski.

 

 

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des kleinpolnischen Adels; Stanislaus Sarnicki, Jacob Sylvius, Paul Gilowski, Laurentius Prażnicki und Andere, von Seiten der kleinpolnischen Geistlichen, luden die Böhmischen Brüder aus Großpolen, als Betheiligte, auf dieselbe ein. Indessen konnten die Böhmischen Brüder in Großpolen diese Einladung nicht annehmen, denn zu derselben Zeit hielten ihre Glaubensgenossen in Mähren eine Synode, zu welcher sie einige ihrer Geistlichen abordneten. 1) Sobald jedoch diese aus Mähren zurückkehrten, schickten die Böhmischen Brüder Georg Israel und Johann Laurentius an die Kleinpolen ab. Als diese in Krakau angelangt waren, hielten sie sofort im Hause Filipowski's eine Disputation mit den Tritheisten. 2) Von Seiten des helvetischen Bekenntnisses und der Böhmischen Brüder waren dabei anwesend: Stanislaus Sarnicki, Spytek Jordan, Wojewode von Sendomir, Andreas Myszkowski, so wie eine ansehnliche Zahl vom kleinpolnischen Adel und von Einwohnern Krakaus; von Seiten der Tritheisten waren Gregor Pauli, ein gewisser Pfarrer Georg, Hieronymus Filipowski, Iwan Karśnicki und eine Menge vom kleinpolnischen Adel und von krakauer Einwohnern anwesend. 3) Georg Israel eröffnete die Disputation mit einer Rede, in welcher er die Zerspaltung der kleinpolnischen Kirchen beklagte und als Hauptursache solcher Zersplitterung das Nichthalten der Union von Koźminet und die Einführung von Fremdlingen anführte, die von Serwet's Lehre getränkt waren. 4) Dann schritt man zur Unterredung über die Lehre von der heiligen Dreieinigkeit, die damit, womit gewöhnlich alle Glaubensstreitigkeiten enden, schloß, daß jede Partei bei ihrer Meinung beharrte. 5)

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1) „Auf diese Synode konnten die Brüder ihrer Synode wegen, die sie zu derselben Zeit in Mähren hielten, nicht reisen, doch sendeten sie in kurzer Zeit darauf ihre Abgeordneten nach Krakau in's Amt.“ Lissaer Archiv.

2) Die Katholiken, Calviner und Böhmischen Brüder nannten die Anhänger der Lehre Gregor Pauli's Tritheisten, d. h. Dreigötteranbeter, wiewohl die Lehre Pauli's die war: 1. die heilige Schrift spricht nirgends von drei Personen, sondern nur vom einigen Gotte. 2. Gott ist nur der Vater. 3. Christus ist der Mittler zwischen Gott und den Menschen. 4. Christus war ein Mensch. Folglich war Pauli ein Deist.

3) Die Acten dieser Disputation.

4) Diese beklagenswerthe Spaltung unter Euch kam daher, daß Ihr die zu Koźminek geschehene, dann bestätigte und auf Synoden nicht nur einmal erneuerte Union nicht gehalten und das, was ihr den Brüderältesten zugesagt hattet, nicht gethan habt, daß Ihr aus fremden Ländern Männer zu Euch riefet und diese nicht geprüft zu Aeltesten in der Kirche machtet u.s.w .“ Die Acten dieser Disputation.

5) Ich setze hierher die letzten Worte in dieser Disputation von dem Böhmischen Brüder-Prediger Laurentius und von Gregor Pauli. Laurentius: Da ich Euer lächerliches Gerede nicht mehr anhören kann, so stelle ich die Unterredung mit Euch ein. Gebe doch Gott, daß Ihr Euch bedächtet, zur Einsicht kämet und Euch bessertet; das wünsche ich Euch.“ Gregor: „Für das Gute, so ihr wünschet, danke ich; auch ich wünsche Euch, daß Ihr zur Besinnung kommet und erleuchtet werdet, denn Ihr seid noch in großer Finsterniß."

 

 

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Als Georg Israel und Johann Laurentius, Senioren der Böhmischen Brüder, von dieser Krakauer Unterredung mit Gregor Pauli zurückkehrten, trafen sie ihre Kirchen in Großpolen in einiger Gefahr an. Denn in der Zeit als die polnischen Dissidenten dahin strebten, durch Vereinigung mit gemeinsamen Kräften dem herrschenden Bekenntnisse kräftigen Widerstand zu leisten, vernachläßigte die höhere katholische Geistlichkeit ihre Angelegenheit auch nicht. Sie erlangte von dem sich auf alle Seiten neigenden Sigismund August jenes denkwürdige Partscher Decret vom 7. August 1564, welches alle fremden Ketzer aus dem Lande verwies. 1) Als Janus Kościelecki, General von Großpolen, diesen Befehl empfangen hatte, fing er unverzüglich an, seine Ausführung sich sorgfältig angelegen sein zu lassen, und nöthigte die aus Böhmen oder Mähren gebürtigen Böhmischen Brüder, Großpolen zu verlassen. Da reisten Jacob Ostrorog, der Liebling des Königs, Raphael Leszczyński, Starost von Radziejow, Johann Krotowski, Wojewode von Inowracław, und Marszewski zum Könige, legten ihm die im Jahre 1563 in polnischer Sprache herausgegebene Confession der Böhmischen Brüder vor und setzten bei ihm durch, daß er durch einen Specialbefehl vom 2. November l. J. an Kościelecki erlassen, erklärte, wie er gerade die Böhmischen Brüder von der Strenge des Partscher Decrets ausgenommen wissen wolle. 2) Die Milde Sigismund August's gegen die Böhmischen Brüder in Großpolen veruneinigte nicht nur Koscielecki mit Ostrorog, sondern wurde auch die Ursache von der Krankheit des erstern, an welcher er am 7. Dezember 1564 starb. Węgierski erzählt, der Haß Kościelecki's gegen die Böhmischen

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1) Dieser Erlaß ist in einigen Büchern aufgenommen, unter andern in Szembek's Addytamenta do synodu poznańskiego. In demselben Jahre wurden in Polen die Tridentiner Beschlüsse angenommen; sie äußerten aber keinen großen Einfluß auf die Reformation in diesem Lande.

2) Der Titel dieser Confession ist folgender: Confessio. To jest: Wyznanie wiary, nauki y nabożeństwa krześciańskiego, Nayiasnieyszemu a niezwyciężonemu Rzymskiemu, Węgierskiemu y Czeskiemu etc. Królowi, od Panów a Rycerstwa Królestwa Czeskiego, którysz są jednoty, Braciej Zakonu Krystusowego, w Widniu Lata 1535 podana. A teras Nayiasnieyszemu Książęciu etc. Zygmuntowi Augustowi, z łaski Bożej Królowi Polskiemu, od niektórych Panów y Szlachty Królestwa Polskiego, którzy pryjeli te Confessya, a według onej się rządzą y sprawują ofiarowana. Przydan jest na końcn y niektórych znamienitych y uczonych Mężów o tey to Confessyiey sad a świadectwo. Psalm 118: Et loquebar in testimoniis tuis in conspectu regum et non confundebar. (Am Ende.) Drukował Maciey Wierzbięta. (8°.)

 

 

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Brüder habe den Grad erreicht, daß an selbst seinem Todestage er seinen Hofnarren vor sich gerufen und ihm befohlen habe, die religiösen Ceremonieen der Böhmischen Brüder zu verspotten. 1) Zehn Wochen später befreite der Tod die großpolnischen Dissidenten von ihrem Hauptfeinde in der Person des Andreas Kościelecki, Wojewoden von Posen. Wahrscheinlich fielen die Kościeleccy als Opfer der in jenem Jahre in Großpolen herrschenden Pest. Beide Aemter erhielt nach ihnen Lukas Górka. Im folgenden Jahre aber legte dieser freiwillig das Generalat von Großpolen in die Hände von Jacob Ostroróg, trotz der Umtriebe der katholischen Geistlichkeit, welche es mit Unwillen sah, daß die zwei höchsten Würden in dieser Provinz von Dissidenten bekleidet seien. 2)

 

Die Böhmischen Brüder, welche, wie ich oben gesagt habe, auf der Synode zu Bużenin (1561) die Union zu Koźminek vom Jahre 1555 mit dem helvetischen Bekenntnisse in Kleinpolen bestätigt hatten, wurden mit diesem Bekenntnisse in Kujawien in häufige Zwistigkeiten verwickelt. 3) Als in diesem Jahre, 1565, Georg Israel und Andreas Prażmowski, die Senioren dieser beiden Bekenntnisse in Großpolen, im Dorfe Liszkowo in Kujawien zusammengekommen waren, beschlossen sie dieser Entzweiung durch einen Vergleich ein Ende zu machen, den ich

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1) S. T. Turnowski in der Vertheidigung des Consens. Sendom.

2) Die großpolnische Geistlichkeit scheute keine Schwierigkeiten. Das Bartscher Decret vom J. 1564 trat nicht in Kraft; andere Reichstagsbeschlüsse und Königliche Befehle, erlassen, um die Religionsneuerungen zu hemmen, führten die Landesbeamten nicht aus. Dessen ungeachtet trugen auf dem Reichstage zu Petrikau 1565 der gnesener Erzbischof und der posener Bischof darauf an, es möge die Böhmische Confession niedergedrückt werden. „Auf dem Reichstage zu Piotrkow 1565" sagt S. T. Turnowski in der Vertheidigung des Consenses bestand der Bischof von Posen mit dem gnesener Erzbischofe im ganzen Senate und bei den Landboten vor dem Könige Sigismund August darauf, die böhmische Confession in Polen zu unterdrücken (scheinbar der augsburgschen günstiger sich stellend). Von den Senatoren stimmte nur Herr Kościelecki, Wojewode von Posen, mit der Geistlichkeit gegen diese Confession. Aber andere, und zwar die ansehnlichsten, der Herr Wojewode von Brześć (R. Leszczynski), der Starost von Konin, Tomicki, Kastellan von Gnesen, und die Kleinpolen, welche dieser böhmischen Confession kundig waren, ja endlich auch der Unterkanzler, der sie auch hatte und las, und fast alle polnischen und litthauischen Senatoren stimmten gegen die Geistlichkeit; und mit ihnen approbirte der König, welcher gestand, daß er die böhmische Confession wohl kenne und wisse, daß die Anhänger gute und ruhige Leute seien, auch selbst diese Confession belobte, und erließ er den Befehl, daß ihre Anhänger in Frieden verbleiben sollten u. s. w.

3) Diese Zwiftigkeiten datiren vom Jahre 1550 und stammten hauptsächlich vom Eifer in der Bekehrung her; denn eins dieser beiden Bekenntniffe schaute mit Unwillen auf das Wachsthum des andern. So oft nun die Aeltesten der Böhmischen Brüder mit Prażmowski zusammenkamen, ging es ohne gegenseitige Vorwürfe nicht ab, so z. B. machten auf der Synode in Książ, im Jahre 1560 gehalten, die Böhmischen Brüder dem Prażmowski verschiedene Vorwürfe: „dann wurde privatim mit dem Pfarrer Andreas und mit Lutomirski angelegentlich verhandelt, daß es gut wäre, wenn sie sich nicht aufreden lassen, nicht Klatschereien folgen wollten und nicht so viel auf fremde Gerüchte geben möchten, auch selbst nicht durch ihr Losreißen Unruhen erregen und die Brüder falsch beurtheilen. Sondern wenn sie etwas Gewisses gegen uns oder unsere Prediger hätten, so möchten sie zuerst sich an uns oder unsere Aeltesten nach brüderlicher Weise mit friedfertigem Geiste und Liebe, von der sie viel sprächen, wenden. Und wenn sie also jetzt auf der Synode das hervorheben wollen, wie Andreas sich verlauten lasse, so würden wir, was sich geziemt, anworten. Passend werden dann auch wir Thatsachen, die wir von ihnen, namentlich von Andreas zu ertragen haben, namhaft machen, fremdländische Sticheleien und haereseon insimulatio etc. Siehe Akten dieser Synode.

 

 

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wörtlich hier folgen lasse, weil er die Ursachen jener Zwistigkeiten darlegt.

Urkunde des Vergleichs, der zwischen den Brüdern und dem Pfarrer Andreas Prażmowski zu Radziejow abgeschlossen worden.“

 

Im Jahre des Herrn 1565, am Dienstag vor St. Matthäus, den 18. September, fand in Liszkowo eine christliche Unterredung statt über gutes Vernehmen und Eintracht in christlichen Glaubenssachen, und diese Vereinbarung ist zwischen dem Pfarrer Andreas Prażmowski an Stelle der Radziejower Kirche einerseits und dem Pfarrer Georg Israel an Stelle der Kirchen, die in Polen unter seiner Obhut stehen anderseits, in Gegenwart der Pfarrer Johann Lorenz, Georg Filipowski, Nicolaus Hermes dahin getroffen, daß zuvörderst die Geistlichen und dann die Brüder beider Kirchen in Liebe und christlicher Freundschaft einträchtiglich bei einander wohnen, einander zu Nutz und Frommen sein, und sich, wo sie sich auch träfen oder zusammen kämen, einmüthig der heiligen Dienste in der Kirche am Worte Gottes und an den Sacramenten in jeder einzelnen Kirche nach Ordnung und Gebrauch, wie in dieser Kirche üblich, bedienen sollten. Die zu dieser brüderlichen Einheit nöthigen Bedingungen oder Vereinigungspunkte, von beiden Seiten zu beobachten, sind: Erstlich die Confessio oder das Bekenntniß des Glaubens und des christlichen Gottesdienstes von den Patronen der Brüder Ihrer Majestät dem polnischen Könige in polnischer Sprache gedruckt überreicht, wird vom Pfarrer Andreas und seiner Kirche als die rechte, durch Gottes Wort begründete Lehre in allen Artikeln angenommen und für die eigene erklärt. Er verspricht fest, bei ihr mit seinen Geistlichen zu verharren. Sodann: daß er ordentliche Aufnahme der Leute in die Hut des Herrn Christus und die Gemeinschaft der Kirche Gottes statthaben lassen wird. Sowohl was anlangt den Katechismus und die Uebung in der Lehre

 

 

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der Schrift und eines frommen, christlichen Wandels, als auch was anlangt christliche Gemeinschaft im Herrn mit gutem Gewissen und den gemeinsamen Gebrauch des heiligen Abendmahls mit regem Fleiße und christlichem Ernste, verbleibt es wie bisher. Es verbleibt auch bei der Disciplin oder Kirchenzucht, er führe sie ein, übe sie fleißig in der Kirche Gottes, die Sünder strafend, anwürdige vom Sacramente ausschließend, einige auch sogar aus der brüderlichen Gemeinschaft, die rechtschaffene Buße Thuenden, wieder aufnehmend; das Alles nach der Lehre des göttlichen Wortes und nach dem Beispiele der Brüdergemeinde. Und weil der Pfarrer Andreas in seiner Kirche früher beim heiligen Abendmahle den Gebrauch hatte, den Stehenden das Sacrament in die Hände zu geben, so ist er bei dieser Sitte mit seiner Geistlichkeit belassen. Die Brüder aber, die seit lange die Sitte haben, knieend das Sacrament zu empfangen, verbleiben auch bei dieser Ordnung. Und dennoch, soll dieser Verschiedenheit in Gebräuchen wegen, (welche beide Theile aus guten Gründen handhaben,) da sie in den Hauptsachen sich verständigen und im Dienste sich vereinigen, kein Zerreißen stattfinden, sondern vielmehr Einhelligkeit des Glaubens und brüderlicher Liebe Platz greifen: zur Verhütung aber von Zank und Uneinigkeit unter den Brüdern ist außerdem festgesetzt worden, daß Niemand von den Brüdern um dieser Gebräuche willen den Andern verachte, noch auch Gerede darüber veranlasse. Man kam auch von beiden Seiten darin überein, mit dem Sacramente denen zu dienen, welche ein Zeugniß ihres eigenen christlichen Pfarrers hätten. Sollte aber bei einem derselben der Pfarrer, von welchem das Sacrament begehrt wird, etwas Schädliches oder Unehrbares wahrnehmen, dann solle er einen solchen nicht eher, bis nicht heilige Buße bei ihm gefunden wird, mit dem Sacramente dienen. Dieser brüderliche Vergleich ist mit heiligem Gebete nach des Herrn Jesu Lehre gemeinschaftlich geschlossen worden und dann durch gemeinsamen Handschlag bekräftigt."

 

Dies Jahr (1565) ist noch denkwürdig durch den auf dem Reichstage zu Piotrkow bewirkten gänzlichen Umsturz der geistlichen Gewalt in Polen. 1) Demnach blieb den Bischöfen keine andere Waffe zum Kampfe mit dem Feinde, als die Schule, die Kanzel und die Feder. In der posener Diöces griff

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1) „Da erschien auch jene Constitution, daß die Starosten wegen unterlassener Vollstreckung vom geistlichen Gerichte abgeurtheilter Rechtssachen nicht belangt werden sollten, wodurch die geistliche Gerichtsbarkeit, die man auf dem ersten Reichstage zu Piotrkow zu vernichten angefangen, verurtheilt wurde und nun erst zusammenstürzte.“ Bielski in der Polnischen Chronik.

 

 

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Benedict Herbest, Domherr zu Posen, der bereits durch Benutzung der beiden ersten Beweise seines Eifers für die römische Kirche gegeben hatte, nun auch zur dritten. Er griff in diesem Jahre die Böhmischen Brüder in Großpolen durch eine Entgegnung auf ihre Confession an. Die Böhmischen Brüder blieben ihm die Antwort nicht schuldig, indem sie den Angriff durch Jacob Niemojewski zurückwiesen. Dieser Niemojewski war Adelsrichter in Inowracław. Der spätere Socinianer Martin Czechowicz, welcher vom Wojewoden zu Wilno, Nicolaus Radziwiłł, nach der Schweiz geschickt worden war, hatte, von dort zurückkehrend, in Liszkowo, dem Gute Niemojewski's, Gelegenheit, ihn für das helvetische Bekenntniß zu gewinnen. Die Böhmischen Brüder, seit Kurzem mit diesem Bekenntnisse, wenigstens in politischer Hinsicht, vereinigt, stellten ihn, sei es nun, daß sie Niemanden für befähigter hielten, sei es, daß sie es für nöthig erachteten, dem Herbest durch eine Person zu antworten, die durch ihr Ansehn und ihren Einfluß in ganz Großpolen mehr Eindruck machen konnte, dem Herbest im Kampfe entgegen. Niemojewski gab unverzüglich bei Matthias Wierzbięta eine: „Antwort auf die Bücher des Priesters Benedict Herbest, die er gegen unsere christliche Confession der Brüder geschrieben hat," heraus. Noch war die Antwort Niemojewski's nicht im Druck vollendet aus der Offizin gekommen als Herbest ein Werk unter dem Titel: „Die Lehre des wahren Christen" herausgab, welches die Lehren der katholischen Kirche anempfahl und die Dogmen der Dissidenten verdammte. Dem Niemojewski aber antwortete er durch die Schrift: „der Eilbote u. s. w.". Auf diese erwiederte Niemojewski schon im Jahre 1571 durch sein Werk:“Epidromus u. s. w." 1) Diese Zänkereien machten im Volke viel Aufsehen, zogen aber gar keine wichtigen Folgen nach sich, und da Herbest, um in den Orden der Jesuiten zu treten, Posen verließ und dadurch die Polemik ein Ende erreichte, so wurde die Aufmerksamkeit der großpolnischen Dissidenten und auch der Katholiken auf eine andere Seite gerichtet.

 

Den einige Jahre hindurch aufgegebenen Gedanken, einer Vereinigung der verschiedenen akatholischen Bekenntnisse in Polen nämlich, erneuerte im Jahre 1567 Erasmus Gliczner, Superintendent der großpolnischen Kirchen lutherischen Bekenntnisses. Diese Vereinigung erschwerte Morgenstern, lutherischer Pfarrer zu Thorn, ein von Natur unruhiger Mensch, der vom Jahre 1560 ab in dieser Stadt unaufhörliche Zwistigkeiten mit den

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1) Die vollständigen Titel dieser Werke Niemojewsti's habe ich in den „Geschichtlichen Nachrichten von den Dissidenten in der Stadt Posen“ aufgezeichnet.

 

 

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Böhmischen Brüdern hatte und im Jahre 1563 mit ihnen eine öffentliche Disputation über Glaubenssachen in Gegenwart des Thorner Magistrats, insgleichen des Wojewoden von Brześć, Johann von Służewo, des Starosten von Radziejow, Raphael Leszczyński, des Wojewoden von Inowracław, Johann Krotowski, des Kastellans von Meseritz, Stanislaus Ostroróg, des Andreas Kaczkowski und vieler Andern vom Adel abhielt. Er gab im Jahre 1563 ein Schriftchen unter dem Titel: De schismate Valdensium, heraus, in welchem er 22 Irrthümer in der Confession der Böhmischen Brüder nachwies. Zwei Jahre später, das ist im Jahre 1565, führte er diese Irrthümer in dem Werkchen: Errores fraterculorum Bohemicorum auf 16 zurück. Erasmus Gliczner, Senior der lutherischen Kirchen in Großpolen, und der Adel dieses Bekenntnisses beschlossen, diesen Mißhelligkeiten mit den Böhmischen Brüdern ein Ende zu machen. Zu diesem Zwecke wurde eine lutherische Synode zum 28. Januar d. J. in Posen anberaumt. Auf derselben befanden sich die namhaftesten Bürger Großpolens, so die Górka, die Ostrorog, die Leszczyński, Tomicki u. s. w. und von Seiten der Böhmischen Brüder die Geistlichen Georg Israel und Johann Laurentius. Diese Synode, welche viele Friedenshindernisse aus dem Wege räumte, bereitete die in der Geschichte der polnischen Dissidenten denkwürdige Vereinigung auf der Synode zu Sendomir im Jahre 1570 vor. 1)

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1) Die mit der Augsburg'schen Confession nicht übereinstimmenden Artikel zogen die Lutheraner aus der böhmischen Confession aus und übergaben sie noch in demselben Jahre unter dem Titel: Amica at fraterna adnotatio naevorum et verborum minus recte positorum in Confessione fratrum, quos Valdenses vocant, proposita in synodo Poznaniae 28. Januarii 1567 celebrata, a Ministris Confessionis Augustanae iisdem fratribus Valdensibus in duodecim partes distincta. Verfasser dieser Schrift ist Morgenstern. Die Böhmischen Brüder beauftragten Johann Laurentius den Lutheranern, auf obige Schrift zu antworten, was er auch noch in demselben Jahre bewerkstelligte. Seine Arbeit trägt den Titel: „Responsio brevis et sincera, fratrum, quos Valdenses vocant, ad naevos ex Apologia ipsorum excerptos a Ministris, confessioni Augustanae addictis, in Polonia. Ueberdem entsendeten der rascheren Erledigung dieser Angelegenheit wegen die Brüder im folgendem Jahre eben diesen Laurentius nach Wittenberg, „Anno Domini 1568" sagt Laurentius in der Berichterstattung über seine Sendung „die 10ma Februarii missus eram Otsroroga Polonorum a Reverendo Viro F. Georgio Israel, Seniore Unitatis vel Ecclesiae Fratrum in Polonia Vittenbergam, comite mihi adjuncto Joanne Polycarpo, ad visitandos adolescentes nostros, qui istic in Academia studiis literarum operam dabant, et ad Dominos Theologos, ut cum illis nomine Fratrum agerem, tam de Concordia inter Fratres et illos restauranda, quam ut judicium illorum requirerem de scripto Evangelicorum Poznaniensium, contra Apologiam Fratrum composito, et de Responsione a Fratribus illis data." Die Antwort der Brüder lasen Paul Eber, Georg Major, Paul Crellius, die Wittenberger Theologen, und Dr. Caspar Peucer, Melanchthons Schwiegersohn, mit Aufmersamkeit, lobten das Bekenntniß der Böhmischen Brüder und empfahlen ihren Glaubesgenossen in Großpolen Frieden und Einigkeit. Dieser Umstand förderte die im Jahre 1570 zu Sendomir geschlossene Union. Von diesen Zusammenkünften der Böhmischen Brüder mit den großpolnischen Lutheranern findet man übrigens Ausführliches in dem Werke von Friese: Beiträge zur Reformationsgeschichte etc. Von Morgenstern aber, der Hauptriebfeder dieser Streitigkeiten lese man in Hartknochs Kirchengeschichte und in Friese's Beiträge zur Reformationsgeschichte.

 

 

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Die großpolnischen Bischöfe, genöthigt den Feinden das Kampffeld zu überlassen, vertheidigten, daß ich mich dieses Ausdrucks bediene, hartnäckig jeden Fußbreit Erde. Stanislaus Karnkowski, der im Jahre 1567 den Włocławischen Bischofssitz eingenommen hatte, führte unter der Geistlichkeit seines Sprengels Zucht und gute Sitten ein 1); er entfernte vom Altare Priester schlechter Führung, die sich unter der Regierung Drojewski's und Jacob's Uchański in Kujawien gemehrt hatten 2), er legte in seiner Diöcese ein geistliches Seminar an, gab in polnischer Sprache Catechismen und andere religiöse Bücher zum Unterrichte für das gemeine Volk heraus, ja es gelang ihm sogar, einige Kirchen aus den Händen der Dissidenten zu reißen. Ins

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1) „Is igitur cum Cujaviensium et Dobrynensium Procerum corona cinctus, in ipsa sedis suae possessione feliciter illuxisset, magnam spem non vano omine Dioecesis universa praedecessorum negligentia vehementer afflicta, tanti Praesulis ingressu concepit se doctrinae sinceritate inter fallaces Haereseon per Cujaviam grassantium imposturas et solicitudine pastoralis officii vigilantissimi Antistitio recreandam. Collapsam Cleri disciplinam omnibus modis erigere conatus est; pleraque ab haereticis templa profanata et spoliata reconciliavit, etc." Damalewicz in den Lebensbeschreibungen der Włocławischen Bischöfe.

2) St. Karnkowski traf einen bedauerlichen Zustand der katholischen Kirche im kujawischen Sprengel an: „In Dioecesi" sagt er in einem Briefe an Hozyusz „nihilo meliora vidi: Radeovii Andream haeresiarcham (Prażmowski) Synagogam suam habentem, conventicula cogentem, ministros instituentem et destituentem, Scholam nobilium puerorum ab eodem erectam esse; populumque praecipuis civitatibus Regiis, Brzestensi, Nieschoviensi, Radeoviensi, Bidgostiensi, et aliis per Satellites ejus ad defectionem a Catholica fide solicitari. A nobilibus, qui se ab Ecclesia Dei segregerunt templa in eorum possessionibus adempta alia prophanata. A Catholicis vero reditus Ecclesiasticos et decimas usurpatas. Monasteria plerisque in locis, Radeovii, Nesoviae, Iniuladislaviae deserta; sacella Predecii, Covalii, in arce Crusviciensi, sine ullo ministerio. Misera sane conditio nunc est omnium nostrum Catholicorum Episcoporum. Haeretici, qui in possessionem nostram venerunt, praescribunt nobis leges etc. Visis tamen et conspectis his morbis Ecclesiae, pro ratione temporis et loci, quoad recte potui, adhibui remedia. Collocato enim in Cathedra Doctore Leonardo, in locis insignioribus Brestii, Nesoviae, Radeovii, Bidgostiae viris doctis ac piis dispositis, Magistris scholae atque discipulis constitutis, reliqua ad Synodum Dioecesanam rejeci.“

 

 

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Jahr 1568 fiel zu Posen die Wahl des Bürgermeisters, der Schöppen und der Zunftmeister. Konarski, der auf dieser Seite die Dissidenten in der Hauptstadt Großpolens schwächen wollte, erwirkte bei Sigismund August unter dem 3. September d. J. einen Erlaß an den Magistrat zu Posen, daß zu den erwähnten städtischen Aemtern nur Katholiken unverdächtigen Glaubens gewählt werden möchten. 1) Unbekannt ist mir, ob in dieser Beziehung dem königlichen Befehle Genüge geschehen, doch glaube ich, daß die Górka und andere mächtige dissidentische Edelleute in Großpolen diese Angelegenheit zu mildern gewußt haben werden.

 

Als die Böhmischen Brüder diese Angelegenheit mit den Lutheranern in Etwas auf der Posener Synode anno 1567 abgemacht hatten, wurden sie nach einer viel größern lüstern. Im Jahre 1570 sandte Sigismund August eine aus folgenden Personen bestehende Gesandtschaft nach Moskau, aus dem Wojewoden von Inowracław, Johann Krotowski, aus dem Starosten von Radziejow, Raphael Leszczyński, aus dem Kastellan von Samogitien, Nicolaus Talwosz, und aus Andreas Iwanowicz. Die beiden ersten, die sich zum böhmischen Bekenntnisse hielten, nahmen zu geistlicher Pflege auf der Reise den Böhmischen Brüderprediger Johann Rokita mit sich. Diesem trugen die Senioren der Böhmischen Brüder auf, er möge sich Mühe geben, den Großfürsten sammt seinem Volke zum Bekenntnisse der Böhmischen Brüder zu bekehren. Als die Gesandtschaft in Moskau angelangt war, gab sich Rokita so viel Mühe, daß er bei dem Moskowitischen Großfürsten Johann Basil, der ihm 10 Fragen vorlegte, Audienz erhielt: 1) Wer bist Du? 2) Was lehrst Du Deine Anhänger? 3) Was lehrt Dein Bekenntniß in Bezug auf die Rechtfertigung des Menschen vor Gott? 4) Macht die göttliche Gnade allein die Menschen selig? 5) Welche Religion bekennst Du? mir scheint die Martin Luthers, der von der alten christlichen Religion abgefallen ist. 6) Wenn Du von der alten christlichen Religion abgefallen bist, sage, wer hat Dich zum Priesteramte berufen? 7) Was hältst Du von christlichen Fasten? 8) Welche Art und Weise zu Beten findet sich bei Euch? 9) Aus welchem Grunde verehrt Ihr nicht die Bilder der Heiligen? 10) Welches ist Eure Ansicht über die Ehe der Geistlichen und über das Cölibat? Rokita gab auf alle diese Fragen eine mit der Lehre seines Bekenntnisses stimmende Antwort. Dennoch waren alle seine Bemühungen, den Großfürsten zum Bekenntnisse der Böhmischen Brüder herüberzuziehen, fruchtlos; ja er konnte nicht einmal eine wiederholte Unterredung über Glaubenssachen

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1) Dieser Befehl findet sich im Sławosz.

 

 

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von ihm erlangen. Als die Gesandtschaft sich zur Rückkehr nach Polen anschickte, machte Basil dem Rokita ein reich eingebundenes Buch in slavischer 1) Sprache und Bemerkungen über seine in jener Unterredung gegebenen Antworten zum Geschenk. Aus diesen Bemerkungen, voll der gröbsten Schmachreden wider das Bekenntniß der Böhmischen Brüder, erkannte Rokita, daß Basil an Nichts weniger gedacht habe, als an Uebertritt zum Bekenntnisse der Böhmischen Brüder. 2)

 

Der Gedanke einer gegenseitigen Vereinigung beschäftigte fortwährend den Geist der polnischen Dissidenten. Hindernisse stellten noch die Lutheraner derselben entgegen. Um diese gänzlich aus dem Wege zu räumen, berief man eine lutherische Synode zum 13. Februar 1570 nach Posen. Sie wurde vier Tage hindurch im Palaste der Górka abgehalten; auf ihr waren 24 Geistliche anwesend; von den namhaftesten Personen des Adels zählte sie den Wojewoden von Posen, Lucas Górka und den Kastellan von Gnesen, Johann Tomicki. Die Angelegenheit, die auf ihr nicht erledigt werden konnte, vertagte man nach dem Rathe Tomicki's auf die zum 14. April dieses Jahres nach Sendomir angesetzte 3) Generalsynode. Zu derselben Zeit beriefen die litthauischen Dissidenten (zum 2. März d. J.) eine Synode nach Wilno, auf welcher sie gleichfalls strittige Sachen auf die allgemeine Synode in Sendomir verlegten. 4)

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1) Węgierski l.c.

2) In diesen Bemerkungen sagt Basil: Dixi antea coram, quod nunc etiam repeto, nolle me tecum ullum colloquium instituere. Non enim eo sciscitaris animo, ut assentiaris dictis: sed quo nostra explores. Faciendum igitur mihi existimavi, id, quod nos Dominus noster docuit: Nolite inquiens sacra dare canibus, neque nostras margaritas ante sues proiicite, ac si dicat, nec Dei verbum, cum canibus infidelibus, Sacrae scripturae credere nolentibus communicandum, nec Divina mysteria iisdem esse ponenda etc." De Russorum religione etc. Spirae MDLXXXII. Nicht besser nahm Basil die polnische Gesandtschaft auf: „In diesem Jahre (1570) sandte König August seine Abgeordneten an den moskowitischen Großfürsten, den Wojewoden von Inowracław, Johann von Krotoszyn vom Wappen Leszczyc, mit Raphael Leszczyński, dem Starosten von Radziejow, Johann Talwosz, dem Kastellan von Samogitien und andere, die er nicht schicklich ehrte, und die Pferde, die sie ihm zum Geschenke brachten, ließ er vor ihren Augen in Stücke hauen; das, was ihm bei Andern gefiel, nahm er mit Gewalt fort u. s. w. Bielski in der polnischen Chronik p. 643 erster Ausgabe. Eben so wenig gelang es dem Possewin, Russen zum katholischen Glauben zu bekehren; siehe sein Werk; Moscovia.

3) Jabłoński: Historia Consens. Sendom.

4) Idem ibidem.

 

 

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Siebenter Abschnitt.

Die Synode zu Sendomir. Geschichte der Böhmischen Brüder bis zur Synode zu Thorn anno 1595.

Diese in der Geschichte der polnischen Dissidenten denkwürdige Synode begann am 9. April 1570 und dauerte bis zum 15. d. M. Zu derselben versammelte sich aus allen Theilen Polens der namhafteste Adel und die Geistlichkeit dreier Bekenntnisse, des Helvetischen, Lutherischen und Böhmischen. Seiten des letzteren ward zu derselben mit Briefen an die Synode und an verschiedene Personen von den Senioren Georg Israel und Johann Laurentius, Simon Teophil Turnowski, später Senior der Böhmischen Brüder in Großpolen, ein gelehrter und der Sache seines Bekenntnisses mit Leib und Seele ergebener Mann, deputirt. 1) Turnowski trat diese Reise am 28. März 1570 an,

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1) Er beschrieb seine in dieser Angelegenheit nach Sendomir unternommene Reise und sammelte zugleich in Kürze die Verhandlungen dieser Synode. Diese seine Arbeit lasse ich hier wörtlich aus zwei Gründen folgen: einmal, weil der Leser aus ihr den ganzen Gang der Verhandlungen dieser Synode kennen lernt; zweitens: um dies wichtige historische, in reinem Polnisch geschriebene Denkmal vom Untergange zu retten.

Im Jahre des Erlösers 1570 am 28. März trat ich, abgeordnet von den Brüdern, besonders von den Senioren Johann Laurentius und Georg Israel glücklich die Reise an. Am 4. April gelangte ich nach Petrikau, wo ich zufällig mit Nicolaus und Erasmus Gliczner, die von dem Herrn Wojewoden von Posen auch nach Sendomir geschickt worden, zusammentraf. Andern Tags, am 5., reisten wir zusammen ab. Am 6. langten wir im Dorfe Błyżyna an, wo uns beim Füttern Herr Leonhard Strasz, der ebenfalls nach Sendomir fuhr, einholte. Zur Nacht kamen wir gemeinschaftlich nach Bodżęcin. Hier fingen wir unter einander mit Herrn Strasz und seinem Pfarrer Gregor Zarnowicki, besonders über das Knieen beim Empfangen des heiligen Abendmahls, uns zu besprechen, an. Erasmus behauptete, dieses Knieen sei keine Verehrung, sondern nur eine Ceremonie. Man kam darin überein, es möge jeder bei seiner Meinung, wohl verstanden, bleiben und Andere der verschiedenen Ceremonien wegen nicht verachten. Ich schwieg hier nicht nur, sondern, mich in die Umstände fügend, hörte auch nur wenig, zuweilen die Gesellschaft verlassend. Doch kam ich dazu, als Pfarrer Gregor dem Pfarrer Erasmus auf die Frage antwortete: ob denn die Böhmischen Brüder mit ihnen (d. i. den helvetischen oder den krakauern) übereinstimmten? Da antwortete Pfarrer Gregor also: da die Waldenserbrüder eine der helvetischen zuwiderlaufende Confession haben, wir aber uns an die helvetische halten, so kann man leicht einsehen, daß wir nicht übereinstimmen. Darüber zeigten Pfarrer Erasmus und sein Bruder Freude auf dem Gesichte. Ich, darüber ärgerlich, wollte schon darauf antworten, konnte es aber nicht füglich, da man uns zum Abendessen rief; ich verschob also die Sache. Andern Tags, ehe wir abreisten, führte ich den Pfarrer Gregor auf die Seite und sagte zu ihm: Lieber Pfarrer Gregor, vergebt, wenn ich kurz jene Unterredung berühre, die ihr gestern gegen Abend mit den Geistlichen hattet, in welcher ich unter andern die Antwort vernahm, die ihr dem Pfarrer Erasmus über eure Union mit den Böhmischen Brüdern und über die Confession der Brüder und die Helvetische gabet. Und so bitte ich Euch denn und frage, ob ihr mit Bedacht und mit Erwägung, oder nur so beiläufig gesagt habt: daß die Confession der Waldenser der helvetischen entgegenstehe: Ich möchte dies gern klar wissen und die Gründe dafür hören, da ich ganz anderer Ansicht bin. Da wurde Gregor feuerroth, fing an sich zu entschuldigen und betheuerte, daß er mit seinen Gefährten über die Brüder und ihre Confession würdig denke; was er aber über den Meinungsunterschied hinsichtlich dieses Sacraments gesagt, das habe er als seine Meinung gesprochen. Darauf sprachen wir viel hin und her, bis es endlich dahin kam, daß er bekennen mußte, die Confession der Böhmischen Brüder sei der helvetischen nicht entgegen, stimme vielmehr mit ihr, dem Wesen nach, in Allem überein. Als wir abreisten, rief mich Herr Strasz durch einen Diener an seinen Reisewagen; neben ihm fahrend unterhielt er sich mit mir und mit Gregor, seinem Pfarrer. Zuerst bat er mich zu sich, ich möchte meinen Wagen verlassen und mit ihm vorausfahren. Ich nahm es an. Dann fingen wir allmählich an, über das Knieen beim heiligen Abendmahle zu sprechen. Endlich äußerte ich mich folgendermaßen: Mir scheinen zwei Gründe vorzuliegen, aus welchen diese Ceremonie des Knieens beim heiligen Abendmahle nicht leichtfertig zu ändern sein dürfte. Erstlich weil diese Handlung nicht eine gewöhnliche weltliche, sondern eine (ganz) eigenthümliche ist, bei welcher es sich um Erwägen des Todes Jesu und seines Nutzens mit eifrigem Herzen handelt, damit bei derselben der Mensch mit großer Lust zu Gott bete und ihn lobe; Gebete ziemt es sich knieend, oder gar auf's Antlitz fallend, zu verrichten. Der zweite Grund: weil es eine hübsche Anordnung ist, daß nicht die Leute selber mit ihren Händen nehmen und sich bedienen, sondern von dem dienenden Geistlichen in den Mund gegeben erhalten; die Art und Weise also ist die beste, daß den Knieenden gedient werde, denn bei den Stehenden oder Sitzenden läßt sich dies nicht so schicklich abmachen. Hiermit waren Herr Strasz und sein Pfarrer gern zufrieden. Zu Mittage kehrten wir in Opatow bei den Herren Koniecki auf das Schloß ein. Zur Nacht langten wir bei Herrn Jaruchowski in Słaboszyc an und trafen den Herrn Wojewoden von Krakau, zu dem mich Herr Strasz geleitete, anwesend; hier bewillkommte man mich freundlich und fragte mich sodann, von wem ich käme? Ich antwortete: daß zunächst von Ostrorog mit Briefen an die Synode, und daß meines Dienstes sich auch die Herren aus Großpolen bedienten, um durch mich ihren Brief an die Synode zu senden. Er fragte mich: an wen ich Briefe habe? ob Jemand aus Großpolen komme? u. s. w. Auf Alles gab ich ihm Antwort. Ganz besonders auch fragte er nach den Waldenser-Brüdern, warum sie nicht kämen, indem er zeigte, daß er sie hier gern gesehen haben würde. Ich entschuldigte sie. Am 8. April des Morgens berief mich der Herr Wojewode zu sich und fragte, was man in Großpolen Neues vom deutschen Kriege höre. Dann sprach er von den Briefen, die ich hatte, anrathend, ich möchte dieselben nicht eher abgeben, bis sich die Synode versammele. An demselben Tage, am 8. April, eines Sonnabends, langten wir in Sendomir an. Ich suchte den Pfarrer Andreas Prażmowski aus Krakau, der auch eben erst angekommen war, auf. Als ich ihn mit Trecius aufgefunden, grüßte ich ihn geziemend von den Brüdern und gab die Briefe ab. Darauf, ehe ich mich noch mit dem Pfarrer Sarnicki gesehen hatte, fingen sie ausführlich mit mir zur reden an. Das Ende davon war: es solle, da man auf seiner Seite die Herren, die Wojewoden, habe, die Zürcher-Confession, die sie schon polnisch gedruckt hatten, dem Könige übergeben werden. Dem widersetzte ich mich und verlangte, es möge die Confession der Brüder, bereits einmal dem Könige überreicht, ihm abermals dargeboten werden. Mit diesen Gesprächen brachten wir diesen Tag zu. Aus ihnen ging hervor, daß Pfarrer Andreas (Prażmowski) mit Trecius, wiewohl den Brüdern wohlwollend geneigt, dennoch lieber diese ihre als der Brüder Confession veröffentlichen wollen, und daß sie den Pfarrer Sarnicki, der ihnen hierin widerstrebt, für einen Feind halten. Des Erasmus und seines Bruders (der Gliczner) erwähnten sie mit unfriedsamer Böswilligkeit. Inzwischen theilte ihnen Pfarrer Andreas den Beschluß der Synode mit, daß schon diese helvetische Confession von Allen ihrer Partei und von den Herren approbirt und mit einer Vorrede (wovon kaum ihrer vier etwas wissen) abgedruckt sei, und daß, wenn sich einige der Geistlichen diesem ihrem Beschlusse widersetzen sollten, die Synode, d. i. die Herren, sie als uneinig verwerfen, excommuniciren wolle. Am andern Tage, Sonntags am 9. April, gab ich in der Kirche an Pfarrer Sarnicki die Briefe ab, besprach mich ein wenig mit ihm und wurde von ihm gebeten, gleich nach dem Gottesdienste zu ihm zu kommen. Pfarrer Sylvius predigte über Evangl. Johannis 20. Nach der Predigt nahm mich Pfarrer Sarnicki mit Sylvius zu sich. Hier las er zuvörderst Sylvius die Briefe von den Brüdern vor. Dann sagte er nicht nur mit Schmerz sondern auch mit Thränen von Andreas, daß sie sich mit dem Pfarrer Trecius, bereit die helvetische anstatt der Confession der Brüder unterzuschieben, ihnen entgegenstellten. Darauf bat er, ich möchte, so ich in dieser Angelegenheit von den Brüdern einen Auftrag hätte, denselben vorlegen. Ich antwortete, wie ich mit ihm sehr beklage, was er so eben vom Pfarrer Andreas gesagt habe, daß derselbe, mit den Brüdern in oberflächlicher Vereinigung übereinstimmend, in der Sache selbst ihnen entgegen sei. Im Allgemeinen wäre ich darüber am meisten betrübt, daß diejenigen, die von der Partei der Brüder seien, und von denen die Brüder glaubten, daß ihnen wohlwollend, sie ihrer Ansicht sein würden, jetzt nun selbst nicht einig seien und unter sich Haß aussäen. Was nun aber seine (Sarnicki's) Frage anlange, so hätte ich keinen besondern Auftrag von den Brüdern, da man mir nämlich gar keine Instruktion gegeben, sondern mich nur mit Briefen gesendet habe; doch wolle ich, was ich, vom Standpunkte der Brüder aus, über diese Meinung denke, auseinandersetzen. Das erkennen die Brüder, daß ihre Confession lange nicht so glänzend sei, und daß diese Zürcher umfassender und berühmter; dennoch wollen sie gegenwärtig weder eine andere annehmen, noch die ihre bessern, vielmehr wünschen sie, Ihr selbst möchtet diese ihre Confession annehmen, und zwar aus folgenden Gründen: Erstens, weil Confessionen unter andern Gründen auch deshalb besonders aufgestellt werden, um den Feinden zu genügen. Die Brüder rathen also die Herausgabe der Confession, weil durch diese Confession, die kurz ist, den Feinden Genüge geschehen kann, und vergrößern sie nicht, auch wollen sie keine andere an deren Stelle annehmen, damit die Feinde weniger zu rüpfen hätten. Der zweite Grund scheint mir der zu sein, daß diese Confession, wenngleich gedrängt und bündig, dennoch schon durch Zeugnisse sowohl der Calviner als Lutheraner bestätigt ist, was keine Confession aufzuweisen hat, folglich auch auf ihr die Vereinigung dieser aller am füglichsten erfolgen kann. Der dritte Grund, weil grade diese Confession, und nicht eine andere evangelische, hier in Polen schon das Feld inne hat, da sie ja dem Könige übergeben und gegen die Feinde durch die neuerdings herausgegebene Apologie oder Antwort Niemojewski's vertheidigt worden ist. Würde nach ihr eine andere überreicht, so könnte dies nicht ohne Verringerung des Ansehns dieser und ohne mannigfaltiges Aergerniß geschehen. Uebrigens bitte ich in Bezug darauf, was ich schon vorher in Betreff der Uneinigkeit mit Pfarrer Andreas sagte, Ihr wollet Euch so bald als möglich unter einander einigen, denn sonst wird auf der Synode eine häßliche Verwirrung entstehen und unsern Feinden Freude bereitet werden. Ich bitte also inständigst, suchet auf der Stelle den Pfarrer Andreas und Trecius auf und einigt Euch vor der Verhandlung über diese Angelegenheit, die schon nach Mittage von der Synode aufgenommen werden soll. Alle beide nahmen dies dankbar auf und versprachen, sie würden sich bald mit jenem unterreden und dann mich davon in Kenntniß setzen, was sie ausrichten. Als ich von ihnen weg ging, stieß ich auf Trecius, und indem ich von alledem so viel erwähnte, als mir nöthig schien, bat ich, er möge doch lieber auf die Wahrheit als auf irgend sonst etwas rücksichtigen. Darauf wurde ich durch Herrn Strasz und den Untertruchseß des Herrn Wojewoden zur Tafel beim Herrn Wojewoden von Krakau eingeladen und mit großer Hochachtung aufgenommen. Die an derselben gegenwärtigen Geistlichen erwähnten rühmend der Brüder, besonders that es ein gewisser Pfarrer Valentin, der unter andern sagte: die Eurigen haben viel Gewicht bei uns. Gebe Gott, daß wir gemeinschaftlich mit ihnen des Herrn Kirche bauen könnten. Nachmittags um die 19. Stunde versammelten wir uns, und die Synodalverhandlungen nahmen ihren Anfang. Zu allererst sprach der Herr Wojewode von Krakau, dann der von Sendomir. Hier wurde auch festgestellt, wer die Direktoren der Unterredung seien sollten, nämlich der Herr Wojewode von Sendomir mit Herrn Iwan, Pfarrer Paul Gilovius mit Pfarrer Andreas. Man bestimmte auch besondere colloquutores nach den Distrikten, d. i. aus den krakauer, chęciner, posener, oświeciner, reußischen, dem lubliner, petrikauer, und kujavischen zu drei, vier und fünfen. Auch die Stunde und der Ort der Versammlung wurde bezeichnet. ‒ “

 

Nachdem die Versammlung auseinander gegangen war, sprach ich viel mit Trecius, ihm besonders ans Herz legend, daß es doch besser wäre, die Confession der Brüder hier anzunehmen, als diese neue helvetische. Wir drehten uns um diesen Punkt gegen drei Stunden. Ich führte die vor Sarnicki entwickelten Gründe an und widerlegte seine Vorwürfe und Gründe, unter denen auch die waren : „Wir wollen keine böhmische, sächsische, helvetische, sondern eine eigene polnische Confession haben. Von der Einigung mit den Brüdern und von der Unterschrift ihrer Confession wissen wir in diesen Gegenden wenig. Pfarrer Sarnicki hat dessen niemals auf den derzeitigen Synoden erwähnt, vielmehr war er dem Augsburgschen Bekenntnisse zugeneigt. Außerdem ist er die Einigung mit dem helvetischen Bekenntniß eingegangen. Wohl hat die Confession der Brüder sehr berühmte Zeugnisse für sich, aber dennoch tadeln sie jetzt, die sie lobten. Hier in diesem Lande wissen die Geistlichen von keiner andern Confession, als nur von der helvetischen; an sie halten sie sich mit den Herren, und Bruder Mathias Czerwonka hat sie gelobt, ja Ihr lobt sie auch. Aus ihr haben wir, als wir in Frankreich waren, den rechtgläubigen Gottesdienst gelernt. Endlich geziemt es uns, uns mit denen zu vereinigen, die uns nicht verlassen, gern vielmehr uns gegen die Feinde, die Tritheisten mit Rath und Schrift beistehen; während wir weder von den Brüdern noch von irgend Einem andern Bekenntnisses solche Hülfe verlangen können." Ich aber fügte ihm zu: der Grund sei der wichtigste, daß sie schon die Confession gedruckt hätten und nicht gern ihren Plan fallen lassen möchten. Nach dieser langen Unterredung ladeten mich die Herren Geistlichen vom Tische des Herrn Wojewoden zu sich zum Abendessen ein. Da waren folgende: Pfarrer Paul Gilowski, Pfarrer Andreas Trecius, Dr. Rožanka, Peter aus Dębnica, Andreas aus Lisowo u. s. w. Man brachte wieder das Gespräch auf denselben Gegenstand, da sagte ich unter Anderm: Wenn wir, Einigung beabsichtigend, Eure Confession der sächsischen vorziehen wollten, würden jene, Eurer Confession sich widersehend, sofort sich von uns abwenden. Hier begegnete mir Pfarrer Gilowski mit dem Argumente, daß Calvin, Luther und Andere, obgleich sie die Confession der Brüder gelobt, dennoch ihre eigene frei zu Tage gefördert hätten, und so könnten wir es hier in Kleinpolen machen. Darauf antwortete ich ihm, daß das Beispiel hinke, denn hier in Polen hätten die Brüder selbst schon dem Könige ihre Confession überreicht. Darauf fügte er gewichtig den Grund hinzu: für diesen ihren Beschluß liege von Seiten des Königs, dem diese ihre Confession gefalle, ein sehr triftiger Grund vor, und würden sie es gern sehen, wenn, zur Abweisung der allen Kirchen drohenden Gefahr, diese ihre Confession angenommen würde. Auch Dr. Rozanka sprach viel über diese Sache und Pfarrer Andreas fügte hinzu, sie hätten sich davon überzeugt und wären durch fleißiges Nachdenken zu der Ansicht gekommen, daß man die Kirche viel glücklicher aufbauen könne, wenn man diese Confession, welche sehr Viele in der christlichen Welt billigten, herausgebe. Nähme er hierin den geringsten Schaden für die Brüder wahr, so würde er, und wenn er aufs Aeußerste Widerstand leisten müßte, darein nicht willigen. Auch Andere äußerten sich, daß sie ihr Blut für die Brüder zu vergießen bereit seien; dennoch beharrten sie dabei, daß ihre Confession angenommen werden solle. Da ich wahrnahm, daß ich nichts ausrichten würde, hörte ich auf, mit ihnen über diese Sache zu streiten.

 

Am 10. April versammelten wir uns Alle von 11 bis 20 Uhr. Erst predigte Pf. Valentin aus Brzosowo über Eph. 1. Dann wurden verschiedene Botschaften vorgelassen; die erste von den Posener Lutheranern: „„Wir sind Botschafter des Herrn Wojewoden von Posen, des Herrn von Gnesen, von Brześć, Rogoźno und der Posener Gemeinde. Von ihnen statten wir zuvörderst Euch ergebenen Gruß ab. Sodann zeigen wir an, daß sie uns angewiesen haben, Euch ins Gedächtniß zu rufen, wie wir seit langer Zeit durch M. Luther herausgeführt aus Irrthümern hingeleitet worden sind zu der wahren Lehre von der Rechtfertigung, dem heiligen Abendmahl u. wie wir also darüber betrübt sind, daß solches durch einige Mitbrüder gedämmt worden, die sich in ärgerliche Fragen über das Mahl des Herrn u. s. w. einließen, woraus Spaltungen und Ketzereien entstanden. Erfreut aber sind wir dadurch, daß Ihr, Euch der Einigung befleißigend, Euch hier zur Synode versammeltet, zu welcher die Kirche den Herrn Wojewoden und den Herrn von Gnesen erwählte, die, da sie nicht erscheinen konnten, uns mit dem Herrn Bninski abgesendet haben. Hier sind wir nun, bereit zu gemeinschaftlicher Einigung, und bitten Euch, Ihr wollet uns die Gründe mittheilen, aus denen Ihr uns hierher gerufen habt."" Die zweite Botschaft war von den Brüdern: Da erhob sich Pfarrer Andreas Prażmowski, grüßte von den Brüdern, entschuldigte ihre Abwesenheit und wies auf mich, als den von ihnen allein anwesenden. Darauf sprach er ausführlich und mit vieler Ehrerbietung von den Brüdern, welche schon seit 150 Jahren nicht mit der Feder und mit Büchern allein, sondern mit dem eigenen Blute, von Huß beginnend, ihre Confession vertheidigt hätten; darauf, als er ihre Confession dringend empfohlen hatte, übergab er ihre Briefe. Nun las zuerst der Herr Wojewode von Sendomir selbst der Synode den Brief von den Brüdern vor. Einen zweiten Brief von den Geistlichen der Brüder las der Notarius der Synode, Pfarrer Sokołowski. Darauf antwortete der Herr Wojewode von Sendomir, daß man die Entschuldigungen der Brüder freundlichst annehme, und daß man zu seiner Zeit auf ihre Schreiben antworten werde. Die dritte Gesandtschaft war vom Herrn Wojewoden von Reussen: die vierte vom Belsker Starosten; die fünfte vom Herrn Chełmski; die sechste aus dem Lande Radom; die siebente aus der Landschaft Radziejow; die achte vom Herrn Georg Latalski; die neunte vom Herrn Martin Czmyło; die zehnte von der Krakauer Gemeinde; die elfte des Pfarrers Valentin aus Brzosowo vom Herrn Radomski; die zwölfte des Pfarrers Jacob Sylvius; die dreizehnte des Herrn Strasz; die vierzehnte des Pfarrers Paul Gilowski; die fünfzehnte des Pfarrers Stanislaus vom Starosten von Neustadt; die sechszehnte aus der Landschaft Petrikau. Darauf begann das Examen, ob nicht einige Befleckte und Verkehrte anwesend seien. Da erhoben sich Pfarrer Alexander, Pfarrer Melchior, zwei Geistliche aus Reußen, Pfarrer Clemens aus Górnic u. s. w. und wurden auf private Unterredung verwiesen. Pfarrer Gilowski, der diesen Auftrag hatte, machte den Zweck der Synode bekannt, (er sei kein anderer als der,) daß man bei jener Zerrissenheit durch Ketzereien von sich erfahre, wer, wo und was man glaube? daß man sich einige, wie dies schon mit einigen und mit den helvetischen Kirchen geschehen, und man sich dafür entscheide, daß diese, (nämlich die helvetische) Confession polnisch gedruckt werde, indem man sie so gestellt habe, daß es ohne Verletzung derer geschehen könne, welche zwar ihre eigenthümlichen Weisen im Gottesdienste haben, mit uns aber auf demselben Grunde des wahren christlichen Glaubens stehen, als da sind die Waldenser Brüder und die Brüder der Augsburgschen Confession. Diese (nämlich die helvetische Confession) sind wir willens dem Könige zu übergeben, wenn wir uns auf sie geeinigt und uns in der Vorrede verwahrt haben. Nun las Trecius die Vorrede; darauf notirte man über sie. Aus dem Krakauer Distrikte: Pfarrer Sarnicki: „„Man müsse eine Erwähnung dieses unseres Zusammenkommens und der in demselben erfolgten Vereinbarung auf diese Confession beifügen. In Dänemark ist die Lehre kaum dieser Confession würdig. Lucos müsse man Haine, nicht Wälder, übersetzen.““ Pfarrer Andreas verwarf Alles. Herr Przetucki billigte es. Herr Nicolaus Dłuski lobte die Vorrede. Dr. Rożanka und Trecius billigten. Aus dem Distrikte von Chęcin: Silvius meinte, man müsse diese Confession durch den Druck veröffentlichen. „Denn, sagt er, ich fürchte nur, wir möchten, indem wir bauen wollen, das andere umstürzen; aber ich sehe, daß man sich gut vorgesehen." Pfarrer Martin Kalisch fügte noch den Grund hinzu, weshalb sie, da sie doch andere Confessionen, z. B. die waldenser und augsburger gelobt hätten, auch diese noch herausgeben wollten. Herr Szafraniec, Bucki, Oleśnicki stimmten einwilligend bei. Aus dem Posener Distrikte: Pfarrer Nicolaus (Gliczner): Abzustimmen scheint mir nicht zulässig; erstens, weil uns noch nicht der Grund der Berufung mitgetheilt ist; zweitens, weil Herr Bninski nicht anlangte. Dennoch aber will ich etwas meiner privaten Meinung nach sagen, wenn man es wünschen sollte. Man antwortete ihm: es werde gewünscht. „Gut ist's sagte er ein Glaubensbekenntniß abzulegen, aber viele Confessionen haben, ist übel. Im Reiche giebt's vorzugsweise zwei, die sächsische und Wittenbergsche. Aber am besten wäre es gegenwärtig die augsburgsche, die schon weit und breit angenommen und mit großen Zeugnissen bekräftigt ist, anzunehmen; bei ihr wird Eintracht erhalten. Auch erwähnt Ihr der Waldenser Confession (obgleich die andere unserer Waldenser außer dieser die ächtere ist), welche Ihr Euch hier gleichsam zum Fundamente wählet und abwäget; nun denn so wisset, daß die Waldenser-Brüder viele Confessionen haben und eben darin sind sie uns verdächtig. Ueberdem sind sie in ihrem Glauben unbeständig, was sie unlängst auf der Synode zu Posen gezeigt haben; bald stimmen sie mit uns überein, bald sind sie uns wieder entgegen, bald bewilligen sie etwas, bald ziehen sie es wieder zurück. Davon möget Ihr, falls Ihr es Alle noch nicht gewußt habet, Kenntniß zu nehmen geruhen. Und da wir nun also mit ihnen über diese Confession in Streit liegen, so können wir auch nicht für dieselbe stimmen. Wir werden auch keine andere annehmen, vielmehr uns zur augsburgschen, wie man uns aufgetragen, standhaft bekennen und bei ihr bis zum Tode verharren." Pfarrer Erasmus, der Bruder des Pfarrers Nicolaus sagte: „Aus dem Briefe dieser Waldenser und aus Eurem Verfahren ist zu entnehmen, daß Ihr noch keine eigene Confession habet. Und so käme es denn nunmehr darauf an, darüber zu sprechen, welche Confession, über die wir uns gemeinschaftlich einigen, von uns angenommen werden solle. Zur Einigung sind wir bereit, aber reifliche Erwägung thut Noth. Und darum bitte ich die Herren, sie möchten solches sich angelegen sein lassen. Es giebt viele Confessionen, aber die beste ist die Augsburgsche, gezogen aus der hl. Schrift, an gewichtiger Stelle übergeben, mit Zeugnissen bekräftigt, angenommen und, was die Zeit anlangt, befestigt. Gut wäre es also, würde sie als die alleinige in Polen angenommen.

 

Hier gab ich zu erkennen, daß ich reden wolle. Doch entgegnete der Herr Wojewode von Krakau: „Entweder habe ich zu schwach gesprochen, oder es hat mich (hier wies er auf Erasmus) schon Jemand falsch verstanden, da er mir etwas zuschreibt, woran ich nicht gedacht habe (a coby źle od niemey twarzy słyszeć,) als hätten wir keine Confession. Davor bewahre Gott, denn das wäre Atheismus; vielmehr wie Ihr die augsburgsche, die Waldenser Brüder ihre eigene, so ehren auch wir vorzugsweise die helvetische. Da wir indeß erkannt haben, eine solche Zertheilung sei schlecht, man müsse nicht sagen: Ego sum Cephae, Ego Apollo, so haben wir uns hier versammelt, um Alle uns über eine einzige, die dann unser Aller polnische wäre, in der wir uns der alleinigen Christuswahrheit rühmen möchten, zu einigen. Aber wir sehen, daß Ihr Euch dazu nicht anschicken wollet. Euren Luther haltet ihr für ein Orakel, und er grade gab der Waldensischen Brüderschaft ein Zeugniß, und was für ein Zeugniß, in welchem er sie sich nicht nur gleichstellte, sondern, nachdem er sie in der wahren Lehre gleich befunden, in Betreff des Kirchenregiments und in heiliger Zucht sie auch noch über sich und seine Kirchen stellte. Nun weiß ich wirklich nicht, was Ihr suchet, indem Ihr diese ihre Confession tadelt, Euch in unnöthige Disputationen einlaßt und Euch nicht begnügt mit ihrer einfachen und lautern Confession, aus welcher sich keine gerechten Ursachen zu Unterschieden nachweisen lassen. Wohl begreife ich aber die Brüder, daß sie friedliebend und das Fundament der wahren Lehre innehaltend, sich in solche Gegenreden nicht gern einlassen, ja ich lobe es, sie handeln weise." Als ich hierauf sprechen wollte, erhielt ich nicht das Wort.

 

Aus dem Distrikt von Oswiecim: Pfarrer Gilowski vertheidigte die Brüder; sie hätten keine verschiedenen Confessionen, wiewohl viele Exemplare zu verschiedenen Zeiten gedruckt worden wären. Pfarrer Adam und Herr Stanislaus Oswiecimski waren derselben Meinung. Herr Gierałtowski sagte: „ich meine, die Confession muß für die Herren Sachsen geändert werden, welche mit ganzen Händen voll Blut bei ihrer Confession paradiren und es offenkundig darlegen, daß sie unter keinen Umständen von der sächsischen Confession zu der unsrigen hinzutreten wollen; schwer ist es also, mit ihnen Einigung zu suchen. Nun gab der Herr Wojewode von Sendomir und Herr Iwan im Namen der Synode mir das Wort. Ich erhob mich und begann also: „Erlauchte Herren. Ehrwürdige Väter und vielgeliebte Brüder! Mehrfache Gründe liegen vor, die mich veranlassen sollten, in dieser so ehrwürdigen Versammlung still zu sitzen und zu schweigen: dieser Gründe geziemt mir Erwähnung zu thun. Erstlich bin ich hier nicht Abgeordneter mit Vollmacht und Autorisation, zu thun, zu handeln und zu sprechen, was mir gut dünkt, zumal auch mein Alter mich als hierzu ungeeignet ausweist. Vielmehr bin ich hier nur als Bote der Böhmischen Brüder und derjenigen Herren, die zu den Brüdern halten, mit Briefen an die Synode abgeschickt, um sie Euch abzugeben. Zweitens ermahnt mich zum Schweigen mein geringer Verstand, so daß ich wahrscheinlich kaum etwas Eurer Würdiges werde vortragen können. Endlich ermahnt mich dazu die Achtung vor dem, was hier von Euch mit großem Ernste und Erwägen festgestellt und angeordnet ist, um die heilige Kirche zum Frieden zu führen; denn was ich auch über den Aufbau derselben irgendwie sagen möchte, kaum würde es irgend Raum und Gewicht in dem Maaße verdienen. Glück muß ich im Gegentheil der Kirche wünschen, und Gott und denen danken, die durch ihre Mühe und Arbeit zur Einigung der Kirche Gottes diesen Beistand gewährt haben. Dies nun bewegt mich, in Eurer Gegenwart das Wort zu nehmen und zwar auf Veranlassung dessen, was hier von den Brüdern der sächsischen Confession gegen unsere Brüderunion und gegen unsere Confession ziemlich ungestüm gesagt worden ist. Ich, ein treuer Sohn dieser Brüderunion, von Jugend auf dazu bereit, meinem gnädigsten Erlöser hier zu dienen, habe diese Sachen vernommen, und da die sächsischen Herren Brüder sich an meinen lieben Brüdern rieben, so blieb auch ich dabei nicht unempfindlich. Ich gedachte Ew. Gnaden darauf als Privatperson zu antworten. Da aber der Herr Wojewode von Krakau bereits in den vornehmsten Punkten vortrefflich zu antworten und gnädig die Brüder zu vertheidigen geruht hat, so werde ich nur was von minderem Belange, hinzufügen und bitte Ew. Gnaden, mir geneigtes Ohr zu schenken und was an Unvollkommenem in meiner Rede ist, durch Eure Weisheit und Gnade auszufüllen. Es ist von der Synode die Proposition zur Begutachtung und Beschlußnahme gebracht: ob die vorgelesene Vorrede zur Confession angenommen, werden soll? Gleichwohl ist man im Verfolg der Gründe weit von ihr abgewichen, so daß es schon nöthig geworden, über mehr als eine Sache abzustimmen und zu reden. Soll ich also meine Meinung zuerst über die Vorrede sagen, so scheint mir nothwendig zu sein, was schon Brüder erwähnten (Pfarrer Sarnicki), daß in der Vorrede deutlicher dieses Orts Erwähnung geschehe, wo die Einigung auf diese Confession erfolge; denn auch der Ort selbst hat in dieser Beziehung eine gewisse Beweiskraft, zumal wie die Leute jetzt sind und wie sie die Angelegenheiten zu stürmisch zu machen pflegen, was Ew. Gnaden Verstand besser erfassen wird. Zweitens scheint mir das auch nöthig zu sein, was schon einer der Brüder (Pfarrer Martin Kalisch) erwähnte, daß deutlicher die Gründe dargelegt würden, warum die Confession dennoch über andere, die in der Vorrede gelobt sind, gesetzt werde. Nunmehr muß ich auf Veranlassung der Worte des Pfarrers Nicolaus, da er von unserer Confession, sie die der Waldenser nennend, handelt, Erwähnung thun. Aus seinen Worten will ich hervorheben, daß Ihr uns in dieser Vorrede uneigentlich Waldenser und unsere Confession waldensisch nennt. Denn andere waren die Waldenser, die ihren Ausgang aus Frankreich haben, andere wir, die wir aus Böhmen. Gern möchte ich es meinerseits sehen, wenn Ihr uns nicht mit diesem Zunamen nennen und in dieser Vorrede uns durch denselben bezeichnen wolltet, sondern entweder ganz einfach uns „die Brüder", wie wir uns nennen, oder aber „Böhmische Brüder“ nenntet, so Ihr einen Unterschied haben wollt. Es gebührt mir auch, den sächsischen Herren Brüdern auf das, was sie hier sagten, zu antworten, daß nämlich unsere Brüder viele Confessionen haben und deshalb verdächtig sind. So sage ich denn, daß die Brüder nur eine Confession hatten und haben. Und wiewohl mannigfaltige (keinesweges aber verschiedene) Exemplare vorhanden waren und zwar aus dem Grunde, weil die aus der Finsterniß des Antichrist's herausgehenden Brüder immer bereit und willig waren, zu lernen und größeres Licht zu gewinnen von jenen Männern, die der Herr an verschiedenen Orten in seiner Kirche erweckte, und weil sie auch aus verschiedenen Gründen verschiedenen Leuten Confessionen, in diesen das, in jenen anderes beschreibend, darreichten, so haben sie dennoch, daß ich mich nicht lange aufhalte! nur ein gedrucktes Exemplar in Polen, das sie Sr. Majestät dem Könige überreichten und zu welchem allein sie sich in diesem Königreiche bekennen. Endlich will ich auch das berühren, was hier die sächsischen Herrn Brüder sagten und bewiesen, nämlich, daß, die sächsische Confession an Stelle der von der Synode vorgelegten von Allen anzunehmen, friedefördernder sei. Darauf sage ich, daß, wenn wir darüber urtheilen wollten, so würde sich leicht mit starken Gründen zeigen lassen, daß in dieser Beziehung den ersten Platz die Confession verdienen müsse, welche hier in diesem Königreiche vor allen andern berühmt, begründet, dem Könige überreicht und gegen die Feinde vertheidigt worden. Doch weil darüber der ganzen Synode das Urtheil zusteht, will ich nicht mehr sagen. Man könnte hier weiter billiger Weise und triftig den sächsischen Brüdern darauf antworten, wo sie ziemlich ungebührlich von unsern Brüdern sprechen. Aber der Zeit und andern Angelegenheiten nachgebend, mag es dabei sein Bewenden haben." Diese meine Rede nahmen die Herren und Brüder mit Gottes Gnade freundlich und dankbarlich auf. Auf den Gesichtern der Gebrüder Gliczner war hier und da Aerger wahrzunehmen und von ihm bewegt schüttelten sie, als ich zu sprechen aufhörte, den Kopf und murmelten dies und jenes. Da nahmen sich meiner die Herren und besonders der gnädige Herr Wojewode von Krakau an, er vertheidigte mich und meine Rede, lobte Alles, was ich gesagt hatte und bekannte, es sei ihm lieb gewesen, unter anderm zu erfahren, daß die Waldenser nicht unseres Bekenntnisses seien. Das leugnete Erasmus und, sich nach mir umwendend, sagte er: „Grade ist dies Euer Zunamen; Ihr seid diese Waldenser! das werde ich beweisen.“ Ich erwiederte ihm: „Und ich widerspreche Ew. Würden und werde mit gewichtigen historischen Gründen nachweisen, daß wir nicht Waldenser sind, und daß man uns uneigentlich also nennt." In diesem Geräusche wiederholte Pfarrer Nicolaus: „wir wissen, daß die Brüder jetzt verschiedene Confessionen haben, denn sie haben uns dieselben in Posen gezeigt (und Erasmus fügte hinzu, daß sie ihrer fünf haben.) Da zeigten ihnen die Herren eine und versicherten, daß sie sich zu dieser allein bekennen.

 

Darauf stimmten die Brüder ordnungsmäßig nach den Distrikten, freudig abwehrend, bis ein gewisser Herr Lubelski, nach den Wojewoden der angesehenste, an die Reihe kam. Der fiel mit dem größten Eifer über die Gliczner her, als die Störer des Werkes, zu welchem die Synode berufen worden, und als welche alsbald ihren Widerstand zeigten, indem sie mit Blut bei ihrer eigenen Confession ein Bild sich verdienen wollen. Daher wäre es besser, wenn sie gar nicht hier wären und unsere Angelegenheiten ausspionirten. Was die Confession der Waldenser Brüder anlangt, die sie hier tadelten, so halte ich sie für sehr lauter und von friedlichen Leuten einfältig aus der hl. Schrift abgefaßt, (gdzie oni ludzie dobrzy w pokoju ledwie ostatka pod dębinką nie dopisywali.) Die Augsburgsche Confession ist unter andern Verhältnissen abgefaßt, wo Leute mit verwirrten Köpfen versammelt gewesen, andere Päpstler, und mehr habe man sich da nach den Menschen als nach der Wahrheit selbst gerichtet, da man die Päpstlichen mit den Evangelischen verbinden wollte. Und so ist gewiß, daß ich lieber die Brüder Confession annehme als diese, und gern unterschreibe ich sie." Während dieser Rede trat den Gliczner der Angstschweiß auf die Stirn. Endlich ermahnte Herr Zborowski die Sachsen zur Einigung und zu einem andern Verhalten. „Nicht wahr sagte er Ihr lasset, wenn Jemand zu Euch kommt und bekennt, daß er auf dem Fundamente des christlichen Glaubens stehe und Buße thue, ihn zum Tische des Herrn zu und nehmet ihn einträchtiglich unter Euch auf. Und warum wollt Ihr uns um geringer Dinge willen, einig mit Euch der Hauptsache nach, nicht aufnehmen, da wir wiederum gern Euch aufnehmen und tragen wollen. Ich bitte Euch, überlegt es wohl und zeigt Euch zum Frieden geneigt. Denn wir, die wir königliche Räthe sind, wissen, was vorgeht und wie wichtige Gründe dafür vorhanden sind, daß wir uns auf diese Weise hier in Polen einigen. Wäre Euch und den Anderen solches bekannt, gewiß würdet Ihr anders handeln und zum Frieden neigen." In demselben Sinne sprach Herr Iwan und ermahnte, man möge mit stillem Geiste auseinander gehen, dann werde man morgen in gemeinschaftlicher Einigkeit die Confession selbst durchnehmen, obgleich auch über die Vorrede an diesem Tage nichts Bestimmtes beschlossen worden sei, was auch nicht geschehen könne, bis Alle bei Durchnahme der Confession in etwas Gewissem übereinkommen." Als wir aus der Sitzung gingen, unterhielten sich mit mir sehr freundlich sowohl die Herren als auch die Geistlichen und fragten theilnehmend nach den Brüdern. Am 11. April predigte Pfarrer Sylvius über die Worte: „Ecce quam pulchra et decora estamica mea etc." 1. Eine Botschaft aus Litthauen und die Nachricht, daß ohnlängst sich daselbst die sächsischen Kirchen mit den helvetischen zu Wilno am 2. März in der Sacramentssache geeinigt haben; die Einigungsformel wurde verlesen. 2. Pfarrer Matthaeus aus Krylowo, ein Lutheraner, taub, stimmte über die gestrige Proposition, indem er bekannte, daß er der augsburgschen Confession, die er rühmte, zugehöre. „Und da sagte er ein Bruder gesagt hat, daß sie hier in Polen dem Könige nicht so übergeben worden wie die der Brüder, so sage ich, daß die augsburgsche Confession aller Welt übergeben ist, und wenn man sich an dieselbe auch in Polen hielte, würden nicht so viele Secten sein." Hier wurde er von den Herren unterbrochen, daß man ihn falsch berichtet habe.

 

Artikel 1 (der Confession). In ihm stimmten Alle überein. Nur Pfarrer Nicolaus sagte, ihnen gezieme ganz und gar nicht zu antworten. Aber wenn sie bedächtig würden durchgelesen haben, dann würden sie gebührlich auf Alles antworten. Darauf wurde ihm nichts gesagt. Artikel II. III. IV. Hier meinte Herr Lubelski, es müsse etwas anderes verhandelt werden; da ja auch die Herren Brüder von der sächsischen Confession gesagt hätten, daß sie etwas Besonderes sich ansammeln und antworten wollen. Sie könnten ja nun hinausgehen und daselbst besonders sich berathen. Auch Herr Miękicki ging drohend auf die Lutheraner los. Zu Tische lud uns mit Trecius Herr Miękicki ein, wo wir zuerst von den arianischen Spitzfindigkeiten aus Veranlassung des 5. Artikels sprachen. Dann wurde der Ausdruck „Waldenser“ untersucht, denn die Herren sind in der Geschichte bewandert. Freilich griff die Meinung Platz, da ich sagte: 1) die Brüder wurden von ehrenwerthen Männern mit diesem Zunamen belegt und sie selbst haben sich diesen Zunamen nicht verbeten, wie sie auch jetzt größtentheils ihn nicht abweisen. 2) Nach geschichtlicher Wahrheit heißen sie allerdings nur uneigentlich also, da sie weder Nachkommen der Waldenser sind, noch ihre Lehre angenommen haben. Aber diesen Zunamen erhielten sie aus Veranlassung des Orts, da auch Waldenser etwa 100 Jahre vor dem Anfange der Brüder, aus Frankreich vertrieben, in Böhmen sich niederließen; sie empfingen ihn auch aus Veranlassung der Lehre, weil sie sich auch dem Pabste widersetzten; immer aber war ein Unterschied zwischen ihrer Lehre und der Lehre der Brüder. Was aber meine Person anlangt, so werde ich jedem antworten, der mich einen Waldenser nennt. Nachmittags wurde mit Pfarrer Alexander verhandelt. Trecius und Joh. Tenandus waren von der Synode erwählt, um ihm zu beweisen, daß Vater, Sohn und hlg. Geist auf Grund der hl. Schrift der einige Gott seien. Zufällig ereignete es sich, daß ich zwischen ihnen Beiden saß. Als sie nun schwach die Sache führten, weit ausschweifend, so daß kaum ihr Argument zu erfassen war, wie solches Pfarrer Alexander ihnen auch bemerklich machte, flüsterte ich dem Trecius ein dialectisch zugerichtetes Argument zu. Da platzte ein Gast, ein Litthauer heraus, um dem Alexander zu helfen. Nun wurde mir auf Antrieb des Herrn Iwan und Trecius von der Synode aufgegeben, als Gast gegen den Gast aufzutreten. Gern antwortete ich also dem Gaste zuvörderst auf seine Einwürfe. Dann führte ich gegen Alexander den einfachen Beweis, indem ich die langen Worte des Trecius abkürzte. Nun wollte mich die Synode nicht loslassen, sondern nöthigte mich dazu, mit den erwählten Disputatoren bis zu Ende gegen Alexander auf dem Platze zu bleiben. Zum Abendbrote nahmen mich die Patrone des Pfarrer Alexander, Herr Ossowski und Herr Jakubowski. Da zeigte ich in einer Unterredung, daß deutlich in der hl. Schrift die Worte stehen: Gott der Vater, Gott der Sohn, Gott der hlg. Geist ist der einige wahrhafte Gott. Diese Worte, sagte ich, sind zwar nicht nebeneinander in der hl. Schrift, aber an verschiedenen Stellen. Hierdurch ließen sich die Herren nicht wenig rühren. Darauf befahlen mir die Direktoren der Synode die Verhandlung mit Pfarrer Alexander niederzuschreiben und ihnen einzuhändigen; was ich auch that.

Am 12. April predigte Pfarrer Andreas Prażmowski. Darauf beschäftigte man sich mit einigen Botschaften, weiter las man die Confession, und als das Lesen beendet war, ließ man über sie abstimmen. Da meinte der Herr Wojewode von Krakau: „Es scheint mir unnöthig, die Zeit durch Abstimmen zu vergeuden, denn wir alle sind darüber einig, daß sie lauter ist, wir bekennen uns ja schon lange zu ihr und brauchen sie durch Abstimmen nicht erst zu empfehlen. Da aber der Hauptzweck unserer Zusammenkunft der ist, uns mit den Brüdern waldensischer und sächsischer Confession zu verbinden, so mögen diese über die Confession abstimmen, ob sie mit der hl. Schrift übereinstimmt, und ob sie mit uns zu ihr halten wollten, damit wir sie alle nicht als die helvetische, sondern als unsere eigene polnische herausgeben." Ein solches Abstimmen wollte man an einem besondern Orte durch gewisse Personen vornehmen lassen. Man wählte also hierzu nur einige Personen von jedem Bekenntnisse, nämlich vom sächsischen den Pfarrer Nicolaus und Erasmus Gliczner und den Herrn Bniński, Landrichter von Posen; vom Bekenntnisse der Böhmischen Brüder Andreas Prażmowski und Sim. Th. Turnowski; vom helvetischen Bekenntnisse den Pfarrer Jacob Sylvius, den Pfarrer Paul Gilowski, den Herrn Woyewoden von Krakau, den Herrn Woyewoden von Sendomir, den Dr. Stanislaus Rożanka und Herrn Dłuski.

 

 

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voll jugendlichen Eifers, versehen von den Senioren der Böhmischen Brüder mit Instructionen und Vollmacht für Andreas Prażmowski, den Senior des Helvetischen Bekenntnisses in Kujawien und Pfarrer dieses Bekenntnisses in Krakau. Am 4. April langte er in Petrikau an, wo er mit Erasmus Gliczner, dem Senior der lutherischen Kirchen in Großpolen, und mit dessen Bruder, dem lutherischen Pfarrer in Posen, welche sich gleichfalls auf die Synode nach Sendomir begaben, zusammentraf. Auf der weitern Reise stieß er auf Leonhard Strasz und dessen Pfarrer, den berühmten Gregor z Żarnowca. Auf dieser Reise, in den Wagen des Herrn Strasz aufgenommen, hatte er einen Streit mit Gregor z Żarnowca und Religionsgespräche mit Strasz und Anderen. Am 8. April in Sendomir angekommen, gab er an Prażmowski die Briefe der Böhmischen Brüder-Senioren ab. In einer an demselben Tage mit diesem und mit Christoph Trecius, dem Pfarrer des helvetischen Bekenntnisses in Krakau, gehabten Privatgespräche, merkte Turnowski, daß die Kleinpolen wünschten, es möchte die Confessio tigurina in's Polnische übersetzt, von allen akatholischen Bekenntnissen angenommen und dem Könige übergeben werden. Diesem Vorhaben beschloß Turnowski sich aus allen Kräften zu widersetzen.

 

 

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Am 9. April, eines Sonntags, nach dem Gottesdienste, in welchem Jacob Sylvius, Senior des Chęciński'schen Districts, die Predigt gehalten hatte, händigte Turnowski an Sarnicki die Briefe von den Senioren der Böhmischen Brüder aus. Nachmittags wurde die Synode eröffnet; zu derselben hatten sich folgende Personen eingefunden: Stanislaus Myszkowski, Wojewode von Krakau, Peter Zborowski, Wojewode von Sendomir, Stanislaus Bninski, Landrichter zu Posen, im Namen von Lucas Górka, des Posener Wojewoden, und von Johann Tomicki, des Kastellans von Gnesen, Stanislaus Chrząstowski, Sigismund Myszkowski, Starost von Oswięcim, Erasmus Gliczner, Senior der Lutherischen Kirchen in Großpolen, Nikolaus Gliczner, Senior dieses Bekenntnisses im Posener Districte, Stanislaus Sarnicki, Senior des helvetischen Bekenntnisses im Krakauer Districte, Jacob Sylvius, Senior dieses Bekenntnisses im Chęciner Districte, Paul Gilowski, Senior dieses Bekenntnisses im Districte Zator und Oswiecim, Matthäus Rakow, Pfarrer in Krylow, Stanislaus Karminski Jwan, Daniel Chrobewski und Stanislaus Rożanka, Doctor Medicinae, Stadträthe zu Krakau; Christoph Trecius, Pfarrer helvetischen Bekenntnisses in Krakau, Stanislaus Marcianus, Pfarrer in Dziewałtow, Valentin aus Brzozowo, Senior der Kirchen helvetischen Bekenntnisses in Podgorze,

 

 

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Pfarrer in Dobrkow, Andreas aus Kruszwic, Pfarrer des helvetischen Bekenntnisses in Lisowo, in Kujawien, Peter Tarnowski, Pfarrer dieses Bekenntnisses in Dembnica, Matthäus von Kryłow, Lutherischer Pfarrer, Alexander Vitrelinus, später Socinianer, Ossowski, Jakubowski, Johann Tenaudus, später Socinianer, Martin Kalisz, Prediger des helvetischen Bekenntnisses, Andreas Mięticki, Broniewski, Dłuski, Gregor Zarnowski u. s. w. Von Seiten der Böhmischen Brüder waren anwesend: A. Prażmowski, Senior der helvetischen Kirchen in Kujawien und Simon Theophil Turnowski, damals Diacon der Böhmischen Brüder. Als sich alle Glieder der Synode eingefunden, hielt erstlich Myszkowski, Wojewode von Krakau, eine Anrede an sie, dann nahm Peter Zborowski, Wojewode von Sendomir, das Wort und setzte ausführlich den Zweck dieser so zahlreich aus allen Theilen Polens herbeigeeilten Versammlung dreier christlichen Bekenntnisse auseinander. Hierauf schritt man zur Wahl von Synodaldirectoren. Aus dem weltlichen Stande fiel die Wahl auf den Wojewoden von Krakau, Stanislaus Myszkowski, den Wojewoden von Sendomir, Peter Zborowski, und auf Stanislaus Jwan Karmiński. Aus dem geistlichen Stande erwählte man zu Präsidenten der Synode Paul Gilovius und Andreas Prażmowski, zum Secretair Sokolowski, Pfarrer helvetischen Bekenntnisses. Dann ernannte

 

 

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man Sprecher nach den Districten, nämlich, aus dem krakauischen, chęcinskischen, posenschen, reußischen, lubliner (lubelski), petrikauer und kujawischen Districte, aus jedem zu drei, vier und fünf. Hiermit endete die erste Sitzung der Synode. Im Laufe des übrigen Tages hatte S. L. Turnowski einen lebhaften Wortstreit mit P. Gilowski, K. Trecius und dem Dr. Rożanka über die „Confession der Böhmischen Brüder."

 

Am 10. April nach dem Gottesdienste, bei welchem Valentin aus Brzozowo predigte, eröffnete man die zweite Sitzung der Synode, und in derselben wurden verschiedene Botschaften angenommen. Die erste war von den großpolnischen Lutheranern. Der Repräsentant dieses Bekenntnisses auf der Synode, Erasmus Gliczner, redete die Synode folgendermaßen an: „Wir sind Botschafter des Herrn Wojewoden von Posen, des Herrn von Gnesen, Brześć, Rogoźno und von der Posener Gemeinde. Von diesen Herren grüßen wir zuvörderst ergebenst. Dann zeigen wir an, daß sie uns befohlen haben, Euch ins Gedächtniß zu rufen, wie wir seit langer Zeit durch M. Luther, herausgeführt aus Irrthümern, hingeleitet worden sind zu der wahren Lehre von der Rechtfertigung, dem heiligen Abendmahle u. s. w., wie wir also darüber betrübt sind, daß solches durch einige Mitbrüder, die sich in ärgerliche Fragen über das heilige

 

 

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Abendmahl u. s. w, einließen, woraus Schismen und Ketzereien entstanden. Erfreut aber find wir, daß, nach Einigung strebend, Ihr eine Synode hierher beriefet, zu welcher die Kirche den Herrn Wojewoden und den Herrn von Gnesen abordnete, welche, da sie hier nicht erscheinen können, uns mit Herrn Bniński absendeten. Wohlan! wir sind zu gemeinsamer Einigung bereit und bitten Euch, Ihr möchtet uns die Gründe mittheilen, um derer willen Ihr uns hieher berufen habt." — Zborowski, Wojewode von Sendomir, antwortete Gliczner in Kürze, der Zweck der Synode sei, alle akatholischen Bekenntnisse in einen engen Bund zu vereinigen, damit sie den Katholiken die Stirn bieten könnten. Die zweite Botschaft von den Böhmischen Brüdern richtete Andreas Prażmowski aus, und nachdem er in ausführ licher Rede der Synode dies Bekenntniß anempfohlen hatte, deponirte er zwei Briefe der Böhmischen Brüder, von denen einen Zborowski, der Wojewode von Sendomir, den andern der Synodalnotarius Sokołowski vorlas. In diesen Briefen dankten die Senioren der Böhmischen Brüder, daß man sie zur Synode eingeladen habe, entschuldigten die Unmöglichkeit ihres persönlichen Erscheinens auf der Synode mit Geschäften und Krankheit und baten, man möge ihre Confession als die allen akatholischen Bekenntnissen gemeinsame annehmen. Der Wojewode

 

 

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von Sendomir, Peter Zborowski, antwortete auf diese Botschaft der Böhmischen Brüder-Senioren, daß die Synode ihre Entschuldigungen freundlich aufnehme und in freierer Zeit auf ihre Briefe antworten werde. Die 3. Botschaft war vom Reußischen Wojewoden; dann folgten andere Botschaften, sechzehn an der Zahl. Nach Anhörung und Erledigung dieser Botschaften untersuchte die Synode, ob in ihrer Mitte nicht etwa Tritheisten, Socinianer, Stankaristen u. s. w. wären, und da einige Geistliche, die an die heilige Dreieinigkeit nicht glaubten, nämlich Alexander Vitrelinus, Melchior Clemens von Górnic u. s. w. sich vorfanden, schloß man sie aus und verwies sie auf private Unterredung. Darauf nahm Paul Gilowski das Wort, und nachdem er zuvörderst den Zweck der Synode beleuchtet hatte, stellte er den Antrag, es möge die Confessio tigurina, ins Polnische übersetzt, für die allen drei christlichen zur Synode versammelten Bekenntnissen d. i. dem Helvetischen, Böhmischen und Lutherischen gemeinsame anerkannt, und dem Könige übergeben werden, auch möge man die zur polnischen Uebersetzung durch die Kleinpolen angefügte Vorrede prüfen. Darauf verlas Trecius die erwähnte Vorrede, und nun begann man über sie die Stimmen zu sammeln. Andreas Prażmowski, als Bevollmächtigter der Böhmischen Brüder, verwarf sowohl die Vorrede, als auch die

 

 

 

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Confessio tigurina; Andere waren für die Annahme beider. Die Reihe kam an Nikolaus Gliczner, der sich also äußerte: „Abzustimmen scheint mir nicht zulässig, erstens: weil wir den Grund der Berufung noch nicht kennen, zweitens: weil Herr Bniński nicht angelangt ist. Wenn Ihr es aber genehmigt, will ich in Etwas meine Meinung sagen. Gut ist's, ein Bekenntniß abzulegen, aber viele Confessionen zu haben, ist übel. Jm Reiche giebt's vorzugsweise zwei, die Sächsische und Wittenbergsche. Aber am besten wäre es gegenwärtig, die Augsburgsche, die schon weit und breit angenommen und mit gewichtigen Zeugnissen bekräftigt ist, anzunehmen, bei ihr wird Eintracht erhalten. Auch erwähnt ihr der Waldenser Confession (obgleich eine andere unserer Waldenser außer dieser die ächtere ist), welche Ihr Euch hier gleichsam zum Fundamente wählet und abwägt; nun denn so wisset, daß die Waldenser Brüder viele Confessionen haben, und eben deswegen sind sie uns verdächtig. Ueberdem sind sie in ihrem Glauben unbeständig, was sie deutlich unlängst auf der Synode zu Posen gezeigt haben; bald stimmen sie mit uns überein, bald sind sie uns wieder entgegen, bald bewilligen sie etwas, bald ziehen sie es wieder zurück. Davon wollet, falls Ihr es Alle noch nicht gewußt habet, Kenntniß zu nehmen geruhen. Und da wir nun also über diese Confession mit ihnen

 

 

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im Streite liegen, so können wir auch nicht für dieselbe stimmen. Wir werden auch keine andere annehmen, vielmehr uns zur augsburgischen, wie man uns aufgetragen, standhaft bekennen und bei ihr bis zum Tode verharren." Dies Verlangen des Nikolaus Gliczner, es möge die Augsburgische Confession zur gemeinsamen erhoben werden, unterstützte sein Bruder Erasmus. Aus dem Briefe dieser Waldenser sagte er und auch aus Eurem Verfahren ist abzunehmen, daß Ihr noch keine eigene Confession habt. Es würde sich also jetzt darum handeln, zu besprechen, was für eine Confession von uns angenommen werden solle, über welche wir uns gemeinschaftlich einigen. Zur Einigung sind wir bereit, aber reifliche Erwägung thut Noth. Solches bitte ich, Ihr Herren, fleißig im Auge zu behalten. Es giebt viele Confessionen, aber die Augsburgsche, aus der heiligen Schrift gezogen, an gewichtiger Stelle übergeben, mit Zeugnissen erhärtet, angenommen und, was die Zeit anlangt, bekräftigt, ist die beste. Gut wäre es also, wenn sie als die alleinige in Polen angenommen würde." Hier wollte den Glicznern Simon Teophil Turnowski, Diakon der Böhmischen Brüder antworten. Stanislaus Myszkowski aber, Wojewode von Krakau, hinderte ihn daran und widerlegte, indem er das Wort ergriff, die Meinung der Gliczner, als hätten das helvetische Bekenntniß

 

 

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in Kleinpolen und die Böhmischen Brüder nicht auch ihre eigenen Confessionen. „Wahrlich sagte er wir haben eigene Confessionen, aber wir sind deshalb hier zusammengekommen, um uns über eine, die dann unsere polnische sein soll, zu verständigen. Doch sehe ich, daß Ihr weit davon entfernt seid. Euren Luther haltet Ihr für ein Orakel, er nun aber gab den Waldensern ein Zeugniß, in welchem er, sie in Betreff der wahren Lehre mit sich gleichstellend, ihnen den Vorrang in Bezug auf Regiment und Kirchenzucht vor sich zuerkennt." Andere, z. B. Paul Gilowski, Stanislaus Oswiecinski u. s. w. wiesen die den Böhmischen Brüdern durch die Gebrüder Gliczner gemachten Vorwürfe zurück. Endlich erhob sich Simon Teophil Turnowski und bewies in einer langen Rede, daß die Böhmischen Brüder uneigentlich Waldenser genannt würden, daß sie nur eine Confession, nämlich diejenige hätten, die sie dem Könige Sigismund August überreicht hatten, daß diese Confession schon darum den Vorzug verdiene, weil sie dem Könige überreicht und durch Jacob Niemojewski in der Apologie gegen die Angriffe Seitens der Katholiken vertheidigt worden sei. Diese Rede Turnowski's regte die Gliczner auf, welche fest behaupteten, daß die Böhmischen Brüder Waldenser wären, und daß sie sogar fünf Confessionen

 

 

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hätten. Darauf wurde zum unterbrochenen Abstimmen über die Vorrede zur helvetischen Confession geschritten. Als die Gliczner Widerstand gegen dieselbe und gegen die Einigung blicken ließen, strafte sie der Wojewode von Sendomir Peter Zborowski und sagte: „Ich bitte, bedenkt Euch und neigt zur Einigung, denn wir, die wir königliche Räthe sind, wissen, was vorgeht und wie gewichtig die Gründe dafür sind, daß wir uns auf diese Weise in Polen verbinden." In demselben Sinne sprach auch St. Iwan Karminski zu den Gliczner, indem er ihnen Mäßigung anempfahl und ihnen den Nutzen, der für Alle aus dieser Vereinigung hervorgehen könnte, vor die Augen führte. Darauf wurde die Sitzung geschlossen.

 

Der dritten Synodalsitzung am 11. April ging wie gewöhnlich ein Gottesdienst voraus, in welchem Jacob Sylvius die Predigt hielt. Nach Eröffnung der Sitzung selbst wurde die Helvetische Confession weiter durchgenommen und die Botschaft von den litthauischen Kirchen angehört, welche der Synode die Nachricht brachte, daß auf der zu Wilno am 2. März d. J. abgehaltenen Synode eine Einigung in Betreff der Sacramente zwischen den Lutheranern und dem Helvetischen Bekenntnisse in Litthauen stattgefunden habe, an welcher Vereinigung aber der

 

 

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dem helvetischen Bekenntnisse und den Böhmischen Brüdern nicht wohlwollende Friese zweifelt; ich hielt mich hier an das Zeugniß Sim. Th. Turnowski's, eines Mannes von unbescholtener Redlichkeit und eines Augenzeugen aller Vorgänge auf der Sendomirer Synode. Die Gebrüder Gliczner stimmten in dieser Sitzung nicht mit über die von der Synode durchgenommene helvetische Confession, und Nicolaus Gliczner zeigte der Synode an, daß ihnen nicht zustehe abzustimmen, daß sie aber nach Durchlesung der erwähnten Confession auf Alles der Reihe nach antworten würden. Joh. Firlej, Wojewode von Lublin, machte den Antrag, es möchten die Artikel 2, 3 und 4 der helvetischen Confession in Gegenwart der Gliczner nicht durchgenommen werden und rieth ihnen, den Sitzungssaal zu verlassen; nicht minder scharf verfuhr Miękicki mit ihnen. Die Directoren der Synode, befürchtend, der Sturm gegen die Gliczner möchte zu groß werden, hoben die Sitzung auf. Nachmittags an demselben Tage disputirten Christoph Trecius und Joh. Tenaudus, von der Synode dazu bestimmt, mit Alexander Vitrelinus, um ihm zu zeigen, daß Vater, Sohn und heiliger Geist auf Grund der heiligen Schrift ein Gott sei. Der bei dieser Disputation anwesende Turnowski erzählt, daß Trecius und Tenaudus die Trinität sehr schwach

 

 

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vertheidigt hätten, und daß er, aufgefordert von St. Iwan Karminski und Trecius in die Schranken gegen diese Socinianer treten mußte.

 

Im Gottesdienste vor der vierten Synodalsitzung am 12. April hielt And. Prażmowski die Predigt. In der Sitzung selbst wurden einige Gesandtschaften angenommen; man nahm die helvetische Confession weiter durch und wollte zum Abstimmen über sie schreiten. Da ergriff der Wojewode von Krakau das Wort und sagte: „Es scheint mir nicht nothwendig, die Zeit durch Abstimmen zu vergeuden, denn wir alle stimmen darin überein, daß sie wahr sei, wir bekennen sie seit langer Zeit und brauchen sie uns nicht erst durch Abstimmen zu empfehlen. Aber da das der vorzüglichste Grund unserer Zusammenkunft ist, uns mit den Brüdern der waldensischen und sächsischen Confession zu verbinden, so mögen sie über diese Confession abstimmen, ob sie mit der heiligen Schrift in Einklang stehe und ob sie mit uns zu ihr halten wollen, damit wir alle sie nicht für die helvetische, sondern für unsere eigene polnische ausgeben können." Der Vorschlag des Wojewoden von Krakau wurde angenommen. Man beschloß diese Abstimmung an einem besondern Orte durch zuverlässige Personen vorzunehmen. Hierzu erwählte man vom lutherischen

 

 

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Bekenntnisse:. Erasmus und Nikolaus Gliczner und St. Bniński, den Landrichter von Posen; vom Bekenntnisse der Böhmischen Brüder: Andreas Prażmowski und Simon Teophil Turnowski; vom helvetischen Bekenntnisse: Jacob Sylvius, Paul Gilowski, den Wojewoden von Krakau Stanislaus Myszkowski, den Wojewoden von Sendomir Peter Zborowski, Stanislaus Rożanka und Nikolaus Dłuski. Alle diese Personen begaben sich in die Wohnung des Wojewoden von Krakau. Als man zum Abstimmen schreiten sollte, erklärte A. Prażmowski, welcher sich abseits mit St. T. Turnowski berathen hatte, den Wojewoden, er möchte lieber erst die Antwort auf den Brief, den die Senioren der Böhmischen Brüder geschrieben, hören, damit ihre Confession von der Synode angenommen werde. Der Wojewode von von Krakau, Stanislaus Myszkowski antwortete ihm, daß die Synode sich nicht deshalb versammelt habe, um irgend Jemandes Confession anzunehmen, sondern um eine, allen drei Bekenntnissen gemeinsame als Zeichen der Einigung zu Tage zu fördern; diese Confession, sagte er, soll nicht die der Böhmischen Brüder, nicht die lutherische, auch nicht die helvetische, sondern unsere eigene polnische sein. Darauf erklärte Prażmowski, daß die Böhmischen Brüder diese Confession für die lautere und als ihre eigene annehmen. Turnowski

 

 

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um seine Meinung befragt, antwortete: „nicht er, sondern Prażmowski sei Bevollmächtigter der Böhmischen Brüder und dessen Meinung müsse auch er beitreten, aber, da man ihm seine Meinung darzulegen aufgebe, müsse er erklären, daß es ihn sehr freuen würde, wenn die Confession der Böhmischen Brüder als die gemeinschaftliche angenommen würde; gleichwohl, weil die Böhmischen Brüder immer das Wachsthum der Kirche des Herrn im Auge hätten, trete er der Meinung seines Collegen Prażmowski bei, und zwar besonders aus dem Grunde, weil die helvetische Confession aus der Confession der Böhmischen Brüder, etwas breiter und deutlicher zwar, jedoch in derselben Art und Weise, abgefaßt sei. Darauf verlangte Turnowski, daß die Böhmischen Brüder nach Annahme der helvetischen Confession bei ihrer eigenen verbleiben dürften, namentlich, daß man sie bei ihren Gebräuchen und vor Allem bei ihrer Kirchenzucht belassen möge. Darauf antwortete der Wojewode von Krakau, daß die Synode die Böhmischen Brüder bei ihrer Confession belasse und, was die Kirchenzucht anlange, so, fügte der Wojewode von Sendomir hinzu, werden auch wir selbst in Zukunft Sorge tragen, daß unter uns das Kirchenregiment und die Zucht besser werde." Jetzt wendeten sich aller Augen auf die lutherschen Abgeordneten.

 

 

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Der Wojewode von Krakau ermahnte sie, sie möchten die erste Rücksicht auf die Ehre Gottes, die Erhaltung und das Wachsthum der Kirche nehmen und sich durch die an vielen Stellen unvollkommene und nach päbstischen Irrthümern schmeckende Augsburgsche Confession nicht binden lassen. Eindringlicher sprach der Wojewode von Sendomir zu ihnen: „Ich weiß wohl begann er, sich an die Gliczner wendend „daß Ihr Brüder uns in den Heilsangelegenheiten zu leiten habt, aber das weiß ich auch, daß uns der Herr Euch zu Beschützern gegen die Feinde gegeben hat. Unsere Pflicht ist es, Euch zu danken. Und darum bitte ich Euch, einige gebührende Rücksicht auf uns nehmen zu wollen. Es handelt sich hier nicht nur darum, das Wort Gottes in der Kirche recht zu predigen, handelt so, daß Ihr auch mir kein Aergerniß gebet, wenn ich Eure Unvorsichtigkeit und Euren Undank erkennen müßte. Denn Ihr wißt nicht, was vorgeht, welche Mühe wir unaufhörlich Euretwegen den wachsamen Feinden gegenüber haben. Eure Herren aus Großpolen helfen uns nichts, kommen nicht auf die Reichstage. Wir allein wachen zur Ehre Gottes für Euch; nehmet also einige Rücksicht auf uns. Handelt also, daß Ihr uns durch jene Last nicht niederdrücket. Wir wissen, daß Alles, was wir thun, aus

 

 

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wichtigen Gründen im Nutzen der Kirche geschehe. Einigen wir uns, so ist große Hoffnung vorhanden, doch wollet Ihr dies nicht ausbreiten daß der König unsere Religion annimmt. Welche Freude für alle Guten, welche Trauer für die Feinde wird aus unserer Vereinigung hervorgehen; wir dürften ihnen fast alle Pläne vereiteln. Gedenket, ich beschwöre Euch, worum es uns sich handelt, und gebet der Einigung und wechselseitiger Liebe, die uns Gott vor Allem befohlen hat, Raum." Hier hemmten Thränen die Rede des Wojewoden von Sendomir. Nicht weniger gerührt ward durch sie der Wojewode von Krakau; endlich überließ sich die ganze Versammlung diesem Gefühle. Die Gebrüder Gliczner erweicht durch das Bild der Gefahr für die akatholischen Bekenntnisse, das der Wojewode von Sendomir in seiner Rede darlegte, fingen an, sich zur Einigung zu neigen. Sie erklärten, daß sie zwar nicht von ihrem Bekenntnisse lassen würden, aber auch nicht gesonnen seien, dasselbe als gemeinsame Confession der Synode anzumuthen. Sie schlugen vor, eine neue polnische Confession abzufassen. Beide Wojewoden traten dem bei, und man beschloß, es sollten die Theologen aller drei Bekenntnisse zu Pfingsten dieses Jahres in Warschau zu diesem Ende zusammenkommen; inzwischen bestimmte man, einen Vergleich

 

 

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nach Art des Wilnoschen zwischen diesen Bekenntnissen abzufassen. Nachmittags statteten die Abgeordneten der Synode Bericht über ihre Verhandlung ab. Der Einigungsvorschlag wurde mit Freuden von der Synode angenommen. Darauf untersuchte die Synode die Denkweise derjenigen Personen in Glaubenssachen, welche dieser Einigung beitreten sollten. Alerander Vitrelinus, des Tritheismus überführt, wurde aus der Synode entfernt; sieben andere Geistliche sagten sich öffentlich von den Stancarischen Irrthümern los. Nach beendigter Sitzung versammelten sich Iwan Karminski, Andreas Prażmowski, Erasmus und Nicolaus Gliczner, Stanislaus Sarnicki und Simon Teophil Turnowski, um die Einigungsformel, welche im Auftrage der Synode Christoph Trecius und Johann Tenaudus verfaßt hatten, durchzusehen und zu verbessern.

 

Die fünfte Sitzung der Synode am 13. April eröffnete Jacob Sylvius mit einer Rede, in welcher er der Synode zu den guten Anfängen in der Einigung Glück wünschte. Darauf las man die Vergleichsformel selbst vor. Nach ihrer Vorlesung verlangte Erasmus Gliczner, man möge sie ihm zur Durchsicht geben, und als die Synode hierein willigte, verließ Erasmus Gliczner mit seinem Bruder Nicolaus und

 

 

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mit Stanislaus Bniński die Sitzung. Während der Zeit, daß die lutherischen Abgeordneten nicht anwesend waren, beschäftigte sich die Synode mit verschiedenen Angelegenheiten z. B. mit der Ordnung in den helvetischen Kirchen, mit der Vertheilung der Geistlichen in der Parochie, mit der Theilung der Parochieen in Districte u. s. w. Nun kehrten die Gliczner in die Sitzung zurück und proponirten, erstens: man möge in die Einigungsformel einige nothwendige Wörter einfügen; zweitens: es möge ein ganzer Artikel aus der augsburgischen Confession hinzugesetzt werden. Dies Verlangen verursachte viel Unruhe in der Synode. Ja sie wuchs noch, als die Gliczner die Frage von der wahrhaften Gegenwart Christi im Abendmahle in Anregung brachten. Nach langem Streite kam man darin überein, in der Einigungsformel das Wort „des Leibes" auszulassen und zu setzen, „die wahrhafte Gegenwart Christi." Dann beschäftigte sich die Synode mit verschiedenen Angelegenheiten der helvetischen Kirchen in Klein-Polen; endlich brachte man vier Exemplare des Consensus, welche, als sie laut vorgelesen worden waren, ein beträchtlicher Theil von den Gliedern der Synode unterschrieb.

Am 14. April war die sechste und letzte Sitzung der Synode. Auf ihr wurde wiederholentlich die Einigungsformel gelesen;

 

 

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man bestätigte sie und versprach sich gegenseitig, fest an ihr zu halten und in Allem nach ihr zu verfahren. Besonders bezeugten die Gliczner im Namen ihrer Glaubensgenossen, daß sie mit den Böhmischen Brüdern und mit dem helvetischen Bekenntnisse in Eintracht und christlicher Liebe zu leben wünschen; zum Beweise dafür versprachen sie, sich mit den Senioren und Geistlichen der Böhmischen Brüder in Posen zu versammeln, diese Einigung mit einem öffentlichen Akte zu bekräftigen, um sich desto enger mit diesem Bekenntnisse zu verbinden. Bei alle dem war diese Vereinigung der Lutheraner mit den Böhmischen Brüdern und dem helvetischen Bekenntnisse auf der Synode zu Sendomir eine unaufrichtige und nur durch Umstände und politische Aussichten

 

 

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abgenöthigte. Sobald die erstern sich änderten und die zweiten schwanden, machten die polnischen Lutheraner auf immer einen Bruch mit dem helvetischen Bekenntnisse und den Böhmischen Brüdern, und von da ab vermochte weder die größte Noth, noch das gut verstandene Interesse, sie diesen Bekenntnissen anzunähern. Der zwischen den drei akatholischen Bekenntnissen in Sendomir abgeschlossene Vergleich lautet wörtlich wie folgt: 1)

 

Gegenseitiger Vergleich in den Hauptstücken der christlichen Religion zwischen den Kirchen von Groß- und Klein-Polen, Reußen, Litthauen und Samogitien, welche nach der Augsburgischen Confession, der Confession der Böhmischen Brüder und der helvetischen einigermaßen von einander abzuweichen schienen; aufgesetzt auf der Synode zu Sendomir im J. 1570 am 14. April.

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1) Dieser Vergleich ist entnommen aus dem Consensus sendomiriensis, von dem wir einige Ausgaben haben: 1) Consensus sive concordia in fide et religione Christiana, inter Ecclesias Evangelicas majoris et minoris Poloniae, magnique Ducatus Lithuaniae et caeterarum ejus regni Provinciarum, primo Sandomiriae Anno 1570 in Synodo generali sancita et deinceps in aliis ac demum in Vladislaviensi generali synodo Anno 1583 confirmata, et serenissimis Poloniae regibus Augusto, Henrico, ac Stephano oblata, nunc autem communi voto in publicum typis edita. Anno 1586 12mo. Sig. D. 5. Diese erste Ausgabe ohne polnische Uebersetzung gaben Erasmus Šliczner, Joh. Laurentius Senior der Böhmischen Brüder und Paul Gilowski heraus. 2) S. L. Turnowski legte den Conf. Send. im Jahre 1592 zu Thorn wieder auf, und fügte die polnische Uebersetzung bei. 3) In der dritten Ausgabe des Cons. Send. zu Thorn 1596 sind die Beschlüsse der Thorner Synode von 1595 angefügt. 4) Die vierte Ausgabe des Cons. Send. ist ein Abdruck zu Camerarii, Geschichte der Böhmischen und Mährischen Kirchen. 5) Die fünfte Ausgabe mit nebenseitiger polnischer Uebersetzung erschien unter dem Titel: Consensus zu Baranow in der Druckerei des Andreas Piotrkowczyt 1628 8°. 6) Zum 6. Male gab Strimesius, den Consens mit nebenseitiger deutscher Uebersetzung zu Frankfurt a. D. 1704 8° heraus. 7) Auch Jabloński druckte den Cons. Send. in seiner Geschichte dieses Consensus ab. Außerdem findet sich der Cons. Send. in einigen andern Werken, z. B. in dem Werke Harmonia. Conf. Genuen, 1612 in 4° erschienen, abgedruckt.

Alle diese Personen begaben sich in die Herberge des Herrn Wojewoden von Krakau. Da hießen sie uns zuerst über die Confession abstimmen. Als sich Pfarrer Andreas Prażmowski mit mir berathen hatte, sagte er: daß wir gern erst vernommen hätten die Antwort auf den Brief der Brüder, in dem sie verlangen, ihre Confession möge angenommen werden. Der Herr Woyewode von Krakau entgegnete: wir seien nicht deswegen hier zusammengekommen, um irgend Jemandes Confession anzunehmen, sondern um eine lautere Confession mit gemeinsamsamer Einwilligung zum Zeichen der Einigung zu Tage zu fördern, die weder die der Brüder, noch die sächsische, noch die helvetische, sondern unsere eigene christlich-polnische sein solle." Dies sagte er mit einiger Bestürzung. Darauf stimmte Pfarrer Andreas, daß sie (nämlich die Brüder) diese Confession für die lautere und somit für ihre eigene annehmen. Hier fragten die Herrn auch mich um mein Votum. Ich antwortete, es sei ja den Herren bekannt, daß nicht ich, sondern Pfarrer Andreas Bevollmächtigter sei, auf seinem Votum habe auch ich zu beharren. Dennoch drangen Alle in mich, und Pfarrer Andreas bat, ich möchte doch auch meine eigene Meinung aussprechen. Ich sprach: „Gnädige Herren und geliebte Brüder: Wiewohl die Brüder große und bedeutende (gewichtige) Gründe haben, um deren willen sie es gern möchten, daß ihre dem Könige übergebene Confession von Euch Allen angenommen würde, von welchen Gründen sie einige Euch im Schreiben hier mittheilten, von denen andere, besondere, auch ich von ihnen vernommen habe, so glaube ich dennoch, weil die Brüder besonders sich Mühe geben und wünschen, es möge die Kirche Gottes erbaut und gemehrt werden, daß, wenn sie wirksam von Euch in Erfahrung bringen, daß Ihr größere und gewichtige Veranlassung dazu habt, die Confession, von Allen gemeinschaftlich zur Einigung und Mehrung der Kirche Gottes veröffentlicht zu sehen, sie nichts dagegen haben werden. Auch ich, weil ich die züricher Confession schon lange vorher gelesen und mich überzeugt habe, daß sie lauter und unsere eigene ist, aus der unsern, etwas ausführlicher und deutlicher in derselben Weise zusammengetragen, tadele sie nicht, sondern nehme sie als die wahrhafte und eigene an." Das hörten sie mit großer Freude, und besonders der Herr Wojewode von Krakau, dem vor Freude sogar die Thränen von den Augen fielen. Darauf hatte ich mich auf etwas Nothwendiges besonnen, und sogleich hießen sie mich reden: „Gnädige Herren sagte ich geruhet zu bemerken, daß ich diese Confession Ew. Gnaden auch für unsere eigene in der Weise bezeugt habe, daß die Brüder nach ihrer Annahme ihre erste zu verwerfen nicht verpflichtet seien, vielmehr daß sie bei ihr wie früher verharren können.“ Darauf antwortete der Herr Wojewode von Krakau: „im Gegentheil, wir werden die Brüder bei ihrer eigenen Confession belassen; bewahre Gott, daß wir von den Brüdern fordern sollten, sie hätten bei ihrer ersten Confession nicht zu bleiben. Dies fügte ich neben anderen Gründen deshalb bei, damit die Brüder, bei der eigenen Confession verbleibend, sich zu dieser allgemeineren halten, aber bei den in ihren Kirchen üblichen Gebräuchen und besonders bei der Kirchenzucht verbleiben könnten.“ Dafür erklärten sich alle und besonders der Herr Wojewode von Sendomir: „Wahrlich auch wir werden in Zukunft Sorge dafür tragen, daß auch unter uns das Kirchenregiment und die Kirchenzucht eine bessere Verfassung erhalte.“

 

Nun waren aller Augen auf die Lutheraner gerichtet. Erstlich erinnerte der Herr Wojewode von Krakau, sie möchten die vorzüglichste Rücksicht auf den Ruhm Gottes, auf die Mehrung der Kirche und ihre Erhaltung nehmen. Sie möchten sich durch die Augsburgsche Confession nicht hindern lassen, sie sei in der That in vielen Stücken unvollkommen. Ich weiß, wer sie und unter welchen Umständen geschrieben, welches das Urtheil würdiger Männer über sie ist, und daß in ihr noch viel Päpstisches vorliegt." Eine längere Rede hielt der Herr Wojewode von Sendomir: „Wohl weiß ich," sagte er, „daß Ihr es seid, Abgeordnete und Brüder, die Ihr uns in den Heilswahrheiten leiten sollt, aber ich weiß es auch, daß Gott der Herr uns Euch zu Patronen und Beschützern gegen die Feinde gegeben hat. Es ist die uns eigene Pflicht, zur Ehre Gottes Euch zu schützen. Und darum bitte ich, daß Ihr gebührende Acht auf Alles haben wollet. Nicht, daß Ihr Euch nur darum Mühe geben wolltet, das Wort Gottes getreu in der Kirche zu predigen, handelt vielmehr also, damit Ihr auch mir kein Aergerniß gebet, wenn ich Eure Unachtsamkeit und Euren Undank erkennen sollte. Denn Ihr wißt nicht, was vorgeht, was für Arbeitslast wir beständig Euretwegen gegen die wachsamen Feinde haben. Eure Herren aus Großpolen helfen uns gar Nichts, besuchen die Reichstage nicht. Wir allein wachen zur Ehre Gottes über Euch; möchtet Ihr wenigstens einige Rücksicht auf uns nehmen. Handelt so, daß Ihr nicht auch uns mit solcher Last darniederbeuget. Wir wissen, was wir thun, es geschieht nach reiflicher Erwägung und aus gewichtigen Gründen von uns zum Nutzen der Kirche Gottes und um der Eintracht willen, und einigen wir uns, dann ist große Hoffnung vorhanden (das möge übrigens von Euch nicht weiter gesagt werden) in Betreff des Königs unseres Herrn, daß er unsern Glauben annehme. Welche Freude für alle Guten, welcher Gram wird den Feinden, denen wir gleichsam fast alle Pläne vernichten, aus unserer Einigung erwachsen. Gedenkt um Gotteswillen! um was es sich für uns handelt und neigt Euch zur Eintracht und gegenseitigen Liebe, die uns Gott vor Allem befohlen hat.“ So sprach er mit besonderm Ausdrucke, erröthend die Thränen zurückdrängend, welche sodann, in Rührung vergossen, seiner Rede ein Ende machten. Auch der Herr Wojewode von Krakau half ihm fleißig weinen. Weiter weiß ich hier nichts zu sagen, denn zuweilen wußten wir selber nicht, was vorgehe. Mit einem Worte, jene Vereinigung überraschte uns, mit wunderbarer Schnelligkeit die Hindernisse aus dem Wege räumend.

 

Nach dieser unserer freudigen Vereinigung und auf die eindringlichen Reden der Herr Wojewoden, fingen die Gebrüder Gliczner an, einen andern Sinn zu zeigen und ein wenig schwankend und ungewiß, was zu thun sei, neigten sie sich unseren Plänen zu. Da sie wahrnahmen, daß wir uns mit den Krakauern verbanden und dennoch bei unserer Confession und Disciplin verblieben, rückten auch sie damit hervor, daß sie bei ihrem Glauben verbleiben wollen; da sie aber nach den Worten des Herrn Wojewoden von Krakau nicht ferner die sächsische Confession empfehlen, noch auch die helvetische annehmen wollten, fingen sie darüber zu berathen an, daß von allen gemeinschaftlich ein andere, eigentlich polnische, abgefaßt werden möge. Und damit bekannten sie sich ziemlich unvorsichtig zugleich dazu, daß sie sich mit uns verbinden. Jenes Abfassen einer neuen Confession wurde ihnen von den Herren Wojewoden zugestanden und beschlossen, sich bald, zu Pfingsten, in Warschau zu versammeln, weil die Herren Patrone sich daselbst zahlreich einfinden würden. Ob dies aber nothwendig sei? darüber blieb einiger Zweifel übrig. Inzwischen beschloß man, für jetzt, zum Beweise dieser Einigung, einen Rezeß, gleich dem in Wilno gemachten, in welchem ein Consensus in dem die Sakramente Berührenden enthalten war, abzufassen. Wer ist im Stande unsere Freude zu beschreiben? Am sichtbarsten jedoch war sie auf dem Antlitze beider Wojewoden; nachdem wir aus der Herberge des Herrn Wojewoden gegangen, theilten wir sie (die Freude) Allen mit. Nun nahm mich der Herr Wojewode von Sendomir dem Krakauer und dem Iwan mit Gewalt zu Tische weg und überhäufte mich vor Herrn Bniński mit großen Lobsprüchen. Bei Tische unterhielten wir uns über die Kirchenzucht.

 

Nachmittags, in der Sitzung, theilten wir öffentlich mit, wie die Sache stehe. Darauf fand Prüfung der zu dieser Vereinigung Gehörigen statt, wobei die Wojewoden Verwahrung einlegten, daß sie die in den Hauptsachen Irrenden nicht vertheidigen würden. Da wurde Alexander (Vitrelinus) wegen Tritheismus verdammt. Andere Verdächtige kehrten zur Kirche zurück und thaten Buße. Und dieses waren sieben Geistliche, welche die Lehre Stankaris aufgaben und bekannten, daß der Mensch Christus unser Mittler beim Vater sei, so daß seine Menschheit zur Würde und Genüge des Mittleramtes Grund nehme und habe von seiner Gottheit. Als die Synode auseinander ging, versammelten wir uns, um den Receß, dessen Formel Trecius und Tenaudus schon aufgesetzt hatten, niederzuschreiben. Es versammelten sich: Herr Iwan, Pfarrer Sarnicki, Pfarrer Andreas, die Gliczner und ich, Simon Theophil Turnowski. Wir arbeiteten den Titel und etwas im Texte aus. Am 13. April. Zuerst ging ich zu denen, die den Receß aufsetzten; in demselben verbesserten wir Einiges. Als wir uns vollständig zur Sitzung versammelt hatten, hielt Sylvius eine Anrede an uns und wünschte uns Glück zu den guten Anfängen der Einigung. Darauf wurde der Receß, die Einigungsformel, vorgelesen. Nach der Vorlesung forderte Erasmus, der Receß möge ihnen zur Durchsicht gegeben werden, da sie bemerkten, er sei ein wenig anders als der gestrige. Der Receß wurde ihm sonach auch gegeben, und sie gingen mit demselben und Herrn Bninski heraus. Unterdessen, da die Sachsen mit dem Recesse noch nicht wiederkamen, wurde über die Ordnung der Kirchen, von Vertheilung der Geistlichen in die Parochieen, über die Eintheilung in Distrikte u. s. w. verhandelt. Inzwischen kamen die Lutheraner mit dem Recesse und proponirten dies Beides: 1) Sie möchten einige nöthige Worte beifügen; 2) es möge ein ganzer Artikel aus der sächsischen Confession aufgenommen werden. Hierüber wurde von beiden Seiten tüchtig gestritten. Unterdessen trat Pfarrer Stanislaus Marcian, ein Botschafter aus Litthauen, herein und übergab einen Brief vom Fürsten Andreas Wiśniowiecki im Namen der Gemeinde zu Dziewałtow. ‒ Nach dieser Botschaft war ein großer Streit mit den Lutheranern über die wirkliche Gegenwart des Leibes Christi im heiligen Abendmahle. Da sagte Herr Miękicki zu den Lutheranern: Liebe Herren Brüder! Wundert Euch nicht, daß wir uns so sehr gegen Euch stemmen, denn wisset, daß es uns hier darum geht, wie Boy zum Krakauer Bischofe gesagt hat: „Wenn ich glauben soll, daß hier der ganze Christus ist, fürchte ich, ich möchte an seinem Schienbeine ersticken.“ Man bestand darauf, daß ausgelöscht würde das Wort „des Fleisches“ und gesetzt würde die wirkliche (wesentliche) Gegenwart Christi. Dann fanden verschiedene kirchliche Berathungen jene Gemeinden, Geistliche, Schule betreffend, statt. Die Herren Wojewoden erklärten sich bereit, jedes Jahr zur Schule 100 Gulden zu geben. Die Senioren aber sollten in den Pfarreien darauf achten, was von den Einkünften über ein geziemendes Auskommen hinausgehe, und das solle zur Unterstützung ärmerer Geistlichen und zur Gründung von Schulen, namentlich einer, die sie an einem bestimmten Orte anlegen werden, angesammelt werden. Das wurde auf der Synode abgehandelt und festgesetzt während meiner Abwesenheit, denn ich war weggegangen, um die Verhandlung oder Disputation, die ich mit Alexander halten mußte, abzuschreiben, denn die Synode versprach, sie seinen Zuhörern zu geben, mir aber wurde befohlen, sie ihnen aufzuschreiben.

 

Inzwischen brachte man 4 Exemplare des abgefaßten Rezesses, unter welche sie sich unterschrieben; da ich aber abwesend war, ließen sie mich suchen, damit ich auch unterschriebe. Ich fürchtete mich dies zu thun, da ich von den Brüdern diese Befugniß nicht erhalten hatte, und suchte mich, angelangt, damit auszureden, daß ja schon der Bevollmächtigte der Brüder unterschrieben habe, ich aber nur mit Briefen angelangt sei. Trotz dem aber drängten sie mich, und der Herr Wojewode von Sendomir sagte: Wir halten Dich nicht für einen Briefboten, sondern für einen Legaten der Brüder; es kann nicht anders sein, du mußt unterschreiben.

 

Am 14. April war Versammlung, und in derselben fand gegenseitige Beglückwünschung, Dank und Lob Gottes und Gebet statt. Hier wurden auch Verwahrungen eingelegt, daß bei diesem Rezesse beharrt und nach ihm von Allen verfahren werden solle. Auch Erasmus erklärte, daß sie (nämlich die Lutheraner) mit den Brüdern in Freundschaft, Liebe und Eintracht leben wollen, und zur Bekräftigung dieses, wolle er, daß sie sich gemeinschaftlich mit den Brüdern, die immer das Wohl der Kirche Gottes und die Ehre des Herrn suchen, in Posen versammeln möchten, daß sie diesen Frieden gern annehmen und sich mit ihnen vereinigen werden. Darauf gab man sich mit großer Freude gegenseitig die Rechte, dankte Gott, und reiste ein Jeder seines Weges von dannen.

 

 

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Nachdem man lange und oft mit den sectirischen Tritheiten, Ebioniten und Wiedertäufern 1) gestritten hat, und wir endlich durch Gottes Gnade aus so vielen großen Streitigkeiten und beklagenswerthen Zwisten erlöst worden sind, haben die polnischen reformirten und rechtgläubigen Kirchen, die, nach dem Vorgeben der Feinde der Wahrheit, und des Evangeliums, in einigen Punkten und Formeln der Lehre nicht übereinzustimmen schienen, für angemessen gehalten, aus Liebe zum Frieden und zur Eintracht eine Synode zu berufen, und eine vollkommene Uebereinstimmung auszusprechen. Wir haben daher eine freundschaftliche und christliche Unterredung gehalten und mit vereinigten Herzen folgenden Vergleich geschlossen."

Wie erstens nicht nur wir, die wir in dieser Synode unser Glaubensbekenntniß vorgelegt haben, sondern auch die Böhmischen Brüder, nie der Meinung gewesen sind, daß die Anhänger der Augsburgischen Confession anders als fromm und rechtgläubig von Gott, der heiligen Dreieinigkeit, der Menschwerdung des Sohnes Gottes, wie auch von unserer Rechtfertigung und andern Hauptsagungen unseres Glaubens lehren, so haben auch diejenigen, die der Augsburgischen Confession folgen, aufrichtig bezeugt, daß sie weder in dem Bekenntnisse unserer Kirchen,

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1) So wurden die Anti-Trinitarier genannt.

 

 

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noch in dem Glaubensbekenntnisse der Böhmischen Brüder, die einige unkundige Leute Waldenser nennen, irgend eine Lehre von Gott, der heiligen Dreieinigkeit, der Menschwerdung des Sohnes Gottes, der Rechtfertigung und andern Hauptsäßen des christlichen Glaubens finden, welche von der rechtgläubigen Wahrheit und dem reinen Gottesworte abwiche. Wir haben uns wechselseitig das heilige Versprechen gegeben, daß wir einmüthig nach der Vorschrift des göttlichen Wortes diesen Vergleich über den reinen und wahren christlichen Glauben gegen die Päpstler, die Sectirer und alle andern Feinde des Evangeliums und der Wahrheit vertheidigen wollen."

 

Was nun den unglücklichen Streit über das Abendmahl des Herrn betrifft, so sind wir übereingekommen, an dem Sinne der Worte unseres Herrn Jesu Christi festzuhalten, wie dieselben von den Kirchenvätern, besonders von Irenäus, rechtgläubig ausgelegt worden sind, indem dieser sagt, daß jenes Geheimniß aus zwei Dingen, einem irdischen und einem himmlischen, bestehe. Wir behaupten nicht, daß nur die Elemente oder bloße leere Zeichen da sind, sondern daß sie zugleich in der That dasjenige was sie bedeuten, den Gläubigen darreichen und durch den Glauben mittheilen. Wir sind, um bestimmter und deutlicher

 

 

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zu reden, übereingekommen, zu glauben und zu bekennen, daß die wesentliche Gegenwart Christi nicht nur bedeutet, sondern daß denjenigen, die das Abendmahl genießen, darin der Leib und das Blut des Herrn dargestellt, ausgetheilt und gereicht werde, indem die Symbole zu der Sache selbst kommen, und also nach der Natur der Sacramenie nicht bloße Zeichen sind."

 

Auf daß aber die Verschiedenheit der Redeweisen nicht Streit errege, so ist beliebt worden, außer dem unserem Bekenntnisse bereits einverleibten Artikel auch denjenigen aus dem Glaubensbekenntnisse der sächsischen Kirchen vom heiligen Abendmahle, das im Jahre 1551 der Kirchenversammlung zu Trient vorgelegt wurde, mit gegenseitiger Einwilligung aufzunehmen, in folgenden Worten: „Die Taufe und das Abendmahl des Herrn sind Pfänder und Zeugnisse der Gnade, welche uns an die Verheißung und ganze Erlösung erinnern, und zeigen, daß die Wohlthaten des Evangeliums für alle und jede gehören, die diese Gebräuche benutzen u. s. w." Ferner: „Es wird niemand zum Abendmahle gelassen, wenn er nicht zuvor von seinem Pfarrer oder dessen Gehilfen gehört und losgesprochen worden ist. Bei dieser Ausforschung werden die Unwissenden über die ganze Lehre befragt und unterrichtet, worauf die Vergebung der

 

 

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Sünden ihnen verkündigt wird. Auch werden die Menschen belehrt, daß die Sacramente von Gott eingesetzte Handlungen sind, und daß die Sachen selbst, außer dem angeordneten Gebrauche nicht die Eigenschaft eines Sacraments haben, daß aber bei dem angeordneten Gebrauche in der Communion Christus wahrhaft und wesentlich zugegen ist, und den Communicirenden Christi Leib und Blut wahrhaft gereicht wird, und daß Christus bezeugt, er sei in ihnen, und mache sie zu seinen Gliedern und habe sie mit seinem Blute gewaschen." Kurz alle Worte dieses Artikels. Wir haben auch geglaubt, es werde zur Befestigung dieser heiligen gegenseitigen Uebereinkunft dienen, daß, wie jene uns und unsere Kirchen und unser, auf dieser Synode vorgelesenes Bekenntniß und das Glaubensbekenntniß der Brüder für rechtgläubig erklären, auch wir gegen ihre Kirchen gleiche christliche Liebe hegen wollen und sie für rechtgläubig erklären. Wir wollen aufheben und in ewiges Stillschweigen begraben jene Streitigkeiten, Zerwürfnisse und Uneinigkeiten, durch welche seither der Fortschritt des Evangeliums nicht ohne großes Aergerniß vieler frommen Seelen gehindert, und unseren Feinden Gelegenheit gegeben ward, uns arg zu verläumden und unserer wahren christlichen Religion zu widersprechen, wir wollen uns vielmehr verpflichten,

 

 

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den Frieden und die öffentliche Ruhe zu befördern, gegenseitige Liebe uns zu erweisen, und gemeinschaftlich, unserer brüderlichen Vereinigung gemäß, uns bemühen, die Kirche zu erbauen."

Zugleich verpflichten wir uns, unsre Brüder mit allem Eifer zu überreden und sie einzuladen, diese christliche und einmüthige Uebereinkunft anzunehmen, zu erhalten, zu befördern und zu befestigen, besonders durch Anhörung des göttlichen Wortes, sowohl in der einen als der andern Gemende, und den Gebrauch der Sakramente, doch mit Beachtung der Ordnung in der Kirchenzucht und der Gebräuche jeder Kirche, indem wir diese Gebräuche und Feierlichkeiten bei unserer Uebereinkunft und Einigung jeder Kirche frei lassen. Es liegt nicht viel daran, welche Gebräuche beobachtet werden, wenn nur die Lehre selbst und der Grund unseres Glaubens und Heils rein und unverfälscht bleibt, wie denn auch die Augsburgische Confession und das sächsische Bekenntniß dies lehren, und wir in unserem, auf dieser Synode veröffentlichten Glaubensbekenntnisse es gesagt haben. Wir versprechen daher, uns einander wechselseitig mit gutem Rathe und Liebesdiensten beizustehen und alles zur Erhaltung und zum Wachsthume der frommen, rechtgläubigen und

 

 

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reformirten Kirchen im ganzen Reiche, in Lithauen und Samogitien, als Glieder eines Leibes beizutragen, und wenn jene die Berufung von General - Synoden beschließen, so sollen sie uns Nachricht davon geben und auch keine Schwierigkeiten machen, auf unseren Synoden zu erscheinen, wenn sie eingeladen werden und es nöthig sein sollte. Um aber dieser Uebereinkunft und Vereinigung gehörige Festigkeit zu geben, so glauben wir, es werde zur Erhaltung und Sicherung unserer brüderlichen Verbindung zuträglich sein, wenn wir irgendwo zusammenkommen, um aus unseren Glaubensbekenntnissen, wie uns die Feinde der Wahrheit dazu zwingen, einen kurzen Inbegriff der Lehre zu ziehen und zu veröffentlichen, damit wir feindselige Menschen zum Schweigen bringen, zu großem Troste der Frommen, und zwar unter dem Namen aller reformirten Kirchen in Polen, Lithauen und Samogitien, die mit unserem Glaubensbekenntnisse übereinstimmen."

 

Wir haben uns gegenseitig den Handschlag gegeben und heilig versprochen, den Frieden treulich zu halten und immer mehr zu befördern, und alle Veranlassungen zu Zerwürfnissen in der Kirche zu vermeiden. Endlich aber verpflichten wir uns, nicht auf unseren eigenen Vortheil zu sehen, sondern, wie es wahren Dienern Gottes ziemt, allein die Ehre unseres Heilands

 

 

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Jesu Christi zu befördern, und die Wahrheit des Evangeliums mit Worten und Werken auszubreiten. Und damit dies immer gedeihlich, fest und unverbrüchlich gehalten werde, bitten wir inbrünstig Gott, den Vater, den Urheber und reichen Quell alles Trostes und Friedens, der uns und unsere Kirchen aus den dichten Finsternissen des Papstthums gerissen und mit dem reinen Lichte seines wahren Wortes beschenkt hat, daß er den Frieden, die Uebereinkunft und Einigung, die wir geschlossen haben, zu seines Namens Ehre und zur Erbauung seiner Kirche segnen möge. Amen. Siehe, wie fein und löblich ist es, daß Brüder einträchtig bei einander wohnen. Psalm 133."

 

Diesen Vergleich unterschrieben folgende Personen: Stanislaus Myszkowski, Wojewode von Krakau; Peter Zborowski, Wojewode von Sendomir; Stanislaus Bniński, im Namen des Wojewoden von Posen, Lucas Górka, und des Kastellans von Gnesen, Joh. Tomicki; Stanislaus Chrząstowski; Sigismund Myszkowski, Starost von Oświecim; Erasmus Gliczner, Superintendent der lutherischen Kirchen in Groß-Polen; Nicolaus Gliczner, Senior dieses Bekenntnisses im Districte Posen; Andreas Prażmowski, Pfarrer des helvetischen Bekenntnisses zu Radziejow in Kujawien; Simon Teophil Turnowski, Diacon der Böhmischen Brüder; Stanislaus Sarnicki, Senior des helvetischen Bekenntnisses im Districte Krakau; Jacob Sylvius, Senior dieses Bekenntnisses im Distrikte Chęcin; Paul Gilowski, Senior dieses Bekenntnisses im Districte Zator und Oświecim; Matthäus Raków, Pfarrer in Kryłow; Stanislaus Jwan Karmiński; Daniel Chroblewski und Stanislaus Rożanka, Doctor, Räthe der Stadt Krakau; Christoph Trecius, Pfarrer des helvetischen Bekenntnisses in Krakau; Stanislaus Marcianus, Pfarrer der Kirche zu Dziewaltow; Valentin Brzozowski, Pfarrer in Dobrkow, Senior der Kirchen helvetischen Bekenntnisses in Podgorza; Andreas von Kruświc, Pfarrer dieses Bekenntnisses zu Lisowo in Kujawien; Peter Tarnowski, Pfarrer in Dembnica. Später unterschrieben diesen Vergleich Georg Israel und Johann Laurentius, Senioren der Böhmischen Brüder; desgleichen Procopius Broniewski, Fähndrich von Kalisch.

 

In Gemäßheit der auf der Synode zu Sendomir mit den Lutheranern genommenen Verabredung wurde am 18. Mai d. J. zu Posen eine Synode abgehalten, um den Vergleich von Sendomir zu bekräftigen. Auf derselben befanden sich: Lucas Górka, Wojewode von Posen; Johann Tomnicki, Kastellan von Gnesen; Andreas Lipczyński, Schöffe von Posen; Georg Israel, Johann Laurentius und Georg Filipeński, Senioren der Böhmischen Brüder; E. Gliczner, Senior der lutherischen Kirchen in Großpolen;

 

 

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N. Gliczner; Baltzer Eichner und Johann Enoch, Pfarrer der Böhmischen Brüder in Posen; Abraham Abdel, lutherischer Pfarrer in Posen; Valentin Cornelius, Rector der Böhmischen Brüderschule in Posen; Jacob Schwenk aus Oppeln, Rector der lutherischen Schule zu Posen; Zacharias Rydt und Stanislaus Storch, Bürger und Kaufleute zu Posen; Peter Rosteński, Lutherischer Pfarrer in Miłosław, Simon, Pfarrer dieses Bekenntnisses in Wilkowo, Joh. Turnowski, Pfarrer der Böhmischen Brüder in Barcin, Blasius Adamitius, Pfarrer dieses Bekentnisses in Samter, Lucas Jaraczewski, lutherischer Pfarrer in Samter, Elias Thesbita, Diacon der Böhmischen Brüder, Simon Teophil Turnowski, Diacon der Böhmischen Brüder, Jacob Tychicki, Diacon der Böhmischen Brüder an der Kirche zu Godzischewo. Von Seiten der Kleinpolen war niemand anwesend. 1) Auf dieser Synode handelte es sich noch um einige Bedenklichkeiten, besonders in Betreff der Liturgie und des heiligen Abendmahls, die auf der Sendomirschen nicht aus dem Wege geräumt worden waren; 2) als die Synode dieselben beseitigt oder vielmehr übergangen hatte, trug sie behufs Befestigung des Sendomirschen Vergleichs nöthige Bemerkungen zusammen, die bei allen Ausgaben des

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1) Die Kleinpolen helvetischen Bekenntnisses schickten aus dem Grunde Niemanden zur Posener Synode, da sie auf derselben durch die Geistlichen dieses Bekenntnisses in Kujawien vertreten wurden.

2) Die auf der Synode zu Sendomir und zu Posen so wie auf spätern Synoden erfolgte Verbindung der Kalviner und Böhmischen Brüder mit den Lutheranern war nur politischer Natur. So oft es sich um Verschmelzung dieser Bekenntnisse in eins handelte, traten die Lutheraner sofort zurück, bereit, lieber in Freundschaft den Katholiken die Hand zu reichen, als sich mit den Kalwinern und Böhmischen Brüdern zu verbinden. So geschah es auf dieser Posener Synode, als man von Seiten der Böhmischen Brüder über das hl. Abendmahl disputirte. „Atque" sagt Simon Th. Turnowski in der Beschreibung dieser Synode „fuit tum ibi acerrimum certamen, resque coepit ad pejus fere schisma vergere, quam antea fuit; minimusque jam inter concordiam et discordiam erat punctulus etc." Man mußte also bei einer blos politischen Verbindung stehen bleiben; aber auch diese, wiewohl oft erneuert, war nicht dauerhaft. Katholische Schriftsteller spotteten ihrer, so z. B. Jacob Wujek in dem Werke: Judicium, oder Urtheil einiger Katholiken über die diesjährige Sendomirsche Confession, in welchem das Falsche und die Irrthümer dieser Confession schlechtweg dargelegt werden und die Wahrheit der einen wahren allgemeinen römischen Kirche sich selbst vertheidigt 8°. A. Jurgiewicz in dem Werke: „Bellum quinti Evangelii; Cichocki in All. Osiec, und Andere. Die deutschen Lutheraner ärgerten sich über dieselbe; doch fanden sich über der Grenze Lutheraner, denen der Consens wohlgefiel. Der berühmte Georg Major sagt in einem an Joh. Laurentius, Senior der Böhmischen Brüder unter dem 6. Mai 1571 von Wittenberg aus geschriebenen Briefe unter Andern folgendes: O vos felices, per quos vel aliquis pius consensus in doctrina Christi constitutus est. Canes rabiosi, qui antea nos lacerarunt, nunc atrocius nos allatrant, et prorsus hanc scholam et Ecclesiam eversam cupiunt, quorum conatibus resistat is, qui verae Ecclesiae caput est etc."

 

 

 

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Sendomirschen Consenses unter dem Titel: „Verzeichniß der zur Befestigung des gegenseitigen am 14. April 1570 eingegangenen Vergleichs zu Sendomir nöthigen Artikel, zwischen den Geistlichen der Augsburgischen Confession und den der Böhmischen Brüder zu Posen am 20. Mai 1570 aufgestellt" angefügt sind. Diese bestehen aus 20 §§ und lauten wie folgt:

1. Den allgemeinen Sendomir'schen Vergleich, der im Jahre 1570 den 14. April in Betreff der Lehre des orthodoxen Glaubens, der gegenseitigen Eintracht und des Friedens zwischen allen Kirchen im Königreich Polen zu Stande gekommen ist, heißen wir gut und nehmen ihn aufrichtig an, versprechen auch Alle, ihn mit Gottes Hülfe zu halten.

2. Die Diener beider Theile sollen sowohl die Predigten in den Kirchen als auch die Sakramente in derjenigen Form und nach demselben Ritus, wie es bei ihnen üblich ist, halten und austheilen, und zwar ohne irgend eine Veranlassung zum Anstoß zu geben.

3. Wenn an einem Orte zwei Diener von beiden Theilen sind, oder wenn durch irgend einen Zufall einer mit dem andern zusammenkommt oder berufen wird, so sollen sie, ohne daß ein Verdacht des Anstoßes daraus hergenommen wird, sowohl der Predigt obliegen als auch die Sakramente verwalten und in gleicher und zwar reiner und heiliger Gesinnung die Ehre Gottes fördern.

4. Wo ein Pastor von dem einen Theil ist, darf der Patron dieses Orts einen Pastor des andern Theils zur Abhaltung des Gottesdienstes und zur Verwaltung der Sakramente ohne Einwilligung seines eignen Dieners nicht berufen und aufnehmen.

5. In Betreff des heiligen Abendmahls sind wir derjenigen Ansicht, welche in dem gegenseitigen Sendomir'schen Vergleich und in einem Artikel der Conf. Saxonica, die im Jahre 1551 an das Tridentiner Concil gesandt wurde, aufgezeichnet ist. Auch werden wir Ausdrücke, Worte und Erklärungen vermeiden, welche dem Worte Gottes, diesem allgemeinen Vergleich und auch dieser dem Tridentiner Concil zugesandten Confessio der sächsischen Kirchen fremd sind.

6. Die Diener und Zuhörer der einen Partei soll keine andere, sei es nun absichtlich oder gelegentlich, abwenden, sondern sie in der Gemeinschaft ihrer Partei befestigen und fördern.

7. Die Diener beider Parteien sollen ihre Zuhörer lehren, ermahnen und ihnen durch ihr pastorales Ansehen zur Pflicht machen, daß sie nicht die Kirchen der andern Confession in Bezug auf alle Punkte der Lehre und der Gebräuche zu verdammen,

 

 

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mit Worten oder irgend welchen Schriften zu schmähen wagen; sondern daß sie wohlmeinend darüber denken und sprechen.

8. Die von jedem Theil zu Senioren Eingesezten sollen gemeinschaftlich sich Mühe geben, diese Union zu fördern nnd andere Geschäfte der Kirche zu verrichten, indem sie, wenn es nöthig ist, 2 oder 3mal im Jahre abwechselnd an einem_bestimmten Ort zusammenkommen und über ihre gegenseitigen Pläne sich berathen.

9. Die Diener und Zuhörer des einen Theils dürfen mit den Dienern, Patronen und Zuhörern des andern Theils nichts auf Privatwegen über Aenderung in der Lehre, den Gebräuchen und Kirchengütern weder besprechen noch berathen, sondern sollen vielmehr rathen, wie jenes nach dem Urtheil der Diener ihrer Confession unversehrt bleibe.

10. Einstimmig halten wir dafür, daß die vom Worte Gottes verdammten Sünden sowohl in den öffentlichen Predigten als auch auf dem Privatwege mit allem Pflichteifer von allen Verkündigern des göttlichen Wortes gerichtet werden, wie Götzendienst, Mord, Geiz, Wucher, Zwistigkeiten, Hader, Schmähungen, Trunkenheit, Fresserei, Tanz, Hurerei, üppige Kleidung, fleischliche Begierden und alle Laster, von denen sowohl die Propheten als auch die Apostel und selbst der Heiland reden: Jes. 3. u. 5. Jer. 18. Ez. 6. Matth. 12. Marc. 7. Luc. 21. 1. Cor. 5. Gal. 6. Eph. 2.

11. Die Kirchenzucht wird nach dem Worte Gottes von Allen gebilligt, und wir urtheilen, es sei nothwendig, daß sie sowohl auf die sich versündigenden Geistlichen, als auch auf alle Glieder der Kirche ohne Ansehen der Person sich erstrecke, und daß sie geübt werde nicht nur mit Worten, sondern durch Vollziehung selbst und in Wahrheit nach dem Befehl des HErrn Jesu Christi und dem Beispiel der Apostel: Matth. 5. u. 18. Joh. 20. 1. Cor. 5. u. 2. Th. 3.

12. Gestattet ist diese Freiheit, daß die Diener und Glieder des einen Theils den Dienern und Gliedern des andern Theils, wo es nöthig ist, wegen der Frömmigkeit und Bußc Ermahnungen machen.

13. Jeder Pastor soll von seinen eignen Zuhörern und Schafen, die seiner Sorge zugehören, wissen, und für sie die wahre Seelsorge ausüben.

14. Die Diener beider Theile sollen die Zuhörer, welche von dem andern Theil zum Gebrauch der Sakramente kommen, nicht zulassen ohne ein Zeugniß desjenigen Pastors, dessen eigner Sorge sie unterworfen sind, mit Ausnahme bei feierlichen Zusammenkünften,

 

 

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bei einer allgemeinen Synode oder bei einer etwa eintretenden Reise.

15. Die durch die Schlüsselgewalt Christi von der einen Abtheilung Ausgeschlossenen sollen zum hlg. Abendmahl in der andern Abtheilung nicht zugelassen werden, wenn sie nicht vorher mit der Kirche, welcher sie Anstoß gegeben haben, ausgesöhnt sind.

16. Die Diener, welche in der einen Abtheilung pflichtmäßig abgesetzt oder ausgeschlossen worden sind, sollen von den Dienern der andern Abtheilung weder aufgenommen, noch absolvirt, noch in ihr Amt wiedereingesetzt werden, sondern von ihnen dem Urtheil der andern Abtheilung zur Aufnahme und Absolution überlassen werden.

17. Die Patrone der Kirche und die Beisitzer dürfen dem Diener wegen Veränderung oder Erneuerung der Ceremonie ohne Zustimmung der älteren Diener nichts vorschreiben.

18. Von den papistischen Ceremonien und Gebräuchen halten wir, daß sie allmälig aufgehoben und abgeschafft werden müssen, wie der Exorcismus, die Bilderanbetung, die Reliquien der Heiligen, der abergläubische Gebrauch der Leuchter, die Consecration der Kräuter, die Fahnen, die goldenen und silbernen Kreuze und dem Aehnliches, damit nicht dadurch das Wort entheiligt wird und es den Schein gewinnt, als ob wir dem Antichristen huldigten.

19. Wenn zwischen den Dienern beider Abtheilungen ein Streit in der Lehre oder im Ritus entstanden ist, so sollen sie sich bemühen, auf ruhige Weise denselben unter einander beizulegen, und wenn er unter ihnen selbst nicht beigelegt werden kann, so sollen sie sich darin das Urtheil und den Beschluß von der allgemeinen Synode aller Kirchen von Groß- und Klein-Polen erbitten und denselben als die gesuchte Wahrheit selbst wahrhaftig und von Herzen anerkennen und annehmen.

20. Diese Beobachtungen der Einigkeit und des gegenseitigen christlichen Vergleichs haben wir Alle in allen Kirchen Christi, die unserer Sorge in dem Königreich Polen unterworfen sind, mit Gottes Hülfe beständig zu halten und zu beobachten, durch Handschlag heilig versprochen und angenommen, und wir haben dies mit eigenhändiger Unterschrift gebilligt.

 

Diese Artikel wurden von einigen Geistlichen der Böhmischen Brüder und der Augsburgischen Confession, desgleichen auch von einigen weltlichen Personen beider Bekenntnisse unterschrieben. Am 28. ej. m. et. a. bestätigten beide Bekenntnisse den Sendomirschen Consens und diese Posener Vereinbarung in folgender Weise: die Böhmischen Brüder begaben sich gemeinschaftlich

 

 

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mit den Patronen 1) dieses Bekenntnisses an dem gedachten Tage frühmorgens aus ihren Kirchen auf der Vorstadt St. Adalbert gelegen, nach der lutherischen, die sich im Palaste der Górka auf der Wasserstraße befand. Hier hielt der Senior der Böhmischen Brüder Joh. Laurentius die Predigt in polnischer Sprache; Balthasar Eichner aber, Pfarrer dieses Bekenntnisses predigte deutsch. Nachmittags versammelten sich die Bekenner der lutherischen Lehre in ihrer Kirche und zogen in Prozession mit ihren Patronen Lucas Górka und Johann Tomicki in die Böhmischen Brüderkirchen; hier hielt in polnischer Sprache Nicolaus Gliczner, in deutscher Abraham Abdel die Predigt. Nach abgehaltenem Gottesdienste wurde der ambrosianische Lobgesang angestimmt und die Parteien gingen in christlicher Eintracht auseinander.

 

Noch in demselben Jahre am 4. Oktober hielten die Lutheraner und Böhmischen Brüder eine abermalige Synode in Posen ab. Veranlassung hierzu gab die kalvinische Gemeinde in Krakau, welche ihr von neuem aufgelegtes Bekenntniß dem Könige Sigismund August widmete. 2) Die großpolnischen Lutheraner sahen diesen Schritt der Krakauer Gemeinde als dem Sendomirschen Vergleiche zuwiderlaufend an, und Erasmus Gliczner warf ihn in der Eröffnungsrede der Synode mit herben Worten den Böhmischen Brüdern vor. Gleichwohl beruhigte der Senior der Böhmischen Brüder Joh. Laurentius, indem er die Krakauer Gemeinde gegen den Vorwurf entschuldigte, die Lutheraner vollständig. 3)

 

Die Vereinigung der polnischen Dissidenten auf den Synoden zu Sendomir und Posen im Jahre 1570 war um so nöthiger für ihre Kirchen in Großpolen, als sie in Kurzem mit gemeinschaftlichen Kräften in Kampf zu treten hatten gegen einen neuen, und wie die Folgezeit lehrte, sehr gefährlichen Feind. Dieser Feind waren die Jesuiten. Die Regierung Sigismund August's, fruchtbar an so großen Ereignissen, ist zugleich denkwürdig

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1) Patrone nannte man bei den Lutheranern, Kalvinern und Böhmischen Brüdern die namhaftesten Personen adlichen Standes, welche zu einer Gemeinde gehörend, sich derselben, namentlich in Sachen ihre Sicherheit und Wohlfahrt anlangend, annahmen.

2) Der Titel dieses Werkes ist folgender: Confessia wiary powszechney kościołów krześciańskich polskich, krótko a prostemi słowy zamkniona, wedle podania Apostolskiego i starych Doktorów etc. W Krakowie drukował Maciey Wirzbięta Typograph Króla Jego Mci 1570 8° Sig. Q 4. Die Dedication an Sigismund August unterzeichneten sie: Getreue Unterthanen, Bekenner der Religion Christi in Königreich Polen.

3) Simon Theophil Turnowski in der Vertheidigung des Consensus; D. E. Jabłoński in der Geschichte des Consensus Sendomiriensis.

 

 

 

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durch die bei uns erfolgte Einführung des Jesuitenordens. Stanislaus Hozyusz, der sich mit dem Berufe und den Institutionen dieser geistlichen Gesellschaft bekannt gemacht hatte, erkannte sie für geeignet, der sich ausbreitenden Reformation in Polen einen undurchdringlichen Damm entgegen zu setzen. Im Jahre 1566 aus Italien und andern Ländern durch ihn nach Braunsberg eingeführt, rechtfertigten sie sogleich die auf sie gestellten Hoffnungen ihres Wohlthäters. Ihr Ruf breitete sich in Kurzem bei den katholischen Bewohnern Großpolens aus. Der Bischof von Posen, Konarski, dem durch die Reichstage zu Piotrkow von 1552 und 1565 beim Verfolgen Andersgläubiger in seinem Sprengel die Hände gebunden waren, der auch keine große Hilfe bei der Weltgeistlichkeit und in der von seinem Vorgänger gehobenen Posener Schule fand, beschloß auf Anrathen des päbstlichen Legaten bei Sigismund August, Vincent Plotinus, ein Jesuitencollegium in Posen zu gründen. Um sich mit eigenen Augen von den Institutionen und den Verdiensten dieses Ordens um den katholischen Glauben zu überzeugen, reiste er absichtlich nach Braunsberg. Von dort zurückgekehrt, bewog Konarski den Magistrat der Stadt Posen, den von Braunsberg eingeführten Jesuiten die St. Stanislauskirche, welche der Bischof Lubrański aus eigenen Mitteln für gealterte und gebrechliche Geistliche erbaut hatte, sammt zweien Spitälen und der St. Gertraudenkapelle, so wie auch mit der auf dem Kirchhofe von Maria Magdalena stehenden, gemauerten städtischen Schule, mit Gebäuden und Platz, zu schenken. Außerdem überließ der Bischof den Jesuiten seine eigene Bibliothek und vier bischöfliche Tischdörfer, nämlich: Zemsko, Kiełczewo, Bochlewo und Tokarki. Für alle diese Gaben behielt er sich nur eine Stiftung für zwei Schüler aus seiner Familie, oder auch aus der der Habdank 1) vor.

 

Die großpolnischen Dissidenten, welche sehr wohl erkannten, welch gefährliche Gäste der Posener Bischof für sie eingeführt habe, gaben sich alle Mühe, durch die Magnaten ihres Bekenntnisses, namentlich durch Lucas Górka, den Wojewoden zu Posen, dem Plane des Bischofs zu begegnen 2). Aber Konarski, der großen Einfluß bei Hofe hatte, vermochte die Umtriebe der den Jesuiten, die bereits gut an Sigismund August, noch besser aber der Prinzessin Anna empfohlen waren, feindlich Gesinnten zu hintertreiben. Kaum hatten die Jesuiten, daß ich so sage, festen Fuß in Posen gefaßt, so gingen sie auch sofort an Ausführung

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1) Städtisches Archiv. Treter in den Lebensbeschreibungen der Posener Bischöfe; Markiewicz in seinen vermischten Schriften und Andere.

2) Niesiecki: Korona polska.

 

 

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eines der hauptsächlichsten Mittel ihres Berufes, nämlich an Eröffnung der Schulen. Diese auszuführen gelang ihnen um so schneller und um so leichter, als sie ja gleich Anfangs mit zureichenden Mitteln versehen waren. Ihr erster Rector war der berühmte Jacob Wujek, und nach seinem Abgange nach Wilno Johann Konarius, aus Peysern gebürtig. Sie eröffneten ihre Schule zu Posen am 25. Juni 1573. 1) Doch wir müssen auf einen Augenblick unsere Aufmerksamkeit nach einer andern Seite wenden.

 

Im Jahre 1572 starb Sigismund August. Dieser Monarch gab in dem ganzen Verlaufe seiner Regierung zahlreiche Beweise dafür, daß er der Reformation wohlwolle. Die polnischen Dissidenten, aus denen der ganze Senat und die Landbotenkammer in den lezten Regierungsjahren dieses Königs bestanden, fanden sich, da sie unter dem Nachfolger Sigismund Augusts Verfolgung befürchteten, zahlreich auf dem Convocations-Reichstage ein, und nachdem sie am 28. Januar 1573 eine Conföderation geschlossen, nahmen sie folgenden Act auf: „Weil in unserer Republik nicht wenig Uneinigkeit (dissidium) in Sache der christlichen Religion gefunden wird, so geloben wir uns für uns und unsere Nachkommen auf ewig, um vorzubeugen, daß nicht dieserhalb zwischen den Bewohnern schädlicher Aufruhr entstehe, wie wir solches in andern Reichen deutlich sehen, eidlich, auf Treue, Ehre und Gewissen, daß wir, die wir in Religionssachen dissentiren (qui sumus Dissidentes in Religione), Frieden unter uns bewahren und, verschiedenen Glaubens der Veränderung in den Kirchen wegen, weder Blut vergießen, noch Strafen durch Confiscation der Güter, durch Infamie, Gefängniß, Landesverweisung verhängen wollen. Auch wollen wir keiner Obrigkeit und keinem Amte zu derartigen Verfahren auf irgend eine Weise Hilfe leisten; im Gegentheil, wenn Jemand es (Blut) ex justa causa vergießen wollte, so sollen wir Alle uns zu widersetzen gehalten sein, wenngleich er solches unter dem Vorwande eines Decrets, oder irgend eines Gerichtsverfahrens thun wollte.“ Durch denselben Act 2) sicherte man die Macht der Herren über ihre Unterthanen, ja

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1) Wujek in: Dialisis.

2) Diese Warschauer Conföderation rief sehr viele Schriften, sowohl von Seiten der Katholiken, als auch von Seiten der polnischen Dissidenten hervor. Diese Schriften sind heut zu Tage sehr selten; deshalb thue ich wohl kaum etwas ungehöriges, wenn ich an dieser Stelle einige mir bekannte namhaft mache:

 

Katholische Schriften gegen die Conföderation.

1. Stanislai Hosii, Cardinalis Episcopi Varmiensis Examen seu discussio Articuli Confoederationis Serenissimo Henrico Poloniarum Regi per Haereticos ad approbandum propositi.

2. Stanislai Hosii etc. Altera Excussio eiusdem Confoederationis.

(Diese beiden Schriften finden sich in dem 2. Theile der Sammlung seiner Schriften auf Seite 454 und 459.)

3. Rozmowa o Confoederaciey W Krakowie, w Drukarni Łazarzowej, Roku Pańskiego 1592. 4° 37 Seit. Es ist dies ein in Versen geschriebener Dialog eines gewissen M. P., in welchem der Verfasser einen sich mit einem Priester über die Warschauer Conföderation unterhaltenden Landmann einführte.

4. Proces Confoederaciey. Roku Pańskiego 1595. 4°Sign. E 111. Verfasser dieser Schrift ist der berühmte Jesuit Peter Skarga. Wiederabgedruckt wurde sie in allen Ausgaben seiner Werke.

5. Proces na Confoederacyą z poprawą i odprawą przeciwnika, który się ozwał ganiąc wywody przeciw tej confoederacyi, któremi się ona słusznie umarza. Roku Pańskiego 1596. 4° 70 Seiten. Verfasser dieser Schrift ist Peter Skarga. Man druckte sie in allen Ausgaben seiner Werke wieder mit ab.

6. Deklaracya Confoederaciey z Praw koronnych, z Constytucyi seymowych i z Przysiąg królewskich. Przez Szlachcica Polskiego w Roku MDCVII napisane. A teraz znowu przedrukowane. W Krakowie 1632. 4° 24 Seiten.

 

Dissidentische Schriften.

1. Podpora Confoederaciey. Przeciw Wierszom podanym w Rozmowie Ziemianina z Xiędzem o iéy zniszczeniu. Anno 1595 4to Sig. F.

2. Obrona przeciw Processowi Confoederaciey, theraz pod Seymem Krakowskim wydanemu, w którym iest iasne okazanie, że Ewangelicy Confoederaciey się upominaiąc, nie żadney inszéy rzeczy żądaią y pragną iedno samego pokoiu.

3. Obrona powtórzona Confoederaciey y Processu, napisana naprzeciwko xiąszce nieiakiey, pod Tytułem Processa na Confoederacia, 8 poprawa y odprawą, pod Seymem walnym koronnym Warszawskim Roku tego 1596 wydaney. 4to. Sign. F. 4. s. 1. et Anno.

4. Appellatia, którą się popiera y znowu wywodzi Obrona dołożna Confoedaratiey Królestwa Polskiego, z okazaniem pewnem, że Evangelicy Augspurskiey Confessiey tu w Polszcze, w Litwie, w Prusiech, y wszędzie w Państwie Korony Polskiey, w miastach koronnych stołecznych, y innych: słusznie, potrzebnie, według woli Bożey, nauk Evangeliey Christusowey uczą, Sacramenta a nabożeństwo prawdziwe sprawaią. A isz samisz Doctorowie Kościoła Rzymskiego, około obłądzenia tegosz Kościoła swego, y tesz o Nauce y Nabożeństwie prawdziwem, nas Evangelików, iasne prawdy przyznania czynią. Skąd się pokazuie, że niesłusznie Duchowieństwo Kościoła Rzymskiego, nauki tych Evangelików gania, iey wyznawce trapią, kościoły im biorą, Kaznodzieie y lud wierny prześladuią. Przez Erasmusa Glicznera, Sługę Christusa Pana y Kaznodzieię Jeymości Paniey a Paniey Zophiey z Zamościa Działyńskiey, Podczaszyney koronney, Brodnickiey Starościney, napisana y wydana. (Am Ende:) Drukowano w Króliewcu u Jerzego Osterberga, Roku Pańskiego 1598. 4to, Y y.

 

 

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sogar in Glaubenssachen, und schloß die Kirchen und Beneficien adliger Collatur unter der Bedingung aus, daß sie nur katholischen Priestern gegeben würden. Diesen Act unterzeichneten unter Andern drei Bischöfe. An diesen Verhandlungen hatten die großpolnischen Böhmischen Brüder, deren Glaubensgenossen,

 

 

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einige tausend Köpfe stark, sich auf den Convocations- und Elections-Reichstagen zu Warschau versammelt hatten, keinen geringen Antheil.

 

Trotz der Betriebsamkeit der Dissidenten, welche auf dem polnischen Throne gern einen Dissidenten sehen wollten, wurde Heinrich von Valois zum Könige von Polen erwählt. 1) Unter zwölf Gesandten, welche sich nach Paris begaben, um ihn auf den polnischen Thron einzuladen und von ihm den Eid auf die Pacta conventa entgegenzunehmen, befanden sich mehrere Dissidenten, als: Johann Firlej, Wojewode von Krakau, Johann Zborowski, Starost von Odalanow, Johann Tomicki, Kastellan von Gnesen, Andreas Górka, Kastellan von Meserit, und andere. Diese setzten es, trotz der Ränke Roms und der Protestation ihrer Collegen katholischen Bekenntnisses, durch, daß Heinrich den in den Pactis conventis enthaltenen, allen christlichen Bekenntnissen in Polen Freiheit wahrenden Artikel beschwor. 2)

 

Im Jahre 1573 am 29. September vor der Ankunft Heinrichs in Polen, hielten die Kalviner, Böhmischen Brüder und Lutheraner eine Synode in Krakau ab, auf welcher sich folgende Personen befanden: Johann Firlej aus Dąbrowica, Kronmarschall und Wojewode von Krakau, Stanislaus Słupecki, Kastellan von Lublin, Johann Tarlo, Kastellan von Radom, Hieronymus Bużenski, Kronschagmeister, Sigismund Myszkowski, Starost von Oświecim, Stanislaus Garnysz, Truchseß von Krakau, Leonhard Strasz, Burggraf von Krakau, Stanislaus und Johann Płaz, Andreas Firlej, Sohn des Wojewoden von Krakau, Nicolaus Koniecpolski, Nicolaus Dłuski, Hieronymus Gostomski, Unterburgrichter von Krakau, Johann Pakowski aus Pakowic, Matthaeus Lowiennicki, Marianus Przyleński, Burggraf des krakauer Schlosses, Valentin aus Brzezin, Stanislaus Karminski Jwan, Johann Zebrzydowski, Stanislaus Sudrovius, Pfarrer an der kalvinischen Kirche zu Wilna, Georg Israel, Johann Laurentius und Johann Rokita, Senioren der Böhmischen Brüder, Erazmus Gliczner, lutherischer Senior in Großpolen, Johann Enoch, Pfarrer der Böhmischen Brüder in Posen, Paul Gilowski, Senior des helvetischen Bekenntnisses im Distrikte Zator, Andreas Prażmowski, Pfarrer in Radziejow,

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1) Gratiani erzählt im Leben Commendoni's, woraus sich Auszüge in Niemcewicz Denkwürdigkeiten des alten Polens befinden, ausführlich, welcher Mittel dieser schlaue Italiener sich bedient habe, um den Plan der Dissidenten, einen Kalviner auf den polnischen Thron zu sehen, zu vereiteln.

2) Alle nachfolgenden polnischen Könige beschworen diesen Artikel in den Pactis conventis, aber nach Sigismund III. stand es schon nicht mehr in ihrer Macht, den Dissidenten Frieden zu sichern.

 

 

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Thomas Golecki, Pfarrer in Wilna, Valentin aus Brzozowo, Senior des helvetischen Bekenntnisses im Distrikte Podgórze, Peter Luncki, Senior dieses Bekenntnisses im Distrikte Rawa, Georg Pontanus, Senior im Lubliner Distrikte, Stanislaus Czasłowski, Pfarrer helvetischen Bekenntnisses in Korytnica, Simon Theophil Turnowski, Pfarrer der Böhmischen Brüder in Lutomirsko. Auf dieser Synode wurden zuerst der Sendomirsche Vergleich vom Jahre 1570 bekräftigt und die Beschlüsse der Posener Synode vom 20. Mai 1570 bestätigt, dann nahm man einige frühere Bestimmungen der Synoden zu Xiąż und Włodzisław, z. B. den Beschluß über Einsetzung eines geistlichen Seniors in jedem einzelnen Distrikte, über Ernennung zweier oder dreier Senioren weltlichen Standes in jedem Distrikte, über die Pflichten dieser Senioren, über die Zusammensetzung der Synoden, über die Geistlichen und ihre Pflichten, über Sittenbesserung in allen Ständen, an. Die Bestimmung, welche sich auf diesen letztern Gegenstand bezieht, ist so empfehlend für ihre Urheber, daß ich mich nicht enthalten kann, sie den Lesern mitzutheilen:,,Eingeschränkt und gezügelt sagt die Synode zu Włodzisław sollen werden alle Laster, alle schwelgerischen Schmausereien, Fressen und Saufen, Fluchen, Tanzen, Hochmuth und Kleiderpracht, welche die Leute jeglichen Standes an allen Orten, besonders aber bei heiligen Versammlungen, damit kein Aergerniß gegeben werde, zu vermeiden haben. Hochzeitsfeierlichkeiten sollen in höchster Ehrbarkeit, in Mäßigung und heiliger Sitteneinfalt gefeiert werden. Die öffentlichen Gasthäuser oder Schänken sollen ehrbare Häuser sein, in Allem wohl eingerichtet und also versehen, daß Trank und Nahrung und alle Bedürfnisse für Reisende und Einheimische in ihnen gefunden werden können. Daß in ihnen keine verdächtigen Zusammenkünfte von Mädchen und anderen Frauenspersonen, und namentlich nicht bei Nachtzeit stattfinden, darauf sollen die Herren halten und strenge sowohl Tanz als Kartenspiel und ähnliche Laster verbieten. Auf die Untergebenen sollen die Vorgesezten höchste Rücksicht haben, damit ihre Unterthanen von ihnen und ihren Beamten sich christlicher Liebe und Wohlwollens zu erfreuen haben. Man belaste sie nicht mit übermäßiger Arbeit und gönne ihnen Erholung und Erlaß. Man fordere von ihnen zwei, höchstens drei Tage wöchentlich Frohndienste, aber nicht mehr. Den Zins und andere Abgaben ziehe man von ihnen gerechter und milder Weise ohne Druck und Erpressung ein. Ja, es sollen sich die Herren gegen ihre Untergebenen so erweisen, wie sie selbst es sich wünschen würden, wenn sie an der Stelle dieser ihrer Nächsten wären. An Sonntagen sollen die Herren auf ihren

 

 

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Besitzungen Handel und Kirmesse nicht gestatten, auch sollen sie ihre Unterthanen durch keinerlei Hand- und Spanndienste beschweren." Alle diese Bestimmungen gingen nur die Kalviner an; Lutheranern und Böhmischen Brüdern ließ man die Freiheit, ihre eigenthümlichen Sitten beizubehalten.

 

Einige Wochen nach der krakauer Synode hielten die Böhmischen Brüder zu Posen am 18. November d. J. eine Synode ab, auf welcher sich auch Erasmus Gliczner, der Senior der lutherischen Kirchen in Großpolen, befand. Nachdem man auf dieser Synode alle Vereinbarungen zwischen den Dissidenten, mit der Sendomirschen Synode beginnend, bestätigt hatte, verabredete man auch, daß, wenn Heinrich von Valois durch Polen reisen werde, sich die Dissidenten behufs seiner Einholung so zahlreich als möglich einfinden sollten; man wollte ihn nämlich überzeugen, daß seine polnischen Unterthanen größeren Theils aus Dissidenten beständen.

 

Die Vereinigung der polnischen Dissidenten auf der Sendomirschen Synode, die Warschauer Conföderation vom 28. Januar 1573, der Eid Heinrich's und später Stephan Bathory's, dieselbe aufrecht zu erhalten, alles dies vermochte sie nicht gegen die Verfolgungen zu schützen, denen sie auf Veranlassung der Jesuiten in Kurzem auch in Großpolen ausgesetzt wurden. Ich sagte früher, daß die Jesuiten am 25. Juni 1572 zu Posen ihre Schulen eröffneten. Der Ruhm dieses Ordens im Lehrfache, vergrößert noch durch den in diesem Berufe wohl erworbenen einiger Ordensglieder, welche das Posener Kollegium bildeten, zog ihm zahlreiche Schüler zu. Viele Dissidenten, besonders von den mächtigern, begingen die Unklugheit, ihre Kinder der Erziehung dieser Gesellschaft anzuvertrauen. Welchen Einfluß dieser Umstand auf die Schwächung der Partei der Dissidenten in Großpolen hatte, erwies die Zeit.

 

Hätte man indessen nur durch Schulen bekehren wollen, so hätte dies Jahre, ja Jahrzehnte lang auf die Frucht der Anstrengung harren geheißen. Die Jesuiten beschlossen neben diesem Mittel sofort mit den Dissidenten in Kampf zu treten. Zu diesem Ende führten sie gleich anfangs fast bei ihrer Ankunft in Posen die Sitte ein, jährlich zweimal in ihrer Kirche öffentliche Disputationen über religiöse Gegenstände abzuhalten. 1) - Die Propositionen zu diesen Disputationen schickten sie gedruckt an gelehrte Katholiken und Dissidenten umher. Gewöhnlich stellten sich diese Letztern aus religiösem Eifer, jenen Zeiten eigen, den Jesuiten zur Unterredung und wurden, wenngleich nicht überzeugt,

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1) Wujek in Dialisis.

 

 

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immer aber überschrieen. Hatte sich von den dissidentischen Theologen keiner zur Disputation gestellt, dann vertrat gewöhnlich ein Jesuit oder auch ein Jesuitenschüler aus den höheren Klassen seine Stelle. Die Menge, durch den Reiz der Neuheit angelockt, drängte sich schaarenweise zu diesem theatralischen, ihr bisher noch nicht bekannten Schauspiele, und weder die Sprache, in welcher disputirt, noch die Sache, über welche verhandelt wurde, verstehend, klatschte sie den vermeinten Siegen der Jesuiten Beifall, faßte eine hohe Meinung von ihrer Gelehrsamkeit und Heiligkeit und wurde gegen die Dissidenten erbittert. Auf solche Weise nahmen die Jesuiten fast gleich Anfangs den größern Theil der Bewohner Posens und der benachbarten Anwohner für sich ein. Leutseligkeit aber, Anmuth und eine gewisse Süßigkeit (Milde) im Umgange, dabei die umfassende Gelehrsamkeit ihres ersten Rectors, des Priesters Jacob Wujek, erwarben dem Posener Collegium eine nicht geringe Zahl Gönner unter den mächtigern Dissidenten.

 

Gleichwohl wehrte eine schlau berechnete Politik den Jesuiten, anfänglich sich gewaltsamer Mittel gegen die großpolnischen Dissidenten zu bedienen. In der That blieben sie auch mehrere Jahre hindurch in den Grenzen, wenn nicht der Mäßigung, so doch wenigstens des Anstandes und, geübt in der Kunst derartiger Kriegsführung, gaben sie sich, bevor sie im Angriffskriege den Dissidenten den Hauptschlag beibrachten, Mühe, ihre Kräfte, daß ich mich so ausdrücke, durch Scharmützel zu schwächen. Zu diesem Ende stahlen sie sich in die Gunst mächtiger Dissidenten, um sie auf die Seite der Katholiken herüberzuziehen, wohl wissend, daß die Menge ohne eigenes Urtheil bei gewichtigern Angelegenheiten gern das Verfahren der Mächtigen nachahmt. Außerdem befähigten die Jesuiten ihre Schüler zu künftigen Klopffechtern für den katholischen Glauben. Sie übten sie in dieser Klopffechterei, indem sie mit ihnen wöchentlich Disputationen über die Unterschiede des Glaubens abhielten. 1) Außerdem verblieb den Jesuiten noch eine Art des sofortigen Kampfes mit den Dissidenten. Diese wies die Kanzel auf. Gleich anfangs gewann dieser Orden bei uns den Ruf einer seltenen kirchlichen Beredsamkeit, und wenn denselben an andern Orten Polens Skarga ausbreitete, so zog in Posen Wujek durch eine fließende, reine Sprache und durch gewinnende Einfachheit viele Zuhörer in die Kirche der Jesuiten. Daß aber die Predigten der damaligen Jesuiten sehr häufig gegen die Dissidenten gerichtet waren, braucht nicht bewiesen zu werden. Bei all' diesen Mitteln

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1) Wujek in Dialisis.

 

 

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versäumten die Jesuiten Nichts, was zur Schwächung und folgerichtig zur Vernichtung der Dissidenten in Posen und Umgegend dienen konnte. Und so können sie sich füglich mit Sawicki rühmen: (und das stellen auch die dissidentischen Schriftsteller nicht in Abrede), daß sie am allermeisten den Dissidenten zugesetzt haben.

 

Die gerechten Klagen der Dissidenten über die Jesuiten munterten den berühmten Landrichter von Inowrocław Jacob Niemojewski, der sich zum Bekenntnisse der Böhmischen Brüder hielt (?), auf, sich gegen diese Väter in die Schranken zu stellen. Sein weiteres Zusammentreffen zu Warschau mit Franz Tolet, einem Jesuitentheologen, in einer Unterredung religiöser Natur blähte seine polnischen Glaubensgenossen auf und schmeichelte ihnen mit einem sichern Siege über die Posener Jesuiten. Niemojewski band mit ihnen 1574 um St. Lucia an, indem er sie durch Christoph Iwiński, Nikolaus Tomicki und Johann Piotrowski zu einer öffentlichen Disputation einlud und ihnen den Fehdebrief, das, worüber er disputiren wollte, zuschickte. So verlangte er unter anderen, die Disputation solle in polnischer Sprache vor sich gehen. Das konnten aber die Jesuiten aus vielen Gründen gerade nicht annehmen. Sie befürchteten von Niemojewski in der Muttersprache überdisputirt zu werden; auch wollten sie nicht, daß die Menge die bestrittenen und vertheidigten Glaubenssätze verstände. Sie verwarfen also die Herausforderung Niemojewski's. Inzwischen wurde Lucas Kościelecki, vielleicht mit Hilfe der Jesuiten, die schon am Hofe Bathory's vielen Einfluß hatten und sich des Wohlwollens beim Könige erfreuten, auf den Posener Bischofssitz erhoben. Verloren die Posener Jesuiten durch den 1574 erfolgten Tod Konarski's einen großen Wohlthäter, so fanden sie in der Person Kościelecki's keinen geringern Gönner. Kościelecki, der die Ansicht seines Vorgängers in Betreff der Jesuiten theilte und sich aus den Erfolgen überzeugt hatte, wie viel dieser Orden während des kurzen Zeitraums seit seiner Einführung in Posen den Dissidenten in seiner Diöces geschadet, schenkte den Jesuiten, außerdem daß er sie mit zahlreichen Wohlthaten aus seinem Privatvermögen überhäufte, das im Buker Dekanate belegene Gut Januschewice. Als desto unversöhnlicherer Feind erwies er sich gegen die Dissidenten, denen er gleich bei Uebernahme des Bisthums zu schaden Gelegenheit fand.

 

Oben erwähnte ich, daß Niemojewski den Jesuiten den Fehdehandschuh hingeworfen habe. Als die Jesuiten, zweimal von ihm herausgefordert, sich nicht zur Disputation stellen mochten, schrieb er das Schriftchen: Diatrybe, albo Kolacya przyjacielska z XX. Jezuitami poznańskiemi o przednieysze

 

 

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różnice wiary Chrześciańskiey czasu tego (Diatribe oder freundschaftliche Auseinandersetzung mit den Posener Jesuiten über die wichtigsten Unterschiede christlichen Glaubens dieser Zeit), in welchem er unter andern von seinem Zusammentreffen mit den Jesuiten sprach und ihnen vorwarf, daß sie feig sich ihm nicht gegenüber stellen möchten. Die Schrift übernahm der Posener Buchdrucker Melchior Nehring, Augsburgischen Bekenntnisses, der außer religiösem auch noch andern Widerwillen gegen die Jesuiten hegte, zu verlegen. Diese nämlich, jenem, als einem Lutheraner, wenig günstig, führten um 1578 aus Bautzen in der Lausitz den Buchdrucker Johann Wohlrab, einen Katholiken nach Posen ein, und nicht nur sie selbst, sondern auch alle katholische Schriftsteller in Großpolen fingen nunmehr an, bei demselben ihre Schriften drucken zu lassen. Bald erfuhren die Jesuiten, daß Nehring ein Werk Niemojewski's, welches ihrem Rufe schaden könne, druckte. Anfänglich hinderten sie ihn durchaus nicht; aber als alle Bogen abgezogen waren, wirkten sie bei Kościelecki das Schließen der Nehringschen Officin und die Beschlagnahme aller Exemplare der Niemojewskischen Schrift, die der Henker öffentlich verbrannte, aus.

 

Nach diesem Ereignisse zog Nehring ungesäumt nach Grätz, wo er unter dem Schutze der Ostrorogen, der Erbherren dieses Städtchens, gesichert gegen alle Gewaltthätigkeiten der katholischen Geistlichkeit im Jahre 1578 den Druck dieses den Jesuiten unliebsamen Werkes von Niemojewski wiederholte.

 

In demselben Jahre 1578 am 1. Junius hielten die polnischen Dissidenten zu Petrikau eine Generalsynode ab, auf welcher sich einige Zehnt von Personen aus verschiedenen Seiten Polens einfanden. Zu Vorsitzenden für diese Synode wurden Peter Zborowski, Wojewode von Krakau, Jacob Niemojewski und Paul Gilowski, Senior helvetischen Bekenntnisses im krakauer Distrikte erwählt. Diese Synode dauerte drei Tage. Veranlassung zu ihr gab folgender Umstand: In Deutschland beschäftigte man sich angelegentlich mit Abfassung einer sogenannten Harmonie der Evangelischen Bekenntnisse in Deutschland, nach Art des Sendomirschen Vergleichs. Die polnischen Dissidenten beschlossen auf dieser Synode, darüber zu berathen: ob sie, im Falle, daß man ihnen diese Harmonie zusendete, dieselbe unterschreiben sollten? Außerdem befaßte sich die Synode mit andern Gegenständen und erließ folgende Beschlüsse:

1) den Consensus Sendomiriensis und die andern Beschlüsse und angenommene Artikel unserer Generalsynoden billigen und bekräftigen wir alle gern;

2) Wir halten es für sehr heilsam und durchaus nothwendig

 

 

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daß die Kirchenzucht fleißiger unter uns geübt und gegen Jedermann gerecht gehandhabt werde.

3. Sehr wünschenswerth und gut wäre es, anlangend die Ceremonieen und besonders die Verwaltung des hlg. Abendmahls, wenn durch alle Lande der Polnischen Krone in allen evangelischen Kirchen das hlg. Mahl unter einerlei Gebräuchen abgehalten würde. Und sicherlich wäre solches nicht schwer, was die Geistlichen allein und die Verständigeren anbetrifft, zu erlangen. Aber weil die gewöhnlichen Leute an Abänderung der kirchlichen Gebräuche großen Anstoß nehmen und sich kaum zu Gebräuchen, ihrer Gewohnheit entgegengesett, würden bringen lassen, man auch, wenn sie hierzu gezwungen werden sollten, leicht dahin kommen könnte, Kirchenstrafen gegen sie anzuwenden, (äußerer Gebräuche wegen gottesfürchtige Leute strafen aber weder der Wille des Herrn noch auch der ersten wahren christlichen Kirche Sitte ist,) so überlassen wir die Ceremonieen christlicher Freiheit und gestatten den Gläubigen stehend oder knieend das Sakrament des Leibes und Blutes Christi zu empfangen. Das Sitzen aber beim Tische des Herrn, weil es gegen allen Gebrauch aller Evangelischen Kirchen in Europa ist und von solchen unter uns als ersten Urhebern desselben beliebt wurde, die alles in der Kirche auf unbesonnene Weise stürmisch ändern und ohne Kenntniß, gleichsam Christum nachahmend, von uns als meineidige Ueberläufer zum Arianismus übergegangen sind, verwerfen wir als eine ihnen (die, so wie sie Christum selbst ehren, es auch mit Seinen Sakramenten machen) allein eigene, wenig ehr- und gotteswürdige, einfachen Leuten sehr anstößige Ceremonie.

4. Ob kranken und sterbenden Personen das hlg. Abendmahl gereicht werden dürfe? Hierüber wurde festgestellt: Alle Geistliche sollen ihre Zuhörer belehren und gewöhnen, daß, so oft der Tisch des Herrn für alle Gläubige in öffentlicher Gemeinde bereitet wird, die einzelnen heranzutreten nicht verabsäumen, damit vielmehr alle, ohne Aufschub und nicht das äußerste Ende des Lebens erwartend, gesund an Leib und Seele, nach dem Befehle Jesu bereit und durch den Gebrauch seines Amtes zum ewigen Leben gekräftiget seien. Aber auch dies soll, damit wir nicht die Gewissen der Leute beherrschen, dem aus guten Gründen solches fordernden Kranken nicht vorenthalten werden, wenn er seiner Sinne und seines Verstandes mächtig ist: doch muß fleißig und sehr genau sein Gewissen erforscht und belehrt

 

 

 

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werden und, so viel es nach Umständen des Orts und der Zeit geschehen kann, mögen einige Gläubige zusammt dem Kranken Abendmahl halten.

5. Es ist beschlossen worden, daß kein Patron irgend einen Geistlichen annehme und zum Lehren in der Kirche zulasse, bevor er nicht von den Superintendenten und den Aeltesten unserer Kirchen vorschriftsmäßig ordinirt und abgeordnet ist und von ihnen ein gutes und zuverlässiges Zeugniß aufzuweisen hat.

6. Und weil zwischen den helvetischen, augsburgischen und böhmischen Confessionsverwandten eine Union stattgefunden, so soll es der Kirche oder den Patronen der Gemeinde einer Confession frei stehen, aus gerechten Ursachen und in rechter Ordnung von den Superintendenten einer anderen Confession einen Geistlichen zu verlangen und zu sich zu vociren.

7. Alle wünschen und halten es als höchst nöthig für den Ausbau der Kirche Gottes, daß wir in Polen eine durch gemeinsame Mildthätigkeit der Herren Patrone gegründete Generalschule errichten. Die Herren Patrone versprachen hierzu bereitwillig aus eigenen Mitteln beizutragen und zwar für jeden ihrer Bauernwirthe wenigstens einen Gulden.
8. Den Zehnten und alle der Kirche gehörige Güter sollen die Herren Patrone den Geistlichen und kirchlichen Bedürfnissen getreulich zurück geben, wenn sie sich eines guten Gewissens und eines guten Namens im Hause des Herrn zu erfreuen wünschen.

9. Festgesezt wurde, daß die Herren auf ihren Gütern des Sonntags keine Jahrmärkte und Märkte zulassen sollen. Ferner (sollen verboten sein) Wirthshausbesuche, Trinkgelage, Würfel-, Karten- und andere Spiele, Musik und Tanz, besonders aber während des Gottesdienstes.

 

Diese Synodalbeschlüsse unterzeichneten: Paul Gilowski, Senior der helvetischen Kirchen im Krakauer Districte, Erasmus Gliczner, Senior der lutherischen Kirchen in Großpolen und Johann Laurentius, Senior der Böhmischen Brüder in Großpolen. Wir müssen jedoch zu den großpolnischen Dissidenten zurückkehren.

 

Nicht genug, daß die Posener Jesuiten, wie ich oben erzählte, auf mannichfaltige Weise die großpolnischen Dissidenten verfolgten, auch sie selbst schwächten ihre Partei durch innern Unfrieden, dessen Sitz Posen und dessen Hauptbeförderer Paul Gerike, deutscher Prediger der lutherischen Gemeinde, und Enoch,

 

 

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polnischer Prediger derselben Gemeinde, waren, welcher letztere, da er die Kirchenzucht der Böhmischen Brüder nicht ertragen mochte, den Lutheranern sich angeschlossen hatte. Aus allen Kräften widersetzten sie sich der Vereinigung dieser beiden Confessionen durch den sogenannten Consensus Sendomiriensis, und traten von der Kanzel herab gegen jede Verbindung mit den Böhmischen Brüdern auf. Um den verderblichen Folgen dieses Zwiespalts zu begegnen, hielt man am 14. Februar 1582 zu Posen, eine Synode ab, auf welcher Stanislaus Górka, Wojewode von Posen den Vorsitz führte. Anwesend auf derselben waren drei Senioren der Böhmischen Brüder, 30 ihrer Geistlichen, zwei Senioren der Lutheraner und gegen 20 ihrer Geistlichen. Auf dieser Synode wurde der Sendomirsche Vergleich von neuem bestätigt, der Wojewode aber, nachdem er die Friedensstörer ernst zur Ruhe gewiesen hatte, beließ sie im Namen der Synode bei ihren Aemtern.

 

Um jedoch die großpolnischen Lutheraner vollständig mit ben Böhmischen Brüdern auszugleichen, berief man im folgenden Jahre, 1583 am 9. Juni, eine Generalsynode nach Włodzisław, auf welcher sich einige Senatoren, vieler Adel aus den Kronländern und aus dem Großherzogthum Litthauen und gegen 70 Geistliche aller 3 Confessionen einfanden.

 

Auf derselben wurden folgende Beschlüsse gefaßt:

1. Der sendomirsche Consens wurde confirmirt. In der Bestätigung sagt die Synode unter andern: Repressis maturo consilio omnibus technis, quibus Satanas nequissimus gloriae Dei et nostrae salutis hostis, dissidiique et tumultuum autor, istam unionem et pacem pulcherrimam inter nos turbare niteretur: quare ibidem personarum et partium quorandam acta, Consensui nos penitus congruentia spiritu mansuetudinis ac ingenue sunt perpensa et correcta. Atque ita eo firmius astrictum est vinculum pacis ad conservationem Sanctae Concordiae undique ratam et inviolabilem, secundum Consensum Sendomiriensem et caeterarum Synodorum Constitutiones in amore mutuo, temporibus perpetuis. 1)

2. Es wurde beschlossen, den Sendomirschen Consens mit den Bestimmungen (Beschlüssen) der andern Generalsynoden lateinisch und polnisch drucken zu lassen.

3. Jeder Geistliche solle den Consens in Händen haben und nach ihm bei Kirchenstrafe sich richten.

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1) Ich erlaube mir die eigenen Worte der Synode statt der Uebersetzung von Lukaszewicz herzusetzen.

Der Uebersetzer.

 

 

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4. Niemand sollte Bücher ohne vorhergegangene Durchsicht der Senioren aller Bekenntnisse drucken lassen.

5. Das heilige Abendmahl solle Niemand sitzend, vielmehr stehend oder knieend entgegennehmen.

6. In Rücksicht auf die sich häufenden Laster aller Art solle in allen Kirchen Kirchenzucht eingeführt werden; in ihrem Laster Verharrende sollen aus der Gemeinde der Gläubigen ausgestoßen werden.

7. Generalsynoden können nur nach erfolgter gegenseitiger Uebereinkunft sämmtlicher Senioren und der namhafteren Personen weltlichen Standes anberaumt werden.

8. Die Geistlichen sollen in ihren Häusern einige Jünglinge zu dem zukünftigen geistlichen Amte vorbereiten.

9. Zur Unterhaltung der Schulen solle jeder Gutsbesizer für jeden Wirth jährlich einen Gulden zahlen.

10. Für emeritirte Geistliche sollen im ganzen Lande Collekten gesammelt werden.

11. Die Ordination der Geistlichen stehe allein den Senioren zu; ihre Versorgung ist Sache des Pfründenverleihers (Collator's.) 1)

 

Diese Synode unterschrieben die Senioren der drei Bekenntnisse und einige Geistliche, nämlich Johann Laurentius, Senior der böhmischen Brüder; Paul Gilowski, Senior der helvetische Kirchen im Krakauer Districte; Erasmus Gliczner, lutherischer Senior in Großpolen; Bartholomäus Crossius, lutherischer Pfarrer; Johann Rokita, Pfarrer der böhmischen Brüder in Koźminek; Simeon Teofil Turnowski, Pfarrer der Böhmischen Brüder in Lutomirsk und Synodal-Notar; endlich Jacob Łaszkowski, Abgeordneter des großpolnischen Adels Böhmischen Bekenntnisses. 2)

 

Dennoch war weder die Posener Synode vom Jahre 1582 noch diese zu Włodzisław gehaltene im Stande, die Mißverständnisse zwischen den Lutheranern und den Böhmischen Brüdern zu Posen, in der Hauptstadt Großpolens, zu lösen. Enoch beruhigte sich einigermaßen, Gerike aber, erbittert durch die ihm auf der Posener Synode gegebene Vermahnung, erschütterte nur

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1) Die Acta et Conclusiones Synodicae weisen 12 Punkte nach; Herr Łukaszewicz führt ihrer nur 11 (im Auszuge) an, weil er den Punkt 4, welcher den Beschluß, die damals in Deutschland projectirte Harmonia nicht zu unterschreiben, enthält, ausläßt und Punkt 5 zu Punkt 4 macht.

Anmerk. des Uebersetzers.

2) Łukaszewicz führt die Unterschrift von Stanislaus Grafen von Górka nicht an. Sie findet sich aber unter den Synodalbeschlüssen, wie sie im Syntagma etc. p. 300-312 (Pass. II) stehen, also: Stanislaus Comes a Górka Palatinus Posnaniensis manu propria subscribo.

Anmerk. des Uebersetzers.

 

 

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noch mehr den Frieden der Großpolnischen Dissidenten. Er verkündete von der Kanzel herab: es sei besser für die Lutheraner zu den Jesuiten zu treten, als sich mit den Böhmischen Brüdern zu vereinigen; er untersagte seinen Glaubensgenossen, bei Verlust ihrer Seligkeit, die Kirchen der Brüder zu besuchen, selbst aber schlug er, von den Böhmischen Brüdern zu Begräbnissen eingeladen, ihre Bitten ab. Diesen Unfrieden half Andreas Luperianus, der Nachfolger Enoch's, polnischer Prediger, mehren. Die Jesuiten, welche es gut verstanden, im Trüben Fische zu fangen, versäumten ihrer Seits nicht, Geriken noch mehr anzureizen, indem sie ihn den alleinwahren Lutheraner in ganz Polen nannten. Ihre Intriguen verfehlten des Zieles nicht. Eine bedeutende Anzahl großpolnischer Dissidenten, welche dieser ärgerlichen Zwistigkeiten überdrüßig wurden, kehrten in den Schooß der katholischen Kirche zurück. 1)

 

So standen die Angelegenheiten der großpolnischen Dissidenten im Jahre 1586. Der Tod des großen Stephan, der im Jahre 1586 erfolgte, verschlimmerte ihre Lage. Dieser Monarch, mit wichtigeren Staatssachen beschäftigt, befaßte sich nicht mit Streitigkeiten über Glaubensunterschiede und gestattete keine offenbare Verfolgung der Dissidenten in Polen. Da nach seinem Tode diese in beträchtlicher Anzahl sich auf den Convocations-Reichstag begeben hatten, so setzten sie trotz der Ränke und der Protestation der katholischen Geistlichkeit dennoch durch, daß die Warschauer Conföderation vom Jahre 1573 in die Convocations-Acten aufgenommen wurde. Dennoch hielt weder dies, noch auch die in die Pacta conventa aufgenommene Freiheitswahrung für alle christlichen Religionsbekenntnisse in Polen die Nachfolger Bathory's von Verfolgung der Verfolgung der polnischen Dissidenten ab. Sigismund III. das unselige Spielzeug von Intriguen der Jesuiten, durch welche er sich in Allem leiten ließ, 2) vernachläßigte nach Art der Kaiser des Ostreichs die Pflichten des Monarchen, um die eines Glaubensboten zu erfüllen. Der Krakauer Hochschule, welche der Nation so viele große Männer gegeben, wollte er die Erziehung der Landesjugend entreißen, um sie seinen Lieblingen, den Jesuiten, diesen Hauptfeinden der Dissidenten

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1) Simeon Theophil Turnowski in: Vertheidigung des Consensus. 5.

2) Die rechte Hand Sigismund III war sein Beichtvater, der Jesuit Bernhard Gołyński, ohne dessen Beirath in Glaubenssachen und sogar in Staatsangelegenheiten dieser Monarch Nichts unternahm. Auch andere Jesuiten als: Leśniewski, Justus Rab, Laterna und Quadrantinus intriguirten am Hofe Sigismund's. Selbst der berühmte Skarga ist von diesem Vorwurfe nicht frei. Diese Jesuiten nun flüsterten Sigismund III den einst von Commendoni an Sigismund August ertheilten Rath ein, nämlich: keinen Dissidenten in den Senat zuzulassen.

 

 

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anzuvertrauen. Für Klagen, welche die von dem übermächtigen Orden gedrückten Dissidenten auf Reichstagen oder bei ihm anbrachten, hatte er kein Ohr. Starb irgend ein dissidentischer Senator, so nahm er, unzählig oft die verdientesten Dissidenten übergehend, einen eifrigen Katholiken, gewöhnlich einen Wohlthäter der Jesuiten, den sie ihm empfahlen, in den Senat auf. Dieser Einfluß der Jesuiten am Hofe Sigismund III gab den polnischen Dissidenten den Todesstoß. Der mächtige dissidentische Adel kehrte in den Schooß der katholischen Kirche zurück und baute den Jesuiten Collegien, Häuser, Residenzen, denn dafür harrten seiner die höchsten Würden im Lande und einträgliche Starosteien. Welche mächtige Versuchung für schwache Geister, ihre Meinung in was nur irgend für einer Beziehung zu ändern! Nicht viele großpolnische Häuser waren stark genug, ihr zu widerstehen. So kehrte die Grätzer Linie der Ostrorogen, so die Tomicki, die Opaleński in den Schooß der katholischen Kirche zurück.

 

Auch die geringeren Adelsgeschlechter ahmten ihnen nach; sie änderten ihren Glauben und übergaben die auf ihren Gütern befindlichen dissidentischen Kirchen den Katholiken. An diese, den Verfall der Dissidenten, namentlich der Böhmischen Brüder in Großpolen, beeinflussende Umstände reihten sich andere für sie nicht minder verderbliche. Die Jesuitenschulen in Posen begannen, gewünschte Früchte zu tragen. Viele ihrer Schüler, welche sich dem geistlichen Stande gewidmet hatten, wetteiferten mit ihren Lehrern durch That und Schrift im Verfolgen der Andersgläubigen. Die Druckerei der Gebrüder Wohlrab in Posen war kaum im Stande, alle gegen die Dissidenten gerichteten Schriften zu Tage zu fördern, und diese wurden für ein Spottgeld, ja selbst umsonst, in's Land geworfen. 1) Der kujawische Bischof, Stanislaus Karńkowski, welcher in seiner Diöcese die Dissidenten sehr geschwächt hatte, nahm nach dem gegen Alles, was sich hinsichtlich der Religion in der Erzdiöcese zutrug, sehr gleichgültigen Uchański den Erzbischöflichen Stuhl zu Gnesen ein und rottete mit gleichem Feuer, mit gleichem Eifer, wie ehemals in dem kujawischen Kirchensprengel, die religösen Neuerungen in dem gnesener aus.

 

Im Jahre 1589 hielt er eine Provinzialsynode zu Gnesen ab, auf welcher unter anderen Beschlüssen eine Protestation

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1) Wohl keine polnische Druckerei verlegte so viele gegen die Dissidenten gerichtete Schriften, als die der Wohlrabs in Posen. Aus ihr gingen hervor Schriften dieser Art von Wujek, Skarga, Powodowski, Arthur Faunte, Ostrowski, des Posenschen Kanonikus Eurtopius, des Pfarrers Martin aus Klecko und so vieler Anderer.

 

 

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gegen die Warschauer Conföderation von 1573 beschlossen und der Beschluß der Lowiczer Synode von 1556, die Nichtzulässigkeit dissidentischen Bekenntnisses und seiner Schulen in den Städten, erneuert wurde. Die höchsten weltlichen Aemter in Großpolen gelangten an eifrige Katholiken. Nur an Stanislaus Górka hatten die großpolnischen Dissidenten einen mächtigen Anwalt. Seine Popularität, seine unermeßlichen Reichthümer, und vor Allem seine Freigebigkeit, erwarben ihm im Volke, selbst unter den Katholiken, zahlreiche Anhänger. Daher wagten es bei seinen Lebzeiten weder die Jesuiten noch die weltliche Geistlichkeit, öffentlich über die Dissidenten herzufallen. Sein im Jahre 1592 erfolgter Tod änderte Alles. Sein Nachfolger in der Posener Wojewoden-Würde, H. Gostomski, aus einem Dissidenten ein eifriger Katholik geworden, störte in dieser Gegend die Geistlichkeit nicht im Verfolgen der Dissidenten. Andreas Leszczyński, brzesko-kujawischer Wojewode, dem Böhmischen Brüderbekenntniß zugehörig und in seiner Wojewodschaft die Dissidenten gegen Verfolgung schützend, weilte selten einmal in Großpolen. Stanislaus Karńkowski, Erzbischof von Gnesen, Hieronymus Rozrażewski, Bischof von Kujawien und Lucas Kościelecki, Bischof von Posen, reichten sich die Hände, um Großpolen von Dissidenten zu säubern. Als der erste das Erzbisthum Gnesen erlangt hatte, hielt er Synode 1) auf Synode, deren einziges Ziel die Ausrottung der Dissidenten in der Erzdiöcese war; er führte die Sitte 2) ein, Kirchen katholischer Fundation den Dissidenten wegzunehmen und gründete 1595 in Kalisch ein Jesuiten-Collegium, jenen Sturmbock wie sich die katholischen Schriftsteller ausdrückten um die Gotteshäuser der Dissidenten zu zerstören. Der zweite, der wie Damalewicz sagt in der kujawischen Diocese den Acker Gottes noch nicht von Ketzerei gesäubert vorgefunden, sah sich eifrig nach Männern um, welche zur Ausbreitung des Glaubens und zur Abwehr der Wolfsanfälle auf den Schafstall Christi sowohl durch Heiligkeit des Wandels als durch ihre Schriften ganz besonders geeignet waren, die Ketzerei in gedachter Diöcese auszurotten. 3) Solche Männer waren: Franz Łąski, Suffragan von Włocław, Barth. Miaskowski, Domherr, Lucas aus Uniejowo, Archidiakon, und

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1) Im Verlaufe von drei Jahren hielt er drei Synoden ab, 1589 in Gnesen, 1590 in Piotrkowo, 1593 in Lowicz.

2) Ich sage die Sitte, denn schon auf dem Krönungsreichstage von 1588 wurde die Verordnung erlassen, welche die Entfremdung kirchlicher und geistlicher Güter verbot und das Nachforschen nach ihnen festsetzte. Karńkowski war wohl der erste, der diesen Beschluß auszuführen begann.

3) Damalewicz: „Vitae Episcoporum Vladislaviensium pag. 413.“

 

 

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Adalbert Słupski, gleichfalls Archidiakon, sämmtlich derselben Kathedrale angehörig. Rozrazewski begnügte sich aber nicht damit, den katholischen Glauben durch Schriften und kirchliche Belehrungen in seiner Diözese zu stärken. Er hatte außerdem eine starke Schaar Bewaffneter zur Hand so sagt Damalewicz um aufrührerische Versuche der Ketzerei niederzuhalten. 1) Der dritte, Kościelecki, fand in den posener Jesuiten gute Vorgänger in Erfindung und Ausführung der Pläne zur Ausrottung der Dissidenten in seiner Diözese. Die geistlichen Seminarien, die Jesuiten-Anstalten, die Pfarrschulen in den Städtchen und Städten Großpolens erfüllte Verfolgungsgeist gegen Andersgläubige. Die Jugend, anstatt in ihnen nützliche Kenntnisse und Vorbereitung für zukünftige dem Vaterlande in den verschiedenen Berufskreisen zu leistende Dienste zu erlangen, wurde mit Haß gegen ihre Mitbürger erfüllt und sog den Geist des Fanatismus, der Unordnung und Gesetzlosigkeit, dem Heil des Vaterlandes so gefährlich, ein. Durch diesen Geist zeichneten sich ganz besonders die Jesuitenschulen aus. 2) Die Pressen der Wohlrab in Posen warfen, statt nützliche Bücher zu verlegen, die „Proce na Ministry" (Schleudern gegen die protestantischen Geistlichen) und tausende dem ähnliche ärmliche Machwerke in die Welt; in der Denkweise des großen Haufens geschrieben, überzeugten sie ihn und erbitterten gegen die Dissidenten. 3) Auf Anstiften der Jesuiten, die im Jahre 1592 bei Wohlrab in Posen die Schrift Skarga's: Upominanie do Ewangelików y do wszystkich społem Niekatolików, iż o skażenie Zborów krakowskich gniewać się y nic burzliwego wszczynać nie mają. 4) (d. h. Ermahnung an die Evangelischen und alle Nichtkatholiken, sich über die

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1) Splendidam et numerosam aluit familiam, quae ad reprimendos Haeresis contumacis conatus magno illi praesidio fuit. Damalewicz l.c. Nach Stanislaus Karńkowski war vielleicht Rozrażewski unter allen polnischen Bischöfen der um das Wohl der katholischen Kirche eifrigste; er war es, welcher, als Sigismund III. im Kloster zu Oliva die Pacta conventa beschwor, im Namen der katholischen Gesammtgeistlichkeit gegen Aufrechterhaltung der Bekenntnißfreiheit in Polen protestirte. Heidenstein, Buch 9.

2) Die Tendenz der Jesuitenschulen schildert am Besten der Gelehrte Broscius in dem Werkchen: „Gratis plebański", von welchem der Leser ausführlichere Nachricht in Bentkowski's Polnischer Literaturgeschichte findet.

3) Verfasser dieses unter dem obigen Titel bei Wohlrab erschienenen Büchleins ist der Priester Martin aus Klecko.

4) Die polnischen Dissidenten antworteten Skarga mit nachbenanntem Werke: „Respons w porywczą dany na Upominanie do Ewangelików o zburzeniu Zboru krakowskiego y na przestrogę do Katolików od kogoś uczynioną, w Roku 1592." 4° Sign. O 111. (d. h. Prompte Antwort auf die Ermahnung an die Evangelischen, die Zerstörung der Krakauer Kirche betreffend, auch zur Warnung an die Katholiken gerichtet.)

 

 

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Vernichtung der Krakauer Kirchen nicht zu ärgern und nichts Stürmisches unternehmen zu wolle) wieder drucken ließen, und nach dem Beispiele des krakauer Gesindels fing man auch in Großpolen an, gegen die Gotteshäuser der Dissidenten anzustürmen. Die Kirchen der Böhmischen Brüder in Posen ereilte in dieser Provinz zunächst dies Schicksal. Im Jahre 1593 fielen die Jesuitenschüler über sie her, um sie zu zerstören; da indessen das gemeine Volk noch nicht gemeinschaftliche Sache mit ihnen machte, mußten sie ihren Plan aufgeben. Es blieb für diesmal bei Drohungen und dem Versprechen zukünftiger weit gräulicherer Gewaltthaten. Die Böhmischen Brüder merkten, wohin das hinaus wolle. Um also dem Uebel in der Zeit vorzubeugen, sandten sie ihren Senior S. Theophil Turnowski auf den zum 3. Mai d. J. anberaumten Reichstag nach Warschau. Der dissidentische Adel, zahlreich auf dem Warschauer Reichstage vertreten, setzte, trotz des Widerstandes der Geistlichkeit, alle Hebel in Bewegung, um seinen Glaubensgenossen Ruhe zu sichern. Der Reichstag erließ auch in der That ein Gesetz gegen Störer des öffentlichen Friedens. 1) Vielleicht infolge dieses Gesezes hatten die Böhmischen Brüder in Posen einige Jahre hindurch vor den Jesuiten Ruhe, deren Aufmerksamkeit überdies auf die Angelegenheiten Schwedens, wo sie eine reiche Erndte erhofften, gerichtet war.

 

Indessen drückte ein schwereres Uebel häuslicher Unfriede die großpolnischen Gemeinden der Dissidenten. Paul Gerike, lutherischer Pfarrer zu Posen, von welchem ich schon früher sprach, aufgestachelt, sei es von den Jesuiten, sei es von einigen seiner Glaubensgenossen in Deutschland, denen der Sendomirsche Vertrag nicht behagte, donnerte unaufhörlich von der Kanzel herab gegen die Böhmischen Brüder, seine Glaubensgenossen gegen diese mit Haß und Neid erfüllend. 2) Den Unfrieden zwischen diesen Bekenntnissen vergrößerte Er. Gliczner, Senior der lutherischen Kirchen in Großpolen noch, als er im Jahre 1594, ganz gegen den Sendomirschen Vergleich, die Augsburgsche Confession herausgab. Hierdurch billigte er gewissermaßen das

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1) „Post obitum Marschalci Regni generalis Majoris Poloniae, Opalenii, coeperunt scholastici posnanienses expugnare ibi aedes nostras. Qua de causa cautus fui proficisci ad comitia regni Varsaviam. Omnes nostri Patroni moverunt lapidem, ut pace fruamur. Spes est laborem eorum et nostrum hac in parte non fore inanem: nam quamvis invito et multum reclamanti clero, tamen contra violatores pacis poenae in his comitiis constitutae sunt." S. T. Turnowski in einem Briefe an den Geistlichen Johann Aeneas.

2) S. T. Turnowski in der Vertheidigung des Consensus Sendomiriensis.

 

 

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Verfahren Gerike's und gab den lutherischen Gemeinden in Großpolen Anlaß, sich vom Sendomirschen Vergleiche loszulösen. Dies Vorgehen Gliczner's entzweite ihn mit den Geistlichen der Böhmischen Brüder, namentlich mit deren Senior S. L. Turnowski und bedrohte die großpolnischen Dissidenten mit großer Unsicherheit.

 

Nicht besser erging's den kleinpolnischen Kalvinern. Häusliche Uneinigkeit, Bischöfe, Jesuiten, Socinianer und Rückkehr vieler Familien in den Schooß der katholischen Kirche lichteten ihre Reihen gewaltig und minderten die Zahl ihrer Kirchen. Diejenigen, welche der Sache ihres Bekenntnisses eifriger zugethan waren, drängten Verfolgungen. Die Gleichgültigeren kirrte man durch mancherlei weltliche Aussichten für die katholische Religion. Man nahm ihnen unter verschiedenartigen Vorwänden ihre Kirchen oder zerstörte dieselben. Um diesem Uebel abzuhelfen und um die großpolnischen Lutheraner mit den Böhmischen Brüdern auszusöhnen, beschlossen die auf dem Reichstage zu Krakau im Februar 1595 versammelten angesehensten dissidentischen Edelleute und die Geistlichen der drei christlichen Bekenntnisse, des helvetischen, böhmischen und lutherischen, am 21. August 1595 eine Generalsynode nach Thorn zu berufen; dies um so mehr, als auf diesem Reichstage neue Maaßregeln gegen die schismatischen Griechen und die polnischen Dissidenten in Angriff genommen worden waren. Während dieses Reichstages versöhnte Andreas Leszczyński, brzeskokujawischer Wojewode, den Senior der Böhmischen Brüder S. T. Turnowski mit Erasmus Gliczner, den Senior der lutherischen Kirchen in Großpolen. Die Bedingungen dieser Versöhnung waren folgende: 1) Beide Senioren bitten sich gegenseitig alle Unbilden ab und versenken sie in Vergessenheit. 2) E. Gliczner, als Senior der lutherischen Kirchen, soll den Paul Gerike zur Annahme und Unterschrift des Sendomirschen Vergleichs bewegen. 3) Alle beiderseits gegen und für den Consens veröffentlichten Schriften sollen vernichtet und nicht weiter in die Oeffentlichkeit gebracht werden. 4) Beide Theile sollen keinerlei Schriften anders als in Uebereinstimmung mit dem Paragraphen der Włodzisławer Constitution herausgeben. 5) Der durch S. T. Turnowski in 1592 veröffentlichte Sendomirsche Consensus soll unter die Censur der künftigen Generalsynode zu Thorn gestellt werden. 6) Die augsburg'sche Confession soll durch E. Gliczner von Neuem, nachdem sie von Senioren der anderen Bekenntnisse durchgesehen, herausgegeben werden. 7) Die bisherige Vorrede, welche die Böhmischen Brüder und die helvetische Confession tadelt, soll ganz weggelassen werden. 8) Sollte in Zukunft irgend welches Mißverständniß zwischen den

 

 

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Senioren dieser beiden Bekenntnisse sich einschleichen, dann ist es brüderlich durch Vermittler zu beseitigen, damit es hinfort nicht mehr zu Mißverständnissen und Uneinigkeiten zwischen den beiden Bekenntnissen komme. 9) Die Generalsynode, wenn die Herren beider Bekenntnisse sie verabreden, genehmigen beide Senioren gern. 1)

 

 

 

Achter Abschnitt.

Die Synode zu Thorn am 21. August 1595. Geschichte der Böhmischen Brüder bis zum colloquium charitativum in Thorn anno 1645.

Zu der Synode in Thorn, 2) der zahlreichsten, welche die Dissidenten jemals gehalten haben, versammelte sich der Adel aus Kleinpolen, Lithauen, Großpolen, dem Herzogthume Preußen, Weiß- und Roth-Reußen, Wolhynien, Podolien und der Ukraine in Menge; auch erschienen über 70 Geistliche helvetischen, lutherischen und böhmischen Bekenntnisses. Am 21. August begaben sich alle zur Synode Versammelten in die St. Marienkirche. Nach beendigtem Gottesdienste erwählte man hier zum Director der Synode den Starosten von Raziejow, Swiętosław Orzelski, und gab ihm als Gehülfen St. Andreas Rzeczycki, Unterkämmerer von Lublin; zu Direktoren aus geistlichem Stande wurden Erasmus Gliczner, Senior der Intherischen Kirchen in Großpolen, Sim. T. Turnowski, Senior der böhmischen Brüder, und Franz Jezierski, Senior der helvetischen Kirchen Kleinpolens, ernannt. Zu Notarien der Synode bestimmte man von weltlichen Herren Christoph Pawłowski, von Geistlichen Daniel Mikolajewski, helvetischen Geistlichen zu Radziejow in Kujawien. Am Nachmittage desselbigen Tages versammelten sich die Geistlichen im großen Schulsaale, verabredeten unter Anderem, daß während der Dauer dieser Synode früh um 6 oder 7 Uhr Predigten gehalten werden sollten, und erwählten für's Predigen Sim. T. Turnowski, Gregor Zarnowius, Peter Artomius, Andreas Chrząstowski und Johann Turnowski.

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1) Diese Vereinbarung habe ich in ganzer Ausführlichkeit mitgetheilt unter den Nachrichten von den Dissidenten in der Stadt Posen.

2) Bei Beschreibung dieser 1595 abgehaltenen Synode bin ich dem amtlichen Berichte von D. Mikolajewski verfaßt gefolgt, wie er sich in dem IV. Theile der Preußischen Geschichte Lengnichs findet; außerdem der Geschichte des Consensus Sendomiriensis von Jabloński, der handschriftlichen Beschreibung dieser Synode durch S. T. Turnowski; auch benutzte ich Friese und andere Quellen.

 

 

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Die erste Sitzung fand am 22. August statt. Alle Synodalglieder begaben sich zuerst in die St. Marienkirche, wo S. T. Turnowski predigte. Nach beendigtem Gottesdienste beschloß man, verschiedene an die Synode gelangte Gesandtschaften in der Kirche zu empfangen. Die erste war vom Adel und der Geistlichkeit der Dissidenten Lithauens 1); durch dieselbe entschuldigten sich die beiden Stände, daß sie der zu großen Entfernung wegen zwar keinen persönlichen Antheil an der Thätigkeit der Synode nehmen könnten, aber aus ihrer Mitte Erwählte abgeordnet und mit ausgedehnter Vollmacht versehen hätten. Diese Vollmachten wurden der Synode übergeben. Die zweite Botschaft war vom Fürsten Constantin Ostrog, Wojewoden von Kijow, griechischen Bekenntnisses. Sie war dem Caspar Łuszkowski, einem Kämmerlinge des Fürsten, übertragen. Die dritte war vom reußischen, wolhynischen und dem Adel anderer Lande griechischen Bekenntnisses. Die vierte war vom reußischen Adel helvetischen Bekenntnisses, der auf der Partikularsynode zu Prochnica versammelt gewesen. Die fünfte vom dissidentischen Adel des sendomirer Palatinats, der sich auf der Particularsynode zu Iwanowice versammelt hatte. Die sechste vom Senior und dem vornehmsten Adel helvetischen Bekenntnisses in den Distrikten Zator und Oświecim. Die siebente vom Wojewoden von Rawa, Stanislaus Gostomski. Die achte vom brzesko-lithauischen Wojewoden Christoph Zienowicz; die neunte von Monvid Dorohostajski, Wojewoden von Polock; die zehnte vom Fürsten Alexander Pruński, Castellan von Troki; die eilfte vom Grafen Nicolaus Ostrorog aus Reußen, die zwölfte aus dem brzeskokujavischen und inowracławer, die dreizehnte endlich aus dem lubliner und belsker Palatinate. 2) Als man alle diese Gesandtschaften angehört hatte, trat der Kastellan von Lęczyc, Bykowski, der Abgeordnete des Königs, in die Versammlung und sprach; „„Mögende und gnädige Herren! Ich weiß nicht, was für eine Zusammenkunft hier stattfindet und mit wessen Erlaubniß Ihr sie abhaltet. Sie ist bei uns Brüdern 3) verdächtig. Wollet auch wissen, daß ich ein Schreiben Sr. Majestät bei mir habe, das ich Euch hier zeige, in welchem er mich veranlaßt, mich hier, wenn Ew. Mögen irgend eine Zusammenkunft hieltet, einzustellen, um Euch zu ermahnen, von Eurem Vorhaben abzustehen und der Gnade des Königs Euch nicht verlustig zu machen, da zu befürchten sei, daß diese Zusammenkunft gegen die Person des Königs und zum

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1) Lutherische Abgeordnete waren nicht darunter.

2) Die beiden letzten nennen die Acta et Conclusiones Synodi Generalis Toruniensis etc., Torunii a. d. 1596 erschienen, nicht.

3) So nannte sich der Adel insgesammt.

 

 

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Schaden der Republik stattfinde. Es hat Euch ja der König unter der Conföderation, und wenn irgend Jemandem Schaden zugefügt wurde, so hat er, so bleibt ihm, sein forum.““ Als er die Synode auf diese Weise angeredet hatte, übergab er den Königl. Brief, welcher laut vorgelesen wurde, worauf er sich, anzeigend, daß er die Antwort holen werde, entfernte. Bald darauf trat in die Versammlung ein anderer Edelmann, der sich für einen Abgeordneten des chełmińskischen Palatinats ausgab, die Zusammenkunft tadelte und gegen sie protestirte; dann erschien ein Abgeordneter des Bischofs von Kujawien, Hieronymns Rozrazewski, welcher ebenfalls gegen die Versammlung protestirte, indem er behauptete, sie sei eine rechtlose, öffne häuslichen Zwisten die Thür und beleidige die katholische Religion und die Republik. In ähnlicher Weise protestirten gegen die Synode die Abgeordneten des plocker und pomorsker Palatinats. Auf alle diese Botschaften antwortete man: es sei nichts Neues, daß die Dissidenten ihre Privatversammlungen in den Kronländern hätten, daß ihnen solches die Constitution nicht verbiete, daß, so wie auf früheren, so auch auf der gegenwärtigen Zusammenkunft die polnischen Dissidenten weit davon entfernt gewesen wären und seien, Bündnisse gegen das Land, wie ihnen die Katholiken ungerechterweise Schuld gäben, anzuzetteln, daß sie das Vaterland lieb hätten, seine Kinder seien und ihm nirgend schaden möchten, sondern bereit seien, für dasselbe ihr Blut zu vergießen: Beweis dafür seien die Brüder in der Ukraine und in Podolien, die zwar auch hierher hätten kommen sollen, aber weil die Tataren sich an der Grenze Polens gezeigt, es vorgezogen hätten, lieber dem Vaterlande zu Hülfe zu eilen, als auf der Synode das Wohl ihres Bekenntnisses zu berathen. Dem Abgeordneten des Kujawischen Bischofs wurde geantwortet: die Synode habe zwar keine Verpflichtung, dem Bischofe von ihrer Thätigkeit Rechnung abzulegen, da die sie bildenden Personen nicht zu seiner Jurisdiction gehörten; da aber der Bischof neugierig sei, so theile ihm die Synode mit, Verursachung und Zweck der Synode seien folgende Umstände, erstens: wenn irgend welche Mißverständnisse unter den polnischen Dissidenten obschweben sollten, diese zu beheben, sich gemeinschaftlich in Betreff einiger Glaubensartikel zu verständigen und den Consensus Sendomiriensis zu bekräftigen; zweitens: sich über die Mittel und Wege zu berathen, wie man den den Dissidenten durch die Constitution und die pacta conventa zugesicherten Frieden erhalten könne, da sie immer größere Unbilden, Gewaltthaten, Zerstörung ihrer Kirchen, Ueberfälle, Mordthaten und sogar Herausreißen der Körper aus den Gräbern von Seiten der

 

 

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Katholiken erleiden müßten. Hiermit wurde der Abgeordnete des kujawischen Bischofs abgefertigt.

Unmittelbar vor Eröffnung der Berathungen lud man die Abgeordneten der preußischen Städte ein, ihre Plätze in der Versammlung einzunehmen; sie entschuldigten sich indeß mit Rücksicht auf das Verbot, das sie vom Königlichen Gesandten Bykowski erhalten. Hierauf hielt Swiętosław Orzelski, als Synodaldirector, eine Rede an die Versammlung, in welcher er, den Zweck der Versammlung beleuchtend, anzeigte, daß die Synode sich mit zwei wichtigen Punkten zu beschäftigen haben werde,

1) mit Erneuerung, Befestigung und Bestätigung des Cons. Sendomiriensis, mit Verbesserung der Kirchenzucht und des Kirchenregiments;

2) mit Berathung über die Mittel, den mannigfaltigen Unbilden und Verfolgungen zu begegnen, denen die polnischen Dissidenten, besonders auf Veranlassung der Jesuiten, ausgesetzt wären.

 

Hierauf verließen alle Glieder der Synode die Kirche und begaben sich in den großen Schulsaal, wo auf der einen Seite die Personen weltlichen, auf der andern die geistlichen Standes ihre Plätze einnahmen. Als Ruhe eingetreten war, stimmte Erasm. Gliczner den Psalm: „Unsere Hülfe kommt vom Herrn" an, nach dessen Beendigung alle Anwesende knieend ihr Gebet sprachen. Nachdem der Synodaldirektor noch einmal wiederholt hatte, worüber die Synode sich zu berathen habe, trug er darauf an, den Consensus Sendomiriensis, als die Hauptstütze der Vereinigung aller dissidentischen Bekenntnisse, laut zu verlesen, damit, wenn sich in demselben etwas solcher Vereinigung Entgegenstehendes fände, dasselbe beseitigt werde. Derselben Ansicht war Leszczyński, Wojewode von Kujawien. Nun begann Orzelski ihn vorzulesen. Dem widersetzte sich sofort Paul Gericke, lutherischer Pfarrer in Posen, indem er behauptete, der Consens selbst widerspreche sich; die Verfasser desselben sprächen nämlich in dem Titel von dem unter den Bekenntnissen, die ihn eingegangen, waltenden Unterschiede, in der Vorrede aber behaupteten sie, daß diese selben Bekennisse in Allem übereinstimmend seien. Darauf antwortete ihm der Synodaldirektor: die Männer, welche auf der Sendomirer Synode versammelt gewesen, hätten sehr wohl den Unterschied der drei Confessionen (nämlich der lutherischen, helvetischen und böhmischen) erkannt und bekannt, aber denselben nicht für so wichtig gehalten, daß er die brüderliche Eintracht der drei Bekenntnisse zerreißen dürfe. Gerike verlangte größeren Beweis dafür, daß diese Confessionen mit einander übereinstimmen, und wünschte, er möchte von neuem genau erwogen werden:

 

 

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denn sagte er auch die ausländischen Theologen dieser Bekenntnisse lehren und schreiben verschiedentlich und werfen sich gegenseitig Irrthümer vor." Lesczyzński antwortete: Streit und ausländische Polemik dürfe die polnischen Dissidenten nicht berühren, da der Consensus Sendom. selbe für sie beigelegt habe. Orzelski, der Synodaldirektor, fügte hinzu: der Unterschied in den Sätzen der drei Bekenntnisse sei in Polen schon beseitigt, ausländische Polemik sei in dieser Beziehung nichts Neues, der Sendomirsche Vergleich habe ihr aber gleichsam den Kopf zertreten. „Wir wollen also", sprach er weiter, „den Consens lesen, damit der von den berühmtesten Männern mit großer Mühe in's Werk gerichtete und von allen Geistlichen der drei Bekenntnisse angenommene, nach so vielen Jahren nicht in Zweifel gezogen werde, und damit wir erfahren, ob in der Kirche Gottes etwas sei, was den Consens bedrohe, und ob nicht irgend ein Weg, ihn zu bekräftigen, aufzufinden." Eramus Gliczner nahm nun das Wort und führte einige Ursachen der Sendomirer Einigung an, indem er zeigte, jene Einigung habe stattgefunden in Folge gewisser Schriften voller Gift, welche die Geistlichen der drei Bekenntnisse gegenseitig wider einander herausgegeben hätten; die lutherischen Geistlichen wären, da sie die Vereinbarung als vortheilhaft erkannt, ohne Hoffnung auf Gewinn und nicht durch irgend welche Furcht bewogen, sondern nur auf Grund göttlichen Befehls, nachahmend das Beispiel der Apostel und der alten Kirche, in welcher die heiligen Väter Streitigkeiten über Glaubensartikel geringeren Gewichts auf Synoden brüderlich beigelegt, und auch endlich nach Luthers Beispiel, der zu Marburg mit den Gegnern vom helvetischen Bekenntnisse sich geeinigt und ihnen die Hand geboten habe, zu dieser Einigung willig gewesen. „An diese Einigung", sprach Gliczner weiter, „habe ich mich heilig gehalten und, soviel von mir abhing, war ich auch bemüht, sie in voller Kraft zu erhalten. Aber gegenwärtig wird sie augenscheinlich von Einigen zerrissen, besonders in Lithauen, wie denn z. B. von Volanus, welcher in der Vorrede zu der Entgegnung an den Jesuiten Skarga die Worte setzt: „„in diesem Buche““ (nämlich im Sendomirer Conf.) „„ist die Gegenwart des Leibes Christi im heiligen Abendmahle in Abrede gestellt.““ Auch der jüngst verstorbene Pfarrer P. Gilowski hat einen Catechismus herausgegeben, in dem wir auf Dinge stoßen, welche die Einigung der Kalviner mit uns zerreißen". Popowski, Pfarrer des hevetischen Bekenntnisses zu Wilno, fragte, auf diese seinen Glaubensgenossen gemachten Vorwürfe entgegnend, Glicznern: ob den Geistlichen helvetischen Bekenntnisses nicht frei stehen sollte, die Lehre vom Abendmahle des

 

 

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Herrn zu beleuchten? Gorajski drang darauf, den Consens zu verlesen, denn auf diese Weise, sagte er, wird ein jedes Glied der Synode seine Meinung über denselben mittheilen können. Erasmus Gliczner wiederholte noch einmal, daß viele Kalviner mit Lehre und durch Schriften den Consens zerrissen, was bei diesen großen Unwillen hervorrief. Dieser Unwille wuchs mit jedem Augenblicke. K. Réj, Unterkämmerer von Lublin, wollte demselben ein Ende machen und sagte: „wir sind nicht hierher gekommen, um darüber zu disputiren, welche Meinung vom heil. Abendmahle die bessere sei, sondern um uns enger zu verbinden und den Sendomir'schen Vergleich zu befestigen." Nach Réj nahm der Direktor der Synode das Wort, dieselbe zu Mäßigung und Eintracht ermahnend. Hierauf wurde beschlossen, es möge jedes der geistlichen Synodalglieder seine Meinung über den Consens aussprechen. Mit Ausnahme von Paul Gerike waren die Geistlichen aller drei Bekenntnisse für Confirmation des Consensus zumal Valentin Eurio, Pfarrer helvet. Bekenntnisses und Rector der Schule zu Radziejow, der Synode eine Approbation des Sendomirschen Consenses, durch die Professoren der Universitäten Wittenberg, Leipzig und Heidelberg unterschrieben, vorwies und vorlas. Dennoch fing E. Gliczner an, die augsburger Confession hervorzuheben und allen andern vorzuziehen. Dieser Schritt Gliczners öffnete einer heftigen Streitdebatte mit den Synodalgliedern helvet. Bekenntnisses, besonders mit Mikołajewski, dem Notar der Synode, das Feld. Sie schnitt der Direktor durch eine Rede ab, in welcher er die Synode zur Bekräftigung des sendomirschen Vergleiches animirte und endlich fragte: ob sie einem der Synodalen nicht gefalle? Auf diese Frage antworteten alle Anwesenden einstimmig, daß sie den Consensus bestätigen. Hierauf wurde eine Commission, bestehend aus einigen Geistlichen jeden Bekenntnisses und aus sechs weltlichen Gliedern gewählt und ihr aufgetragen, den Paul Gerike zur Annahme und Unterschrift des Sendomirschen Vergleichs zu vermögen. Da es schon sehr spät war, wurde die erste Sitzung der Synode geschlossen.

 

Die zweite Sitzung fand am 23. August statt. Voran ging ihr ein Gottesdienst, in welchem Gregor Zarnovius predigte. Nach der Predigt wurde Kaspar Luszkowski, Gesandter des Fürsten Ostrog, Wojewoden von Kijow vorgelassen. Außer mündlicher Empfehlung hatte Luszkowski auch noch einen Brief an die Synode, der laut vorgelesen wurde und den ich, da er die Motive darlegt, welche das Haupt des griechischen Bekenntnisses in Polen zu einer Vereinigung mit den (evangel.) Dissidenten bewogen, wörtlich hier mittheile. „„Eine Stadt auf dem Berge, sagt das Wort des Herrn"", so lauten die Worte des

 

 

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Briefes, bleibt nicht verborgen, auch stellt man ein Licht nicht unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter, damit es Allen deutlich sei und leuchte. Ew. Mögen ist hinlänglich bekannt, daß ich, als ich noch keinesweges so große Ursache hatte, wie jetzt, wo von einigen wenig achtsamen Geistlichen auf listige, heimliche und heimtückische Weise ohne Synode, ohne unsern Beirath, süß die Speise würzend, auf unsere Nacken ein Joch gelegt wird, stets ohne große Aufmunterung und wenig gebeten, zu Euch Herren Evangelischen gestanden und mit Euch mich unterschrieben habe, indem ich die Agende Ew. Mög. für die eigene annahm. Um so lieber und um so mehr geziemt es uns nunmehr jetzt, da uns eine so große und hauptsächliche Ursache gegeben ist, zu Ew. Mögen zu halten, da wir von den Römlingen in den Ceremonien entfernter, Euch aber näher sind; ja jedes Unrecht, das Ihr erleidet, müssen wir mitfühlen! Und besonders deshalb, weil es sich jetzt nicht nur in Bezug auf Ew. Mögen, sondern auch in Betreff aller christlichen Religionen um den letzten Rest aller Freiheit und Rechte handelt, indem die Herren Römlinge und Päpstler sich Katholiken nennen, welches Wort, obgleich es nirgend in ihrer Schrift vorkommt, sie es vielmehr von uns Griechen entlehnet haben, sie sich dennoch aneignen, sich allein Katholiken nennend. Seiner K. Majestät, einem gelehrten und frommen Herrn, wehren sie, die Conföderation in allen Stücken zu halten, und nennen sie eine Sünde. Dabei achten sie nicht darauf, daß das eine viel größere Sünde sei, die heiligen, Gott geleisteten Eide übertreten, die Eide, welche nicht nur Christen, sondern auch Heiden halten, deren Uebertretung durch Verlust der Gesundheit oder des Königreichs bezahlt wird und wobei wir, wenn, was Gott verhüten wolle, unser gnädigster Herr, der König, eine uns beschworene Sache nicht halten sollte, auch für unsere andern Gerechtsame, Freiheiten und Prärogative besorgt sein müßten. Deßhalb also will ich, der ich den Herren Evangelischen stets zugethan war, auch jetzt ihnen also zugeneigt sein, daß ich Unrecht, Ew. Mögen zugefügt, für eigenes, Unfälle, Euch bereitet, für selbsterfahrene, nehme und, verhüte es Gott! jede Gewaltthat, an Euch ausgeübt, so ansehe, als hätte ich sie selbst empfunden; denn ich will mit Ew. Mögen zusammenhalten. Zwar besorge ich nicht, daß Ihr. Königl. Majestät, ein christlicher, frommer und gerechter Herr, uns gegen die Sitte seiner Vorfahren Gewalt und Zwang anthun werde, da er ja auch in seinem angestammten Reiche so gar nichts durch Gewalt und Zwang ausrichten konnte, daß er nicht von einem papistischen Priester, sondern von einem evangelischen Geistlichen zum schwedischen Könige gekrönt werden mußte,

 

 

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erwarte vielmehr, daß er uns freien Männern der Krone Polens es also belassen werde, wie er es angetroffen hat und wie es unter Sr. K. Majestät Vorgängern gewesen ist. Da wir nun Alle Gott Vater, Sohn und heiligen Geist bekennen, Alle eines Glaubens und nur in einigen Theilen der gottesdienstlichen Ceremonien unterschieden sind, da auch die alte hl. apostolische Kirche zu Jerusalem seit des Herrn Christi Zeit bis auf diese Tage zwölf Altäre hat und, wiewohl unter der Herrschaft der Ungläubigen, solche in ein und derselben Kirche am Grabe des Sohnes Gottes duldet, so sollte um so mehr in der Krone Polens, wo keine geringere Reihe und Zahl der Sekten und Religionen vorhanden, billiger Weise geduldet werden, daß ein Jeder nach seinem Gewissen Gott lobe. Ich lebe der guten Hoffnung in Betreff Ihr. Maj. des Königs, unseres Herren, daß, wenn wir in dieser Angelegenheit tüchtig opponiren und widerstehen, Jhr. K. M. uns nicht werde Gewalt anthun wollen, denn mit mir Einem möchten auf die Seite von Ew. Mögen eine große Menge Leute, wo nicht zwanzig, so doch gewiß funfzehn Tausend treten. Ich weiß nicht, ob gegen einen so großen Haufen die Herren Päpstler, ich meine die Geistlichen, sich zusammenthun könnten, wenn sie, was Gott verhüten wolle, irgend welche Gewaltthat gegen uns, ihre treuen Brüder, die wir, nachdem wir den Feind des hl. Kreuzes verlassen haben, von Alters her in Eintracht und Liebe leben, mit Macht verüben wollten, die ihnen Gott und unsere Obrigkeit S. K. Majestät nicht zulassen wird. Aber wollten sie auch, was Gott nicht zulassen möge, Gewalt üben, so könnten sie solche nicht durch eine Schaar Männer, sondern allein durch ihre Köchinnen, gegen uns ausführen, in diesem Falle aber haben auch unsere Presbyteri ihr ehelichen Weiber und rechtmäßigen Kinder, die sie zu zähmen im Stande sind. Auch halten eine große Zahl lithauischer Herren und Andere zu uns. Ich habe ferner das Vertrauen zu Ew. Mögen, meinen lieben Brüdern in Christo, daß Ihr, erkennend diese unsere Gesinnung, es standhaft, treu, brüderlich und christlich mit uns meinen werdet; daß Ihr alle uns betreffenden Anfechtungen und Anliegen als die eigenen ansehen, auch mit Rath, allerlei Hülfe und Beschickung unserer Synoden, wie gnädigen Brüdern geziemt, liebreich Euch erweisen werdet, so daß wir Ew. Mögen in eben der Freundlichkeit, Liebe und Willfährigkeit erfinden, die wir Euch darbringen. Wir übersenden Euch die Artikel, welche die Geistlichen heimlich und hinterlistig ohne uns für uns geschmiedet haben, um uns unter die Herrschaft des Feindes des Sohnes Gottes, unter die Herrschaft des Antichrists zu führen und uns von Christus, der da spricht: ich bin der Weg,

 

 

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die Wahrheit und das Leben, loszureißen. Man will uns auch den neuen Kalender aufdrängen; dem gedenken wir uns zu widersetzen, denn wenn, was Gott verhüte, wir auch nur in einem Punkte ihnen nachgeben möchten, so würden sie uns weiter ziehen. Wiewohl dieser Artikel nun zwar den Glauben und das Heil nicht berührt, so ist es doch schädlich, eine der geringsten Aenderungen zu verstatten; wir stellen dies Ew. Mögen Meinung anheim und bitten um Rath. Auch lehrt uns die heil. Schrift solches nicht, und nach himmlischem und irdischem Laufe, da Gott es offenkundig zeigt, haben die Herren Römischen geirrt und gefehlt, nicht bloß nach festbestimmter Schrift, sondern auch nach den Himmels- und Erdenzeichen und Elementen, uns vom Höchsten zur Nahrung dargereicht; was aber mehr ist, so liegt am Tage, daß ihr Kalender fast jedes Jahr sich ändert; jede Aenderung aber ist schädlich. Auch darf nicht unterlassen werden, zu erinnern, daß Einige, ja fast Alle von Ew. Mögen, als fromme Leute, sich mit solchen weltlichen Dingen, als in den Krieg reiten, Waffen führen, auch auf die Land- und Reichstage gehen, Landboten und Deputirte zum Tribunale sein, nicht gern befassen möchten. Das bewies der Krakauer Reichstag (diejenigen, die auf ihm waren, mögen Ew. Mögen weiteren Bericht erstatten) auch die Tribunalssession. Aber nicht nur ich und ein großer Theil der Männer hier zu Lande verwenden unsere Sorge darauf, sondern auch viele Brüder in den podolischen, kijowschen, wolhynischen, podlachischen Ländern und in den Bezirken von Lwow, Przemysl, von Weiß-Reußen und Lithauen, fühlen sich mit großer Bestürzung (denn es handelt sich nicht um Leib, Vermögen, Gesundheit, sondern um Gewissen und ewiges Heil) gedrungen, sich nicht nur bei solchen Zusammenkünften einzufinden, sondern auch mit Ew. Mögen sich zu verständigen, ihre Anträge an Ihr. Majestät den König zu bringen und auf den Landtagen kräftig sich zu stemmen. Und mir scheint nützlich, wenn Ew. Mögen, Rücksicht nehmend auf die über uns hereinbrechenden Zeiten, Leute anderer Secten nicht abweisen, nicht schmähen, sondern vielmehr Gott bitten wolltet, in Einheit mit uns Gott die Ehre geben zu können" u. s. w.

 

Nach Verlesung dieses ausführlichen Briefes, welchen dem Fürsten Ostrog nicht sowohl Wohlwollen gegen die polnischen Evangelischen, als vielmehr Haß gegen die Katholiken und unirten Griechen diktirte, fügte Luszkowski hinzu, es habe der Fürst Ostrog, sobald er von den verschiedenen Anschlägen der katholischen Geistlichkeit gegen die Freiheiten der Dissidenten und Griechen, die durch Gesetze verbürgt seien, Kunde erhalten, sofort einen Brief an den Unterkanzler geschrieben, in dem er ihn

 

 

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als Senator ermahnt habe, er möge den König warnen, damit derartige Dinge ohne Wissen der Stände, der Warschauer Conföderation und den beschworenen pactis conventis zuwider, in Zukunft sich nicht zutrügen. Noch hatte Luszkowski sich aller Aufträge an die Synode nicht entledigt, als der Kastellan von Lęczyc, Bykowski, und Jelski, Kastellan von Dobrzyn, die Königlichen Abgesandten, sowie auch Swiętosławski, der Abgeordnete der Dobrzyner Landschaft, in die Versammlung eintraten und anzeigten, sie sei gesetzwidrig, weil Niemandem außer dem Könige zustehe, Zusammenkünfte einzuberufen. Darauf antwortete Stanisław Szafraniec: es sei den polnischen Dissidenten kein Neues, Synoden abzuhalten; ihre Treue gegen das Vaterland sei bewährt; daß sie die Synode abhielten, ohne die Katholiken zu derselben eingeladen zu haben, dürfe nicht wundern, denn sie würden auf derselben nicht Dinge verhandeln, die den König, die Republik oder die Katholiken berühren, sondern nur die Bedürfnisse ihrer eigenen Kirchen berathen. Hierauf verlas Orzelski laut die dem Könige von der Synode gegebene Antwort. Als diese von den Gesandten entgegen genommen worden, verließen selbe die Versammlung. Nach ihrer Entfernung übergab Luszkowski, sich des Weitern seiner Botschaft entledigend, einen Brief vom Adel griechischen Bekenntnisses in Roth- und WeißReußen, Wolhynien, Podolien, der Ukraine u. s. w., in welchem derselbe sich über die Verfolgungen seitens der Katholiken und ganz besonders über geheime Intriguen einiger griechischen Geistlichen beschweret, welche ihre Glaubensbrüder dies sind die Worte des Briefes unter das päpstliche Joch bringen möchten. Als diese Botschaft angehört worden, begaben sich alle Glieder der Synode in das gewöhnliche Sitzungslokal. Hier wurde zuerst die Posener Consignation von 1570 verlesen. Nachdem dies beendigt, erklärten die anwesenden Geistlichen aller drei Bekenntnisse (70 an der Zahl), daß die augsburgische, helvetische und böhmische Confession in den Hauptartikeln christlicher Lehre, als: von der heiligen Schrift, von Gott, von der Person des Gottmenschen Christus, von der göttlichen Vorsehung, von der Sünde, vom freien Willen, vom Gesetze und Evangelio, von der Rechtfertigung, vom Glauben, von der allgemeinen Kirche und ihrem Haupte Christus, von den Sakramenten und ihrer Zahl, vom Zwecke ihrer Stiftung, vom Zustande der Seele nach dem Tode, endlich von der Auferstehung und dem ewigen Leben vollständig mit einander übereinstimmten. Was aber andere Artikel und insbesondere den Artikel vom Abendmahle des Herrn anlange, in welchem sich das helvetische und böhmische Bekenntniß vom lutherischen unterscheide, so habe solches der Consens. Sendom.

 

 

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beseitigt. Nach einem kleinen Streite über die hl. Dreieinigkeit und nach einigen Verhandlungen von minderem Gewichte vertagte man die Sitzung auf den Nachmittag, da die Commission, welche eingesezt worden war, um Geriken zur Annahme und Unterschrift des Consensus zu bewegen, der Synode Bericht von ihrer Wirksamkeit abstatten sollte. Wir wollen sehen, was die Commission that, um einen halsstarrigen (!?) Menschen, der den Vortheil seines Bekenntnisses in Polen nicht erkannte oder nicht erkennen wollte, auf den Weg der Vernunft und Mäßigung zurückzuführen.

 

Nachdem sich die Commission in der Wohnung Peter Gorajski's versammelt hatte, lud sie Geriken, der auch nicht verabsäumte der Ladung Folge zu leisten, vor sich. Gorajski, als Vorsitzender der Commission, ermahnte zuerst seine Collegen und Geriken, alle Leidenschaftlichkeit bei Seite zu legen. Dann fragte Zarnovius Geriken: was er gegen den Cons. Sendom. habe und warum er ihn nicht unterschreiben möge? Gerike hielt eine Censura der Theologen aus Tübingen, Jena und Frankfurt in der Hand und antwortete der Commission, wie die Lutheraner verschiedener Schattirungen in Deutschland, was anlange die vier strittigen Artikel: vom Abendmahle des Herrn, von der Person Christi, von der Taufe und von der Gnade, übereinstimmten, und wollte nun auch seine Meinung über diese Artikel darlegen. Da unterbrach ihn Gregor Zarnovius und erklärte, die Commission sei nicht dazu bestimmt worden, neue Meinungen zu untersuchen oder anzunehmen, sondern um zu hören, was er (Gerike) und Andere gegen den Consens, der laut vorgelesen worden, einzuwenden hätten. Gerike antwortete: der sendomirsche Vergleich erwähne der Abfassung einer allen dreien Bekenntnissen gemeinen Glaubenslehre, damit die Gegner nicht über den vermeinten Vergleich, wie dies schon die Jesuiten und Andere thun, spotten dürften; es sei am besten, etwas schon Fertiges zu erfassen, den Consens der sächsischen Kirchen anzunehmen und dann dem Feinde mit vereinten Kräften die Stirn zu bieten. Darauf antwortete die Commission: die Meinungen und Vergleiche auswärtiger Theologen gehen die Polen gar nichts an; Gerike habe seine Ansicht über den Sendomirschen Vergleich zuvörderst auszusprechen; dann erst werde sich zeigen, ob in diesem Vergleiche etwas zu verbessern, auszulassen oder zuzusetzen sei. Pawłowski, ein Mitglied der Commission, verlangte zu wissen, warum Gerike den früheren Vergleich aufheben und einen ungekannten, neuen eingeführt sehen wolle. Jetzt wollte Gerike die Ansichten einiger Polen über den Sendomirschen Vergleich vorlesen. Dies ließ Gorajski nicht zu, indem er sagte: Gerike habe

 

 

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seine, nicht eine fremde Meinung, über den Consens zu eröffnen. Darauf sprach Gerike: er sei in der augsburgschen Confession erzogen und wolle bei derselben sterben; der sendomirsche Vergleich empfehle die Annahme aller drei Bekenntnisse; das sei ein gestaltloser Mischmasch, eine samaritanische Vermischung, die er nicht loben könne; ferner sei der 10. Artikel der augsburgschen Confession vom Abendmahle des Herrn im sendomirschen Vergleiche nicht genügend erläutert. Gregor Zarnovius entgegnete: der sendomirsche Vergleich habe allen drei Bekenntnissen in dieser Beziehung Genüge gethan; wenn Erasmus Gliczner, der Superintendent der lutherischen Kirchen in Großpolen, ihn angenommen, so könne er (Gerike) dasselbe ohne die geringste Beschwerung seines Gewissens auch thun. Hierauf trug Gorajski darauf an, man möge alle Einwendungen und Bedenklichkeiten Gerikes erörtern und widerlegen. Nun redete Peter Artomius, welcher E. Gliczners Stelle vertrat, zu Gerike: „„Lieber Bruder, Du hast die Sache nicht recht verstanden; es ist hier nicht die Rede vom Zerreißen des sendomirschen Vergleichs, sondern davon, ob der erwähnte Vergleich ein solcher ist, daß man ihn getrost, als die drei Bekenntnisse betreffend, unterschreiben kann."" Chrząstowski sagte, es wäre unvernünftig, den seit so langen Jahren angenommenen Vergleich umwerfen zu wollen. Gołuchowski, den es ärgerte, daß Gerike den Vergleich einen Mischmasch genannt, sagte, der Consens hebe kein Bekenntniß auf, und wenn in ihm irgend eines Bekenntnisses Lehre beeinträchtigt werde, so sei dies gewißlich in Bezug auf das helvetische, nicht aber auf das lutherische der Fall, denn in ihm sei die wirkliche Gegenwart des Leibes Christi im Abendmahle bekannt worden. Martin Broniewski widerlegte nicht nur alle Einwürfe Gerike's, sondern gab auch die Ursache an, welche allen Dissidenten in Polen rathe, den Sendomirschen Vergleich anzunehmen, es sei dies die gemeinschaftliche Gefahr, die auch die größten Feinde einige und verbinde. In ähnlichem Geiste versuchten ihn Heinrich Girk, Johann Turnowski, Gorajski und Andere zur Annahme des Consensus zu bewegen; aber Geriken bewegten keine Rücksichten, keine Strafreden, keine Drohungen. Nachdem also die Commission vergeblich einige Stunden zugebracht hatte, um den Widerstand eines von sich eingenommenen Menschen zu brechen, beschloß sie, ihre fruchtlosen Bemühungen einzustellen und, falls sich Gerike nicht noch besinne, am nächsten Tage der Synode von ihrer Thätigkeit Bericht abzustatten.

 

Die dritte Sitzung fand am 24. August statt. Die Mitglieder der Synode begaben sich erstlich in die Kirche zum Gottesdienste, wobei Peter Artemius, lutherischer Prediger zu Thorn,

 

 

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die Predigt hielt; dann versammelten sie sich in dem gewöhnlichen Sitzungssaale. Sim. Th. Turnowski verlas hier die von der Kirchenzucht, von der Ordination u. s. w. handelnden Artikel des Cons. Sendomir. und trug darauf an, man möge das, was der Synode nicht gefalle, unter Bewilligung aller Glieder verbessern. Dieses Vorlesen nahm die Vormittagsstunden in Anspruch. Nachmittags erstattete die Commission den Bericht über ihre Unterredung mit Paul Gerike. In einer ausführ lichen Rede bemerkte Gorajski: zwar hätten Viele gegen den Vergleich von Sendomir gesprochen, aber nur der eine Gerike wolle ihn, durch Rathschlüsse ausländischer Theologen hierzu gebracht, nicht annehmen und unterschreiben; man solle zwar gute Rathschläge der Ausländer nicht verachten; doch gezieme es sich auch nicht, gering zu achten die Meinung so namhafter Männer, wie sie sich zur Synode eingefunden hätten und mit dem Zustande der Kirche in Polen und ihren Bedürfnissen besser bekannt wären, als die Ausländer; Erasm. Gliczner habe Hoffnung gemacht, daß Gerike den Vergleich unterschreiben werde, doch habe dieser es bis zu diesem Augenblicke noch nicht gethan; es liege nicht viel daran, ob Gerike den Consens unterschreibe oder nicht; viel möchte der Synode darauf ankommen, daß ihn die preußischen Städte unterschreiben. Man müsse sie also fragen, ob sie sich vereinigen wollen. Deutlich könnten sie sehen, in welcher Gefahr Alle wären und was man leide. „„Sie stoßen uns"", fuhr er fort, „„aus dem Senate, entfernen uns aus Amt und Würden, so daß wir im eigenen Vaterlande Fremdlinge und Vertriebene sind. Der sendomirsche Consens befaßt zwei Hauptsachen: er verbindet uns in der Kirche Gottes und beugt der Verschlechterung vor; er verbindet uns in politischer Hinsicht, im Drucke und in gemeinsamer Gefahr, so daß Einer dem Andern nach Kräften Hülfe bringe. Wir wollen also die preußischen Städte fragen, ob sie den Consens annehmen?"" Auf Gorajski's Antrag entsendete nunmehr die Synode den Andreas Szafraniec, Peter Gorajski, Andreas Grodziecki und Martin Broniewski zu den Deputirten der preußischen Städte mit der Frage: welcher Ansicht sie in Betreff des Cons. Send. wären und ob sie ihn unterschreiben wollten? Als diese Deputirten aus dem Saale hinausgegangen waren, fing man von allen Seiten an, den Kaufmann Christoph Ridt, lutherischen Bekenntnisses, zu beschuldigen, als rede er Paul Geriken auf, den Consens nicht zu unterschreiben. Aber Ridt versicherte der Synode feierlich, daß er dem Consense von Herzen zugethan sei und berief sich in dieser Beziehung auf Er. Gliczners Zeugniß. Hierauf bezeugte Er. Gliczner, daß die zur Synode von Posen aus

 

 

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Abgeordneten nicht gekommen seien, den sendomirschen Consens zu zerreißen, sondern um ihn zu bestätigen, daß auch Gerike gegen denselben keinen Abscheu habe, aber als Bekenner der lutherischen Religion nichts ohne Einwilligung der sächsischen Kirchen thun möge. Man kehrte nun zu der Gerike'schen Angelegenheit zurück. Gorajski sprach: „„weil Gerike den Consens nicht unterschreiben will, so können wir ihn nicht mehr als unseren Bruder in Christo ansehen und dies um so weniger, da er die Einigkeit der Kirche Gottes verachtet und stört."" Jetzt äußerten viele der Synodalglieder, man möge Geriken excommuniciren, und Jezierski fügte hinzu, die Synode habe mit Geriken nichts zu thun, da E. Gliczner, der Senior aller Kirchen jenes Bekenntnisses, den Consens unterschrieben habe. E. Gliczner bezeugte, er habe Geriken oft ermahnt, öffentlich ihn um des Zerreißens obigen Consenses willen getadelt und alle Mittel angewendet, ihn zur Unterschrift desselben zu bewegen, aber vergeblich. Nun nahmen die Verhandlungen darüber, wie man mit Gerike verfahren solle, ihren Anfang. Die Mehrzahl war dafür, ihn seines geistlichen Amtes so lange zu entsetzen, bis er den Consens unterschreibe. Auf Antrag des Szafraniec beschloß man in eben der Art gegen Andreas Luperianus, den polnischen Geistlichen an der lutherischen Kirche zu Posen, der sich gleichfalls weigerte, den Consens zu unterschreiben, vorzugehen. Inzwischen entfernte sich Gerike, befürchtend, man möchte ihn zur Unterschrift des Consenses nöthigen, heimlich aus Thorn.

 

Die vierte Sitzung fand am 25. August statt. Nach dem Gottesdienste (die Predigt hielt Andreas Chrząstowski) begaben sich die Mitglieder der Synode in den Sitzungssaal. — Die Gerike'sche Angelegenheit wurde weiter verhandelt. Peter Artomius bat, die Synode möge gelinder mit Gerike verfahren, versichernd, die Sache lasse sich in guter Art ausgleichen; die Excommunikation sei ein schwieriges Ding, und müsse man zu ihr nur bei größter Noth der Kirche, die aber in diesem Falle noch nicht statthabe, greifen. Entgegengesetzter Ansicht war Joh. Turnowski, Hofprediger des Palatins von Brzesko-Kujawien; „„Paul Gerike,““ sagte er „„verachtete die ganze Synode und hat sie heimlich und ohne Erlaubniß verlassen. Wenn wir noch länger diesen so halsstarrigen Menschen belassen, dann wird der Friede in der Kirche Gottes in die größte Gefahr gerathen. Nach Turnowski nahmen Andere fast in demselben Geiste das Wort. Als Erasm. Gliczner sah, daß die Majorität für Gerikes Excommunikation sei, begann er ihn zu entschuldigen. „„Gerike,““ sagte er, ist ein gelehrter und musterhafter Mann;

 

 

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entfernen wir ihn von der Posener Gemeinde und thun wir ihn in den Bann, wird er sofort jenseits der Grenze eine Stelle finden und kann durch seine Schriften dem Sendomirschen Vergleiche sehr schädlich werden. Laßt uns mit ihm mild verfahren; darunter leidet die Sache der Synode nicht, vielmehr wird ihr solche Milde bei den Nachbarn Beifall schaffen. Gleicher Ansicht war Orzelski, der Direktor der Synode; Andern aber, und namentlich Gregor Zarnowius, gefiel die Verzögerung der Bestrafung Gerikes nicht. Auch Sim. Th. Turnowski, Senior der böhmischen Brüder, stimmte für die Excommunikation, doch mit der Bedingung, daß die Ausführung des Excommunikationsdekrets ausgesetzt bleibe bis zum Anfange des Jahres 1596; hierauf las er die Formel des betr. Dekrets laut vor. Rzeczyczki, Unterkämmerer von Lublin, unterstützte Turnowski's Antrag. In ähnlichem Geiste sprachen noch mehrere Glieder der Synode gegen Gliczner. Als dieser sah, er müsse der Mehrzahl erliegen, stimmte er endlich für Excommunikation, doch mit dem Bedingen, daß ihre Ausführung auf's künftige Jahr hinausgeschoben werde. Man excommunicirte also den Pfarrer Gerike und bestimmte zugleich eine Commission, bestehend aus Andreas Leszczyński, Palatin von Brzesko-Kujawien, Er. Gliczner, Martin Bukowiecki und Matthäus Siedlecki, welche sich nach Posen begeben und daselbst in der lutherischen Kirche das Urtheil der Synode publiziren sollte. Dies Urtheil lautete wie folgt! „„Da die Brüder der Posener Gemeinde augsburg. Confession und die Aeltesten in ihrem und der Gemeinde Namen den Consens mit uns zugleich unterschrieben haben, da dies jedoch der deutsche und der polnische Prediger bis jetzt noch nicht thun wollten, insbesondere der Prediger Paul Gerike den Sendomirer Consens während dieser drei Jahre zu zerreißen wagte, weshalb uns seinetwillen die Päpstlichen, zum großen Aergernisse der Unsrigen, Uneinigkeit vorwarfen; da ferner obbenannter Paul Gerike von uns fleißig ermahnt und sogar durch ein Dekret des Superintendenten und seiner Synode dazu angehalten, auch von uns auf dieser Synode ermahnt, in seiner starrsinnigen Meinung offenbar widerlegt und zum Stillschweigen gebracht wurde, da er endlich gegen die Synode eine solche Verachtung gezeigt, daß er sich heimlich entfernt hat: so erklären wir im Namen und in Kraft unseres Herrn Jesu Christi, durch die Autorität der gegenwärtigen Generalsynode, daß wir sowohl den obgenannten Prediger Paul Gerike, als auch seinen Amtsgenossen, den Prediger Andreas (wenn er den Consens nicht unterschreibt), entsetzen und degradiren und beide von der Gemeinschaft der Kirche Gottes und der unsrigen ausschließen. Die Posener

 

 

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Brüder dürfen seiner Dienste sich nicht bedienen, sie sollen vielmehr andere Prediger, welche den Consens unterschreiben, annehmen. Wer aber bei diesen ausgeschlossenen Geistlichen bleiben oder sich ihrer annehmen sollte, verfällt in dieselbe Strafe. Wir setzen jedoch den St. Martinstag als letzte Frist zur Vollziehung des Dekrets fest, denn die Kirche Gottes verschließt den wahrhaft Bußfertigen niemals die Thür zur Gnade. Dies unser Dekret erklären wir in der Art, daß Paul Gerike nicht deßhalb aus der Gemeinde ausgeschlossen worden, weil er sich auf die Augsburgsche Confession beruft (mit diesem Namen will

er nur seinen Zwiespalt verdecken), denn wir alle bestätigen dieselbe auch im Consense und erklären sie für die unsere und bekennen uns in der Einheit der Wahrheit und des Glaubens verbunden, sondern er ist ausgeschlossen, weil er in unsere Gemeinde fremden Zank und Streit hereinbrachte, welche die Kirche Gottes nicht erbauen, sondern verderben, was wir durch unsern Consens verhindern wollten; weil er ferner keine triftigen Gründe für seine Weigerung, den Consens zu unterzeichnen, darlegen konnte; weil er ungeziemenden Widerstand und Geringschätzung dem Urtheile der gegenwärtigen Generalsynode entgegensetzte; er wurde ausgeschlossen auch um anderer oben erwähnter Vergehen willen, vor allem Andern seines Ungehorsams wegen gegen die Kirche Gottes. Actum zu Thorn in der Evangelischen Generalsynode am 25. August a. D. 1595.

(L. S.) Andreas Leszczyński, Wojewode zu Brześć.

Joh. Abrahamowicz, Wojewode von Mińsk.

Erasm. Gliczner. Sim. Theoph. Turnowski.

Franz Jezierski. Andreas Chrząstowski.““

 

In derselben Sitzung legte Gorajski der Synode die Antwort von den Deputirten der preußischen Städte vor. Sie erklärten, wie sie zwar den sendomirschen Vergleich für gut und nützlich hielten, ihn aber nicht unterschreiben könnten, da sie hierzu von ihren Mitbürgern nicht bevollmächtigt wären. Sie würden jedoch nach ihrer Rückkehr ihren Machtgebern diese Angelegenheit vorlegen und dafür Sorge tragen, daß die lutherischen Geistlichen im königl. Preußen nicht gegen den Consens öffentlich aufständen. Nach Abgabe dieser Antwort ging die Synode zur zweiten Proposition über, nämlich zur Berathung, wie man den Verfolgungen begegnen könne, welche die polnischen Dissidenten an verschiedenen Seiten Polens erfahren. Zu allererst hörte man 40 Beschwerden über Katholiken, besonders die Jesuiten, aus verschiedenen Theilen Polens, und Aufzählung schweren, gegen die Landesgeseze den Dissidenten zugefügten

 

 

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Unrechts an. Darauf wurde unter Anderem beschlossen, auf dem nächsten Reichstage diese Beschwerden dem Könige und den Ständen vorzulegen. 1)

 

Die fünfte und legte Sitzung der Synode wurde am 26. August abgehalten. Ihr ging, wie gewöhnlich, Gottesdienst voran und Johann Turnowski predigte. Nach Eröffnung der Sitzung las der Direktor die dem Könige gegebene Antwort, Sim. Th. Turnowski die verbesserten Canones der Synode, Heinrich Girk den Brief an die preußischen Städte vor. Hierauf unterzeichnete man mehrere Beschlüsse und Verhandlungen der Synode, wählte Generalsenioren und Abgeordnete an den König 2), an den Kanzler, an den Wojewoden von Kijow und verschiedene Palatinate. Nach Erledigung aller dieser Angelegenheiten dankte Sim. Th. Turnowski den Mitgliedern der Synode für die zum Wohle der Kirche gehabte Mühwaltung und ermahnte zur Einigkeit, Gottesfurcht und zu kirchlicher Zucht. Der Direktor dankte den Thornern für die Aufnahme und die Gewährung der Kirche, so wie des Sitzungssaales. Darauf hielt Franz Jezierski im Schulkale eine Abschiedsrede, Erasm. Gliczner aber in der Kirche, wohin sich alle Glieder der Synode begaben, um Gott für die glücklich beendeten Arbeiten zu preisen. Nach Absingung des 84. Psalmes und des Ambrosianischen Lobgesanges fuhren sämmtliche Glieder der Synode ihrer Heimath zu.“

 

Die Beschlüsse der Synode waren in 18 Canones abgefaßt und sind folgende: 3)

1. Unsern evangelischen Consens, zu Sendomir a. 1570 gemacht, durch die Posener Consignation in demselben Jahre erläutert und dann durch die Generalsynoden zu Krakau, Petrikau und Wladisław vermehrt und bestätigt (wie dies in dem Exemplare, lateinisch und polnisch a. 1592 zu Thorn gedruckt, enthalten ist), billigen und bestätigen wir insgesammt durch diese unsere Thorner Generalsynode und protestiren wider die Gegner, welche sowohl in Worten,

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1) Fast auf jedem Reichstage während Sigismund III. Regierung übergaben die polnischen Dissidenten dem Könige und den Ständen ihre Beschwerden, aber immer vergebens.

2) An den König wurden folgende Personen entsendet: Andreas Leszczyński, brzesko-kujawischer Wojewode; Stanisl. Gostomski, Wojewode von Rawa; Andr. Menciński, Kastellan von Wielun; Stan. Szafraniec, Wojewode von Krakau; Andr. Szafraniec, Starost von Lelow; Andreas Zaremba, Andr. Oleśnicki, Andr. Grodziecki, Andr. Rej von Nagłowic, Chr. Pawłowski, Peter Palczowski, Matth. Chrząstowski. Als diese Personen nach Krakau kamen, wo sich damals der König aufhielt, konnten sie beim Monarchen nicht einmal Audienz erlangen.

3) Wir lassen, während Łukaszewicz die Beschlüsse nur im Auszuge giebt, dieselben ihrer Wichtigkeit wegen ausführlich folgen. (Der Uebersetzer.)

 

 

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als Schriften dieserhalb uns Evangelischen Uneinigkeit und einen erdichteten Consens vorzuwerfen gewagt haben, und bezeugen, daß wir diesen wahrhaften Consens treulich umfassen und pflegen und nach ihm in heiliger Eintracht wahrhaft verbunden seien.

2. Jeder evangl. Geistliche im Königreiche Polen, dem Großherzogthume Lithauen und den übrigen verbundenen Provinzen soll diesen Consens, dem wir auch diese Canones der Thorner Synode einverleiben wollen, nicht nur haben und lesen, sondern auch nach Vorschrift desselben und der in ihm ausgedrückten Canones sowohl selbst handeln, als auch die ihm anvertraute Gemeinde leiten.

3. In den Particularsynoden und den zahlreichen Versammlungen, wie sie in den Ostertagen oder zu einer andern dazu bestimmten Zeit gehalten werden, soll zum wenigsten einmal jährlich dieses Büchlein des Consenses, mit den Generalsynoden in ihm enthalten, vorgelesen und nach ihm ein Examen der Brüder und Glieder der Kirche Gottes angestellt werden, damit diejenigen, die als solche betroffen werden, welche ihn in irgend Etwas verlassen, gebessert und gegen die Schuldigen die Disciplinar Verordnungen angewendet werden können.

4. Kein Superattendent oder Senior soll Jemandem zum Predigtamte senden, oder ein Patron oder unsere Gemeinde einen als Prediger annehmen, der nicht rite ordinirt ist, ein sicheres Zeugniß hat, den Consens unterschreibet und ihm gemäß sich führet.

5. Ein jeder Superattendent und Districts-Senior soll ein Exemplar vom Vergleiche besitzen, in welches er selbst seinen Namen einzeichnet und dann auch die Namen aller Prediger seiner Inspection von ihnen einzeichnen läßt. Dies sollen sie gleich von dieser Synode ab thun und in Zukunft immer bei Sendung der Geistlichen beobachten.

6. Um den achten Artikel der posenschen Consignation in seiner Kraft zu erhalten, haben wir beschlossen, daß jährlich die drei Superintendenten nebst einem der vornehmsten Senioren des Großherzogthums Lithauen, nachdem sie sich wechselsweise Zeit und Ort angezeigt haben, zusammenkommen und über Kirchenangelegenheiten berathschlagen. Sodann sollen sie auch nach alter Gewohnheit sich auf den Reichstagen einfinden, oder wenigstens Einen an ihrer Stelle mit Instruction abschicken, um mit den Herren Patronen über wichtige Dinge und wegen Ansagung der Generalsynoden Rücksprache zu nehmen.

 

 

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7. Von der Kirchenzucht. Gegen die, welche sich wider das göttliche Gesez hartnäckig zeigen und gegen die Uebertreter des göttlichen Wortes und aller im Vergleiche enthaltenen Verordnungen unserer Generalsynoden, ist von unsern Vorfahren auf der krakauer Generalsynode folgende Kirchenzucht festgesetzt worden, daß man einen Prediger seines Amtes und seiner Stelle entsetze, einen Kirchenpatron aber vom Prediger strafen und excommuniciren lasse. Doch erläutern wir die Ordnung der Zucht nach der Lehre des Sohnes Gottes und seiner Apostel.

 

Erstens: Jeder, welcher in der Lehre des Evangeliums Gottes mit uns nicht übereinstimmt, Abgötterei und Ketzerei hegt, unsre Eintracht stört, auch den Vergleich mit uns nicht halten will, soll ohne Aufschub obengedachte Strafe erdulden. Wer aber in seinem Leben von Gott verbotene Sünden begeht, (welche im 10. Artikel der posenschen Consignation und auf der krakauischen Synode an einigen Stellen, desgleichen im 7. Artikel der Synode zu Wladislaw namentlich angeführt sind), der soll nach der einen und andern Ermahnung und Rüge vom Abendmahle abgewiesen, und wenn er sich dann noch nicht bessert, von der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen werden. Ein Prediger, welcher sein Amt nicht nach den Verordnungen der Synode verwaltet, in der Kirchenzucht gelind ist und selbst ärgerlich lebt, der soll vom Superintendenten und den Aeltesten, nach wiederholter Erinnerung von seinem Amte bis auf eine Districtualsynode suspendirt werden. Ein Kirchenpatron aber oder ein Zuhörer, welcher unchristlich lebt oder sein Amt nicht thut, wie es die Verordnungen der Synode beschreiben, soll nach der Vermahnung des Predigers und der weltlichen Senioren vom Abendmahle des Herrn ausgeschlossen werden, bis er in einer Districtssynode sich verantworten wird.

 

Wer aber die hl. Communion und das heilige Abendmahl ohne gerechte Gründe und ohne seinem Pfarrer seine Meinung anzugeben, nicht feiert, der soll, wenn er nach drei Vierteljahren oder nach Verlauf von einem Jahre das Abendmahl nicht begehrt, öffentlich in der Gemeinde oder auf der Synote nach der herkömmlichen Weise der geistlichen Zucht ausgeschlossen werden. Dieselbe Strafe haben auch diejenigen zu gewärtigen, welche den öffentlichen Gottesdienst muthwillig versäumen; desgleichen sollen alle diejenigen, welche wider die Artikel der vorigen Synoden ihre Kinder auf arianische Schulen und Universitäten schicken,

 

 

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wo die reine Lehre des Evangeliums des Herrn nicht verkündigt wird, sie mögen jene nun im Lande oder außerhalb auf Schulen schicken, öffentlich vom Abendmahle des Herrn und von der Gemeinschaft der Kirche Gottes ausgeschlossen werden. Wenn nun noch Jemand seine Kinder auf solchen Schulen hat, so soll er binnen zwölf Wochen, von dieser Thorner Synode an gerechnet, sie von da abholen und zwar bei vorbenannter Strafe. So soll auch keiner von unsern Brüdern ohne Bewilligung des Predigers arianische Bücher lesen, sie in den Häusern dulden oder sich mit dem Lesen derselben beschäftigen. Endlich schließen wir auch den, welcher in unsern Evangl. Kirchen das Wort heilige Dreieinigkeit nicht gebrauchen will, als verdächtig, daß er in dem Glauben an Gott den Vater, den Sohn und den hl. Geist nicht fest sei, von unsern Gemeinde aus.

 

Darum verpflichten wir alle Superintendenten, Senioren, Patrone und Prediger auf ihr Gewissen und ihren Glauben in allen diesen Graden der Kirchenzucht den frühern Synoden nachzuleben, so daß sie diese heilige Zucht von Amtswegen ausüben und sich hüten, daß sie nicht selbst der Kirchenstrafe und dann auch den schrecklichen Strafen des göttlichen Gerichts sich aussetzen.

 

Wir fassen das über die Kirchenzucht kurz zusammen, nämlich: wenn sich Jemand findet, welcher gegen die Pflichten des Christenthums fehlt, und sich in seinem Berufe, wie in der Ausübung der Zucht nachlässig und saumselig zeigt, dann soll man gegen ihn, wie der Prediger gegen seinen Zuhörer, so der Superintendent mit den Aeltesten gegen den Prediger, mit der Kirchenzucht nach den Verordnungen der Synode verfahren. Indessen soll es in wichtigen Fällen Jedem freistehn, an eine Synode seines Districts zu appelliren.

 

Der Superintendent aber, die Aeltesten und Patrone sollen auf der Districtssynode, nachdem sie von dem Angeber wenigstens zwei Wochen vor der Synode vorgeladen worden sind, wegen der Beschuldigung ihres vernachlässigten Amtes hinsichts der Ausübung der Kirchenzucht und Lehre sich stellen und rechtfertigen.

 

8. Um den 13. Artikel der Consignation zu erläutern, sind wir der Meinung, daß die Schäflein Christi keines Geistlichen Herrschaft und Joche so unterworfen seien, daß es ihnen um gerechter Ursachen willen und bei besonderen Umständen der Zeit und des Ortes, wegen der Nähe der

 

 

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Kirche und ähnlichen Gelegenheiten und Gründen nicht zustehen sollte, sich des Dienstes von Geistlichen einer andern Kirche und Ordnung zu bedienen. Wenn aber irgendwelche Zuhörer in der Kirche Aergerniß anrichten, und, wenn sie ihres lasterhaften Lebens wegen vom Prediger gestraft worden, deßhalb von ihm weggehen und aus Hoffnung größerer Freiheit sich an einen andern Prediger wenden wollten, so soll der Prediger der anderen Gemeinde solche auf keine Weise annehmen, zumal wenn deßhalb von dem eigenen Prediger einer Gemeinde ermahnt worden ist. Vielmehr haben in solchen Fällen die Prediger sich mit einander zu unterreden und zu verständigen.

9. Kein Prediger und geistlicher Aelteste (Senior) soll junge Leute, Zöglinge und von andern Predigern beförderte Personen ohne gehörig beglaubigte Entlassungsscheine oder Zeugnisse annehmen. Wer dawider handelt, der soll mit der für diese Handlung auf der krakauer Synode bestimmten Strafe belegt werden. Denn durch eine solche Annahme von Ueberläufern würde alle gute Zucht und Prüfung, welche jungen Leuten und unerfahrenen Menschen so noththut und von welcher gewöhnlich schlechte und gottlose Zöglinge abfallen und abweichen, zu Grunde gehen.

10. Bei Ansagung von Generalsynoden scheint das Unterschreiben aller Superintendenten nicht immer nothwendig zu sein besonders derer, welche auf unsern öffentlichen Reichszusammenkünften nicht erscheinen, auch keinen andern an ihre Stelle schicken, oder, ob sie gleich davon benachrichtigt worden sind, die Sache mit Stillschweigen übergehen. Solche gehen in diesem Falle auch ihrer Stimme verlustig. Ebenso ist es auch mit denjenigen Superintendenten zu halten, welche sich eines Verbrechens bewußt sind und sich vor den Synoden fürchten. Denn solche würden ohne Zweifel nie für eine Generalsynode stimmen, so daß dieselbe nie von uns gehalten werden könnte. Dies ist auch Bestimmung des 8. Artikels der wladislawer Synode.

11. (Von den Schulen). Mitten im Königreiche soll in einem passenden Orte eine Hauptschule errichtet werden. Auch in den Distrikten sollen sowohl große, als geringe Schulen von den Gemeinden fleißig vorgesehen werden.

12. Zur Erhaltung der Schulen soll nach dem 8. Canon der petrikauer und dem 10. der wladislawer Synode von den Patronen aus ihrer eigenen Kasse nach ihrem Gewissen eine Collecte zu Stande gebracht werden, so daß jeder Bauer, welcher Feld hat, einen Gulden, die Hofleute aber doppelt soviel,

 

 

 

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also zwei Gulden, dazu beitragen. Dieses Geld soll ein Jeder bis zum 1. Januar des folgenden Jahres an die in dem Districte dazu ernannten Sammler abgeben. Dann soll es an einem eigenen Orte des Distrikts aufbewahrt werden, so daß man von diesem Gelde einigen Nutzen hat, welcher gemeinschaftlich zu berathen ist. Es muß aber erstens für die Hauptschule, dann für solche Schulen angewendet werden, welche sonst keinen Zuschuß haben, dann auch für anderweitige Bedürfnisse der Kirche Gottes. Auf der Distriktssynode aber muß die Collecte berechnet werden. Wenn einer von den Abwesenden diese Collecte nicht geben will, so müssen die Herren Aeltesten und Prediger ihre Zuhörer zu dieser, der Ehre Gottes und der Erbauung der Kirche höchst ersprießlichen Pflicht fleißig ermahnen und anhalten.

13. Es ist die Pflicht und das Amt der weltlichen Herren Aeltesten, dem unlautern Lebenswandel der Brüder durch Ermahnungen Schranken zu setzen, sie in die alte Ordnung und zur Gottseligkeit zurückzuführen und sich dies angelegen sein zu lassen; auch Zank und Streit zu verhindern; die Spaltungen und Mißhelligkeiten unter den Brüdern zu schlichten und beizulegen und nach Kräften Frieden und Eintracht unter den Glaubensgenossen zu erhalten, dahin trachtend, daß ein jeder Christ erstens gegen Gott, dann gegen seinen Nächsten und gegen Jedermann sich so verhalte, wie er schuldig ist, und soviel als möglich nicht vor weltlichen Gerichten erscheine, nach dem ausdrücklichen Beschlusse des hlg. Geistes 1 Corint. 6, 1. Sollte es aber einem oder dem andern Bruder, besonders aber den armen Waisen unvermeidlich sein, vor Gericht geladen zu werden, so sollen die Herren Aeltesten ihnen mit Rath und That an die Hand gehen und ihnen den Weg zeigen, wie sie am Besten, ohne Verlegung des Gewissens und ohne Nachtheil von diesen Dingen wegkommen können.

14. Auch die weltlichen Herren Aeltesten sollen fleißig darauf Acht haben, daß sich ein jeder in seiner Pflicht und seinem Berufe als Christ beträgt, den fehlenden und nach der ersten und zweiten Ermahnung sich nicht bessernden Bruder bei dem Geistlichen anzeigen, um ihn ernstlich zu züchtigen; besonders aber soll dies erfolgen, wenn irgend ein Bruder, wess' Namens und Berufes er auch sei, für ausgeliehenes Geld von Gott verbotene Zinsen nimmt, oder Wucher (und wie es noch heißt) treibt. Wenn ein solcher einigemal von ihnen und dem Prediger ermahnt worden

 

 

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ist und doch nicht davon abläßt, der soll öffentlich in der Gemeinde oder auf der Synode ausgeschlossen werden. Ebenso muß es mit denen gehalten werden, welche durch ihre Unzucht und ähnliche Sünden in der Gemeinde Aergernisse anrichten.

15. Wenn man betrachtet, welche gefährliche Zeiten wir erlebt haben und wie die Ruthe des göttlichen Zornes der ganzen Christenheit bevorsteht und welche schweren Verfolgungen und Unterdrückungen die gläubige Gemeinde Christi erduldet, so halten wir es für sehr nothwendig, den Zorn Gottes durch öffentliche Buß-, Bet- und Fasttage in allen unseren evangelischen Kirchen zu bestimmten Zeiten und Tagen einmüthig auszusöhnen. Damit wir aber dazu nicht neue Zeiten suchen, so sollen an den gewöhnlichen Tagen, die man gemeiniglich Zinstage (Angaria) Matth. 5, 41. 27. 32) nennt, diese öffentlichen Buß-, Bet- und Fasttage, und zwar viermal im Jahre, gehalten werden. Indessen wollen mir hiermit keinesweges den andern häufigen, öffentlichen und Privatfasten der Christen den Weg verschließen, im Gegentheile dazu ermahnen und ermuntern.

16. Die Herren Patrone und vorzüglich die Aeltesten sollen sich eifrige Mühe geben, daß die heiligen Gebäude oder Kirchen, wo der Gottesdienst verrichtet wird, nicht verfallen, sondern mit Sorgfalt ausgebessert und geschmackvoll geschmückt werden, jedoch nicht mit solchem Schmucke, der Spuren von Götzendienst an sich trägt und so aussieht.

17. Wenn die Herren Patrone zweierlei Gemeinden unter sich haben, so müssen sie sich bei beiden zu den nothwendigen Versammlungen einfinden, bei Strafe der Kirchenzucht.

18. In Hinsicht der Ceremonien verändern wir nicht die Beschlüsse der vorigen Synoden, sondern überlassen jeder Gemeinde nach der christlichen Freiyeit diejenigen, woran sie sich gewöhnt hat, und unterwerfen sie der Berathschlagung einer künftigen Generalsynode, ob sie sich in eine und dieselbe Form bringen lassen.

 

Diese Beschlüsse unterschrieben folgende Personen: Vom geistlichen Stande: Erazmus Gliczner, Senior der lutherischen Kirchen in Großpolen; Sim. Teoph. Turnowski, Senior der Böhmischen Brüder in Großpolen; Franz Jezierski, Senior der helvetischen Kirchen in Kleinpolen; Andreas Chrząstowski und Jacob Popowski, Prediger des helvetischen Bekenntnisses in Lithauen; Philipp Bochwicz aus Krakau, Senior des helvetischen Bekenntnisses in Weiß-Reußen; Matth. Bankowski, Senior dieses Bekenntnisses im District Nowogrod; Joh. Lucynius,

 

 

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Pfarrer dieses Bekenntnisses zu Chlebow in Lithauen; Stanislaus Minwid, Pfarrer dieses Bekenntnisses zu Upica; Georg Plotkowski, Pfarrer dieses Bekenntnisses in Lithauen; Nicol. Trzcinski, Senior dieses Bekenntnisses in Podlachien; Joh. Chocimowski, Senior dieses Bekenntnisses in der Wojewodschaft Reußen; Barth. Falconius, Consenior dieses Bekenntnisses in der Wojewodschaft Reußen; Peter Tarnowski, Senior des helvetischen Bekenntnisses in Kujavien; Daniel Mikolajewski, Consenior dieses Bekenntnisses in Kujavien; Joh. Girk, Pfarrer der Böhmischen Brüder in Lissa; Christoph Musonius, Pfarrer dieses Bekenntnisses in Koźminek; Matth. Rybinski, Pfarrer dieses Bekenntnisses in Posen; Andreas Colensis, Pfarrer dieses Bekenntnisses in Gołuchowo; Peter Dresnensis, Senior des lutherischen Bekenntnisses im Districte Pogorzel; Laurentius Karsnicki, Pfarrer dieses Bekenntnisses in Guin; Gregor Zarnovius, Pfarrer helvetischen Bekenntnisses in Włoszczowo; Martin Janicki, Pfarrer des Bekenntnisses in Zalesie, Consenior des chęcinskischen Districts; Franz Stancar, Pfarrer dieses Bekenntnisses in Włodzisław; Franz Płachta, Pfarrer dieses Bekenntnisses in Chmielniki; Joh. Duszkowski, Pfarrer dieses Bekenntnisses in der Wojewodschaft Sendomir; Joh. Staszowski, Pfarrer dieses Bekenntnisses in derselben Wojewodschaft; Christoph Kraiński, Pfarrer in der lubliner Wojewodschaft; Joh. Kluencyusch, Pfarrer dieses Bekenntnisses in derselben Wojewodschaft; Joh. Praetorius, Pfarrer dieses Bekenntnisses im Districte Zator und Oswiecim; Adalbert Mysłowski, Pfarrer dieses Bekenntnisses in Kryłow; Stanisl. z. Groźna, Pfarrer helvetischen Bekenntnisses zu Chomstowo, kcyúskischen Districts; Clemens Agnellius, Pfarrer dieses Bekenntnisses in Dorfe Kościół genannt; Valentin Kurio, Pfarrer dieses Bekenntnisses in Radziejow; Jacob Pruski, Pfarrer dieses Bekenntnisses in Ludziczko; Stanislaus Gronicki, Pfarrer dieses Bekenntnisses in Zerkow; Nicolaus Hermes, Pfarrer der Böhmischen Brüder zu Cienin: Paul Orlik, Pfarrer der Böhmischen Brüder zu Krotoschin; Joh. Kampensis, Pfarrer der Böhmischen Brüder zu Niemczyn; Andreas Sylwan, Pfarrer der Böhmischen Brüder zu Barcin; Samuel Orlik, Pfarrer der Böhmischen Brüder zu Wyszyn; Joh. Turnowski, Hofprediger des brzeskokujawischen Wojewoden, Prediger Böhmischen Bekenntnisses; Stanislaus Stavensis, Pfarrer helvetischen Bekenntnisses zu Brzeskorzystwo; Joh. Pigelius, Pfarrer helvetischen Bekenntnisses zu Piranie. Vom weltlichen Stande: Andreas Leszczyński, brzesko-kujavischer Wojewode; Johann Abramowicz, Wojewode von Mińsk; Adam Baleński, Kastellan von Bromberg; Caspar Łuszkowski, Gesandter des Fürsten Constantin Ostrogski, Wojewoden von Kijow;

 

 

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Nicolaus Trzylatowski, Gesandter des Wojewoden von Rava, Stanislaus Gostomski; Stanislaus Szafraniec, z Pieskowej Skały; Świętosław Orzelski, Starost von Nadziejow; Peter Gorajski; Andreas Rzeczycki, Unterkämmerer ven Lublin; Christoph Rej von Naglowice, Mundschenk von Lublin; Andreas Szafraniec, Starost von Lelow; Hieronymus Abramowicz, Tribun von Lida; Georg Latalski, Sohn des Wojewoden von Posen; Lorenz Skarbek, Starost von Luck; Sędziwoj Ostrorog; Andreas Krotowski, Sohn des Wojewoden von Inowracław; Andreas Zaremba aus Kalinowo: Johann Chrystoporski, Mundschenk von Sieradz; Johann Niemojewski, Grodrichter von Inowracław; Lorenz, Martian und Alexander Niemojewski; Nicolaus Rożeński, Landrichter von Inowracław; Johann Rusinowski, Fahnenträger von Inowracław; Martin Trleski, Mundschenk von Inowracław; Gallus Kościelski, Unterrichter des brzesker Landes; Johann Modlibóg, Jägermeister von Inowracław; Jacob Swierzewski aus Leszczo; Adalbert Kościelski; Andreas Grodziecki; Martin Bukowiecki; Johann Suchorzewski; Mathias Siedlecki; Chrystoph Bardzki; Peter Zychlinski; Martin Kresa; Martin Wichorski; Caspar Kempski; Simon Ostromęcki; Adalbert Dorpowski; Adalbert Gądecki; Stanislaus Cikowski; Stanislaus Skorulski; Jacob Broniewski, Johann Koryciński; Martin Broniewski; Martin Chrząstowski, Peter Palczewski; Adalbert Zboży Zakrzewski, Grodrichter von Radziejow; Gregor Zboży Zakrzewski; Adalbert Zychlinski; Andreas Krzyschkowski; Sebastian Granowski; Johann Boskiej Zanisławski; Raphael Soschyc Zbirowski; Peter Gołuchowski; Andreas Offsoliński,; Johann Lipski, aus Jastrzębnik; Przec ław Łaszkowski; Raphael Nowowiejski; Johann Wassowski; Johann Kossowski; Johann Wojszewski; Michael Palędzki; Bernhard Tiocki; Janus Lubowski; Paul Gniewkowski; Caspar Jaruzel Brzeźnicki; Balthasar Rachocki Dr. med.; Heinrich Girk, weltlicher Senior der Böhmischen Brüder in Posen; Christoph Ridt, Senior der lutherischen Kirche zu Posen; Caspar Hampel und Georg Gelhar, Abgeordnete der lutherischen Kirche in Posen.

 

Nach der Thorner Synode wurde beschlossen, den Paul Gerike von der lutherischen Kirche zu Posen zu entfernen. In dieser Absicht wurden vom brzesko-kujavischen Wojewoden, Andreas Leszczyński, zum 17. September 1595 nach Posen Martin Bukowiecki und Mathias Siedlecki, Deputirte der Thorner Synode, an die Gemeinde entsendet. Angelangt in Posen, begaben sich dieselben sofort in Begleitung von Heinrich Girk, Senior der Böhmischen Brüdergemeinde zu Posen, in die lutherische Kirche, wo sie nach dem Gottesdienste den Kirchenältesten die Briefe

 

 

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der Synode einhändigten und indem Martin Bukowiecki das Wort ergriff, setzte er die lutherische Gemeinde von allen Verhandlungen der Synode in Kenntniß und fügte hinzu, daß die Thorner Synode, vor Allem Sorge um innern und äußern Frieden und um Sicherheit der Kirche Sorge tragend, einstimmig den Sendomirschen Consensus bestätigt habe. „Nur Paul Gerike allein sagte Bukowiecki weiter verwarf den Consensus und fuhr endlich im Geheimen zum großen Leidwesen und in Nichtachtung der Synode von dannen. Die Synode zeigte die größte Geduld, erniedrigte sich zu Bitten und beeilte sich nicht mit der Excommurikation. Sie stellte dem Gerike einen weiten Termin, nämlich bis Martini laufenden Jahres, zur Besinnung. Euch, liebe Brüder, gebührt es, das Ansehen der Synode aufrecht zu erhalten. Ich bitte Euch also, daß ihr den Gerike und Luperian bis dahin, daß sie in sich gehen, aufhören möchtet, für Geistliche zu halten.“ Christoph Ridt, einer der Aeltesten der lutherischen Gemeinde zu Posen, dankte, nachdem er den Synodalbrief vorgelesen, zunächst der Synode für die Mühwaltung um das Wohl der Kirche, versprach im Namen seiner Gemeinde der Synode Gehorsam und bat die Deputirten, sie möchten bis zum nächsten Tage Geduld haben, weil die von der Posener lutherischen Gemeinde zur Thorner Synode Abgeordneten ihren Mitbürgern von den Verhandlungen der Synode noch nicht Bericht erstattet hätten. Am andern Tage dankte zuvörderst Naramowski, Mitglied der lutherischen Gemeinde zu Posen, den Deputirten und sonderlich dem Wojewoden Andreas Leszczynski für die Sorge, die sie für die Mehrung der Ehre Gottes getragen; dann hob er hervor, daß die Aeltesten der lutherischen Gemeinde gestrigen Tags Sitzung gehalten, in welcher vorgeladen; Gerike und Luperian Hoffnung gegeben hätten, daß sie den Frieden der Kirche nicht stören würden, doch bäten sie und fügte er hierzu auch wir bitten mit ihnen, es möge ihnen Zeit zur Ueberlegung gegeben und sie bei Ausübung ihrer geistlichen Obliegenheiten bis Martini gelassen werden. Sollten sie bis dahin den Consensus nicht unterschreiben, dann werden wir sie von der Kirche entfernen und uns um andere Geistliche bemühen. Darauf antwortete Bukowiecki, er könne den Termin nicht verlängern, weil er hierzu von der Synode keine Ermächtigung habe und ein solches Verfahren seinerseits eine Beeinträchtigung des Ansehens der Synode sein würde. Nach dieser Erklärung reisten die Synodaldeputirten von Posen ab. Inzwischen hörten Gerike und sein Amtsgenosse Luperian nicht auf, ihre geistlichen Functionen auch nach dem im Synodaldecrete festgefetzten Termine auszuüben. Zur endlichen Erledigung dieser Angelegenheit

 

 

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erschienen wiederholentlich in Posen am 8. Dezember desselben Jahres derselbe M. Bukowiecki, Sędziwój Ostrorog, Andreas Krotowski, Joh. Broniewski und Siedlecki. Nachdem sie sich nach der lutherischen Kirche begeben hatten, brachte Bukowiecki den Aeltesten derselben seine erste Anwesenheit zu Posen, diese Angelegenheit betreffend, in Erinnerung; er stellte ihnen vor, wie viel den polnischen Dissidenten daran liegen müsse, die Beschlüsse der Thorner Synode aufrecht zu erhalten und ihnen zu gehorsamen; er warf ihnen vor, daß sie, trotz der gegebenen Versprechung, Gerike und Luperian in ihren Aemtern belassen hätten und verlangte im Namen der Synode und des brzesko-kujavischen Wojewoden sofortige Entlassung der gedachten Geistlichen. Christoph Ridt dankte den Deputirten für die Geduld, in welcher sie, über den von der Synode gestellten Termin hinaus, gewartet hatten und bat um Aufschub der Vollstreckung bis zum nächsten Tage, an welchem er die ganze Gemeinde und die der Synode ungehorsamen Geistlichen einzuberufen und sich mit ihnen zu verständigen versprach. Da die Deputirten auf diesen Aufschub eingingen, übergab ihnen Adam Naramowski die Gründe, aus welchen Gerike und Luperian den Consensus nicht unterschreiben wollten. Es waren folgende: ihr Gewissen, das Nichtunterschreiben des Consensus seitens der Preußischen Städte, Nichtbeantwortung einiger von Gerike der Thorner Synode übergebenen Artikel. Nachdem Naramowski diese Gründe den Deputirten auseinandergesezt hatte, verlangte er weitern Aufschub für Vollzug des Synodalbeschlusses. Bukowiecki entgegnete hierauf unter Anderem: die angeführten Gründe, welche Geriken bestimmen, den Consensus zu unterschreiben, seien leere und hier nicht Platz greifende; Gewissensbedenken müsse man nur in löblichen Angelegenheiten hegen u. s. w. Da erhob sich die ganze lutherische Gemeinde und bat durch Naramowski, daß die Verkündigung des Synodalbeschlusses bis auf den ersten Sonntag nach Ostern 1596 ausgesezt werden möge. Bukowiecki widersetzte sich dem nach Kräften, aber als die lutherische Gemeinde immer dringender wurde und ihren Bitten sich auch die seiner Kollegen anschlossen, berief er sich auf den Wojewoden Leszczynski und verließ, ohne Etwas ausgerichtet zu haben mit seinen Kollegen Posen.

 

Am 21. Januar 1596 langte lediglich in dieser Angelegenheit der brzesko-kujawische Wojewode Raphael (?) Leszczyński in Gemeinschaft mit Sędziwój Ostrorog und vieler anderen Adligen in Posen, an; da aber alle seine Bemühungen um gütliche Erledigung der betreffenden Sache der Deutschen wegen „welche wie S. T. Turnowski sagte, hartnäckig sich nicht beugen wollten“ vergeblich blieben, beschloß man, endlich zur Ausführung

 

 

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des Synodalbeschlusses zu schreiten. Zu dem Zwecke kam Erasmus Gliczner am 5. Februar 1596 nach Posen, entfernte von der Kirche erstlich den polnischen Geistlichen Andreas Luperian und installirte den Lorenz Karśnicki, bisherigen Pfarrer der lutherischen Gemeinde zu Dorf Gnin bei Grätz. Als er gleicher Weise mit Gerike verfahren wollte, empörte sich die Deutsch-lutherische Gemeinde, wehrte ihm den Eintritt in die Kirche und drohte selbst mit dem Tode, wenn er es wagen sollte, ihr ihren geliebten Hirten zu nehmen. Erasmus Gliczner richtete nichts aus und verließ Posen das sind S. T. Turnowski's Worte „kaum mit heiler Haut.“ „Bald darauf verließ Paul Gerike, von den erleuchteteren Lutheranern getadelt, überdrüßig der Mißhelligkeiten und des Unfriedens, Posen und begab sich nach Breslau; sein Amt aber übernahm ein dem Sendomirschen Consense mehr zugethaner Geistlicher.

 

Nachdem sich Gerike von Posen entfernt hatte, hörte der Zwist zwischen Böhmischen Brüdern und Lutheranern auf. Das war aber auch die einzige Frucht, welche die Thorner Synode von 1595 zeitigte; die Lage der polnischen Dissidenten, welche sich täglich verschlimmerte, war sie nicht im Stande zu ändern. Im Senate saß nur noch eine winzige Anzahl ihrer Glaubensgenossen. Ihre Kirchen fingen an, eine nach der andern, aus verschiedenen Ursachen dahinzufallen. Hier zerstörte sie die von der Geistlichkeit, und besonders von den Jesuiten, deren Anzahl täglich wuchs, aufgestachelte polnische Volksmenge; dort zogen sie die Katholiken in Kraft von Tribunal Erkenntnissen ein; anderswo wiederum vertrieb der in den Schooß des katholischen Glaubens zurückgekehrte Patron den dissidentischen Pfarrer aus dem Dorfe. Augenscheinliches Uebergewicht war bereits an der Neige des 16. Jahrhundert auf Seiten der Katholiken. Noch stürzte man freilich nicht die Warschauer Conföderation vom Jahre 1573 um, aber, von allen Seiten untergraben, sollte auch der ganze Bau in Kurzem umsinken. Diesen Fall sahen auch die erleuchteteren und eifrigeren Häupter der polnischen Dissidenten voraus. Sie beschlossen ihn also abzuwenden, und dazu verblieb ihnen nur ein Mittel, enger sich verbinden mit den Reußen griechischen Bekenntnisses. Mit diesen vereinigt, konnte sie kühn dem herrschenden Bekenntnisse die Stirn bieten. Die Reußen griechischen Bekenntnisses hatten dieselben Gründe den Dissidenten die Hand zu reichen. Sigismund III. verfuhr in gleicher Weise gegen seine Unterthanen griechischen Bekenntnisses wie gegen die Dissidenten. Er ließ sie nicht in den Senat zu, entfernte sie aus Aemtern, und verfolgte, oder aber ließ sie in anderer Weise verfolgen. Die Reußen ertrugen alle Ungerechtigkeiten lange Zeit ohne

 

 

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Murren. Erst als die Union, vom Jahre 1590 ab von der katholischen Geistlichkeit und vom Könige eifrig gefördert, auf der Synode zu Brześć-litewski anno 1595 einen bedeutenden Theil der Schismatiker von der östlichen Kirche losriß, erweckte diese Niederlage sie und namentlich den Fürsten Ostrogski, Wojewoden von Kijow, ihr Oberhaupt, aus ihrer Unthätigkeit. Er beschloß nun, sich mit den polnischen Dissidenten zu verbinden. Den ersten Schritt hierzu that er, wie wir gesehen haben, auf der Thorner Synode 1595, auf welcher man privatim mit seinem Abgesandten verabredete, daß Deputirte der polnischen Dissidenten in zu bestimmender Zeit und am geeigneten Orte mit den Schismatikern eine Zusammenkunft halten sollten, um eine Vereinbarung anzubahnen und mit gemeinsamen Kräften Verfolgungen seitens der Katholiken abzuwehren. Aus verschiedenen Gründen kam diese Zusammenkunft während einiger Jahre nicht zu Stande. Inzwischen näherte aber die sich unaufhörlich verschlimmernde Lage der polnischen Dissidenten diese einander immer mehr. Beim Beginn des Jahres 1599 also verabredete Andreas Leszczynski, Wojewode von Kujavien, in Reußen zusammengetroffen mit dem Wilnaer Wojewoden Christoph Radziwiłł und dem Kijover Wojewoden, Constantin Fürsten Ostrogski, daß sich zum 15. Mai d. J. behufs einer Unterredung in Wilno einige Theologen schismatischen, helvetischen, lutherischen und Böhmischen Bekenntnisses zusammenfinden sollten, um eine Union der polnischen Dissidenten und der Schismatiker anzubahnen. Nach dieser Verabredung schrieb Leszczynski an S. Th. Turnowski, den Senior der Böhmischen Brüder, und lud ihn ein, in gedachter Zeit nach Wilno zu kommen. Obgleich S. T. Turnowski erst von einer Krankheit erstanden war, trat er doch die Reise von Ostrorog nach Wilno am 30. April d. J. an. Auf der Reise holte er in Radziejow den Senior des helvetischen Bekenntnisses Daniel Mikolajewski ab und mit ihm in Thorn angelangt, schrieb er an E. Gliczner zu Brodnica, indem er ihn von der Reise nach Wilno in Kenntniß setzte und ihn bat, sich auch der Reise zu unterziehen, den Weg nach Elbing zu nehmen, woselbst er mit Mikolajewski Gliczners harren werde. Als E. Gliczner in Elbing anlangte, setzten sie alle gemeinschaftlich ihre weitere Reise über Königsberg und Kowno fort und langten am 14. Mai k. J. in Wilno an. Im letzten Nachtquartier vor Wilno legte S. T. Turnowski dem E. Gliczner und Daniel Mikolajewski folgende Punkte zur Erwägung vor: 1) Da wir nach Wilno berufen sind, um eine Vereinigung mit den Bekennern der griechischen Religion zu erzielen, ist es nöthig, daß wir selber den sendomirschen Consensus stetig aufrecht halten und, alle gegenseitigen

 

 

 

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Verletzungen vergessend, ihnen denselben durch Beispiel und Rede empfehlen. 2) Zwischen den Wilnaer Geistlichen helvetischen und lutherischen Bekenntnisses herrscht großes Zerwürfniß und täglich wird es schlimmer; dies Uebel ist zeitig abzustellen. 3) die lutherische Gemeinde in Wilno weigert sich bisher den Consensus Sendomiriensis anzunehmen; möge also E. Gliczner sich Mühe geben, sie zur Annahme desselben zu bewegen. 4) Wenn es zur Besprechung mit den Geistlichen des griechischen Bekenntnisses kommt, wollen wir im Einverständnisse unter uns handeln, um ihnen, mit denen wir uns verbinden wollen, nicht zu zeigen, daß wir selber nicht einig sind. E. Gliczner und D. Mikolajewski belobten diese Vorschläge und versprachen an Turnowski, in Allem nach denselben sich zu verhalten.

 

Andern Tags bei ihrer Ankunft in Wilno wurden sie von Christoph Pawłowski und Martin Broniewski im Namen des Wojewoden von Kijow begrüßt. Die damalige Abwesenheit des Wojewoden von Wilno Christoph Radziwill und des brzesko-kujawischen Wojewoden Andreas Leszczyński hinderte die dissidentischen Geistlichen, irgend Etwas mit den Geistlichen des griechischen Bekenntnisses vorzunehmen. Um aber die Zeit nicht nutzlos verstreichen zu lassen, verfaßte S. Th. Turnowski 12 Artikel, zur Verständigung mit den Bekennern der östlichen Kirche als nothwendig erachtet. Diese Artikel, laut vorgelesen, wurden von einigen zu dieser Versammlung einberufenen dissidentischen Geistlichen angenommen, nämlich von: E. Gliczner, D. Mikołajewski, Lorenz Piotrowski und Andreas Chrząstowski und sodann dem Wojewoden von Kijow übergeben, welcher aus ihnen folgenden Auszug machen und denselben durch Christoph Pawłowski und Martin Broniewski den griechischen Geistlichen zur Erwägung zustellen ließ.

 

Fragen den griechischen Geißlichen

von den Evangelischen Geistlichen gestellt.

1. Ob sie an lauterm Worte Gottes, das im Alten und Neuen Testamente enthalten ist, sich begnügen lassen? Deutlicher zu reden: ob sie das, was Moses, die Propheten, Evangelisten und Apostel geschrieben, unverbrüchlich annehmen und glauben, daß diese Schrift, eingegeben vom Heiligen Geiste zur Lehre, zur Strafe, zur Besserung, zur Züchtigung in der Gerechtigkeit, daß ein Mensch Gottes sei vollkommen zu allem guten Werke geschickt, und den Menschen durch den Glauben weise zur Seligkeit machen könne?

2. Ob sie den alten Lehrern, wenngleich diese irgend wie mit dem Worte Gottes nicht übereinstimmen, ihres Ansehens wegen in Allem Glauben schenken ?

3. Ob sie es für Pflicht halten würden, falls in Ihrer Lehre und Ihrem Gottesdienste sich Etwas zeigen sollte, was dem Worte Gottes und der Apostellehre zuwider wäre, Besserung aus Gottes Wort anzunehmen?

4. Ob sie diejenigen, welche nach dem lautern Worte Gottes alle ihre Gottesdienste und Angelegenheit einrichten wollen und den Gegner des Herrn Christus und des Wortes Gottes für den Antichrist halten, als gemeinsame Gottesverehrer und als Brüder annehmen wollen?

5. Ob sie nach dem Befehle des Herrn Christus Liebe üben und zu gemeinsamen Rathen und Thaten bei gemeinsamen Vergewaltigungen und Angelegenheiten wider den Antichrist und seine Diener sich mit denen verbinden wollen, die am lautern Worte Gottes sich genügen lassen, sich dessen Regimente und Lehre gänzlich unterordnen, den Herrn Christus für ihren Hirten und das einige Haupt der Kirche halten, die Sacramente nach seiner Einsegung gebrauchen, die ersten oekumenischen Concilien vollständig annehmen und die heiligen, mit dem Worte Gottes übereinstimmenden Kirchenväter (Doctoren) als von Ihm zum Bau Seiner Kirche und zu göttlicher Unterweisung gegeben erachten.“

 

Mancherlei Umstände verzögerten das Zusammentreten der dissidentischen und griechischen Geistlichen bis zum 24. Mai. An diesem Tage endlich berief der Fürst Konstantin Ostrogsti, Wojewode von Kijow, beiderseits alle Theologen zu sich. Als die dissidentischen Theologen beim Wojewoden anlangten, trafen sie bei demselben schon folgende griechische Geistliche vor: Lucas, den Metropoliten von Bialogrod; Isaak, den Abt von Dubin; Gideon, den Archidiacon von Dubin. Aber schon die Begrüßung verhieß den dissidentischen Geistlichen keinen günstigen Erfolg der Unterredung. Einer nämlich der Griechen, der Abt Isaak sagte, dem S. Th. Turnowski die Hand reichend: „Ich grüße Euch, wiewohl uns die Schrift verbot, Häretiker zu grüßen.“ S. Th. Turnowski entgegnete bescheidentlich: „es nehme ihn Wunder, daß er, obwohl man sich noch niemals gesehen, sie für Häretiker halte.“ Als Alle ihre Plätze eingenommen, hielt der Fürst Konstantin Ostrogski als Präses an die Versammelten eine russische Ansprache, indem er vor Gott und seinem Gewissen bezeugte, wie er Nichts sehnlicher wünsche, als gegenseitige Verständigung derer, die ein Haupt der Kirche, d. i. den Herrn Jesum bekennen und Sein Evangelium lehren; denn das gefällt sowohl

 

 

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Gott als es auch zur Erhaltung des Friedens und zur Abwehr gegen die Gewaltthätigkeiten der antichristischen Diener es sind dies seine eigenen Worte dient. „Und wenn sagte er ferner Gott, der Herr, dies erreichen ließe, daß eine Vereinbarung unserer griechischen Kirche mit Eurer evangelischen zu Stande käme, stürbe ich morgen mit Freuden.“ Hierauf nahm E. Gliczner das Wort, dankte dem Herrn Wojewoden für seine Bemühungen um Gottes Ehre und bezeugte, daß auch die polnischen Dissidenten zur Verständigung mit den griechischen Geistlichen bereit seien, ja sogar, wenn es sein könnte, zur Vereinigung mit der östlichen Kirche. Hier unterbrach der Metropolit Lucas die Rede: „Eitel ist Euer Meinen, daß wir unsern Glauben verlassen und zu Euch übertreten werden; es sei denn, daß Ihr Eure Religion aufgebt und Euch uns anschließt, sonst giebt's kein anderes Mittel.“ Dieser Schritt des Metropoliten, der gleich beim Beginn der Unterredung den dissidentischen Theologen jede Hoffnung auf Verbindung mit den Schismatikern benahm, regte den Wojewoden sehr auf. Er wandte sich an die griechischen Geistlichen und ermahnte sie scharf, sich der Einigung geneigt zu zeigen; dann sagte er zu den dissidentischen Theologen: „Wollen unsere Geistlichen keine Einigung mit Euch, so mag sie der Teufel holen; wir werden ohne sie Frieden und gegenseitige Liebe aufrecht erhalten.“ Nunmehr erwies S. Th. Turnowski in längerer Rede, daß, wiewohl die morgenländische Kirche nicht gänzlich von Irrthümern frei sei, sie dennoch in ihrer Lehre Vieles aufweise, was sie den dissidentischen Bekenntnissen nähere; so z. B. anerkenne sie nicht den römischen Antichrist für das Oberhaupt der Kirche, sondern halte Jesum Christum für das einige Haupt dieser Kirche und stimme auch in vielen andern Glaubensartikeln mit der heiligen Schrift und den Dissidenten überein. „Zu beiderseitiger Erwägung fuhr er fort will uns Gott selbst durch die Verfolgungen seitens der antichristischen Nachtreter, unserer Feinde, bewegen. Ich halte diesen heutigen Tag, an dem mir Gott zu erleben verstattete, mich mit den Brüdern aufzumachen, um mit Gliedern der morgenländischen Kirche zu verkehren und und über Angelegenheiten zu verhandeln, welche auf gegenseitige Verständigung und Vereinbarung brüderlicher Liebe zielen, für einen glücklichen. Ich erkläre also in meinem und meiner Brüder Namen, daß wir zur Vereinigung nicht nur mit Euch in der Krone Polen und ihren Landen, sondern auch mit den in Moskau, ja selbst in Griechenland Wohnenden bereit sind, um uns auf Grund der heiligen Schrift über alle Glaubensartikel und die Ordnungen unseres Gottesdienstes zu verständigen. Zeigt ihr uns demnach

 

 

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in unserer Lehre Etwas, was mit dem Worte Gottes nicht stimmt, dann werden wir bereit sein, es zu verwerfen. Ein Gleiches erhoffen wir von Euch, nämlich, daß wenn wir in Eurem Glauben Etwas mit dem Worte Gottes nicht Uebereinstimmendes oder ihm Widerspechendes finden sollten, Ihr auch davon ablassen und, der Wahrheit die Ehre gebend, Euch in ihr mit uns verbinden werdet. Ueber die Art und Weise aber wie dies unter uns stattfinden könne, vermeine ich, werdet Ihr auf Eure Obrigkeit, den Patriarchen von Konstantinopel zurückschauen müssen und demnach keinen völligen diesfallsigen Abschluß mit uns machen können. Aber ein Anfang und eine Grundlegung in dieser heiligen Angelegenheit wird hier unter dem Beistand des lieben Gottes zwischen uns und Euch gemacht werden können, wenn von beiden Seiten sich mehr Personen einfinden. Wie Ihr nun diesen unsern brüderlichen guten Willen aufnehmt und welches hierüber Eure Meinung sei, möchten wir sehr gern vernehmen.“ In gleichem Sinne sprach nach S. T. Turnowski, D. Mikołajewski; hierbei führte er einige Artikel an, in welchen „die Päpstler“ irre gegangen, die Griechen aber schriftgemäß glauben und mit den Dissidenten übereinstimmen. Nach diesen Ansprachen dankte der Fürst Ostrogski den dissidentischen Theologen für den guten Willen und ihre Bereitschaft zur Vereinigung mit der morgenländischen Kirche; darnach sprachen der Abt von Dubin Isaak und der Archidiakon Gideon Gott dafür ihren Dank aus, daß er ihnen Gelegenheit gegeben, die zwischen ihnen und den Dissidenten waltende gegenseitige Liebe zu schauen, an welcher nach den Worten Christi, seine Jünger erkannt werden sollen. Isaak bewies in ausführlicher Rede, wie die griechische Kirche darinnen mit den Dissidenten übereinstimme, daß sie Jesum Christum für das einige Haupt der Kirche halte, daß sie als Fundament des Glaubens das Alte und Neue Testament, die Schriften der heiligen Väter und der sieben oecumenischen Concilien habe. Schließlich erklärte er, die griechische Geistlichkeit könne inbetreff des Abschlusses einer Einigung mit den Dissidenten keinen bindenden Schritt ohne Einwilligung der Patriarchen zu Konstantinopel und Alexandrien thun, von denen er aber überzeugt sei, daß sie einer solchen Vereinigung nicht entgegenstehen würden. Nun erhoben sich alle anwesende Theologen von ihren Sitzen und reichten sich die Hände, zum Zeichen der zwischen ihnen geschlossenen brüderlichen Einigung; und als dabei einer der griechischen Geistlichen sagte: „Gäbe es doch Gott, daß ihr Euch, werthe Herren, um der guten Ordnung willen der Obrigkeit unserer Patriarchen unterwerfet!“ fuhr ihn der Wojewode von Kijow hart an und sprach: „Dem Papste, der höchsten Obrigkeit

 

 

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haben sie den Gehorsam aufgesagt und dem geringeren Patriarchen sollten sie sich in Gehorsam unterwerfen?"

 

Inzwischen wurde die fernere Verständigung in dieser Angelegenheit bis zur Ankunft des Wojewoden Andreas Leszczyński 1) verschoben. Andreas Leszczyński langte am 27. Mai in Wilno an und brachte drei Prediger, nämlich Gregor Zarnovius,

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1) Den mehrtägigen Zeitraum bis zur Ankunft A. Leszczynki's füllten den dissidentischen Senioren die Angelegenheiten der Gemeinden zu Wilno, in denen große Uneinigkeit, Aergernisse und Zänkereien herrschten, aus. Auch hier säeten die Jesuiten, die den Pfarrer an der helvetischen Gemeinde, Popowski, für sich eingenommen hatten derselbe beredete seine Glaubensgenossen dazu, daß sie ihre Kinder in die Jesuitenschulen schickten Zwietracht unter den Dissidenten aus. Außerdem bereiteten sich die dissidentischen Theologen auf eine Disputation mit den Jesuiten, zu welcher folgendes Ereigniß die Veranlassung gab, vor. Als nämlich die dissidentischen Theologen ihre Unterredung mit den griechischen Geistlichen hatten, trat in ihren Versammlungsort, Johann Pasz, Amtmann des Wilnoer Schloffes, früher Kalviner, jetzt eifriger Katholik, ein und zeigte (vermuthlich von den Jesuiten dazu veranlaßt, um die projectirte Union der Griechen und Dissidenten zu hintertreiben) an, die Väter Jesuiten wären bereit, in einer Disputation den Dissidenten ihre Irrthümer nachzuweisen. Der Wojewode von Kijow gab den Wunsch zu erkennen, daß er gern eine solche Disputation hören möchte, und da sich auch die dissidentischen Theologen dazu geneigt zeigten, übernahm Pasz, dieselbe zu Stande zu bringen. Einige Tage später schickte er an E. Gliczner zwei Briefe, einen eigenen, in dem er anzeigte, er habe was er versprochen, erzielt; den zweiten von dem berühmten Jesuiten, Martin Smiglecki an ihn, den Pasz, gerichtet, den ich hier wörtlich anschließe: Mein gnädiger Herr! Die Neuigkeit, welche Ew. Gnaden mir mitzutheilen geruhten, ist mir sehr angenehm. Was kann uns wohl lieber sein, als den Leuten die Wahrheit darzulegen, die durch häretische Meinungen verdunkelt, durch ordnungsmäßige Disputation erhellt zu werden pflegt. Ich habe mich immer darnach gesehnt, öffentlich mit den Predigern zu verhandeln, und ihre Irrthümer, mit welchen sie die Leute irre führen und an der Seele morden, durch die Schrift und das Alterthum der gesammten Christenheit zu beweisen. Daß Ew. Gnaden heute bei den Predigern erlangt haben, uns Raum für eine Disputation zu gewähren, ist mir sehr lieb und verspreche ich Ew. Gnaden jegliche Bereitschaft! nur daß die Disputation eine ordnungsmäßige werde! Eine nicht geordnete schafft nichts als Zank und durchaus keinen Nutzen; aus ordentlicher Disputation geht alles Gute und besonders Glaubensaufbau hervor. Zur Ordnung einer öffentlichen Disputation gehören Zeit, Ort, Disputatoren, Moderatoren, Art und Form der Beweisführung, endlich die Materie, über welche disputirt werden soll. Ew. Gnaden wollen sich hierbei an unsere Disputation zu Nowogrod erinnern. Was die Zeit anlangt, so willige ein, wie ja auch die Prediger verlangen, auf den Herrn Wojewoden von Brześć zu warten. Der Ort soll ein locus publicus sein, denn auch disputatio est publica; ein solcher Ort ist der Saal in unserer Academie oder im Schlosse. Die Kirchen sind der Tumulte wegen keine sichern Räume. Der Disputator jener Seite möge gleich ernannt werden, die Moderatoren ohne Mühe. Der Disputirstoff ist sehrumfassend, de Eucharistia, de Sacrificio, de invocatione sanctorum, de purgatorio, de primatu pontificis. Mögen sie wählen, was sie wollen: forma et ratio disputandi, das ist das Wichtigste. Die Disputation soll eine mündliche sein, non in scriptis, denn ad absentes schreibt man, aber cum praesentibus spricht man. Auch die Schrift sagt, daß scribendorum librorum nullus finis, was man durch eine lange Schrift nicht bewirkt, erreicht eine kurze Rede. Der Schriften giebt es ja auch gedruckt im Ueberfluß. Die Beweise sollen zunächst aus der heiligen Schrift, dann auch ex patribus entnommen werden. Die Beweisführungen sollen in forma secundum regulas logicas geschehen, denn in dieser Weise zeigt sich die Wahrheit schneller u. s. w.

Martin Smiglecki, Priester.

 

Nach Empfang dieser Briefe beschlossen die dissidentischen Theologen die Disputation mit den Jesuiten zu Wilno anzunehmen. Sie erfolgte am 2. Junius l. J. auf dem Schlosse. Für dieselbe wurde von den Jesuiten der berühmte Martin Śmiglecki, von den Dissidenten D. Mikolajewski, Martin Janitius und Martin Gratian gestellt. Letzterer beschrieb und veröffentlichte sie im Druck. Sie dauerte 6 Stunden; an 4000 Zuhörer, unter ihnen fünf Fürsten, einige Wojewoden und Kastellane waren zugegen.

 

 

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Martin Janicki und Martin Gratian mit. Sogleich begab sich S. Th. Turnowski zu ihm und setzte ihn von der Unterredung in Kenntniß, welche die dissidentischen Theologen beim Wojewoden von Kijow mit den griechischen Geistlichen gehabt hatten. Anderen Tags d. i. am 28. Mai versammelte der Wojewode von Kijow alle dissidentische und griechische Theologen zur Unterredung, bei welcher folgende Personen anwesend waren: Constantin, Fürst Ostrogski, Wojewode von Kijow; Christoph Radziwill, Wojewode von Wilno; Johann Abramowicz, Wojewode von Smoleńsk, Georg Radziwiłł, Wojewodensohn von Nowogrod, Christoph Zienowicz, Wojewode von Litthauisch Brześć, Christoph Pawłowski, Martin Broniewski, Erasmus Gliczner, S. Th. Turnowski, Gregor Zarnovius, Martin Janicki, Martin Gratianus, Lorenz Piotrowski, Daniel Mikolajewski und Andreas Chrząstowski, dissidentische Geistliche; von griechischen Geistlichen waren zehn zugegeben. Da ohne Einwilligung des Patriarchen von Konstantinopel an eine religiöse Vereinigung der morgenländischen Kirche mit den Dissidenten nicht zu denken war, so beschloß man, sich wenigstens in politischer Beziehung zu verbinden und verlas zunächst die Conföderations-Urkunde der Griechen mit den Dissidenten. Auf Antrag S. Th. Turnowski's ließ man zu dieser Conföderation auch diejenigen Katholiken zu, welche die Warschauer Conföderation vom Jahre 1573 genau innehielten. In derselben Versammlung verlas man auch folgende Glaubensartikel, in denen die Dissidenten mit den Disuniten übereinstimmen:

1. Gemeinschaftlich wird geglaubt und bekannt, daß die heilige Schrift der Propheten und Apostel die Quelle der Wahrheit und der seligmachenden Lehre;

2. daß Gott ewig ist dem göttlichen Wesen nach, aber dreieinig nach den Personen;

 

 

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3. daß diesen drei Personen unterschiedene Offenbarung und ein Wesen zukomme, nichts Ersteres, nicht Letzteres, nach dem nicäischen Symbolum;

4. daß der Inbegriff des apostolischen Gaubens, das wir Symbolum nennen, Kern und Stern des Gottesdienstes und des rechten Bekentnisses;

5. daß Christus, der Sohn des lebendigen Gottes, wahrhaftiger Gott, vom Vater in unaussprechlicher Weise in Ewigkeit, und wahrhaftiger Mensch aus der Jungfrau Maria um unserer Erlösung willen, geboren;

6. daß dieser Christus, indem er sich Gott dem Vater für uns opferte mit seinem Tode für unsere Sünden genug gethan;

7. daß Gott weder Ursache, noch Urheber der Sünde;

8. daß alle Menschen in Erbsünde empfangen und geboren werden;

9. daß den Bußfertigen und sich wahrhaft Bekehrenden Vergebung der Sünde ertheilt werde;

10. daß gläubige Getaufte gute Werke thun müssen;

11. daß Christus selbst das einige Haupt seiner Kirche, sowohl der sichtbaren, als auch der unsichtbaren;

12. daß in der Kirche Gottes das Amt der Geistlichen, die mit dem Worte des heiligen Evangelii und mit den Sacramenten zu dienen haben, nöthig;

13. daß diesen Geistlichen die Ehe nicht verboten;

14. daß die kleinen Kinder zur heiligen Taufe sollen gebracht werden;

15. daß das Abendmahl des Herrn allen Gläubigen unter beiderlei Gestalt gereicht werden soll;

16. daß vom Fegefeuer, in dem die Seelen nach dem Tode zu reinigen wären, in der H. Schrift keine Rede;

17. daß Christus, wie er dem Leibe nach gen Himmel fuhr so auch zur Rechten Gottes des Vaters sitze, nur von dannen kommend, zu richten die Lebendigen und die Todten; 18. daß gleich wie die Seligkeit der Gläubigen eine ewige, so auch die Qual der Verdammten ohne Ende sei.

 

Was die Glaubensartikel anlangt, in welchen die Griechen mit der Lehre der Dissidenten nicht übereinstimmen, schlug S. Th. Turnowski vor, über dieselben auf Synoden, jährlich und abwechselnd bei Griechen und Dissidenten zu halten, sich zu verständigen. Die griechischen Geistlichen, welche von ihrer Obrigkeit keine Ermächtigung hatten, mit den Dissidenten über eine Union zu verhandeln, ließen sich, wiewohl sie der Wojewode von Kijow dringend aufmunterte, auf keine religiöse Fragen ein. Kaum erreichte man von ihnen das Versprechen, daß keiner der

 

 

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griechischen Theologen weder mit Wort noch Schrift die mit den Dissidenten begonnene Einigung tadeln oder gar verderben werde. Uebrigens wurde Alles bis zum Eingange der Antwort von den Patriarchen zu Konstantinopel und Alexandrien, an welche die dissidentischen Theologen unter dem 4. und 6. Junius geschrieben, zurückgelegt. Man mußte sich also mit der Conföderation der Griechen und Dissidenten, deren ich oben erwähnte, begnügen. Der Hauptinhalt dieser Conföderation war: die Bekenner der morgenländischen Kirche in der Krone, in Lithauen und den hierzu gehörigen Provinzen, erwägend die ihnen zu verschiedenen Zeiten von den polnischen Königen ertheilten mancherlei Privilegien, die Warschauer Conföderation vom 8. Januar 1573, so wie die königliche Beeidigung der Pacta Conventa, welche den Bekennern der griechischen Kirche nicht nur völlige Religionsfreiheit, sondern überdies alle politischen Freiheiten und Vortheile, wozu die Zulassung zu allen Aemtern und Landeswürden gehört, gewährleistet; erwägend, daß die durch obige Acte der östlichen Kirche garantirten Freiheiten die Bekenner dieser Kirche nicht gegen die offenen Verfolgungen, sonderlich unter der Regierung Sigismund III. schützen konnten; erwägend, daß die Katholiken, und namentlich die katholischen Geistlichen, nicht nur die Warschauer Conföderation von 1573 als ein Reichsgesetz nicht anerkennen wollen, sondern sie sogar als ihrem Gewissen zuwider erklären; das Alles erwägend, verbinden sie sich mit den Dissidenten der Krone und Lithauens in der Absicht, die erwähnte Warschauer Conföderation aufrecht zu erhalten und Allem sich zu widersetzen, was ihr entgegen ist. Damit aber die Conföderirten um so schleunigere Kenntniß von jeder durch die Katholiken erfolgten Verlegung der Warschauer Conföderation d. J. 1573 haben möchten, erwählte man Provisoren und zwar vom griechischen Bekenntnisse: den Fürsten Const. Ostrogski, Wojewoden von Kijow, den Fürsten Georg Sanguszka, u. s. w., von den dissidentischen Bekenntnissen: den Fürsten Christoph Radziwill, Wojewoden von Wilno, Andreas Leszczyński, Wojewoden von Brzesko-Kujawien, Joh. Abramowicz, Wojewoden von Smoleńsk, Christ. Zienowicz, Wojewoden von Brześć-litewski, Fabian Cema, Wojewoden von Marienburg u. s. w. An diese Provisoren haben sich alle von den Katholiken Bedrückte um Rath und Hülfe zu wenden. Pflicht der Provisoren aber soll es sein, ihre und der Glaubensgenossen Kirchen gegen Beeinträchtigungen und Verfolgungen zu schützen und Gewalt mit Gewalt zu vertreiben. Die Conföderation unterzeichnete ein Paar Hundert sowohl vom griechischen, als auch von den dissidentischen Bekenntnissen. Zu den hervorragendsten

 

 

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Unterzeichnern derselben seitens der Böhmischen Brüder gehören: Andreas Leszczyński, Wenzel Leszczyński, Sędziwoj Ostroróg, Andreas Krotowski, Georg Latalski, Sigismund Grudzinski und Andreas Zaremba. Auf die Katholiken machte sie einen großen Eindruck, und ihr sind meistentheils die Paar Jahre Ruhe zuzuschreiben, welche die polnischen Dissidenten genossen. Diese Wilnoer Zusammenkunft ergab aber, wie wir sehen, keine andern Früchte, als die politische Verbindung der Griechen und Dissidenten. Für religiöse Vereinigung wurden hinfort keine weitere Schritte gethan.

 

Ehe die Dissidenten nach beendeten Verhandlungen mit den Griechen Wilno verließen, beriethen sie sich oft gemeinschaftlich in Angelegenheiten ihrer eigenen Bekenntnisse. Am 3. Juli bei dem Wojewoden Andreas Leszczyński versammelt, beklagten sie sich über E. Gliczner, daß er mit seinen Gemeinden den Consensus Sendomiriensis zerreiße. Die Vorwürfe, welche der Wojewode in Gemeinschaft mit S. T. Turnowski machte, waren folgende: 1) Gliczner habe dem Krakauer Vergleiche in dem er sich verpflichtete, die Uebersetzung seiner Augsburg'schen Confession und namentlich die Vorrede zu derselben zu ändern, in keinem Stücke genügt; 2) er habe die Appellacya zum Schutze der Warschauer Conföderation herausgegeben; dieselbe sei zwar gut, in derselben aber sei keine Erwähnung des böhmischen und helvetischen Bekenntnisses geschehen und eigne er diese Conföderation nur seinem Bekenntnisse zu; 3) gegen den sendomirschen Consens mache er selbst mit seinen Pfarrern Opposition; 4) er habe kein Exemplar des sendomirschen Vergleichs, in welches alle unter seiner Oberaufsicht stehenden Pfarrer eigenhändig sich unterschreiben müßten, und dazu sei er doch verpflichtet; 5) die auf der Thorner Synode beschlossene jährliche Zusammenkunft der Senioren aller drei Bekenntnisse versäume er; 6) er habe ohne Brief und Zeugniß einen jungen Mann, der sich bei den Böhmischen Brüdern für den geistlichen Stand vorbereitete und schlechten Wandels wegen von ihnen entfernt worden sei, aufgenommen; 7) die unter seiner Aufsicht stehenden Geistlichen sündigen gegen den Sendomirschen Vergleich. E. Gliczner stellte zwar das, was man ihm vorwarf, nicht in Abrede, behauptete aber, daß auch die Böhmischen Brüder in mehr als einer Hinsicht den sendomirschen Vergleich überschreiten. Von S. T. Turnowski gefragt, wie denn die Böhmischen Brüder dem sendomirschen Vergleiche Gewalt anthäten, antwortete er, daß würde er seiner Zeit von Brodnica 1)

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1) Brodnica d. i. Straßburg in Westpreußen. (Anmerk. des Uebers.)

 

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aus nachweisen. S. T. Turnowski drang in ihn, er möge seine Vorrede zur Uebersetzung der Augsburgischen Confession ändern, und drohte ihm, daß, wenn er dies nicht thue, er eine Vertheidigung des Consenses, gegen die betr. Vorrede vornehmlich geschrieben, erscheinen lassen werde. Seinerseits ermahnte der Wojewode Glicznern in unangenehmen Worten, er möge offen zu Werke gehen und den Consens, den er angenommen und unterschrieben habe, nicht durch Rede und Schrift stören; „denn“ sagte er weiter „länger können wir solches Gebahren nicht dulden, wir müßten uns von Euch trennen, und dann könnte er (Gliczner) sicher sein, daß er bei keinem unserer Herren Schutz finden würde.“ Von diesem Augenblicke an hegte E. Gliczner einen desto größern Widerwillen gegen den sendomirschen Consens, und nach seinem Tode, der in's Jahr 1603 fiel, traten, wie wir dies später sehen werden, die lutherischen Kirchen in Großpolen ganz und gar von dieser religiös-politischen, mit den Böhmischen Brüdern und dem helvetischen Bekenntnisse geschlossenen Union zurück. Am 8. Juli verließen die dissidentischen Theologen und die weltlichen Herren, die an der Verhandlung und der Conföderation mit den Griechen Antheil hatten, Wilno. Mit diesem wichtigen Akte schlossen die polnischen Dissidenten das 16. Jahrhundert. Die politische Union mit den Bekennern der morgenländischen Kirche war für sie das letzte glückliche Ereigniß; aber auch dieses wurde in Kurzem durch die Ausbreitung der religiösen Union zwischen Katholiken und Griechen in Roth-Reußen, Wolhynien, Podolien und anderweit hinfällig. Von nun an erlitten die polnischen Dissidenten eine Niederlage nach der andern, von welchen auch die Böhmischen Brüder in Großpolen, wie weiter gezeigt werden wird, nicht verschont blieben.

 

Das 17. Jahrhundert begann für die polnischen Dissidenten ziemlich erfreulich. Einige Jahre hindurch hatten sie gewissermaßen Ruhe; sei es, daß der damals ausgebrochene Krieg mit Schweden und die Aufstände in der Wallachei die Aufmerksamkeit des ganzen Volkes in Anspruch nahm, sei es, daß die Wilnoer Union der Dissidenten mit den Bekennern der morgenländischen Kirche die katholische Geistlichkeit von offenbaren Verfolgungen der Andersgläubigen zurückhielt. Indessen dauerte dieser Zustand nicht lange. Schon vom Jahr 1605 ab hatten es zu Posen und an andern Orten das gemeine Volk und die Jesuitenschüler auf die Gotteshäuser der Dissidenten abgesehen. Als im Jahre 1606 Zebrzydowski's Aufstand ausbrach, mehrten sich die Verfolgungen der polnischen Dissidenten. Zu denselben gehörten viele Dissidenten, welche durch denselben ihren Glaubensgenossen

 

 

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die früheren Gerechtsame wiederzugewinnen vermeinten. 1) Dieser Umstand diente den Jesuiten und ihren Parteigängern als willkommener Vorwand zur Verfolgung der Dissidenten, als Gegnern des gottesfürchtigen Monarchen. Auch rächte man sich an ihnen dafür, daß, wenn die Schweden in den polnischen Provinzen irgend welche Stadt in Besitz genommen hatten, man sofort die katholische Geistlichkeit vertrieben hatte und mit den Jesuiten sogar grausam umgegangen war. Man nahm den Dissidenten deshalb ihre Kirchen weg, oder zerstörte sie, besonders in den königlichen Städten; man drängte die Dissidenten aus den Aemtern; man geringschätzte sie öffentlich; man beleidigte ihre Geistlichen auf die mannichfaltigsten Weisen und verbot ihnen durch Tribunals-Dekrete freie Ausübung ihres Gottesdienstes. Von 1606 bis 1620 verloren die polnischen Dissidenten zwei Drittheile ihrer Gotteshäuser. Die Böhmischen Brüder in Großpolen büßten in diesem Zeitraum zahlreiche Kirchen, wie z. B. in Posen, Stawiszyn, Pakość und in vielen andern Orten ein. Nach dem Tode des Starosten Andreas Leszczynski, ihres Glaubensgenossen, gab es auf dieser Seite Niemanden mehr, der im Stande gewesen wäre, den Sturm von ihnen abzuhalten. Es lichteten sich daher auch ihre Reihen immer mehr dadurch, daß viele ihrer Angehörigen in den Schooß der katholischen Kirche zurückkehrten, wozu großentheils die Jesuitenschulen in Posen und Kalisch, die von den Jesuiten gegen die Akatholiken herausgegebenen Schriften, die durch Heirathen mit katholischen Geschlechtern eingegangenen Verbindungen der Böhmischen Brüder, und vor allem das System, welches Sigismund III. stetig in seinem Verfahren gegen die Dissidenten beobachtete, nämlich sie zu höhern Landesämtern, Starosteien und Aemtern in königlichen Städten nicht zuzulassen, beitrugen. Diese Schmälerung ersetzte den Böhmischen Brüdern in Großpolen die zu der Zeit (1627) erfolgte Vereinigung mit dem helvetischen Bekenntnisse in Kujawien. Oben erzählte ich, mit welchem Eifer der kujawische Bischof Rozrażewski seine Diözese von Andersgläubigen reinigte. Von den zehn bis zwanzig Kirchen, die das helvetische Bekenntniß in dem betr. Sprengel besaß, verblieben ihm um das Jahr 1615 kaum einige. In diesem Jahre verlor es seine Hauptkirche, die Schulen und das Seminar zu Radziejow. Der Senior D. Mikolajewski und der Consenior Jacob Gembicki beschlossen, durch diese Widerwärtigkeiten bedrückt, sich auf das Engste mit den Böhmischen Brüdern zu verbinden. Hierzu

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1) „Haeretici ea occasione usi, Libertates Ecclesiasticorum restringi, suisque sectis majores immunitates praeberi quaerebant.“ Piasecki Chron.

 

 

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thaten sie schon den ersten Schritt auf der zu Ostrorog am 8. September 1620 abgehaltenen Synode der Böhmischen Brüder. Dennoch aber erfolgte diese Verbindung erst der auf im Dezember 1627 zu Ostrorog stattgehabten Synode der Böhmischen Brüder. Auf dieselbe begaben sich D. Mikolajewski und J. Gembicki und schlossen sich mit den ihnen übrig gebliebenen sieben Kirchen den Böhmischen Brüdern förmlich an. Das helvetische Bekenntniß bestand fortan nicht mehr in Großpolen, und die Anzahl der Böhmischen Brüder wuchs auf dieser Seite um einige tausend Seelen. Aus Dankbarkeit gegen D. Mikolajewski, der die Haupttriebfeder zur Verschmelzung der beiden Bekenntnisse gewesen, nahmen ihn die Böhmischen Brüder in die Zahl ihrer Senioren auf. Ungleich mehr vergrößerten die böhmischen und mährischen Exulanten von 1622-1627, welche durch folgende Umstände gezwungen wurden, einen Zufluchtsort jenseits der Grenze zu suchen, die Zahl der Böhmischen Brüder in Großpolen. Da die Böhmischen Protestanten unter der Regierung des Kaisers Matthias schwere Verfolgungen erlitten hatten, beschlossen sie nach dem Tode dieses Monarchen den 1617 zum Böhmischen 1) Könige gekrönten Ferdinand II., von welchem sie Aufrechthaltung ihrer Freiheiten (er war ja von den Jesuiten zu Ingolstadt erzogen worden) nicht erhoffen konnten, vom Böhmischen Throne fern zu halten. Sobald dann Kaiser Matthias gestorben war, beriefen sie den Kurfürsten von der Pfalz, Friedrich V., der am 4. November 1619 zum Böhmischen Könige gekrönt wurde, auf den Thron. Inzwischen hatte sich Ferdinand II. mit Hülfe der Liga und des sächsischen Kurfürsten auf dem Kaiserthron befestigt und sandte unter Anführung des Herzogs Maximilian von Baiern ein bedeutendes Heer nach Böhmen, welches, nachdem Friedrich V. in der Schlacht am Weißen Berge unterhalb Prag am 9. November 1620 geschlagen worden, Prag und sodann das ganze Land in Besitz nahm. Das war ein tödlicher Schlag, den die Böhmischen Brüder in diesem Lande erlitten. Der Sieger, begierig nach Rache an den Böhmischen Akatholiken, welche ihm den Thron vorenthalten hatten, beschloß, alle nicht katholischen Bekenntnisse in Böhmen auszurotten. Nun begannen die Verfolgungen, welche rasch nach einander eine immer drohendere Gestalt annahmen. Im Jahre 1621 drängte man die Geistlichen der Böhmischen Brüder in Prag, zum Katholicismus zurückzukehren; da sie sich hierzu nicht verstehen wollten, trieb man sie aus dem Lande. Die kaiserliche Soldateska, aus verschiedenen Nationen gesammelt, beging alle möglichen Grausamkeiten gegen

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1) Soll wohl heißen römischen Könige. Anmerk. d. Uebersetzers.

 

 

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die Böhmischen Akatholiken. Anno 1624 im Monate August gab der Kaiser an alle Geistlichen der nichtkatholischen Bekenntnisse den Befehl, ihr Vaterland zu verlassen. Im Jahre 1627 am 13. Juni erging ein erneuerter kaiserlicher Befehl, daß alle diejenigen, welche die Lehre der katholischen Kirche nicht bekennen und innerhalb eines halben Jahres 1) in den Schooß der katholischen Religion nicht zurückkehren, sich aus dem Lande zu entfernen haben. Infolge dieser Verfolgungen verließen an zwanzigtausend Böhmen und Mähren lutherischen und Böhmischen Brüderbekenntnisses ihr Vaterland. Ein Theil der Exulanten begab sich nach Meißen, nach der Lausitz, nach Schlesien, in die Mark Brandenburg, nach Belgien, dem Königlichen und Herzoglichen Preußen, nach Siebenbürgen und Ungarn. Die größte Anzahl derselben kam nach Großpolen. Der Wojewode Raphael Leszczynski, Besizer von Lissa und Andreas Rej, Erbherr von Schocken, nahmen gastfrei einige tausend ihrer böhmischen und mährischen Glaubensbrüder in ihren Besitzungen auf. Der Rest der nach Großpolen gekommenen Exulanten, setzte sich in andern adligen Städten Großpolens, in denen noch Kirchen ihres Bekenntnisses bestanden, fest. Den Eintritt in die Königlichen Städte wehrte ihnen die katholische Geistlichkeit, die, zusammengetreten zu einer Provinzial-Synode am 22. Mai zu Petrikau, den Konsistorien empfahl, sie möchten der Ausbreitung der Häresie in den Diözesen entgegentreten; gleichzeitig wurde beschlossen, den König auf dem nächsten Reichstage zu bitten, er möge der Gotteslästernng und der häretischen Gottlosigkeit nicht verstatten, den Zorn Gottes auf's Vaterland herabzubeschwören.

 

Mit den betr. Exulanten langten in Großpolen über hundert Geistliche der Böhmischen Brüder an. So entstand in dieser Provinz, abgesehen vom polnischen Theile noch eine Kirche dieses Bekenntnisses, nämlich die böhmische und mährische Kirche, welche ihr eigenes Kirchenregiment hatte. Johann Cyrillus, zu Lissa 1632 2) gestorben, derselbe, der Friedrich V., Kurfürsten

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1) Węgierski: Slavonia Reformata; M. Paweł Stransky: De Republica Bojema, und Andere.

2) Den Tod dieses Cyrillus beklagten die Böhmischen Brüder in dem Werkchen: Lachrymae super insperato ex hac mortalitate obitu etc., in welchem sich verschiedene Dichtungen in polnischer, griechischer, deutscher, böhmischer lateinischer Sprache befinden. Nach Joh. Cyrillus war Senior der böhmischen und mährischen Exulanten Matthias Procopius, der am 16. Februar 1576 zu Lissa starb. Dritter Senior war Georg Erastus, er starb zu Lissa am 8. Mai 1643. Vierter war Paul Fabricius, ehemaliger Assessor des Prager Consistorium. Fünfter, ein gewisser Lochar. Sechster und letzter Johann Komenius. Die böhmischen Exulanten in Großpolen fühlten das Bedürfniß eines geordneten Regiments; sobald sich also ihrer eine größere Anzahl in dieser Provinz gesammelt hatte, wählten sie sich Senioren, Consenioren Kirchenälteste u. s. w. und gaben ein Buch heraus, welches die Vorschriften enthielt, wie ihre Obern zu verfahren hätten. Der Titel dieses Buches ist folgender: Rad Cyrkewnj Gednoty Bratj Ceskych, podle Ucenj Krystowa. W Lesnie Polskem Leta 1632, 8°. 169 Seiten.

 

 

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von der Pfalz, zum böhmischen Könige zu Prag krönte, war der erste Senior der böhmischen und mährischen Exulanten in Großpolen. In Schocken und Lissa hielten diese Exulanten ihre Gottesdienste in böhmischer Sprache. Unter diesen Exulanten befanden sich viele Ackerbauer und Leute, welche in Großpolen keine ihrem Stande entsprechende Beschäftigung finden konnten; sie erhielten sich einige Jahre hindurch von den Ueberresten ihres ehemaligen Vermögens oder auch von der Unterstützung ihrer großpolnischen Glaubensbrüder. Nicht selten sendeten ihnen auch die kleinpolnischen und litthauischen Kalwiner Unterstützungen. Aber nach einigen Jahren schlich sich unter diese unglücklichen Exulanten große Noth ein; die aus Böhmen mitgebrachten Hilfsquellen versiegten; ihre großpolnischen Glaubensbrüder und die litthauischen und kleinpolnischen Kalwiner fingen an, ihre Hand von ihnen abzuziehen. Deshalb trat die Nothwendigkeit ein, jenseits der Grenze, besonders bei Völkern helvetischen Bekenntnisses, Hülfe zu suchen. Die Aeltesten jener böhmischen Exulanten entsandten deshalb im Jahre 1633 den Geistlichen Johann Abdon und den Paul Straskowski an einige schweizerische Cantone 1) mit der Bitte um Geldunterstützung, der Erfolg dieser Aussendung

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1) Die Senioren der Exulanten sprachen in folgender Weise zu den Schweizern: „Evangelicarum rerum publicarum Ecclesiarumque per Helvetiam Magistratibus Amplissimis Antistibus dignissimis: Ut et quibuscunque ibidem locorum hasce lecturis, salutem per Christum nostraque cum precibus studia. Quae nuperis jam annis Bohemiae primum incumbere cepit nubes, atque nimbo quodam Papanae persequutionis invecto, ex eadem exturbavit, cum Evangelii ministros, tum alios plerosque eandem veritatem sincerius constantiusque profitentes: eadem postea adeo protolli alte, diffundique late visa est, non in vicinas modo, eidemque Regno adjunctas provincias, sed et complures longius dissitas: ut ultra omnes et montes et insulas Europaeas, haud dubie spectari potuerit. Eam ob causam, nec neccessarium videtur, ut apud Vos Amplissimi Reverendissimique Viri, aut cujuscunque conditionis tandem sitis in Helvetia, seorsim hic disseramus originem calamitatis ejus, quae nos hodie gravissime exercet: nos, scilicet, qui jam ante decennium et quod excurrit, profligati fuimus e Patria nostra: aliqui, cum docendi munere fungeremur, de stationibus nostris dejecti; aliqui, cum possessionibus et facultatibus abundaremus, iisdem exhausti et privati, plerique omnes ejusmodi artibus delusi, ut quum dimigrantibus pacisci liceret, de debitis porro obtinendis vel pretio pro venditis bonis post hac reportando, frustra postea fuerimus, dum quicquam isto nomine postulavimus: imo male tutum extiterit quibusdam ex isto pacto aliquid quaesivisse. Quae res cum inopinatas haud paucis difficultates a multo jam tempore facessiverit, spe tamen ista usque se solati iidem fuere: fore non ita longis post hinc temporibus:

ut bonitas et veritas sibi invicem rursum occurrant; justitia et pax se mutuo osculentur: fides e terra progerminet et justitia e caelis prospiciat. Nos quidem, qui caetui sic in exilium abacto, autistites ut ante hac fuimus, ita nec in exilio esse desiimus, nubeculam hanc citius etiam transituram nobis imaginabamur: eaque spe plerosque omnes, qui ad nos attinent, ita continuimus, ut praesentibus et qualitercunque suppetentibus facultatibus sic interim non se tantum sustinuerint, sed et pauperioribus aliis alii, qui poterant, in subsidium venerint. At spes ea libertatis recuperandae, bonorumque inique ademptorum, per postliminium aliquod iterum adeundorum, dum usque nunc protelatur, justo Dei judicio, et haud pauci ad incitas etiam interim redacti sic sunt, non verbi Divini ministri tantum; prae aliis sine subsidio fere in exilium exturbati; sed alii complures etiam viri probi bonique, viduae, orphani, viri etiam inter eosdem illustris prosapiae nonnulli, complures ordinis equestris: apud nos fere, qui seniorum Ecclesiasticorum partim, partim politicorum munere defungimur, urgenter nunc instatur, uti de subsidio aliquo alicunde impetrando consilium ineamus. Non patuit ergo via nobis tandem alia, quam ut Apostolorum more ageremus, atque dum illi, qui suo hactenus hospitio dignati sunt, et pro facultatibus etiam benevolentia quadam nos sublevarunt, sufficere egestatibus nostris amplius nequeunt, exteros qui possent et velle sperarentur adiremus. Tales autem quum esse vix alios arbitremur, quam qui nos, tanquam sub eodem capite secum constitutos, pro membris etiam corporis ejusdem mystici agnoscant, tum vero de rebus publ. atque Ecclesiis vestris spem singularem plane concepimus, fore ut non alibi uspiam commiserationem aeque promptam ac apud Vos et per Vos inventuri simus. Induxerunt Nos eo spei, et honorificentissima superioris seculi testimonia, quae summi quidam Ecclesiarum vobis vicinarum Antistites de Vestris caetibus posteritati reliquere; et jucundissima eorum commemoratio, qui vobiscum vel proximis nuper annis vixere ex nostris, vel ex vestris ad nos accessere. Itaque qui nostro nomine hoc coram apud Vos Viri "hristianissimi, Christiane quaererent emisimus ex nostris Viros duos istos, Rev. Fr. Johannem Abdonem V. D. ministrum, et ex civico ordine honestum Paulum Straskovium, harum exhibitores. quos ut satis scimus, necessitates nostras communes, fideliter curaturos, ita fidem iisdem apud Vos tuto adhiberi posse, hoc quoque scripto nostro juxta testari voluimus. De indigentia nostra, ne ipsi nobis testes simus, testabuntur satis Ducales e Silesia literae; testabuntur Illustrissimi Palatini Belzensis, Ordinisque equestris Evangelici e Polonia aliae: quamvis ipsa exilii diuturnitas, ipsa exulum per Poloniam et Ungariam ex nobis dispersorum, sed hactenus conspiratione Christiana usque conjunctorum numerositas, argumento sufficienti esse possit apud probioris animi homines, quales Vos quidem esse, et testatissimum nobis est et persvasissimum. Saltem id nunc cogitate, Viri Pientissimi atque faventissimi, dum nostras has legitis, dum duos istos e nobis Viros videtis, opis Vestrae imploratores, eos desiderare et expetiscere suppetias a Vobis, qui in eodem corpore mystico Vobiscum, Paulina declaratione, haberi possunt, alii pro oculis, alii pro manibus, alii pro pedibus. Christum igitur ipsum putate, sic oculos quosdam suos dolentes ad Vos sustollere: manus indigas ad Vos protendere; pedes veluti quassatos aut luxatos exhibere spectandos, ut commisereamini. Quodsi abjectiora et contemtiora quaedam membra esse existis, quorum nomine sollicitamini, censeri possunt nostris tamen, quid illis quoque honoris debeatur ex Apostoli monito: ut ne oculos tenerius habendos esse addamus, manusque indigas non frustrandas. Et quae a Vobis subministrabitur nobis Eleemosyna, tota dispensabitur ea prudentia, ut singuli Vobis gratias ex nobis debituri sint, Ministrorum V. D. plusquam centum, aliorum ope tali indigentium circiter quater mille, quos inter Viduae orphanique sunt complures, nonnulli etiam natalium et conditionis ante hac ejusmodi, ut vix credibile videri queat, ad sortem tam miserabilem eos tam subito praecipitari potuisse, vel in ea etiam a cognatis relinqui, nisi solum religionis odium et Antichristi spiritus, vel ipsam naturalem affectionem extinguere posset. Quin omnium eorum gratiis et precibus ita in rationes apud Christum certo transscribetur haec vestrà liberalitas, ut velut ex tabulis pronuntiaturus sit de vobis nominatim extremo illo in judicio, quod testatur se dicturum in amplissimo illo comitio, de iis, qui minimis suorum fidelium praestiterint quicquam eorum, quibus indigere homines solent, hoc est, ut eos vel cibarint esurientes, vel potionarint sitientes, vel vestierint investes, ac nudos, vel visitarint aegrotos ac languentes, vel in domicilium suum deduxerint hospitio carentes. Sane et Vos ut caetera ista omnia Christo nunc praestabitis in nobis, ita et hospitio ipsi vestro eundem velut excipietis, si subsidio vestro nobis non defueritis, dum rarissimis inter nos ita nunc contingit frui hospitio, ut idem non sit misdoma seu conductum. Scimus Vos esse eos, qui diligi a Deo expetant, adeoque nec dubitamus, hilares in eo Vos fore, quod necessitate ita urgente petimus, nobis nempe, ut detur, aliàs id optantibus potius quod Christus dixit esse beatius, nempe ut dare ipsi possimus, quam ut accipere necesse haberemus. Deus autem noster impleat vicissim pasan chreian hümohn secundum divitias suas cum gloria per Christum Jesum. Dabantur Lesznae Polonorum 5. Maji, Anno 1633. V. V. V. V. Amplitudinum et Reverendissimarum dignitatum observantissimi studiosissimique. Seniores Fratrum Unitatis ex Bohemia et Moravia, propter Evangelium Christi per Poloniam et Hungariam dispersorum." An diese Ansprache der Böhmischen Erulanten knüpften Raphael Leszczynski, Wojewode von Belsk; Andreas Rej von Naglowice; Adalbert Bojanowski und Johann Schlichting aus Bukowiec, weltliche Senioren der Böhmischen Brüder in Lissa, Folgendes an: ,Omnibus haec Lecturis, salutem. Etsi Dominus et Servator noster, Jesus Christus, ita a Sapientia et potentia instructus est, ut expedita semper Ipsi ratio sit, vel momento compescendorum fluctuum, qui saepe plusquam decumani pulsant veritatis divinae professores; sit tamen hoc saepe numero, ut in fluctuantis suae naviculae puppi somnum simulet, et quasi sui suorumque oblitus, non videatur curare, quid illis fiat, qui lembo illo vehantur. Quo ipso, quemadmodum insigne documentum praebet ejus, quod regnum suum etiam hac parte non sit de mundo hoc: cum culpa non vacet Imperator, qui suos sciens volens in discrimen adduxerit, aut adductos, si possit, sine mora non servarit: ita et suorum fidem in se probat: et aliorum quoque, quos pro suo arbitrio ista tempestate jactari non vult, Charitatem in laborantes naufragosque explorat. Certe enim, nisi impacta navi, infixa prora, puppi vi undarum soluta, Paulus juxta cum aliis Melitam fuisset appulsus, nec Barbari occasionem habuissent explicandae suae humanitatis, nec divinus Scriptor ejusdem cum immortali elogio ad posteros transmittendae. Igitur nos quoque, a quo tempore vicinae nobis Bohemiae et adjunctis illi, sive jure regni, sive fidel Orthodoxae vinculo, provinciis, saevissimi turbines, furente Romano Aeolo, incubuerunt, omnem operam dedimus: ut qui ex isto mari conscientiae servandae tabulis vecti ad nos evaserunt, benevole a nobis exciperentur, et accensa quasi charitatis Christianae pýra, foverentur. Quod vero numerus naufragorum, totum jam, et quod excurrit, decennium tempestate saeviente, multum in modum auctus est: (Nam ad quater mille diversis in Locis, quos inter nonnuli ex illustribus familiis, et supra centum Verbi Ministri numerantur) ut ab una pyra, quam nos tum Lesznae, tum alibi succendimus, incalescere singuli satis nont possint; facile perspexerunt Fratrum Orthodoxae confessionis • Bohemia et Moravia, Antistites, ita sese benevolentia frui utique debere: ut tamen ejus adversum se exercendae viam pudore inutili aliis porro non intercluderent. Itaque consilio in eam rem instituto, visum est legere certos quosdam spectatae fidei integritatisque homines; qui eos adirent, quos Orthodoxa fides Orbi Christiano commendat: atque ibi sarmenta veluti colligerent, quibus pyrae illi nostrae impositis, aliquid alimenti Charitatis Igni accederet, Ipsique calorem acciperent: quo sese munirent contra usque imminentem exilii imbrem, frigusque adversitatum; quibuscum exilium non solet non esse conjunctum. Sed quia mali etiam et inertes saepe a professione exilii pro stipe impetranda argumentum sumunt, ut ejus de se suspicionis concipiendae ansam omnem praeciderent, id sibi agendum arbitrari sunt: ut qui abituri essent, subsidiumque petituri, nomine totius Unitatis Fratrum Bohemorum Orthodoxae confessionis, non abirent, nisi literis a nobis instructi: quibus fidem faceremus conditioni ipsorum, non sua aliqua temeritate aut culpa, sed solo conscientiae illibatae servandae studio, longe afflictissimae. Igitur quicunque has literas nostras oculis usurpabitis, ubi easdem sigillis nostris et manuum subscriptione munitas videritis, credite, nihil hic fingi fallive: sed omnino et eos qui petunt, et quorum nomine petunt, esse homines non indignos tantum Vestrae gratiae, benevolentiae, amoris: ut quibis tanta exilii diuturnitate, quicquid reliquum erat, de vitae tolerandae subsidiis, omne nunc absumptum est: sed dignos quoque quippe qui ita obstinate Servatorem suum diligant, ut ejus causa, fortunas, honores, Charitates suas, ipsam vitam vilifacere non recusent. Si benevole eos exceperitis, praeterquam quod elogio ornabimini non neglectae Apostolicae monitionis, qua jubemur necessitatibus sanctorum communicare, et operari bonum, cum erga omnes, tum vero maxime erga domesticos fidei: etiam illam laudem obtinebitis, quae immortalitati consecravit Primatem Insulae Melitae, Publium: quae mori vetat ejusdem incolas, qui solventibus leguntur imposuisse, quae erant necessaria: quae ab oblivione vindicat discipulos Antiochenos, qui subsidium pro fratribus in Judaea habitantibus, ad Seniores per Barnabam et Saulum mittebant. Statuite Christum adesse, qui in deserto exilii esuriat: qui ex itinere adversitatum ad fontes vestros sedeat, rogetque velitis dare quod bibat. Cogitate, quam elegans, quam certa, quam honorifica faenerandi sit ratio: cum homo, pios egenos fovendo, Christo credit, Christus homini debet. Cujus misericordiae Vos omnes, aeque fervide, ut Fratres hos charitati vestrae, commendamus. Datum Cracoviae in Comitiis Generalibus Coronationis Die 16. Februarii, Anno 1633".

 

 

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enttäuschte die Hoffnung der Exulanten, die auf eine bedeutende Unterstützung aus der Schweiz gehofft hatten. Kaum einige Hundert polnische Gulden brachten J. Abdon und Straskowski heim. Und so mußten die Exulanten sich angewiesen sein lassen auf ihrer Hände Arbeit, auf die Unterstützung ihrer Glaubensgenossen in Großpolen, und auf das, was ihnen heimlich ihre Glaubensbrüder in Böhmen und Mähren dann und wann zusandten. Sie litten zwar nicht Hunger in Großpolen, doch war die Lage Vieler äußerst beklagenswerth. Daher wanderten sie, wenngleich in geringer Anzahl, theils nach Kleinpolen, theils nach Lithauen und anderen polnischen Provinzen aus. Die 1634 in Großpolen herrschende Pest verringerte ihre Zahl merklich und der unter

 

 

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Johann Casimir tobende schwedische Krieg zehrte sie vollends auf dennoch bestand trotz aller dieser Niederlagen die Gemeinde der böhmischen Exulanten bis zum Ende des 17ten Jahrhunderts in Lissa; Johann Tobian war ihr letzter Pfarrer. Doch wir wollen zu der Geschichte der großpolnischen Böhmischen Brüder zurückkehren.

 

Sigismund III. starb 1632 nachdem er großentheils während seiner langjährigen Regierung sein sich vorgestecktes Ziel, das Land von Andersgläubigen zu reinigen, erreicht hatte. Die polnischen Dissidenten, derer, ungeachtet ihrer Verringerung während der Regierung Sigismund III., immer noch eine sehr große Anzahl, und namentlich in Großpolen, übrig war, beschlossen

 

 

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während der Thronerledigung, ihre Freiheiten und Rechte zu wahren und vorzubeugen, damit unter der späteren Regierung nicht ähnliche Verfolgungen, wie unter Sigismund III., sie beträfen. Als der Convocations-Reichstag nahte, versammelten sie sich mit den Schismatikern in großer Anzahl zu Warschau, und ihren Umtrieben ist es großentheils zuzuschreiben, daß Christoph Radziwill, lithauischer Feldhauptmann, Wojewode von Wilno, Kalwinischen Bekenntnisses, zum Marschall der Landbotenkammer erwählt wurde. Diese Wahl belebte ihre Hoffnung und hob ihren Muth. Am Tage nach der Marschallswahl kam unter andern Verhandlungen auch die Sache der Dissidenten zur Sprache. Da während der letzten Regierung von ihnen die

 

 

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Erfahrung gebracht worden war, daß die in den Pacta conventa enthaltenen Ausdrücke: „wir werden den Frieden mit den Dissidenten aufrecht halten“ nicht ausreichten, ihre Freiheiten zu sichern, übergaben sie dem Reichstage ihre in 20 Punkte zusammengefaßten Wünsche. Von diesen waren die wichtigsten: 1. es solle in allen Städten des Reichs Jedermann, welchen Standes und welcher Geburt er auch immer sei, freies Religionsbekenntniß und öffentliche Ausübung desselben zustehen; 2. alle dem widersprechenden, während der lezten Regierung ergangenen Erlasse, sollen aufgehoben werden: 3) die strengsten Strafen gegen die Störer des Religionsfriedens seien zu verhängen; 4) die Streitsachen der Dissidenten und Schismatiker mit Katholiken und den Geistlichen seien ohne

 

 

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Berufung auf den Nuntius und auf Rom von den weltlichen Gerichtshöfen des Landes zu entscheiden; 5) den Dissidenten jedweden Standes seien Verschreibungen, Fundationen, Testamente zu machen, Eintragungen in die öffentlichen Bücher zu erwirken oder aus ihnen irgend welche Akte zu entnehmen, frei zu geben; 6) Dissidenten und Schismatiker seien zu Aemtern in den Königlichen Städten gleich den Katholiken zuzulassen; 7) am Königlichen Hofe seien auch die Dissidenten in Aemter zu berufen; 8) alle diese und ähnliche Freiheiten sollen bei Erwählung des neuen Königs als Rechte erklärt werden. Endlich unterließen sie auch nicht die drohende Bemerkung anzuführen, daß bei dem nachbarlichen Kampfe um Religionsfreiheit in Pommern, der Mark, Sachsen und Schlesien ihre Forderung nicht geringzuschätzen wären. 1)

 

Da jedoch die Katholiken einstimmig bezeugten, wie sie unter keinen Umständen 2) solche Freiheiten auf Kosten des im Reiche althergebrachten Glaubens genehmigen, wurden die Dissidenten etwas nachgiebiger und begnügten sich damit, daß durch von beiden Seiten Erwählte Artikel aufgesetzt wurden, in welchen die Sicherheit und Freiheit des dissidentischen Adels gewährt, die Solchem zuwiderlaufenden Gerichtserlasse aufgehoben, in den Königlichen Städten Kirchen und freie Religionsausübung gewährleistet würden 3); die übrigen Forderungen wurden auf den zukünftigen Elections-Reichstag verschoben.

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1) Kwiatkowski: Dzieje narodu polskiego za panowania Władysława IV.

2) Den Widerstand seitens der Katholiken leitete vorzugsweise der Erzbischof von Gnesen, Johann Wężył und der Domicianer Fabian Birkowski, Hofprediger Wladislaus IV. In der Predigt, die er beim Convokations-Reichstage vor den Senatoren und Landboten hielt, sagte er unter Anderem: „Wir Katholiken sind Christen, wie sollen wir denn eure neue Religion, die Christum verleugnet, gut heißen? Er hat uns mit seinem Blute erkauft! O über euren großen Wahnsinn! Ihr lauft hinter Calvin her, der Christum lästert und dem Herrn Unwissenheit und Gotteslästerung zuschreibt. Was ist von Euch weiter zu erhoffen? Bald wird Euch Cure Religion zum Atheismus führen; lobt sie, liebe Katholicken, wie ihr etwa die Gottlosigkeit selbst loben würdet." Weiter unten sagt er: „Wohin denn, ihr Herren Dissidenten, führt ihr eure Brüder? zur Unterschrift von Conföderationen; mit wem heißt ihr sie Brüderschaft schließen? mit den Teufeln; mit jenen Leuten, die von der großen Sintfluth vernichtet; mit Bestien, die nicht nach der Vernunft leben, sondern dahin laufen, wohin sie die Wuth, die Raserei treibt etc., und noch weiter unten fährt er fort: was noch spiegelt ihr Herren Dissidenten euren Brüder vor?" Adelsfreiheit, daß den Söhnen der Krone bei keiner ihrer Arbeit Gewalt angethan werden solle! Was für eine Freiheit versprecht ‍ihr den Andern, da ihr selber Sclaven der Sünde und des Verderbens?" u. f. w. Die Predigt erschien mit einer zweiten unter dem Titel: O exorbitancyach, kazania dwoje etc. Krakau 1632.

3) Kwiatkowski l.c.

 

 

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Gleiche Früchte ernteten auf diesem Reichstage die Schismatiker. Vielfach aber wurden die gefaßten Reichstagsbeschlüsse von den Katholiken nicht anders unterschrieben, als indem sie die Rechte der katholischen Kirche wahrten, „Salvis juribus Romana ecclesiae“ oder: „excepto articulo Confoederationis Dissidentium.“ Viel also gewannen die polnischen Akatholiken, welche man auf diesem Reichstage zum ersten Male Dissidenten 1) nannte, mit dieser Constitution nicht, sobald nun die Katholiken, mächtiger als sie, begannen, sich die Integrität aller Rechte der katholischen Kirche vorzubehalten; Deutung den Worten eines Vertrags giebt (wie es gewöhnlich geschieht) der Mächtigere nach seinem Ermessen. Als die Dissidenten sahen, wo das hinaus wollte, versammelten sie sich noch zahlreicher auf dem Electionsreichstage, wo sie ihre Rechte nachdrücklich zu verfechten beschlossen. Dieser Umstand gab zu sehr stürmischen Zwistigkeiten Veranlassung, denn die Katholiken verlangten, daß die auf dem Convocations-Reichstage den Dissidenten gewährleistenden Rechte aufgehoben würden; die Dissidenten und Andere, eifrig um Bekenntnißfreiheit und Rechtsgleichheit der Bürger besorgt, wünschten jene Rechte noch erweitert. Den Zwiespalt, den Unwillen der Dissidenten steigerte der Bischof von Łuck, Achatius Grochowski, ein allzu eifriger Greis, indem er in die öffentlichen Bücher eine Protestation gegen die auf dem Convocations-Reichstage zur Sicherheit der Dissidenten gefaßten Beschlüsse eintragen ließ. Die Dissidenten bemühten sich um Auslöschung dieser Protestation und eiferten gegen jene Verwahrung „salvo jure Ecclesiae Catholicae,“ welche viele Katholiken ihrer Unterschrift jener Beschlüsse angefügt hatten. Nach langem Wortkampfe äußerte sich der Kronunterkanzler Thomas Zamojski also gegen die Dissidenten: „Eure Religion ist eine fremde, vor gar nicht langer Zeit aus andern Ländern nach Polen eingewandert, aber der katholische Glaube war und ist als Herrin und langjährige Wirthin in ihrem Hause. Ihr möget so viel Freiheiten haben, als euch aus Gnaden von ihr verstattet werden. Denn anderen Falls, wenn ihr mehr erzwingen wolltet, wie gewährt wird, wollen wir lieber unser Leben und Vermögen daransetzen, als daß wir euch frei und ungehindert in der Republik wirthschaften lassen.“ Diese Rede empörte die Dissidenten noch mehr; und als die eifrigeren Katholiken sogar riethen, man möge

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1) Der Ausdruck dissidentes in religione, der erstlich auf der Warschauer Conföderation von 1573 aufkam, umfaßte sowohl Katholiken als Akatholiken, d. h. er bezeichnete die sich von einander in Glaubenssachen Unterscheidenden; erst auf dem Convocations-Reichstage von 1632 fing man an, nur die Akatholiken durch denselben zu bezeichnen.

 

 

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sie mit dem Schwerte zum Gehorsam gegen die Privilegien der katholischen Kirche nöthigen, fehlte nicht viel, daß Bruderblut geflossen wäre. Denn obwohl die Katholiken an 15000 Bewaffnete zählten, die Dissidenten aber kaum 5000 entgegenstellen konnten, so hatten diese doch an ihrer Spize den lith. Feldhauptmann Christoph Radziwill, einen geschickten Kriegsmann, und, nachdem sie sich mit den Disuniten verständigt, fürchteten sie sich nicht und beschlossen, nicht nachzugeben. Unzweifelhaft wäre es auch zum Bürgerkriege gekommen, wenn von Seiten der Katholiken nicht der Unterkanzler Thom. Zamojski und von Seiten der Dissidenten nicht Andreas Rej die erbitterten Gemüther besänftigt hätten. Schon waren zwei Wochen mit diesen Zänkereien der Dissidenten und Katholiken hingebracht worden, als Wladyslaw IV. nach Warschau kam. Von den gemäßigsten Bürgern beider Theile gebeten, brachte er es durch sein Ansehen dahin, daß alle zu Gunsten der Dissidenten auf dem Convocations Reichstage gefaßten Beschlüsse bestehen blieben, die Protestation von Achatius Grochowski aus den öffentlichen Büchern gelöscht und beschlossen wurde, keine Protestation dürfe in Zukunft die Reichstagsbeschlüsse abschwächen. An der Vertheidigung der Dissidentischen Freiheiten hatten auf diesem Reichstage die Böhmischen Brüder aus Großpolen den größten Antheil. Zu ihrem Bekenntnisse gehörten nämlich während dieses Reichstages die Häupter der Dissidenten: Raphael Leszczyński, Wojewode von Belsk, Nicolaus Ostrorog und Andreas Rej. Nicht weniger Unruhe verursachten auf eben diesem Reichstage die Disuniten, indem sie verschiedene Forderungen an die Uniten stellten. Beide Theile verglich Wladyslaw IV; den Vergleich, als nicht hierher gehörig, übergehe ich und verweise den Leser auf Ostrowski's Geschichte der polnischen Kirche. (Historia kościoła polskiego). Als Wladislaw IV. auf diesem Reichstage die Pacta conventa beschwor, bemerkte ihm der Erzbischof von Gnesen, Johann Wężyk, daß der Schwur in keiner Weise der kath. Religion Abbruch thue, sonderlich nicht durch die Worte: den Frieden mit den Dissidenten werde ich aufrecht halten. Dem trat auf der Stelle der Wojewode von Belsk Raph. Leszczyński im Namen der Dissidenten entgegen, damit ihre Rechte nicht in Zweifel gezogen würden, worauf ihm der Primas antwortete: Ich weiß, daß wir den den Dissidenten gewährten Frieden erhalten werden, aber von einem Rechte und einer öffentlichen das bestätigenden Beschlußnahme weiß ich nichts.“ Indem er sich dann zum Könige umwendete, erinnerte er ihn, man übertrage ihm, vor dem Altare Gottes stehend, die Reichsregierung, damit er wisse und gedenke, daß das katholische Königreich er von Katholiken erhalten

 

 

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habe und daß er deßwegen schon zur Vertheidigung der katholischen Religion verpflichtet sei.“

 

Auf dem Krönungsreichstage a. 1633 zu Krakau erneuerte sich abermals der Zwist der Dissidenten mit den Katholiken. Aufgeregt wurden die ersteren dadurch, daß der Primas dem schon vor dem Altare stehenden Wladislaw IV. in Erinnerung brachte, die katholische Religion allein halte in Polen das Scepter und gebe es den Königen; sie würden deßhalb vor dem kath. Altare gesalbt, damit sie der auf sich genommenen Verpflichtung, die kath. Religion zu schützen und auszubreiten, eingedenk blieben. Noch fügte er hinzu, man könne, was um des lieben Friedens willen während des Interregnum und der Königswahl den Dissidenten erlaubt worden, für ewiges Recht nicht halten. Als dies die Dissidenten vernahmen, fingen sie von Neuem zu murren an, und da ihr Glaubensgenosse Nicolaus Ostrorog an der Spize der Landbotenkammer stand, wollte sie den Primas zwingen, seine Worte zu widerrufen; ihre Bemühungen jedoch blieben erfolglos. Und da überdies der Kronschwertträger Johann Zebrzydowski sie bedrohte und sagte, daß so lange die Dissidenten beliebten, in den Grenzen bürgerlicher Eintracht sich ruhig zu verhalten, man sie dulden werde, im entgegengesetzten Falle aber die Republik auf Sicherung des Friedens bedacht sein würde, verstummten sie gänzlich und der Reichstag ging zu anderen Berathungen über.

 

Das war die Lage der polnischen Dissidenten während der ersten Augenblicke von Wladyslaw IV. Regierung. Dieser erleuchtete Monarch, der von Gabriel Prowani, später Wladysławski genannt, einem gelehrten und wahrhaft guten, allem religiösen Fanatismus abholden Katholiken erzogen worden war und schon in gereifterem Alter unter der Regierung seines Vaters die traurigen Folgen der im Volke immer mehr wachsenden Unduldsamkeit kennen gelernt hatte, war aus Ueberzeugung für Religionsfreiheit. Gleich als er die Pacta Conventa beschwor und der lith. Kanzler, Albrecht Radziwiłł bei dem Punkte: „den Frieden mit den Dissidenten werde ich aufrechthalten“ zu ihm sagte: „Eure Königl. Majestät wolle diese Intention nicht haben“ blickte Władysław IV. auf den Wojewoden von Wilno, Christoph Radziwill, und auf den Wojewoden von Belsk, Raphael Leszczyński und sagte lebhaft: „Wem ich mit dem Munde schwöre, dem schwöre ich auch mit Intention.“ Als der deutsche Kaiser Ferdinand II. die Evangelischen in Schlesien verfolgte, nahm sich ihrer Władysław IV. in einem a. 1636 an den Kaiser geschriebenen, kräftigen Briefe an. Endlich, als die in den Reichen des Kaisers Verfolgten außer Landes Zuflucht suchten,

 

 

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erlaubte Wladyslaw IV. ihnen, sich in dem seinem Scepter unterworfenen Reiche niederzulassen. Unter ihm füllten sich die großpolnischen Städte als Fraustadt, Rawitsch, Zduny, Lissa, Meseritz, Wollstein, Bojanowo, Krotoschin u. a. mit Tausenden um ihrer religiösen Meinung willen verfolgten Deutschen. Seiner Muhme Anna, a. 1625 zu Brodnica im lutherischen Glauben verstorben, deren Körper inzwischen in Brodnica beigesetzt worden war, richtete er a. 1636 zu Thorn nach den Gebräuchen ihres Bekenntnisses ein Leichenbegängniß mit königlicher Pracht aus. Die katholische Geistlichkeit hatte ihn im Verdachte zu großer Gleichgültigkeit gegen die Religion; man warf ihm vor, daß er nicht so oft, wie sein Vater, die Kirche besuche; daß er die Dissidentische Bibelübersetzung (von Paliurus) zu lesen pflege und daß er sowohl einheimische als auswärtige Andersgläubige gnädig bei sich aufnehme. Ich könnte noch mehr Beweise von der Toleranz dieses großen Fürsten anführen: weil ich aber nicht seine Biographie schreibe, will ich mich hiermit begnügen. Bei alle dem, ungeachtet der freundlichen Gesinnung Władysław IV. gegen die Dissidenten, ungeachtet der Mäßigung einiger unter seiner Regierung lebenden Bischöfe, stand es schon nicht mehr in seiner Macht, die Verfolgungen, wie sie hier und da die polnischen Dissidenten während seiner Herrschaft erfuhren, abzuwenden. Und so wurden während derselben durch gerichtliches Urtheil anno 1638 die berühmten Schulen und die Kirche der Socinianer zu Rakow, sowie die kalwinische Kirche nebst Schulen zu Wilno, die man jedoch nach außerhalb der Stadt zu verlegen gestattete, aufgehoben. An vielen andern Orten Polens und Lithauens zerrte man an den Heiligthümern und Personen der Dissidenten. Besonders viel erduldeten unter Władysław's IV. Regierung die Böhmischen Brüder in Großpolen. Kraft des während des Convocations-Reichstages vom Jahre 1587 erlassenen Beschlusses nahm man ihnen die Kirchen zu Dębnica, Schocken, Kwilcz und anderweit, als ehemals katholische, weg. Den härtesten Schlag aber unter dieser Regierung brachte man den Böhmischen Brüdern, trotz kräftigen Widerstandes von Andreas Rej, Starosten von Libau und damaligen Besitzers von Ostrorog, am 27. Januar 1637 durch Wegnahme der Kirche zu Ostrorog bei. Diese Kirche gehörte zu den wichtigsten dieses Bekenntnisses in Großpolen. Hier war der Sitz der Senioren; hier befand sich das geistliche Seminar, die Kasse, das Archiv und die Bibliothek der Böhmischen Brüderunität. Nach Verlust der Ostroroger Kirche mit allen ihren Fonds und Liegenschaften hatten die Böhmischen Brüder keinen geringen Kummer, einen für ihre Bedürfnisse geeigneten Ort zu gewinnen.

 

 

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Die Klagen, welche die polnischen Dissidenten aus verschiedenen Gegenden des Landes über ihnen von den Katholiken zugefügten Unbilden vor den König 1) brachten, die häufigen Streitigkeiten zwischen Dissidenten und Katholiken auf den Reichstagen, wodurch die kostbare, den Berathungen um's öffentliche Wohl geweihte Zeit vergeudet wurde, die stürmischen Scenen, welche die gedrückten Dissidenten gegen die kath. Geistlichkeit hervorriefen, endlich die kühne Erklärung, sie würden fremde Hilfe 2) in Anspruch nehmen und das Suchen solcher Hilfe durch Emissäre an verschiedene dissidentische Höfe und namentlich an den schwedischen Hof, alles dies brachte Wladyslaw IV. auf den Gedanken, die polnischen Dissidenten mit den Katholiken zu vereinigen. Dies auszuführen, dazu ermunterte den König der Krongroßkanzler Georg

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1) Derartige Klagen hatte Władysław IV. nicht selten zu vernehmen. So fand sich 1643 der angesehenste Dissidentische Adel auf dem Reichstage zu Warschau ein und übergab dem Könige seine Beschwerde: „Hanc itaque ob causam convenimus Varsaviae in Aula Illus. D. Palatini Pomeraniae. Aderant ex ordine Senatorio, idem Illus. D. Palatinus; Illus. D. Andreas Firley, Castell. Belsensis; Zbigneus a Goray Gorayski, Castell. Chełmensis; Boguslaus Radziwiłł, Dux in Birze et Dubinki, M. D. Lithuaniae Vexillifer supremus; variorum Palatinatuum ad Comitia Regni Religionis Evangelicae legati. Aderat quoque Sereniss. Electoris Brandenburgici Ordinarius in Aula Regia residens Conciliarius: una cum Prutenicarum aliquod civitatum ablegatis syndicis et secretariis, summae dexteritatis et prudentiae viris. Ubi cum ingentia gravamina ex diversis Palatinatibus et terris, quibus inique a Pontificiis vexamur, imo misere affligimus proposita essent, quae recensere et animus horret et supervacaneum esse putamus, nimis enim jam omnibus proh dolor! nota sunt, nec minuuntur, sed in dies augentur, cumulantur, et jam non uti lateres aegyptiaci duplicantur, sed multiplicantur. Visum est omnibus, ut ante omnia numine Divino invocato, injurias nostras privatim S. R. Mstati D. nostro clementissimo exponeremus, supplicesque oraremus, ut ex vinculo juramenti sui, a tantis oppressionibus vindicare nos vellet. Et quoniam judicanda erat Actio quaedam cum Viro primaris sectae quidem Arianae addicto, sed per cujus latus jura nostra, ratione gesti officii quoque petebantur: ut simul precibus a S. R. M. humillime contenderemus, ne ad judicium suum tam praejudiciosam libertatibus nostris actionem admitteret. Deputatique sunt ad id munus obeundum cum praedictis Dnis Senatoribus uterque nostrum, una cum Gener. D. Adamo Rey, Johanne Firley, Christophoro Potocki. Impetrata itaque a S. R. Majestate Audientia humillime, Iuculentur tamen per Illustr. D. Castell. Chełmensem ex omnia proposuimus. Auditi sumus benigne, Responsum accepimus suave ex ipsius Principis ore.“ Johann Schlichting aus Bukowiec in einem Manuscript, welches über diese Begebenheit berichtet.

2) Die ersten Spuren davon, daß die polnischen Dissidenten außerhalb Hilfe suchten, finden sich unter Władysław IV. Regierung. Damals fingen sie schon an, sich mit den benachbarten dissidentischen Höfen zu verständigen und die Reisen von Comenius nach England, der Schweiz und Siebenbürgen hatten neben wissenschaftlichen auch politische Zwecke.

 

 

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Ossoliński. Als nun der König und der Kanzler die Mittel und Wege erwogen, um dies große und löbliche Vorhaben ins Werk zu setzen, stellte ihm, da er beim Könige Zutritt erlangt hatte, ein gewisser Bartholomäus Nigrinus, von socinianischen Eltern herstammend, erst Lutheraner, dann kalwinischer Geistlicher an der St. Peterskirche zu Danzig, endlich a. 1636 durch den Kapuciner Valerian Magni zum katholischen Glauben bekehrt, die große Leichtigkeit der Vereinigung sämmtlicher christlichen Bekenntnisse in Polen zu einem vor. Wladyslaw IV., der Meinung eines Menschen vertrauend, welcher einige Male seine Religion gewechselt hatte und also vollkommen beurtheilen konnte, wie leicht oder wie schwer es sei, mehrere christliche Bekenntnisse in eins zu verschmelzen, beschloß den früher gefaßten Plan ungesäumt auszuführen. Es handelte sich nur noch darum, wie der erste Schritt zu diesem großen Werke hin zu thun sei. Nigrinus nebst einigen katholischen Theologen behaupteten vor dem Könige und den Bischöfen, das lutherische, kalwinische und böhmische Brüder Bekenntniß könne man leicht mit den Katholiken durch eine freiwillige Unterredung von auserwählten Gelehrten dieser Bekenntnisse vereinigen. Der König faßte diesen Rath des Nigrinus lebhaft auf und beschloß zu einer solchen freundschaftlichen Besprechung, colloquium charitativum, je einige Theologen von allen christlichen Bekenntnissen einzuberufen.

 

Nachdem er sich zu diesem Zwecke mit dem Primas Mathias Lubienski ins Einvernehmen gesetzt und später dem Papste Innocenz X. seine Absicht mitgetheilt hatte, berief er am Ende des Jahres 1643 eine Provinzialsynode der katholischen Geistlichkeit nach Warschau. Die Synode erfaßte den Gedanken des Königs begierig und beraumte das sogenannte „freundschaftliche Gespräch“ in Thorn zum 10. October 1644 an, nachdem sie zu demselben zwölf katholische Theologen unter Führung des Bischofs von Samogitien, Georg Tyszkiewicz erwählt hatte. Hierauf erließen der König und auch die Synode gedruckte Ansprachen an die polnischen Dissidenten und zwar unter dem 12. November l. J., Kenntniß gebend von der beabsichtigten freundschaftlichen Unterredung und die Dissidenten auffordernd, daß sie ihre Theologen zu derselben entsenden möchten. Als diese Ansprachen, in Ausdrücken 1) abgefaßt, welche

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1) In der Ansprache z. B. an die preußischen Städte und polnischen Dissidenten wurde ausgesprochen, daß die Katholiken hoffen, es würden die Dissidenten ihre ketzerischen Irrthümer verwerfen u. s. w. Auch die polnischen Dissidenten sparten Schimpfreden gegen die Katholiken in ihren aus dieser Veranlassung herausgegebenen Schriften nicht. So z. B. sagen die Böhmischen Brüder in dem Schriftchen: Modlitwa pospolita Zborów ewangelickich Wielkiej Polszcze w sprawie Colloquium toruńskiego (Allgemeines Gebet der evangelischen Gemeinden in Großpolen das Colloquium zu Thorn betr.) Siehe o Herr! die Feinde find in Dein Erbe hereingebrochen und haben Deine heilige Kirche besudelt. Die Häuser unserer Heiligkeit und unserer Zierde, in welchen dich unsere Väter anbeteten, haben sie in Götzenhäuser verwandelt. Deine Diener haben sie von ihren Stellen vertrieben, die Städte Deiner Heiligkeit haben sie zu einer Wüste gemacht und immer heftiger setzen sie deinem Eigenthume der Kirche, welche Du theuer erkauft hast, Deiner kleinen Heerde zu u. s. w.

 

 

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die polnischen Dissidenten zur Vereinigung mit den Katholiken nicht geneigt machen konnten, nur ans Tageslicht traten, versprachen sich sowohl verständigere Katholiken, 1) als auch Disssidenten, wie die Schriften, welche diese Angelegenheit betreffend in ungeheuerer Anzahl durchs Land liefen, 2) sehr wenig von dem Colloquium. Dennoch rüstete sich jeder Theil auf dasselbe. Die Böhmischen Brüder empfingen die erwähnte Ansprache am 31. Mai 1644 vom Primas unter der Adresse des Rectors und der Professoren an der Schule zu Lissa. J. Vechner, damals Rektor der Lissaer Schule, überschickte die Ansprache sofort den Senioren der Böhmischen Brüder, und diese, nachdem sie zum 15. April a. cj. eine Synode nach Lissa einberufen hatten, erließen auf derselben die Antwort auf die Einladung des Primas und bezeugten, sie wären zur Vereinigung und zum Frieden, insofern ihre Lehre nicht beeinträchtigt würde, immer bereit und würden nicht unterlassen, ihre Theologen zum Colloquium zu senden. Diese Antwort unterschrieben Rector und Professoren der Lissaer Schule, worauf sie im Monate April dem Erzbischofe zugefertigt wurde. Da die Böhmischen Brüder sich mit den kleinpolnischen und lithauischen Kalwinern über ihre Haltung auf dem „colloquium charitativum“ zu Thorn zu verständigen wünschten, so baten sie ihren auf der Synode anwesenden Glaubensgenossen, den Kämmerer v. Kalisch Matthias Głoskowski, er möge sich in dieser Absicht auf die Synode begeben, welche die kleinpolnischen Kalwiner zum 15. Juli a. cj. nach Chmielnik berufen hatten.

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1) Von Seiten der Katholiken z. B. erschien die einen günstigen Erfolg des Colloquium bezweifelnde Schrift: „Catholicorum quorundam in Polonia de Reconciliationis in Religione dissidentium impossibilitate Judicium.“ Anno 1645. 4°. St. 8. Von Seiten der Kalwiner: „De colloquio charitativo ad quod Evangelici Thorunium invitantur. Theologi cujusdam Evangelici judicium ad Consilium fratribus in Christo qui sunt in Polonia e vicina Germania submissum." Amsterodami apud P. Ravenstein. 4°. Sign. F. ij.“ Den Jesuiten träumte von Bekehrung der Dissidenten wie dies die Schrift: Jesuitica Informatio de negotio Reductionis Haereticorum ad Ecclesiam Romanam per Regnum Poloniae. Presentata mense Octobri 1644." 4°.

2) Ueber dieses Colloquium charitativum erschienen sehr viele Schriften;

sie alle anzuführen fehlt es an Raum.

 

 

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Auf dieser Synode befanden sich auch Deputirte der kalwinischen Gemeinden Lithauens; unter Andern wurde auf ihr beschlossen, zum 24. August l. J. eine Generalsynode nach Orla, einem Städtchen in Podlachien, auszuschreiben. Von der Synode zu Orla benachrichtigte man brieflich den Kurfürsten von Brandenburg, den Herzog von Kurland, einige schlesische Fürsten, die preußischen Städte und verschiedene dissidentische Universitäten in Deutschland, indem man sie zugleich um Rath und ihre Ansicht anging, wie man sich auf dem colloquium charitativum zu Thorn werde zu verhalten haben. Als der bestimmte Synodaltermin eintrat, versammelte sich in Orla eine große Menge von Kalwinern aus allen Gegenden Polens; von den Böhmischen Brüdern aus Großpolen waren einige geistliche und weltliche Personen anwesend. Nach Eröffnung der Synode, welcher der Fürst Janus Radziwiłł präsidirte, wurden zu allererst die Briefe und Rathschläge verschiedener Männer, das colloquium charitativum anlangend, vorgelesen, nämlich: vom Kurfürsten vom Brandenburg, vom Herzoge von Kurland, von der Universität Leyden, vom Dr. theol. Andreas Rivetus, von Heinrich Altinger, Johann Bergius, Wolfgang Crellius, Georg Vechner, Peter Zimmermann, Comenius und von vielen andern gelehrten dissidentischen Theologen; außerdem auch die Briefe der preußischen Städte Danzig, Thorn und Elbing. Nach Anhörung und gründlicher Erörterung dieser Briefe und Gutachten befaßte sich die Synode mit Beantwortung derselben und berieth über das auf dem Colloquium innezuhaltende Verfahren. Allen Synodalen erschien die Zeit für eine gebührliche Vorbereitung auf das Colloquium allzu kurz. Man beschloß also, den König zu bitten, dasselbe noch ein Wenig aufzuschieben. Mit dieser Bitte und zugleich mit der gedruckten Antwort auf die königliche Einberufung zu dem so oft erwähnten Colloquium, sandte die Synode zum Könige den Adam Rej, Franz Gorzkowski und Stanislaus Brzostowski. Der König nahm die Deputirten der Synode wohlwollend auf und gewährte die Bitte derselben. Außer andern Beschlüssen empfahl die Synode auch noch den Böhmischen Brüdern in Großpolen, sie möchten sich mit den Lutheranern verständigen und denselben die auf der Synode zu Sendomir anno 1570 mit den Kalwinern und böhmischen Brüdern geschlossene Union ins Gedächtniß zurückrufen. Unterdessen kam der 10. October 1644 heran. Johann Kos, Kastellan von Elbing, der Königliche Gesandte, und Tyszkiewicz, Bischof von Samogitien, begleitet von den katholischen Theologen, langte in Thorn an, und da er außer Johann Bythner und Martin Gertich, den Senioren der Böhmischen Brüder, außer Georg Vechner, dem Prediger dieses

 

 

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Bekenntnisses, außer Hieronymus Broniewski, Adalbert Bojanowski, Michael Dorpowski und Johann Lesti, dissidentischen Edelleuten, so wie außer einigen Socinianern, an ihrer Spize Johann Schlichting aus Großpolen und außer dem Professor Georg Calixt aus Helmstädt, mit denen er sich nicht einlassen wollte, Niemanden vorfand, erließ er wegen Nichterscheinens der dissidentischen Theologen ein Manifest in die öffentlichen Bücher und verließ sofort am andern Tage, dem 11. Oktober Thorn. Bald darauf am 1. Dezember veröffentlichte Władysław IV. einen zweiten gedruckten Erlaß an die Lutheraner und Kalwiner, zu denen die Katholiken auch die Böhmischen Brüder zählten, indem er den Termin des Colloquium auf den 28. August 1645 in Thorn anberaumte. Nach dem Erscheinen des erneuerten Königlichen Erlasses herrschte unter den Dissidenten auf verschiedenen Seiten Polens große Bewegung. Sie hielten Synoden und Zusammenkünfte, zogen Rath von ihren gelehrten Glaubensgenossen jenseits der Grenze ein. Die Böhmischen Brüder hielten am 23. und den folgenden Tagen des Aprils 1645 eine Synode zu Lissa ab. Diese Synode faßte zwei Punkte in's Auge; als ersten: sich mit den großpolnischen Lutheranern, welche zu derselben Zeit eine Synode in Lissa abhielten, zu verständigen, nicht gesondert, vielmehr gemeinschaftlich auf dem Colloquium zu Thorn „als ein Heer gegen den Feind“ es sind dies die Worte der Synode sich zu stellen; als zweiten: geeignete Personen für das Colloquium zu erwählen und Geldmittel zur Reise und zum Aufenthalt in Thorn flüssig zu machen. Was den ersten anlangt, so hatte es damit keine Schwierigkeit; man wählte folgende Personen, welche das Bekenntniß der Böhmischen Brüder auf dem Thorner Colloquium vertreten sollten : Aus weltlichem Stande nämlich: 1. den Landrichter von Fraustadt, Johann Schlichting aus Bukowiec; 2. den Unterrichter von Kalisch Peter Koźminski aus Iwanowice; 3. den Unterrichter von Wielun Nicolaus Bielski; 4. den Landschreiber Stanislaus Kochlewski; 5. den Grodschreiber von Ostreszow, N. Kosecki; 6. den Kämmerer von Kalisch Mathias Gloskowski; 7. den Salzgrafen von Bromberg Andreas Twardowski; 8. Hieronymus Broniewski; 9. Johann Broniewski; 10. Stanislaus Bronikowski; 11. Johann Gorzyński; 12. Adalbert Kosmider; 13. Paul Kafinowski; 14. den Dr. med. Johan Jonston. Aus geistlichem Stande; 1. den Dr. Theol. Georg Vechner; 2. Johann Amos Comenius; 3. Johann Bythner; 4. Johann Felinus; 5. Benjamin Urfinus. -- Was die Geldmittel zur Reise dieser Personen anbetrifft, so beschloß man, Collekten in den Gemeinden, an welche von der Synode aus sofort Briefe ergingen, einzusammeln.

 

 

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Schwieriger war es, sich mit den Lutheranern zu verständigen. Am 25. April begaben sich die Personen, welche die Synode der Böhmischen Brüder bildeten, in die lutherische Kirche, wo sie von etwa zwanzig Geistlichen und andern Personen dieses Bekenntnisses empfangen wurden. Joh. Schlichting aus Bukowiec trug in Kürze den lutherischen Geistlichen die Sache vor und übergab ihnen eine Schrift, deren Hauptinhalt folgender war: es möchten sowohl die Lutheraner, als auch die Böhmischen Brüder, wenn nicht gemeinsam, wenigstens gegen den gemeinschaftlichen Feind (unter welchem man die Katholiken verstand) stehen; etwa zwei Sonntage vor dem fürs Colloquium bestimmten Termine möchten die Lutheraner ihre Theologen nach Thorn senden, damit diese sich in Gemeinschaft mit den Theologen der andern Bekenntnisse über das Verhalten auf diesem Colloquium berathen könnten; endlich: die Lutheraner möchten die Zänkereien über das heilige Abendmahl, von der Person Christi und von der Prädestination, welche der Sache der polnischen Dissidenten so schädlich wären, im Hinblick auf das Wohl der Kirche bei Seite liegen lassen. Hierauf verließen die Böhmischen Brüder die Lutherische Kirche. Einige Tage später überschickten ihnen die Lutheraner die Antwort auf jenes Schreiben. Ihr Hauptinhalt war dieser: sie seien zur Vereinigung geneigt und hätten zu diesem Zwecke zur Synode sich versammelt; sie würden die Anschrift der Böhmischen Brüder zur Erwägung den Wittenbergschen Theologen zusenden; wenn sie von diesen eine günstige Antwort erhalten sollten, würden sie sofort, nicht erst das thorner colloquium abwartend, eine Synode nach Fraustadt einberufen, auf welcher sie eine völlige und ewige Union mit den Böhmischen Brüdern zu schließen gedächten; daß, wie auch immerhin die Antwort von Wittenberg ausfalle, sie gemeinsam gegen den gemeinschaftlichen Feind auf dem thorner Colloquium handeln würden. Einige Edelleute lutherischen Bekenntnisses sandten an den Dekan und die Professoren der theologischen Fakultät zu Wittenberg einen Brief, in welchem sie unter Anderem hervorhoben, daß der polnische Adel lutherischen Bekenntnisses eine sehr geringe Anzahl stelle, um auf Land- und Reichs-Tagen der überwiegenden Menge der Katholiken die Stirn bieten zu können, und verlangten, daß sich das lutherische Bekenntniß mit dem Bekenntnisse der Böhmischen Brüder, welches sowohl im Senatorenals auch im Ritter-Stande viele Glaubensgenossen zähle, vereinigen dürfe. Außerdem verlangte der Adel lutherischen Bekenntnisses von der erwähnten Facultät, es möge ihm wenigstens verstattet sein, in Vertheidigung derjenigen Glaubensartikel, in welchen sich Lutheraner und Böhmische Brüder nicht unterscheiden,

 

 

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mit den Böhmischen Brüdern zusammen zu stehen; endlich bat er die Fakultät, sie wolle aus ihrer Mitte zum bevorstehenden Colloquium einen Theologen entsenden. Die Fakultät antwortete: das Bekenntniß der Böhmischen Brüder stimme in vielen Punkten mit dem lutherischen nicht überein und könne daher die Vereinigung dieser beiden Bekenntnisse unter keinen Umständen erfolgen; Bekenntnisse, in Hauptartikeln des Glaubens verschieden, seien es auch in den andern; darum dürften die Lutheraner auf dem thorner Colloquium in keinerlei Weise mit den Böhmischen Brüdern gemeinsam handeln. Endlich eröffnete die Fakultät den großpolnischen Lutheranern, sie werde zu dem erwähnten Colloquium den Professor Johann Hülsemann abordnen.

 

 

 

 

Neunter Abschnitt.

Colloquium charitativum zu Thorn 1645. Geschichte der Böhmischen Brüder bis zum Anfange des 18. Jahrhunderts.

Als der 28. August 1645 herannahte, begaben sich die Theologen der vier christlichen Bekenntnisse, welche man für diese freundliche Besprechung erwählt hatte, nach Thorn. Der König entsendete dahin den Krongroßkanzler, Georg Ossoliński, um der Versammlung zu präsidiren, gab ihm aber den Kastellan von Gnesen, Johann Leszczyński, an die Seite, um für den Fall einer Krankheit oder Abwesenheit einen Vertreter in Bereitschaft zu haben, und händigte ihm eine in 25 Punkten abgefaßte, weitläufige Instruktion ein. Die Zusammensetzung der an dieser Unterredung theilnehmenden Theologen war folgende: Von Seiten der unter Leitung des samogitischen Bischofs, Georg Tyszkiewicz, stehenden Katholiken waren folgende Theologen anwesend: 1. Przemysław Rudnicki, ein Jesuit, d. t, Rector des Collegiums zu Jarosławie; 2. Lorenz Piekarkki, ein Jesuit, d. t.; 3. Georg Schönhof, ein Jesuit, d. t., — sämmtliche drei vom Könige gesendet; 4. Stephan Damalewicz, Regular-Chorherr, d. t.; 5. Benedict Bułakowski, ein Reformat; 6. Bartholomäus Nigrinus, königl. Sekretair, alle drei aus der Gnesener Erzdiöces; 7. Christoph Sapelski, d. t., Krakauer Domherr; 8. Jakob von Uść (Ustensis), d. t., Professor der Krakauer Academie; 9. Jakob Vitellius, d. t., Professor der Krakauer Academie; 10. Hieronymus von St. Hyacinth, d. t., ein Barfüßer-Karmeliter; 11. Alexander vom Kindlein Jesu, d. t., ein

 

 

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Barfüßer-Karmeliter; 12. Stanysław Krzykowski, ein Jesuit alle sechs aus der Krakauer Diöces; 13. Sebastian Grotkowski, d. t., aus der Włocławer Diöces; 14. Johann Dowgiało Zawisza, d. t.: 15. Thomas Clagius, ein Jesuit, d. t.; 16. Johann Wolkowicz, ein Jesuit - alle drei aus der Wilnoer Diöces; 17. Michael Trzaskowski, aus der Posener Diöces; 18. Paul Potrykowski, Kanonikus d. o. p.; 19. Sigismund Laurmin, ein Jesuit beide aus der Plocker Diöces, 20. Friedrich Maibohm, d. t.; 21. Johann Rywocki, ein Jesuit beide aus der ermländischen Diöces; 22. Nikolaus Błaszkowski, d. t. Adam Sobolewski, ein Jesuit beide aus der Diöces Samogitien; 24. Andreas Resster, d. p.; 25. Fabian Myślinski, d. t., ein Dominikaner beide aus der Kulmer Diöces. Von Seiten der Kalwiner und böhmischen Brüder, unter Leitung des Rastellans von Kulm, Sbignens Gorajski: 1. Johann Bythner, Senior der böhmischen Brüder in Großpolen; 2. Georg Lechner, d. t.; 3. Johann Comenius; 4. Joh. Felinus, Consenior; 5. Benj. Ursinus; 6. Georg Gleinig alle sechs von den böhmischen Brüdern in Großpolen; 7. Thomas Węgierski, Senior der helvetischen Kirchen in Kleinpolen; 8. Paul Bochnicki, Senior der helvetischen Kirchen in Reußen; 9. Andreas Węgierski, Senior der helvetischen Kirchen im Districte Lublin; 10. Georg Laetus, Senior der helvetischen Kirchen im Districte Reußen; 11. Samuel Plachta, Consenior dieses Bekenntnisses in demselben Distr.; 12. Christ. Pandlowski aus dem Belsker Distr. ; 13. Joh. Laetus aus dem Distr. Krakau; 14. Dan. Stephanus aus dem Distr. Sendomir; 15. Nik. Wysocki, Senior der helvet. Kirchen in Podlachien; 16. Andr. Musonius, Senior dieser Kirchen im Distr. Nowogrod; 17. Reinhard Adami, Hofprediger des Fürsten Janus Radziwiłł; 18. Apollo Styrzyński, Prediger an der Kirche zu Węgrow alle zwölf von den Kalwinern aus Kleinpolen und Lithauen; 19. Johann Bergius, d. t., Hofprediger des Churfürsten v. Brandenburg; 20. Friedr. Reichel, d. t., Professor an der frankfurter Hochschule; 21. Johann Episcopius, Hofprediger des pommerschen Wojewoden; 22. Johann Cäsar, Gesandter des pommerschen Wojewoden; 23. Daniel Kopecki, Hofprediger des Wojewoden von Stum. Von Seiten der Lutheraner unter Leitung des Starosten von Stum, Sigismund Güldenstern: 1. Johann Hülsemann, d. t., Professor an der Universität Wittenberg; 2. Johann Bothsac, d. t.; 3. Abraham Calovius, beide aus Danzig; 4. Peter Zimmermann aus Thorn; 5. Balthasar Woide aus Elbing; 6. Johann Machinger; 7. Johann Fabricius, beide aus Danzig; 8. Nikolaus Neuser aus Thorn; 9. Daniel Holste aus Elbing;

 

 

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10. Joachim Göbel aus Wilno; 11. Johann Hohlfeld aus Lissa; 12. Heinrich Rüchelius aus Schwersentz; 13. Michael Schellenberg,; 14. Michael Reichner; 15. Johann Pudorius aus Straßburg (Brodnica); 16. Lew. Pouchenius, d. t., Professor an der Universität Königsberg; 17. Michael Behm, d. t., Professor ebendaselbst; 18. Christian Dreyer, d. t., Professor daselbst; 19. Paul Eichhorn, Senior der lutherischen Kirchen in Kurland; 20. Herrmann Toppius aus Kurland; 51. Severin Rosentretter aus Graudenz; 22. Johann Müller; 23. Johann Ruhndorf; 24. Johann Mahlendorf; 25. Michael Fusius; 26 Georg Hiscus; 27. Georg Melchior Gernhäuser; 28. Samuel Hentzcovius. Außerdem waren von jedem Bekenntnisse noch mehrere weltliche Personen anwesend.“

 

Am Eröffnungstage des Colloquiums (am 28. August) begaben sich des Morgens die Theologen und weltlichen Personen des katholischen Bekenntnisses in die St. Johanniskirche, wo Georg Tyszkiewicz, Bischof von Samogitien, die heilige Geist-Messe celebrirte. Nach abgehaltenem Gottesdienste gingen die Katholiken auf's Rathhaus, wo sie, an ihrer Spitze der Krongroßkanzler, Georg Ossolinski, als Gesandter des Königs, der Bischof von Samogitien, Georg Tyszkiewicz, und der Kastellan von Gnesen, Joh. Leszczynski, auf der rechten Seite des Saales ihre Plätze einnahmen. Die Kalwiner mit den Böhmischen Brüdern, an ihrer Spitze der kulmer Kastellan Gorajski, versammelten sich im Gymnasialsaale, von wo sie sich auf's Rathhaus begaben. In den Saal eingetreten, setzten sie sich auf die Bänke linker Hand, den katholischen Theologen gegenüber. Die Lutheraner sammelten sich inzwischen in der St. Marienkirche, von wo aus sie sich unter Anführung Stephan Bojanowski's, weil das Haupt dieses Bekenntnisses, Güldenstern, Staroft von Stum, erkrankt war, nach dem Rathhause in Bewegung setzten; im Rathhause angelangt, mußten sie linker Hand, hinter den kalwinischen Theologen, ihre Plätze einnehmen was sie empfindlich kränkte. Die Mitte des Saales war bestimmt für die Disputatoren, die Notare der Versammlung und für den Großkanzler, welcher zwischen dem samogitischen Bischofe und dem Kastellan von Gnesen saß. Als sich Alle versammelt hatten, ergriff der königliche Gesandte, Georg Ossolinski, das Wort. Folgendes war der Hauptinhalt seiner Rede: Władyslaw IV., ein zweiter Kaiser Constantin, habe, während in den benachbarten Reichen Blut um der Glaubensunterschiede willen vergossen wird, durch seine Fürsorge Polen von den Gräueln des Religionskrieges bewahrt; lebhaft wünschend, es möge sich nimmer solch' Unheil von außenher dem seinem Scepter unterworfenen

 

 

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Reiche nahen, habe er dies Colloquium charitativum einzuberufen geruht, damit auf demselben jedes Bekenntniß, gemäßigt und bescheiden, seine religiösen Ansichten darlegen könne; der König hoffe, daß, wenn solches geschehen, sich die Glaubensunterschiede mit Leichtigkeit wegräumen lassen würden; sei dies erreicht, dann sollten die Theologen zu Verhandlungen über die Kirchengebräuche, Kirchenzucht und andere Sachen schreiten. Um dies Ziel zu erreichen, habe ihn (der Kanzler) der König zu dieser Unterredung abgeordnet und beauftragt, ihr zu präsidiren und unter den Theologen der verschiedenen Bekenntnisse Eintracht und brüderliche Liebe zu vermitteln. Schließlich bat der Gesandte die Anwesenden, sie möchten ihm ihrerseits zur Erreichung dieses Ziels behülflich sein. Nach dieser Ansprache übergab der Gesandte an den königlichen Sekretair, Theodor Zaporski, sein Beglaubigungsschreiben, das der Versammlung laut vorgelesen wurde. Hierauf erfolgte nach Empfehlung des Gesandten lautes Vorlesen der königlichen Instruktion über Ordnung und Verfahren auf diesem Gespräche durch Thomas Ujéjski. Nach derselben sollten sich alle Verhandlungen des Colloquii auf drei Punkte beschränken. Erstens sollte man sich eng und genau die Lehre jeder Confession darlegen; zweitens sich über die Wahrheit oder Falschheit dieser Lehre verständigen; drittens die Kirchengebräuche besprechen. Dann sollte jedes Bekenntniß die strittigen Punkte in deutlicher Kürze niederschreiben, sie dem andern Bekenntnisse übergeben und so lange schriftlich und mündlich erörtern, bis sich deutlich erweise, was ein jedes Bekenntniß wirklich lehre und was ihm zur Ungebühr untergeschoben werde. Bei Beleuchtung der Glaubensartikel möchten sich die verschiedenen Parteien nicht ungebührlich zanken, sondern zum Zwecke der Erhärtung der Worte dreimal antworten und dann nicht ferner subtilen Beweisführungen nachhängen, sondern vielmehr sorgfältig erwägen, was wohl ohne Verlegung der Wahrheit und der Gewissen für Erzielung des Friedens in der Kirche geschehen könne und müsse. Ferner drückte der König in der Instruktion die Hoffnung aus, daß, wenn man sich in der Lehre geeinigt haben werde, eine Verständigung in Betreff der kirchlichen Gebräuche nicht von großer Schwierigkeit sein dürfte. Diese Vorschriften bezogen sich lediglich auf den Gegenstand der Berathung. Ihre äußere Form anlangend, empfahl der König, man möge sich jedes heftigen Enthusiasmus und aller beleidigenden Ausdrücke enthalten, die Hauptpunkte zu Papier bringen, die mündlichen Erläuterungen so kurz als möglich sein lassen, die Schriften vor der Uebergabe an ein anderes Bekenntniß in die Hände des Gesandten und der weltlichen Vorsitzer

 

 

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legen und, falls diese in ihnen irgend Etwas finden sollten, was dasjenige Bekenntniß, dem sie übergeben zu werden bestimmt worden, beleidigen könnte, dann sollten die verlegenden Ausdrücke geändert oder ausgemerzt werden. „„Jedes Bekenntniß,““ so heißt es in der Instruktion weiter „„muß in zweien oder dreien Tagen die ihm übergebenen Schriften beleuchten; frei steht es ihm auch, ein oder zweimal schriftliche Erläuterung oder innerhalb dreier Tage eine mündliche Besprechung zu verlangen. Derartige Gespräche sollen durch zwei der zwölf Redner, welche jedes Bekenntniß beim Beginne des Colloquiums aus seiner Mitte zu erwählen hat, geschehen. Diese Unterredungen werden die beiden Notare der mit einander verhandelnden Bekenntnisse aufzeichnen. Das durch die Notare aufgenommene Protokoll soll am Ende jeder Sitzung gelesen, durch die Vorsitzenden gezeichnet, durch sechs zum Colloquium Deputirte versiegelt und dem Königl. Kommissarius eingehändigt werden. Während der Dauer des Colloquii und bis die Protokolle auf königlichen Befehl ans Licht gestellt werden, soll Niemand die Verhandlungen veröffentlichen. Ehe die Theologen der verschiedenen Bekenntnisse das Colloquium charitativum verlassen, sollen sie in den letzten Sitzungen fleißig erwägen, was wohl der gewünschten Vereinigung der Bekenntnisse geschadet habe oder des Ferneren sie verhindere und ob das Hemmniß so groß sei, daß es ohne bedeutende Opfer nicht beseitigt werden könne. Das Colloquium charitativum könne nur nach einmüthiger Beschlußnahme aller zu demselben Versammelten geschlossen werden. Keinem Bekenntnisse stehe frei, gegen den Willen der anderen von dem Colloquium sich zu entfernen, sondern vielmehr müsse dasjenige, welches sich wegbegeben wolle, zuvor dem Königl. Legaten die Gründe solchen Schrittes anzeigen, wodann dieser seine Ansicht darüber auszusprechen oder aber die ganze Angelegenheit dem Könige, nach dessen Willen dann gehandelt werden müsse, zur Entscheidung vorzulegen habe.““

 

Nach Vorlesung dieser Instruktion hielt der Bischof von Samogitien, Georg Tyszkiewicz, eine Ansprache an die Versammlung. Seine Rede war ziemlich gemäßigt; er lobte die Mühwaltungen des Königs und der Warschauer Synode um den Frieden und die Einheit der Kirche; er ermahnte die Versammelten, diese Einheit und den ersehnten Frieden der Kirche zu fördern. Ferner veröffentlichte man einen Brief des Erzbischofs von Gnesen, durch welchen Tyszkiewicz zum Vorsitzenden der katholischen Theologen für das Colloquium ernannt wurde; sodann verlas man die Namen der katholischen Theologen. Hierauf ergriffen nach einander Sbigneus Gorajski, der Präses der

 

 

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kalwinischen und böhmischen Theologen, so wie der Lutheraner Hülsemann das Wort, lobten die Gnade des Königs und seine Sorgfalt um den Frieden und dankten dem Könige und seinem Legaten für die in dieser Beziehung gehabten Mühwaltungen. Die übrige Zeit dieser Eröffnungssitzung wurde mit der Wahl der Redner (Collocutoren) und Notare zugebracht; von katholischer Seite wurden Friedrich Maibohm und Thomas Clagius, ein Jesuit; von Seiten der Kalwiner und böhmischen Brüder, Christoph Pandlowski und Benjamin Ursinus; von Seiten der Lutheraner Joachim Gobelius und Johann Hohlfeld gewählt. Diese Notare wurden von dem Königl. Gesandten vereidet. Hiermit endete diese erste Sitzung.“

 

Zu weitläufig würde es sein, wollten wir im Einzelnen alle Verhandlungen der 36 Sitzungen durchgehen; wir begnügen uns, die allerwichtigsten Gegenstände dieses in der polnischen Kirchengeschichte denkwürdigen und fruchtlosen Religionsgespräches aufzuführen. Zuvörderst wurde beschlossen, die Generalversammlungen so lange auszusetzen, bis sich die Confessionen in Abtheilungssitzungen über die Präliminarien geeinigt haben würden. Dies nahm so viele Zeit weg, daß die nächste Plenarsitzung erst am 16. September statthaben konnte, und man besprach sich (doch nur) über die Geschäftsordnung, die gegenseitigen Titulaturen und ähnliche, unbedeutende Dinge. In der Sitzung am 16. September konnte man sich über das Gebet, mit welchem jede Sitzung anfangen sollte, nicht einigen. Die Katholiken wollten, daß der Bischof von Samogitien vor jeder Sitzung ein die Lehre keines der Bekenntnisse verletzendes lese und alle Versammelten es nachsprächen. In dies Verlangen der Katholiken willigten die Kalwiner und böhmischen Brüder; den Lutheranern aber stand es nicht an, mit Andersgläubigen gemeinschaftlich ihr Gebet zum Herrn der Heerschaaren zu erheben. In derselben Sitzung verlas der Jesuit Schönhof erstlich die Glaubensartikel, welche irrthümlich den Katholiken zugeschrieben wurden, und dann diejenigen, welche die katholische Kirche wirklich lehre. Hierauf lasen die Kalwiner und böhmischen Brüder ihr Bekenntniß vor; weil aber in demselben verschiedene, die Katholiken beleidigende Ausdrücke vorkamen, so protestirte hiergegen der Bischof von Samogitien als gegen ein wider die königlichen Vorschriften abgefaßtes und die katholische Kirche kränkendes Schriftstück. Der Großkanzler nannte es eine Schmähschrift und wehrte, es ins Protokoll einzutragen. Gorajski, das Haupt der Kalwiner, nahm sich seiner Glaubensgenossen an und gerieth aus diesem Grunde mit dem Kanzler und dem Bischofe von Samogitien in einen Wortwechsel. Man

 

 

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beharrte indeß darauf, daß die Kalwiner ihre Glaubensartikel in gemäßigteren Ausdrücken abfassen müßten. Gorajski zeigte übrigens an, es würden die Kalwiner nicht eher der öffentlichen Sitzung beiwohnen, bis nicht alles, was sich zugetragen, gebührendermaßen ins Protokoll aufgenommen wäre. Hierauf übergaben die Lutheraner durch den Starosten Güldenstern ihr Bekenntniß in die Hände des Kanzlers, welcher es der katholischen Geistlichkeit mit der Bemerkung zustellte, daß es allerdings in gemäßigteren Ausdrücken abgefaßt sei, aber nicht eher verlesen werden könne, bis nicht die ihm angehängten Glaubensartikel anderer Bekenntnisse, welche mit der Lehre des lutherischen Bekenntnisses nicht übereinstimmen, entfernt worden seien. Gleich nach dieser Sitzung verließ der Kanzler Thorn, an seiner Stelle den Kastellan von Gnesen, Leszczynski, zurücklassend.“

 

In der folgenden Sitzung stritten die Lutheraner, Kalwiner und böhmischen Brüder mit den Katholiken darüber, welches Bekenntniß zuerst die königliche Vorschrift überschritten habe. Der Jesuit Schönhof schob die ganze Schuld auf die Akatholiken, welche mündlich und schriftlich diesen Vorwurf abwehrten; aber indem sie hierbei gemeinschaftliche Sache gegen die Katholiken machten, führten sie selbst unter einander kindische Streitigkeiten. Als nämlich Bergius, kalwinischer Pfarrer, die Antwort auf die Vorwürfe Schönhofs zu lesen begann, unterbrach ihn Stephan Bojanowski, ein Lutheraner aus Großpolen, indem er behauptete, den Lutheranern gebühre der Vorrang; als aber dessenungeachtet Bergius seine Antwort weiter fortlas, protestirte Bojanowski, wogegen wiederum Gorajski, Kastellan von Kulm, Verwahrung einlegte. Bei im Saale einigermaßen eingetretener Stille las von Seiten der Lutheraner die Antwort Hülsemann vor. Hierauf entgegnete der Jesuit Schönhof den Kalwinern, der Karmeliter Cyrus aber den Lutherischen. Endlich stellte der Bischof von Samogitien den Antrag, es möge, wer fernerhin antworten wolle, dies schriftlich thun. Trotzdem wollten die Lutheraner noch mündlich antworten und zeigten an, daß sie zu keiner Verhandlung weiter sich herbeilassen würden, bevor ihr übergebenes Bekenntniß nicht laut vorgelesen worden wäre. Dem widersetzten sich die Katholiken, da sie nicht zugeben mochten, daß das nebenseitig die Glaubenssätze anderer Bekenntnisse Darlegende verlesen werde. Auf diese Weise wurde die Thätigkeit der Synode gehemmt. Bei solchem Stande der Verhältnisse entsendete Leszczynski den Jesuiten Schönhof zu dem sich damals in Starozębie aufhaltenden Könige, um sich Raths und weitere Instruktionen zu holen. Nach der Rückkehr Schönhofs schickten die Kalwiner und böhmischen Brüder den

 

 

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Adam Rej, die Lutheraner aber den Starosten von Stum zum Könige. Ihnen folgte Seitens der Katholiken der Jesuit Schönhof dahin. Der König empfing diese Deputirten in Nowe-Miasto hinter Płock und entließ sie durch den Großkanzler mit der Mahnung: es möge seine erste Vorschrift, die in christlicher Liebe das Gespräch zu führen rathe und verbiete, irgend einem Bekenntnisse wider dessen Willen Einwendungen zu machen, auf das Pünktlichste befolgt werden.“

 

Inzwischen drängten die Lutheraner auf Vorlesung ihrer Confession; Kalwiner und böhmische Brüder wollten in keine Abänderung ihres Bekenntnisses einwilligen; alle Bekenntnisse verlangten, die Katholiken möchten schriftlich oder mündlich angeben, was sie in den überreichten Confessionen verletze. Darauf wollten die Katholiken unter keinen Umständen eingehen. Gegen Hülsemann legte der Karmeliter Cyrus Protestation ein, die aber von den Dissidenten nicht ins Protokoll verstattet wurde. Nun überreichten die Katholiken die sogenannte „letzte Deklaration,“ in welcher sie verlangten, es möchten die Dissidenten aus ihren Bekenntnissen kurze Sätze zur Diskussion stellen. Auf diese Deklaration antworteten die Dissidenten schriftlich. Von Seiten der Kalwiner und böhmischen Brüder verlas der Kastellan von Kulm, Gorajski, die Deklaration, wurde aber so oft unterbrochen, daß er, ungeduldig gemacht, das Schriftstück zerreißen und eine Protestation zu Protokoll geben wollte. Die Lutheraner wollte man gar nicht hören; sie protestirten daher, und die Katholiken thaten eben wieder so. Bei dieser Lage der Dinge beschlossen die Lutheraner, sich fortan auf nichts mehr einzulassen, bis ihren Forderungen genügt sei; gegen die Kalwiner und böhmischen Brüder aber fingen sie an mißtrauisch zu werden, da diese, trotz des gegebenen Wortes, mit den Katholiken sessionirten und von dem Grunde des Glaubens und dem Worte Gottes zu verhandeln anfingen. Da jedoch diese Disputationen keinen erwünschten Erfolg hatten, beschloß man, die unfruchtbaren Bemühungen aufzugeben.“

 

Der Schuß der liebreichen Besprechung“ erfolgte am 21. November ohne alles Aufsehen, nicht im großen Saale, wo gewöhnlich die Sitzungen abgehalten wurden, sondern in der kleinen Stube in Gegenwart des Königl. Gesandten, der Vorsizenden und einiger anderen weltlichen Personen. Der Königl. Gesandte hielt eine kurze Rede, in welcher er den ungünstigen Ausgang des Colloquii bedauerte; die Präsides antworteten auf diese Rede; dann empfahl man sich gegenseitig. Die Protokolle der Katholiken, Kalwiner und böhmischen Brüder unterschrieben und untersiegelten wechselseitig Personen dieser Bekenntnisse;

 

 

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die Lutheraner wollten dies nicht thun. Sie legten vielmehr im Stadtgerichte zu Thorn ein ausführliches Manifest nieder, in welchem sie sich über das ihnen zugefügte Unrecht beklagten und sich gegen den Vorwurf verwahrten, als ob sie Ursache des üblen Ausfalls der Verhandlungen wären. In eben diesem Sinne schrieben sie an den König. Dann verlasen sie ihr Protokoll, welches von Sigmund Güldenstern, Starosten von Stum, von Stephan Bojanowski und Hülsemann unterschrieben wurde. Eine Abschrift dieses Protokolls legte man im Thorner Archive nieder, die zweite übergab man an Güldenstern, der sie dem Könige einhändigen sollte. Sie kam später ins Danziger Archiv, wo sie sich noch befindet. So endete das Colloquium charitativum zu Thorn. Die verschiedenen Parteien verließen es in gegenseitigem Hasse und schleuderten gegen sich durch ganz Europa anzügliche Schriften, in welchen sie sich gegenseitig die Schuld des unglücklichen Ausfalls jener Unterredung beimaaßen. Wollen wir die Wahrheit sagen, so trägt kein Bekenntniß die Schuld! Das Thorner Gespräch konnte keinen andern Ausgang nehmen. Jedes Bekenntniß nämlich meinte, das wahre Licht zu kennen, während die andern Bekenntnisse im Finstern tappen; es konnte also seiner Ueberzeugung, seiner, von den Glaubensbrüdern empfangenen Instruction nicht zuwider handeln. Aber wiewohl diese Unterredung keinen erwünschten Erfolg hatte, so ist sie dennoch ein rühmliches Zeugniß für die Sorgfalt, die Władysław IV. für das Wohl des Landes hatte und eine große Lehre für die Nachwelt, daß nämlich alle Bemühungen, mehrere Bekenntnisse in eins zu verschmelzen, vergeblich seien.“

 

Drei Jahre nach dem colloquium charitativum zu Thorn (1648) starb Władysław IV., nachdem er nicht volle sechszehn Jahre regiert hatte; er verließ Polen, bedroht durch den Aufstand Chmielnicki's, dessen Horden während des Interregnum die Fluren bis unter Zamość verwüsteten. Aus der allgemeinen Noth, die dieserhalb auf der Nation lastete, beschlossen die bedrängten Dissidenten Nutzen zu ziehen. Auf dem Convocations-Reichstage sammelten sie sich zahlreich unter ihren Häuptern, dem lithauischen Feldhauptmann Janus Radziwiłł; dem Großstallmeister Bogusław Radziwiłł; dem Wojewoden vom Pommerellen, Gerhard Dönhof; dem Wojewoden von Dorpat, Andreas Leszczyński und dem Kastellan von Dorpat, Zbigneus Gorajski. Sobald nur der Reichstag eröffnet worden war, brachten die Dissidenten ihre Angelegenheit zur Sprache. Schlichting, Landrichter von Fraustadt, böhmischen Brüder-Bekenntnisses, nahm für die Dissidenten das Wort, beklagend, daß, wiewohl

 

 

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Bekenntnißfreiheit durch die Konstitutionen gewährleistet sei, dennoch die Dissidenten viel mehr Beeinträchtigungen erführen, als ihre Vorfahren vor der Warschauer Conföderation von an. 1573 1). Hierauf zählte er dergleichen Beeinträchtigungen, wie sie die Dissidenten an verschiedenen Orten Polens zu erdulden gehabt hatten, auf und beschwor die Stände, daß sie den immer zahlreicheren Unordnungen ein Ende machen möchten. Nach ihm nahm Gorajski, der unter den Dissidenten durch Gelehrsamkeit und Beredsamkeit hervorragte das Wort; zunächst rühmte er die Weisheit der Vorfahren, daß sie die Warschauer Conföderation von 1573, welche Freiheit der Gottesverehrung, in welcher Art es auch immer sei, sicher gestellt und Polen vom Vergießen christlichen Blutes fern gehalten habe. „Und obschon sagte er ferner man dieser Conföderation nicht selten Gewalt angethan hat, dennoch haben die Dissidenten aus Liebe zum Vaterlande und dem allgemeinen Wohl zu den ihnen angethanenen Ungerechtigkeiten geschwiegen. Aber jetzt, wo der Uebermuth alle Grenzen durchbricht, die durch die Konstitutionen den Dissidenten verbürgten Freiheiten ungestraft gebrochen werden, sind die Gedrückten gezwungen, ihre Stimmen zu erheben und sich ihrer Gerechtsame zu erinnern.“

 

Sodann übergab er den Reichstagsabgeordneten 16 gravamina über die Katholiken. In diesen „gravamina“ beschwerten sich die Dissidenten ganz besonders über Bedrückung der Bekenntnißfreiheit durch Tribunalsdekrete, über offenkundige Verfolgung und darüber, daß sie von Staatsämtern fern gehalten wurden. Endlich verlangte Gorajski in herben Worten, die versammelten Stände möchten für die gerechten Beschwerden der Dissidenten ein offenes Ohr haben und dafür Sorge tragen, daß die Warschauer Conföderation von 1573 genau innegehalten werde. Dies Verlangen brachte die Katholiken in Aufruhr. „Zur Ungebühr erwiederte der Landrichter von Ciechanow, Balthasar Sarbiewski, beklagen sich die Dissidenten über Tribunalsdecrete, da sie selbst das Grundgesez des Herzogthums Masovien, welches den Dissidenten Eintritt in dies Herzogthum verbietet, vergewaltigen. In Warschau, im Garten der Fürsten Radziwill, halten sie öffentliche, religiöse Zusammenkünfte und streuen Schimpfreden über die heilige katholische Kirche aus.“ Diese Worte erregten große Unzufriedenheit zwischen Dissidenten und Katholiken. Es entstand großer Lärmen und Viele griffen schon zu den Säbel. Als der Lärmen sich etwas gelegt hatte, ergriff der Starost von Oświecim, Stephan Koryciński das Wort,

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1) Łukaszewicz hat fälschlich das Jahr 1572. Anm. d. Uebers.

 

 

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ermahnte beide Theile zum Frieden und beschwor die Dissidenten, sie möchten, eingedenk der Gefahr, in welcher das Vaterland stehe, sich mit der frühern Gewährleistung ihrer Freiheiten begnügen und nicht Klagen vor den Reichstag bringen, der sich versammelt habe, um über das Wohl des Landes zu berathen, nicht aber, um Rechtshändel zu entscheiden 1), Janus Radziwiłł verlangte, es solle die Warschauer Conföderation von 1573 durch die Stände für ein festes, ewiges Gesetz erklärt werden, und wer ihr zuwiderhandle, müsse vor Gericht zur Verantwortung gezogen werden. Aber diese Forderung verwarfen die Katholiken. Als die Dissidenten sahen, daß sie, namentlich von dem Krongroßkanzler Georg Ossolinski und von dem lithauischen Kanzler Albrecht Radziwill großen Widerstand fanden, daß ihre Partei viel schwächer sei, als die katholische, daß sie auf die Hilfe Chmielnicki's, der gleicherweise Katholiken und Dissidenten mordete, gleicherweise die Kirchen der Katholiken und Dissidenten plünderte, zerstörte oder in Brand steckte, nicht rechnen könnten, beruhigten sie sich und nahmen den Antrag Koryciński an. Demnach wurde ihnen sowohl in der Conföderation-Akte als auch in den Pacta conventa Friede und Sicherheit nach Vereinbarung während der früheren Zwischenreichszeiten verbürgt; auf die von ihnen eingereichten gravamina aber antwortete man gar nicht. An der Vertheidigung der dissidentischen Freiheiten und Rechte während dieses Interregnum hatten die Böhmischen Brüder großen Antheil. Auf dem Wahlreichstage hielt einer ihrer Glaubensgenossen, der Fraustädtische Landrichter Schlichting, an die Stände eine bewegliche Rede und beschwor die Stände, daß sie den Verfolgungen der Dissidenten vorbeugen möchten. Auf dem Krönungsreichstage 1649 brachten die Dissidenten ihre Angelegenheit abermals zur Sprache; aber der von der Pflicht der Landesvertheidigung ganz in Anspruch genommene Reichstag konnte nichts weiter thun, als ihnen die Erörterung dieser Angelegenheit für den nächsten Reichstag versprechen. 2) Als nun im folgenden Jahre (1650) der Reichstag zusammentrat, verlangten die Dissidenten Erfüllung der ihnen gegebenen Zusage, aber auch diesmal gewannen sie nur die schriftliche Zusage des Königs, des Primas Mathias Lubienski und des Marschalls der Landbotenkammer Leszczyński, daß ihre Angelegenheit auf dem nächsten Reichstage erwogen und ihre Forderungen befriedigt werden würden. Niemals aber kam es unter der Regierung Johann Casimirs dazu; denn die damaligen traurigen Landeszustände

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1) Vespasian Kochowski.

2) Joseph Zaluski in dem Werke: Dwa miecze (d. h. Zwei Schwerter.)

 

 

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und die nur wenige Tage währenden Reichstage unter diesem Monarchen erlaubten den Ständen nicht, sich mit den Angelegenheiten der Dissidenten zu befassen"! 1)

 

Inzwischen brach der schwedische Krieg (1655) aus. Wittenberg, schwedischer Generalfeldmarschall, brach mit 17000 Mann aus Pommern in Großpolen ein. Bis hierher war das Verfahren des polnischen Dissidenten untadelhaft. Sie vertheidigten ihre Rechte und Freiheiten auf geraden Wegen, d. h. auf Reichs- und Landtagen; und ob sie auch schon mehrfach Emissäre zu ausländischen, dissidentischen Höfen entsendeten, so geschah dies doch mehr, um bei den polnischen Königen Vermittelung zu erlangen, als um kriegerische Hilfe zu gewinnen. Aber von dem Augenblicke an, als die schwedischen Heere Großpolen beschritten, wurden die Dissidenten Feinde des eigenen Landes. Sie verbanden sich mit dem Feinde 2), füllten seine Reihen mit Kriegsvolk, gewährten ihnen Geldmittel, Proviant und allerlei Bedürfnisse; ertheilten ihm Rath und spionirten die Bewegungen der polnischen Heere aus. Dazu, daß (am 25. Juli 1655) die Kalischer und Posener Wojewodschaft bei Ujść auf Zureden Radziejowski's sich zu den Schweden schlug, trugen nicht wenig die Dissidenten bei. Im Hasse gegen die Sache der Nation zeichneten sich besonders die Socinianer und Böhmischen Brüder in Großpolen aus und vor Allem die Exulanten dieses Bekenntnisses aus Böhmen und Mähren, welche doch in dieser Provinz einen Zufluchtsort gefunden hatten. Die katholischen Schriftsteller beschuldigen, vielleicht mit Unrecht, die Dissidenten, daß sie die Urheber der Zügellosigkeiten und Grausamkeiten gewesen, welche schwedische und die ihnen verbündeten Heerhaufen in Polen verübten 3). Sei dem aber, wie ihm wolle, das schwedische Kriegsvolk, sich auf alle Weise den Dissidenten zugethan erweisend, ging mit den Katholiken barbarisch um. Es plünderte katholische Kirchen und Klöster, mordete weltliche und Kloster-Geistlichkeit. Ganz besonders war die großpolnische Geistlichkeit den Verfolgungen des grausamen Feindes ausgesetzt. Hier (in Großpolen) übertraf Wrzeszowiec, General in schwedischen Diensten, von Geburt aber Böhme, alle Andern an Haß gegen die Katholiken. Er plünderte die Kirchen zu Gostyn, Punig, Górka,

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1) Ostrowski: Historya Kościoła polskiego (d. h. Geschichte der polnischen Kirche).

2) Unter Andern stellte sich Fürst Janus Radziwiłł Großfeldherr von Lithauen, das Haupt der polnischen Dissidenten, mit vielen seiner Glaubensgenossen unter die Protection des Schwedenkönigs.

3) Kochanowski in Climacter d. J. Ankuta im:, „Jus plenum“ ZaIusti:,,Dwa miecze" und Andere.

 

 

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Uniejowo, Kobylin und an vielen andern Orten. Durch diese Zügellosigkeit des Kriegsvolks verloren das Leben: Johann Branecki, Bischof von Ennena, Suffragan von Posen, ein gelehrter Mann, der in seinem eigenen Hause erschlagen wurde; Adalbert Gowarczewski, Archidiaconus in Posen, der, nachdem ihm auf dem Wege bei Bentschen beide Hände abgehauen worden, von der Brücke ins Wasser gestürzt wurde. 1) In Bentschen, in Bomst und vielen andern Orten nahm man einigen Priestern auf grausame Weise das Leben. In Schrimm tödtete man alle Franziskaner. Doch wer zählt alle Grausamkeiten auf, die in Polen von den Schweden und ihren Verbündeten verübt wurden! Dies Verfahren des schwedischen Kriegsvolkes steigerte noch mehr den alten Haß der Katholiken gegen die Dissidenten, welche für die Haupttriebfeder aller dieser Gewaltthaten der schwedischen Soldaten gehalten wurden. Folgende Begebenheit steigerte die Erbitterung aufs Höchste. Die Großpolen, welche ihr schmachvolles Benehmen bei Ujść gut machen wollten, griffen gegen die Schweden zu den Waffen und näherten sich unter Anführung des tapfern Opalinski, Wojewoden von Podlachien, einen schwedischen Heerhaufen nach dem andern aufhebend, am 27. April anno 1656 der Stadt Lissa, fast nur von Dissidenten und größtentheils Böhmischen Brüdern bewohnt. Aufgefordert, dem polnischen Heere die Thore der Stadt zu öffnen, gaben die Lissaer dieser Aufforderung nicht nur nicht Gehör, sondern beschlossen vielmehr durch Zureden des berühmten Comenius sich aufs Aueßerste zu vertheidigen, wobei sie ihre Hoffnung auf die aus einigen hundert Reitern bestehende schwedische Besatzung stellten. Nun stürmten die Polen auf die Stadt los und drangen schon in die Vorstadt ein; sie wurden aber abgeschlagen, verloren an hundert Mann und steckten Scheunen und Windmühlen in Brand. Andern Tags, am 28. April als sich gegen 2 Uhr Nachmittags das Gerücht in der Stadt verbreitete, daß die Polen gegen die Stadt mit Fußvolk anrücken, bemächtigte sich der Einwohner so großer Schrecken, daß sie die Waffen fortwarfen und, mit sich schleppend, was sie nur konnten, mit Weibern und Kindern, auf Wagen, zu Roß und zu Fuß, nach dem nahen Schlesien flüchteten. Als dies die schwedische Garnison sah, verließ sie gleichfalls die Stadt, die, damals gegen 10000 Einwohner zählend, gegen 6 Uhr Abends völlig leer und wüste war. Die Polen besetzten die Stadt, überließen sie den Bewohnern der benachbarten Dörfer zur Plünderung und legten sie hierauf in Asche. 2) Viele der

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1) Kochanowski, am angeführten Orte.

2) „Am 27. April 1656" sagt eine gleichzeitige Lissaer Handschrift „näherte sich der polnische Adel, welcher sich in den Krotoschiner Wäldern gesammelt hatte, um die Schweden aus den großpolnischen Garnisonen herauszuschlagen, Lissa, wo man ihn, da eine schwedische Reiterbesaßung drinnen war, nicht einlassen wollte, Hostis furioso impetu urbem adortus, ut ad ducentos utrinque occumberent. Repulsi tamen, accenderunt in suburbiis horrea et molas alatas, quotquot poterant.“ „Die 28. Aprilis mane faeto deprehensoque hostem ultra silvam rediisse, primores urbis uxores liberosque suos emittunt. Secunda pomeriana pervasit urbem rumor, hostem peditatu auctum reverti. Unde tantus subito ortus terror, ut cives abjectis armis, arreptaque quisque uxore sua et liberis, qua cuique data porta ruerent, aut etiam valla et fossas transilirent et fugerent. Quo viso Sueci similiter equos insiliunt et fugiunt, tandemque Senatus etiam: ut intra sesqui horam tam populosa urbs nihil nisi solitudo fieret, ab hoste mox superveniente sine resistentia occupata. Fugerunt omnes in vicinam Silesiam. Poloni reperta urbe incolis vacua, bonorum omnium plena ad praedas agendas animum adjecere, dimissis vesperi mox circumquaque, ut ad praedas convolarent. Venerunt ergo sequenti mane millena rusticorum agmina cum curribus, domosque primarias omnes expilaverunt, spolia raptim asportantes. Festinantes tum urbem perdere, bihorio ante meridiem per duodecim primarias urbis plateas ignem supposuerunt, triduoque toto urbem ustulaverunt, donec nihil superesset: sicut et de vicino Pago Grunovia, et ex altera parte Zaborovia.“

 

 

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flüchtigen Lissaer wurden von den Polen ergriffen, dessen, was sie bei sich trugen, beraubt; die einen ließ man laufen, andere wurden getödtet. Während dies geschah, drang der thatkräftige Czarnecki an der Spitze von mehr als zehntausend Mann, unter denen sich viele Wallachen befanden, in Großpolen ein. Dies unbesoldete Heer, schwer in Zucht zu halten (obwohl Czarnecki für das kleinste Vergehen aufhängen ließ) überfiel, gleichsam als Strafe für die Großpolen, daß sie das Beispiel des in der Gefahr sich Abwendens von Vaterland und König gegeben, die adlichen Höfe und plünderte ohne Unterschied Städte und Dörfer geistlichen und adlichen Besitzes. Was Wunder also, daß es sich mit hartnäckiger Verbissenheit auf Juden und Dissidenten, an welchen sich auch die großpolnischen Katholiken rächten, stürzte. Darum flohen die polnischen Dissidenten zu Tausenden vor dem Sturme ins benachbarte Schlesien. Die Böhmischen Brüder aus Goßpolen fanden in Karolath, auf den Gütern des Baron Schöneich, ihres Glaubensgenossen einen Zufluchtsort, so wie in Ursk (?) dem Besitzthume des Baron Kaunig, in Militsch und vielen andern Ortschaften Schlesiens. Viele begaben sich nach Sachsen, Brandenburg und Holland. Viele aber fielen auch als Opfer des Uebermuths der Söldlinge, oder des Hasses ihrer andersgläubigen Landsleute. So z. B. mordete man in Schocken unbarmherzig einige Böhmische Brüder. Ganz besonders aber weidete man sich an den Martern der dissidentischen Geistlichen. In Klein-Lubin bei Pleschen ermordete man auf grausame Weise den Böhmischen Brüder-Prediger Johann Jakobides aus Dębnica,

 

 

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als er nach dem nahen Schlesien flüchtete. Man klemmte seinen Kopf zwischen Thür und Pfosten und zerquetschte ihm denselben. An andern Orten verübte man nicht geringere Grausamkeiten an den Unglücklichen, die nicht über die Grenze fliehen konnten. In dieser für die großpolnischen Dissidenten so trübseligen Zeit, verloren die Böhmischen Brüder einige Kirchen, in Marszewo, Swierczynek und Karmin. Als sich im J. 1657 der Sturm etwas gelegt hatte, kehrte der großpolnische dissidentische Adel und die Leute aus andern Ständen in ihre Heimath zurück; die dissidentischen Geistlichen jedoch durften sich noch nicht zeigen. Und so kam es, daß fast zwei Jahre hindurch in ganz Großpolen Gottesdienst in den Kirchen der Bömischen Brüder nicht stattfand.

 

Während dieser Zeit ging eine große Menge Familien aus den niederen Ständen dieses Bekenntnisses zur katholischen Religion über. Erst am Ende des J. 1658 fingen die Geistlichen des böhmischen Bekenntnisses an, heimlich von Schlesien aus nach Großpolen zu reisen, um ihren Glaubensgenossen verschiedentlich mit ihrem Amte zu dienen. Nach dem Frieden von Olivia 1660, durch welchen wenig oder vielmehr Nichts für die polnischen Dissidenten ausgerichtet wurde 1), als das Land nach so vielem Elende wieder etwas aufathmete, kehrten alle Geistliche der Böhmischen Brüder nach Großpolen zurück. Aber in gar traurigem Zustande fanden sie ihre Kirchenangelegenheiten. An einigen Örten wurde ihnen der Eintritt für immer verwehrt, an andern fanden sie ihre Kirchen eingeäschert oder geplündert, ihre Glaubensgenossen aber niedergemacht oder im größten Elende. Ja es fehlte sogar an den Mitteln die halb zerstörten Kirchen auszubessern. Um wenigstens einigermaßen diesem Nothstande abzuhelfen, sandten die Senioren der Böhmischen Brüder den späteren Senior Samuel Hartmann nach England und Holland, um daselbst Collecten zu sammeln. Aber wiewohl sie bedeutende Geldunterstützungen aus diesen Ländern empfingen, wurde dennoch ihre Lage mit jedem Tage übler. Ihre Anzahl verringerte sich fort und fort. Der schwedische Krieg, die Pest, häufigere Uebertritte zur katholischen Kirche, die in dieser Provinz vermehrten Collegien und Residenzen der Jesuiten, endlich die mit dem Verfalle

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1) Siehe: „Acta Pacis Oliviensis", welche Johann Gottlob Böhm a. 1766 zu Breslau herausgab. In sehr allgemeinen Worten sichert im 2. Art. § 2 dieser Tractat die Rechte der polnischen Dissidenten. „Omnes sagt er cujuscunque status, conditionis et religionis fuerint, suis juribus, privilegiis et consuetudinibus generalibus et specialibus tam in ecclesiasticis, quam in civilibus, profanisque, quibus ante bellum Sueticum gavisi sunt, in toto fruantur.“

 

 

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der Aufklärung und der Wissenschaften im Volke sich steigernden Verfolgungen lichteten ihre Reihen ungemein. Neben diesen traurigen Erfahrungen der Böhmischen Brüder ist noch als die herbste hervorzuheben, daß die Katholiken nach dem schwedischen Kriege sie schon nicht mehr als ihre Mitbürger, sondern vielmehr als Feinde des Vaterlandes betrachteten, an welchen der unbarmherzige Sieger ein weites Feld vorfand, in tausenderlei Weise Rache zu nehmen. Das war im Allgemeinen die Lage der polnischen Dissidenten in den lezten Regierungsjahren Johann Casimir's. Durch die Reichstagsbeschlüsse von 1658, 1659 und 1661 wurden die Socinianer aus dem Lande getrieben. Die andern Dissidenten hielt man von den öffentlichen Berathungen fern, wie man denn schon 1661 den Landboten aus Lithauen Boguslaus Radziwiłł, kalwinischen Bekenntnisses, vom Reichstage ausschließen wollte. Den Weg in den Senat und zu Reichswürden verschloß man ihnen für immer. Auf dem Reichstage von 1666 trugen die Landboten des Herzogthums Masovien darauf an, es möge der Reichstag Beschluß fassen, daß für immer im ganzen Lande Bekenntnißfreiheit aufgehoben sei. Im Jahre 1668 wurde unter Androhung der über die Socinianer verhängten Strafe den Katholiken verboten zu dissidentischen Bekenntnissen überzutreten.

 

Johann Casimir legte 1668 die Krone nieder. Auf dem Convocations- und Elections-Reichstage a. 1669 befand sich im Senate kein Dissident mehr, der die Sache seiner Glaubensgenossen hätte führen können. Dennoch wurde in hergebrachter Weise sowohl in den Pacta conventa, als auch in der Eidesformel des Königs Michael, in derselben Art, wie a. 1632, den Dissidenten Friede und Sicherheit gewährleistet. Aber weder die katholische Geistlichkeit, noch die Krontribunale kümmerten sich irgend wie um die Pacta conventa und den Königseid; in alter Gewohnheit verfolgte man die Dissidenten, nahm man ihnen die Kirchen weg, verbaute man ihnen den Eintritt in den polnischen Adelsstand. Nach der kurzen und unglücklichen Regierung Michael Korybuts, wurde a. 1674 Johann Sobieski auf den polnischen Thron berufen. Wie gewöhnlich, sezte man in seine Pacta conventa den die Freiheiten der Dissidenten wahrenden Punkt; dennoch wurde die frühere Freiheit, namentlich für Reisende und den Höfen Angehörige gültig, die Freiheit nämlich, dissidentische Gottesdienste in Privathäusern abzuhalten, aufgehoben, indem man alle Zusammenkünfte, alles Predigen und Singen in solchen Häusern untersagte. In der Conföderations-Acte aber wurde festgestellt, daß alle Könige und Königinnen Polens katholischer Religion sein mußten. Wollte einer der polnischen

 

 

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Monarchen aufrichtig die polnischen Dissidenten gegen die Willkühr der Geistlichkeit schützen, so wollte es wahrlich Johann III; aber schon stand es nicht mehr in der Macht der polnischen Herrscher, den Ungerechtigkeiten zu steuern, die täglich gegen die Dissidenten verübt wurden. Die Kriege, die Johann III; außer Landes führte, benutzte man, Andersgläubige zu verfolgen; die Finsterniß erreichte unter der Regierung Johann Sobieski's den höchsten Grad und hielt es für ein vor Gott verdienstliches Werk, eine dissidentische Kirche zu zerstören oder einen Dissidenten, besonders einen Geistlichen, zu beschimpfen. Reichstagsdecrete verurtheilten vermeinte Atheisten zum Tode; Tribunalsdecrete befahlen dissidentische Kirchen zu vernichten und luden die Dissidenten auf Grund des Gesetzes gegen die Arianer erlassen, als Arianer vor; Konsistorialdecrete erließen Verbote gegen Errichtung neuer Kirchen an Stelle der früheren und gegen Ausbesserung der baufällig gewordenen. Die Böhmischen Brüder in Großpolen verloren während dieser Regierungsperiode auch einige Kirchen, so die zu Parcice und zu Mielęcin.

 

 

 

Zehnter Abschnitt.

Geschichte der Böhmischen Brüder in Großpolen vom Tode Johann III. (1696) bis auf unsere Tage.

Nach dem Tode Johann III. wurde der Kurfürst von Sachsen Friedrich August, früher Lutheraner, nunmehr Katholik, zum Könige von Polen erwählt. Gleich wie seine Vorgänger beschwor auch er in den Pacta conventa den Frieden und Freiheit den Dissidenten garantirenden Punkt; dennoch aber wurde ihm die Verpflichtung auferlegt, bei Ertheilung von Senatorenstühlen, Reichswürden, Starosteien und Gerichtsämtern sich an das Beispiel Johann Casimir's, Michael's und Johanns III. zu halten, von denen die erwähnten Aemter und Würden nur an Katholiken verliehen worden waren. Trotz dieser Beschränkung ihrer Freiheiten versprachen sich die polnischen Dissidenten unter der Regierung ihres ehemaligen Glaubensgenossen goldene Zeiten. Ihre Erwartung wurde aber bitter getäuscht. Friedrich August wollte sich als eifriger Katholik erweisen; er schmeichelte daher den Bischöfen, er erweiterte die geistliche Macht und sah bei Bedrückungen seiner akatholischen Unterthanen durch die Finger. Es brach der schwedische Krieg aus. Auf einige Zeit unterlag Friedrich August in demselben. Die Schweden, welche das ganze Land besetzt hatten, begünstigten die Dissidenten überall. Die

 

 

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unter ihrem Einflusse anno 1704 errichtete Warschauer Conföderation verbürgte den Dissidenten die Freiheit, neue Kirchen und Schulen zu errichten, so wie Befreiung von der Verpflichtung, sich vor den geistlichen und tribunalischen Gerichtshöfen auf Grund des gegen die Arianer erlassenen Gesetzes gestellen zu müssen. Die Regierung des weisen Stanislaus Leszczyński eröffnete den Dissidenten die schönsten Aussichten. Aber dieser Monarch gewann die Stimme der ganzen Nation nicht für sich. Die Anhänger August's und die mit ihnen Verbündeten rächten sich an denen, welche Leszczyński wohlwollten und zu diesen gehörten fast alle polnischen Dissidenten. In diesem Bürgerkriege erlitten die Böhmischen Brüder in Großpolen einen furchtbaren Schlag. Am 29. November 1707 sengte der russische Oberst Schulz, nach vorangegangener gänzlicher Plünderung, Lissa, den Hauptsitz der Böhmischen Brüder in Großpolen, diese ansehnliche, wohlhabende Stadt, völlig ab. Ein ähnliches Geschick betraf die Dissidenten in andern Städten Großpolens. Bei alle dem beschlossen die polnischen Dissidenten, ermuthigt durch das gerechte Wohlwollen, das die Warschauer Conföderation von 1704 ihnen entgegen gebracht hatte, sich ihrer ihnen entrissenen Gerechtsame zu erinnern. Die Böhmischen Brüder thaten hierzu den ersten Schritt. Daniel Jabloński, ihr Senior, Hofprediger des Königs von Preußen, gab im Jahre 1708 heraus: Jura et libertates Dissidentium in religione Christiana in Regno Poloniae et M. D. Lithuaniac ex legibus regni et aliis monumentis authenticis excerpta Anno Christi 1708. Berolini. Ex typographia regia. Diese Schrift enthält die den polnischen Dissidenten Freiheit gewährleistenden Bestimmungen und hatte zum Zwecke, dem Volke und den auswärtigen Mächten zu zeigen, welche Stellung den Dissidenten in der Nation einzunehmen gebühre. Von dieser Schrift erhofften die Dissidenten günstige Erfolge; aber das Polen ungünstige Geschick vernichtete bald ihre und des Volkes Hoffnung. Die Schlacht von Pultawa öffnete Friedrich August den Weg zur Wiedererlangung des polnischen Throns. Die Dissidenten, voraussehend, daß diese Gestaltung der Verhältnisse ihre Lage verschlimmern müsse, beschlossen, die frühere politische Vereinigung unter sich wiederherzustellen, um desto kräftiger den Katholiken Widerstand leisten zu können. Im Monate April 1710 kamen in Warschau zu gemeinschaftlicher Berathung von Seiten der Böhmischen Brüder zusammen: Nicolaus z Skrzypna Twardowski, Landschreiber von Fraustadt; Alexander Złotnicki, Landschafts-Tribun von Fraustadt; Joh. Samuel Zychlinski; Andreas Kromno Piotrowski. Von Seiten der kleinpolnischen und lithauischen

 

 

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Kalviner: Boguslaus Bobrownicki; Georg Olendzki, Fahnenträger von Wołkow; Joh. Wołk, Jägermeister von Nowogrod; Michael Laniewski, Wołk, Fahnenträger von Staradubow; Jarosz Mackiewicz, Schwertträger der Wojewodschaft Mińsk. Diese Personen verabredeten und verpflichteten sich schriftlich, behufs erfolgreicher und einhelliger Berathung um das Wohl der Kirche eine Generalsynode nach Thorn, welche die Dissidenten aller polnischen Provinzen durch Deputirte zu beschicken haben sollten, zu berufen. Infolge dieser Verabredung hielten die polnischen Dissidenten an verschiedenen Orten Synoden ab; die Böhmischen Brüder von Großpolen am 22. Juni dess. J. zu Heiersdorf. Unter andern Beschlüssen dieser Synode lauten die beiden ersten wie folgt: „1. Zeit und Ortsbestimmung für die zukünftige Generalsynode soll von der Beschlußnahme des Herrn Senior Jabloński abhängen. 2. Der Herr Senior wird ermächtigt, sich in dieser Beziehung in's Einvernehmen mit den andern Provinzen zu setzen." Für die zukünftige Generalsynode werden zu Abgeordneten gewählt: aus weltlichem Stande: Nicolaus Twardowski, Landschreiber von Fraustadt, und Alexander Kąsinowski, Landschreiber von Walec; aus geistlichem Stande: Salomon Opitz, Consenior und David Cassius. In der Information, welche diesen Deputirten gegeben wurde, hieß es unter Anderem: sie sollten sich bemühen, in politischer Beziehung die Böhmischen Brüder mit allen polnischen Dissidenten zu vereinbaren; sie sollten sich in Vereinigung mit diesen über die Mittel und Wege berathen, die Bekenntnißfreiheit aufrecht zu erhalten, die Rechte und bürgerlichen Freiheiten wieder zu erlangen. In Ermächtigung der Heiersdorfer Synode forderte Daniel Jabloński, Senior der Böhmischen Brüder, die polnischen Dissidenten auf, sie möchten ihre Deputirten zur Provinzialsynode, welche die Böhmischen Brüder zum 3. Oktober 1712 in Thorn anberaumten, senden, damit der Termin für die Generalsynode besprochen werden könne: Zu dieser Synode der Böhmischen Brüder erschienen folgede Personen: aus geistlichem Stande: David Jabloński, Senior; Samuel Opitz, Senior; die Geistlichen: Benjamin Vigilantius, Paul Cassius, Samuel Majewski, David Cassius, Franz Samuel Prüfer, Samuel David Sitkowski und Johann Samuel Musonius. Aus adlichem Stande: Nicolaus Twardowski, Landschreiber von Fraustadt; Caspar Nekanda Trepka, Mundschenk von Wielun; Alexander Kasinowski, Schreiber von Walec; Samuel Mielęcki, Rozbicki und zwei Miękiccy. Die Synode dauerte vier Tage. Am zweiten Tage nach ihrer Eröffnung langten die von den großpolnischen Lutheranern Deputirten, nämlich Dorpowski, im Namen Unrug's, des Starosten

 

 

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von Obornik, und außerdem Mathäus Balde, Pfarrer zu Birnbaum und Friedrich Haering. Pfarrer zu Lipno (?) an. An demselben Tage erschien auf der Synode der Senior helvetischen Bekenntnisses in Samogitien, Rekuć. Am Schlusse der Synode fand sich noch aus Kleinpolen Gluchowski ein und überbrachte von dem Senior der helvetischen Gemeinden in Kleinpolen Joh. Petrosolinus einen Brief, in welchem er bedauerte, wegen großer Verfolgungen keine Delegirte zur Thorner Synode entsenden zu können. Auf dieser Synode beschloß man unter Anderem: 1. „Da Erhaltung der Rechte und Gewissensfreiheit und zugleich die hierzu dienende politische Vereinigung der Dissidenten das Hauptaugenmerk dieser Zusammenkunft ist und die Herren Delegirten lutherischen Bekenntnisses die Versammlung versicherten, daß die Gemeinden, von denen sie entsendet wurden, von einer solchen synodalen Vereinigung sich nicht fern halten werden, so behalten wir diese so überaus wichtige und freudig angenommene Angelegenheit den provinziellen und auch später zwischen den einzelnen Parteien zu pflegenden Berathungen vor, damit diese Angelegenheit für die zukünftige Generalsynode gründlich vorbereitet werde. 2. Es wird beschlossen, die Herren Landboten zu bitten, sie möchten treulich dahin wirken, daß durch eine Constitution Alles das aufgehoben werde, was unsern Rechten zuwider ist, auf Umsturz unseres Glaubens ausgeht und in der öffentlichen Wirreiß auf Rechnung der Constitution kam, damit man wisse, daß uns Unrecht geschehe. 3. Was die Vorbereitung auf den künftigen Pacifications-Reichstag anlangt, so wurde beschlossen: a) Daniel Jabloński, Senior der Böhmischen Brüder in Großpolen, solle sich mit den Deputirten des lutherischen Bekenntnisses über das nothwendige Verhalten auf diesem Reichstage berathen; b) daß gravamina, sowohl allgemeine, als besondere, zusammengefaßt bereit zu halten seien; c) daß Mittel, neuen Beeinträchtigungen und Unbillen von Seiten der Katholiken vorzubeugen, aufzusuchen seien.“ Die damaligen Wirren im Lande, da das Volk gegen die sächsischen Kriegsvölker des Königs aufstand, machten das Vertagen der so oft erwähnten Thorner Generalsynode der Dissidenten aufs Jahr 1718 nöthig. Unterdessen erfolgte unter Vermittelung Peter des Großen 1716 der Friede zwischen dem Könige und den Ständen. Dieser Friede engte die Rechte der Dissidenten noch mehr ein. Der die Dissidenten betreffende Punkt desselben besagt: „Da es den Dissidenten nicht geziemt außer den alten, zu freier Abhaltung ihres Gottesdienstes verstatteten Kirchen, welche vor den Beschlüssen von 1632, 1648, 1668 und 1674 gebaut worden sind, neue zu errichten, sondern den Bewohnern der Städte und anderer

 

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Ortschaften in den Kronländern und im Großherzogthume Lithauen nur privaten Gottesdienst in ihren Herbergen, oder Häusern und zwar ohne Predigt und ohne Gesang zu halten erlaubt ist, so wird unter Wiederaufnahme aller früheren Gesetze und Exceptionen, respective der masovischen, in Kraft dieses gegenwärtigen Tractats bestimmt: daß, wenn derartige Kirchen bisher, später und den erwähnten Verordnungen zuwider in Städten, Städtchen, Dörfern und selbst auf adlichen Höfen neuerdings errichtet sein sollten, diese ohne Hinderniß durch irgend Jemanden zu vernichten seien: auch soll denen, welche verschiedene Glaubensmeinungen festhalten, nicht zustehen, irgend welche öffentliche oder private Versammlungen zu veranstalten und in ihnen Predigten und Gesänge, wie solches widerrechtlich zur Zeit des schwedischen Krieges geschehen, haufenweise abzuhalten, u. s. w. ". Ueber die Ungehorsamen verhing man anfänglich Geldstrafen, sollten diese nicht fruchten, Gefängniß, und schließlich Landesausweisung nebst dem Praedicanten. Auf dem Warschauer Reichstage im Februar 1717 bemühten sich die Dissidenten, vorzüglich durch Andreas Żychliński, Landschafts-Tribun von Fraustadt, und den Fraustädtischen Burggrafen Borzymowski, beide dem Böhmischen Brüderbekenntnisse angehörig, daß der betr. Artikel bei Bestätigung der Vereinbarung zwischen dem Könige und den Ständen ausgelassen würde. Aber ihr eifriges Streben in dieser Beziehung erzielte nur, daß nach beendigtem Reichstage der König ihnen durch seinen Oberhofrath Benjamin Arnold die schriftliche Versicherung gab, der in dem Warschauer Vergleiche die Dissidenten betreffende Artikel solle durchaus nicht die ihnen durch die Conföderationen und die pacta conventa verbrieften Freiheiten schmälern.

 

Unter diesen Verhältnissen hielten die polnischen Dissidenten am 2. September 1718 endlich die Generalsynode in Danzig ab. Zu derselben versammelten sich die Delegirten der helvetischen Kirchen Kleinpolens und Lithauens, der lutherischen Kirchen aus Lithauen, Großpolen und aus dem Königl. Preußen, so wie die der Böhmischen Brüderkirchen in Großpolen. Zum Präsidenten aus geistlichem Stande wurde Christoph Arnold, Senior der lutherischen Kirchen Großpolens, zum Director der Königl. Unterkämmerer Bonaventura Kurnatowski, dem Böhmischen Brüderbekenntnisse angehörig, erwählt; Synodal-Notarius wurde der Consenior der Kirchen helvetischen Bekenntnisses in Samogitien, Michael Ronczynski. Die wichtigsten Beschlüsse dieser Synode waren folgende: 1. Die Synode erachtet für nothwendig, nach dem Beispiele der Vorfahren in dieser beklagenswerthen Lage der Kirche, dem Könige und den

 

 

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Ständen eine Supplik, Aufzählung aller Unbillen und Vergewaltigungen der dissidentischen Bekenntnisse enthaltend, zu überreichen. Um aber den Ständen nicht lästig zu werden und den Gang der öffentlichen Berathungen durch Klagen nicht zu hemmen, empfiehlt die Synode, es möchten die Landboten dissidentischen Bekenntnisses oder auch in Ermangelung solcher die Delegirten, den König und die Republik bitten, daß eine Commission ernannt werde, welche nach Anhörung unserer Beschwerden und nachdem sie sich von den stattgehabten Verfolgungen überzeugt hat, Mittel ausfindig mache, uns Frieden und Bekenntnißfreiheit zu sichern. Diese Supplik soll in polnischer, lateinischer und deutscher Sprache, auf's Schleunigste gedruckt, veröffentlich werden. 2. Die Synode beschließt, daß die Kirchen der verschiedenen dissidentischen Bekenntnisse in Polen und im Großherzogthume Lithauen sich in allen vorkommenden Fällen untereinander zu verständigen haben; hierzu sind in jeder Provinz bestimmte Personen ernannt worden. 3. Die Synode sanctionirt die im Jahre 1592 mit der in der Republik vorhandenen griechischen Kirche geschlossene Union. 4. Sie beauftragt, dem Könige das traurige Ereigniß mit Sigismund Unrug, Starosten von Obornik, zu empfehlen.“ Kurz darauf gaben die Dissidenten nach dem Beschlusse der Danziger Generalsynode die Supplik unter dem Titel: Libellus supplex Serenissimo Augusto II. Regi Poloniae etc. et Illustrissimis Reipublicae ordinibus Anno 1718 humillime exhibitus etc. 1) heraus. In dieser Supplik, deren Hauptverfasser der Senior der Böhmischen Brüder, Jabloński, war, beklagen sie erstlich: daß ungeachtet so vieler, ihnen die bürgerlichen Rechte wahrender Constitutionen, die Katholiken ihnen nur das Recht der Duldung, welches der Erste Beste versagen könne und in der That oft entreiße, zugestehen; zweitens: daß ihre Religionsangelegenheiten den Tribunalen und geistlichen Konsistorien, die sie willkürlich ihrer Kirchen, Güter und Ehre berauben, überwiesen werden; drittens: daß man ihnen die Schulen schlieBe; viertens: daß man sie auf verschiedene Weise verfolge. Endlich beschworen sie den König und die Stände: 1) man möge sie bei Bekenntnißfreiheit belassen; 2) man möge ihnen die ehemals abgenommenen Kirchen und Schulen wiedergeben und verstatten neue auf den Gütern des dissidentischen Adels zu

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1) Auf diese Supplik der Dissidenten antwortete Ankuta, Official zu Wilno mit dem Werkchen: „Jus plenum religionis catholicae in Regno Poloniae etc. Vilnae 1719 in 8°. Die Dissidenten entgegneten ihm in dem Werkchen: Prodromus Poloniae plenissimo jure ad servandam Dissidentibus datam fidem publicam adstrictae contra G. C. Ancutae Jus plenum religionis catholicae sic dictae MDCCXXI.“ 4°. Pag. 42.

 

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errichten, so wie alte auszubessern; 3) man möge ihre geistlichen Angelegenheiten nicht den Krontribunalen und geistlichen Konsistorien übergeben, sondern sie von den kompetenten Gerichten entscheiden lassen; 4) der dissidentische Adel, wohl verdient um das Vaterland, möge zu Würden und Aemtern zugelassen werden; 5) die in königlichen Städten wohnenden Dissidenten möchten Zutritt zu den städtischen Aemtern und Gerechtsamen erlangen; 6) den dissidentischen Geistlichen möge verstattet sein, ihre Amtstitel und Amtstracht zu führen, sich gefahrlos auf Reisen zu begeben, ihren Glaubensgenossen überall die heiligen Sakramente zu spenden, die Kranken zu besuchen u. s. w. An dieser Supplik ließen es die polnischen Dissidenten nicht genug sein; an verschiedene dissidentische Höfe in Europa schickten sie auch noch Emissäre und ließen bitten, für die Unterdrückten bei dem Könige und den Ständen vorstellig zu werden oder aber sogar, die Forderungen der polnischen Dissidenten mit dem Schwerte zu unterstützen. Von Seiten der Böhmischen Brüder wurde in dieser Absicht an den Berliner Hof der königl. Kammerherr Dobrogost Kurnatowski entsendet; an den englischen Hof und das englische Volk der Geistliche Sitkowski 1) aus Lissa.

 

Im Jahre 1718, am 3. Oktober, folgte der Pacifications-Reichstag zu Grodno. Auf ihm übergaben die Dissidenten die oben erwähnte Supplik. Man antwortete ihnen auf dieselbe mit Ausstoßung ihrer Glaubensgenossen aus der Landboten-Kammer. Hierzu gab der Wilnoer Domherr Zebrowski, welcher in einer vor den Abgeordneten gehaltenen Predigt alles Unheil des Landes, als auswärtige und Bürgerkriege, Pest und dergleichen Unglücksfälle, der Toleranz gegen die Dissidenten, welche er mit reißenden Wölfen verglich, zuschrieb, und die Stände aufforderte, sie zu den Berathungen nicht zuzulassen. Als nun in der Landboten-Kammer der Marschall gewählt und der Wilnoer Landbote Piotrowski, böhmischen Bekenntnisses, gefragt wurde, wem er seine Stimme gebe, protestirte der Wilnoer

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1) Ihm wurde auch aufgetragen für mancherlei Bedürfnisse der Böhmischen Brüder-Kirchen Collecten in England zu sammeln wie dies in dem englischen Werkchen: „The case of the Reform d'Episcopal Churches in Great Poland and Polisch Prussia, consider'd in a Sermon“ u. s. w. Sitkowski stellte den Engländern die Lage der Böhmischen Brüder-Kirche in Großpolen auf das Traurigste dar. „The Brief“ sagt das erwähnte Werkchen „in behalf of our Reformed Episcopal Brethren in Great Poland and Polish Prussia has been read to you this Morning; and you are thereby acquainted with their present EALAMITOUS CONDITION“; und später: „whose hardships (die Böhmischen Brüder) are surely more than sufficient to extort Compassion from all such, as have not quite banish'd Pity and good Nature out of their Breasts.“

 

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Official Ankuta, der gar nicht einmal zum Reichstage gehörte, dagegen, daß Piotrowski zu den Reichstagsverhandlungen zugelassen werde, indem er behauptete, als einem Dissidenten stehe ihm auf dem Reichstage keine Stimme zu. Diese Protestation erregte in der Landboten-Kammer große Bewegung; alle Landboten erhoben sich von ihren Sitzen, und eine ganze Stunde lang konnte der Sturm nicht beigelegt werden. Bei alledem fand die Protestation Ankuta's in der Kammer nur sehr schwachen Widerspruch. Der lithauische Feldhauptmann Doenhoff lenkte die Aufmerksamkeit der Kammer darauf, daß es sich nicht gebühre, einen ordnungsmäßig gewählten und keines Vergehens überwiesenen Landboten seiner Stimme im Reichstage zu berauben. Der Landbote Karwowski forderte, die ganze Republik solle entscheiden, ob ein Senator und Edelmann durchaus Katholik sein müsse, da ja die Geseze solche Bedingung nur an die Person des Königs knüpfen. Piotrowski wollte nicht zulassen, daß die Wahl des Marschalls vorgenommen werde und protestirte gegen die ihm angethane Gewalt. Als der Starost von Mińsk, Christoph Zawisza, als Marschall gewählt worden, forderte Piotrowski abermals das Wort, erhielt es aber nicht. Am andern Tage erneuerte Piotrowski sein Verlangen; es wurde ihm eröffnet, er sei nicht Landbote, das Wort könne er nicht erhalten. Vergebens sprachen mehrere Landboten zu seinen Gunsten; vergebens beschwerte Piotrowski selbst sich über das ihm zugefügte Unrecht, vergebens protestirte er und bemühte sich wiederholentlich um's Wort. Ueberschrieen und fast aus dem Sitzungssaale herausgeworfen, kehrte er nach Hause zurück, um seine Glaubensgenossen davon in Kenntniß zu sehen, daß man begonnen habe, ihnen auch die letzte bürgerliche Freiheit zu entreißen.

 

Nach dem Pacificationsreichstage von 1718 waren die polnischen Dissidenten außerordentlich thätig. Zunächst beraumten sie zum 2. Februar 1719 eine Provinzial-Synode in Kiejdany an. Dann hielten sie am 2. August a. ej. eine General-Synode in Danzig ab, auf welcher Deputirte des lutherischen, kalwinischen und böhmischen Bekenntnisses aus allen Gegenden Polens sich zusammenfanden. Auf dieser Synode beriethen die Dissidenten hauptsächlich darüber, wie die verlorenen Freiheiten wiederzugewinnen und Friede und Bekenntnißfreiheit zu sichern seien. In demselben Jahre noch tagten die lithauischen Kalwiner zum zweiten Male in Kiejdany. Dahin schickten die lithauischen Lutheraner zwei Abgeordnete. Auf dieser Synode wurden unter Anderem die Beschlüsse der Danziger General-Synoden von 1718 und 1719, welche die Freiheiten der Dissidenten

 

 

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betrafen, bestätigt. 1) Je größeren Widerstand indessen die Dissidenten der herrschenden Religion entgegentrugen oder entgegenzustellen trachteten, desto mehr erbitterten sie die Katholiken. Zu solchem Widerstande von Auswärts ermuntert, leisteten ihn die Dissidenten um so kühner in den Städten und Flecken, in welchen sie die Zahl der Katholiken überwogen, wie z. B. in den preußischen Städten und sonderlich in Danzig und Thorn. Dieser letzten Stadt brachte der Muthwille der Jesuitenschüler und der Grimm der lutherischen Gemeinde, deren traurigen Folgen der Magistrat vorbeugen konnte, eine fürchterliche Strafe (1724) und der Nation einen unauslöschlichen Schandfleck ein. Dies Ereigniß 2) ist zu allgemein bekannt, als daß es nöthig wäre, es in allen seinen Einzelnheiten anzuführen. Die Vollstreckung des Reichstags- und Hofgerichts-Urtheils regte ganz Europa auf. Die Dissidenten versäumten nicht, dem an und für sich furchtbaren Ereignisse in Schriften, welche in den verschiedensten europäischen Sprachen erschienen, das abscheulichste Gepräge zu geben. Die Mächte, die beim Oliwaer Friedensschlusse betheiligt waren, also England, Preußen, Schweden, Dänemark und Holland traten zum ersten Male durch Noten, oder durch ihre Gesandten für die unterdrückten polnischen Dissidenten ein. Der russische Kaiser, Peter der Große, bedrohte aus dieser Veranlassung Polen mit Krieg, der unzweifelhaft erfolgt wäre, wenn ihn inzwischen nicht der Tod ereilt hätte. Der englische Gesandte Finch übergab dem damals in Dresden weilenden Könige eine Note, in welcher er unter Anderem im Namen seines Monarchen verlangte, der König solle den polnischen Dissidenten ihre früheren Rechte und Freiheiten zurückgewähren, wobei er zugleich dem Könige die große Unzufriedenheit des englischen Hofes über die gegen die Thorner erfolgte Vollstreckung der ergangenen Urtheile ausdrückte. In Regensburg aber hielt Finch am 7. Februar 1725 an die Minister der evangelischen Reiche eine Rede, in welcher er unter Anderem sagte: „Die Maaßnahmen, welche der König, mein Herr, in der betreffenden Angelegenheit ergreift, werden die sein, welche ihm sein Gewissen, die Ehre und das menschliche Mitgefühl diktiren. Sie werden genügen, die Gemüther im ganzen englischen Volke, welche einmüthig Gerechtigkeit oder Rache verlangen, zu beruhigen und ich zweifle nicht, daß in dem Augenblicke, da ich also spreche, die Thorner Angelegenheit im Parlamente, welches bereit ist,

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1) Jabloński: „Hist. Cons. Sand.“ Die polnischen Dissidenten hielten noch zwei General-Synoden in Danzig ab, ich übergehe sie aber, weil auf ihnen keine neuen Beschlüsse gefaßt wurden.

2) Das Thorner Blutbad nämlich. Anm. d. Uebers.

 

 

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die Absicht meines Monarchen bis zum letzten Blutstropfen, bis zum letzten Schillinge zu unterstützen, zur Sprache gekommen ist.“ Mit der Zeit erkaltete freilich der Eifer des Königs und des englischen Volkes für die Sache der polnischen Dissidenten. L. Schaub und G. W. Woodword, die englischen Gesandten am polnischen Hofe, übergaben dennoch anno 1731 dem Könige eine Denkschrift, in welcher sie forderten, es möge den Dissidenten frei stehen, in aller Stille ihre Religionsgebräuche zu verrichten, ihnen unverwehrt sein, ihre ruinirten Kirchen und Schulen auszubessern und ihnen nicht der Zwang auferlegt werden, sich in Angelegenheiten ihrer Kirchen in den nicht zuständigen Gerichtshöfen stellen zu müssen; aber diese Denkschrift war schon nicht mehr Drohung, sondern vielmehr Fürsprache für die Unterdrückten und schloß mit den Worten: wir haben um so größere Hoffnung, daß Ew. Königl. Majestät nicht unterlassen werde, Ihren unglücklichen dissidentischen Unterthanen die Hand zu reichen, als dies sowohl Ew. Majestät wie auch das Interesse der katholischen Religion erheischt. Sind sie doch, gleich den Katholiken, Glieder derselben Republik; sind Ew. Majestät doch der allgemeine, Dieser und Jener, Vater; verbürgen doch dieselben Gesetze Dieser und Jener Rechte und Freiheiten; man dürfte sie also ohne Ungerechtigkeit dem Schutze der Gesetze, so lange sie dieselben treu und pünktlich halten, nicht entziehen u. s. w.“ Schließlich drohen die englischen Gesandten in der erwähnten Denkschrift Wiedervergeltung an den in protestantischen Staaten lebenden Katholiken. In ähnlichen Worten erhoben der preußische, schwedische, dänische Hof und die holländische Republik für die polnischen Dissidenten Fürsprache. Die Vorstellungen der fremden Höfe milderten aber die Leiden der polnischen Dissidenten in keinerlei Weise. Man nahm auf sie nicht die geringste Rücksicht, sei es nun deshalb, daß die Worte der auswärtigen protestantischen Höfe nicht im Einklange standen mit ihrem Verhalten gegen ihre katholischen Unterthanen, welche nicht minder, so ganz besonders in England, gedrückt waren, wie die polnischen Dissidenten; sei es, daß die Finsterniß und mit ihr der Fanatismus, der keine Mäßigung kennt, damals in Polen den höchsten Grad erreicht hatte.

 

Einige Jahre später (1733) starb Friedrich August II. Während der mehr als dreißigjährigen Regierung dieses Monarchen litten die polnischen Dissidenten außerordentlich viel. Außer dem Elende des bürgerlichen Krieges und der Pest, das sie mit den Katholiken erduldeten, trafen sie noch andere Unglücksfälle. Man beschränkte ihre Freiheiten und bürgerlichen Rechte immer mehr, man verweigerte ihnen Bekenntnißfreiheit

 

 

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und quälte sie auf mannigfaltigste Weise. Aber mit den Verfolgungen wuchs in ihnen Muth und Widerstandskraft. Diese ging größtentheils von den Böhmischen Brüdern aus. Der Senior dieses Bekenntnisses Daniel Jabloński war, nicht ohne Anregung von auswärts, derjenige, der alle Schritte lenkte, welche die polnischen Dissidenten während der Regierung August's II. thaten, um ihre verlorenen Rechte und Freiheiten wieder zu erlangen und die noch etwa verbliebenen zu erhalten. Die Glieder dieses Bekenntnisses tummelten sich auf Reichstagen, am Königlichen Hofe und an auswärtigen Höfen, um die Interessen der polnischen Dissidenten zu fördern. Die Gelehrteren dieses Bekenntnisses endlich überhäuften Europa in Schriften und ausländischen periodischen Blättern mit Klagen über die Ungerechtigkeiten und Grausamkeiten ihrer katholischen Mitbürger.

 

Nach dem Tode August's II. stellten die in der Generalconföderation zusammentretenden Stände an die Spitze der (1733) erlassenen Conföderationsakte folgende Verwahrung: „Weil aller Reiche Grundlage in vero Dei cultu et Sancta Religione consistit, so wollen wir durch diese unsere Conföderation Niemanden juribus et privilegiis Orthodoxae Rmno Catholicae et Ritus Graeco Unitorum Ecclesiae derogare verstatten; im Gegentheil, wie wir in diesem rechtgläubigem Reiche exoticos detestamur cultus, so nehmen wir für den Schutz dieser heiligen römisch-katholischen Kirche und ihrer immunitatum nach dem Beispiel unserer Vorfahren das Wort und verpflichten uns für selbe.“ Dieselbe Conföderationsakte wahrt den Dissidenten Frieden, sicheren Besitz der Güter, des Vermögens und Gleichheit der Personen in Gemäßheit der frühern Constitutionen und insonderheit der vom Jahre 1717. „So jedoch das sind die Worte dieser Acte daß sie, (die Dissidenten) nur in der Landbotenkammer, in den Tribunalen und auf Commissionen activitatem, desgleichen ihre durch die Gesetze verbotenen Privatversammlungen seu Conventicula nicht halten, und Wojewodschafts-, Landschafts-, Grod-Aemter in der Krone und in Lithauen, salvis modernis possessoribus, nicht besitzen dürfen, u. s. w. Nicht genug hiermit. Während des Interregnums verfolgten die Parteigänger August III. die Dissidententen als Anhänger Stanislaus Leszczynski's, die Anhänger Leszczynski's drängten sie als Verbündete August III. Die Pacta conventa, welche August III. beschwor und der Pacificationsreichstag (am 9. Juli 1736) bestätigten in Betreff der Dissidenten das Gesetz von 1733. Kraft dieses wurde sofort der liefländische Landbote Kayserling, ein Dissident, trotz der nachdrücklichen Bemühungen seines Bruders, damaligen russischen Gesandten am polnischen

 

 

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Hofe, von der Theilnahme an den Reichstagsverhandlungen ausgeschlossen. Unter August III. Regierung verschlimmerte sich also die Lage der Dissidenten. Von jetzt ab waren sie im Lande nur geduldet. Und nachdem man ihnen alle Freiheiten entrissen hatte, erlaubte man ihnen nicht einmal ihre religiösen Pflichten im Stillen zu erfüllen. Es betrafen sie dieselben, ja noch größere Bedrückungen als unter den frühern Monarchen seitens der damals in Polen nicht sonderlich aufgeklärten katholischen Geistlichkeit, die überdem noch erbittert war durch das unmenschliche Verfahren gegen Katholiken, das sich die häufig in die polnischen Lande einfallenden Heerhaufen der benachbarten Macht zu schulden kommen ließen. Die Supplik, welche die Dissidenten anno 1766 dem Könige und den Ständen auf dem Reichstage übergaben, stellt ein treffendes Bild der Verfolgungen auf, die sie unter August III. Regierung erfuhren. „Unsere Kirchen sagt die erwähnte Supplik werden theils unter mannigfachen Vorwänden weggenommen, theils verfallen sie, da ihre Ausbesserung, die mit Schwierigkeiten, und zwar umsonst, niemals erlangt werden kann, untersagt ist, durch die alles zerstörende Zeit. Was noch mehr ist! mit Schande und Schimpf werden wir nach dem gegen den Arianismus erlassenen Edict gerichtet, wiewohl wir von Arianischer Ketzerei weit entfernt sind. Unsere Jugend muß, da an vielen Orten die Schulen verboten sind, in Unwissenheit und ohne Kenntniß des göttlichen Willens aufwachsen. Die Berufung unserer Geistlichen an die Gemeinden pflegt oft sehr erschwert zu werden; schwierig und durchaus gefährlich ist für dieselben, Kranke zum Tode vorzubereiten. Erlaubniß zu Taufen, Trauungen und Begräbnissen ist theuer, denn nach der Willkür der Erlaubnißgeber müssen sie bezahlt werden. Das Begraben während der Nacht ist oft sehr gefährlich; auch müssen die zu taufenden Kinder nicht selten über die Grenze gebracht werden. Das Collationsrecht oder jus patronatus zieht man auf unsern Gütern in Frage. Unsere Kirchen visitiren die Herren Bischöfe, die nach altem Gebrauche zu übende Kirchenzucht erfährt Hemmnisse. In vielen Städten werden die Leute unserer Confession gezwungen, die Prozession zu begleiten. Die Kirchengesetze oder jura canonica werden uns als Muster und Richtschnur vorgehalten. Nicht allein die Nachkommenschaft von Eltern verschiedenen Glaubens pflegen aus unserer Gemeinschaft der römisch-katholischen Kirche zugeführt zu werden, sondern auch Stiefsöhne müssen die Religion der Stiefväter annehmen. Man nennt uns Ketzer, wiewohl uns die Krongesetze den ehrenwerthen Namen der Dissidenten zuerkennen. Hierdurch werden wir um so mehr betroffen, da wir bei Angelegenheiten

 

 

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unserer Kirchen weder im Senate, noch auf Reichstagen, noch in den Tribunalen oder bei irgend einer andern Gerichtsstelle irgend einen Vertreter haben. Auf den Landtagen sogar dürfen wir uns (wie dies das neuliche Beispiel in Proszkowice erweist,) nicht zu zeigen wagen und auf ihnen geht man seit einiger Zeit ganz gegen die alten Gesetze mit uns, ohne uns hart um.“ Dies war das Schicksal der polnischen Dissidenten unter der Regierung August III.: die Böhmischen Brüder in Großpolen theilten es mit den andern Dissidenten.

 

Indessen hörten die polnischen Dissidenten und Disunirten nicht auf, außerhalb des Landes Protection zu suchen. Ihre Bemühungen waren nicht vergeblich. Kaiser Peter III. und Friedrich II., König von Preußen, schlossen einen Tractat, in welchem unter Anderem sie gegenseitig den Dissidenten in Polen Schutz gewährleisteten. Die damaligen Veränderungen in Rußland ließen ihn nicht in Kraft treten. Inzwischen starb Friedr. August III. am 3. October 1763. Zum Mai 1764 wurde der Convocationsreichstag berufen. Auf ihm hofften die Dissidenten ein Theilchen ihrer verlorenen Freiheiten wieder zu erlangen; ihre Hoffnung wurde getäuscht. Die ausländischen Gesandten nämlich, mit anderen Plänen beschäftigt, thaten fast keinen Schritt für dieselben, und der Reichstag war weit davon entfernt, das Loos der Dissidenten zu verbessern. Ja im Gegentheile, auf ihm trug einer der masovischen Landboten darauf an, die Aemter in den königl. Forsten, Bergwerken und die Postämter, welche unter der letzten Regierung mit Dissidenten, zumeist mit Sachsen, besetzt worden waren, fortan nur Katholiken anzuvertrauen. In alter Weise verbürgte man nur auf diesem Reichstage den Dissidenten ihre Freiheiten nach der Constitution von 1717, 1733 und 1736. Auf dem Electionsreichstage im September 1764 empfahl der russische Gesandte Kayserling die Sache der Dissidenten nur schwach. Erst nach der Wahl Stanisl. August (Poniatowski) übergaben Nicol. Repnin, russischer Gesandter und Fürst Carolath, der preußische Botschafter, dem Könige am 14. September 1764 eine für die Dissidenten eintretende Note. Auf dem Krönungsreichstage, im November abgehalten, nahmen die Forderungen der fremden Höfe inbetreff der polnischen Dissidenten eine drohendere Gestalt an. Der russische Gesandte übergab dem Reichstage am 28. November eine Note, in welcher er erklärte, wenn der Reichstag auf die gerechten Forderungen der Dissidenten keine Rücksicht nehmen werde, würde die Kaiserin alle Mittel anwenden, jenen ihre verlorenen Freiheiten zurückzuerringen. In demselben Geiste abgefaßte Noten übergaben dem Reichstage der preußische Gesandte,

 

 

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Fürst Carolath,der dänische St. Saphorin, der englische Wroughton. 1) Auf alle diese Noten nahm man nicht die geringste Rücksicht, größtentheils desswegen, weil man unwillig darüber war, daß die Dissidenten auswärts Hülfe suchten, daß sich Fremde in die Landesangelegeheiten mischten. Blieb aber der Reichstag unbeweglich, so zeigten sich nicht minder beständig in Unterstützung der Dissidentensache die auswärtigen Mächte. Der Nachfolger Repnins, Baron Saldern, russischer Gesandter, bekam von seinem Hofe die Weisung auf Beendigung der Dissidentenfrage zu dringen. Dem polnischen Gesandten am Petersburger Hofe Rzewuski, der mit Rußland einen Grenztractat abschließen sollte, wurde angezeigt, Rußland werde sich auf nichts einlassen, bevor nicht die Dissidentenangelegenheit Erledigung finde. Der preußische Resident in Warschau, Beniot, übergab der Regierung am 20. Dezember 1764 eine Note, in welcher er verlangte, die Republik möge ihm mittheilen, welche Absichten sie in betreff der Dissidenten habe. Trotz aller dieser für die Dissidenten gethanen Schritte der auswärtigen Höfe verharrte die Nation in dem Vorsatze, taub gegen solche Forderungen zu bleiben. Der russische Hof berief daher Deputirte der Dissidenten aus Lithauen und Polen nach Petersburg, um sich mit ihnen über die Schritte, ihre Angelegenheit zu fördern, zu verständigen. Aus Lithauen wurde von den Dissidenten Krasiński, kalvinischen Bekenntnisses, aus Polen G. E. Golz, lutherischen Bekenntnisses, nach Petersburg gesendet. Unterdessen folgte der Reichstag von 1766 (im Octob. und Novemb. geh.). Die mächtige Partei der Czartoryjscy hatte den Plan, auf demselben das unselige liberum veto zu beseitigen, die Abgaben zu erhöhen, das Heer zu verstärken und viele andere, dem Lande heilsame Veränderungen einzuführen. Auf diesem, aus vielen erleuchteten Männern zusammengesetzen Reichstage hätten die Dissidenten sicherlich einen Theil ihrer verlorenen Freiheiten wiedergewonnen. Und zur Hoffnung, auch den Rest derselben in kurzer Zeit zu erlangen,

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1) Diese Noten wurden gesammelt und zusammen in folio herausgegeben unter dem Titel: Pro Memoria zu verschiedenen Zeiten durch die ausländischen Minister in Angelegenheit der Dissidenten a. 1764. mit nebenseitig französ. Texte. In demselben Jahre erschien auf eine Darlegung der dissidentischen Rechte lateinisch und französisch unter dem Titel: „Fundamenta liberae religionis Evangelicorum, Reformatorum et Graecorum in Regno Poloniae et Magno Ducatu Lithuaniae ex antiquissimis Reipublicae legibus demonstrata 1764.“ Ohne Druckort. in folio. Uebrigens erschienen in Sachen der polnischen Dissidenten vom Jahre 17641770 so viele Schriften, daß es an Raum fehlen würde, aller dieser Schriften Titel anzugeben, die sowohl von den fremden Höfen und Dissidenten, als auch von Seiten der Katholiken ausgingen.

 

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berechtigte sie die sich immer mehr im Volke durch die Piarenschulen, denen der berühmte, den Bedürfnissen der Zeit und der Nation Rechnung tragende Konarski, diese Richtung gab, durch die im Volke Lust zum Lesen und Schreiben weckenden Załuscy, durch die Czatoryjscy, Jabłonowscy und viele andere mächtige Familien, welche die polnische Jugend zur Bildung außer Landes schickten, ausbreitende Aufklärung. Die schönsten Hoffnungen, die dieser Reichstag dem Lande prophezeihte, vernichtete die Erklärung eines gewissen auswärtigen Gesandten, daß die Annahme dieser Pläne, eine Kriegserklärung an seinen Hof sein würde. So wurde denn das liberum veto mit allen Fehlern des alten Regiments erhalten. Als solches der betreffende Gesandte erlangt hatte, überreichte er dem Reichstage ein Memorial für die Dissidenten und verlangte im Namen seines Hofes, sie möchten zu vollständiger Gleichheit mit den Katholiken verstattet werden, alle Mißbräuche, sie anlangend, sollten fortan aufgehoben, die ihnen abgenommenen Kirchen und Schulen zurückgegeben werden und ihnen verstattet sein, die ruinirten auszubessern. Am 10. November hielt der preußische Resident auf dem Reichstage für die Dissidenten eine Rede und überreichte eine Note, in welcher er unter anderm verlangte, daß die den Dissidenten seit dem Olivaer Tractate abgenommenen Kirchen und Schulen ihnen zurückgegeben würden, ihnen Pfarrer und Lehrer zu wählen und einzuführen frei stehen solle und die Seminare der böhmischen Brüder in Lissa, der nichtunirten Griechen in Mohilow, nicht beunruhigt würden. Noten ähnlichen Inhalts übergaben dem Reichstage der englische Gesandte Wroughton und der dänische Saphorin. Die polnischen Dissidenten selbst überreichten in Privataudienz dem Könige eine Supplik, in der sie ihre Leiden darstellend, demüthig um Zurückgabe ihrer alten Freiheiten baten. Der Reichstag erbittert, daß die Umstände und damaligen Verhältnisse ihm inbetreff der heilsamen Aenderungen die Hände banden und die Dissidenten für die Werkzeuge des Einflusses der Fremden haltend, widersetzte sich den Forderungen der Dissidenten und den Vorstellungen der auswärtigen Höfe. Der Bischof von Krakau, Cajetan Soltyk aber, kräftig unterstützt von Antonius Eugen Visconti, dem päpstlichen Nuntius, trug darauf an, der Reichstag solle einen Beschluß fassen, nach welchem jeder für einen Feind des Vaterlandes erklärt werde, der für die Dissidenten das Wort zu nehmen wage. Dieser Antrag wurde mit rauschendem Beifalle aufgenommen, nicht sowohl deßhalb, weil die Landbotenkammer die Forderungen der Dissidenten für unbillig erachtete, sondern vielmehr deswegen, weil sie unwillig darüber war, daß die Dissidenten bei den auswärtigen Höfen

 

 

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Hülfe suchten. Zu solchem Widerstande in Ansehung der Dissidenten ermunterte den Reichstag ein auswärtiger katholischer Hof und namentlich Pabst Clemens XIII. Er erließ am 7. September 1766 ein breve, in welchem er die polnische Geistlichkeit ermahnte, das Recht und die Freiheit der katholischen Kirche zu vertheidigen. Sein Nuntius Visconti hielt am 12. November auf dem Reichstage eine Rede, in welcher er gegen die politische Gleichberechtigung der Dissidenten und Katholiken donnerte, gegen die unseligen Zeiten Sigm. August's eiferte, und die Befürchtung aussprach, es möchten die zur bürgerlichen Freiheit verstatteten Dissidenten, als solche, welche mehr Gewandtheit und Erfahrung hätten, sich des polnischen Thrones bemächtigen. Er rieth also, es möchten alle nicht katholische Religionsgebräuche aus dem Lande verwiesen werden, denn Verstattung der Gewissensfreiheit sei nichts Anderes, als Beeinträchtigung der katholischen Religion und der Kirchengesetze. In Folge solcher Umtriebe Roms und der Geistlichkeit, und vor allem in Folge des Widerwillens gegen die Dissidenten, weil sie ausländische Hülfe angerufen, erließ der Reichstag am 24. November ein Gesetz, welches alle die Dissidenten betreffende Bestimmungen der Jahre 1717, 1733, 1736, 1764 bestätigend, Strafen für Alle festsetzte, die diesen Gesetzen zuwider handeln würden. Man verwahrte sich auch, damit in Zukunft Glaubenssachen nicht durch Stimmenmehrheit, sondern durch Stimmeneinhelligkeit entschieden würden; diese Verwahrung wurde indessen später in der Constitution ausgelassen. Ueberdem antwortete man auf die Noten der auswärtigen Höfe: die Sache der Dissidenten werde auf Grund der Constitution von 1717 behandelt werden, und was anlange ihre Klage wegen Beeinträchtigung ihrer Religionsfreiheit an einigen Orten, so sei dieser Punkt unter die Erwägung der Bischöfe gestellt worden. 1) Die Bischöfe hielten eine besondere Sitzung, in welcher sie die Forderungen der Dissidenten und die Verwendung der auswärtigen Höfe für dieselben beriethen. Massalski, Bischof von Wilno, stattete dem Reichstage von derselben Bericht ab, widerlegte in ausführlicher Rede die von den Dissidenten der katholischen Geistlichkeit gemachten Vorwürfe und erklärte, die für die Dissidenten erlassenen

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1) Dennoch waren auf dem Reichstage einige Landboten, welche die Interessen der Dissidenten ein für allemal gewahrt wissen wollten, so trug z. B. der Landbote von Liwa darauf an, der Reichstag möge eine aus geistlichen Senatoren und ritterschaftlichen Gliedern bestehende Commission ernennen, welche die Angelegenheiten der Dissidenten auf immer erledigen solle. Dem widersetze sich der Bischof Sołtyk und der gute Rath des liwischen Landboten wurde verworfen.

 

 

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Gesetze dürften und könnten nirgend abgeändert werden. Während solches geschah, wuchs von Tag zu Tag der von auswärts gestreute Saame des Unmuths, des Mißverständnisses und der Zersplitterung in der Nation. ‒ „Uneinigkeit sagt Lelewel in seiner Schrift: „Panowanie Stanisława Augusta“ durchzitterte alle Winkel. Aufgeregt wurden Vorurtheile, Betrug, Aberglaube, Hohn; Stolz, Habsucht, Haß und Eigendünkel nahmen das Scheingewand der Religion an“. Es begannen sich verschiedene Conföderationen zu bilden. Im Jahre 1767 zogen frische russische Heerhaufen unter Sołtykow, Nummers und Kreczetnikow in Polen mit der Bestimmung ein, die errichteten Conföderationen zu stützen und zur Schließung neuer anzuregen. Die bedeutendste derselben war die von Radom unter dem Marschallsstabe des Fürsten Karl Radziwill; mit ihr vereinigten sich alle übrigen und mußten nach dem Willen des russischen Botschafters Repnin schwören: das Interesse der Dissidenten zu stützen, die Garantie der Kaiserin anzunehmen und den König unter ausdrücklicher Bezeugung der Treue einzuladen, der Conföderation beizutreten. Die polnischen Dissidenten bildeten zwei Conföderationen, deren Ziel Umsturz des die Dissidenten betreffenden Reichstagsbeschlusses von 1766 war; die eine leitete Georg Wilhelm Golz, Starost von Tuchel, ein Lutheraner, in Thorn am 19. März 1767, die andere Joh. Grabowski, General der polnischen Armeen, ein Calviner, zu Stłuck in Lithauen, ein. Beide waren nicht zahlreich. Zur Thorner gehörten nur 258 Personen, unter welchen die bedeutendsten vom Böhmischen Bekenntnisse in Großpolen waren, nämlich: die Szczanieccy, Kurnatowscy, Złotniccy, Grzuszczyńscy, Mojaczewscy, Mielęccy, Ziemięccy, Twardowscy, Nieszkowscy, Bronikowscy, Potworowscy, Karczewscy, Bukowieccy, Brudzewscy, Koseccy, Żychlinscy, Trepka, Chlebowscy, Rózbiccy, Piotrowscy, Wierzchaczewscy u. s. w. Dieser thorner Conföderation schlossen sich die Dissidenten aus Großpolen, Kleinpolen und Preußen an. Zur Słucker gehörten die Dissidenten Lithauens, Podoliens, Weiß- und Roth-Reußens, Wolhyniens, der Ukraine, Kurlands und Lievlands. Die thorner Conföderation ließ sofort zwei Schriftstücke erscheinen. In dem ersten betitelt: Konfederacya Ich Mciow Panow Dissidentow z Wielkiey y Małey Polski y z Prus, w Toruniu uchwalona dnia 29. Marca 1767 roku, rechtfertigen die Dissidenten ihren Schritt, indem sie behaupten, daß in Folge der zahlreichen Verfolgungen, welche sie in dem Schriftstücke aufzählen, sie gezwungen worden gegen ihren Willen die Conföderation zu errichten, um die verlorenen Freiheiten wiederzugewinnen, und laden die gemäßigtern Katholiken ein, sich mit

 

 

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ihnen zu verbinden, rufen den Schutz der Nachbarstaaten, nämlich Rußlands, Preußens, Schwedens, Dänemarks und Englands an, bezeugen vor Gott, daß sie weder den Gedanken, noch den Willen haben, der katholischen Religion zu schaden, endlich erwählen sie zum Marschall den Generallieutenant der Kronarmee, Starosten von Tuchel, Georg Wilhelm Golz, und setzen ihm 24 Räthe an die Seite. In dem zweiten Schriftstücke, betitelt: Manifest przez Ichmościow Panow Dissidentow z Prowincyi Wielko i Mało Polski, tudzież Prus, uczyniony przeciwko Artykułom ex Collegio episcopali na seymie 1766 zapadłym, vom 24. März d. J. datirt, protestiren sie gegen die wider sie auf dem Reichstage von 1766 erlassenen Gesetze. Manifeste ähnlichen Inhalts erließ die Słucker Conföderation; darauf schickte man sich gegenseitig Bevollmächtigte, durch die man sich verständigte und correspondirte. Die russischen Heere erleichterten ihnen das Einregistriren verschiedener Verhandlungen in die Grodgerichte. Gleich in den ersten Augenblicken ihres Bestandes lud die Thorner Conföderation die Städte im Königreich Preußen ein, sich mit ihr zu verbinden. Diese Städte aber (außer Thorn), den Verfolgungen seitens der Katholiken weniger ausgesetzt, dabei die Folgen der Einmischung auswärtiger Mächte voraussehend, und deshalb um ihre Freiheiten besorgt, traten der Conföderation ungern, vorsichtig und mit vielen Verwahrungen bei; nachdem sie indessen derselben beigetreten waren, erwiesen sie ihr viele wichtigen Dienste. Die dissidentischen Conföderationen hielten täglich ihre Sitzungen, auf welchen sie aus den verschiedenen Theilen des Reichs Beschwerden (gravamina) gegen die Katholiken sammelten; sich mit dem russischen Botschafter Repnin zu Warschau ins Vernehmen setzten, ihm über ihre Wirksamkeit Bericht erstatteten; dann und wann auch hörten sie die Klagen der Lutheraner gegen Kalwiner und Böhmische Brüder, oder umgekehrt, an und entschieden in denselben.

 

Einige Wochen nach Eröffnung der Thorner Conföderation starb (am 24. April a. ej.) ihr Marschall Golz. An seine Stelle wurde einstimmig sein Bruder Aug. Stanislaus Golz, Starost von Graudenz, Generalmajor der Kronarmee, erwählt. Er gab der Conföderation mehr Leben. Unter ihm beschloß man, Deputirte an die auswärtigen Höfe zu senden, um sie von der Errichtung der Conföderation in Kenntniß zu sehen, ihnen für den gewährten Schutz zu danken und um fernere Hülfe zu bitten. Auch an den König Stanislaus August und an den Primas schickte man Abgeordnete mit der Versicherung steter Treue gegen Vaterland und König. An den Petersburger Hof gingen Otto Kayserling, und der Danziger Joachim Weichmann. Die Kaiserin Catharina

 

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nahm die Conföderations-Gesandten gnädig auf, beschenkte sie reichlich und sagte zu ihnen bei ihrer Entlassung: „Was ich begonnen, das versichere ich Ihnen, werde ich auch ausführen.“ Die Abgeordneten brachten ihren Marschällen Briefe von der Kaiserin und dem Grafen Panin mit, auch den Orden des heiligen Alexander Newski. An den dänischen und schwedischen Hof schickte die Conföderation Unrug, welcher mit Empfehlungen versehen angelangt in Stockholm, unter Beihülfe des russischen Gesandten den schwedischen Hof bestimmte, einen Botschafter, den Baron Düben, im Monat September nach Warschau zu senden, welcher, wie oben erwähnt worden, im Namen seines Hofes, als eines bei dem Tractate von Oliva betheiligten, die Sache der Dissidenten unterstützte. Am englischen Hofe übertrug die Thorner Conföderation die Wahrung der dissidentischen Interessen einem Geistlichen helvetischen oder auch böhmischen Bekenntnisses, welcher seit einigen Jahren in England weilte. An den berliner Hof schickte man den Obersten Schlichting. An Stanislaus August entsendete die Thorner Conföderation Paul Grabowski, und Adam Bronikowski aus Słuck, Zaremba und den Major Wolk. Zum Primas Lubieński begaben sich im Namen der Thorner Conföderation Kurnatowski und Dziembowski, der König sowohl wie der Primas empfingen die dissidentischen Deputirten gnädig, doch verschoben sie die Beantwortungen der Bitten und Beschwerden der Dissidenten auf den künftigen Reichstag. Nach gebührender Sammlung und Erwägung der von verschiedenen Seiten eingegangenen Beschwerden, entwarfen beide dissidentische Conföderationen ihre gravamina für den künftigen Reichstag. Die Thorner faßte auf Antrag der preußischen Städte die ihrigen in Form eines Tractats zwischen den benachbarten Mächten und der polnischen Republik ab. Verfasser dieser Acta war der berühmte Gottfried Lengnich, Syndicus von Danzig. In seiner Vorlage ging er von der Warschauer Conföderation des Jahres 1573, von der Wilnoer Union des Jahres 1599 zwischen Griechen und Dissidenten, und vom Tractacte zu Oliva anno 1660 ans. Diese Acte bestand aus 37 §§, in welchen unter anderm von Dissidenten Aufhebung der auf den Reichstagen von 1632, 1668, 1717, 1733, 1736, 1764, 1766 gegen sie erlassenen Geseze, Zurückgabe der entrissenen Kirchen und Schulen u. s. w., freies Religionsbekenntniß, Befreiung von katholischer Kirchenjurisdiction, Befreiung vom Zehnten, von Messalien u. s. w., Ermächtigung zur Anlage von Druckereien und zum Drucken von Schriften ohne Censur der katholischen Geistlichkeit, Gleichheit in Ansehung der Rechte und Freiheiten mit den Katholiken u. s. w. gefordert

 

 

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wurden. Ferner verlangten die Dissidenten in dieser Acte, es möchten die nach der Reformation säcularisirten, nach dem Olivaer Frieden aber wieder zurückgewährten Klöster, auf's Neue säcularisirt werden und in Ansehung der Religion Alles wieder auf den Fuß gestellt werden, auf dem es vor dem Olivaer Tractate sich befunden, wodurch viele katholische Kirchen, besonders im Königreich Preußen und in Großpolen den Dissidenten hätten zurückgegeben werden müssen. Diese Acte nahm auch die Słucker Conföderation an, worauf sie dem Petersburger Hofe übersendet wurde. Dieser nahm sie mit Unwillen auf, sei es, daß er die Forderungen der polnischen Dissidenten für zu hoch gespannt ansah, sei es, daß er, andere Pläne habend, durch die Sache der Dissidenten die Nation nicht aufbringen wollte. Dennoch empfahl er seinem Botschafter in Warschau, die Angelegenheit der Dissidenten mit Energie zu fördern; den Dissidenten aber wurde gerathen, sich mit der Radomer, damals nach Warschau verlegten General-Conföderation, zu verbünden, was dieselben denn auch, wiewohl ungern, thaten. Während dies geschieht, berief noch, auf den ausdrücklichen, durch seinen Botschafter kundgegebenen Willen des russischen Hofes Stanislaus August den Reichstag zum 5. Dctober a. ej. ein und trat der Radomer Conföderation bei. In dem Einberufungsuniversale gab der König als Grund zur Abhaltung des Reichstags die Sache der Dissidenten an. Dieser Umstand regte die eifrigern Katholiken sehr auf. Sołtyk, Bischof von Krakau, erließ unter dem 15. August a. ej. einen Hirtenbrief, in welchem er die Nation anging, an den Rechten und Freiheiten der katholischen Kirche fest zu halten. Er fand viele Nachahmer, insonderheit den Großkronfeldherrn Branicki, Czacki und Andere. Bei dieser Erregtheit der Gemüther langte in Polen das Breve des Pabstes Clemens XIII. an die polnischen Bischöfe an, durch welches er die polnische Geistlichkeit von dem Zutritte zur General-Conföderation ablenkte. Trotz der Bemühungen des russischen Hofes, die Kundmachung des Breve zu hindern, publizirten es dennoch einige Bischöfe, so J. A. Załuski von Kijow und Szeptycki von Plock; außerdem schonten sie in den aus diesem Anlasse erscheinenden Hirtenbriefen die Dissidenten nicht. Ein Breve ähnlichen Inhalts wie das an die Bischöfe erließ der Pabst an den polnischen Adel und schickte als seinen Nuntius den gelehrten Durini, Bischof von Ancyra, nach Polen. Durini brachte eine päbstliche Bulle mit sich, welche jeden in den Bann that, der mit Rath, Wort oder That die Sache der Dissidenten fördern werde. Inmitten dieser Umtriebe von verschiedenen Seiten nahte der 5. October 1767; der Reichstag wurde eröffnet

 

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unter den Marschällen Karl Radziwill und Stanisław Brzostowski. Die Beschreibung aller Verhandlungen dieses Reichstages liegt nicht in meinem Zwecke; ich will nur sagen, welche Wendung auf ihm die Sache der Dissidenten nahm. Trotz der Umtriebe Durinis und des kräftigen Widerstandes von Seiten der Bischöfe, namentlich Sołtyks und J. Andreas Załuski's, wurde eine Commission bestimmt, zusammengesetzt aus vielen Gliedern des Senats und der Landbotenkammer, welche zugleich mit dem russischen Botschafter Repnin und den Marschällen der thorner und słucker Conföderation eine Acte in Form eines Tractats abfaßte und sie am 1. December 1767 unterschrieb. Diese Acte 1) bestand aus bestand aus 5 Artikeln, deren zweiter die Verhältnisse der Dissidenten und Disuniten regelte. Den Hauptinhalt dieses Artikels bilden folgende Punkte: 1. Der König und die Republik bestätigen die thorner und słucker Conföderation und erklären die sie bildenden Personen für gute Bürger. 2. Der Reichstag hebt die Jagiełłonischen Decrete vom Jahre 1424 und 1439, so wie das Decret des masowischen Herzogs Janusz vom Jahre 1525, gegen die Dissidenten erlassen, auf; nicht minder auch die gegen die Dissidenten gerichteten Gesetze von 1717, 1733, 1736 und 1766. 3. Die Dissidenten und Disuniten erhalten für immer den Namen Dissidenten; sie sollen von Niemandem weder mündlich noch schriftlich Häretiker, Ketzer, Abtrünnige u. s. w. genannt werden. Die disunirten Bischöfe sollen griechische Bischöfe oder Władiken heißen; die dissidentischen Geistlichen Priester, Geistliche, Pastoren oder Diener des göttlichen Wortes; die Kirchen der Disuniten Gotteshäuser, die der Dissidenten Kirchen, zbory, u. d. gl. 4. Die Kirchen und Schulen der Dissidenten in ganz Polen sollen als für immer bestehend angesehen werden; es ist daher erlaubt, sie zu repariren und an Stelle der verfallenen neue zu errichten, ohne zu diesem Zwecke Erlaubniß von weltlichen oder geistlichen Behörden einholen zu dürfen. Erkenntnisse irgend welcher Gerichtshöfe und Prozesse gegen Dissidenten in Religionsangelegenheit werden für immer niedergeschlagen. 5. Die Dissidenten sollen im ganzen Lande völlige Religionsfreiheit genießen, d. h. es steht ihnen zu, Gottesdienst zu halten, Geistliche zu ordiniren und von irgend woher zu berufen, die Sacramente zu verwalten, öffentliche Begräbnisse zu halten u. s. w. 6. Die Dissidenten

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1) Diese Acte unter dem Titel: „Actus separatus primus etc.“ steht in mehreren Werken, unter Andern in Friese's Beiträge zur Reform. Gesch. Polens. Th. II. Abth. II. P. 330. Sie erschien auch besonders im Druck: zu Danzig 1768 polnisch und lateinisch, in Königsberg französisch und deutsch.

 

 

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sollen von der Jurisdiction der katholischen Geistlichkeit frei sein. 7. Die Abgaben, welche die Dissidenten der katholischen Geistlichkeit unter dem Namen jurium stollae zahlten, werden für immer aufgehoben. 8. Es wird den Dissidenten frei stehen, im Lande Druckereien anzulegen. 9. Ehen zwischen Personen verschiedenen Bekenntnisses sollen nicht verwehrt sein; die Söhne aus solchen Ehen sollen nach dem Vater, die Töchter nach der Mutter die Religion annehmen. 10. Die Dissidenten sollen nicht zur Feier katholischer Feiertage, zum Besuche der Prozessionen u. s. w. gezwungen werden. 11. Den Dissidenten steht frei, neue Schulen anzulegen, auch soll die dissidentische Geistlichkeit nicht größere Lasten tragen als die katholische. 12. Es soll ein gemischter Gerichtshof (judicium mixtum) eingerichtet werden aus 8 Personen katholischen Bekenntnisses und gleich viel Dissidenten; die 17te in diesem Gerichtshofe präsidirende Person soll der disunirte weißreußische Bischof sein. 13. Die Dissidenten adlichen Standes sollen für befähigt erachtet werden, alle Würden und Aemter zu bekleiden, z. B. können sie Reichtagsabgeordnete, Senatoren, Minister, Gesandte an fremden Höfen, Starosten u. s. w. sein. 14. Die Dissidenten bürgerlichen Stan des sollen in Ansehung ihrer Rechte und Freiheiten gleichgestellt werden ihren Mitbürgern katholischen Bekenntnisses. Diese Acte unterzeichneten auch der russische, preußische, dänische, englische und schwedische Gesandte. Wie vieles Andere auf diesem Reichstage, so stand auch diese Acte unter dem Einflusse der auswärtigen Mächte. Die Unzufriedenheit über den fremdländischen Einfluß auf die Landesinteressen war in der Nation allgemein; man war folglich gegen die Dissidenten aufgebracht, welche ausländische Hilfe angerufen und, nachdem sie durch obige Acte die verlorenen Freiheiten wiedererlangt hatten, durch Erneuerung des Sendomirschen Consenses ihre Partei zu verstärken strebten, um der herrschenden Religion sich (besser) entgegenstemmen zu können. Inmitten dieser Verhältnisse brach die Bar'sche Conföderation aus. Ihr Ziel war lediglich, das Land von fremdem Einflusse zu befreien. Aber die Massen mußten durch religiösen Fanatismus in Bewegung gesetzt werden, und daher kamen die zahlreichen Verfolgungen der Dissidenten in ganz Polen während der Dauer derselben. Nach fünfjähriger Verwüstung des Landes durch Conföderirte und fremde Heere wurde die schlecht geleitete Conföderation von Bar niedergedrückt. Es folgte der denkwürdige Delegations-Reichstag am 19. April 1773 unter den Marschällen Adam Poninski und Michael Radziwill, der erst im Jahre 1775 endete. Auf diesem Reichstage wurden die den Dissidenten 1768 gewährten Freiheiten bedeutend

 

 

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beschränkt; man verwehrte ihnen nämlich den Zutritt in den Senat und in die Ministerien, und was die Zahl der auf den Reichstag und zu andern Gelegenheiten zu sendenden Landboten anlangt, so erfolgten für die Dissidenten einige Einschränkungen. Nach großen und schmerzlichen Verlusten gewann das Land einige Jahre Ruhe. Die polnischen Dissidenten, welche in den Tagen des Druckes sich eng mit einander verbunden hatten, fingen nach gewonnener Freiheit an, mit einander zu hadern. An diesen Streitigkeiten hatten aber die böhmischen Brüder fast keinen Antheil; sie herrschten zwischen dem Adel und dem Bürgerstande des lutherischen Bekenntnisses. Die böhmischen Brüder flohen sogar den Gedanken einer Erneuerung des Sendomirschen Consenses und vereinten sich ungern mit den Lutheranern, um einige aus den Tractaten von 1768 und 1775 hergeflossene Verhältnisse zu regeln. Die Lutheraner hielten am 5. September 1775 eine Generalsynode zu Lissa in der Absicht, ein Provinzial-Consistorium für die großpolnische Provinz, welches zur Hälfte aus Lutheranern, zur andern Hälfte aus Kulwinern oder vielmehr böhmischen Brüder bestehen sollte, zu errichten. Die auf diese Synode eingeladenen böhmischen Brüder wollten keinen Antheil an demselben nehmen. Doch wurde auf der am 15. und 16. Januar 1776 gehaltenen lutherischen Synode das Einvernehmen beider Bekenntnisse zu Stande gebracht. Von beiden Seiten wurden auf derselben folgende Punkte vereinbart: 1. In den ersten Tagen des Monats März jeden Jahres soll eine gemeinschaftliche Synode gehalten werden. 2. Zwiste in geistlicher Angelegenheit die beiden Bekenntnisse anlangend, soll eine aus Gliedern beider Bekenntnisse zusammengesetzte Commission entscheiden. 3. In betreff der Abhaltung von Synoden sollen sich zuvörderst die Generalsenioren beider Bekenntnisse und Stände besprechen. 4. Als Ort, wo die Synoden abzuhalten, wird die Stadt Lissa bestimmt, doch kann nach Umständen die Synode auch anderwärts gehalten werden. 5. Die Einrichtung des Oberconsistoriums wird glücklicheren Zeiten vorbehalten. 6. Den Plan zur Errichtung einer gemeinschaftlichen Kasse nehmen beide Bekenntnisse an. 7. Diese Kasse werden geschworene Personen verwalten und auf den Generalsynoden Rechnung legen. 8. Kosten für Angelegenheiten beide Bekenntnisse anlangend tragen Lutheraner und böhmische Brüder gemeinschaftlich. 9. Die gemeinschaftlichen Synoden werden sich befassen mit den Prozessen gegen die Störer oder Uebertreter der Tractate von 1768 und 1775, mit allen zur Befestigung der Religionsfreiheit dienenden Gegenständen, mit Erhaltung des Judicii compositi im Königlichen Assessorialgerichte, endlich mit allen gemeinschaftlichen

 

 

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gravaminibus. 10. Die gemeinsamen Synoden sollen abwechselnd einmal bei den Lutheranern, das andere Mal bei den böhmischen Brüdern gehalten werden. 11. Gegenseitige Klagen der beiden Bekenntnisse wird das aus Gliedern beider Confessionen gebildete Consistorium entscheiden. 12. Die Cadenz dieses Consistoriums soll in den Monat November fallen und zwei Wochen dauern. 13. In diesem Consistorium muß völlige Gleichheit in betreff der Personen beider Bekenntnisse sein. 14. Vor dies Consistorium sollen gehören die Scheidung gemischter Ehen, Streitigkeiten der Geistlichkeit, Kirchen, Schulen u. s. w. beider Bekenntnisse, alle Klagen gegen solche, welche die oben beregten Tractate beeinträchtigen. 15. Zur gemeinsamen Kasse sollen die Lutheraner 3/4, die Kalwiner 1/4 der bestimmten Beiträge geben u. s. w.

 

Von jetzt ab nahmen zwar die böhmischen Brüder freilich einigen Antheil an der Thätigkeit und den Zwisten der Lutheraner mit dem helvetischen Bekenntnisse und an den stürmischen dissidentischen Synoden zu Węgrow 1780 und zu Siedlec 1782; doch hatten diese Umstände keinen Einfluß auf die Verhältnisse und die Organisation dieses Bekenntnisses. Die böhmischen Brüder nahmen zwar auch das dissidentische Kirchenrecht in Polen, unter Stanislaus August eingeführt, an, aber sie hielten sich daran nur in so weit, als es mit ihren Rechten und kirchlichen Gewohnheiten übereinstimmte. Uebrigens war die Zahl der böhmischen Brüder in Großpolen zur Zeit des Stanislaus August Poniatowski schon gering. Einige Gemeinden, einige Zehn adlicher Geschlechter und einzelne Ankömmlinge helvetischen Bekenntnisses bildeten die ganze Gemeinschaft dieses Bekenntnisses in Großpolen. In neuesten Zeiten wurde durch Königliches Edict das böhmische Bekenntniß mit dem evangelischen vereinigt.

 

 

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Quelle:

Von den Kirchen der Böhmischen Brüder im ehemaligen Großpolen
durch Joseph Łukaszewicz.

Aus dem Polnischen übersetzt

von G. W. Theodor Fischer. Superintendent und Pfarrer.

Grätz 1877. Druck und Verlag von Louis Streisand.

Das Werk ist in digitalisierter Form in der Poznaner Universitätsbibliothek unter folgendem Link zugänglich.

https://www.wbc.poznan.pl/dlibra/publication/34801/edition/51959/content

Außerdem wurde das Werk durch Google digitalisiert:

https://books.google.de/books?id=GsFNAQAAMAAJ&printsec=frontcover&hl=de#v=onepage&q&f=false

 

 

 

 

 

 

H. Fehlinger 1920: Die nationalen Verhältnisse in der böhmisch-slowakischen Republik

2. Jahrg. 1. Band Nr. 2 14.April 1920 Die Glocke

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HANS FEHLINGER:

 

Die nationalen Verhältnisse in der böhmisch-slowakischen Republik.

 

Für die Abgrenzung des Gebietes der neuen böhmisch-slowakischen Republik waren nicht die Sprachenverhältnisse entscheidend. Die verbündeten Mächte haben vielmehr für diesen Staat „die historischen Grenzen der Krone von Böhmen festgesetzt und sie sind von diesen Grenzen nur in zwei Fällen von minderer Bedeutung abgewichen“. (Begleitnote zum Staatsvertrag von St. Germain, Ziffer 4.) Das ist nur insoweit richtig, als man sich Oesterreich gegenüber in der Hauptsache an die geschichtlichen Grenzen hielt. Ungarn gegenüber beachtete man diese nicht, man hat vielmehr der böhmisch-slowakischen Republik weite Gebiete des früheren Ungarn einverleibt, die niemals zu den Ländern der böhmischen Krone gehörten. Die Verbündeten ließen sich hier, wie so oft, nicht von einem festen Grundsatz leiten, am wenigsten achteten sie auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Hätten sie dieses geachtet, so wären wahrscheinlich weder das an Bodenschätzen und Industrie reiche Nordböhmen, noch die Slowakei, Glieder der böhmisch-slowakischen Republik geworden.

 

In den böhmischen Ländern ohne die Slowakei, die zusammen ein Ausmaß von 79316 Quadratkilometer haben, entfallen auf das zusammenhängende deutsche Sprachgebiet rund 28000 Quadratkilometer. Auf die deutschen Sprachinseln ist dabei nicht Bedacht genommen. Von der Bevölkerung dieser Länder waren im Jahre 1910 neben 6 291 000 Tschechen 3 513 000 Deutsche österreichischer Staatsangehörigkeit und einige Zehntausend Reichsdeutsche, ferner eine Viertelmillion Polen, vorzüglich in dem noch strittigen östlichen Teile des früheren Oesterreichisch-Schlesien.

 

Vom ehemaligen Ungarn erhielt die böhmisch-slowakische Republik außer der Slowakei ein weites Gebiet zwischen der galizischen (polnischen) Grenze und dem Oberlaufe der Theiß, wo Madjaren und Ruthenen (Kleinrussen) in wechselndem Mischungsverhältnis wohnen. Durch diese Ausdehnung der Grenzen nach Osten, über die Wohnräume des tschecho-slowakischen Volkes hinaus, wird die Verbindung Böhmen-Slowakiens mit Rumänien hergestellt.

 

Öestlich von Preßburg folgt die neue Grenze zwischen der böhmisch-slowakischen Republik und Ungarn dem Laufe der Donau bis zur Mündung der Eipel bei Gran, obzwar die große Schüttinsel und die zwischen ihr und dem Unterlaufe der Eipel gelegenen Landschaften stockmadjarisch sind. Auch weiter im Norden und Osten, im ungarischen Erzgebirge, ist die madjarische Bevölkerung noch stärker vertreten als die slowakische und gegen die galizische Grenze kommt ein starker ruthenischer Einschlag hinzu.

 

 

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Ueberdies gibt es im ungarischen Erzgebirge, in der Landschaft Zips und in der Gegend von Preßburg noch viele Deutsche. Neben rund zwei Millionen Slowaken leben in den von Ungarn an die böhmisch-slowakische Republik übergegangenen Gebieten mindestens eine Viertelmillion Ruthenen, 400000 Madjaren und 200 000 Deutsche.

 

Nirgends folgen die Grenzen des neuen Staates 1 auf längeren Strecken den Sprachscheiden, selbst dort nicht, wo dies leicht möglich gewesen wäre, nämlich in West- und Nordböhmen, in Südmähren usw. Im Osten sind fast nirgends scharf ausgeprägte Sprachscheiden vorhanden, sondern die benachbarten Völker leben dort in weitausgedehnten Mischgebieten untereinander. Ueberdies gehen dort die einzelnen slawischen Mundarten (Tschecho-slowakisch, Ruthenisch, Polnisch) kaum merklich ineinander über; es verhält sich in den Sprachgrenzgebieten ganz ähnlich wie auf dem Balkan, wo es z. B. auch nicht ganz sicher ist, ob die slawischen Mazedonier als Bulgaren oder Serben zu gelten haben. 2

 

Von den Minderheitsvölkern der böhmisch-slowakischen Republik sind die Deutschen das weitaus stärkste. Mit wenigen Ausnahmen greift das Gebiet des neuen Staates überall an den Grenzen gegen das Deutsche Reich und Oesterreich mehr oder weniger tief in das geschlossene deutsche Sprachgebiet ein. Am weitesten erstreckt sich dieses von der bayrisch-sächsischen Grenze aus nach Innerböhmen, und zwar im Süden über Mies hinaus bis in die Nähe von Pilsen, im Zentrum über Saaz und weiter im Norden über Leitmeritz hinaus. Oestlich von Reichenberg erreicht das geschlossene tschechische Sprachgebiet an der Iserquelle seinen nördlichsten Punkt, es berührt dort die deutsche Reichsgrenze. Wesentlich kleiner ist das deutsch-böhmische Gebiet um Trautenau. Im nördlichen Teil Böhmisch-Schlesiens, in Nordmähren und dem angrenzenden Streifen Böhmens liegt das zweitgrößte deutsche Sprachgebiet, das an das Deutsche Reich (Schlesien) anschließt. Von bedeutender Ausdehnung ist ferner des böhmisch-slowakischen Staates Anteil am geschlossenen deutschen Sprachgebiet im Thayatal in Südmähren, sowie in Süd- und Südostböhmen, von Gratzen bis Taus.

 

Als große deutsche Sprachinseln sind hervorzuheben das Schönhengsterland an der böhmisch-mährischen Grenze (1130 Quadratkilometer), die Iglauer Sprachinsel (362 Quadratkilometer) und jene von Brünn, der mährischen Hauptstadt, die allerdings infolge des raschen Aufschwungs ihrer Industrie und des damit

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1 Die beste Karte der böhmisch-slowakischen Republik ist die vom Militärgeographischen Institut in Wien veröffentlichte im Maßstab 1:750 000; sie ist durch jede Buchhandlung zu beziehen.

2 Vgl. Wendel, „Mazedonien und der Friede“. München 1918.

 

 

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verbundenen Zuzugs tschechischer Arbeiter rasch der Slawisierung verfällt.

 

Im deutschen Sprachgebiet des böhmischen Staates liegen nur wenig bedeutende tschechische Sprachinseln; die meisten davon sind unter dem Einfluß der Freizügigkeit erst in neuester Zeit entstanden. Im geschlossenen deutschen Sprachgebiet Böhmens fand in jüngster Zeit ein bedeutender Zuwachs der Tschechen statt im nordböhmischen Kohlenrevier zwischen Komotau und Außig, sowie im Industriegebiet von Gablonz, Reichenberg und Warnsdorf. Auch in den Bezirken des Riesengebirges war ein Anwachsen der Tschechen festzustellen. In den tschechischen Bezirken Innerböhmens verschwinden die deutschen Minderheiten nach und nach ganz.

 

Trotz der Ausbreitung der tschechischen Sprache, die schon in den letzten drei bis vier Jahrzehnten unter österreichischer Herrschaft stattfand, ist nicht daran zu denken, daß die deutsche Sprache in absehbarer Zeit vom böhmischen Boden verschwinden würde; ja, wenn man deutscherseits ernstlich darauf bedacht ist, die eigene Sprache und die kulturellen Besonderheiten zu wahren, werden sie nie verdrängt werden können. Mit nationaler Ueberhebung und mit dem Ableiern längst abgedroschener Redensarten — woran man in der Vergangenheit hing — wird man freilich nicht viel erreichen. Den in das deutsche Sprachgebiet zuwandernden Tschechen gegenüber sind die Deutschen insofern im Vorteil, als hier, wie überall, höhere Kultur den Anschluß an die Sprachgemeinschaft der neuen Heimat erleichtert. Bisher war die deutsche Kultur die höhere und reichere, womit aber nicht gesagt sein soll, daß die Tschechen weit zurückstanden, denn jeder, der Böhmen kennt, muß zugeben, daß dieses Volk unter den schwierigen Verhältnissen der Habsburger Herrschaft erstaunliche Fortschritte machte. Im habsburgischen Oesterreich kannten die Deutschen allerdings vom tschechischen Geistesleben wenig. Rob Scheu hat recht: Die deutschen Zeitschriften und Bühnen des alten Oesterreich durften nicht einmal, wenn sie auch wollten, das tschechische Geistesleben verfolgen und würdigen. Die hervorragende tschechische Malerei und Musik lassen aber den Schluß zu, daß infolge davon Bedeutendes verborgen blieb. Die geistige Isolierung der Tschechen in Oesterreich war der Hauptanlaß der Sehnsucht nach einem Anschluß jenseits der Grenzen (Scheu, Wanderung durch Böhmen am Vorabend der Revolution. Seite 68. Wien 1919).

 

Die neue Verfassung der böhmisch-slowakischen Republik setzt die Gleichberechtigung aller Staatsbürger in nationaler und religiöser Beziehung fest und bestimmt, daß die nationalen Minderheiten ein Recht auf eigene Schulen haben, in denen jedoch die tschechische Sprache obligatorisch unterrichtet werden muß. Wieviel Prozent einer Bevölkerung als unterste Grenze einer Minderheit

 

 

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zu gelten haben, soll durch ein späteres Gesetz bestimmt werden. Vor Gericht ist die deutsche Sprache in den von den deutschen Minderheiten bewohnten Gebieten der tschechischen Sprache gleichberechtigt. Den Minderheiten ist das Beschwerderecht an den internationalen Gerichtshof eingeräumt, dem zugleich die Ausführung seiner Beschlüsse zusteht. Immerhin aber ist das Tschechische Staatssprache; es ist nicht jene Rechtsgleichheit der Sprachen durchgeführt, die z. B. in der Schweiz, in der südafrikanischen Union und in Kanada besteht.

 

Die Landtage der Provinzen Böhmen, Mähren und Schlesien wurden aufgehoben. Neben dem Prager Zentralparlament aber wird ein Landtag für das ruthenische Karpathengebiet eingesetzt, der in bezug auf die innere Verwaltung möglichst weitgehende Selbständigkeit erhält. Auf diese Weise will man sich die Freundschaft jener Slawen sichern. Ein ähnliches Zugeständnis an die weit zahlreicheren Deutschen — mindestens der geschlossenen Sprachgebiete — zu machen, fällt den tschechischen Machthabern gegenwärtig nicht ein. Sie haben doch jetzt das Staatsruder gar fest in Händen! Immerhin ist anzunehmen, daß sich dieser Staat nur dann auf die Dauer zu erhalten vermag, wenn seine Volksminderheiten von der Mehrheit nicht vergewaltigt werden, wenn ihnen allen Selbstverwaltung gewährt wird. Recht bald wird vermutlich eine dahingehende Forderung von slowakischer Seite kommen, denn dieser Volksstamm, dessen Sprache nur ganz wenig von dem Tschechischen des benachbarten Mähren und Schlesien abweicht, will nun einmal nicht tschechisch sein. Von der nahen Sprachverwandtschaft abgesehen, scheint es sich hier in der Tat um eine von den Tschechen wesentlich verschiedene Bevölkerung zu handeln; und zwar sind beide Völker nicht erst durch eine jahrhundertelange getrennte politische und kulturelle Entwicklung voneinander abgewichen, sondern es bestehen auch tiefergreifende anthropologische Unterschiede. Der slowakische Typus ähnelt weit mehr jenem gewisser Völker im äußersten Osteuropa als den mitteleuropäischen Tschechen. Der Slowake ist nun, unter tschechischer Herrschaft, weit davon entfernt, sich dem Fremden gegenüber als Tscheche zu geben. In Preßburg und in den oberungarischen Städten ist jetzt auch bei der slowakischen Bevölkerung die madjarische Sprache mehr geschätzt als vordem, die Slowaken sind den Madjaren günstiger gesinnt als früher. Doch ginge man fehl, wollte man das als reine Neigung zu dem Volk auffassen, das bis zum Ausgang des Weltkrieges in Ungarn herrschte. Wir haben es vielmehr lediglich mit einem Ausdruck der Abneigung gegen den Prager Zentralismus zu tun.

 

 

Quelle:

Die Glocke 2. Jahrg. 1. Band Nr. 2 vom 14. April 1920 S. 53-56 Berlin. Verlag für Sozialwissenschaft.

Hans Fehlinger: Die nationalen Verhältnisse in der böhmisch-slowakischen Republik

 

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