Spurensuche Archäologie
Der Naturraum
Die Gemarkung Lauingens liegt im ostbraunschweigischen
Hügelland in der nördlichen Helmstedter Mulde. Sie erstreckt sich
zwischen Elm, Rieseberg und dem Rieseberger Moor und umfaßt
damit recht unterschiedliche Naturräume.
Während in den Hanglagen des Elms in etwa bis zur Bahnstrecke
gute Ackerböden, lehmig sandige Braunerden mit Bodenwertzahlen
zwischen 55 und 70 vorherrschen, sind nördlich davon bis zum
Rieseberg Böden sehr viel geringerer Güte, überwiegend trockene
grundwassernahe podsolierte Sandböden, anzutreffen. Bis zu seiner
Trockenlegung war das nordöstliche Gebiet der Gemarkung
zwischen Heiligem-, Butter- und Wolfsberg vom Rieseberger Moor,
einem ausgedehnten Flachmoor, bestimmt.
Im Nordwesten schließlich erhebt sich am Rand der Helmstedter
Mulde der bewaldete Rieseberg – in den unteren Lagen mit
Kiefernwäldern, in den oberen mit Buchen-, Hainbuchen- und
Eichenwäldern bestanden.
Eiszeitliche Jäger an den Hängen des Rieseberges (12500 – 9600 vor Chr.)
Die ältesten Spuren der Anwesenheit des Menschen am Rieseberg
gehen bis in die Zeit des Jungpaläolithikums um 12 500 vor Chr.
zurück, als Rentierjäger, die der “Hamburger Kultur“ zugerechnet
werden, an seinen Hängen lebten. Damals konnten aufgrund einer
allmählichen Erwärmung erstmals Jägergruppen in den zuvor
menschenfeindlichen Raum Norddeutschlands vordringen. Der
Rieseberg gehört zu den südlichsten Fundpunkten dieser Kultur. Die
Jäger waren darauf spezialisiert, ihre Lagerplätze dort anzulegen, wo
die Rentierherden auf ihren Frühjahrs- oder Herbstwanderungen
vorbei kamen und sich reiche Beute erzielen ließ. Sie stellten
charakteristische Geschoßspitzen aus Feuerstein, sogenannte
Kerbspitzen her, die vermutlich bereits als Pfeilspitzen dienten und
demnach das älteste Vorkommen von Pfeil und Bogen markieren
würden. Auf den Äckern am nördlichen Hang des Rieseberges sind
wenige Lesefunde solcher Kerbspitzen bekannt geworden.
Kerbspitze der Hamburger Kultur, um 12500 vor Chr. vom Rieseberg, Slg. K.F. Weber
Nach einer rund 1000-jährigen warm-feuchten Periode, in der der
Wald nach Mitteleuropa zurückkehrte, gab es ab 10800 vor Chr.
einen erneuten Kälterückschlag. Für 1200 Jahre herrschten nochmals
kaltzeitliche Bedingungen. Wiederum sind es spezialisierte
Rentierjägergruppen, die sich mit der sogenannten „Ahrensburger
Kultur“ am Rieseberg nachweisen lassen. Charakteristisch sind
Pfeilspitzen mit einer gestielten Basis, die in einen Holzschaft
eingesetzt wurden. Aus dieser Zeit sind im Ahrensburger Tunneltal
bei Hamburg die ältesten bekannten Pfeilschäfte aus Kiefernholz
nachgewiesen worden. Am nördlichen Rieseberg sind mehrere
solcher „Stielspitzen“ als Oberflächenlesefunde von aufmerksamen
Sammlern aufgesammelt worden.
Ahrensburger Stielspitzen (Pfeilspitzen), 10800 bis 9600 vor Chr. vom Rieseberg. Slg. K.F. Weber
Auch wenn für diese Epochen bisher keine Funde aus der
Gemarkung Lauingen bekannt sind, können wir doch annehmen, daß
das gesamte Umfeld des Rieseberges zum Lebensraum dieser
Rentierjägergruppen gehörte.
Jäger und Sammlerinnen in den Wäldern der Nacheiszeit
Ab 9600 vor Chr. setzte eine rasche Erwärmung ein, in deren Folge
sich der Wald allmählich ausbreitete und Waldtiere wie Auerochse,
Rothirsch, Elch, Reh und Wildschwein bei uns heimisch wurden. Die
Archäologie bezeichnet diese Zeit als Mesolithikum, d.h.
Mittelsteinzeit. Entsprechend der veränderten Umwelt änderten sich
die Nahrungsgewohnheiten. Bei den Jagdtieren bildeten jetzt
Rothirsch und Reh die wichtigste Beute. Daneben kam dem
Fischfang eine wachsende Bedeutung zu. Eine intensiv genutzte
Nahrungsquelle wurde die Haselnuß, die sich in den lichten
nacheiszeitlichen Wäldern massiv ausbreitete. Sicherlich sind daneben
Beeren, Früchte und andere pflanzliche Nahrung gesammelt worden.
Der Hund gehörte ab dieser Zeit zum ständigen Begleiter des
Menschen.
Mikrolithen des Mesolithikums, 9600 bis 5500 vor Chr. nordwestlich von Lauingen. Slg. P. Deecke
Aus einem späten Abschnitt des Mesolithikums sind aus der
Gemarkung Lauingen am südlichen Hang des Rieseberges
Feuersteingeräte wiederum als Oberflächenlesefunde bekannt
geworden. Zahlreiche winzige sorgfältig zugerichtete
Feuersteingeräte zeugen von einem Lagerplatz von Jäger- und
Sammlergruppen am Rande einer ehemaligen Bachniederung. Die
kleinen, oft als Dreiecke oder Trapeze zugeschlagenen Geräte sind
typisch für das Mesolithikum. Mit Birkenpech wurden mehrere von
ihnen als Widerhaken in Pfeile, Harpunen und Speere eingesetzt. Mit
einiger Sicherheit steht dieser Fundplatz, der regelmäßig von
Sammlern begangen wird, für eine Vielzahl solcher ehemaligen Lager
am Fuß des Rieseberges.
Geschliffene Beile und Äxte – die ersten Bauern
Sehr viel später als auf den fruchtbaren Schwarzerdeböden des
Südkreises um Elm und Heeseberg hielt die bäuerliche
Wirtschaftsweise in den Gebieten nördlich der Lößgrenze Einzug.
Auf den Lößbörden sind bereits ab 5500 vor Chr. erste bäuerliche
Siedlungsgemeinschaften nachzuweisen. Sie gehörten zu der nach
ihren charakteristischen Gefäßen benannten bandkeramischen
Kultur, die ein enormes Verbreitungsgebiet zwischen dem Schwarzen
Meer und dem Ärmelkanal besaß.
Im nördlichen Kreisgebiet mit den Böden geringerer Qualität setzte
sich die neue Wirtschaftsweise erst 1000 bis 2000 Jahre später durch.
Vereinzelte Funde von bandkeramischen Beilen wie aus den
Nachbarorten Bornum, Rieseberg und Rotenkamp zeigen aber an,
daß durchaus Kontakte zu den bäuerlichen Nachbarn bestanden. Die
Jungsteinzeit ab 5500 vor Chr. bezeichnet die Archäologie als
Neolithikum.
Erst aus der Zeit des Mittelneolithikums im 4. Jahrtausend vor Chr.,
als bei Helmstedt und Groß Steinum die Großsteingräber errichtet
wurden, lassen sich in der Gemarkung Lauingen Funde nachweisen.
Es handelt sich vor allem um geschliffene Steinbeilklingen aus
Felsgestein und Feuerstein, die in hölzerne Schäfte eingesetzt,
unentbehrliches Werkzeug bei allen anstehenden Holzarbeiten waren.
Viele dieser Geräte sind bereits im 19. oder frühen 20. Jahrhundert
gefunden worden und lassen sich nicht mehr einem genauen Fundort
zuweisen. Aber auch in der jüngeren Zeit haben Sammler
neolithisches Material in der Gemarkung Lauingen gesammelt. So
liegt an der Scheppau dicht bei der Ortschaft Scheppau ein
Fundplatz, der zahlreiche Feuersteingeräte, darunter eine sorgfältig
zugerichtete Pfeilspitze der Jungsteinzeit erbracht hat. Diese Funde
gehören in das 4. und 3. vorchristliche Jahrtausend.
Bereits an das Ende der Jungsteinzeit sind sorgfältig gearbeitete
Felsgesteinäxte zu stellen, die vermutlich Metallvorbildern
nachgearbeitet, vor allem Rang- und Würdeabzeichen ihrer Besitzer
waren. Ein vollständig erhaltenes Exemplar einer solchen Axt mit
sehr schmalem Nacken und leicht geschwungenem Axtkörper konnte
Klaus Ehrlichmann 1968 am Heiligen Berg in einem Lesesteinhaufen
aufsammeln. Es gehört zur sogenannten Einzelgrabkultur, die zu den
schnurkeramischen Kulturen zu rechnen ist (um 2500 vor Chr.).
Möglicherweise ist die Axt letzter Überrest einer Grabausstattung
dieser Zeit. Ein weiteres Fragment, das im Bohrloch gebrochen ist,
wurde am Südhang des Rieseberges nordwestlich des Sportplatzes
gefunden.
Felsgestein-Axt der Einzelgrabkultur, um 2500 vor Chr. vom Heiligenberg. Slg. K. Ehrlichmann
Feuersteindolch und Armringe aus dem Moor - Bronzezeit
Vermutlich bereits in die Bronzezeit gehört ein sorgfältig beidseitig
flächig mit Retuschen (muschelförmige Abschläge) zugerichtetes
Gerät aus Feuerstein, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts „in den
Spargelfeldern von Lauingen“ gefunden wurde. Seine Form erinnert
an eine Speerspitze, es handelt sich jedoch wahrscheinlicher um ein
Gerät, das wie ein Dolch oder Messer zum Schneiden gebraucht
wurde. Solche Geräte oder auch regelrechte Feuersteindolche sind
typisch für die beginnende Bronzezeit (um 2000 vor Chr.), als in
Mitteldeutschland bereits die Metallverarbeitende Aunjetitzter Kultur
ansässig war, in den nördlicheren Regionen jedoch noch weiter in
steinzeitlichem Milieu gelebt wurde.
Lauinger Bronzeringe aus dem Rieseberger Moor, um 1000 vor Chr. Braunschweig. Landesmuseum, Abteilung Archäologie
Eine regelrechte Berühmtheit aus der Lauinger Bronzezeit ist ein
Fund von vier Armringen aus Bronze, die 1818 von Arbeitern beim
Torfstechen im Rieseberger Moor gefunden wurden. Von den vier
Ringen, die aufgrund ihrer eigentümlichen Form zunächst als
Sarghenkel angesprochen wurden, gelangten drei über die
Torfadministration und die Fürstliche Kammer ins Herzogliche
Museum nach Braunschweig. Hier geriet dann ihr Fundort für rund
100 Jahre in Vergessenheit, bevor sie 1910 „wieder entdeckt“ wurden
und als „Lauinger Bronzeringe“ einen festen Platz in der
Vorgeschichtsforschung bekamen. Heute ist auch von diesen drei
Ringen einer verschollen. Die zwei noch im Braunschweigischen
Landesmuseum, Abteilung Archäologie in Wolfenbüttel zu
bewundernden Schmuckstücke sind hohl, vermutlich über einen
Tonkern gegossen und geschlossen. Ihr Umriß ist steigbügelartig. Die
erhaltenen Ringe sind aufwändig mit einem eingravierten
Linienmuster und vier breiten Rippengruppen an der flachen Seite
verziert. Das Linienmuster besteht aus konzentrischen Kreisen und
Halbkreisen sowie punktgesäumten Schlingbändern. Der
verschollene Ring war massiv gegossen und offen. In ihrer
Erstverwendung haben sie vermutlich als Armringe gedient und sind
dann als Opfer im Moor niedergelegt worden. Sie gehören in die
jüngere Bronzezeit um 1000 vor Chr. und spiegeln das Brauchtum
dieser Zeit. Hunderte von wertvollen Sachgütern sind damals in
Flüssen, Seen und Mooren an besonderen Stellen versenkt worden.
Die Forschung nimmt heute an, dass dies überwiegend aus religiösen
Gründen geschah, um sich die Gunst der Götter für jenseitige oder
auch hiesige Ziele zu sichern. Die Ringe waren sicherlich wertvoller
Besitz ihrer Trägerin. Die Handwerker, die sie herstellten, verfügten
über sehr gute Kenntnisse der Metallverarbeitung und fertigten sie
nach Vorbildern, die im hessischen Raum zu Hause waren. Hier sind
sie eine geläufige Ringform der Zeit um 1000 vor Chr.
Urnenfriedhöfe - Eisenzeit
Ohne kulturelle Umbrüche erfolgte in unserer Region der Übergang
von der Bronze- zur Eisenzeit. Dies zeigt sich auch an dem Fundgut
einer Siedlung der frühen Eisenzeit (7. Jh. vor Chr.), die auf dem
Gelände der Schweinemastanlage westlich des Ortes gelegen hat.
Ausschnitte dieser Siedlung konnte die Kreisarchäologie im Jahre
2001 im Zuge einer Notgrabung während der Bauarbeiten
untersuchen. Die schlichten, zumeist unverzierten Keramikgefäße
stehen in der Töpfertradition der späten Bronzezeit. Von der
Siedlung konnten Vorratsgruben, die später als Abfallgruben genutzt
wurden, und eine Reihe von eingetieften Feuerstellen mit zahlreichen
im Feuer zerbrochenen Steinen dokumentiert werden. Eine
ehemalige, nach unten verbreiterte Speichergrube war über 2 m in
den anstehenden Sandboden eingetieft worden. Sie diente vermutlich
als Getreidespeicher. Auch Tierknochen von Schwein und Rind
gehören zum Fundmaterial. Von den Wohnhäusern, die, wie in der
gesamten Vorgeschichte üblich, aus Holz, Geflecht und Lehm erbaut
waren, konnten keine Spuren erfaßt werden. Die eisenzeitliche
Dorfstelle lag an einem flachen Hang oberhalb einer Senke, in der
vermutlich ein Bach geflossen ist, der für das notwendige Wasser
sorgte.
Eisenzeitliche Gefäße und Trachtnadel vom Sandberg. 6./5. Jh. vor Chr. Braunschweig. Landesmuseum. Abtlg. Archäologie
Diese Siedlung ist die erste eisenzeitliche Dorfstelle, die in der
Gemarkung Lauingen dokumentiert werden konnte.
Dagegen sind Gräber der Eisenzeit in großer Zahl rund um Lauingen
nachgewiesen.
Leider sind um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert
bei dem damals sehr intensiv betriebenen Spargelanbau komplette
eisenzeitliche Friedhöfe zerstört worden. So ist überliefert, daß links
des Weges von Lauingen nach Scheppau im Winkel mit der
Lüneburger Straße ein großer Steinkistenfriedhof mit
Urnenbestattungen zerstört worden ist. Die Steinkisten standen in
Reihen und waren so zahlreich, daß die Platten fuderweise an die
Chausseeverwaltung zum Straßenbau verkauft wurden. Von den
Urnen hat sich soweit bekannt keine Scherbe erhalten. Es ist gut
möglich, daß dieser Friedhof zu unserer Siedlung gehörte, da solche
Gräberfelder überwiegend in die früheste Eisenzeit des 7. Jh. zu
datieren sind.
Auf dem Sandberg westlich von Lauingen lag ein weiterer
eisenzeitlicher Friedhof, der ausweislich der bisher bekannten Funde
in den folgenden Jahrhunderten als Bestattungsplatz diente.
Nachdem schon längere Zeit bekannt war, dass hier in der Sandgrube
des Landwirtes Knust immer wieder vorgeschichtliche Keramik und
Knochen zutage kamen, konnte Dr. Niquet vom
Braunschweigischen Landesmuseum 1972 eine kleine archäologische
Untersuchung durchführen. Er dokumentierte zwei bereits sehr
zerwühlte Brandgräber, von denen eines in die Eisenzeit und eines in
die römische Kaiserzeit zu stellen ist. Die Grabgefäße der Eisenzeit
zeigen eingeritzte geometrische Muster in Form von Zick-
Zackbändern und Sparren und sind der sogenannten Nienburger
Kultur zuzurechnen. Die zugehörige eiserne Nadel mit einer
charakteristischen schlägenförmigen Ausbiegung gehört in die frühe
Eisenzeit des 6./5. Jh. vor Chr.
Das berühmteste und größte eisenzeitliche Gräberfeld liegt jedoch in
den Fuhren an der Straße nach Rieseberg. Es handelt sich um einen
der fundreichsten und interessantesten Friedhöfe der Eisenzeit im
Braunschweiger Land. Wie viele seinesgleichen ist er jedoch bereits
im 19. und frühen 20. Jahrhundert von Privatsammlern regelrecht
geplündert worden. Diese waren allein auf die Gewinnung möglichst
vieler und schöner Altertümer aus und haben nur wenig oder gar
nichts über die Fundumstände aufgezeichnet. Dies sind jedoch
unerläßliche Angaben, um solch ein Gräberfeld geschichtlich zum
sprechen zu bringen.
Bereits 1868 und 1869 hat der Domprediger Thiele „Ausgrabungen“
vorgenommen. Da er an einem Tag 18 Urnen ausgehoben hat, ist
leicht vorzustellen, mit welch geringer Sorgfalt zu Werke gegangen
worden ist. Ebenfalls auf reinen Funderwerb war der Mühlenbesitzer
Mülter aus, der wiederholt auf dem Friedhof gegraben hat. Dasselbe
gilt für den Apotheker Lüddecke aus Königslutter sowie die 2.
Generation Mülter, die sich in die wenig ruhmvolle Reihe von
„Ausgräbern“ stellen lässt.
Die wenigen Angaben zu Grabbau und zur Anlage des Friedhofes
lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Die Brandgräber
fanden sich in niedrigen kleinen Grabhügeln von 40 bis 80 cm Höhe.
Meist waren wohl mehrere dicht beieinander liegende Bestattungen
in einem Hügel anzutreffen. Die Urnen standen überwiegend ohne
umgebende Steinpackung nur wenig eingetieft im Sandboden.
Neben Urnengräbern, bei denen die verbrannten Überreste der
Toten, der sogenannte Leichenbrand in einem Tongefäß beigesetzt
worden ist, fanden sich auch Brandgräber, bei denen der
Leichenbrand ohne Urnenschutz dem Boden anvertraut worden ist.
Zahlreiche Urnengräber hatten eine Schale als Abdeckung, jedoch
sind niemals weitere Gefäße neben der Urne, sogenannte Beigefäße,
beobachtet worden.
Das Fundmaterial des Friedhofes ist vielfältig und umfasst vor allem
Bestandteile der Tracht wie Nadeln und Fibeln als Kleiderschließen,
Gürtelhaken, Perlen, Halsringe Ohrringe und Ketten. Diese Funde
lassen sich zeitlich gut bestimmen. Demnach hat das Lauinger
Gräberfeld von der Zeit um 400 vor Chr. bis in das 1. vorchristliche
Jahrhundert bestanden, wobei der Schwerpunkt auf dem
4. bis 2. Jahrhundert liegt.
Fibeln aus dem eisenzeitlichen Gräberfeld aus den Fuhren, 4.-1. Jh. Vor Chr. Braunschweig. Landesmuseum. Abteilung Archäologie
Typisch für den älteren Abschnitt waren Nadeln zum
Zusammenstecken der Kleidung, während seit dem Ende des
4. vorchristlichen Jahrhunderts Fibeln, eine Art Sicherheitsnadeln,
nach südlich-keltischem Vorbild als schmückende Kleiderschließen
in Mode kamen. Diese Fibeln durchlaufen stilistische Veränderungen,
die jeweils bestimmten Zeitabschnitten zugewiesen werden können
(Abb. 14). So gibt es auf dem Friedhof Fibeln vom sogenannten
Früh-Latèneschema mit umgebogenem Fibelfuß (4. Jh.),
Mittellatèneschema mit am Bügel befestigtem Fibelfuß (3./2.Jh.) und
vom Spätlatèneschema mit fest verbundenem Fuß und Bügel (1. Jh.
vor Chr.).
Die Urnen sind zumeist klar gegliederte Gefäße vom sogenannten
„Typ Lauingen“, die überwiegend in das 4. bis 2. vorchristliche
Jahrhundert zu stellen sind.
Offensichtlich gab es auf dem Friedhof auch herausragende
Bestattungen, wie ein Grab mit einem kunstvoll gearbeiteten
Halsring, der ebenfalls nach keltischem Vorbild gefertigt wurde. Er
besteht aus einem eisernen Ring als Kern, der einen Überzug aus
Bronzeblech erhalten hat und beiderseits kugelförmig endet. Der
Bronzeüberzug ist aus abwechselnd breiten und schmalen verzierten
Wülsten gebildet. Ein weiteres Grab enthielt offensichtlich
Bestandteile von Pferdezaumzeug, ein anderes vermutlich
Bestandteile eines Wagens.
Wir haben mit diesem eisenzeitlichen Friedhof einen Fundkomplex
vorliegen, der bei sachgemäßer Bergung und Dokumentation
sicherlich sehr viel mehr Aussagen zur sozialen Gliederung der
damaligen Bevölkerung zugelassen hätte.
Aber auch in der auf uns überkommenen Form belegt er eine
bäuerliche Bevölkerung, deren einzelne Familien ihre verstorbenen
Mitglieder vermutlich jeweils in einem Hügel bestatteten. Die
zunehmenden Kontakte dieser Jahrhunderte zwischen Germanen
und dem keltischen Süden führten zu einem regen kulturellen
Austausch, in dessen Folge Fibeln und andere Schmuckstücke nach
keltischem Vorbild im Norden getragen wurden. Vermutlich gelang
es einzelnen Familien, die verstärkt wirtschaftliche und soziale
Kontakte mit dem Süden pflegten, eine herausragende Stellung
innerhalb der Gemeinschaft zu erlangen und diesen Status mit
entsprechenden „Prestigeobjekten“ wie Halsreifen, Pferdegeschirr
und Wagen auch über den Tod hinaus zu demonstrieren. Aufwändige
Halsreifen, Reiterei und Wagen kennzeichneten einen adeligen
Lebensstil nach südlichem Vorbild.
Das Besondere an den eisenzeitlichen Friedhöfen aus Lauingen ist,
dass sich in der Gemarkung die gesamte rund 700 Jahre währende
Epoche der Eisenzeit kontinuierlich mit Grabfunden belegen läßt.
Daraus können wir schließen, dass auch kontinuierlich Siedlungen
bestanden haben. Ähnlich wie bei den Friedhöfen ist es dabei
vermutlich immer wieder zu Ortsverlagerungen gekommen. Fassen
können wir bisher nur die früheste eisenzeitliche Siedlung des 7.
Jahrhunderts auf dem Gelände der Schweinemastanlage.
Weitere Urnenfriedhöfe in der Gemarkung Lauingen sind lediglich
durch einige versprengte Hinweise in alten Aufzeichnungen zu
fassen. So sollen sowohl am Heiligen Berg nördlich des Ortes als
auch im Bahneinschnitt südwestlich Urnenfunde gemacht worden
sein. Von diesen ist jedoch nichts in die Sammlungen der Museen
gekommen. Ob sie ebenfalls noch in die Eisenzeit gehören oder
bereits in die nachfolgende römische Kaiserzeit läßt sich nicht mehr
ermitteln.
Germanen der ersten nachchristlichen Jahrhunderte
Sicherlich ist auch in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten, die
die Archäologie als „Römische Kaiserzeit“ bezeichnet, eine
Besiedlung der Lauinger Gemarkung vorhanden gewesen. Bekannt
sind jedoch bisher nur vereinzelte Funde von Scherben von den
Äckern und wenige Grabfunde.
So sollen westlich des zerstörten Steinkisten-Friedhofes der Eisenzeit
Urnen des 3. nachchristlichen Jahrhunderts gefunden worden sein.
Feldbegehungen in diesem Bereich haben tatsächlich auch heute
noch einige Scherben erbracht, die sich der römischen Kaiserzeit
zuordnen lassen. Das Bruchstück einer eisernen Fibel gehört in das
1. Jahrhundert nach Chr.
Am Sandberg in der Sandgrube Knust westlich des Ortes konnte der
Rest eines Brandgrabes ausgegraben werden, das zwei Reitersporen,
sogenannte „Stuhlsporen“ aus Eisen und Bronze, und einen
rautenförmigen Gürtelbesatz aus Bronze enthielt, sicherlich das Grab
eines germanischen Kriegers des 1./2. Jahrhunderts nach Chr.
Reitersporen und Gürtelbesatz aus einem germanischen Kriegergrab vom Sandberg, 1./2. Jh. nach Chr. Braunschweig. Landesmuseum, Abtlg. Archäologie
Möglicherweise lassen sich die reichen Eisenschlackenfunde, die
ebenfalls westlich der Straße von Lauingen nach Scheppau am
unteren Hang des Rieseberges auf dem Acker von Spangenberg
gemacht worden sind, diesem Zeitabschnitt zuordnen. Von gut
untersuchten Siedlungen dieser Zeit ist bekannt, daß die
Eisenverhüttung regelhaft in Siedlungsnähe betrieben worden ist. Am
Hang des Rieseberges wurde vermutlich anstehendes Raseneisenerz
verhüttet.
Von der Völkerwanderungszeit in das Mittelalter
Leider schweigen die archäologischen Quellen bisher für die Zeit des
5. nachchristlichen Jahrhunderts bis in das Mittelalter. Erst aus der
hochmittelalterlichen Zeit des heutigen Dorfes Lauingen sind wieder
Funde bekannt.
Dennoch ist anzunehmen, daß auch in den Jahrhunderten der
Völkerwanderungszeit und des frühen Mittelalters Siedlungen in der
Gemarkung Lauingens gelegen haben. Die Ersterwähnung Lauingens
im 9. Jahrhundert steht nicht für den Beginn der mittelalterlichen
Besiedlung, die Anfänge des Ortes reichen vermutlich in das 8.,
vielleicht auch 7. Jahrhundert zurück.
Erwähnenswert ist eine Flurbezeichnung „Heidenkirchhof“ östlich
von Lauingen, die für einen Friedhof der sächsischen vorchristlichen
Zeit stehen könnte, von dem sich aber keine Spuren erhalten haben.
Luftbilder
Verstärkt wird in den letzten Jahrzehnten auch die
Luftbildprospektion zum Auffinden vorgeschichtlicher Siedlungsund
Friedhofsplätze herangezogen. So sind in der östlichen
Gemarkung Lauingens in der Flur „im Filze“ und nördlich des
„Heidenkirchhofs“ Luftbilder gemacht worden, die darauf schließen
lassen, dass hier vorgeschichtliche Siedlungen gelegen haben, deren
Alter wir jedoch nicht kennen.
Vielleicht verbergen sich ja hinter diesen Befunden die bisher
fehlenden Siedlungen der Eisenzeit.
Veröffentlicht in: Chronik des Dorfes Lauingen 854 - 2004 Seite 18 - 26
Heimat- und Kulturverein Wi von de Zipperie e.V.
Herstellung und Verlag: Meiling Druck, Haldensleben
Weitere Projekte von Frau Dr. Monika Bernatzky:
http://www.helmstedt.de/staticsite/staticsite.php?menuid=115&topmenu=7
http://www.helmstedt.de/magazin/artikel.php?artikel=1284&type=&menuid=114&topmenu=7
http://www.geopark-braunschweiger-land.de/pdf/Bockshornklippe_Gross_Steinum.pdf
Monika Bernatzky: Monumente der Steinzeit. Großsteingräber zwischen Dorm, Elm und Lappwald. Die Lübbensteine bei Helmstedt, Lehrpfad 'Baustelle Großsteingrab' in Groß Steinum, Großsteingräber zwischen Marienborn und Groß Steinum. Landkreis Helmstedt, Helmstedt 2006
http://www.uni-goettingen.de/de/118255.html
Bernatzky, Monika Lehnberg, Birthe (2011) - Schmuck aus dem Norden: ungewöhnliche Funde aus mittelalterlichen Webhütten - In: Archäologie in Niedersachsen vol. 14 (2011) p. 67-70
Bernatzky, Monika Lehnberg, Birthe (2009) - Die mittelalterliche Siedlung am Petersteich bei Süpplingenburg, Ldkr. Helmstedt: Vorbericht - In: Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte vol. 78 (2009) p. 149-173
Bernatzky, Monika (2009) - In den Fels gehauen: Kopfnischengräber in Königslutter - In: Archäologie in Niedersachsen vol. 12 (2009) p. 90-93
Bernatzky, Monika Recker, Bernhard (2008) - Auf den Spuren Kaiser Lothars III. von Süpplingenburg - In: Berichte zur Denkmalpflege in Niedersachsen vol. 28 (2008) p. 131-132
Bernatzky, Monika (2007) - Wärme und Rauch im Grubenhaus: Öfen aus Steinen und Lehm in der Wüstung "Petersteich" bei Süpplingenburg - In: Archäologie in Niedersachsen vol. 10 (2007) p. 50-53
Bernatzky, Monika (2007) - Steinkreuze und Kreuzsteine: mittelalterliche Rechtsdenkmale - In: Kreisbuch Landkreis Helmstedt vol. 14 (2007) p. 19-30
Hinweis:
Weitere 83 Hünengräber in der sog. "historischen Quadratmeile" im Bördekreis bilden das größte geschlossene Großsteingräbergebiet Mitteleuropas.
Link: http://www.ecomusee.de/zeitstrahl/zeit_01_archaelogisches.htm
Geschichten und Tanz an der Bockshornklippe
Ankündigung aus Stadtbüttel 07/2012
Süpplingen war schon vor 7000 Jahren beliebt
Mittwoch, 30. Juni 2010 Königslutter und Umgebung
Süpplingen war schon vor 7000 Jahren beliebt
Bandkeramischer Siedlungsplatz im Dorfkern entdeckt - Bisher gab es Spuren dieser Steinzeitkultur nicht so weit im Nordwesten
Von Arne Grohmann
SÜPPLINGEN. Nach Funden bei Grabungen auf der Baustelle für das neue Seniorenheim muss nicht nur die Geschichte Süpplingens neu geschrieben werden.
Was Gemeindedirektor Matthias Lorenz angesichts der vielen Veränderungen in Süpplingen (Ärztezentrum, Krippe, Hort, Seniorenheim, Gewerbepark) stets gerne verbreitet, galt offensichtlich schon in der Steinzeit: Süpplingen ist ein attraktiver Platz.
„Damals war noch alles bewaldet“, erklärte gestern Kreisarchäologin Monika Bematzky während eines Pressegesprächs an der neuesten Grabungsstelle. Die Siedlungen mit den 30 Meter langen Häusern aus Holz, Flechtwerk und Lehm waren „Inseln im Waldmeer“. Die Lage wurde nicht willkürlich gewählt. Gute Böden und Wasser musste es geben. Das ist und war in Süpplingen offensichtlich der Fall.
Steinzeit serviert auf einem Pappteller. Typisch für die so genannte Bandkeramik sind die Linienverzierungen.
Die Schunter fließt noch heute durch das Dorf. Die Lößböden ermöglichten schon den frühen Siedlern ertragreichen Ackerbau. Ihre Spuren sind nach dem Abtragen des Mutterbodens mit Beginn der Bauarbeiten für das Pflegeheim deutlich zu erkennen. Die Kreisarchäologin und Grabungsleiter Jörg Weber zeigen Grundrisse der Häuser, Stellen, an denen Pfosten standen, und Gräben, die es an den Außenseiten der Hauswände gab. Oft wurden die Löcher später mit Mutterboden aufgefüllt. Der ist deutlich dunkler als der tiefer liegende Lehmboden. Klare Anzeichen auf den Siedlungsplatz aus dem Jahr um 5200 vor Christus sind neben Werkzeugen aus Feuerstein, Mahlsteine und Resten eines Steinbeils besonders die Scherben der so genannten Bandkeramik. Die heißt so wegen der typischen, eingeritzten Verzierungen, die es auf den Gefäßen dieser Art gab. Die Bandkeramik ist geradezu ein Markenzeichen dieser Kultur, die sich entlang der fruchtbaren Lößböden in ganz Europa entwickelte. Der Charakter dieser Siedlungen wurde bei Neugründungen an anderen Orten beibehalten. Bisher war eine Fundstelle am Glockberg bei Helmstedt der nordwestlichste Punkt für eine bandkeramische Siedlung. Nun ist es Süpplingen. Es wurden aber auch mittelalterliche Spuren bei den Grabungen in Süpplingen entdeckt. Zu erkennen sind die Standorte von so genannten Grubenhäusem. Diese standen ebenfalls im „Dorf am Petersteich"
Kreisarchäologin Monika Bematzky (links) mit Zeichnerin Heidrun Schârfke in der Grabungsstelle. Die grauen Stellen wurden später mit Mutterboden aufgefüllt und unterscheiden sich von dem bräunlichen Lehmboden. Sie zeigen Grundrisse von Häusern und Gräben oder den Standort von Stützpfählen.
Fotos (2): Grohmann
bei Süpplingenburg, wo seit Jahren Grabungen stattfinden. Diese lassen Rückschlüsse, auf die Zeit von Kaiser Lothar III. von Süpplingenburg zu. Die Archäologen stehen unter Zeitdruck, ebenso wie die Erbauer des Seniorenheims. Das sollte schon längst fertig sein. Es gab aber immer wieder Verzögerungen. Für die Ausgrabungen werden die Bauarbeiten nur für drei Wochen unterbrochen. Danach rücken wieder die Bagger an und graben endgültig alles um. „Wir müssen wohl manches mit Tränen in den Augen liegen lassen", sagt Monika Bematzky über die einmalige Entdeckung in Süpplingen. Es sei selten, dass es noch in so großer Tiefe bandkeramische Funde gebe. Meistens habe die Erosion schon viel zerstört. Was gefunden wird, soll später ausgestellt werden. Gemeindedirektor Matthias Lorenz und Christian Schmidt vom Heim-Träger DRK boten sich gestem an, Räume zur Verfügung zu stellen - damit alle sehen können, dass Süpplingen schon immer ein attraktiver Platz war.
Veröffentlicht in: Braunschweiger Zeitung vom 30. Juni 2010 Königslutter und Umgebung Seite H3
Einfügung: Ansicht vom Ort der Grabungsstelle aus dem Jahr 2012:
Archäologische Grabungen auf dem Außengelände der Hünenburg bei Watenstedt

Seit mehreren Jahren finden archäologische Grabungen auf dem Außengelände der Hünenburg bei Watenstedt statt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert seit 2006 ein Forschungsprojekt. Ans Tageslicht kamen unzählige wertvolle Funde aus der jüngeren Bronzezeit (1200 bis 750 v. Chr.). Für die Hünenburg, die nach Dr. Immo Heskes Worten „wie ein Eisberg aus der Forschungslandschaft" herausragt, wurde Anfang 2012 ein umfassendes Forschungsprojekt beantragt: „Landschafts- und Ressourcennutzung in der jüngeren Bronzezeit am Heeseberg (Nordharzvorland) im Spannungsfeld zwischen Herrschaft, Handwerk und Kult". Der Archäologe Heske freut sich sehr: „ln den Gutachten ist die wissenschaftliche Bedeutung des Vorhabens sehr positiv gewürdigt worden. Der Antrag mit einer ersten Phase von drei Jahren wurde bewilligt." Für das Projekt wurden neue Flächen ausgewählt. lm Sommer wird zwischen Beierstedt, Watenstedt und dem Großen Bruch wieder gegraben und geforscht.
Veröffentlicht in:
Stadtspiegel für die Landkreise Helmstedt, Wolfenbüttel und Umgebung
21. Jg. 12.01.2013 S. 11
Th. Voges: Beiträge zur Vorgeschichte des Landes Braunschweig
Braunschweigisches Magazin.
Verantwortlicher Redacteur: Dr. Paul Zimmermann in Wolfenbüttel.
Verlag der Braunschweigischen Anzeigen: W. Laßmann. Druck der Waisenhaus - Buchdruckerei (A. Buck) in Braunschweig.
Nro. 6. 10. November. 1895.
[Nachdruck verboten.]
Beiträge zur Vorgeschichte des Landes Braunschweig. Von Th. Voges.
1. Zur Geschichte der Prähistorie im Lande Braunschweig.
Die erste Kunde von der Betrachtung eines vorgeschichtlichen Denkmales vernehmen wir aus der Stadt, bei der sich eins der ältesten Klöster unseres Landes erhob, in der einst auch die Julius-Universität blühte. Aber nicht die zahlreichen Grabhügel, die sich damals auf dem Elme und in seiner Umgebung noch so zahlreich vorfanden, waren es, die die Aufmerksamkeit der Gelehrten jener Hochschule erregten, sondern jene beiden Steingräber, die auf dem St. Annenberge vor Helmstedt liegen. Die Sage erzählt, Riesen hätten vor Zeiten die Blöcke dahingeworfen, und Hermann Conring, Professor an der dortigen Universität, einer der gelehrtesten Männer seiner Zeit, weiß nichts anderes, als dieser Sage beizustimmen. In einer 1665 erschienenen Schrift sagt er, daß die Lübbensteine ein Zeugniß seien von den Giganten, die vor der Sündfluth in dieser Gegend gewohnt hätten. Unmöglich sind diese Blöcke, so meint Conring, durch die Hände gewöhnlicher Menschen an ihren Ort geschafft, dazu in die Höhe gebracht und aufeinander gelegt worden, da man ja damals noch keine mechanische Hebzeuge hatte.
Ein halbes Jahrhundert später hat dann Caspar Calvör, Generalsuperintendent und Consistorialrath in Clausthal, die Lübbensteine richtig als Gräber erkannt 1).
Nach einigen fünfzig Jahren ist es abermals die Gegend am Elme, wo von vorgeschichtlichen Fundstätten die Rede ist. Arnold Ballenstedt, Rector am fürstlichen Gymasium zu Schöningen, weist in einer kleinen Schrift auf die Alterthümer jener Gegend hin 2). Er kennt die „sogenannten Donnerkeile, auch die mit durchbohrtem Loche“, wovon er selbst ein paar besitzt. Dann erzählt er von den Begräbnißhügeln, die noch zu seiner Zeit dort in Menge zu sehen waren. In einem Umkreis von wenig Meilen, sagt er, ist fast kein Ort, wo nicht dergleichen vorhanden sind, und, so fügt er hinzu, wer weiß, was noch entdeckt werden wird! Besonders erwähnt er die Grabhügel von Harpke und Marienborn, dann die Todtentöpfe von Schöningen, die der Pflug aufwühlte, die von Söllingen, die nahe an der Kirche stehen, die von Evessen, Schlanstedt u. s. w. Nach der Meinung des würdigen Rectors stimmen die Hügel im Bau, in der Lage und Gestalt mit denen auf der jütischen Halbinsel vollkommen überein, und so kommt er zu dem Schluß, daß auch hier am Elme Cimbern gewohnt und die Stadt Schöningen gegründet hätten.
Zu derselben Zeit, da Ballenstedt seine Untersuchungen über die ältesten Bewohner des Elmes anstellte, lebte in einem stillen Dorfe, wenige Stunden von Schöningen, der Mann, der als der erste Prähistoriker unseres Landes angesehen werden muß. Es ist das der Pastor Johann Christian Dünnhaupt zu Lelm. Denn während andere Gelehrte an die Steingräber und Grabhügel nur ihre Betrachtungen über die Erbauer anknüpften, auch gelegentlich einen Todtentopf oder ein Steinbeil mitnahmen, hat Dünnhaupt zuerst Spaten und Hacke in die Hand genommen, um zu graben, und dann seine Erfahrungen und Forschungen auch veröffentlicht.
Johann Christian Dünnhaupt wurde 1715 wahrscheinlich in einem Orte des Weserlandes geboren und bezog in seiner Jugend die Klosterschule zu Amelungsborn. Er studirte Theologie und wurde 1751 Prediger zu Berel im Amte Salder; 1763 verlieh ihm sein Landesherr das Pfarramt zu Lelm und Langeleben.
Hier im friedlichen Pfarrhause zu Lelm widmete er sich in seinen Nebenstunden der Erziehung und dem Unterrichte seiner Kinder. Nachdem er aber seine drei ältesten Söhne auf Schulen und Akademien geschickt hatte, griff er wieder zu seinem Lieblingsstudium, nämlich zur Alterthumskunde der Heimath. Der Verlust eines mit Recht erwarteten Erbes traf ihn empfindlich und kränkte sein Gemüth. Um sich zu beruhigen, befolgte er die Regel des weisen Sirach: Nimm dir etwas vor zu arbeiten, so widerfährt dir sobald keine Krankheit. Darum las er Werke der Geschichtsschreiber und fing an, die Grabhügel im nahen Elmwalde zu eröffnen und Urnen auszugraben. Hierdurch erheiterte sein Gemüth sich immer mehr auf, und er überzeugte sich von der Wahrheit dessen, was Cicero sagt: Studien bieten uns
____
1) C. Calvör, Das alte heidnische und christliche Niedersachsen. Goslar, König. 1714. S. 61.
2) M. Jo. Arnold Ballenstedt, Der erste Versuch über einige Merkwürdigkeiten der braunschweigischen Länder. Helmstedt, Drimborn, 1771.
____
42
im Unglück Hülfe und Trost und erfreuen uns zu Haufe 3).
Jene Grabhügel, die Dünnhaupt ausgrub, lagen nahe bei Lelm in dem Theile des Elmwaldes, welcher der alte Hain heißt. Professoren der nahen Universität Helmstedt ermunterten ihn, in seiner Arbeit fortzufahren und Studenten kamen auch wohl hinzu, dem Urnengraben beizuwohnen. Daneben forschte er fleißig weiter in den Geschichtswerken der Alten und trug aus ihnen zusammen, was sich auf die Bewohner unserer Heimath, auf ihre Religion, ihre Wohnungen bezog. Wie manchmal mag der Pastor den Weg von Lelm nach Helmstedt gegangen sein, um sich immer wieder neue Werke, immer wieder andere Bücher zu holen, die er in seiner Bibliothek nicht hatte! Aus diesen Studien und Nachforschungen entstand dann zuletzt seine Schrift: Beiträge zur Deutschen Niedersächsischen Geschichte und deren Alterthümern. Helmstedt, 1778. Wie denn das so manchmal geschieht, daß Freunde des Alterthums auch ihrem Wohnorte gern eine besondere Bedeutung zutheilen möchten, so ist auch Dünnhaupt in seinem Eifer manchmal zu weit gegangen, und wir können nicht allen seinen Behauptungen zustimmen, so, wenn er von einem auf dem Stöh erfochtenen Siege der Cherusker über die Katten spricht, wenn er von einem Kampfe der Sachsen unter Wittekind und Hesio gegen Karl den Großen erzählt, der gleichfalls an dieser Stätte ausgefochten sein soll, oder wenn er drei Steine auf dem Stöh als Fundament eines dreiseitigen Altars ansieht, auf dem die Cherusker ihren Göttern Dankopfer darbrachten, wobei die Druiden, ihre Priester, die Gefangenen schlachteten. Dagegen gebührt ihm das Verdienst, daß er der Erste war, der in den zahlreichen auf dem Elme befindlichen Erdgruben jene Höhlenwohnungen erkannte, von denen Tacitus im 16. Kapitel seiner Germania spricht. Der bedeutendste und wichtigste Abschnitt des Buches ist jedoch der, wo er einen Bericht über seine Ausgrabungen liefert. So sorgfältig, wie er jene ausgeführt, so gewissenhaft ist auch die Beschreibung der Grabhügel und der Urnen, und es stände ein gut Stück mit der Vorgeschichte unsres Landes besser, wenn die Urnengräber der Gegenwart nur erst solche Fundberichte niedergeschrieben hätten, wie der Lelmer Pastor vor 120 Jahren. Es ist auch sehr anzuerkennen, daß er seinem Werke eine Kupfertafel anhängte, auf der elf Urnen nebst einigen Beigaben dargestellt sind.
Gelegentlich erzählt uns der fleißige Ausgräber auch, daß zu seiner Zeit auch noch ein anderer Mann vorgeschichtliche Funde aufbewahrte. Der Abt von der Hardt, Professor zu Helmstedt, besaß einige kostbare Urnen nebst den dabei gefundenen Seltenheiten, als goldene Ringe und Haarnadeln 4).
Seine Entdedungen der Urnen wurden bald in der Umgegend, ja sogar in andern Ländern bekannt, und das erweckte denn bei habgierigen Leuten den Wunsch, auch zu graben, freilich nicht nach Heidentöpfen, sondern nach Schätzen. Er bekam Briefe von solchen Männern unter versteckten Namen, auch ohne Unterschrift, mit der freundlichen Bitte, ihnen bei ihrer Schatzgräberei behülflich zu sein. Sogar hochgestellte Persönlichkeiten trugen ihm die Leitung über solcherlei Unternehmungen an mit der Versicherung bester Verpflegung und Belohnung seiner Mühe mit viel Tausenden. Der eine wußte hier, der andere dort in der Erde, auf Höfen und in Gebäuden, wo ehemals Tempelherren gewohnt haben sollten, unsägliche Schätze liegen. Dünnhaupt forderte in seiner Antwort auf dergleichen Anträge nicht nur die obrigkeitliche Genehmigung, sondern verlangte auch, daß öffentlich gegraben werden solle. Doch dazu wollte und konnte sich Niemand verstehen, und weil der Pastor viel abergläubisches Wesen dabei merkte, so fertigte er jene Leute gehörig ab und warnte die Goldgierigen vor den Schatzgräbern als Erzbetrüger. Er gab sich der Hoffnung hin, verschiedene Schatzgräber, deren sich, wie er sagt, mehr finden, als man denken sollte, auf bessere Gedanken gebracht zu haben.
Der alte Pastor starb am 2. Mai 1786 im Alter von 71 Jahren. Das Kirchenbuch fügt noch hinzu: Er wurde in seinem Leben wegen seiner Ehrlichkeit und Rechtschaffenheit von Jedermann geliebt und bei seinem Tode allgemein betrauert 5).
Nun folgt eine lange, stille Zeit, in der von Urnengraben keine Rede ist. Einmal im Frühling des Jahres 1801 wurden am Sandberge vor Braunschweig zwei Aschentöpfe gefunden und von dem Unterofficier C. F. Vonderfour in Kupfer gestochen. Erst 38 Jahre nach Dünnhaupt’s Tode lebte wieder ein Mann, der, wie Jener, zu Hacke und Spaten griff, um die Gräber der Alten zu öffnen. Es war dies der Kreisamtmann Wilhelm Bode, aus Königslutter gebürtig und später lange Zeit Stadtdirector zu Braunschweig, ein Freund der vaterländischen Alterthümer, der auch den vorgeschichtlichen Gegenständen seine Aufmerksamkeit widmete. In den Jahren 1824 und 25 veranstaltete er Ausgrabungen am schwarzen Berge und im Hainholze bei Helmstedt und veröffentlichte darüber einen kurzen Bericht mit Zeichnungen im 3. Bande von Kruse's Deutschen Alterthümern, Halle 1828. Er gab dabei die Absicht kund, sich später ausführlicher über seine Funde zu äußern. Einige der von ihm ausgegrabenen Sachen, besonders der merkwürdige Eisenring, der in einer Bronzehülse steckt, und die wichtige „silberne“ Bügelspange kamen später aus seiner Sammlung ins Herzogliche Museum.
Mit dem Ende des 3. Jahrzehnts brach eine Zeit an, wo den Sammlern die schönste Gelegenheit geboten wurde, Funde zu machen und Alterthümer zu erwerben. Im Jahre 1828 begann nämlich an Stelle der alter Heerstraßen der Bau der Staatsstraßen, denen sich dann von 1841 an die Gemeindewege anschlossen. Von 1835 an wurden die Vorarbeiten zu der Eisenbahn Braunschweig - Harzburg betrieben. Um dieselbe Zeit wurde die Zusammenlegung der Grundstücke in Angriff genommen, und diese für die Landwirthschaft so bedeutende Arbeit ist dann in den folgenden Jahrzehnten fortgesetzt worden.
____
3) Cicero pro Archia 16.
4) Dünnhaupt, a. a. O. S. 237.
5) Nach gütiger Mittheilung des Herrn Pastor Försterling zu Lelm.
____
43
Nun wurde Unland unter den Pflug gelegt, es wurden Entwässerungsgräben gezogen, Wege gebaut, so daß die Ackerflur ein ganz anderes Ansehen erhielt. Dann erfolgte seit 1849 der Anbau der Zuckerrübe, die einen tiefgepflügten Boden verlangt. Bei all diesen Arbeiten sind viele Gräber aufgedeckt, viele Alterthümer gefunden worden, doch hat man nicht gehört, daß sich Jemand sonderlich darum bekümmert hätte. Nur einmal wurde auf diese Schätze hingewiesen. Bei Watenstedt im Amte Schöningen kamen beim Wegebau eine Menge Urnen zu Tage. Hilmar von Strombeck, zu der Zeit Aktuar in Schöningen, nahm sich der Funde mit Eifer an, machte im Jahre 1850 dem Staatsministerium in Braunschweig Anzeige davon und bat um einen Zuschuß von 25 Thalern, um dies Urnenfeld für das Herzogliche Museum ausbeuten zu können 6). Aber der Geheimrath Langerfeldt hielt, nachdem er über diesen Gegenstand die gutachtliche Aeußerung des Hofrathes Eigner eingezogen hatte, es nicht für angemessen, auf den Vorschlag einzugehen. Das Herzogl. Museum — so lautete der Bescheid aus dem Ministerium — besitzt bereits eine genügende Zahl solcher Aschenkrüge, und eine Ausbeute an alterthümlichem Geräth oder Schmuck steht hier, wo nur Knochen und Asche als Inhalt der Krüge sich gefunden haben, nicht zu erwarten. H. von Strombeck bemerkt hierzu mit Recht, daß das Museum nur eine unbedeutende Zahl von Urnen habe, von denen viele um so werthloser seien, da ihr Fundort unbekannt sei 7).
Bald nach dieser Zeit begannen zwei Männer vorgeschichtliche Gegenstände zu sammeln. Der eine war der für unsere Landeskirche bedeutsame Dr. Heinrich Thiele, Abt zu Riddagshausen, der wiederum ein Sohn des Elmes war, da seine Wiege ebenfalls in Königslutter gestanden hatte. Derselbe trieb in seinen Mußestunden eifrig Geschichte, besonders Alterthumskunde. Er kaufte nicht nur einzelne Fundstücke auf: Steingeräthe, Schmucksachen, Werkzeuge und Waffen aus Bronze und Eisen, sondern öffnete auch selbst Grabhügel und deckte Urnenfelder auf. Bei seinen Bestrebungen auf diesem Gebiete wurde er durch eine ausgebreitete Bekanntschaft in der Nähe und Ferne unterstützt, besonders auch durch Prediger unseres Landes gefördert. Ueber seine Erwerbungen legte er genaue Verzeichnisse an, so daß die Herkunft jedes Stückes bestimmt ist. Freilich vermissen wir jetzt eingehendere Fundberichte, wie auch eine besondere Charakteristik der einzelnen Urnenfriedhöfe. Im Jahre 1878 kaufte die Regierung unseres Landes 995 Nummern der Thiele'schen Sammlung für 5500 M an, und 1886 erwarb sie noch einen andern Theil seiner Schätze, den er inzwischen wieder gesammelt hatte. Alle Gegenstände wurden dann dem Herzogl. Museum überwiesen.
Da in dem letztgenannten Jahre auch die Sammlung des Conservators Moritz Schultz angekauft und dem Herzoglichen Museum übergeben wurde, so gelangte dasselbe durch diese Erwerbungen auch auf dem prähistorischen Gebiete zu einiger Bedeutung, die durch die etwa gleichzeitig erfolgten Schenkungen des Herrn Baumeisters Leidesdorf und des Herrn Mannsfeld-Bullner in Kopenhagen noch erhöht wurde.
In jener Zeit, da der Abt Thiele sammelte, schenkte auch der Dr. Karl Schiller den unscheinbaren Urnen und den übrigen kärglichen Resten der Vorzeit seine Aufmerksamleit. Als Vorsteher des städtischen Museums zu Braunschweig hat er in unermüdlicher Weise, wie für andere Theile seiner Anstalt, so auch für die vorgeschichtliche Abtheilung gesorgt, manches Stück erworben oder sich für seine Sammlung schenken lassen. Aber noch mehr! Alles was er an Nachrichten auf dem Gebiete der Vorgeschichte erlangen konnte, Berichte über Ausgrabungen, Veröffentlichungen von Funden u. a. trug er mit Bienenfleiß zusammen und vereinigte alle diese sorgfältig aufgeschriebenen Mittheilungen unter dem Namen: Fundstätten vorchristlicher Alterthümer im Herzogtum Braunschweig. Sie bilden eine wertvolle Fundgrube für die Vorgeschichte unseres Landes.
Diesen Männern von der Universität, dem Gymnasium und der Kirche, die durch Schriften sowohl wie auch durch Ausgrabungen und durch das Sammeln der alten Fundstücke der Vorgeschichte unseres Landes dienten, muß noch ein ungelehrter Mann angereiht werden, der von nicht minderem Eifer für das Erbe unserer heidnischen Vorfahren erfüllt war, als jene. Auch er war ein Sohn des Elmes, wie denn dieser waldige Höhenzug mit seinen zahlreichen Einzelfunden, seinen Grabhügeln und Mardellen, seiner Hochburg über dem Reitlingsthale für unser Land der Ausgangspunkt der vorhistorischen Arbeiten geworden ist. Am Ausgange jenes friedlichen Thales liegt das Dörfchen Erkerode. Dort wohnte bis in die siebenziger Jahre auf seinem Familienerbe der Mühlenbesitzer Hans Mülter, später Bohrunternehmer in Königslutter. Von Jugend auf hatte er dem, was der Schooß der Erde an Mineralien oder Menschenwerk birgt, nachgespürt, und der Abt Thiele verdankte ihm manchen Nachweis und manches Fundstück. Dann, als er bemerkte, es war 1868, wie in den Tuffsteinbrüchen des nahen Lucklum achtlos Aschenkrüge zerbrochen, Skelette und Waffen beiseite geworfen wurden, beschloß er, selbst zu sammeln und zu retten, was noch zu retten war. So erwarb auch er Steingeräthe, Bronzeschmuck und Waffen. Auf mancher Wanderung, auf mancher Fahrt spürte er auf, was die Leute beim Pflügen, Hacken oder Roden gefunden hatten, und erwarb es. Auf dem Elme und auf dessen benachbarten Fluren grub er auch Urnen aus, ja selbst in die Lüneburger Heide zog er, um Hügel zu öffnen. So brachte er denn eine ansehnliche Sammlung zu Stande, sein Freund, der Bildnißmaler Haacke, zeichnete die Erwerbungen in ein Skizzenbuch, und Mülter schrieb den Fundbericht dazu. Nach einigen Jahren verkaufte er seine Mühle und damals, 1877, erwarb das städtische Museum seine Sammlung. H. Mülter starb zu Anfang Februar 1894 in Königslutter.
Daß ein solcher Mann jener kleinen Zahl von Freunden und Förderern der Vorgeschichte angereiht werden kann, ist ein erfreuliches Zeichen. Es zeigt uns, daß die Theilnahme
____
6) C. Schiller, Fundstätten vorchristlicher Alterthümer im Herzogthume Braunschweig. Mnscpt. Watenstedt.
7) Zeitschrift des historischen Vereins für Niedersachsen, Jahrgang 1864, S. 358.
____
44
an jenen unscheinbaren Ueberbleibseln unserer Vorfahren in immer breitere Volkschichten eindringt. Und das ist gut. Denn keine Wissenschaft ist so auf die Mitwirkung weiterer Kreise angewiesen, wie die Vorgeschichte. Weg- und Waldarbeiter, Tagelöhner und Knechte sind es, die am ersten Urnen spüren und Steingeräthe oder Bronzen finden, und Hofbesitzer, Förster, Verwalter und Wegebauaufseher sind gewöhnlich die ersten Leute, denen das kund wird. Möchten sich doch auf dem Lande noch mehr solche Männer finden, die sich dieser Funde annehmen!
Fast hundert Jahre vergingen nach dem Erscheinen der Dünnhaupt’schen Beiträge, bis wieder ein Buch auf dem Gebiete der Vorgeschichte veröffentlicht wurde. Es war von Alfred Nehring geschrieben und behandelte die vorgeschichtlichen Steingeräthe Norddeutschlands 8). Der Verfasser, damals Oberlehrer am Herzogl. Gymnasium zu Wolfenbüttel, studirte schon in jener Zeit hauptsächlich die Knochenreste von Thieren in den diluvialen Bodenablagerungen, insbesondere in den Gipsbrüchen von Thiede unweit Wolfenbüttel und Westeregeln im Bodegebiet, und wies aus ihnen nach, daß nach dem Schwinden des gewaltigen Inlandeises, welches sich von Skandinavien aus über die norddeutsche Niederung breitete, zunächst eine Tundra entstand, der dann später die Steppe und darnach erst der Wald folgte. Neben diesen Forschungen sammelte Nehring auch Steingeräthe, und arbeitete einen Vortrag, den er im Wolfenbüttler Ortsverein für Geschichte und Alterthumskunde gehalten, zu jener Schrift aus, in welcher er Material und Hauptformen, Herstellungsweise und Zweck der Steingeräthe bespricht und dabei besonders auf braunschweigische Fundstücke Bezug nimmt 9). Seine Sammlung vorgeschichtlicher Werkzeuge wurde vom Ortsverein für Geschichte angekauft.
In Folge der Thätigkeit jener Sammler sind nun die Schränke unserer Museen mit Thongefäßen angefüllt, und in den Schaukästen liegen Bronze und Eisensachen, Perlen und Münzen 10) Sollen nun solche Alterthümer auch fernerhin in derselben Weise zusammengetragen werden, oder was muß geschehen, um der Vorgeschichte zu dienen? Mancherlei Aufgaben sind auf diesem Gebiete zu lösen. So ist es wünschenswerth, daß die wichtigeren der in den Museen und sonstigen Sammlungen aufbewahrten Fundstücke in Wort und Bild veröffentlicht werden und zwar unter Hinweis auf ähnliche Sachen in Deutschland und anderen Ländern.
Nöthig wäre es, die großen Denkmäler der Vorzeit, wie die Hünensteine bei Benzingerode, die Schanzen und Ringwälle vor weiteren Zerstörungen sicher zu stellen, sei es durch Ankauf seitens der Regierung oder sei es durch Erlaß eines Schutzgesetzes 11). Das unbefugte Graben nach Urnen und Bronzen müßte auf den Liegenschaften der städtischen und ländlichen Gemeinden möglichst verhindert, auf dem Grund und Boden der Domänen und Staatsforsten verboten werden.
Durch den auf so hoher Stufe der Entwicklung stehenden Ackerbau in unserm Lande sind die Felder bis zu einer gewissen Tiefe hin so umgewühlt, daß wohl bei der Bewirthschaftung immer noch Steingeräthe und Bronzen, sehr selten aber heile Urnen oder unberührte Gräber gefunden werden. Doch aber giebt es noch Stätten genug, wo eine von kundiger Hand unternommene Ausgrabung Aussicht auf Erfolg hätte. Dahin gehören die zahlreichen Urnenfelder im nördlichen Landestheile, z. B. die von Völkenrode, Warmenau, Helmstedt und so manche andere. Selbst Lauingen, wiewohl bereits vielfach durchsucht, würde nach den Erfahrungen, die Hostmann bei Darzau gemacht hat, doch gewiß bei regelrechter Durchforschung noch werthvolle Ausbeute liefern.
Bei diesen Ausgrabungen kommt es nicht darauf an, nur einzelne, werthvoll scheinende Sachen zu heben, es ist vielmehr die genaueste Beobachtung aller Fundverhältnisse, auch der geringfügigen Umstände, nothwendig. Wird z.B. ein Grab entdeckt, so genügt es nicht, etwa nur ein Bronzestück oder vielleicht ein Thongefäß mitzunehmen, es muß nach der Freilegung das Grab nebst dem gesammten Inhalte gezeichnet und vermessen werden, so daß später Alles im Museum so wieder aufgestellt werden kann, wie es die Erde bis dahin verwahrt hat. Nicht um ein paar alterthümliche Gegenstände zu erlangen, soll die Ruhe der Todten gestört werden, ein rechter Forscher bringt die Ueberreste der Bestatteten und die Gaben, die sonst das Grab birgt, darum ans Sonnenlicht, um durch sie einen Einblick zu gewinnen in die Zustände der Vorzeit. Vom Leben und Treiben der Vorfahren sollen uns diese Funde erzählen, von ihrer Thätigkeit und ihren Handelbeziehungen. Ebenso hat eine Todtenurne erst dann rechten Werth, wenn nicht nur ihr Inhalt an Knochenresten und Beigaben noch vorhanden ist, sondern wenn auch die Fragen nach Ort und Stellung der Grabgefäße, nach der Bedeckung und Sicherung derselben u. s. w. aufs Sorgfältigste berücksichtigt wurden 12). Bei der Aufstellung der Urnen in den Museen ist erforderlich, daß die Knochen im Gefäße bleiben und etwaige Bronze- oder Eisensachen aus demselben über oder neben der Urne zur Anschauung gebracht werden.
Und dann noch eins! Es ist dringend zu wünschen, daß die Kunde der Vorzeit in weitern Kreisen verbreitet werde. Nur wer die Fundstücke kennt, wird sie
____
8) Alfred Nehring, Vorgeschichtliche Steininstrumente Norddeutschlands. Mit 2 Tafeln. Herausgegeben von dem Wolfenbüttler Ortsverein für Geschichte und Alterthumskunde. 1874.
9) A. Nehring, jetzt Professor an der Iandwirthschaftlichen Hochschule in Berlin, faßte seine Forschungen über die diluviale Fauna zusammen in dem Werke: Ueber Tundren und Steppen der Jetzt- und Vorzeit. Berlin 1890.
10) Allen Denen, die auf dem Gebiete der Vorgeschichte unseres Lande thätig sind, würde ihre Arbeit wesentlich erleichtert werden, wenn die betreffenden Sammlungen in Braunschweig und Wolfenbüttel an einer Stelle vereinigt würden.
11) Wie ich höre sind die Lübbensteine bei Helmstedt, im Besitz der Herzogl. Kammer, jetzt sicher gestellt.
12) Alle Punkte, die bei solchen Ausgrabungen ins Auge gefaßt werden müssen, enthält die kleine Schrift von A. Voß, Merkbuch, Alterthümer auszugraben und aufzubewahren. Berlin. Mittler u. Sohn. zweite Auflage 1894.
____
45
schätzen und bewahren. Wohl hat der Ortsverein für Geschichte und Alterthumskunde zu Braunschweig und Wolfenbüttel im Februar 1879 einen Aufruf zur Sammlung der vaterländischen Alterthümer versandt, dann ist auf Veranlassung und mit Unterstützung des Herzogl. Staatsministeriums das unten angezeigte Merkbüchlein von Voß den Predigern, Lehrern, Forst-, Wegebaubeamten u. A. zur Durchsicht und Nachachtung zugegangen, aber diese Schriften sind nicht zu Denen gedrungen, die in den meisten Fällen die Funde machen, und daß sind Pflugleute, Knechte, Waldarbeiter. Um diesen zu zeigen, was der Prähistoriker sucht, müssen große Wandtafeln mit farbigen Abbildungen und kurzen, verständlichen Erklärungen in Rathhäusern und Wirthschaften, in den Wartesälen der kleineren Bahnstationen und in den Gesindestuben aufgehängt werden 13). Eine sehr empfehlenswerthe Einrichtung hat auch der Anthropologische Verein für Schleswig-Holstein getroffen. Zur Ueberwachung der Denkmäler und zur Bergung etwa auftretender Funde stellte der Verein an verschiedenen Orten der Provinz „Pfleger“ auf. Diese Herren erhielten Bestallungen, welche der Oberpräsident beglaubigte, so daß sie im Stande sind, erfolgreich ihres Amtes zu warten.
Durch solche Mittel — anderer nicht zu gedenken — wird es möglich sein, die Theilnahme der Bewohner für die Alterthümer zu wecken und die Kenntniß der Vorgeschichte zu fördern. Und das ist die Hauptsache! Wir sollen stolz sein auf die Werke der Väter, ihre Hinterlassenschaft zu ehren, soll unsere Ehre sein!
____
13) Für das Rhein- und Donaugebiet hat der württembergische Major v. Tröltsch eine solche Wandtafel gezeichnet, die in Süddeutschland große Verbreitung gefunden hat. Auch in Preußen sind für einige Provinzen ähnliche Wandtafeln angefertigt worden.
____
68
. . .
Beiträge zur Vorgeschichte des Landes Braunschweig.
Von Th. Voges.
2. Die ältere Steinzeit.
Es gab eine Zeit, und sie liegt weit vor aller Geschichte, da waren nicht nur die Becken der Nord- und Ostsee, sondern auch die weiten Gebiete Norddeutschlands vom Eise bedeckt. Von den Hochgebirgen Skandinaviens breiteten Riesengletscher ihre alles Leben vernichtende Decke weithin über die Niederungen aus. 1) Schwankungen im Klima veranlaßten dann den Rückzug der gewaltigen Eismassen, und auf dem frei gewordenen, noch vielfach vom Schmelzwasser durchtränkten Boden siedelten sich Moose und Flechten an, und bei dem kühlfeuchten Klima entstand die Tundra, wie sie uns noch heute an den Nordküsten Europas und Asiens entgegentritt. Alpenblumen wuchsen weit hinaus in die norddeutsche Niederung und bildeten mit der Zwergbirke und der niederen Polarweide die bescheidene Pflanzenwelt. In geschützten Thälern standen Kiefern, besonders aber Lärchen. In diesen Gebieten strich der Polarfuchs umher, Iebte der Schneehase und das Schneehuhn. Auch der Moschusochse umd das Rennthier fanden hier ihre Weide. Ja selbst den großen, längst ausgestorbenen Dickhäutern, dem Mammuth und dem wollharigen Nashorn, spendete die Tundra hinreichend Futter. Vor Allen jedoch war sie von Lemmingen in großer Zahl belebt.
Nach manchen Schwankungen während der gewiß nach Jahrtausenden zählenden Diluvialzeit wurde das Klima allmählich trockner. Damit zog die Steppe in Deutschland ein. An die Stelle der Moose und Flechten traten nun Gräser und Kräuter, namentlich auch Zwiebelgewächse. Längs der Flüsse zogen sich Uferstreifen geselligen Baumwuchses hin. Das Land war weit und breit ein Wohnraum von Steppenthieren geworden. Da durcheilte die Saiga-Antilope die Fluren, und Tausende von kleinen Nagern aus den Gattungen der Pfeifhasen, Zieselmäuse und Pferdespringer gruben sich ihre unterirdischen Wohnungen und belebten im Frühling und Sommer die blumendurchwirkten Grasfluren des deutschen Steppenlandes.
Wieder nach unmeßbaren Zeiträumen drang der Wald von den Bergabhängen in die Ebene weiter vor und mit ihm der Hirsch, das Reh und der Elch. Und Waldland blieb darnach die norddeutsche Ebene; als solches schildern uns auch die ältesten schriftlichen Ueberlieferungen das alte Germanien.
So weit aber jene Zeiten zurückliegen, so wohnte doch schon damals der Mensch hier. Als die Gletschermassen wichen, als die öden Flächen sich mit Pflanzen bedeckten und die Fluren sich mit Thieren belebten, drang auch er ein und ergriff Besitz von dem neuen Lande. Aber äußerst gering nur sind die Spuren, die uns von ihm erhalten blieben, und doch ist nicht daran zu zweifeln, daß er, als das Eis zurückging, hier umherstreifte. Neben den Knochen jener Thiere lagen nämlich hier und da unzweifelhafte Erzeugnisse von seiner Hand, z. B. Feuersteinmesser und Knochenpfriemen. So fand Nehring im Jahre 1876 im Diluviallehm, welcher zwischen und über den Gipsfelsen von Thiede abgelagert ist, etwa 8m unter der Oberfläche einen schön erhaltenen Feuerstein-Schaber. Er lag neben Resten vom Lemming, der sibirischen Zwiebelmaus, Pfeifhasen und Rennthier, also mitten zwischen Thieren der Eiszeit 2).
Im Frühjahr 1892 wurden von Herrn Museums-Assistent Grabowsky in der Hermannshöhle bei Rübeland Theile des sog. Bärenkirchhofes ausgegraben. In den Ablagerungen einer engen Spalte fand er neben den Resten des Höhlenbären auch Knochen von Schneehasen und Schneehuhn. Dazwischen aber lag fest in Höhlenlehm eingebettet ein Messer aus Feuerstein. Im folgenden Jahre wurden von Herrn Prof. W. Blasius auch in dem neuen Theil der alten Baumannshöhle, am sogen. Knochenfelde, Schaber und Speerspitzen aus Feuerstein gefunden. Auffallend ist, daß im weiten Umkreise um
____
1) Nach A. Kirchhoff, Tundren und Steppen im diluvialen Deutschland. Globus, Bd. 59, Nr. 5
2) Ausland 1876. S. 798. Katalog der prähistorischen Ausstellung zu Berlin 1880. S. 188
____
68
Rübeland herum Feuerstein nicht zu finden ist. Auch aus diesem Funde dürfte sich ergeben, daß gleichzeitig mit dem Rennthier, Schneehuhn und Schneehasen Menschen am Harze gelebt haben 3).
Jene Menschen, von deren Dasein bis jetzt so geringe Spuren vorliegen, waren umherstreifende Jäger. Die Gewässer wimmelten von Fischen, die Fluren waren belebt von mancherlei Jagdthieren, unter denen das Rennthier als das begehrteste weit voran stand. Geräthe und Werkzeuge verfertigten sich die Leute aus Feuerstein, den sie roh zurechtschlugen, oder aus Knochen und Hirschhorn. Muscheln oder Gehänge von Raubthierzähnen dienten als Schmuck. Thierhäute wurden mit dem Feuersteinschaber enthaart und mit Sehnen genäht. Speer, Bogen und Pfeil waren die Waffen. Den Acker zu bebauen verstanden sie noch nicht, auch hatten sie noch keine Hausthiere. Selbst die Kunst, Thongefäße zu formen und zu brennen, war den Diluvialmenschen fremd 4).
3. Steingeräthe.
Der Pflug des Ackerknechtes, die Hacke des Waldarbeiter bringt dann und wann aus dem Schooß der Erde merkwürdige Geräthe ans Licht des Tages. Es sind Meißel, Aexte und Beile, auch wohl Pfeilspitzen, Messer und Dolche. Aber nicht aus Eisen oder Stahl sind diese Dinge gemacht, sondern aus hartem Gestein. Auch rundliche Steine, die, wie der Augenschein lehrt, zum Klopfen, Quetschen und Mahlen dienten, werden gefunden. Uralt sind solche Werkzeuge. Sie stammen aus einer fernab liegenden Zeit, da der Mensch noch kein Metall kannte, da er alle seine Geräthe aus Holz, Knochen, Hirschhorn oder Stein anfertigen mußte. Man nennt diese Zeit die Steinzeit.
Die Form aller dieser Fundstücke ist sehr verschieden und zeigt an, wie mancherlei Bedürfnisse der Mensch hatte und wie er es verstand, die passenden Werkzeuge zu seinen Arbeiten anzufertigen. Mit den Pfeilspitzen, die mittels Schnüre an Stäbchen befestigt waren, erlegte er den Vogel in der Luft, das flüchtige Wild des Feldes. Die Lanzenspitze, am Schaft mit Bast oder Sehnen festgebunden, diente zur Jagd auf größere Thiere oder, gleich den Dolchen, im Kampf gegen Feinde. Mit den mancherlei Aexten und Beilen fällte er Baumstämme zur Errichtung des Hauses, mit den Meißeln verarbeitete er das Holz, verfertigte allerlei Geräth, vollendete den Kahn oder zerspaltete damit die Knochen der Thiere, um das Mark zu gewinnen. Messer dienten zum Schaben und Schneiden, durchbohrte Kiesel zogen das Netz des Fischers in die Tiefe der Fluth, und mit handlich großen Steinen zerquetschte man Körner oder mahlte damit auf einer Bodenplatte das Getreide zu Mehl.
Die rohen Steine, aus denen die Menschen von damals ihre Geräthe verfertigten, lagen überall auf dem Lande zerstreut. Gletscher, die einst den Boden der norddeutschen Tiefebene bedeckt, hatten von den Gebirgen Finnlands umd Skandinaviens Felstrümmer in großer Zahl herbeigetragen und hier zurückgelassen, und die rauschenden Bergwasser des Harzes hatten zerbröckelndes Gestein mitgeführt und als Geröll und Geschiebe dahin und dorthin getragen. Noch jetzt liegen solche Massen umher. Wenn der Dampfpflug seine blanken Scharen durch den Acker gezogen hat und die Steine hernach nun abgelesen werden, die in die Höhe gebracht sind, dann erblickt man darunter Felstrümmer von mancherlei Größe und von verschiedener Farbe und Zusammensetzung.
Mit Sorgfalt und kluger Berechnung erwählten die alten Bewohner unsres Landes aus den Steinarten diejenigen aus, die für ihre Zwecke die passendsten waren. Zu spitzen und schneidenden Werkzeugen, wie Pfeilspitzen, Dolchen, Messern, Meißeln und Aexten nahmen sie den harten, spröden Feuerstein. Derselbe ist meist weißlich, hellgrau und schwärzlich, doch kommen auch gelbliche, bräunliche und gestreifte Stücke vor. Wieder andre Geräthe, die mehr zum Schlagen, Klopfen dienten, wie Keile, Aexte und Hämmer, wurden aus harten aber auch zähen Gesteinen hergestellt. Bevorzugt wurde der Grünstein oder Diorit. Es ist das eine Felsart, die aus dunkelgrüner Hornblende und weißlichem Feldspat gemengt ist. Ihm nahe verwandt ist der Dioritschiefer, der Grünsteinporphyr und der Diabas. Auch Gabbro, Hornblendeschiefer, Grauwacke u. a. wurden benutzt.
Alle diese Stücke wurden zuerst behauen. Manche hatten schon auf ihrer Wanderung vom Gebirge zur Tiefebene durch das Wälzen im Wasser eine Form erhalten, die dem Menjchen sehr zu statten kam, so daß er durch geringe Nachhülfe schon ein brauchbares Geräthe gewann. Mit Ausnahme der Pfeilspitzen, Lanzen und Dolche, wurden die meisten Werkzeuge auf harten Sandsteinplatten mit Hülfe von Wasser und Sand geschliffen. Soweit bekannt, sind solche Schleifsteine in unserem Lande noch nicht gefunden.
War nun ein Beilchen oder sonst ein Werkzeug fertiggestellt, so bekam es zum bequemern Gebrauche eine Fassung aus Holz, Horn oder Knochen, wobei wohl zur Befestigung Harz verwendet wurde. Größere Aexte und Beile steckte man in einen Stiel, der zu dem Zwecke durchbohrt war, oder man spaltete den Stiel und befestigte die hineingesteckte Axt durch Thiersehnen.
Im weitern Verlaufe der Steinzeit wurden die Hämmer und Aexte auch durchbohrt. Wie aus den noch unfertigen Stücken hervorgeht, geschah diese Arbeit auf zweifache Weise. Man nahm hierzu entweder einen festen Stab aus Holz, auch wohl das Ende eines Geweihes, oder man benutzte eine Röhre aus Holz, Horn oder Knochen. Diesen in wechselnder Umdrehung befindlichen Bohrern wurde ohne Unterlaß angefeuchteter Sand zugeführt. Natürlich konnte dies nicht so ohne weitere Vorrichtung geschehen, und da hat nun F. Keller in Zürich, der Erforscher der Pfahlbauten, und nach ihm Graf Gundaker Wurmbrand in Wien ein einfaches Gestell hergerichtet, mit dem die Durchbohrung der Steine, selbst sehr harter, ohne Anwendung von Metall
____
3) Globus Band 61. 1892, Nr. 19. Siehe den von Prof. Blasius verfaßten Bericht über diese Ausgrabungen in den Braunschw. Anzeigen 1892, Nr. 71 u. 72, der auch als Sonderabdruck erschienen ist.
4) Hoernes, Urgeschichte des Menschen. S. 191-203.
____
70
vollführt wurde. Ein runder Stab war in senkrechter Haltung so angebracht, daß er mittels eines Bogens umd einer Sehne leicht gedreht werden konnte. Unten war in den Stab das Ende eines Geweihes eingelassen. Gerade unter demselben wurde der zu durchbohrende Stein befestigt und nun der Stab durch den Bogen abwechselnd hin und her gedreht. Mit Hilfe dieser einfachen Vorrichtung haben jene Forscher durchbohrte Steinäxte geliefert, die den alten Werkzeugen ganz ähnlich sind.
Alle diese Geräthe sind nicht als fertige Handelswaare ins Land gebracht worden, sondern Erzeugnisse heimischer Werkstätten. In jeder größern vorgeschichtlichen Sammlung finden sich Stücke, die noch nicht ganz vollendet sind. Einige sind wohl behauen, aber noch nicht geschliffen. Bei andern ist die Bohrung von einer oder von beiden Seiten begonnen, und dann ist das Beil aus irgend einem Grunde unfertig liegen geblieben. Es giebt auch Aexte und Hämmer, die schon damals am Bohrloch zersprungen sind, und dann haben die Alten das noch brauchbare Ende nochmals durchbohrt.
Im unsern Museen sind bereits viele uralte Steingeräthe zusammengetragen. Da liegen Dolche und Schaber, Meißel und Aexte, und in diesen langen Reihen fesselt manch besonderes Stück den Beschauer. So liegt z. B. in der Sammlung des Ortsvereins für Geschichte amd Alterthumskunde eine ausgezeichnete Hammerart aus schwarzem Kieselschiefer, die in einem Hünengrabe bei Watzum gefunden wurde. Das schlanke Geräth ist um das Bohrloch herum verdickt, und die Schneide verbreitert sich nach unten zu mit fein geschlungener Linie. Oben läuft vom Bahnende bis zur Schneide hin eine vortretende Nath. 1)
Auf dem Eichberge bei Destedt wurde eine jener seltenen doppelschneidigen Stücke ausgepflügt, die man Amazonenäxte nennt. Vom Bohrloche an steigen die Schmalseiten mit schöngeschwungener Linie zu den breiten, gebogenen Schneiden hin. (Sammlung des Herzogl. Museums.)
Im Lande sind auch einige Geräthe aus dem sehr seltenen Jadeit gefunden worden. Da ist zunächst ein Beilchen, das aus dem Hagenbruche von Braunschweig stammt. Es ist 10 cm lang und etwas über 5 cm breit. Das Gestein ist hellgrün mit röthlichen Flecken. (Städt. Museum Nr. 277.) Eine zweite Axt, leider nur die eine Hälfte, das Schneidenende, fand ein Waldarbeiter auf dem Ebersberge im Wittmarschen Holze, in der Nähe des Fußweges, der aus dem Innern der Asse über die Höhe nach Mönche-Vahlberg führt. Länge und Breite des Bruchstückes betragen 5 cm. Die Farbe ist schmutziggrün, aber weißlich geadert und gefleckt, die Schneide hellgrün durchscheinend 2).
Ein drittes Beil von 23 cm Länge wurde bei Börßum gefunden. Seine Farbe ist ähnlich der des Assebeilchens. Es kam in die Sammlung des Herrn Saul, Rittergutspächters zu Glentorf. Beim Bau der Landeseisenbahn wurde im Geitelder Holze ein Jadeitwerkzeug gefunden, das eine Länge von 45 cm, eine Breite von 11,3 cm und eine Dicke von 3 cm hat, mithin das bis jetzt bekannte größte Stück dieser Art aus Jadeit ist. Seine Farbe ist blaßgrün, beinahe graugrün 3). Es befindet sich jetzt in der Sammlung des Ortsvereines zu Wolfenbüttel.
Von all den Geräthen aus Stein oder Knochen, von allen Schmucksachen aus Bronze oder Glas haben von jeher gerade die steinernen Axte und Hämmer die meiste Aufmerksamkeit der Menschen erregt. Zwar giebt es ja jetzt auch noch Erd- und Waldarbeiter, die gleichgültig diese durch ihre Form schon so auffallenden Fundstücke wieder beiroden, es giebt Leute, die sagen, dass sie es nie der Mühe werth hielten, je solch’ einen Stein aufzuheben, aber meistens werden diese Dinge doch aufgegriffen und mitgenommen, und wenn sie auch nur den Kindern zum Spielen gegeben werden. Die Alten auf dem Lande aber, die kleinen Bauern, die Hirten, die Arbeiterfrauen wissen die Steine wohl zu schätzen. Es sind „Donnerkeile“. Wo der Blitz zur Erde niederfuhr, da steckt im Boden solch ein Stein. Zu Großvaters Zeiten hütete einmal ein Schäfer die Herde, es war bei einem Dorfe unfern Seesen. Da zog ein schweres Gewitter herauf, und bald schlug der Blitz in eine alte Eiche, die auf dem eignen Plane des Schäfers stand. Dieser hatte das von ferne bemerkt und sagte nun, im Wurzelwerk der Eiche müsse jetzt ein Donnerkeil stecken. Er grub nach und fand einen Meißel aus Diabas, den Iegte er, um seine Natur zu untersuchen, auf einen Amboß und schlug ein Stückchen davon ab. „Da roch der Donnerkeil ganz nach Schwefel!“
Bei Thiede schlug mal der Blitz in einen alten Weidenbaum, und als der Bauer, der das gesehen, nachher ihn umschlug, steckte der Keil sogar im Stamme selbst.
Wie aber diese Steine nach der Meinung der Alten mit dem Blitze herniedergefahren sind, so schützen sie auch hernach das Haus vor dem zündenden Strahle. Darum werden sie an vielen Orten als ein großer Schatz aufbewahrt, und es giebt Leute, die sich unter keinen Umständen davon trennen wollen. Man legt sie in die Fensterbank oder steckt sie unter die Dachsparren. In einem Dorfe am Elme hing ein Mann seinen Donnerkeil an einen Faden am Balken in der Stube auf, und wenn es donnerte „dann röge hei sick“ und bewies damit seine Zugehörigkeit zu den himmlischen Gewalten. Als in einem andern Dorfe ein Sammler nach Donnerkeilen fragte, erhielt er von einer alten Frau zur Antwort, sie habe einen in den Kirchbaum gelegt, damit den der Blitz verschone, und da solle der Stein auch bleiben.
Aber auch sonst vermag solch ein Donnerkeil Heil zu geben. Ein Sammler wurde in einem Dorfe am Hils zu einer Frau gewiesen, die auch solch einen Stein haben sollte. Ja, den Stein hatte sie, wollte ihm aber nicht hergeben, weder für Geld noch für gute Worte. Denn ihre Ziege war krank, und da mußte sie von ihm etwas
____
1) Nehring, Vorgeschichtl. Steininstrumente Norddeutschlands S. 30. Tafel II Nr. 7.
2) Kloos, Jadeitbeilchen aus dem Braunschweigischen. Globus, Band 559, S. 374.
3) Kloos, zwei Jadeit-Flachbeile aus dem Braunschweigischen. Globus, Band 63 No. 5.
____
71
abschaben und den Staub dem Thiere in das Wasser zum Saufen thun, damit es wieder gesund würde.
Wieder in einem Dorfe nördlich vom Elm galt ein Donnerkeil seit alter Zeit als Familienerbstück. Er wurde den Frauen in der schweren Stunde in die Hand gegeben, um die Schmerzen zu lindern und um die Geburt zu beschleunigen.
Aber auch sonst findet man diese Steine zu nützlichen Dingen verwendet. Hier und da haben Sammler sie wohl als Gewichtstücke an der Uhr oder am Webstuhl hängend gefunden. Jene Frau, die einen Donnerkeil in den Kirschbaum gesteckt hatte, besaß noch einen andern, den band sie an ein Bündel Wäsche und legte die dann im Teiche daran vor Anker. Ein Arbeiter am Elme benutzte einen Feuersteinkeil jahrelang zum Holzspalten.
Wenn ein Sammler den Leuten von der eigentlichen Bedeutung dieser Steingeräthe erzählt, hören sie wohl ungläubig zu und meinen, damit ließe sich nicht viel ausrichten. Aber ein dänischer Forscher, der Cammerherr Sehested, hat auf seinem Stammgute Broholm im südlichen Fünen den Versuch gemacht, ein hölzernes Haus nur mit den Werkzeugen und Hülfsmitteln zu errichten, welche dem Menschen damals zu Gebote standen. Der Erfolg war ein überaus günstiger. Mit einer Feuersteinaxt fällte ein Arbeiter in dreißig Arbeitsstunden 63 Bäume von 20 cm Durchmesser und 60 von 9 cm Durchmesser, und die Axt war nach Beendigung der Arbeit ganz unbeschädigt. Nur mit aufgefundenen Feuersteinwerkzeugen wurden die Stämme behauen, zerschnitten, gebohrt und mit Holznägeln zusammengefügt. So wurde denn ein Häuschen zu stande gebracht ohne Verwendung von Metall.
____
6
. . .
Beiträge zur Vorgeschichte des Landes Braunschweig.
Von Th. Voges.
4. Die Lübbensteine 1).
Helmstedt ist ein anziehendes, malerisches Städtlein. Erst erwuchs es unter dem Krummstabe der Aebte von Werden, dann wurde es ein Glied des sächsischen Städtebundes und der Hansa und später Universitätsstadt. Von der uralten Peterscapelle und der Krypta im Ludgerikloster bis hin zum reichgeschmückten Juleum mit seinem schlanken Thurme bewahrt es Bauwerke jeder Art, und in seinen engen Straßen finden sich prächtig geschnitzte Häuser mit weisen Sprüchen. Das älteste Denkmal aber liegt draußen an der Braunschweiger Straße. Durch den hochragenden Thorthurm führt der Weg in die lebhafte Vorstadt Neumark und dann weiter zwischen wohlangebauten Feldern hin. Da erscheint nach kurzer Wanderung zur Rechten ein Hügel, auf dessen Rücken sich graue Felsmassen erheben. Das ist der St. Annenberg, das sind die Lübbensteine.
Wer die Landstraße verläßt, steht schon nach wenigen Schritten vor der ersten Gruppe. Da liegen 18 Blöcke umher von Braunkohlenquarzeit, einige in den Boden eingesunken. Eine Ordnung im Plan ist nicht mehr erkennbar. Es ist der kümmerliche Rest, vielleicht nur ein Drittheil des alten Denkmales. Und etwa 170 Schritte weiter, an der nördlichen Spitze des Hügel, ist die andere Gruppe. Sie besteht jetzt noch aus 37 Steinblöcken verschiedener Form und Größe, einige sind 2 Meter lang und darüber. Auf den ersten Blick erscheint ein wirres Durcheinander, daß man die Sage begreift, Riesen hätten diese Blöcke hierher geschleudert. Aber allmählich erkennt das forschende Auge die ehemalige Ordnung. Die Steine bildeten ein Rechteck, dessen Schmalseiten nach Süden und Norden gerichtet waren. An den langen Seiten stehen noch je 3 Blöcke aufrecht und in der Reihe, die andern sind umgestürzt. Innerhalb dieses äußern Steingeheges befand sich ein kleineres Rechteck. Dicht neben einander waren wieder Blöcke aufgerichtet, auf denen mächtige Decksteine lagerten und einen hohlen Raum bildeten. Von diesen Decksteinen sind noch drei erhalten und liegen, freilich nicht mehr an ursprünglicher Stelle, noch in der Schwebe. Und immer klarer ringt es sich aus der Verwüstung hervor, die Steine fügen sich wieder zusammen, und vor dem geistigen Auge entsteht eine Grabkammer, deren Wände und Decke aus großen Blöcken gebildet sind, während andere Felsstücke, wie eine Mauer aneinander gereiht, die Ruhestatt der Todten im Rechteck umgaben.
In allen Erdstrichen der alten Welt finden sich die nahe verwandten Formen solcher Grabanlagen, unter dem heißen Himmel Indiens sowohl, wie im Kaukasus und in Nordafrika. Von den Gestaden der Ostsee zieht sich ihr Verbreitungsgebiet durch Norddeutschland, Dänemark und Skandinavien bis nach Holland und noch weiter südlich an den Küsten des Atlantischen Oceans hin. Bei uns sind sie besonders in der Altmark, in Hannover und Westfalen häufig. Einen mächtigen Eindruck machen diese reichlich 3000 Jahre alten Denkmäler einer längst verschollenen Vorzeit, wenn sie im Schein der Abendsonne in der rothblühenden Heide erglänzen.
Man nennt diese gewaltigen Grablammern Hünenbetten, megalithische Gräber oder auch Dolmen, d. h. Steintische. Sie gehören der Steinzeit an. Die alten römischen Schriftsteller erwähnen sie nicht; als Tacitus seine Germania schrieb, waren sie längst verschollen und vorgeschichtlich 2).
Ruhestätten der Todten, Grabkammern waren auch die Lübbensteine. Fürsten der Vorzeit wurden unter diesen Felsen beigesetzt. Ihren Schmuck hatte man ihnen angethan, ihre Waffen ihnen zur Seite gelegt und Speise und Trank in Töpfen und Schalen beisetzt. Aber wer waren die Männer, die hier ihre letzte Ruhe fanden?
____
1) Vergl. die gleichnamige Arbeit von F. Grabowsky im Globus 1894, Nr. 23.
2) Vgl. die Berichte über die Versammlung der deutschen anthropologischen Gesellschaft zu Münster 1890, besonders die Reden Tischlers und Virchows. Correspondenzblatt der d. G. 1890, S. 111. 153.
____
7
Weß Stammes umd Volkes waren sie? Was thaten sie, daß sie im Tode so geehrt wurden? Niemand weiß es. Verklungen sind die Erinnerungen an die Helden, vergessen die Namen der Gefeierten, und die Todtenklage ist verhallt. Kein Lied, keine Sage meldet von ihnen. Die Waldriesen, die ringsum hier standen, brachen vom Sturme zusammen, andere wuchsen auf und wurden auch wieder morsch und alt, und immer neue kamen hoch. Und dann, nach Jahrhunderten vielleicht, erklang die Axt, und der Wald wurde gelichtet. Und wieder nach langer Zeit erschienen Mönche im Lande, Capellen und Klöster wurden gegründet, und aus Siedelungen und Dörfern entstand die Stadt Helmstedt. Lübbensteine nannten die Umwohner die alten Gräber und bezeichneten damit das Große und Riesenmäßige jener Felsenkammern 3). Der Berg aber erhielt mit der Zeit einen andern Namen. Am Fuße des Hügels gründete der Rath der Stadt im Jahre 1500 das St. Annen-Hospital nebst einer Capelle, und seitdem hieß der Berg nach jener heiligen Frau, der Großmutter des Herrn, der St. Annenberg 4). Im Westen lag auch ein Teich, der St. Annenteich, der ist jetzt verschwunden. Als dann die Universität gestiftet wurde und gelehrte Männer in die Stadt einzogen, haben einige von ihnen auch Betrachtungen über die Lübbensteine angestellt. Der Professor Hermann Conring hielt sie für Werke von Giganten, die vor der Sündfluth in dieser Gegend gewohnt hätten. Denn, sagt er, durch gemeiner Menschen Hände hätten die großen Steine unmöglich dahin geschafft, dazu in die Höhe gebracht und aufeinander gelegt werden können, weil man damals noch keine mechanischen Hebezeuge gehabt habe. Der gelehrte Mann vermuthete also ungefähr dasselbe, was die geschäftige Sage schon vorher ersonnen hatte. Aber bereits im Jahre 1714 traf Caspar Calvör, der Verfasser eines großen Werkes über die heidnischen und christlichen Alterthümer Niedersachsens das Richtige, wenn er die Steine von Helmstedt für ein heidnisches Grabmal hielt, darunter einer oder auch wohl mehrere große heidnische Helden, die etwa in einem daselbst gehaltenen Treffen geblieben, begraben liegen 5). Es gehört hierher, so fährt dann der Verfasser fort, die alte Tradition, daß bei Helmstedt in heidnischen Zeiten ein großes Treffen geschehen sei, da man den in der Schlacht gebliebenen König in seinem goldenen Helm daselbst begraben. Die Soldaten und Kriegsleute aber hätten nach uraltem Gebrauch, ein jeglicher seinen Helm voll Erde gefüllet und dieselbe über die Gebeine und das Grab ihres Königs und Feldherrn geschüttet, davon jener Berg erwachsen und der damals nahe angebaute Flecken von den Helmen genannt sei Helmenstedt oder Helmstedt. — Diese alte Tradition, worauf sich Calvör bezieht, klingt ganz ähnlich wie so manche andere fabelhafte Geschichten jenes Iahrhunderts, die nur ersonnen sind, um einen Ortsnamen zu erklären. Wie dem aber auch sein mag, so gebührt dem Calvör das Verdienst, die Lübbensteine zuerst als Gräber erkannt zu haben. Aus dem Jahre 1720 giebt es einen mangelhaften Kupferstich, aus dem sich wenigstens ersehen läßt, daß damals noch vier Decksteine an ihrer ursprünglichen Stelle lagen 6). Werthvoller ist ein Grundriß, der, nebst einer flüchtigen Zeichnung, aus dem Jahre 1824 stanımt 7). Hiernach bestand die nördliche Gruppe damals noch aus 43 Steinen. Die eigentliche Grabkammer erscheint in diesem Bilde an drei Seiten ziemlich unverletzt. Die Steine, welche die Wände bilden, stehen noch meist dicht neben einander; nur die Nordseite war bereits offen. Von den vier Decksteinen liegt einer ganz unten, die drei andern sind auch aus ihrer alten Lage gerückt, und es scheint, als läge nur einer noch oben 8) Jenes erste Grab auf der Südspitze des Berges ist freilich noch mehr zerstört. So sind diese Denkmäler, die ihresgleichen nicht hatten im braunschweigischen Lande, verwüstet worden.
Sie mahnen uns, nicht zu geringe zu denken von Denen, die diese Denkmale errichteten. Wandernde Hirtenvölker bauen solche Grabstätten nicht, bestatten vielmehr ihre Todten nachlässig. Solche Werke sind die mühevolle, gemeinsame Arbeit eines ganzen Geschlechts oder einer Gemeinde. Sie setzen die Anfänge geordneten gesellschaftlichen Lebens voraus, und ihre Erbauer hatten feste Wohnsitze und trieben Ackerbau. Liebe und Treue, welche die Zeitgenossen für die Verstorbenen hegten, schuf diese Denkmäler, eine Anerkennung ihrer Macht, ein Dank für die Wohlthaten, welchen sie ihren Mitlebenden erwiesen. Den fernen Geschlechtern aber sollen diese Steine eine Erinnerung sein an die Männer der Vorzeit.
5. Das Grab auf dem Tempelhofe bei Achim.
Auf dem Tempelhofe, einem Vorwerke der Domäne Achim, südlich von Börßum, machte der Oberamtmann Blomeyer zu Hornburg im Frühjahre 1867 einen bemerkenswerthen Fund. Bei Anlegung eines neuen Weges geriethen seine Arbeiter neben einer Quelle auf ein Gerippe in hockender Stellung, das im linken Arme eine Urne trug. Leider zerfiel das Skelett beim Zutritt der Luft, und der Inhalt des Thongefäßes, eine grünliche Erde, wurde achtlos verschüttet 1). Die unversehrte Urne dagegen wurde durch Vermittelung des Dr. Schiller dem städtischen Museum überwiesen (No. 114). Sie hat die Form eines Bechers und ist 11cm hoch. Der obere Durchmesser beträgt 12,5 cm, die Standfläche mißt etwa
____
3) Jacob Grimm sagt: Lübbensteine sind Riesensteine, Hünensteine. Das Wort Lübbe soll das Große, Plumpe der Riesennatur anzeigen. Neue Mittheilungen des Thüring.-Sächs. Vereins. Band V, Heft 1. Halle 1841, S. 38
4) Diese Stiftung wurde im großen Kriege von den kaiserlichen Truppen zu Wolfenbüttel auf einem ihrer Raubzüge zerstört.
5) C. Calvör, Das alte heidnische und christliche Niedersachsen. Goslar, König. 1714.
6) Joh. Georg Keysler, Antiqvitates selectae Septentrionales et Celticae. Hannover, 1720. Fig. III.
7) E. Spangenberg, Beiträge zur Kunde der teutschen Rechtsalterthümer und Rechtsquellen. Hannover, 1824. Tafel I.
8) Bei der Fürsorge, die Herzogl. Ministerium wie die Herzogl. Cammer den Lübbensteinen zuwenden, steht zu hoffen, daß die Decksteine wieder, wie es Grabowsky in seiner Arbeit angeregt, in ihre ursprüngliche Lage gebracht werden.
1) C. Schiller, Fundstätten vorchristlicher Alterthümer. Achim.
____
8
die Hälfte. Die Farbe ist grau. Der untere Theil des Gefäßes ist ausgebaucht, und auch gegen die Mündung hin wird es weiter.
Unter den Gefäßen, die aus den Urnenfeldern stammen umd vielfach, ganz einfach sind, fällt dieser Becher sofort durch seine eigenartige Verzierung auf. Um den Hals läuft ein Band, das zwei Reihen eingedrückter Punkte zeigt. Diese Vertiefungen sind meist quadratisch und lassen im Grunde noch eine kleine Erhöhung erkennen. Unter diesem Bande zieht ein anderer Streifen ringsum, der zwischen zwei wagerechten Linien eine Menge feiner, senkrechter Striche aufweist, die mit einem spitzen Griffel sorgfältig eingeritzt sind. Diese beiden Bänder wiederholen sich am unteren Theile des Bechers in umgekehrter Reihenfolge. Einige Spuren deuten darauf hin, daß die Verzierungen ehemals mit einer weißen Masse ausgefüllt waren.
Dieser Becher steht an Alter den Töpfen und Schalen aus den Urnenfeldern weit voran. Er ist wahrscheinlich das älteste Gefäß, das wir aus unserem Lande und den angrenzenden Gebieten besitzen. Denn es stammt aus jener Zeit, in der man noch nicht die Todten verbrannte, sondern sie in liegender oder sitzender Stellung begrub, also aus der älteren Bronze- oder aus der jüngeren Steinzeit. Unsere ältesten Gräber aber, die Lübbensteine, die Steinkisten vom Elm und Oesel, haben uns keine Thongefäße geliefert und darum verdient der Tempelhofer Becher ganz besondere Beachtung.
Dieser Fund eines Skelettes in hockender Stellung ist bis jetzt der einzige geblieben. Doch erzählte im Jahre 1881 der alte Totengräber Bethmann in Gebhardshagen, daß in der Mitte der zwanziger Jahre unter dem schwarzen Kampe nach dem Süttelbeekwege hin kellerartige Räume, Mauerwerk mit Gängen, aufgefunden worden seien, darin wären Skelette in hockender Stellung gewesen. Töpfe neben denselben enthielten nur Erde.
____
195
. . .
Beiträge zur Vorgeschichte des Landes Braunschweig.
Von Th. Voges.
6. Das Grab von Gr. Biewende.
Etwa 10 Minuten von dem Dorfe Gr. Biewende erhebt sich im südöstlicher Richtung der Korn- oder Karrenwellenberg, eine Anhöhe des Vorberges. Da liegt das Altfeld. Hier stieß der Gemeindevorsteher H. Bosse 1889 auf seinem Grundstücke, das nördlich von dem nach Kalme führenden Feldwege liegt, beim Tiefpflügen auf eine Steinkiste. Mehrere etwa 10 cm dicke Platten bildeten ein Grab von 2,17 m Länge, 1,09 m Breite und 0,84 m Tiefe, dessen Schmalseiten nach Süden und
____
196
Norden gerichtet waren. Diese Platten gehören dem Buntsandsteine an und zwar jener Art, die Rogenstein genannt wird. Vermuthlich stammen sie aus einem Bruche bei Remlingen. Mit solchen Platten war das Grab auch eingedeckt. An der Südseite lag über Brust- und andern Knochen ein Schädel, so daß es den Anschein hatte, als sei die Leiche in hockender Stellung beigesetzt worden; doch widerstrebt dieser Annahme die geringe Tiefe des Grabes. Sonst wurden nur wenig Knochen gefunden. Neben dem Schädel standen an der kurzen Südwand zwei Thongefäße, die nur Erde enthielten. Ferner lagen dicht neben denselben zwei Feuersteinmeißel und ein Eberzahn. Die Knochenreste, die Urnenscherben, der Zahn sammt diesen beiden Steingeräthen kamen in die Sammlung des Ortsvereines zu Wolfenbüttel.
Von den Gefäßen konnte das eine wieder zusammengeleimt werden. Es ist ein Napf von 15 cm Höhe und 16 cm Durchmesser. Der untere Theil, von kleiner Standfläche aufsteigend, ist fast halbkugelig, der obere Theil steigt mit geringer Einziehung steil in die Höhe. An der Umbruchstelle sitzt ein Schnurhenkel und weiterhin stehen da 3 scharfe Vorsprünge. Zwei Reihen schräggestellte, scharf eingeschnittene Eindrücke laufen hier rings um das Gefäß. Unter ihnen zieht sich ein einstrichiges Zickzackband hin, dessen nach unten offene Winkel mit dreieckigen, eingedrückten Tupfen versehen ausgefüllt sind. Diese Vertiefungen sind theilweise noch jetzt mit einer weißen Masse ausgefüllt.
Das zweite Gefäß, von dem nur ein geringer Rest erhalten ist, war anscheinend von ganz ähnlicher Form, nur ist der Henkel größer, ohne doch schon ein Griffhenkel zu sein. Der untere Theil des Napfes ist mit eingestochenen Ornamenten bedeckt, die kleinen Pfeilspitzen gleichen. Der Hals dagegen zeigt, dicht aneinander gereiht, Rauten mit einem schrägen Kreuze drinnen. Auch hier zeigen sich Reste weißer Farbe.
Von den beiden Flintgeräthen ist das eine ein Schmalmeißel, fast 8 cm lang. Das andere ist ein breiterer Meißel, 11 cm lang, aber nur 1 cm dick, also ein Meisterstück der alten Feuersteinarbeiter.
Beim Herausnehmen dieser Beigaben kam auch ein Gebilde zum Vorschein, das zuerst als ein Urnendeckel angesehen wurde, darnach sich aber als eine Koralle (Chenendopera marginata) auswies. Doch kann nicht mit Gewißheit behauptet werden, daß es ursprünglich in dem Grabe gelegen hat.
7. Das Grab auf dem Adamshai in Elm.
Oberhalb des Dorfes Evessen erhebt sich im Elme der Adamshai. Hier liegt einsam im Buchenwalde ein großes, nun ausgeräumtes Grab. Es bildet ein Rechteck, das sich von Osten nach Westen erstreckt. Seine Seitenwände bestehen aus zwölf Steinen. Diese Blöcke sind 1 m hoch und an 40 cm dick. Die Platte an der Westseite ist 2 m lang. Der Innenraum mißt 6 m in der Länge und 2 m in der Breite.
Dies alte Steinkistengrab ist im Anfang der siebenziger Jahre von Hans Mülter aufgedeckt worden. Es steht aber sehr zu bezweifeln, daß er es noch ganz unberührt vorgefunden hat: Damals war kein Erdhügel mehr darüber. Innen lagen etwa 11 Skelette nach ganz verschiedenen Richtungen neben einander. Bronzesachen oder andere Beigaben fehlten, nur Urnenscherben wurden bemerkt. Wohl aber fanden sich über den Gerippen zwei Feuersteingeräthe, die später in das städtische Museum nach Braunschweig kamen; es waren dies ein Meißel (Nr. 627) und eine Axt (Nr. 643). 1)
Frage auf Frage drängt sich dem Wandrer auf, der hier auf den Steinblöcken sitzt. Aus welcher Zeit stammt dies Grab? Weß Volkes waren sie, die hier bestattet wurden? Warum hat man sie nicht unten begraben im friedlichen Reitlingsthale oder an der Quelle zu Evessen, sondern hier oben auf waldiger Höhe? Haben die Leute die Wälle aufgeworfen da drüben und hier auf dem nahen Kuxberge? Wohnten sie hier ständig oder nur in Zeiten der Gefahr? Es ist zur Zeit nicht möglich, diese Fragen zu beantworten. Aber wenn später ähnliche Gräber, sei es in der Ebene, sei es hier auf dem Elme, entdeckt und von sachkundiger Hand geöffnet werden, dann wird vielleicht einige Klarheit in diese Verhältnisse kommen.
Im Forstorte „Breiter Berg“ ragen nahe der Bornumer Grenze mehrere Steinblöcke aus dem Boden heraus, die wahrscheinlich von einem ähnlichen Grabe herrühren.
Im August 1886 wurde am Untern Breitenberge im Kuhspringsthale bei Königslutter, in der Nähe des Fußweges nach Destedt, ein Skelettgrab entdeckt und alsbald zerstört. Das Skelett lag ausgestreckt mit dem Kopfe im Westen, die Füße waren nach Osten gerichtet. In dem Grabe fand sich ein breites Feuersteinmesser, das später nach Wolfenbüttel in die Sammlung des Ortsvereines gelangte. Auch soll noch „ein eiserner Keil” darin gelegen haben.
Sonst sind noch Kistengräber am Sandberge bei Neindorf und am Oesel gefunden. 2)
8. Der Becher von Jerxheim.
Im Herzoglichen Museum steht unter den Näpfen und Schalen, die den Urnenfeldern der La Tène-Zeit entnommen sind, ein Gefäß, das sowohl durch Form und Gestalt, wie auch durch seine eigenartige Verzierungsweise sich sofort als aus weit früherer Zeit stammend zu erkennen giebt. Es ist der Becher von Jerxheim. Sein unterer Theil ist fast kugelig, die obere Hälfte steigt senkrecht auf, und der Rand strebt schräg aufwärts. Die Höhe ist gleich dem obern Durchmesser, nämlich, 13 cm, während die Standfläche nur 6 cm mißt. Die ornamentale
____
1) Bei der Wichtigkeit, welche die Beigaben, insbesondere die Gegenstände aus Metall, für die Zeitbestimmung des Grabes und demnach auch anderer, ähnlicher Steinkister haben mußten, zog ich Erkundigungen bei Hans Mülter selbst ein, und dieser war so freundlich, mir auf einer Elmwanderung obige Mittheilungen zu machen. Er hatte auch früher den in der Nähe belegenen Hügel mit Hacke und Schaufel angegriffen; weil er aber nichts als Steine fand, ließ er davon ab.
2) Zwei vorgeschichtliche Gräber bei Neindorf in Braunschweig. Von Th. V. Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde. 1890 Heft 4.
____
197
Eintheilung ist eine sehr klare. Vier Bänder umziehen das Gefäß: am Fuße, an der Umbruchstelle, am Grunde des Halses und am Rande. Von den drei so gebildeten Abtheilungen ist die untere durch radial aufsteigende, die obere durch senkrechte Linien in Felder getheilt. Diese letzteren sind wie jene oben erwähnten vier Bänder reihenweise erfüllt mit einem eingedrückten Ornamente, das bis jetzt in dieser Form bei uns einzig dasteht. Nur an einem Henkeltopfe in dem Skelettgrabe von Gr. Biewende fand sich eine ähnliche Verzierung. Offenbar benutzte der Töpfer ein besonders geschnitztes Stäbchen, das unten die Form einer dreieckigen, ungestielten Pfeilspitze mit weit auseinandergehenden Flügeln hatte. Dies Stäbchen drückte er so in den feuchten Thon, daß die Spitze am tiefsten eindrang, zog es dann zurück und wiederholte seinen Eindruck. Die Bänder mit den wagerecht hinlaufenden und die Felder mit den aufstrebenden Pfeilspitzen bilden einen Schmuck für dies Gefäß und seine Wirkung wurde noch dadurch erhöht, daß das Ornament ursprünglich mit einer weißen Masse ausgefüllt war.
Der Becher ist ein Einzelfund. Nähere Berichte über seine Auffindung fehlen. Gewiß stammt er als Beigefäß aus einem Grabe, doch nicht aus einem jener Kistengräber, wie sie sich u. a. auch auf der Feldflur von Jerxheim fanden, sondern vermuthlich aus einem Skelettgrabe, wie sie am Sandberge des nahen Dorfes Beierstedt aufgedeckt wurden. Jedenfalls weisen Gestalt und Ornamentik auf eine recht frühe Zeit, mehr noch auf die neolithische als auf die Bronzezeit hin.
9. Der Bronzefund am Regenstein.
Um das Jahr 1852 wurde am Regenstein bei Blankenburg ein merkwürdiger Fund gemacht. Ungefähr 200 Schritte von dem östlichen Ende der Feste, noch weiter gegen Osten, erhebt sich in halber Höhe der nördlichen Abdachung eine Klippenpartie, die sog. Himmelspforte. Der Abhang ist hier sehr steil, völlig unwegsam, und man kann die Stelle nur durch mühsames Hinabklimmen erreichen. Damals nun verfolgte ein Einwohner von Derenburg, es war der Holzhauer Klamroth, ein angeschossenes Kaninchen, das bei jener Klippe in seinen Bau flüchtete. Bei näherer Untersuchung ergab sich, daß das Loch eine Höhle bildete, die eine große Menge von bronzenen Waffen und Werkzeugen enthielt. Es waren besonders Aexte, Hämmer und Hohlcelte. 3) Neben diesen Werkzeugen fand der Kaninchenjäger noch einen großen Bronzeklumpen.
Wenn man diesen Fund zusammengehalten und aufbewahrt hätte, wäre er für die Vorgeschichte unsres Landes von größter Bedeutung geworden. So hätte man daran ersehen können, welche Stücke bei uns gleichzeitig auftreten. Wahrscheinlich auch hätte er einen Beitrag zu der Frage geliefert, ob die Gegenstände hier gegossen oder ob sie eingeführt waren. So aber wurden die Celte vereinzelt, der Bronzeklumpen verkauft und eingeschmolzen. Nur ein Stückchen gelangte in den Besitz des Gastwirths Müller auf dem Regenstein. 4) Wahrscheinlich stammen drei Gegenstände im herzoglichen Museum, als deren Fundort der Regenstein angegeben wird, aus der Höhle des Himmelreichs. Es ist dies der Lappencelt Nr. 1408, der Hohlcelt Nr. 1410 und der große Ring Nr. 1516. 5)
Dieser letztere ist der einzige, der von dieser Art bislang bei uns gefunden wurde. Er ist geschlossen und hat eine länglich-runde Form, die Längenachse mißt 13 cm. Die eine Seite zeigt vier Gruppen von tiefen Furchen. Wahrscheinlich ist es ein Fußring. Ein ähnlicher wurde in einem Grabhügel bei Attenfeld gefunden. 6)
Wie sind aber alle diese Sachen an einen so verborgenen Ort gekommen? Wahrscheinlich gehören sie zu einem sog. Versteckfunde. Mannigfach waren die Gefahren, die den wandernden Händler auf seinen Wegen umgaben. Unbilden der Witterung, Unsicherheit der Straßen mögen manchmal Ursache gewesen sein, daß der Erzgießer oder Kaufmann seinen Vorrath ganz oder theilweise an eine ablegene Stelle brachte und vorläufig versteckte, um ihn später wieder hervorzuholen.
Aehnliche Versteckfunde, die in vielen Ländern gemacht worden sind, haben auch noch eine andere Deutung erfahren. Man meint nämlich, daß solche Gegenstände aus Bronze oder edlen Metallen, selbst wenn Gußklumpen darunter vorkommen oder unfertige Stücke, als kostbare Weihgabe, als Opfer den Göttern dargebracht seien. Es finden sich auch bei alten Schriftstellern Mittheilungen, die diese Ansicht unterstützen. So berichtet Orosius, daß die Cimbern und Teutonen nach der siegreihen Schlacht bei Arausio im Jahre 105 vor Chr. die gesammte Beute aus den beiden eroberten Römerlagern vernichteten und das Gold und das Silber in den Fluß versenkten. 7)
Aehnliches berichtet Tacitus von den Hermunduren. Sie hatten die feindliche Schlachtreihe dem Ziu und dem Wodan geweiht, und in Folge dieses Gelübdes wurde die ganze Kriegsbeute zerstört. 8)
Von besonderer Wichtigkeit für die Deutung der Versteckfunde ist eine alte Anschauung, die sich in einer norwegischen Königssage findet. Odin, so heißt es hier, gab seinem Lande diejenigen Gesetze, die früher bei den Asen gegolten hatten. Mit so viel Gütern würde jeder nach Walhall kommen, als er auf dem Scheiterhaufen gehabt hätte, auch das würde er genießen, was er selbst in die Erde vergraben hätte. 9)
10. Die Höhle bei Holzen.
Oestlich vom Dorfe Holzen bei Eschershausen erhebt sich in dem Ith eine Felsparthie kluftenreichen Dolomitfelsens,
____
3) Leibrock, Chronik der Stadt und des Fürstenthums Blankenburg. Bd. I S. 18.
4) C. Schiller, Fundstätten vorchristlicher Alterthümer. Blankenburg.
5) Vielleicht stammt auch der aus dem Fenkner’schen Museum in die Sammlung des Herrn Vasel übergegangene Lappencelt, als dessen Fundort Blankenburg angegeben wird, vom Regenstein.
6) Lindenschmit Sohn, das römisch-german. Central-Museum. Tafel XXXVIII Fig. 5.
7) Hostmann, Studien, S. 139.
8) Tac. Annalen XIII. 57.
9) Snorre Sturlason, Heimskringla. Ynglingasaga Kap. VIII.
____
198
welche dem obern Jura und zwar dem Korallenoolith angehört. In diesem Felsen befindet sich eine 57 Meter lange gangartige Spalte, welche in dortiger Gegend den Namen „rother Stein“ führt. Zu den verschiedensten Zeiten sind von Schatzgräbern, welche dort bei Nachtzeit nach Schätzen gruben, zahlreiche Menschenknochen ans Tageslicht gefördert worden, und dies hat zu wunderlichen Geschichten über die Höhle Anlaß gegeben. Im Jahre 1883 unternahm A. Wollemann, damals Student der Naturwissenschaften, im Auftrage des Wolfenbüttler Ortsvereins für Geschichte und Alterthumskunde dort Ausgrabungen.
Unter einer Schicht von Kalksinter, die etwa 3 cm stark war, zeigte sich zunächst eine sogenamnte Kulturschicht, welche mit Holzkohlen, Topfscherben und Menschenknochen stark untermengt und 4 bis 30 cm dick war. 10) Dazwischen fanden sich auch einige Geräthe vor. Diese Schicht war besonders an vier Stellen bedeutend stärker, tiefer und dort auch mit Topfscherben und Menschenknochen sehr stark vermischt. Vielleicht waren hier die Feuerstellen der ehemaligen Höhlenbewohner. Unter den Menschenknochen, die an diesen Heerden lagen, waren die Röhrenknochen, in denen sich Mark befunden hat, aufgebrochen, während Fingerglieder und andere Knochen nicht zerbrochen worden sind. So liegt die Vermuthung nahe, als seien hier Menschen von den ursprünglichen Höhlenbewohnern verzehrt worden. 11) Daneben lagen außer vielen Fledermausknochen Reste von Hirschen, Rehen und Wildkatzen. Die Topfscherben rührten von Gefäßen her, die aus rohem, ungeschlemmtem Thone hergestellt und schlecht gebrannt waren. Von der Benutzung der Drehscheibe fand sich keine Spur. Besondere Aufmerksamkeit dürfen die Geräthe beanspruchen, die in der Kulturschicht steckten. Sie sind entweder aus Bronze oder aus Knochen gearbeitet, Werkzeuge aus Stein wurden nicht angetroffen. Da ist zuerst ein Bronzecelt von jener einfachen Art, deren Langseiten etwas erhöht sind. Die Schneide ist abgebrochen. Es ist die Form, die im nördlichen Europa so häufig vorkommt. Weiter lag da eine dünne, dreieckige Pfeilspitze aus Bronze (3,6 cm : 5,7 cm) mit 3 Nietlöchern. Aehnliche wurden in Süddeutschland und in den Pfahlbauten der Schweiz gefunden. 12) Weiter wurde eine Lanzenspitze aufgehoben, die auch als Dolchklinge angesprochen werden kann. Jederseits ist eine Längsrippe. Oben sind 2 Nietlöcher mit beweglichen Nägeln. Breite 3 cm, Länge jetzt noch 8,7, ehemals wohl 11 cm. Solche Dolche sind weit verbreitet in Süddeutschland und der Schweiz. Auch in Italien kommen sie vor, am häufigsten wohl in Frankreich. 18) Zuletzt fand sich noch eine Spirale von vierkantigem Bronzedraht, innen heraufgezogen. Durchmesser fast 3 cm. Wahrscheinlich ein Schmuckstück. 14)
Ferner wurden aus dieser Kulturschicht noch zwei aus Knochen gearbeitete, glatte Pfriemen aufgenommen, von denen der eine einen abgesetzten Kopf hat und 13,7 cm lang ist. Der andre, etwas gebogen, ist 9,3 cm lang.
Unter der Kulturschicht lag eine Schicht von gelb gefärbtem thonigen Sande, welche zahlreiche Reste von Feld- und Waldmäusen, Maulwürfen und Fledermäusen enthielt. Darunter wieder fand sich an einigen Punkten der Höhle eine knochenführende, harte Sinterschicht, welche unter andern auch die Reste von Lemmingen aufwies, also von jenen kleinen Nagethieren, die zu der Zeit hier lebten, als Norddeutschland noch eine Tundra war, und die jetzt noch in den Trockenmooren Standinaviens und Lapplands, wie in den Tundren von Nordsibirien heimisch sind.
Die Geschichte der Höhle im Ith reicht also bis zur Diluvialzeit zurück. Als die Thiere der Tundra und der Steppe zurückwichen und unsre Feld- und Waldthiere einwanderten, bewohnten Eulen die Höhle, und diese jagten die Mäuse und Maulwürfe und spieen deren Reste als Gewöll auf den Boden. Hierauf drang der Mensch in die Kluft, vertrieb die Eulen und zündet das Feuer auf dem Heerde an. Dieser Mensch war aber nicht mehr der Diluvialmensch, welcher nur Waffen aus Feuerstein hatte und das Rennthier verfolgte, sondern er hatte bereits Gefäße aus Thon und Geräthe aus Bronze; er jagte den Hirsch, das Reh und erlegte die Wildkatze. Von fremden Handelsleuten, die das Lennethal durchzogen, erwarb er goldglänzende Waffen und Werkzeuge und schimmernden Schmuck.
11. Die Bronzen unseres Landes. (Einzelfunde.)
Es ist gewiß, daß die Kenntniß der Vorgeschichte eines Landes am meisten durch die sorgfältige Erforschung der Steinkistengräber, wie auch durch die planmäßige Aufdeckung der Urnenfelder gefördert wird. Aber auch den Einzelfunden muß einige Bedeutung für die Kunde jener uralten Zeit beigemessen werden, um so mehr, wenn die aus Steinen aufgebauten Grabkammern zertrümmert, wenn die in geringer Zahl aufgefundenen Steinkistengräber von unkundigen Händen geöffnet und wenn die Urnenfelder nur in ganz geringer Anzahl ordnungsmäßig aufgedeckt wurden. Die Bronzesachen, die einzeln, bald hier, bald da, in Feld und Wald ans Tageslicht treten, erzählen von der Tracht und Bewaffnung der Altvordern, von ihrer Lust an Schmuck und Zierrath. Sie können Beweise sein, daß hier zu Land eine heimische Gießkunst geübt wurde, sie können aber auch erzählen von fremden Händlern, die, aus fernen Ländern kommend, hier ihre Waaren gegen die Erzeugnisse der Heimath umtauschten.
____
10) Nach Wollemann’s Berichten in den Zeitungen im October 1883.
11) Unter den menschlichen Resten, ist besonders das Stück eines Schädels mit auffallend niedriger Stirn und stark vorspringenden oberen Augenhöhlenrändern bemerkenswerth.
12) von Tröltsch, Fundstatistik der vorrömischen Metallzeit. S. 54 Fig. 95b.
13) von Tröltsch, a. a. O. Fig 92b. Eine ganz ähnliche Dolchklinge bringt Lissauer, Alterthüimer der Bronzezeit in Westpreußen. Tafel I Fig. 9.
14) Lissauer bildet a. a. O. Tafel XII Fig.4 ein ähnliches Stück ab und nennt es einen schneckenförmigen Ohrring.
____
199
Im Folgenden sollen einige Bronzesachen aufgeführt werden, die vereinzelt in Feld und Wald, zwischen Steinen oder im Bachgeröll gefunden wurden.
Flachcelte.
Wenn auch die Zahl der im Lande Braunschweig und in den angrenzenden Gebieten gefundenen Bronzecelte keine sehr große ist, so reicht sie doch hin, um die Entwicklung dieses Werkzeuges kennen zu lernen. Die ältesten Geräthe dieser Art bestehen in einer einfachen Nachahmung des Steinkeils oder der Steinaxt. Sie sind noch ganz flach und heißen darum auch Flachcelte. Ein solcher stammt aus Sommerschenburg südöstlich von Helmstedt. Er ist 10,6 cm lang und nur oben flach muldenförnig vertieft (Städtisches Museum Nr. 922). Dieser Celt hat neuerdings für die Prähistorie unseres Landes eine besondere Bedeutung erlangt. Auf R. Andrees Veranlassung wurde eine Analyse des Metalls vorgenommen, welche ergab, daß dies Werkzeug aus zinnarmer Bronze angefertigt wurde. Es enthält nämlich 97,4 % Kupfer und 2,8 % Zinn, nebst Spuren von Blei 15). Damit treten auch unsre Gegenden in die Reihe der Länder, welche Funde aus der Kupferzeit aufzuweisen haben.
Zu den Flachcelten gehört auch ferner der Celt von Helmstedt, Länge 8,5 cm (Städtisches Museum Nr. 481). Eine flache Mulde haben ferner die Celte von Veltheim (Herzogl. Museum Nr. 1389, 1390 und 1394) und der Celt von Querenhorst (daselbst Nr. 1610).
Auf dem Heeseberge bei Beierstedt wurde ein Flachcelt von 12 cm Länge gefunden, der in die Sammlung des Herrn Vasel gekommen ist.
Aus den Flachcelten entwickeln sich die Celte, welche zur bessern Befestigung des Schaftes an den Längsseiten mehr oder weniger hohe und lange aufstehende Ränder haben. Bei einigen Celten zeigt sich nur in der Mitte, da wo sie schmaler, aber auch dicker sind, eine Rinne oder Vertiefung. So bei dem Celt von Benzingerode (Herzogl. Museum Nr. 1387). Der Celt von Altenbrak hat hier schon hohe Ränder (daselbst Nr. 1392). Aus der Umgegenb von Helmstedt stammt ein schlanker, spatelförmiger Celt mit niedrigen Rändern (Städt. Museum Nr. 278).
Die Dolche von Dettum.
(Städtisches Museum Nr. 951—953.)
Auf der Feldmark des Dorfes Dettum im Amte Wolfenbüttel wurden drei Bronzedolche aufgefunden, die später von dem städtischen Museum erworben wurden. Einer ist, wenn auch zerbrochen und etwas verletzt, sonst noch wohl erhalten; von den beiden anderen sind nur noch die Klingen vorhanden. Jener ist 37,5 cm lang. Der Griff, im Durchschnitt oval, trägt eine kleine, länglichrunde Platte. Der untere, weit ausladende Theil des Griffes, der die Klinge faßt, mißt 11,5 cm und hat in der Mitte seines wagerechten Abschlusses einen halbkreisförmigen Ausschnitt. Mit 8 Nieten ist die Klinge befestigt, welche oben 11,2 cm breit ist und ursprünglich wohl 34 cm lang war. An den Schneiden ziehen sich 3 Linien entlang. Oben querdurch läuft eine Zickzacklinie, von der wieder andere etwas gebogene Linien in Dreieckform herabhängen.
Die beiden anderen Dolchklingen sind der ersten ähnlich, nur etwas schmaler und schlanker. Diejenige, welche am besten erhalten ist, hat oben 10 Nietlöcher mit 8 Nieten und mißt 12 cm : 41,5 cm.
Dolche dieser Art, welche man als dreieckige und italische bezeichnet, kommen vielfach in Frankreich und Italien vor. Doch finden sie sich auch zerstreut in Deutschland. Bei Malchin in Mecklenburg wurden 9 Stück aufgenommen, zwei holte man aus einem Torfmoor bei Daber in Westpreußen. Die drei Bronzeschwerter, die Bastian und Voß auf Tafel 12 und 13 ihres Werkes abbilden, stammen wahrscheinlich aus Italien, wie denn dies Land von den Forschern überhaupt als Ausgang der ähnlichen Schwerter und Dolche angesehen wird 16). „In der ältern Bronzezeit“, sagt Montelius, „kamen die triangulären Dolche aus Italien bis nach Mecklenburg und vielleicht noch weiter, und wurden dann von den Einwohnern dieser Gegenden nachgebildet. Jene nach Norden geführten Dolche stammen aber aus der Mitte des 2. Jahrtausends vor Chr., und ich glaube daher, daß schon 1500 v. Chr. ein Verkehr zwischen Italien und dem Norden existirte, ein Verkehr, der die Bronze nach dem Norden und den Bernstein aus dem Norden nach dem Süden führte“ 17).
Fünf ganz ähnliche Dolche wurden bei Gauböckelheim in Rheinhessen unter einem alten Baumstamme gefunden 18). Solche Dolche kommen mehrfach in der Schweiz und im Süden Deutschlands vor. In den nordischen Ländern treten sie nur sehr vereinzelt auf.
Der Schwertstab von Langenstein.
(Herzogl. Museum Nr. 1427.)
Zu den seltensten und kostbarsten Gegenständen, die uns aus der Bronzezeit erhalten sind, gehören die Schwertstäbe. Es sind dies Dolche oder breite Schwerter, die an einer Schaftröhre festsitzen und mittels derselben von einem Stabe getragen werden konnten. Die Bedeutung dieser eigenthümlichen, bisher nur in Norddeutschland und Schonen gefundenen Geräthe, von denen man überhaupt nur 13 kennt, ist noch nicht festgestellt. Ob solch ein Stück eine Waffe oder ein Würdezeichen, ein sog. Commandostab, gewesen oder ob es zu Kultuszwecken gedient hat, ist noch nicht entschieden; nur so viel steht fest, daß diese Schwertstäbe zu den ältesten Bronzegeräthen gehören, welche der Norden aufzuweisen hat.
Das eigentliche Schwert des hier vorliegenden Stückes ist jetzt ohne Spitze; das breitere Ende ist mit 3 spitz hervortretenden Nieten an der Schaftröhre befestigt, welche nach rückwärts spitz ausspringt, unten aber ausgezackt ist.
____
15) Zur „Kupferzeit“ von R. Andree. Br. Magazin 1896, Nr. 6, S. 47.
16) Bastian und Voß. Die Bronzeschwerter des Königl. Museums zu Berlin. Tafel XII, 11, 12. Tafel XIII, 6, Seite 58.
17) Montelius auf der Versammlung der d. anthropologischen Gesellschaft zu Nürnberg. Correspondenz-Blatt 1887 Seite 127.
18) Lindenschmit, Alterthümer u. h. Vorzeit. I. Band, II. Heft, Tafel 4, Nr. 3.
____
200
Dies seltene Bronzegeräth stammt aus der Thiele’schen Sammlung, und als Fundort ist Langenstein zwischen Blankenburg und Halberstadt angegeben.
Aehnliche Schwertstäbe sind gefunden im Sumpfe bei Blengow in Mecklenburg-Schwerin (Katalog der Berliner prähistorischen Ausstellung von 1880, S. 287), bei Bethkenkammer in Westpreußen (Lissauer, Alterthümer S. 8, Tafel I, Fig. 14) und in einem Grabhügel auf dem Gute Bosfee unweit Rendsburg. (Mestorf, Vorgesch. Alterthümer aus Schleswig-Holstein Taf. XX, Fig. 187).
Die Dolchklinge von Heimburg.
(Herzogl. Museum Nr. 1423.)
Diese Dolchklinge wurde im Forstorte Armeheinecke bei Heimburg im Kreise Blankenburg gefunden. Sie ist oben abgerundet und hier 3 cm breit. Ihre Länge beträgt 15 cm. Sie hat einen erhöhten Mittelgrat und war ehemals mit zwei Nietnägeln, die noch da sind, mit dem Griffe verbunden.
Celte mit Schaftlappen.
Wenn die aufstehernden Ränder der Flachcelte noch mehr ausgebildet werden und, sich biegend, oft fast sich berühren, so entstehen die Lappencelte. Vor dem Wendenthore zu Braunschweig wurde ein solcher Celt gefunden, dessen Schaftlappen im untern Theile sitzen und bis zur Schneide hinuntergehn. (Städt. Museum Nr. 50.) Daselbst ist noch ein anderer Celt, gefunden im Braunschweigischen, dessen Lappen in der Mitte liegen (Nr. 122). Dieser Celt mit mittleren Schaftlappen zeigt eine Form, die in Ungarn in sehr verschiedener Weise häufig vorkommt. (Hampel, Alterthümer der Bronzezeit in Ungarn. Tafel VII, Fig. 5—8.)
Um diese Celte noch sicherer zu befestigen, erhalten sie oben, wo die Lappen sind, einen Henkel, der durch Sehnen mit dem Schafte verbunden wurde. Diese Form weist ein Celt auf, der am Regenstein bei Blankenburg gefunden wurde. (Herzog. Museum Nr. 1408.) Aehnliche Celte in Hallstatt.
Celte mit Querbarre.
Um zu verhindern, daß bei der Arbeit der Bronzemeißel in den Schaft getrieben werde, sind die hohen Ränder nur bis zur Mitte aufgerichtet und hier durch eine Leiste oder Querbarre verbunden. Bis zu diesem Absatze reichte der Schaft. Solch ein Celt wurde neben der Kirche von Wenden gefunden. (Städt. Museum Nr. 71). Aehnlich sind die Celte von Dankelsheim und Heimburg im Herzogl. Museum Nr. 1397, 1403 und 1404. Auf dem Tillanger bei Gandersheim fanden sich in einem Hügel zwei Barrencelte. Bei dem einen sind die Ränder sammt der Querleiste gekerbt. (Sammlung des Ortsvereines für Geschichte und Alterthumskunde).
Zuweilen finden sich auf den Klingen rinnenartige Vertiefungen, wie bei einem Barrencelte von Räbke auf dem Elme. (Herzogl. Museum.) Ein ähnlicher Celt ist bei dem Dorfe Ahlum gefunden und in den Besitz des Seminarlehrers Dr. Rehkuh gekommen. Diese Form ist eine ächt nordische und in Skandinavien, Hannover und Mecklenburg sehr verbreitet. Montelius setzt dieselbe in seine 2. Periode.
Die Schwertklinge von Helmstedt
(Städtisches Museum Nr. 466.)
Unweit der Lübbensteine vor Helmstedt wurde eine Schwertklinge aufgenommen, die aus Mülters Besitz in das städtische Museum überging. Der obere Theil, welcher 5 cm breit ist, hat die Form eines Dreiviertelkreises und zeigt 6 Nietlöcher, die ringsum im Bogen stehen. Es ist hieraus zu schließen, daß die unterer Theile des Griffes klauenartig dieses breitere Ende umfaßten. Die ganze Länge beträgt 52,2 cm. (Forts. folgt.)
____
205
. . .
Beiträge zur Vorgeschichte des Landes Braunschweig.
Von Th. Voges.
11. Die Bronzen unseres Landes.
(Einzelfunde.)
Das Schwert von Schwanefeld.
(Städtisches Museum Nr. 402.)
Dies Schwert wurde bei Schwanefeld im Kreise Neuhaldensleben unter einem großen Steine senkrecht in der Erde stehend gefunden. Es hat einen Griff, der sich in der Mitte erweitert und drei ringförmige Bänder zeigt. Derselbe trägt oben eine geschweifte, ovale Platte ohne Mittelknopf. Die untern ausgreifenden Flügel laufen schräg abwärts. Die Klinge ist zweischneidig, geschweift und schilfblattförmig. Neben dem Mittelrücken laufen jederseits 3 Linien hin. Die ganze Länge des Schwertes beträgt 58,3 cm. Die Klinge allein, vom einspringenden Winkel im Griffe an gemessen, ist 51 cm lang.
Dies Schwert hat große Aehnlichkeit mit dem von Tütz in Weltpreußen. (Lissauer III. 3.) Ein anderes ihm ähnliches wurde in Briestkow bei Frankfurt a. O. gefunden. (Bastian u. Voß, Bronzeschwerter II. 3.) Schwerter von dieser Form sind auch in den Pfahlbauten der Westschweiz gefunden, so in Mörigen am Bieler See, welcher Ort diesen Typus den Namen gegeben hat.
____
206
Sie sind aber auch am Rhein und im Rhonegebiet bekannt. Der Ausgangspunkt dieser Form liegt im alten Etrurien. Felsina (Bologna) war die bedeutendste etruskische Werkstätte und ein Hauptsitz des etruskischen Handels nach dem Norden. Es haben die von Gozzadini und Zannoni in und um Bologna veranstalteten Ausgrabungen eine außerordentliche Fülle von Bronzen ans Tageslicht gebracht, die mit denen aus den Pfahlbauten der Schweizer Seen eine große Aehnlichkeit haben. (Keller-Pfahlbauten. VII. Bericht, Tafel III. Fig. 3. VIII. Bericht Seite V.) In Italien wird die Form dieses Schwertes nach dem Städtchen Rozano benannt.
Sichel von Offleben.
(Herzog. Museum Nr. 1439.)
Bei Offleben im Kreise Helmstedt ist eine Sichel gefunden worden. Ihr Außenrand ist stark erhöht. Sie zeigt zwei stark erhabene Mittelrippen und hat am unteren Ende zur Befestigung einen stark hervorspringenden Zapfen. Die Unterseite ist flach.
Bronzescheibe von Schwanefeld.
(Städtisches Museum Nr. 499.
Eine Scheibe von 5,4 cm Durchmesser hat in der Mitte ein Loch mit einem Röhrchen darin. Ringsum sind noch 8 andere Löcher. Weiterhin folgt ein umlaufendes Band mit 16 Punktkreisen. Gefunden in einem alten Grabe bei Schwanefeld unweit Walbeck nordöstlich von Helmstedt.
Diese Scheibe hat Aehnlichkeit mit einem Zierstück aus Knochen, das Dünnhaupt in einer Urne bei Lelm fand. Diese Scheibe hatte in der Mitte einen Punktkreis, am Rande ringsum standen ebenfalls 16 Punktkreise 1).
Bronzeringe von Mönche-Vahlberg.
Im Jahre 1880 wurden beim Tiefpflügen auf dem Acker des Herrn Bardenwerper zu Mönche-Vahlberg auf der sog. Mittelwanne südöstlich vom Dorfe mehrere Armringe aus Bronze gefunden. Zwei davon kamen in die Sammlung des Herzogl. Museums. Sie sind länglichrund, 8,5 cm : 6 cm. Der Reifen ist innen ein wenig flach ausgehölt und hat außen starke Querriefen. An einer Stelle ist er offen, die Enden sind nicht weiter verziert. Herr Dr. Beltz hatte die Güte, mir, nachdem ich ihm eine Zeichnung eingesandt, darüber folgendes mitzutheilen: „Handringe dieser Form gehören der nordischen Bronzezeit an und sind besonders in Mecklenburg häufig. Wir haben gegen 20 Stück aus gut charakterisirten Funden. Sie gehören an das Ende der reifen Bronzezeit (Montelius Periode III und Tischlers „Peccatelperiode“), sind z. B. in dem Hügel von Peccatel in mehreren Exemplaren gefunden.“
Da mit diesen Ringen weiter nichts aufgenommen wurde — spätere Nachgrabungen blieben erfolglos —, und sie alle gleiche Form haben, so gehören sie wahrscheinlich zu der Waare, die ein fremder Händler in Zeiten der Gefahr hier vergrub. Zu solchen Versteckfunden, die öfter gemacht worden sind, gehören auch die Celte, die ein Derneburger Einwohner in einer Klippe des Regensteins gemacht hat. Siehe Nr. 9 dieser Beiträge. Aehnlich geriefelte Bronzearmringe sind in Emmerstedt und in Dankelsheim gefunden. Herzogl. Museum Nr. 1490 u. 1493.
Auch hängen hier noch zwei andere gerippte Amringe, die aus Hallstatt stammen. Nr. 1491 u. 1495.
Der Hallstattzeit gehören die gekerbten Armringe von Koschen, Kr. Guben, an, die sich im Museum für Völkerkunde befinden. Hier sind auch die auf dem Gräberfelde am Vorwerk zum heil. Geist bei Halle a. S. gefundenen Armringe, die aus der Uebergangszeit Halstatt—La Tène stammen. Ganz der La Tène-Zeit gehören die geriefelten Armringe von Kriele, Kr. West-Havelland, und die von Saaz in Böhmen, an, die ebenfalls in dem genannten Museum liegen.
Das Schwert von Erxleben.
(Städtisches Museum Nr. 376.)
Aus der Sammlung von H. Mülter hat das städtische Museum ein Schwert erworben, das beim Ausroden alter Eichen unweit Erxleben, östlich von Helmstedt, im Kreise Neuhaldensleben, aufgenommen wurde. Es ist ein sog. Antennenschwert. Der Griff ist fast 13 cm lang, in der Mitte etwas nach den Seiten ausgebogen, mit drei Leisten umgürtet. Oben liegt auf einem gekerbten Zwischengliede ein Querstreifen, der von der mittlern Spitze sich zu beiden Seiten in Spiralwindungen aufrollt. Der unten auseinandergehende Griff faßt die Klinge, welche zweischneidig und schilfblattförmig ist. Ihre Mittelrippe wird von zwei Linien mit kleinem Kreisbogen begleitet. Das ganze Schwert ist 47,5 cm lang.
Ein ganz ähnliches Antennenschwert wurde 1832 bei Concise am Neuenburger See aufgefischt. (Keller, Pfahlbauten III. Bericht 1860. Tafel III. Fig. 35. Andre wurden zu Schmon im Kreise Ouerfurt und auf der Insel Rügen gefunden. (Bastian u. Voß, Bronzeschwerter Tafel II. Fig. 9 und Tafel VI. Fig. 2.)
Das Verbreitungsgebiet der Antennenschwerter ist ein ziemlich ausgedehntes. Außer in der Westschweiz kommen sie noch vor in Italien bis nach Corneto in Etrurien, in Frankreich besonders im Rhonethal, ferner den Rhein hinab bis zum Main, dann in Norddeutschland bis nach Ostpreußen, besonders häufig in Brandenburg, Pommern und Westpreußen, weiter nördlich in Dänemark und Schweden, auch in England, während sie in Oesterreich mehr vereinzelt auftreten. Obwohl ihre Form in diesen verschiedenen Gegenden etwas veränderlich erscheint, so bezeichnen sie doch überall, wo sie auftreten, dieselbe Culturperiode, nämlich die Uebergangszeit von der Bronze zum Eisen, welche in Italien als Periode von Villanova, im Norden als jüngere Bronzezeit, in Oesterreich als Beginn der Hallstattcultur bekannt ist. Mit der Ausbildung der eisernen Waffen verschwinden sie wie in Hallstatt, wo übrigens nur ein einziges Stück gefunden worden, gänzlich. Sie können daher nicht von langer Dauer gewesen sein, da das Eisen, einmal erkannt, verhältnißmäßig schnell die Waffen und Werkzeuge von Bronze verdrängte 2).
____
1) Dünnhaupt a. a. O. S. 230 Fig 15.
2) A. Lissauer, Der Hausurnenfund von Seddin, Kr. Westpriegnitz. Globus LXVI, Nr. 9.
____
207
Hohlcelte.
Die vollendetste Ausbildung erfahren die Celte in den Hohlcelten. In ihnen konnte der Schaft am sichersten befestigt werden, zumal sie auch meist gehenkelt waren. Diese Form tritt aber schon früher auf, in der 2. Periode nach Montelius. Vier Stück bewahrt das städtische Museum; sie sind in der Umgegend von Helmstedt gefunden. Zwei sind ganz schlicht, nämlich der von Bartensleben (Nr. 468) und ein anderer ohne nähere Fundangabe (Nr. 279). Ein Hohlcelt (Nr. 280) hat oben rings um die Mündung einen Wulst mit zwei Riefen und ist auch an den Seiten gerippt. Ein ausgezeichnetes Stück besitzt das Herzogl. Museum(Nr. 1410). Es ist dem vorigen ähnlich. Die Rippen der dem Henkel gegenüberliegenden Oberseite bilden insgesammt ein herzförmig zugespitztes Blatt (ähnlich dem Blatte des spanischen Flieders oder der Syringe). Dieses Stück stammt vom Regenstein bei Blankenburg und gehört wahrscheinlich mit dem Lappencelte Nr. 1408 zu dem Funde, der ums Jahr 1852 bei einer Klippe von einem Kaninchenjäger gemacht wurde. Siehe Nr. 9 dieser Beiträge.
Ein auf der Feldmark von Jerxheim gefundener (ursprünglich gehenkelter) Hohlcelt kam in die Sammlung des Hernn A. Vasel in Beierstedt.
Diese Hohlcelte finden sich von mannigfachster Form in Skandinavien.
Messer.
Bei oder in einer Urne, die unweit von Bartensleben, östlich von Helmstedt, gefunden wurde, lag ein Bronzemesserchen mit geradem Stiel und S-förmig gebogener Klinge. (Städt. Museum Nr. 469.)
Unter den Messern dieser Art, die Lindenschmit II. Band, VIII. Heft, Tafel 2 abbildet, ist Nr. 11 das ähnlichste. Es ist zu Deilbrück bei Paderborn gefunden. Andere Messer mit geschweifter Klinge und einem Dorne stammen aus Pfahlbauten des Bieler und Neuenburger Sees. Noch andere sind in Baden, Hessen und Hannover gefunden. Müller-Reimers, Alterthümer der Provinz Hannover, Tafel VII, Nr. 59. Messer von Cattenbühl.
In Urnen, die am Langenberge bei Hachum standen, lagen zwei Bronzemesser, die ins städtische Museum gelangten. Nr. 491 ist 6,8 cm lang, die Schneide mißt nur 1,1 cm in der Breite. Der Stiel ist hakenförmig umgebogen. Denn man trug diese, wie unsere Taschenmesser dienenden nützlichen Geräthe, um sie immer zur Hand zu haben, wohl an dünnen Riemen hängend frei am Gürtel 3). Ein ganz ähnliches Messer fand man bei Lübberstedt im Amte Winsen 4).
Das andere Messer (Nr. 492) ist 9,5 cm lang, und die Breite der Klinge beträgt 2,8 cm. Das untere Stück des Griffes, worin sich das Oehr befand, ist abgebrochen. Ein ganz ähnliches Stück kam bei Toppenstedt im Amte Winsen zum Vorschein 5).
Geknöpfelter Ring von Immendorf.
Sammlung des Herzogl. Museums.
Bei Immendorf im Amte Wolfenbüttel wurde einzeln im Acker ein kleiner Ring aufgenommen, dessen Form sonst in unsern Sammlungen noch nicht vertreten ist . Er ist mit 3 Reihen von je 10 Knöpfen oder Warzen besetzt und mißt ohne diese 2,8 cm, mit denselben 3,1 cm im Durchmesser.
Aehnliche Ringe sind hier und da in Deutschland, Böhmen und Ungarn zu Tage gekommen. Aus Neu-Hardenberg im Kreise Lebus besitzt das Museum für Völkerkunde einen geperlten Armring, der ebenfalls 3 Reihen Knöpfe hat. Er gehört der La Tène-Zeit an. Zwei andere, kleinere Ringe stammen aus Ost- oder Westpreußen, der eigentliche Fundort ist unbekannt.
Aehnliche Stücke lieferten die Ausgrabungen in dem befestigten Wohnplatze auf dem Hradischte bei Stradonitz ın Böhmen, der wiederum der La Tène-Zeit angehört. Auch in Hallstatt, Watsch, St. Margarethen und St. Lucia sind solche Warzenringe gefunden 6).
Doch ihr Verbreitungsgebiet erstreckt sich noch weiter nach Osten. Im Museum für Völkerkunde liegt ein Ring, der nur eine Reihe von 5 Knöpfen hat und aus Kaschau in Ungarn stammt.
Mit ganz besonderer Freude begrüßt der suchende Beobachter, der die weiten Säle des genannten Museums durchwandert, ganz ähnliche Stücke aus dem Kaukasus. Da ist aus der Karza-Schlucht ein (offener) Ring mit 3 Reihen von je 6 Warzen, zu dessen Formenkreise ganz unverkennbar auch der Immendorfer Ring gehört.
Diese Ringe wurden nach Szombathy’s Beobachtungen mit Bronzeblechschleifen am Ende eines Riemens befestigt und dienten zum Einhaken des am anderen Ende befindlichen Gürtelhakens.
Fibel von Brunkensen.
(Städtisches Museum Nr. 113.)
Diese eigenthümliche Fibel ist im Forstorte „Alte Hökenburg“ unterhalb des Odenberges bei Brunkensen bei Anlegung eines Wassergrabens gefunden worden. Der Querbalken endigt mit zwei Knöpfen. Der starke, dicke Bügel hat mehrere hohle, vorspringende Knöpfe und Wülste, die mit Linien und Punktkreisen verziert sind. Am rahmenförmigen Fuße befindet sich ein Haken als Nadelraste. Die Nadel selbst fehlt. Die ganze Fibel ist aus einem Stück gegossen. Undset nennt sie S. 231 eine Tène-Fibel und weist auf Fibeln von der kimbrischen Halbinsel hin. Von der Fibel von Brecklum Fig. 122 sagt der genannte Forscher: Wiewohl durch weit getriebene Entwicklung stark verändert, muß sie doch auf den La Tène-Typus zurückgeführt werden. Auch die unter Fig. 136 abgebildete Fibel von der Insel Seeland ist der von Brunkensen sehr ähnlich.
Fibel von Warberg.
(Herzogl. Museum Nr. 1450.)
Diese kleine Gewandnadel fand sich im Gerölle des Baches bei Warberg. Die Sehne läuft unterhalb der Rolle hin, in der ein Stift steckt. Der Bügel erscheint wie ein starker Draht, rundlich im Durchschnitt und ist leicht geschwungen. Die Nabelscheide ist stark verlängert und schräg abwärts geneigt. Undset, der eine ähnliche
____
3) Hostmann, Urnenfriedhof bei Darzau, S. 83.
4) Lindenschmit, Alterthümer u. p. Vorzeit II. Band, Heft III, Tafel 3, Nr. 13.
5) Lindenschmit, a. a. O. Nr. 15.
6) Szombathys Mittheilungen über diese Knopfringe in der Zeitschrift für Ethnologie, Band 23, 1891, Seite 814. Von den dort abgebildeten Ringen ist der unter Nr. 3 dem Immendorfer am ähnlichsten.
____
208
Fibel von Cheine bei Salzwedel bringt, bezeichnet sie als jüngere Entwicklung der römischen bandförmigen Fibel und rechnet sie zu den jüngeren römischen Formen 7). Eine ganz ähnliche Fibel wurde auf dem Urnenfriedhofe von Rebenstorf im Kreise Lüchow gefunden 8).
Weigel, der ähnliche Fibeln in Dahlhausen fand, hält diese Form für ein Wahrzeichen der Völkerwanderungszeit. Er stellt sie in das 4. bis 5. Jahrhundert nach Christo 9). Demnach ist die Warberger Gewandnadel wohl das jüngste vorgeschichtliche Schmuckstück unseres Landes.
Bruchstück eines Hängebeckens aus Bronzeblech.
Fundort angeblich Neilungen.
(Herzogl. Museum Nr. 1579.)
Eine große, tiefe Schale, deren Rand nach innen vorspringt, so daß die Oeffnung im Durchmesser geringer ist , als die größte Ausweitung des Gefäßes. Ringsum ziehen zwei breite Bänder, welche mit jenen eigenartigen Wellenlinien und Ranken verziert sind, wie sie sich auf Gegenständen aus der jüngeren Bronzezeit vorfinden. Durchmesser — 18,5 cm.
Aehnliche Becken befinden sich im Großherzogl. Museum zu Strelitz, in größerer Zahl sind sie in Skandinavien gefunden worden. Montelius vermuthet, daß diese prächtigen Hängegefäße als Lampen in Tempeln oder auch in Wohnstätten gedient hätten 10).
Dies Stück stammt aus dem älteren Bestande des Herzogl. Museums. Im Kataloge ist Neilungen in der Altmark als Fundort angegeben. Hier ist, soweit bekannt, nur einmal ein ähnlicher Fund gemacht worden. Im Jahre 1719 wurde dort eine Bronzeurne ausgegraben, in der sich zwei solche Hängebecken vorfanden. Diesen bedeutsamen Fund hat Keysler sorgfältig beschrieben und in vortrefflicher Weise auf einer Kupfertafel dargestellt 11). Von den beiden Neilunger Schalen ist die hier befindliche verschieden. Dort hat jedes Becken drei Streifen mit jenen Ornamenten, die Keysler treffend mit fließendem Wasser und mit sich fortwälzenden Wolken vergleicht; hier sind nur zwei dieser Bänder vorhanden. Dort ist der Nabel ornamentirt, hier leer.
Die sämmtlichen Fundstücke von Neilungen erhielt Keysler, Bibliothekar und Sekretär des Kriegsrathes Freiherrn von Bernstorff. Er brachte sie nach Gartow, dem Gute der freiherrlichen Familie, das unfern Neilungen im hannoverschen Kreise Lüchow liegt. Nach seinem Tode 1743 ging seine Sammlung in den Besitz der Freiherren von Bernstorff über und sollte dort in Gartow auch beständig anfbewahrt bleiben 12).
Schwerlich stammt also das vorliegende Stück aus Neilungen. Dagegen hat es große Aehnlichkeit mit dem Hängebecken, das ums Jahr 1820 im Elze (einem Hügel südwestlich von Helmstedt) von Arbeitern gefunden und vom Magistratsdirector Bode erworben wurde. Es ist sammt dem Deckel abgebildet in Fig. 9 der Tafel II, die der genannte Sammler seinem Berichte beigegeben hat 13). Obwohl die Urne unbeschädigt ausgehoben wurde, so wurde sie doch sofort zerschlagen, und Bode bekam davon nur die Hälfte. Hier sind denn auch nur zwei Ornamentstreifen vorhanden, die mit denen auf dem fraglichen Stücke große Aehnlichkeit haben. Wahrscheinlich kam die Schale mit den übrigen Gegenständen aus Bode’s Sammlung in das Herzogl. Museum.
Deckel mit Knopf.
(Herzogl. Museum Nr. 1584.)
Eine schildförmig flachgewölbte Scheibe aus Bronzeblech mit fünf erhöhten Hohlrippen als Randverzierung. Auf der erhöhten Mittelscheibe sitzt ein mit strahlenförmigen Linien verzierter Knopf. Stark beschädigt Durchmesser 9,8 cm. Dieses Stück stammt aus dem alten Bestande, sein Fundort ist unbekannt. Allem Anscheine nach ist es der Deckel zu dem Hängebecken Nr. 1579 und würde somit im Elze aufgefunden sein. Es hat große Aehnlichkeit mit dem Deckel, den Bode in Figur 9 abbildet. Nur ist bei dem Fundstücke aus dem Elze der Rand gekerbt, was ich an dem vorliegenden Deckel (freilich immer bei ungünstigem Lichte) nicht erkennen konnte.
Drei Knöpfe
(Herzogl. Museum Nr. 1580— 1582.)
Diese kleinen Zierstücke haben ringsum einen schmalen Rand und sind in der Mitte buckelförmig gewölbt. Auf der Innenseite befindet sich ein leicht gebogener Querstab aus Bronze. Durchmesser 5—5,3 cm. Als Fundort ist im Verzeichnisse Neilungen (?) angegeben.
Wenn meine Ansicht von der Herkunft der Schale sammt dem Deckel sich als richtig erweisen sollte, so wird auch jenes Fragezeichen des Kataloges berechtigt sein. Dann stammen die drei Knöpfe nicht aus Neilungen, sondern gehören vermuthlich auch zum Elzer Funde. Bode sagt nämlich: Noch fanden sich in der Urne drei gleichförmige Geräthschaften von Kupfer, welche wahrscheinlich zur äußern Verzierung des Schildes dienten; denn der Einrichtung nach konnten sie vermittelst eines Riemens befestigt werden 14).
____
7) Undset, Das erste Auftreten des Eisens in Nordeuropa. Tafel XXIII, Fig. 19. Dazu Fig. 191 im Text, S. 233, 490.
8) Müller-Reimers, Alterthümer der Provinz Hannover. Tafel 20, Nr. 189.
9) M. Weigel, Das Gräberfeld von Dahlhausen, S. 22.
10) Lindenschmit, Alterthümer u. h. Vorzeit. III. Heft, 12, 2.
Beltz, Die typischen Formen der vorchristl. Funde in Mecklenburg. Protocolle der Generalversammlung des Gesammtvereins der deutschen Geschichts- und Alterthumsvereine zu Schwerin 1890. Seite 99.
Montelius, Kultur Schwedens, S. 79.
11) J. G. Keysler, Antiqvitates selectae septentrionales et celticae. Hannoverae 1720, pag. 511, Tab. XVII.
12) D. E. Baring, Descriptio Salae principatus Calenbergici oder Beschreibung der Saala im Amt Lauenstein. Lemgo 1744. Band II, 203 u.29.
13) Nachweisung über einige im Herzogthume gemachte Entdeckungen. Kruse, Deutsche Alterthümer Band III Heft 1 u. 2, S. 115.
14) In der Urne befanden sich mehrere Stücke gewundenen Kupferdrahtes und daneben zwei Gegenstände die, nach Bode’s Ansicht, Zubehörungen eines Schildes waren.
____
143
. . .
Neue Funde vom Heese.
Es gewinnt immer mehr den Anschein, daß der Heeseberg zwischen Watenstedt und Jerxheim auch nach der Aufdeckung und Ausbeutung des Urnenfeldes von Beierstedt — anderer Funde hier nicht zu gedenken — noch mehr vorgeschichtliche Schätze an seinen Abhängen birgt. So fanden im vergangenen Winter Arbeiter im Abraume des Müller’schen Steinbruches am Heese ein großes Thongefäß, in dem sich eine napfförmige Urne befand, die wiederum ein kleines Gefäß umschloß, so daß also die 3 Urnen ineinander standen. Das große Gefäß wurde zerschlagen, und die Scherben konnten leider nicht wieder zusammengebracht werden. Ein nachträglich aufgefundenes Bruchstück ist roh, dickwandig und zeigt einige sich unregelmäßig durchkreuzende Einritzungen, die an die Verzierungen auf dem Schalendeckel von Beierstedter Urnenfelde erinnern. Während auch der übrige Inhalt dieses großen Thongefäßes achtlos verschüttet wurde, blieben die beiden kleineren Urnen soweit heil, daß sie alsbald regelrecht wieder zusammengeleimt werden konnten. Das größere dieser beiden Gefäße ist napfförmig, 9,5 cm hoch, 15,5 cm oben breit und hat dicht unterm Rande einen kleinen Buckel oder Dorn. Der untere Theil ist mit flachen Riefen versehen. Das dritte und letzte Gefäß ist ein Becher, 10 cm hoch und 9,5 cm breit. Verzierungen sind gar nicht daran. Beide Stücke
____
144
rettete Herr A. Vasel im Beierstedt und stellte sie in seinen Sammlungen auf.
Außerdem sind am Heese einige Steingeräthe aufgenommen worden. Merkenswerth sind darunter sechs Stücke, welche ganz die Form von Arbeits- und Hausgeräthen haben. Eins sieht aus wie ein Bronzemesser mit halbkreisförmiger Schneide. Ein anderes hat die Form einer Säge aus Feuerstein. Vier andere sind wie kleine Meißel und Beile gestaltet. Das Auffallende bei diesen 6 Fundstücken ist der Umstand, daß das Material, aus dem sie gearbeitet, nicht etwa Feuerstein, Diorit oder sonst ein hartes Gestein ist, sondern man hat dazu den hier anstehenden bunten Sandstein genommen, allermeist den aus vielen kleinen Kugeln bestehenden Rogenstein. Natürlich ist dies Material zu Geräthen, mit denen irgend etwas ausgeführt werden soll, wegen seiner geringen Härte ganz unbrauchbar. Aber was für einen Zweck hatten denn diese Fundstücke? An Grabbeigaben darf man wohl nicht denken, da in den 62 Urnengräbern, die Herr A. Vasel am Heese aufgedeckt hat, kein Stein dieser Art gefunden wurde. Nur in den Skelettgräbern am Sandberge lag ein Reibstein aus jenem Rogenstein, der Spuren des Gebrauchs aufwies. Möglicherweise sind diese Geräthe für Kinder oder von Kindern als Spielzeug angefertigt.
Gleichfalls sind am Heese Spleiße und Späne von Feuerstein gefunden, Arbeitsabfälle oder zerbrochene Stücke. Es ist darunter auch eine 5,1 cm lange Pfeilspitze aus weißem Feuerstein. Es scheint, als wäre hier eine Arbeitsstätte gewesen, auf der die Feuersteine, die zwischen dem Geschiebe und Gerölle lagen, zu Messern und Pfeilspitzen verarbeitet wurden.
Zum Schluß muß auch noch einiger Funde gedacht werden, die Herr Vasel auf dem Haferkampe, seinem eignen Grundstücke, machte. Der Haferkamp liegt südlich von Beierstedt, dicht vor den Wiesen des großen Bruches, war also ehemals selbst Wiese und in alter Zeit zweifellos sumpfiges Gelände. Hier wurden schon wiederholt Urnenscherben gefunden; zuletzt wurde auch ein flacher Napf, 5,5 cm hoch und 14,5 cm breit, aufgenommen. Dies Gefäß hatte unter dem Rande 3 dornähnliche Ansätze oder Knubben, wie man hier zu Lande sagt. Ferner fand sich hier noch eine 4,1 cm lange Peilspitze aus Flint. — Sämmtliche Fundstücke befinden sich jetzt in der Sammlung des Herrn A. Vasel.
Wolfenbüttel. Th. Voges.
____
134
. . .
Beiträge zur Vorgeschichte des Landes Braunschweig 1).
Von Th. Voges.
12. Urnenfelder.
Die Steinkisten vom Oesel und vom Elm, von Beierstedt und Gr.-Biewende gehören der neolithischen Zeit an. Trotz der Zähigkeit aber, mit der sonst Völker an den althergebrachten Sitten und besonders an den Begräbnißgebräuchen hängen, ändert sich doch auch bei uns allmählich die Art und Weise, die Todten der Erde zu übergeben. In der ersten Hälfte des Ietzten Jahrtausends vor Christi Geburt, nach Virchow etwa in der Zeit von 800—600, beginnt man damit, die Leichen zu verbrennen, wie es die Bewohner des Südens längst gethan. Wenn aber jene Steinkisten leider nur vereinzelt angetroffen wurden, so ist die Zahl der Felder, auf denen die Brandreste der Leichen beigesetzt sind, nicht unbedeutend. Von Benzingerode, wo am Fuße der Harzberge die Hünensteine aufragen, von Timmenrode nahe der Teufelsmauer bis hin zur Allerniederung lassen sich die Heidenkirchhöfe und Urnenfelder nachweisen. Allein im nördlichen Theile unseres Landes werden 30 Orte genannt, in deren Nähe solche Begräbnißstätten liegen, und von Zeit zu Zeit werden noch neue entdeckt.
Im südwestlichen Theile sind bislang keine aufgefunden worden. Da aber in Godelheim solche vorhanden sind, da sie sich ferner in Nettlingen und sonst in der Nähe von Hildesheim finden, so werden sie bei einiger Aufmerksamkeit sich auch an der Leine, am Huy und Ith nachweisen lassen.
Soweit sich jetzt übersehen läßt, tritt die Sitte, die Brandreste der Todten zu bestatten, auch bei uns in verschiedener Weise auf. Da ist zunächst in einer Grube aus Steinplatten eine kleine Grabkammer zusammengefügt, die ein oder mehrere Thongefäße enthält. Ein weitbauchiger Topf ist mit den ausgeglühten und zerbrochenen Knochen angefüillt, zwischen denen manchmal kleine Bronze- oder Eisensachen liegen. Daneben steht wohl ein Beigefäß, ein Henkeltöpfchen oder eine Schale. Nachdem die Steinkiste zugedeckt, wurden ringsum und oben darauf Bruchsteine gepackt und dann alles mit Erde beworfen. Ob ursprünglich noch ein kleiner Hügel die Stelle des Grabes kennzeichnete, oder was für ein Erinnerungsmal sonst errichtet war, läßt sich nicht mehr nachweisen. Bis jetzt scheint Beierstedt den einzigen Urnenfriedhof zu haben, wo die Urne so in einer in den Erdboden eingesenkten Steinkiste steht.
An anderen Orten stellten die alten Bewohner die Urne auf den gewachsenen Boden und wölbten dann ohne Weiteres einen Erdhügel darüber. So war es auf dem einen Theile des Heidenkichhofes von Hohenassel 2) Diese Grabhügel, die in Mecklenburg und Pommen Kegelgräber genannt werden, scheinen sich außer dort im Vorholze am längsten auf dem Elme und den benachbarten Höhenzügen erhalten zu haben. Vor 120 Jahren waren sie hier noch recht häufig. Die Gegend um Schöningen, so schrieb damals der Rector Ballenstedt, ist vorzüglich reich an Begräbnißhügeln. In einem Bezirke von wenig Meilen ist fast kein Ort, wo nicht dergleichen Hügel entdeckt sind. Man erinnert sich solcher Menge von alten Denkmälern bei keiner Provinz Niedersachsens. Um Harbke, eine kleine Meile von Schöningen gelegen, trifft man auf dem Timiansberge viele zirkelfömige
____
1) Vgl. Br. Mag. 1896, No. 25, S. 195 ff.
2) Langerfeldt, Die Todtenhügel bei Hohenassel. Br. Magazin 1852, No. 20, Seite 163.
____
135
Hügel mit Urnen und Knochen an. Nicht weit davon im Walde ist eine Anhöhe, der Blauberg genannt; auf diesem sind etliche zwanzig Hügel von regulärer Figur, die am Fuße ihrer Rundung oder um ihren Mittelpunkt mit großen Steinen, in einen Zirkel gestellt, umgeben sind, worin Urnen, Knochen, Asche, Kohlen, Ringe und Instrumente gefunden worden. Unweit des blauen Berges in dem Holze beim Kloster Marienborn erblickt man eine andere Anhöhe mit einer großen Anzahl solcher Begräbnißhügel 3).
So ähnlich waren auch die Hügelgräber gebaut, die der alte würdige Dünnhaupt bei Lelm und Langeleben ausgrub. Auch in Lauingen waren ursprünglich Hügel über den Urnen aufgeworfen. Im Elze sind noch einige Kegelgräber dieser Art vorhanden.
Die große Mehrzahl unserer Urnenfriedhöfe hatte aber weder Steinkisten noch Hügelaufwurf, sondern die Töpfe standen frei in der Erde und bildeten mit vielen andern oft lange Reihen, wie solches z. B. von dem Heidenkirchhofe am Hees bei Drütte bezeugt wird.
Es kommt auch vor, daß die Brandreste gar nicht in eine Urne gethan wurden, sondern man häufte die Knochen und Kohlen sammt der Asche auf der Brandstätte zusammen und errichtete einen Hügel von Erde darüber. So war es z. B. an einer andern Stelle im Walde bei Hohenassel 4).
Von dieser großen Zahl vorchristlicher Todtenstätten ist nun freilich bis jetzt recht wenig mitzutheilen. Sie harren noch ihres Erforschers. Bei einigen erinnert nur der Name „Heidenkirchhof“ daran, daß hier die Alten ihre Ruhestätte gefunden haben. An andern Orten deuten zerstreute Scherben roher Arbeit ein heidnisches Todtenfeld an. Zuweilen kommt da auch eine bunte Perle oder ein grünrostiges Schmuckstück ans Licht des Tages: Gaben, die einst die Hinterbliebenen einem geliebten Verstorbenen mit in die Urne legten. Die älteste Erwähnung solcher Funde finden wir in den Berichten des Pastors Dünnhaupt zu Lelm. Auf dem Heidenkirchhofe zu Grasleben fanden sich „eiserne Ringe, Hefte von Messing und Kupfer, auch blaue durchsichtige Ringe von Schmelzglase“ 5). Zuweilen wird auf solchen Urnenfeldern auch wohl ein Gefäß ausgepflügt, dann aber als vermeintlicher Geldtopf sofort zerschlagen. Auf manchen dieser Stätten haben dann auch Alterthumsfreunde nach Urnen gegraben, nicht um die Erkenntniß der Vorzeit zu fördern, sondern nur um ein paar Töpfe zu gewinnen, einige Bronzenadeln, Eisenfibeln u. dergl. zu bekommen, und wenn ein günstiges Geschick über diesen Funden waltet, gelangen sie wohl in eine öffentliche Sammlung. Freilich, was für geringen Werth haben doch diese einzelnen Sachen, da Fundberichte meist fehlen! Regelrecht erforscht ist, wenn wir von Dünnhaupt’s Arbeiten absehen, nur das Gräberfeld von Beierstedt 6). Die meisten Alterthümer hat außerdem Lauingen geliefert.
13. Das Urnenfeld von Lauingen.
Nordwestlich von Lauingen (unweit Königslutter) erheben sich niedrige Sandhügel, die mit Heide und Fuhren bewachsen sind. Dort liegt der Urnenfriedhof, der sich ganz nach dem Rieseberge hinaufzieht. Große Strecken sind schon unter den Pflug genommen, andere sind noch unberührter Heidegrund. Auf letzterem befanden sich niedrige künstliche Hügel, ungefähr 40 bis 80 cm hoch, welche Urnen enthielten. Auch am Rande der in den Sandboden tief einschneidenden Feldwege traten die Töpfe zu Tage. Hier hat in den Jahren 1868 und 1869 der Abt Thiele und später, bis in die jüngste Zeit hinein, H. Mülter gegraben.
Die Urnen standen frei in der Erde und waren nach Mittheilung eines Augenzeugen mit flachen Schalen aus Thon bedeckt. Es fanden sich oft mehrere Töpfe dicht nebeneinander, schwarz glänzende und roh gebrannte manchmal an gleicher Stelle.
Das Herzogl. Museum besitzt aus Lauingen zwölf Thongefäße (No. 1102—1113), nämlich acht Urnen und vier Schalen. Sämmtliche Stücke sind von brauner Farbe und ganz einfach und schmucklos. Eine napfförmige Urne hat einen knopfartigen Ansatz, eine andere einen Henkel. Die Schalen, von denen die eine einen Schnurhenkel hat, dienten wahrscheinlich als Deckel. Auch das städtische Museum hat sieben Urnen, unter denen No. 520 hervorragt. Sie hat eine Höhe von 70 cm. Die Mündung ist recht groß und hat einen niedrigen senkrechten Rand. An der Umbruchstelle sitzen 4 Schnurhenkel.
Unter den Beigaben finden sich mehrere Fibeln. Das Herzogl. Museum bewahrt eine Bronzespange, No. 1447, bei der die Sehne oberhalb der Drahtrolle, in der ein Stift oder Dorn steckt, hinläuft. Der Fuß des Bügels ist nach vorn umgeschlagen, und dieser aufstrebende Ast ist nicht wieder mit dem Bügel verbunden, sondern endet frei mit einen Doppelknopfe. Zwei ganz ähnliche Bronzefibeln befinden sich noch im Mülter’schen Nachlasse zu Königslutter. In den Windungen steckt als Achse ein Eisendraht, dahinter liegt die Sehne. Auffallend ist, daß der stark gekrümmte Bügel zweimal und zwar nach verschiedenen Richtungen hin durchbohrt ist. Diese beiden Fibeln lagen mit mehreren kleinen Bronzespiralen in einer Urne.
Eine vierte Fibel derselben Art besitzt das städtische Museum No. 403. Diese Bronzefibeln mit oberer Sehne und freiem Schlußstück gehören der Früh-La-Tène-Zeit an.
Außer diesen Bronzespangen sind auf dem Lauinger Urnenfelde auch Eisenfibeln gefunden. No. 589 im städtischen Museum ist eine Fibel, bei der die Sehne vor der Rolle hinläuft und einmal um den Bügel herumgeschlagen ist. Die Nadel ist abgebrochen. No. 591 daselbst ist eine Eisenfibel, deren Fuß vorn heraufgeschlagen und mit dem Bügel verbunden ist. Sie ist ein Kennzeichen der mittleren La Tène-Zeit.
Es haben sich im Lauinger Urnenlager noch andere Beigaben gefunden. Da ist im städtischen Museum ein kleiner Bronzeohrring, No. 436, dessen dünne, kreisrunde Platte mit mehreren concentrischen Streifen geziert ist,
____
3) Ballenstedt, Der erste Versuch über einige Merkwürdigkeiten der braunschweigischen Länder. 1771. S. 5.
4) Langerfeldt, a. a. O., S. 161.
5) Dünnhaupt, Beiträge. S. 238.
6) Die Ausgrabungen zu Beierstedt. Von Th. V. Harzzeitschrift 1894. S. 575.
____
136
während am Rande noch ein Kranz von ganz kleinen Buckeln herumläuft. Der Draht an der Rückseite ist wie ein Bügel stark gekrümmt in Form eines Dreiviertelkreises.
Ferner befinden sich in Mülter's Nachlaß noch einige Schmucknadeln. Die eine ist aus Bronze; am geraden Stifte Gruppen von Einkerbungen. Oben ist ein flacher Knopf. Die zweite ist eine Schwanenhalsnadel, deren Kopf ein Schälchen aus Bronze bildet, deren Stift aber bereits aus Eisen gebildet ist. Bei einer anderen Schwanenhalsnadel fehlt der Kopf. So sehen wir auch hier, wie das Eisen die alten Bronzeformen nachahmt.
Noch liegt da in Königslutter eine seltene Bronzenadel. Der Stift zeigt wieder die Schwanenhals-Ausbiegung. Darauf steht ein Bronzering, der nach den drei freien Seiten hin mit je einem kleineren Ringe verbunden ist, die noch einen kleinen Fortsatz als Schlußstück haben. Eine Nadel dieser Art mit dem interessanten Kopfe ist sonst auf einem brauuschweigischen Urnenfelde noch nicht gefunden worden.
Zu den Lauinger Bronzefunden gehören auch noch einige kleine Spiralen, die bereits oben erwähnt wurden. Aehnliche liegen im Herzogl. Museum No. 1473 und 1474.
An Eisensachen sind noch Fibeln zu erwähnen, die aber durch den Rost ganz unkenntlich geworden sind, ferner Haken und Ringe. Ein zerbrochenes und verrostetes Eisenstück hat eine Bronzekugel mit einem winzigen Kettchen daran.
In einer großen Urne, die aber zerfallen ist, lagen auf den Knochen sechs verschiedene eiserne Sachen, darunter auffallender Weise ein Pferdezaum und sonst noch Ringe, die zweifelsohne zum Pferdegeschirr gehörten; ferner ein Gürtelhaken und ein Messer, zuletzt noch das Bruchstück eines Hakens mit einem Bronzeknopfe. Das Messer hat einen Dorn und einen geraden Rücken. Jener Zaum erinnert an das Wort des Tacitus: Jedem werden seine Waffen, einigen auch ihr Roß in das Feuer mitgegeben.
Unter den sonstigen Kleinigkeiten von Lauingen mögen noch genannt werden Schaber und Messer von Feuerstein und eine blaue Perle mit gelben Auge.
Aus welcher Zeit stammt nun das Urnenfeld von Lauingen? Das zu bestimmen kann bei der geringen Zahl der erhaltenen Fundstücke nur als ein Versuch bezeichnet werden. Zweifellos ist es später als Beierstedt. Dort am Heese finden sich noch sorgfältig erbaute Kämmerchen mit Steinen umpackt, hier am Rieseberge stehen die Urnen frei in der Erde, ehemals, wie es heißt, von Hügeln bedeckt. Mancher Lauinger Fund erinnert noch an Beierstedt. So findet sich hier wie dort die lange, gerade Bronzenadel. Beiden Urnenfeldern gemeinsam sind auch die Schwanenhalsnadeln mit schalenförmig gehöhltem Knopfe. Aber während sie am Heese noch ganz aus Bronze gefertigt sind, ist am Rieseberge der Stift bereits aus Eisen. Doch hat Beierstedt freilich auch Schwanenhalsnadeln mit einfacherem Knopfe ganz aus Eisen.
Größer ist der Unterschied in Bezug auf die Fibeln. Im Beierstebt ist noch gar keine Fibel gefunden. In Lauingen dagegen treten Bronzefibeln mit freiem Endstück auf neben solchen mit verbundenem Fuße. Während jene, wie bereits bemerkt, der Früh-La-Tène-Zeit angehören, bezeichnen letztere die Mittel-La Tène-Zeit. Auch der eiserne Gürtelhaken mit den Bronzeknöpfen weist auf diese Zeit hin.
Wenn somit Lauingen jünger ist als Beierstedt, so ist es wiederum älter als Watenstedt; denn hier finden sich bereits Armbrustfibeln, die der römischen Zeit zugeschrieben werden. (Fortsetzung folgt)
____
141
. . .
Beiträge zur Vorgeschichte des Landes Braunschweig. Von Th. Voges.
(Fortsetzung.)
14. Die Steinkiste von Jerchau-Kuhfelde.
Auf der Feldmark des untergegangenen Dorfes Ferchau bei Kuhfelde, zwei Stunden von Salzwedel in der Altmark, wurde eine Steinkiste aufgedeckt, welche eine Aschenurne enthielt, in der außer einen Feuersteinkeil eine Spirale und eine Fibel von Bronze lagen. Die Urne ist zertrümmert, die Beigaben befinden sich jetzt im städtischen Museum zu Braunschweig, und aus diesem Grunde möchte es wohl gestattet sein, die Gegenstände hier kurz anzuführen.
Die Bronzespirale (No. 102) hat bei 8 cm Durchmesser neun bis zehn Windungen. Der Durchschnitt des starken Drahtes ist rautenförmig, das Endstück ist verbreitert urıd mit eingekerbten Strichornamenten verziert; sonst ist der Rücken nur regelmäßig eingekerbt.
Die Bronzefibel (No. 103) ist ein ganz seltener Gegenstand, ein hohler, länglichrunder Körper, 11 cm lang, von einem Querdurchschnitt, der weder rein quadratisch, noch rein kreisrund ist. Die Form dieser Fibel erinnert am ehesten an die länglichen Perlen in der Schnur, die unter dem sog. römischen Eierstabe hinläuft. Rückwärts ist das Stück schlitzartig offen, und hier springen zwei Oesen vor, deren Löcher mit den Oeffnungen an den Enden des Körpers in einer Richtung stehen. Auch außen sitzen an einer Seite zwei Oesen. Von oben bis unten ziehen sich etwas vortretende Riefen hin, die eingekerbt sind. Zwischen den äußeren Oesen dagegen zeigen sich parallele Linien mit ausgezogenen und punktirten Halbkreisen. Undset nennt es ein merkwürdiges Stück gegossener Bronze, das an den Bügel gewisser italischen Fibeln erinnert 1).
Montelius hält es nicht für eine Fibel. Seiner Meinung nach ist es eine Dose oder Schachtel, deren Deckel fehlt. Letzterer ist offenbar durch eine Stange festgehalten gewesen, welche durch die Oesen ging. Das Geräth war zum Aufhängen bestimmt. Es stammt wahrscheinlich aus der fünften Periode der Bronzezeit 2) Montelius rechnet dieselbe von 750 bis 550 vor Chr.
15. Urnen vom Schwarzen Berge bei Helmstedt.
Nordwestlich von Helmstedt liegt rechts von der nach Emmerstedt führenden Landstraße der Schwarze Berg. Hier wurden im Jahre 1824 zufällig mehrere Urnen gefunden. Der Stadtdirector Bode aus Braunschweig stellte darauf Nachgrabungen an und förderte weitere zehn Urnen zu Tage 3). Diese waren zum Theil schon in der Erde verletzt, doch gelang es ihm, mehrere derselben unbeschädigt herauszunehmen. Sie hatten gleiche Form, aber verschiedene Größe. Der untere Theil war bauchig gewölbt, der obere Rand etwas verbreitert. Kein Gefäß hatte Verzierungen. Alle waren mit platten Deckeln verschlossen, nur eine Urne war mit einem umgekehrt darauf gesetzten Napfe zugedeckt. Der Inhalt bestand aus Knochen, Asche und Sand. Vier Gefäße enthielten an Beigaben aus Bronze und Eisen fünf Gegenstände.
1. Eine Fibel mit ovalem Bügel. Sie ist kahnähnlich gewölbt und mit zwölf Punktkreisen verziert. Der Fuß ist nach vorn in die Höhe geschlagen, mit dem Bügel verbunden und hat am Ende zwei Knöpfe übereinander. Feder und Nabel sind von Eisen und stark vom Rost angegriffen. Diese Spange darf wohl der mittleren La Tène-Zeit zugewiesen werden. (Herzogl. Museum No. 1452.) Siehe Undset, Eisen, S. 231.
2. Eine Bronzefibel. Bügel schmal, drahtähnlich. Der Fuß mit Doppelknopf nach vorn vorgeschlagen, frei
____
1) Undset, Das erste Auftreten des Eisens in Nordeuropa, S. 231. Er weist dabei auf die Zeitschrift für Ethnologie VII, Verhandl. S. 148, Taf. X hin, doch war mir diese nicht zugänglich.
2) Gütige briefliche Mittheilung des Herrn Professor Dr. O. Montelius.
3) Bode, Nachweisung über einige im Herzogthume Braunschweig in der Gegend von Helmstedt gemachte antiquarische Entdeckungen, in: Kruse, Deutsche Alterthümer, Band III. Halle 1828. Seite 115.
____
142
endigend. Früh-La Tène. (Herzogl. Museum No. 1448.) Sie hat große Aehnlichkeit mit der daneben liegenden Fibel No. 1447 aus Lauingen.
3. Eine Fibel von Eisendraht, vom Roste zum Theil schon aufgelöst. Der Fuß ist umgeschlagen und um den mittleren Theil des Bügels gewickelt.
4. „Ein Halsschmuck von einer künstlich geformten steinartigen Masse an einer kupfernen Kette befestigt. Tafel II, Fig. 5“. Nähere Mittheilungen können nicht gemacht werden, da dies Stück sich nicht auffinden ließ 4).
5. Ein großer, fast kreisrunder, offener Halsring aus Eisen, zu drei Viertheilen von einer Bronzehülse umschlossen. Ein Stück dieser Hülse, etwa ein Viertel, zeigt abwechselnd größere und kleinere Wulste. Durchmesser 20 cm. (Herzogl. Museum No. 1606.)
16. Die Todtenhügel bei Hohenassel.
Westlich von dem Dorfe Hohenassel im Amte Salder liegt ein Wald, darin ist ein „Heidenkirchhof“ mit zahlreichen Grabhügeln. In den Jahren 1850 — 1852 veranstaltete Herm. Langerfeldt, damals Forstgehülfe in Hohenassel, hier an zwei verschiedenen Stellen Ausgrabungen 5). Von den an dem ersten Orte befindlichen 65 Hügeln ließ er 10 öffnen. Sie zeigten eine von den übrigen braunschweigischen Gräberfeldern ganz abweichende Bestattungsweise. Diese Hügel waren 0,50 m bis 2,30 m hoch und hatten 3,40 m bis 8,50 m Durchmesser. In der Mitte derselben fand sich auf der Sohle weder eine Steinkiste, noch eine Graburne, vielmehr traf Langerfeldt hier eine Anhäufung von verbrannten Knochenresten, Asche und Kohlen. Die Gesammtmenge der Knochen bewies, daß sie nur je einem menschlichen Körper angehört hatten. Unter der Sohle der Hügel zeigte sich die Erde wie von der Hitze des Feuers aufgerissen. Aus der Lage der Knochenreste und der Asche schien hervorzugehen, daß die Körper der Verstorbenen hier an Ort und Stelle verbrannt, die Reste des Scheiterhaufens zusammengehäufelt umd darüber der Erdhügel aufgeworfen sei. In einem Hügel lagen in dem Brandhäufchen drei nagelähnliche Stückchen Eisen von 2,4 cm Länge. In einigen anderen Hügeln fanden sich rostzerfressene Eisenstücke, vielleicht die Reste einer Messerklinge. Einmal lag zwischen den Knochen „das Bruchstück eines Eisendrahtgeflechtes in drei etwa 2,4 cm weiten Bronzeringen von starkem Draht“.
Ein Hügel dieser Gruppe enthielt Reste von unverbrannten Knochen und ein Schädelstück.
Die Zeit, aus der diese Grabhügel mit den Brandhäufchen stammen, läßt sich, bevor nicht weitere sorgfältige Ausgrabungen veranstaltet sind, nicht feststellen. In Scandinavien trifft man bereits am Schluß der Bronzezeit hin und wieder Gräber, welche auch nur aus Ansammlungen gebrannter Knochenreste bestehen, die in einer Grube liegen und nur von einem flachen Steine bedeckt sind. Diese Gräber, im Norden Brandpletter genannt, gehen auch noch bis in die Eisenzeit hinein 6)
In Ostpreußen, wo die Brandhäufchen, wie in Schweden, ebenfalls in einer Grube liegen, erscheint diese Art der Beisetzung im 3. Jahrhundert nach Chr. und zieht sich dann bis ins 5. Jahrhundert hinein 7).
An einer andern Stelle des Buchenwaldes von Hohenassel zählte Langerfeldt 120 Hügel. Diese waren unbedeutender als die erstbeschriebenen, etwa 0,50 m bis 0,75 m hoch, aber von 5 bis 11 m Durchmesser. Er öffnete deren acht und fand in jedem auf der Sohle einen Aschenkrug. Diese Gefäße waren von verschiedener Form und Herstellung, manche schlicht, andere mit „Mäandern und Zeichnungen verziert, anscheinend ein umgelegtes Flechtwerk nachahmend“.
Da die Gefäße nicht mehr vorhanden sind, so ist dieser Hinweis auf die Muster von Werth 8). Töpfe mit dem Mäanderornament fanden sich auf dem Urnenfriedhofe zu Darzau, der nach Hostmann in die Zeit von etwa 50 nach Chr. bis 250 fällt, und sind für die ältere römische Periode charakteristisch.
Das Gewicht der in einer solchen Urne enthaltenen Knochen und Aschenreste schwankte zwischen 1½ bis 2 Pfund. Dazwischen lagen hin und wieder kleine Knochenplättchen mit concentrischen Kreisen und gleich laufenden Linien. Aehnliche verzierte Knochenstückchen fand Dünnhaupt in einigen Urnen von Lelm-Langeleben 9). Auch Hostmann traf solche bei Darzau. Es sind wohl Bruchstücke von Kämmen 10).
An Metallsachen fand Langerfeldt in den 8 Gefäßen nur ein sehr kleines Bruchstück eines Bronzedrahtes.
So sind auch hier, ähnlich wie in Lelm und anderen Urnenlagern, nur dürftige und geringfügige Beigabe vorhanden. Vielleicht waren die Waldleute hier im Vorholze wie dort auf dem Elme schlichte, einfache Menschen, die nicht viel Schmuck und Zierrath besaßen. Doch findet sich dereinst wohl noch mehr; geht doch die Sage, daß hier auf dem Heidenkirchhofe in einem jene Hügel ein goldener Wagen verborgen sei! Da aber Ausgrabungen an andern Orten nicht selten die Wahrheit solcher Ueberlieferungen bezeugt haben, so ist diese Sage auch hier nicht so ohne Weiteres von der Hand zu weisen. Nicht unmöglich ist es, daß in diesen Hügeln, wenn auch kein goldenes Geräth, so doch ein werthvoller prähistorischer Schatz verborgen liegt.
17. Der Urnenfriedhof von Lelm-Langeleben.
Die nach den Dörfern Lelm und Langeleben in den beiden Museen zu Braunschweig bezeichneten Urnen stammen von ein und demselben Platze her. Lelm liegt
____
4) Wie sich später herausgestellt hat, bestand dieser Gegenstand aus mehreren bunt emaillirten Glasperlen, die mit einer kleinen Bronzekette zusammengebackt waren. P. J. Meier, Die Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Helmstedt. S. 119.
5) C. H. Langerfeldt, Die Todtenhügel bei Hohenassel. Braunschw. Magazin 1852, Stück 20.
6) Montelius, Kultur Schwedens, S. 81, 91-93.
7) O. Tischler, Katalog der prähistor. Ausstellung zu Berlin, S. 400.
8) Langerfeldt brachte die ausgegrabenen und mühevoll zusammengeleimten Urnen in die Capelle von Hohenassel. Hier standen sie längere Zeit, dann wurden sie von Dachdeckern und andern Arbeitern zerschlagen.
9) Dünnhaupt, Beiträge. Fig. 15.
10) Hostmann, Urnenfriedhof von Darzau, Tafel Xl, Fig. 15.
____
143
an der Ostseite des Elmes, jetzt eine Strecke von Walde entfernt, Langeleben noch nicht 3 km weiter westlich, ziemlich auf der Höhe und ringsum vom Walde umgeben. Der Urnenfriedhof liegt eine Viertelstunde Weges südwestlich von Lelm auf einer allmählich ansteigenden Höhe im „Alten Haine“. Die hier gefundenen Urnen werden nach dem Dorfe Lelm benannt, weil hier in den siebenziger Jahren des vorigen Jahrhunderts der alte Pastor Johann Christian Dünnhaupt 11) zu Lelm zuerst Urnen gegraben hat. Er war der erste Mann im Lande, der den Spaten in die Hand nahm, um durch sorgfältige Arbeit die Alterthümer, die der Boden barg, ans Tageslicht zu fördern. Ueber die Ergebnisse seiner eifrigen Thätigkeit berichtete er in seinem Buche: Beiträge zur Deutschen Niedersächsischen Geschichte und deren Alterthümern. Helmstedt 1778. Aus dem 10. Capitel dieses Werkes sind die folgenden Mittheilungen zusammengestellt.
Die Grabstätte von Lelm und Langeleben war schon an den Hügeln wahrzunehmen. Um den Unerfahrenen ein Bild davon zu geben, gebraucht Dünnhaupt ein Gleichniß. Man nehme, so sagt er, in Gedanken verschiedene halbe Kugeln, stelle sie mit der flachen Seite auf eine Ebene, drei, fünf oder mehr Schritte von einander. In solchen gewölbten Hügeln, die etwa 2 bis 3,40 m Durchmesser und, damals noch, kaum 60 cm Höhe hatten, standen die Urnen. Drei Hügel waren etwas höher. Die Erde derselben war bei allen locker, meist auch von anderer Farbe. In den Hügeln standen die Urnen ganz frei, kaum 57 cm tief. Nur einmal fand Dünnhanpt eine Schale, welche in einem durch vier ziemlich große unbehauene Steine gebildeten Raume stand. Nicht immer befand sich die Urne in der Mitte des Hügels, bald gegen Westen, bald gegen Süden und wo man sie nicht vermuthete. In einem besonders großen Hügel, der fast 90 cm hoch war und einen Durchmesser von 4,5 m hatte, war die Mitte leer. Dagegen stand am Außenrande an der Südseite und beinahe am Fuße eine kleine, schwarze Urne und anderthalb Meter weiter gegen Westen, noch in demselben Hügel, eine zweite ähnliche. In jener Urne lag auf zarten Knöchelchen — eine Seltenheit — eine Knochenscheibe. Auch noch ein anderer ansehnlicher Hügel, der Vorzügliches zu versprechen schien, erwies sich in der Mitte Ieer, und wieder kamen dann beinahe am Fuße des Hügels an seiner Südseite zwei Urnen zum Vorschein.
Die Größe der Urnen ist sehr ungleich. Jene, worin die Knochenscheibe lag, ist nur 9,5 cm hoch. Die größte, die Dünnhaupt gefunden, war 19 cm hoch. Auch an Form und Gestalt sind sie sehr verschieden. „Etliche haben einen weiten Bauch und gehen kugelförmig zu. Andere haben einen breiten Fuß. Wiederum andere einen übergebogenen Hals oder Rand“. Keine einzige hatte einen Deckel, Henkel oder Handhabe. Eine Urne war ganz flach, kaum 9,5 cm hoch, hatte aber 24 cm im Durchmesser. Sie ging unten so spitz zu, daß man sie nicht hinstellen konnte und befand sich darum auch, wie schon bemerkt, zwischen vier unbehauenen Steinen (Es ist wahrscheinlich eine jener flachen Schalen, womit die Urnen an anderen Orten, z. B. in Lauingen und Beierstedt, zugedeckt waren.)
Auch der Farbe nach sind die Urnen sehr verschieden. Einige sind schwarz, und dies sind die seltensten und besten, die auch mit vielen Strichen und Linien gezeichnet sind. Wenn man sie mit einem nassen Pinsel bestreicht, so geben sie eine recht glänzende Schwärze von sich. Sie sind alsdann anzusehen, als wären sie glasirt oder mit einem schwarzen Firniß überzogen. Andere sind eisenfarbig und außen rauh. Dünnhaupt meint, der Thon dieser Gefäße sei mit Hammerschlag oder Eisenglätte vermischt worden. (Zweifellos sind dies Urnen, zu denen der Thon mit Quarzkörnern und Glimmerstückchen vermengt wurde.) Noch andere sind braun, und darunter sind die dicksten und stärksten. Die röthlichen und gelben Gefäße sind die schlechtesten und gebrechlichsten.
Was die Ornamente anbetrifft, so äußert Dünnhaupt gelegentlich, daß dieser oder jener Topf mit Linien oder Reifen, Strichen und Grübchen verziert sei. Ein andermal spricht er von kreuzförmigen Linien und von Grübchen in Gestalt eines Dreiecks. Auf der von seinem Sohne gezeichneten Tafel, die dem Buche angehängt ist, haben einige Gefäße wagerecht umlaufende Linien, Zickzackbänder, regelmäßig wiederkehrende Gruppen von vertieften Punkten, Grübchen und Sternen.
Der Inhalt der Urne bestand in Asche, Erde und Knochen. Beigaben aus den Urnen von Lelm-Langeleben sind nicht vorhanden. Der Pastor Dünnhaupt sagt darüber: Es wurde mir mitgetheilt, daß man in den Urnen vom Heidenkirchhofe bei Grasleben eiserne Ringe, Hefte von Messing und Kupfer, auch blaue durchsichtige Ringe von Schmelzglas finde. „Von dergleichen Sachen ist in meinen Urnen nichts befindlich. Die ausgeworfene Erde habe ich mit allem Fleiße durchsucht, auch unter dem Stand der Urnen, in der sogenannten wilden Erde, etliche Fuß tief graben lassen; aber ich habe in keinem einzigen Hügel das Geringste angetroffen“ 12). Doch müssen hier zwei Gegenstände erwähnt werden, die er beschrieben hat und auch auf der angehängten Tafel unter Fig. 15 darstellen ließ. In einer Urne, die etwa 10 cm hoch war, fand sich ein wenig Asche vermischt mit einigen zarten Knöchelchen und darin lag auch, wie bereits bemerkt, eine zerbrochene Knochenscheibe mit concentrischen Ringen. Auf einem Reifen am Rande standen 16 Punktkreise. Diese Scheibe war so dick wie etwa der Rücken von einer starken Messerklinge und hatte, nach der Zeichnung, 2,4 cm Durchmesser. Dergleichen zerbrochene Stückchen fanden sich auch noch in einigen größeren Urnen.
In einem niedrigen Hügel stand eine besonders schöne, schwarzglänzende Urne, aus feingeschlemmtem Thone gemacht. Darin lag eine etwas gekrümmte Bronzeröhre 4,5 cm lang, die in der Mitte der Länge nach aufgeschlitzt war. Sie ist dem Anscheine nach (Fig. 13) nicht gegossen, sondern aus Bronzeblech zusammengebogen, vielleicht das Bruchstück eines großen Ringes 13).
____
11) Vgl. über ihn Braunschw. Magazin 1895, S. 41 f.
12) A. a. O., S. 238, 236.
13) Ein ganz ähnliches Stück lag in einer Urne von Darzau. (Hostmann, Urnenfriedhof Tafel XI, 18.) Ein anderes bildet Undset ab, das von einem Begräbnißplatze in Posen stammt. Er bezeichnet es als Bruchtheil von einem Bronzeringe und weist es der La Tène-Zeit zu. (Das erste Auftreten des Eisens. Tafel XII, 27. S. 90.)
____
144
In einem Hügel entdeckte der sorgsame Forscher außer der Urne zweierlei Farben, eine die fahl war, aber etwas ins Helle fiel, die andere roth. Von dieser wurde zu Hause eine Probe gemacht, Holz zu färben, die sehr gut ausfiel.
Soweit die Nachrichten, die Dünnhaupt in seinem Werke mittheilt. Wo sind nun diese Urnen geblieben? Vielleicht haben sie das Schicksal so mancher andern Privatsammlung getheilt. Die Gegenstände, die mit so lebhaften Eifer, mit so großer Mühe zusammengebracht waren, bildeten einen sorgfältig behüteten und mit Stolz gezeigten Schatz ihres Besitzers. Den Erben aber, wenn auch von ihnen zunächst als theueres Andenken noch bewahrt, standen sie bald im Wege. Hier und da bekam wohl ein lieber Bekannter ein Stück geschenkt, bei einem Umzuge wurden sie bei Seite gestellt, vielleicht auch verkauft, und zuletzt verfielen die Urnen dem Schicksal aller Töpfe: sie zerbrachen.
Eine schwärzliche Urne, die an der Südseite eines ansehnlichen Hügels stand, kam nachgehends, wie Dünnhaupt S. 231 berichtet, nebst anderen in das Fürstl. Naturalien-Cabinet zu Braunschweig. In der That besitzt das Herzogliche Museum vier Urnen, die von Lelm-Langeleben stammen. Alle vier sind napfförnig, von geringer Standfläche, aber von weiter Oeffnung. No. 1351 ist schwärzlichgrau und gänzlich unverziert. Die unter No. 1114 und 1116 verzeichneten sind hellgrau und haben am Halse zwei ringsum laufende parallele Linien. Die schönste Urne ist No. 1115. Sie ist schwärzlich, am Halse bilden schräggestellte Doppellinien ein breites Zickzackband, darunter zieht sich um die Schulter herum ein Streifen, der in regelmäßigen Zwischenräumen Gruppen von drei Grübchen aufweist. Dies Gefäß enthält auch noch den ursprünglichen Inhalt.
Später hat dann Hans Mülter 14), damals Besitzer der Mühle zu Erkerode, hier gegraben und die gefundenen Urnen nach dem Dörfchen Langeleben benannt. Er berichtet darüber in seinem Skizzenbuche: Das schon durch den Pastor Dünnhaupt zu Lelm vor mehr als hundert Jahren bekannt gewordene Urnenfeld zu Langeleben liefert bei genauer Nachforschung immer noch ansehnliche Resultate. Die dortigen Hügel, deren Zahl hundert weit übersteigt, sind sämtlich aufgegraben, allein zwischen den Hügeln in der flachen Erde sind Urnen noch massenhaft zu finden. Wie lange Jahrhunderte mag diese Stelle, „der alte Hain“ genannt, zum Begräbnißplatze gedient haben!
Mülter bringt dann zwölf Zeichnungen von Urnen, nach denen man schließen darf, daß die Gefäße der La Tène-Zeit angehören. Neun sind napfförmig, die andern gleichen mehr Töpfen. Einige sind gänzlich unverziert, andere haben nur etliche Linien und Streifen ringsum, noch andere zeigen senkrechte, muldenartige Vertiefungen oder Striche mit Punkten.
Unter den im städtischen Museum befindlichen Gefäßen, die von Lelm-Langeleben herrühren, sind besonders zwei merkenswerth. No. 534 ist napfförmig, mit flachen, muldenartigen Vertiefungen. No. 784, von hellgrauer Farbe, hat längliche Buckeln, zwischen denen schmale, streifenartige Erhöhungen sind. Es ist wohl das schönste Stück von dieser Fundstätte.
In einer Urne fand Hans Mülter ein Knochenstückchen mit vier Gruppen von concentrischen Kreisen. Aehnliche Stückchen lagen in den Darzauer Urnen, sie erwiesen sich hier als Theile von Haarkämmen 15).
(Fortsetzung folgt.)
____
14) Vgl. über ihn Br. Mag. 1895, S. 43.
15) Chr. Hostmann, der Urnenfriedhof bei Darzau. Tafel XI, 15. S. 109.
____
151
. . .
Beiträge zur Vorgeschichte des Landes Braunschweig. Von Th. Voges. (Fortsetzung.)
18. Einzelfunde vom Olla und vom St. Annenberge.
Am Olla, nördlich von Eilum, sind häufig beim Sand- und Grandgraben Aschenkrüge gefunden. Anscheinend finden sie sich ohne alle Ordnung, bald näher, bald entfernter von einander. Nach Form und Größe sind sie sehr verschieden, außer eigentlichen Urnen kommen Näpfe und Krüge oder Flaschen vor. Einige sind ohne jede Verzierung, andere zeigen Kreise, herabhängende Bögen und Bänder. Sie enthielten schwarzgraue, weiche Erde und verbrannte Knochen. Schmucksachen oder Geräthe sollen sich in ihnen nie vorgefunden haben 1).
Die meisten dieser Urnen sind zertrümmert. Mitunter wurden sie an Polterabenden als sog. Klapppötte verwendet. Diejenige, welche im städtischen Museum steht, scheint die einzige zu sein, die gerettet wurde (No. 522). Es ist ein Napf von 16 cm Höhe. Der untere Theil ist ausgebaucht. Der Hals steigt senkrecht auf. Ueber der Umbruchstelle läuft ein breites Zickzackband hin, aus dessen unteren Winkeln kurze, senkrechte Streifen aufsteigen.
Außer den Urnen fanden sich hier auch noch Skelette.
Die Vermuthung mancher Freunde der Vorgeschichte, daß der St. Annenberg bei Helmstedt, der die Lübbensteine trägt, auch noch allerlei uralte Waffen und Werkzeuge berge, ist bestätigt worden. So wurde hier eine durchbohrte Axt von Grünstein ausgegraben, deren Bahnende fast schneideförmig zugespitzt ist. Dies Stück kam in den Besitz des Herrn Jerôme von Bosse zu Braunschweig 2).
In der Grandgrube, die jetzt am Südende des Berges angelegt ist, fand sich eine Lanzenspitze aus Feuerstein, die ein Lehrer an der landwirthschaftlichen Schule in Helmstedt erwarb.
Unweit der Lübbensteine ist auch vor Jahren die Klinge eines Bronzeschwertes zum Vorschein gekommeı. Hans Mülter, der davon gehört hatte, sah sie in den Händen von Kindern, die damit in Helmstedt auf der Straße spielten, und erwarb sie. Sie ist jetzt im städtischen Museum (No. 465).
In jener Grandgrube sind zu verschiedenen Zeiten auch drei Urnen gefunden. Eine wurde zertrümmert, die beiden andern sind erhalten und befinden sich noch in Helmstedt.
19. Die Funde im Hainholze bei Helmstedt.
Im Hainholze, einer Waldung östlich von Helmstedt, fand sich vormals eine große Zahl wohlerhaltener Grabhügel, die zum Theil über 1 m hoch waren. Im Jahre 1825 öffnete der Stadtdirector Bode aus Braunschweig drei solcher Hügel. Sie enthielten nach seinem Bericht eine Steinkammer, worin die Urnen standen 3). Auf dem Grunde lagen große Steinplatten. Mehrere Steine (in der beigegebenen Abbildung sind es sechs) von regelmäßiger Form bildeten eine Kammer, welche wieder von Platten bedeckt war. Die Urnen waren ganz zerfallen. Einige Scherben zeigten Verzierungen. An Beigaben fand sich nur eine Bronzenadel. Dies ist wahrscheinlich die unter No. 1559 in Herzogl. Museum befindliche Nadel, die am obern Ende drei durch Hohlkehlen verbundene Wulste hat und fein eingeritzte Querlinien zeigt.
Die Ausgrabung förderte aber noch einen bedeutsamen Fund ans Tageslicht. Als nämlich eine der Steinkammern ganz zerstört und auch der Grundstein hinweggenommen war, fand man hier die Reste eines menschlichen Gerippes, einen großen Theil des Schädels, der Arm- und Beinknochen, an welchen keine Spuren der Verbrennung bemerkt wurden. Neben den Schädel fanden sich zwei Fibeln von Silber, und zwar lagen sie so, daß sie wahrscheinlich als Ohrgehänge gedient hatten. Nach der beigegebenen Abbildung zu schließen, haben beide Spangen gleiche Form. Es sind sog. Wendenspangen, wie sie, aus Bronze gearbeitet, in den germanischen Begräbnißstellen des nordwestlichen Deutschlands am häufigsten vorkommen. Aus Silber fand sich in Niedersachsen eine solche Fibel nur noch im Urnenfriedhof von Darzau. Das älteste Stück einer Wendenspange lag zu Xanten in einem Grabe, das aus der Zeit des Kaisers Tiberius (14—37) stammt. In unseren Gegenden treten gegen Ende des 1. Jahrhunderts diese Fibeln auf.
In Jütland werden sie zusammen mit römischen Sachen gefunden 4).
Es ist wohl nicht daran zu zweifeln, daß die bandförmige Fibel, welche unter No. 1457 in Herzogl. Museum aufbewahrt wird, eine der beiden Spangen ist, die Bode 1825 ausgrub. Wenigstens hat sie große Aehnlichkeit mit der Fibel 8b auf Tafel II des Berichtes. Nur ist sie nicht aus Silber, sondern, da sie
____
1) Hilmar v. Strombeck, Funde von Alterthümern im Braunschweigischen. Zeitschrift des histor. Vereins für Niedersachsen. 1864. S. 355.
Mittheilungen in H. Mülter’s Skizzenbuche im städtischen Museum.
2) Schiller, Fundstätten vorchristlicher Alterthümer.
3) Kruse, Deutsche Alterthümer. Band III. Halle 1828, S. 118.
4) Chr. Hostmann, Der Urnenfriedhof bei Darzau. S. 63—67. Tafel VIII Fig. 8.
____
152
ganz mit grünen Roste bedeckt ist, aus Bronze. Dieser Fund ist aber darum so bedeutsam, weil durch die Fibel klargelegt wird, daß in unseren Gegenden um’s Jahr 100 nach Chr. Geb. nicht ausschließlich der Leichenbrand herrschte, sondern daß auch die Todten hier und da noch nach der alten Weise begraben wurden.
20. Einzelfunde aus römischer Zeit.
Es ist wohl nicht anzunehmen, daß jemals römisches Kriegsvolk durch die nordharzischen Vorlande gezogen ist. Wohin aber die Cohorten ihren Fuß nicht setzten, da stellten sich doch die römischen Händler ein. Durch Wälder und Furthen kamen sie mit ihrem Maulthier und Karren und brachten den Bewohnern die Erzeugnisse der Werkstätten, die in den Provinzen am Rhein oder an der Donau standen. Manches Geräth freilich, mancher Schmuck mag auch als Beutestück in die Heimath gelangt sein. Vereinzelt sind im Lande Braunschweig hier und da solche römische Gegenstände an’s Tageslicht gekommen. So befindet sich im Herzogl. Museum ein römischer Löffel, No. 1572. Als Fundort ist Blankenburg-Benzingerode angegeben. Die Schale ist sehr flach, vorn rund, das zugespitzte Ende liegt etwas unter dem Stiele, der hier ein Knie bildet. Länge 14 cm. Ein ganz ähnlich geformter Löffel aus Silber ist in Mainz gefunden worden 5).
Zu den fremden Erzeugnissen, die unsere Vorfahren von den wandernden Händlern eintauschten oder verkauften, gehören auch die Kämme. Bei der geringen Breite der Knochen konnten sie nur schmal und lang sein, oder sie waren aus mehreren Stücken zusammengenietet. Von jener Art sind zwei Stück vorhanden, die bei Helmstedt und bei Schöningen gefunden wurden. (Herzogl. Museum, Antiken-Sammlung No. 1284 u. 709.) Sie bilden schmale Rechtecke mit 6 und 9 langen Spitzen, der obere, nicht zerschnittene Theil ist durchbohrt.
Ganz ähnliche Kämme lagen zu Mainz unter römischem Bauschutt und mit römischen Geräthen zusammen. Andere wurden in Rheinhessen und in Würzburg gefunden 6).
Je länger, je mehr verbreitete sich auch im innern Deutschland das Geld. In unseren Museen und in den Sammlungen der Münzfreunde sind zahlreiche römische Stücke vorhanden, aber selten ist angegeben, wo und unter welchen Umständen dieselben aufgenommen wurden. Von den sicher bezeugten Funden seien hier folgende angeführt.
Im Jahre 1875 fand eine Frau auf einem Rübenfelde bei Salder einen gut erhaltenen Aureus des Augustus. Die Vorderseite zeigt das Bildniß des Kaisers mit der Umschrift Caesar Augustus. Die Rückseite trägt in einem Eichenkranze die Worte ob civis servatos 7). Diese Goldmünze kam in die Sammlung des Zimmermeisters A. Nieß zu Braunschweig.
Bei Esbeck im Amte Schöningen sind in einem urbar gemachten Theile des zum dortigen Rittergute gehörigen Holzes am Elme, dem sog. neuen Gehäge, römische Münzen gefunden worden. Die älteste davon ist ein silberner Denar des Trajan vom Jahre 114 oder 115 n. Chr. Ein anderer Silberdenar ist zwischen 200 und 205 unter dem Kaiser Septimius Severus geprägt worden. Das letzte Stück ist eine Kupfermünze des gallischen Prätendenten Tetricus etwa vom Jahre 270 n. Chr. 8).
Es müssen hier auch noch zwei Silbermünzen eingefügt werden, die im städtischen Museum liegen. Die erste ist von Antoninus Pius (138 bis 161) und ist im Bruche bei Königslutter gefunden. Die zweite ist ein Denar der Julia Maesa, der Großmutter des Kaisers Elagabalus oder Heliogabalus, welcher von 218— 222 regierte. Auch diese Münze ist bei KönigsIutter gefunden.
In der Sammlung des Wolfenbüttler Ortsvereines für Geschichte und Alterthumskunde, die im Landes-Hauptarchiv befindlich ist, wird ein Münzfund aufbewahrt, der im Jahre 1866 beim Stukenroden im Forstorte Söhlenpump, vier Kilometer südöstlich von Gandersheim, gehoben wurde. Es sind 32 römische Münzen, von denen etwa zehn Stück unkenntlich sind. Die andern sind von Marc Aurel, Septimius Severus, Alexander Severus und seiner Mutter, der Julia Mamäa, von Maximinus, Gordianus Pius und Philippus. Sie umfassen demnach die Zeit von 161 bis 249 nach Chr. Geburt. Ihre Einführung und Verbreitung im Gebiete der alten Cherusker erfolgte aber jedenfalls erst geraume Zeit später.
(Fortsetzung folgt)
____
5) Lindenschmit Sohn, Das römisch-germ. Central-Museum. Tafel XXII. Fig. 18.
6) Abgebildet bei Lindenschmit, Alterthümer u. h. Vorzeit. II. Band. 11. Heft. Tafel 4. Nr. 1-3.
7) Cohen Aug. 207. Mommsen erwähnt die Münze in seinem Vortrage: Die Oertlichkeit der Varusschlacht. Sitzungsberichte der königl. Akademie der Wissenschaften 1885. 1. Halbband. S. 81 Anm.
8) Hilmar v. Strombeck, Funde von Alterthümern im Braunschweigischen. Zeitschrift des histor. Vereins für Niedersachsen. 1864. S. 359.
____
158
. . .
Beiträge zur Vorgeschichte des Landes Braunschweig.
Von Th. Voges.
(Fortsetzung.)
21. Römische Funde aus Urnenfeldern.
Auch auf Urnenfriedhöfen und Begräbnißstätten haben sich zufällig und vereinzelt Gegenstände römischer Herkunft gefunden, so daß man vielleicht diese Todtenfelder der römischen Kaiserzeit zuschreiben darf. Es kommen hier Lucklum am Elm, Nettlingen unfern Hildesheim und Helsungen an der Teufelsmauer in Betracht.
Schon vor längerer Zeit wurden in Lucklum Urnen, Steingeräthe und Bronzesachen zu Tage gefördert. Bereits ums Jahr 1849 entdeckte der Kantor Schmidt der Schmiede gegenüber am Rande der großen Miühlenbreite die ersten Urnen, und es wurden hier etwa 30 Stück ausgegraben. Andere fanden sich später in der kleinen Mühlenbreite und im großen Garten. Auch die Umgebung des Tuffsteinbruches erwies sich als reiche Fundstätte. Hier stieß man im Frühjahre 1867 auf eine außerordentlich große Urne, in welcher sich vier jener eigenthümlichen durchbohrten Thonkörper befanden, die man als Webegewichte bezeichnet 1). Sie sind etwa 13 cm hoch. Zwei davon kamen in die Thiele’sche Sammlung und stehen jetzt als No. 1073 und 1074 im Herzoglichen Museum. Dieses bewahrt von den vielen Lucklumer Thongefäßen nur eine Schale und einen Napf (No. 1071 und 1072). Die Schale ist roh, dickwandig, auch der Napf ist unverziert.
Von Beigaben der Lucklumer Urnen hat sich ein dreieckiger Einschlagkamm erhalten (Städtisches Museum No. 552), der, stark beschädigt, ehemals wohl 14 cm lang war. Als einzige Verzierung dienen Riefen, die mit den Seiten parallel laufen. Die Theile sind durch kleine eiserne Niete zusammengehalten 2). Hostman sieht diese Kämme als ausländische Waaren, nämlich als italische Erzeugnisse, an 3).
In den Rheingegenden werden solche Kämme, oft noch reicher verziert, in alemannischen umd fränkischen Gräbern gefunden. Sie stimmen jedoch in Technik und Ornamentik vollkommen mit jenen überein, welche in den römischen Niederlassungen gefunden worden 4).
Das bedeutsamste Stück vom Lucklumer Urnenfelde jedoch ist ein Bronzegefäß, das im schwarzen Boden auf dem Tufflager gefunden wurde. Es kam gleichfalls mit der Thiele'schen Sammlung in das Herzogliche Museum und steht jetzt in der Antikensammlung. Das Gefäß hat die Form einer großen bauchigen Kanne, deren Hals sich wieder verengt. Der Rand ist nach außen umgelegt. Ein Henkel fehlt. Innen zeigen sich Spuren von Vergoldung. Die Höhe beträgt 32 cm. Es Iag ein Deckel, angeblich von anderer Masse, darauf.
Ein zweites Bronzegefäß stammt aus dem Urnenfriedhofe von Nettlingen. Dies Dorf liegt in der Provinz Hannover, östlich von Hildesheim. Südlich vom Orte erhebt sich eine waldige Höhe, das Vorholz, und hier hat Thiele Ausgrabungen veranstaltet. Fünf Thongefäße davon sind in das Herzogl. Museum gekommen (No. 1197—1201). No. 1197 ist eine napfförmige Urne, deren Wandung drei vortretende, längliche Erhöhungen zeigt, die von Strichen begleitet werden. Darüber hin zieht sich ein schmales Band, das zwischen parallelen Riefen sich kreuzende Zickzacklinien hat. No. 1198 ist ebenfalls ein Napf mit einigen wagerechten Strichen. Die anderen Stücke sind ganz einfach. No. 1201 ist ein kleines, rohes, napfförmiges Gefäß, das dem Kinderspielzeng gleicht, wie es hier und da auf Urnenfeldern zu Tage tritt.
Wichtiger als diese Thongefäße ist der römische Bronzekessel, der 1859 auf dem zweiten Höhenzuge südlich von Nettlingen, rechts von der Straße nach Grasdorf, gefunden wurde. Er steckte in einer wellenförmigen Erhöhung im Acker, der ehemals Anger war. Der Kessel, in der Mitte bauchig erweitert, ist gehämmert, Gehänge, Deckel und Beschläge sind gegossen. Der
____
1) C. Schiller, Fundstätten. Lucklum.
2) Ein ganz ähnlicher Kamm ist bei Virnheim in der Provinz Starkenburg im Großherzogthume Hessen gefunden. Lindenschmit, das römisch-germanische Central-Museum Tafel VII No. 23.
3) Urmenfriedhof bei Darzau. S. 109 u. 111.
4) Lindenschmit, Alterthümer u. p. Vorzeit. Band I. Heft IX. Tafel 6.
____
159
Henkel hat oben eine Oese, dann jederseits einen Dorn und endigt in Schlangenköpfe; die Beschläge sind geflügelte Menschenköpfe. Unter dem Boden, der mit concentrischen Kreisen bedeckt ist, finden sich drei untergelöthete Fußballen.
Dieser Bronzekessel stand angeblich in einem noch weiteren, aber niedrigeren Bronzegefäße. Daneben lag ein eisernes Messer.
Ein ganz ähnlicher Bronzekessel befindet sich im Museum zu Lüneburg. Sein Fundort ist leider unbekannt 5).
Bei dem Klostergute Helsungen, einem Vorwerk der Domäne Börnecke unfern Blankenburg, wurde am Hauerholze auf dem Steinberge im Jahre 1850 eine Steinkiste geöffnet, welche einen reichen und merkwürdigen Inhalt darbot 6). Neben einer Aschenurne lag eine Axt von Diabas, verschiedenes Bronzegeräth und eine römische Lampe. Alle diese Gegenstände hat das Städtische Museum erworben. Die Urne (No. 104) ist 14,5 cm hoch, der untere Theil ist stark gebaucht, fast kugelförmig. Der Hals ist hoch und steigt senkrecht auf. Das Gefäß ist aus freier Hand geformt und hat an der Schulter sechs flache ringsum laufende Streifen.
Die römische Lampe (No. 111) ist aus einem gelbrothen Thone gefertigt und hat die gewöhnliche Form, nur an zwei Stellen des Randes zeigen sich bandartige Vorsprünge. Der Griff ist abgebrochen.
Die Axt von Diabas (No. 105) ist dreieckig und gegen das gerade abgeschnittene Bahnende hin durchbohrt.
Neben diesen Gegenständen lag verschiedenes Bronzegeräth, so eine Schmucknadel, deren Scheibe unter dem Knopfe durchbohrt ist, mehrere Armringe, von denen einer in regelmäßigen Abständen drei Kerben zeigte, und ein kleiner, zierlicher Hauer von einem Frischling.
Gefäß, Axt und Bronzeschmuck allein würden das Grab der Bronzezeit zuweisen; aber die Lampe rückt dasselbe in die römische Zeit hinein.
22. Perlen.
Wer auf vorgeschichtliche Spinnwirtel fahndet, jene durchlochten meist rohen, seltener verzierten Thonkugeln, welche die alten Spinnerinnen an ihre Holzspindel steckten, erhält in der Regel die aus Steingut gearbeiteten Wirtel, welche bei uns vielfach an Schlüssel gebunden werden und darum auch Schlüsselsteine heißen. Nur dann und wann bekommt der Sammler einen alten Wirtel, viel seltener jedoch findet er Thon oder Glasperlen, die hier und da vereinzelt auf dem Acker gelegen hatten. Derlei Schmuckstücke sind in unseren SammIungen bis jetzt nur in ganz geringer Zahl vertreten.
Bei Adersheim im Amte Wolfenbüttel kam ein gerippter Wirtel zu Tage von etwa 2 cm Länge. Tischler bestimmte denselben als römische Thonperle, die ehemals bläulich oder grünlich glasirt gewesen sei. (Herzogl. Museum No. S. 852). Von dieser Art scheint nur dies eine Stück in unserm Lande gefunden zu sein.
Auch Glas- und Emailperlen sind als Einzelfunde nur in geringer Zahl vorhanden. Eine stammt aus Bahrdorf im Amte Vorsfelde, eine andere aus Ahlum im Amte Wolfenbüttel und eine dritte aus Beierstedt im Amte Schöningen. (Herzogl. Museum No. S. 978, 875 und 957).
Die Emailperle aus Bahrdorf ist aus dunklem Glas hergestellt; ringsum läuft ein weißes Zickzackband.
Bei der Ahlumer Perle, die ebenfalls ganz dunkel ist, bilden zwei sich verschlingende Wellenlinien von weißlicher Färbung fünf längliche Felder, in denen je ein blaues rundes Auge steht.
Die Beierstedter Perle ist flachgedrückt und schwarz. Ringsherum laufen zwei blaugrüne Linien, zwischen denen sich ein rother Zickzackfaden hinzieht.
Beide Arten, die Thon- wie auch die Glasperlen, sind in Europa weit verbreitet und finden sich häufig gemeinsam. Sie liegen in den rheinischen Museen, wie in den hannoverschen Sammlungen. Aus den Torfmooren von Butzke im Kreise Belgard sind neben zahlreichen Bernsteinperlen auch diese glasirten Thon- und Glaskügelchen erhoben worden. Weiterhin kamen sie bei Schwetz an der Weichsel zum Vorschein, ferner bei Germau am Frischen Haff und bei Kapsethen in Kurland. Ganz gleiche finden sich auch unter den Schmucksachen von Kertsch am Schwarzen Meere. Ja selbst die Grabfelder des fernen Kaukasus haben dieselben glänzenden und bunten Perlen geliefert. Die wenigen bei uns gefundenen sind denen von Dalla-Koban, Nischni-Koban und aus der Karza-Schlucht so ähnlich, daß, wenn man unsere zwischen sie legen wollte, sie dort durchaus nicht als fremde Stücke anzusehen wären.
Bei der großen Aehnlichkeit aller dieser Funde vom Rheine bis hin zum Kaukasus liegt der Gedanke eines gemeinsamen Ursprungs derselben nahe, wenigstens müssen sie in gleicher Weise nach denselben Mustern hergestellt sein. Die ältesten Werkstätten, die solche Schmuckstücke lieferten, standen in Phönicien und Aegypten. Von hier aus gelangten die Perlen auf Handelswegen auch nach Südeuropa. Später ließen sich die Erzeuger solcher Waaren auch auf der italischen Halbinsel und am Rhodanus nieder und wurden so die Lehrmeister der Italiker und Gallier.
Bei uns erscheinen die Perlen, wie sich aus dem Grabfelde von Beierstedt ergiebt, schon vor der Eisenzeit. Wie die Bronzen sind sie ein sicherer Beweis für die ausgebreiteten Handelswege jener Jahrhunderte.
(Fortsetzung folgt.)
____
5) Lindenschmit, das römisch-germanische Central-Museum. Tafel XXV. Fig 30.
6) Vergl. Leibrock, Chronik der Stadt und des Fürstenthums Blankenburg Band I, S. 19.
____
165
. . .
Beiträge zur Vorgeschichte des Landes Braunschweig.
Von Th. Voges.
23. Die Hünensteine bei Benzingerode.
Am Fuße der Harzberge sind unfern Benzingerode zwei mächtige Felstrümmer aufgerichtet. Der größte
____
166
Stein steht nordöstlich vom Dorfe im „langen Steinfelde“ und ist 3,72 m hoch, 1,30 m breit und 1,10 m dick. Der zweite Stein, von jenem 1114 m nach Südosten entfernt, ist 3,10 m hoch, 1,95 m breit und 0,70 m dick. Er liegt im Göddehuser Felde, das bereits zur Derenburger Gemarkung gehört. Der dritte Felsblock, der kleinste, ist in den vierziger Jahren von einem Einwohner des Dorfes zerschossen worden. Er lag abermals 1114 m südöstlich von dem zweiten Steine entfernt wieder auf Benzingeroder Feldflur, und seine Maaße werden auf 2,57 m und 1,40 m angegeben 1). Die Steine stehen im Zuge der Längenachse des Regensteines. Einsam, und von den geschichtlichen Werken und Bauten durch Jahrhunderte getrennt, ragen sie auf, die ältesten Denkmäler weit umher. Fremdartig erscheinen sie uns in der Gegenwart. Wer richtete sie auf? Welchen Zweck hatten sie? Niemand vermag Antwort zu geben. Kein Heldenbuch tut es uns kund, kein altes Pergament weiß, was sie bedeuten. Dem Wanderer aber wird folgende Sage erzählt:
Es ist schon manches Jahrhundert vergangen, da lebte auf dem Felsen, der nun der Regenstein heißt, ein Ritter, der eine schöne Tochter hatte. Um die bewarben sich drei Riesen. Doch da alle drei gleich tüchtig waren, ward dem Fräulein und ihren Eltern die Wahl schwer. Endlich wurde vereinbart, daß Derjenige sie heimführen solle, der im Steinwerfen Meister sei. Da schleuderten vom Regensteine die Hünen ihre Felsblöcke auf das freie Feld hin, das sich gegen Nordwesten ausbreitet, und der eine Stein fiel hinter Heimburg nieder, der zweite ward bis an den Hellbach geworfen. Der dritte Riese aber packte das größte Feldstück und warf es noch weiter bis in die Nähe von Benzingerode, und weil dieser somit der Sieger war, gewann er das Fräulein vom Regenstein. Die drei Felsblöcke aber hießen hernach die Hünensteine.
Wer sich aber mit dieser Sage nicht begnügt, wer wissen will, welche Bedeutung die Steine einst gehabt, muß sich schon umsehen, ob nicht in anderen Ländern ähnliche Denkmäler standen oder noch da sind, von deren Aufrichtung uns gewisse Kunde erhalten blieb. Und wirklich findet sich in allen Erdkreisen und zu allen Zeiten diese Erscheinung. Schon die Israeliten hatten die Gewohnheit, bei feierlichen und außergewöhnlichen Gelegenheiten solche Steine aufzustellen. Als Jacob auf seiner Flucht von der Himmelsleiter geträumt hatte, richtete er den Stein, darauf er geschlafen, zu einem Mal auf, und als er nach zwanzig Jahren wieder heimzog, setzte er abermals einen Denkstein zur Erinnerung an den Bund, den er mit Laban geschlossen. Später, als seine Nachkommen nach langer Wanderung an den Jordan kamen und nun das Land der Verheißung vor ihren Augen lag, da verordnete Josua zwölf Männer, die sollten ein jeder einen Stein aus dem Strome nehmen und aufrichten zu einem Zeichen. Wenn dann die Kinder später ihre Väter fragen würden und sprechen: Was thun diese Steine da? dann sollten die Alten ihnen erzählen, daß hier der Durchgang geschehen sei, „und es sollen diese Steine den Kindern Israels ein ewig Gedächtniß sein“.
Nach einem großen Siege der Israeliten über die Philister nahm Samuel einen Stein, setzte ihn auf das Schlachtfeld und sprach: Bis hieher hat uns der Herr geholfen!
Reich an solchen Denkmalen sind die nordischen und die westlichen Länder Europas. Für Schweden gab Odin diejenigen Gesetze, die früher bei den Asen gegolten hatten. Ueber der Asche aller Derer, die besonderen Muth bewiesen hätten, sollten Bautasteine errichtet werden, und so ist es lange nachher gehalten worden 2). Diese Denkmale waren anfangs nur unbehauene und unbeschriebene Felsstücke, erst zur Vikingerzeit wurden Runen eingeritzt, und man sicherte dadurch sich und seinen Verwandten ein dauerhafteres Gedenken als nur durch die Ueberlieferung allein 3). Häufig trifft man die Steinsäulen in der Bretagne. Hier stehen sie bald einzeln, bald in Gruppen oder Reihen und dann zuweilen in großer Zahl beisammen. Es sind darunter erstaunlich hohe Steine; einer mißt 10 m, ein anderer 15 m, ja der größte von allen hat sogar 19 m Höhe. Aus der Sprache der Bretonen stammt auch das Wort Menhir, d. h. langer Stein, womit diese Denkmale oft bezeichnet werden. Die Menhirs der Bretagne gehören nach den Untersuchungen der französischen Forscher dem jüngeren Steinzeitalter und dem Anfang der reinen Bronzezeit an 4).
Bei der Betrachtung der heimischen Steinsäulen darf wohl an ein Gesetz erinnert werden, das Karl der Große nach der Unterwerfung unserer Vorfahren erließ. In seinem Capitular von 789 verbot der Frankenkönig den Sachsen, weder bei Bäumen, noch bei Felsen oder Quellen Lichter anzuzünden oder andere gottesdienstliche Gebräuche (Gelübde oder Opfer) zu verrichten 5). Freilich muß hier zunächst an natürliche Felsen gedacht werden.
Aus dem Mittelalter haben sich hier und da an Wegen und Stegen Steine und Platten erhalten, die manchmal nur ein schlichtes Kreuz zeigen, zuweilen auch mit Ornamentik kunstreich verziert sind. Einige weisen sogar Inschriften auf. Die Ueberlieferung berichtet, daß an solchen Orten ein Mensch erschlagen worden sei. Wieder in anderen Gegenden stehen Steinkreuze an den Landstraßen und bezeichnen, wie die geschäftige Sage erzählt, ebenfalls die Stelle, wo ein Mord geschah 6).
____
1) Hassel und Bege, Beschreibung der Fürstenthümer Wolfenbüttel und Blankenburg. II. 468.
2) Snorre Sturlason, Heimskringla. Ynglingasaga Cap. 8.
3) Geijer Geschichte Schwedens, S. 20. Montelius, Kultur Schwedens in vorchristlicher Zeit, S. 193
4) Hoernes, Urgeschichte des Menschen S. 98, 100.
5) Mon. Germ. hist. Legum Tomus I, S. 64.
6) Bei uns zu Lande finden sich zwei solcher Denkmale, deren Inschrift jene Ueberlieferungen zu bestätigen scheint. Auf einem Steine bei Scharfoldendorf meldet eine schon etwas verwitterte Umschrift in gotischen Majuskeln: Hic. fvit. interfectvs. H’mann. Parvi (oder Parv f.) B’toldi. Auf einer großen Platte, die unfern Stadtoldendorf auf dem Feldberge liegt, steht die Inschrift: Hie let Engelhart sin Levent to Midvasten. God late on (?) Mordkreuze finden sich mehrfach vor unseren Dörfern, so in Barnstorf unfern Schöppenstedt, bei Sehlde in der Nähe von Ringelheim. Von anderen Steinkreuzen weiß die Sage nichts zu berichten.
____
167
Auch zu Grenzmarken eignen sich aufgerichtete Felsstücke am natürlichsten. Wie jetzt an Rainen und Feldscheiden kleinere Steine stehen, so dienten früher dazu auch größere. Noch jetzt finden sich solche z. B. im Walde über dem Dorfe Breitenkamp auf dem Vogler. Sie bezeichnen die Grenze zwischen dem braunschweigischen und dem hannoverschen Gebiete. Ein anderer alter Stein vom Jahre 1585 steht auf einem Plane am Eisenbahndamm zwischen Stadtoldendorf und Arholzen. Hier stießen die Feldfluren der vier auf dem Steine verzeichneten Dörfer zusammen.
Auch in fernen Gegenden stößt der Reisende auf ähnliche Denkmale. L. Catat fand in Madagaskar „stehende Steine“ einzeln oder gruppenweise. Sie tragen weniger einen religiösen Charakter, sondern sollen vielmehr Erinnerungszeichen an wichtige Ereignisse, wie Siege, gerichtliche Entscheidungen, feierliche Gelübde und sonftige Thaten der Vorfahren sein. Ebenso dienen sie auch zum Gedächtniß der Todten, welche fern von der Heimath dahingingen. Nebenbei schreibt ihnen das Volk allerlei übernatürliche Kräfte zu, erweist ihnen daher eine gewisse religiöse Verehrung 7).
Noch in unseren Zeiten wurde ein Felsenstück an einer bedeutsamen Stelle aufgerichtet. An der Oker, unfern Schladen und Burgdorf, steht jetzt auf dem Hügel, wo einst die stolze Kaiserpfalz Werla sich erhob, ein mächtiger Findlingsblock.
So zeigen diese Beispiele die mannigfachen Beweggründe, die zur Aufrichtung jener Felsen und Steine führten. Einmal sind es Denkmale an eine wichtige Begebenheit aus dem Leben eines Mannes, einer Familie, eines Volkes. Dann wieder Erinnerungszeichen an einen Helden. Hier ist es ein Salbstein, ein Heiligthum, dort eine Grenzmarke. Bald dieses oder jenes allein, bald mehreres zusammen sind diese Menhirs gewesen. Und dieser Art mögen auch die beiden Steine von Benzingerode sein. Uns erscheinen sie jetzt als rohe Felsblöcke, den Alten waren es bedeutsame, heilige Zeichen, unzerstörbare Denkmale eingesenkt in den theuren Boden der Heimath.
____
7) Globus Bd. 67, No. 16.
____
Braunschweigisches Magazin.
Verantwortlicher Redacteur: Dr. Paul Zimmermann in Wolfenbüttel. Verlag der Braunschweigischen Anzeigen: W. Laßmann. Druck der Waisenhaus- Buchdruckerei (U. Buck) in Braunschweig.
Nro. 16. 31. Juli 1898.
Nachdruck verboten.
Beiträge zur Vorgeschichte des Landes Braunschweig.
Von Th. Voges.
24. Vorgeschichtliche Befestigungen.
Hier und da finden sich in Deutschland zerstreut uralte Befestigungswerke und Ringwälle. Schanzen heißen sie im Volksmunde, auch wohl Hünenburgen. Es sind Erdwälle, bald niedriger, bald höher, die einen Platz, meist von rundlicher Grundform, einschließen und schützen. Bald liegen sie abseits von viel befahrenen Wegen im Walde versteckt, bald in einem Thale, durch das Heerstraße und Eisenbahn ziehen, hier finden sie sich auf der vorspringenden Kuppe eines Höhenzuges, dort mitten im ebenen Gelände. Schon lange sind diese Erdwerke Gegenstand eifrigen Forschens gewesen, man hat sie nicht nur vermessen, sondern auch mit Hacke und Spaten untersucht. Auch in unserem Nachbarlande Hannover hat der nun verstorbene General-Major von Oppermann eine bedeutende Zahl dieser Erdburgen aufgenommen und die Ergebnisse seiner mühevollen Arbeiten in einem großen Werke niedergelegt 1). Unser kleines Land vermag gleichfalls eine nicht unerhebliche Zahl solcher Burgwälle aufzuweisen, und vielleicht ist die Zeit nicht fern, wo auch diese ausgemessen und beschrieben werden. Bis dahin mögen einige kurze Mittheilungen genügen.
Die Asselburg.
Auf dem von Cramm’schen Gutshofe in Burgdorf ist ein etwa 50 m langes Stück einer mächtigen Umwallung mit 4 m tiefem Graben erhalten, welche anscheinend einem größeren befestigten Lagerraum angehört hat, der einen Theil des westwärts ansteigenden Gartens eingenommen haben wird. Nach Norden und Süden war diese Burg durch die versumpften Niederungen zweier Bäche, des großen und kleinen Bornbeeks, gesichert. Auf dem östlichen Ausläufer der Vorholz-Höhen gelegen, hat sie wahrscheinlich zur Verteidigung des Flöthethales gedient, das sich zwischen den langgestreckten Höhen des Vorholzes und den Lichtenbergen ausbreitet.
Der Ringwall bei Altenhagen.
Südlich von den Lichtenbergen, insbesondere dem westlichen Theile derselben, dem Lesserholze, erhebt sich der Raster und Elber Berg. Das Thal zwischen diesen Höhenzügen wird von einem Bache durchflossen, der sich in die Innerste ergießt. Hier befand sich am Wege von Altenhagen nach Oelber noch im Jahre 1831 ein mit einer doppelten Reihe von uralten Bäumen besetzter Ringwall 2). Diese Verschanzung ist nicht mehr vorhanden. Alte Leute in Lichtenberg und Altenhagen konnten keinen Aufschluß geben, und auch eine Nachsuche auf alten Karten in der Plankammer zu Braunschweig blieb erfolglos.
Der neunzigjährige Altvater Bartels zu Lichtenberg hat angegeben, daß ehemals etwa einen Flintenschuß weit vom Vorwerke Altenhagen zwischen den Forstorten Kiefort und Kohli ein etwa 50 Schritte breiter Erdwall vorhanden gewesen sei, der mit Buchen bestanden war. Im Volksmunde sei derselbe als Ziegenwiese bezeichnet. Welche Form und Gestalt der Wall gehabt, konnte der alte Bartels nicht angeben. Derselbe sei, so sagte er, nur noch theilweise vorhanden und außerdem von geringer Höhe gewesen 3).
Der Ringwall bei Gebhardshagen.
Der Kamm der Lichtenberge bildet eine etwa 10 Kilometer lange und wegen seiner dichten beiderseitigen Bewaldung undurchdringliche Abschlußlinie, die am östlichen Ende mit dem Hardewegberge bei Gebharbshagen südwärts umbiegt. Hier, am Südostfuße des Hardeweges, ist eine Senke, in der ein Bach zur Fuse hinfließt. Südlich ziehen die Hügel, der Dalenberg, der Hackelberg, bis gegen Salzgitter hin. Diese Senke bildet einen Paß, der einem Eindringen von der Fuse her ins Innerstethal besonders günstig ist, wie denn auch schon in uralter Zeit der Weg aus dem Leragau in den Saltgau
____
1) A. v. Oppermann, Atlas vorgeschichtlicher Befestigungen in Niedersachsen; Hannover 1888 Das Werk wird von C. Schuchhardt, dem Director des Kestner-Museums, fortgesetzt.
2) C. Schiller, Fundstätten vorchristl. Alterthümer. Altenhagen und Oelber a. weißen Wege. Manuscript im Städtischen Museum.
3) Diese Mittheilung verdanke ich dem Herrn Forstmeister A. Bode zu Walkenried, früher zu Lichtenberg.
____
122
hier durchführte. Darum hat dieser Paß eine kräftige Vertheidigungsanlage, welche eine große, wohl erhaltene Lagerumwallung bildet. Derselbe liegt am nördlichen Hange des Querthales kaum 250 m nördlich der Landstraße von Gebhardshagen nach Gustedt, oberhalb eines Steinbruches im Hochwalde. Er umfaßt einen unregelmäßig fünfseitigen Innenraum mit abgerundeter Nordecke. Die Südostseite hat etwa 20 m hinter einem breiten, grabenähnlichen Bergspalt einen innern Wallgraben, der mit der nordöstlichen Ringwallseite zusammenhängt, an seinem südlichen Ende aber durch eine wahrscheinlich ausgewaschene Mulde unterbrochen ist. Der Lagerraum, der etwa 2,5 ha mißt, ist mit starkem Wall- und Außengraben rings umschlossen und wird besonders durch den langgestreckten Bergspalt an der Südostseite völlig unzugänglich. Er beherrscht die Thalsohle in einer Höhe von etwa 30 m von einer kleinen Hochfläche ab, die nordwärts sanft zum Hardewege ansteigt. Der Forstort führt den Namen „Vor der Burg“, was bemerkenswerth ist, weil südlich davon ein „Burgberg“ liegt, auf dem aber trotz sorgfältiger Nachforschungen keine Spur einer Befestigung aufzufinden ist.
Der Umfang der Burg, auf der Wallhöhe gemessen, beträgt 645 m. Die größte Längenachse innen mißt 223 m, die größte Breitenachse 169 m. Die nutzbare innere Lagerfläche beläuft sich auf 2 ha 55 a 38 qm. Vom Innenraume ist der Wall 0,82 m hoch, von der Grabensohle aus 1,98 m 4).
Die Schalkersburg im Oder.
Die Schalkersburg oder Schalksburg liegt im Quellengebiet der Fuse auf einem westlichen Ausläufer des Oderwaldes, der den Namen der Burg trägt, etwa 2¼ Kilometer nordöstlich von Klein-Flöthe. Sie besteht aus einem nahezu kreisförmigen Ringwall, der noch gut erhalten ist und von einem Außengraben umzogen wird. Die sich von hieraus entfaltende freie Aussicht beherrscht das Fusethal und die ganze westliche Ebene bis zu den Höhen zwischen Lichtenberg und Liebenburg.
Der Umfang der Burg, auf der Wallhöhe gemessen, beträgt 330 m. Die größte Längenachse innen mißt 99 m, die größte Breitenachse 87 m. Die nutzbare innere Lagerfläche beläuft sich auf 69 a 68 qm. Die Wallhöhe beträgt über dem Innenraume 1,36 bis 1,65 m, von der Grabensohle aus gesehen 2,70 bis 3,42 m.
Der Name dieser Burg kommt her von dem althochdeutschen Worte scalk, d. h. Knecht oder Diener. Die Scalksburg ist demnach die Burg, in der die Knechte sich bergen. Vielleicht deutet der Name darauf hin, daß später, nachdem die Burg längst aufgehört hatte, Vertheidigungszwecken zu dienen, der umwallte Platz ein Zufluchtsort für Hirten und Heerden war.
Der Ringwall bei Neu-Wallmoden.
Die Ebene von Lutter am Barenberge, welche sich von Hahausen bis Neu-Wallmoden erstreckt, wird ringsum von waldigen Höhen eingeschlossen. Ein Bach, die Neile, fließt aus den Harzbergen gen Norden hin und sucht sich bei Neu-Wallmoden einen Ausweg. Hier ist zwischen dem Heinberge und dem Westerberge der Paß so enge, daß Bach, Bahn und Straße dicht nebeneinander hinziehen. Er führt aus der Ebene von Lutter in das Innerstethal. Es ist derselbe Paß, durch den sich am Abende eines heißen Augusttages 1626 nach ihrer Niederlage bei Lutter am Barenberge die Dänen in wilder Flucht hindurchdrängten. Hier nun, oberhalb des Dorfes Neu-Wallmoden, liegt auf der östlichen Höhe, dem Westerberge, ein Rundwall. Er ist nahezu kreisförmig und hat ungefähr 450 Schritte Umfang. Der Flächeninhalt beträgt etwa 63,3 a. Wiewohl die Burg eingeebnet ist, läßt sich ihre Form noch ganz deutlich erkennen. Nach der Neile zu ist der Wall abgetragen, dagegen ist er nach dem Berge zu wohl noch an 2 m hoch Dieser Ringwall heißt im Volksmunde die Reitbahn.
Die Hüneburg bei Golmbach.
Südwestlich von Golmbach, unfern Stadtoldendorf, liegt jenseit des Forstbaches ein Hügel, der sich von Süden nach Norden erstreckt und die Hüneburg heißt. Eine mittelalterliche Burg hat hier nicht gelegen, kein Mauerrest, kein Mörtel oder Ziegel ist sichtbar. Und doch war die Höhe geschützt. Rings um den größeren Theil der oberen Fläche, die nach Norden zu liegt, läuft ein jetzt flacher Graben dergestalt, daß die innere Fläche länglichrund erscheint. Im Süden, da wo sich der Berg am höchsten erhebt, fehlt auf einige Schritte der Graben, und nun folgt ein zweiter kleinerer Ring, ebenfalls von Wall umd Graben eingefaßt. Diese so gesicherte Spitze, die nach Süden steil abfällt, heißt der Tenterling.
Die Reitlingsburg.
Die bedeutendste der Erdburgen unseres Landes ist die Burg über dem Reitlingsthale auf dem Elme. Dieses Thal ist die größte Einsenkung in der Hochfläche des Elmes. Im seinem östlichen Winkel entspringt die Wabe und fließt zwischen Wiesen und Feldern darin hinunter westwärts gegen Erkerode hin, das im Ausgange des Thales liegt. Nicht nur die Höhenzüge, welche diese Einsenkung einschließen, tragen Erdburgen, sondern der Thalgrund selbst ist nahe der Wabequelle befestigt. Auf der südlichen Höhe ist der westliche Ausläufer des Kuxberges umwallt und durch Gräben von dem übrigen Rücken abgesondert, während er nach Westen hin steil abfällt. Unten zieht sich quer durch das durch das Reitlingsthal ein Damm hin. Auch liegt hier auf der nördlichen Seite der Thalsohle der sog. Wortegarten, ein ringförmiger Erdwall, jetzt zur Hälfte abgetragen. Da ist auch eine Mardelle, in der ein Herd entdeckt wurde. Eine andere Mardelle liegt hinter dem Wirthshause am Wege links zur Burg hinauf. In der Nähe dieser Verschanzung ist im Acker eine Stelle, die als Heidenkirchof bezeichnet wird, wo auch Urnenscherben gefunden sind.
Hoch über diesen beiden Stellen liegt auf der steil ansteigenden nördlichen Höhe die eigentliche Reitlingsburg.
____
4) Ich verdanke diese Angaben, sowie die Maße der Schalkersburg im Oder der Güte des Herrn Kreisbauinspectors Osten zu Braunschweig.
____
123
Es ist eine länglichrunde Umwallung von unregelmäßiger Form. Man könnte sie einem Kreisabschnitte vergleichen, dessen Sehne der schroffe Rand des Wabethales bildet. Ein neuer Holzabfuhrweg geht jetzt durch die Burg hindurch und theilt sie in zwei Hälften. Er verläßt sie durch einen Ausgang an der Nordseite.
Von diesem Thore ab zieht die Umwallung in einem großen Bogen erst nach Südwesten, dann nach Süden, zusammen etwa 420 Schritte, bis zum Thalrande. Außen, nördlich vom Walle ist eine Senkung, die nach Westen mehr und mehr tiefer wird, so daß der Wall hier zuletzt an 20 m hoch erscheint. In diesem Theile der Burg steht eine hohe Ulme, die weit über die Buchen aufragt und auch in der langen Waldlinie des Elmes auffällt. Sie zeigt dem Wanderer schon in der Ferne den Ort der alten Reitlingsburg. Hier in diesem westlichen Theile liegt nun nahe der unzugänglichsten Stelle eine kleinere Befestigung von viereckiger Grundform, die auch durch Wall und Graben gebildet wird. Die längere Nordseite mißt etwa 70 Schritte. Die Wälle im Osten und Westen sind 55 und 46 Schritte lang. An der Südseite ist der Abfall. In der Nähe zeigt die westliche Umwallung eine Senke, als sei hier ein Eingang gewesen.
Die andere Seite der Burg, östlich vom Fahrwege, hat eine Umwallung, die etwa 370 Schritte lang und wohl 8 m hoch ist. Hier zieht sich auch noch ein niedriger Außenwall hin, der bis an die Nordseite geht.
Diese Burg auf der Höhe, die nach Süden schroff abfällt, ist mit ihren tiefen, breiten Gräben, ihren hohen Wällen ein gewaltiges Werk, das einst in Verbindung mit den Befestigungen unten an der Wabe sowohl, wie gegenüber auf dem Kuxberge, wohl geeignet war, den Bewohnern des Thales und der umliegenden Höhen einen gesicherten Zufluchtsort darzubieten.
Wie sich auf der umliegenden Höhen vorgeschichtliche Befestigungen finden, so darf man eine solche auch auf der Asse vermuthen. In der That ist es nicht unwahrscheinlich, daß die Wälle und die tiefen Gräben, die sich am Südabhange des Burgberges hinziehen, die Reste einer solchen Wallburg sind. Scherben vorgeschichtlicher Töpfe wurden hier gefunden, doch sind, um diese Frage sicher zu stellen, auch hier Grabungen nothwendig.
Die Elmsburg über Twieflingen 5).
Am Südabhange des Elmes liegt oberhalb des Dorfes Twieflingen im Forstorte „Kaltes Thal“ die Elmsburg. Sie bildet im Grundriß ein unregelmäßiges Fünfeck mit abgestumpften Ecken. Die innere Grundfläche beträgt etwa 7 ha 50 a. Der umziehende Graben ist noch fast überall 11 m breit und 1 bis 3 m tief. Der Wall dagegen ist nur an einer Stelle noch 2 m hoch, sonst niedriger.
Im Innern liegen Reste einer kleineren Befestigung, Wall und Graben, von länglichrunder Grundform. Der Wall ist an einigen Stellen noch 2 bis 3 m hoch. In der Mitte dieser inneren Umwallung fanden sich Mauerreste, Steine, Ziegel und Schieferstücke, offenbar Ueberbleibsel der mittelalterlichen Elmsburg. Dicht außerhalb dieser inneren Umwallung liegt ein Erdfall von 14 bis 17 m Tiefe.
Die Hünenburg bei Watenstedt.
Oestlich vom Dorfe Watenstedt im Amte Schöningen erhebt sich der Heeseberg, ein langgestreckter, jetzt kahler Hügel. Der dem Dorfe zunächst liegende Vorsprung desselben heißt die Hünenburg und läßt schon aus der Ferne den Wall erkennen, der, hufeisenförmig gebogen, diese Stätte von dem übrigen Berge abtrennt. Dieser Wall liegt also hauptsächlich im Osten und zieht nord- und südwärts nur bis zu der Stelle, wo der Hügel so steil abfällt, daß ein derartiger Schutz nicht mehr nothwendig war. Der ganze Umfang des so auf künstliche und natürliche Weise befestigten Ortes beträgt etwa 730 Schritte, davon kommen auf den Wall allein 320 Schritte. Der Flächeninhalt wird auf 3,50 ha angegeben. Der Boden ist überall mit Scherben vorgeschichtlicher Thongefäße durchsetzt. Wiederholte Grabungen im Walle förderten ebenfalls solche Scherben zu Tage, außerdem Asche, Kohlen, Knochen, auch ein Pfriemen aus Bein wurde gefunden. Die Scherben sind sehr verschieden, viele sind dick, roh, quarzreich, andere dünner, schwarz glänzend.
Man darf also wohl bis auf Weiteres annehmen, daß hier in vorgeschichtlichen Zeiten menschliche Ansiedelungen standen, ja, daß hier vielleicht ein Urnenfriedhof lag, der dann später, als man diese Stätte nothgedrungen befestigen mußte, zerstört wurde.
Die Hünenburg bei Hessen.
Vom Dorfe Hessen zieht ein Feldweg westlich zum Fallstein hinauf. Da stand früher eine alte Linde, unter welcher der Hillenborn war, aus dem der Heilebart die kleinen Kinder holte. Nach etwa 20 Minuten kommt man an einen Querweg, und da lag ehemals die Hünenburg, ein Ringwall, der mit dornigen Sträuchern bewachsen war. Jetzt ist Alles eingeebnet, und das Land theils an die Domäne gefallen, theils dem Ackermann Chr. Duwe zugewiesen.
Die Bannerschanze bei Westerburg.
In dem Gelände, das südlich vom großen Bruche sanft ansteigt, liegt gerade in der Verlängerung des Kibitzdammes das Gut Westerburg, über dessen altersgrauen Gebäuden ein runder Wartthurm hoch aufragt. In geringer Entfernung davon, es sind nur wenige Minuten, liegt im Osten eine Erdburg, jetzt gewöhnlich die Bannerschanze genannt. Die Ueberlieferung berichtet, der General Banér habe sie aufführen lassen, um von hier aus Westerburg zu belagern. Im Volksmunde heißt sie die Banneborg.
Das umliegende Feld ist ebenes Land, das nach Osten und auch nach Süden allmählich ansteigt. Aber die Schanze beherrscht die weite Niederung des Bruches, und darüberweg schweift der Blick bis zum Heese und
____
5) Vergl. den Aufsatz von Hilmar v. Strombeck in der Zeitschrift des Histor. Vereins für Niedersachsen. 1863. S. 362. Siehe ferner P. J. Meier, Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Helmstedt. Seite 341.
____
124
Elme hin. Eine Quelle in der Nähe bildet zunächst einen Teich und fließt dann nach Westen dem Gute zu. Die Burg selbst ist mit Tannen und Birken und Eichengebüsch bepflanzt. In ihrer Mitte liegt ein kreisrunder Hügel von etwa 32 m Durchmesser, so daß der Flächeninhalt nicht viel größer als 8 a sein wird, Dieser Burgplatz hat aber — und das ist auffallend — keinen Hauptwall, sondern wird von dem Graben umzogen. Dann erhebt sich der Vorwall, es folgt ein zweiter Graben und zuletzt der Außenwall, der aus dem Acker aufsteigt. Dieser niedere, äußere Ringwall mißt ungefähr 412 m Umfang.
Hat nun die Sage, die in dieser Erdburg eine Schwedenschanze sieht, Recht, oder ist sie älter? Aus welcher Zeit stammt sie? Zweifellos ist die Befestigung nicht das Werk schwedischer Regimenter, denn die Schweden bauten damals, wie andere Völker, bastionirte Schanzen. Aber wie so manche andere sagenumsponnenen Orte mit berühmten Namen aus dem großen Kriege in Verbindung gebracht wurden, so ist das auch hier geschehen. Zu Zilly’s Tische bei Seesen, zu Pappenheim’s Küche bei Hildesheim gesellt sich die Bannerschanze. Ueberhaupt hat der General Banér selbst hier nicht gelegen. Er hatte vielmehr, nachdem er von seinem abenteuerlichen Kriegszuge gen Regensburg zurückgekehrt war, sein Hauptquartier in Halberstadt aufgeschlagen, wo er bereits am 20. Juni 1641 starb. Gewiß ist, daß damals in dem nahen Dedeleben Weimaraner und Schweden lagerten, wo auch Banér’s Leiche mehrere Tage blieb. Und zu jener Zeit, als drüben jenseits des Bruches in Germersleben und Egeln die Kaiserlichen hausten und auf den Erzherzog Leopold warteten, haben gewiß auch hier die Schweden im Quartier gelegen, von dieser Höhe aus die Bewegungen der Feinde gegenüber beobachtet und den wichtigen Kibitzdamm beherrscht. Aber das Heer des Erzherzogs Leopold wurde am 29. Juni 1641 unter den Mauern von Wolfenbüttel geschlagen und zog sich dann nach Dedeleben in die ehemaligen Quartiere der Weimaraner zurück, während nun umgekehrt die Schweden nördlich vom Bruche lagerten. So mag die Schanze wohl manchen schwedischen Mann gesehen haben, aber errichtet hat sie weder Banér, noch sonst ein General des großen Krieges.
Aber auch mittelalterlich kann die Anlage schwerlich sein, denn es ist kein Grund vorhanden, warum neben der Westerburg eine zweite Feste, eine Osterburg, errichtet sein sollte. Auch sprechen die beiden ringsum laufenden Rundwälle nicht für das Mittelalter, sondern für die vorgeschichtliche Zeit. Zwar ist der Hauptwall nicht vorhanden, aber derselbe ist kein nothwendiges Erforderniß einer Ringburg. Ein solcher Wall fehlt auch sonst, z. B. bei dem nördlichen Theile der Schwedenschanze am Limberg bei Pr. Oldendorf, bei der Friedlandburg über der Leine, wie auch bei den Harzburgen bei Ilfeld.
Noch ein anderer Umstand könnte Bedenken erregen, die Wallburg der vorgeschichtlichen Zeit zuzuschreiben. Auf dem Hügel liegen Steine umher und Scherben mittelalterlicher Thongefäße, als habe hier doch ein befeftigtes Haus gestanden. Aber auch das darf nicht überraschen. Es ist ein auch anderswo mehrfach bezeugter Fall, daß in eine altgermanische Feste ein Thurm oder gar eine Burg eingebaut wurde. Dies gilt z. B. von der Grenzlerburg bei Othfresen wie auch von der Harlyburg, die sich über der Oker und Radau erhob. Somit wird man wohl bis auf weitere Widerlegung berechtigt sein, die Schanze der vorgeschichtlichen Zeit zuzuschreiben.
Die Schanzeburg bei Heudeber.
Kaum 1½ Meilen südwärts der Bannerschanze ist bei dem Vorwerke Mulmke, etwa 20 Minuten vom Bahnhofe Heudeber-Dannstedt entfernt, ein bewaldeter Hügel, dessen äußerster nördlicher Theil eine vorgeschichtliche Befestigung trägt, die sog. Schanzeburg. Der Platz ist zu einer solchen Anlage ganz besonders geeignet. Der Hügel, der sich von Süden nach Norden zieht, hat an der Ostseite ein Gelände, das sich zum Dannstedter Bache hinzieht. Im Westen ist ein steiler Hang, der nach dem Rottegraben oder dem Bache, der von Heudeber kommt, abfällt. Dies Wässerchen bildet am Ende des Hügels ein Knie, es wendet sich nämlich gleich nach Osten und schließt so die Höhe auch nach Norden hin ab. Früher sollen die Wiesen an diesen Bächen unter der Schanzeburg Teiche gewesen sein.
Auf der äußerten Spitze dieses Hügels liegt die Befestigung. Während sie so an drei Seiten schon durch die natürliche Bodengestaltung geschützt war, wurde sie im Süden durch zwei Wälle und zwei Gräben von der übrigen Fläche abgesondert.
Der erste oder äußere Wall ist niedrig. Er zeigt sich besonders im Süden scharf ausgeprägt, läßt sich auch im Osten verfolgen und tritt im Norden wieder deutlicher hervor. Der höhere Hauptwall zieht nicht ganz ringsum: er ist im Süden am mächtigsten, wird aber an den Seiten, wo das Gelände sich senkt, bald niedriger und verschwindet dann ganz. Er bildet also ein Hufeisen.
Der ganze befestigte Platz ist von länglichrunder Grundform, deren größter Durchmesser ziemlich genau von Süden nach Norden zieht.
Ein Quergraben theilt die Fläche in eine größere, südliche und eine kleinere, nördliche Hälfte. Aus der Niederung des Rottebaches an der Westseite zog die Auffahrt herauf.
Der ganze Umfang der eigentlichen Burgfläche, von der Höhe des Hauptwalles an gezählt, beträgt etwa 615 Schritte, also ungefähr 492 Dieter. Der große Durchmesser mißt 240 Schritte, das sind gegen 192 Meter. In der Querachse zählte ich 115 Schritte, das mögen 92 Meter sein.
Eine weite Aussicht eröffnet sich von dieser Höhe auch gen Norden. Zu Füßen des Hügels vereinigt sich der Rottebach mit dem Gewässer von Dannstedt, und das Flüßchen fließt dann als Aue zum großen Bruchgraben. Rechts erhebt sich der Huy, von dem eine alte Warte herabschaut, links liegt die breite Masse des Fallsteins, während in der Ferne Asse und Elm herüberscheinen. Südwärts steigen die nahen Berge des Harzes auf, überragt vom Brocken.
____
125
Vor Zeiten soll auf der Schanzeburg ein altes Kloster gestanden haben, wie denn auch beim Ausroden von Bäumen Bausteine zum Vorschein gekommen sind. Es wurde auch folgende Sage erzählt. Einst ackerte ein Pflugmann unter der Burg. Da hörte er im Berge ein Rufen, das so ähnlich klang, als wenn den Leuten vom Bäcker das Kneten des Brotteiges angemeldet wird. Er antwortete: Half Part! Als er am Nachmittage wieder dahin kam, lag auf seinem Pfluge ein Sauerteigkuchen.
Im Mittelalter hieß die Feste die Schalkesborg und gehörte dem Kloster Drübeck 6). Jetzt ist sie Eigenthum einiger Landwirthe zu Heudeber. Im Innern der Burg sind zahlreiche Obstbäume angepflanzt, und im Grase blühen dunkelblaue Genzianen und leuchtendrote Steinnelken.
(Schluß folgt.)
____
133
Beiträge zur Vorgeschichte des Landes Braunschweig.
Von Th. Voges.
24. Vorgeschichtliche Befestigungen. (Schluß)
Von den hier kurz aufgeführten Erdwällen, wie auch von anderen noch vorhandenen, z. B. den Befestigungen an der Schunter oder den Bisdorfer Schanzen bei Querenhorst, meldet die Geschichte nichts. Die Annalen unserer Klöster, die Chroniken der sächsischen Geschichtsschreiber bringen davon keine Kunde. Und doch drängen sich im Angesichte dieser Burgen immer wieder die Fragen auf: Wann wurden sie aufgeführt? Welchen Zweck hatten sie? Wurden sie nach einem einheitlichen Plane angelegt oder erwuchsen sie, hier früher, dort später, aus den augenblicklichen Bedürfnissen der Bewohner eines Landstriches? Vielfach sind diese Fragen erörtert worden. Manche Forscher, wie der oben genannte von Oppermann, sehen sie als Thalsperren an, bestimmt, die weiter aufwärts gelegenen Gegenden vor Angriffen aus der Ebene heraus zu schützen. Andere sind nach ihm Wachtstätten, von denen aus der Feind beobachtet und in seiner Flanke bedroht werden konnte.
So hat die Asselburg bei Burgdorf, auf dem östlichen Ausläufer der Vorholz-Höhen gelegen, nach v. Oppermann’s Meinung wahrscheinlich zur Vertheidigung des Flöthethales gedient, das sich zwischen den langgestreckten Höhen des Vorholzes und den Lichtenbergen ausbreitet. Der Paß von Gebhardshagen, der einem Eindringen in das Innerstethal besonders günstig ist, wird durch die große, wohlerhaltene Lagerumwallung verteidigt. Die kleine, nun abgetragene Schanze bei Heerte war ein in das Fusethal vorgeschobener Beobachtungsposten dieses Gebhardshagener Passes. Von der Schalkersburg im Oder sagt der genannte Forscher, sie gewähre bei ihrer freien Aussicht nach Westen hin Gelegenheit, einem feindlichen Vordringen gegen die Pässe von Gebhardshagen und Salzgitter in Flanke und Rücken entgegen zu treten, während der dichtbewachsene Oderwald eine gute Deckung gegen Unternehmungen aus dem Okerthal biete. Diese Ansicht von der militairischen Bedeutung der Ringwälle drängt sich unwillkürlich auch bei der Betrachtung anderer hier in Rede stehender Befestigungen auf. So kann der nun abgetragene Wall bei Altenhagen wohl zur Deckung des Ueberganges bei Lichtenberg gedient haben, ebenso wie die „Reitbahn“ bei Neu-Wallmoden den Paß an der Neile, also den Zugang von Norden her, verteidigen konnte. Auch angesichts der drei Ringwälle von Hessen, Westerburg und Watenstedt läßt sich eine Beziehung zu den durch das Große Bruch führenden Uebergängen schwer abweisen. Die Hünenburg bei Hessen beherrscht nicht nur das Auethal, sondern auch den Hessendamm, während die Schanze bei Westerburg dem Kibitzdamme gegenüberliegt. Nahe diesem Passe mündet die Soltau, deren Thal südlich der Hünenburg hinzieht.
Bei der Untersuchung der Bestimmung dieser Burgen muß noch ein Umstand erwähnt werden, der dafür zu sprechen scheint, daß die Wallbefestigungen zu Vertheidigungszwecken dienten. Von den hier aufgeführten Ringwällen liegen nämlich die meisten an den Grenzen ehemaliger Gaue. Nur die Reitlingsburgen und die Schanzeburg bei Heudeber bilden eine Ausnahme. Die Asselburg bei Burgdorf lag an der Nordgrenze des Ambergaues gegen den Gau Hastvala hin. Die Ringwälle bei Altenhagen und Gebhardshagen lagen an der Südgrenze des zuletztgenannten Gaues gegen den Salthga hin, während die Schalkersburg im Oder die Südostecke dieses Gaues einnimmt. Die „Reitbahn“ bei Neu-Wallmoden lag im Südzipfel des Salthgas gegen den Densinga hin. Die Hüneburg bei Golmbach war eine Grenzfeste an der Nordseite des Augas gegen den Gau Tilithi hin.
Von den östlich der Oker belegenen Erdwerken liegen die Befestigungen des Reitlings mitten im Darlingau, aber die Elmsburg bei Twieflingen, die Hünenburgen bei Watenstedt und Hessen dürfen wohl als Grenzfesten dieses Gaues angesehen werden. Hart an der Nordgrenze des Harzgaues lag die Bannerschanze, während die Schalksburg bei Heudeber schon weiter südlich liegt 7).
Aber nicht zur Vertheidigung allein sind die Ringwälle aufgeführt. Schon M. Jähns sagt: Man wird doch wohl daran thun, die ausschließliche Bedeutung all’ der alten Schanzen für militairische Zwecke nicht gar zu gewiß zu behaupten 8). Und auch Schuchhardt weist
____
7) Die Grenzen dieser Gaue sind bestimmt nach H. Böttger Diöcesan- und Gaugrenzen Norddeutschlands. Doch genügen, um diese Verhältnisse sicher übersehen zu können, die beigegebenen Karten nicht, man muß vielmehr erst auf Grund der urkundlich festgestellten Grenzorte eine im größeren Maßstabe gehaltene Karte entwerfen und dann die Befestigungen dort eintragen. Auch andere Erdburgen erscheinen dann als Grenzfesten, so Nettlingen, die Grenzlerburg, die Burgen auf dem westlichen Okerufer und auch die Bisdorfer Schanzen bei Querenhorst.
8) M. Jähnz, Geschichte des Kriegswesens, S. 461.
____
134
darauf hin, daß viele Burgen, die anscheinend eine zusammenhängende vorgeschichtliche Wehrlinie bilden, von der altgermanischen Zeit bis tief ins Mittelalter hinein reichen 9). Daraus folgt aber, daß sie nicht alle und nicht ausschließlich zur Vertheidigung gedient haben. Manche waren gewiß nur Burgen, d. h. Bergungstätten, aufgeführt, um in friedlosen Zeiten die aufgescheuchten und flüchtigen Bewohner sammt ihrer Habe aufzunehmen. Diese Annahme findet eine Bestätigung in einer alten Klosterchronik. Ekkehart, ein Mönch von St. Gallen, seines Namens der vierte, erzählt, wie der Abt Engilbert im Frühling 926 beim Einbruch der Ungarn im engen Thale, dort wo die Sitter schäumt, einen solchen Unterschlupf herrichtete, „weltabgeschieden, als wenn keine heidnische Spürnase den Pfad jemals finden sollte.“
Es wurde ein Ort ausgewählt, so berichtet der Chronist, der wie von Gott zur Anlage einer Burg sichtbar dargeboten war, um den Fluß Sinttriaunum. Auf dem schmalsten Berghalse wird, indem man Verschanzung und Wald herauschlägt, eine Stelle vorn befestigt und ein befestigter Platz errichtet von großer Stärke. Schleunig wird Alles, was nothwendig sein kann, zusammengeführt. Eine schnell errichtete Kapelle wird zum Bethaus, in welches die Kreuze gebracht werden, nicht minder auch fast der ganze Kirchenschatz. Späher gingen hin, um den Brüdern die Ankunft der Feinde vorauszusagen, damit dieselben zu dem festen Platze fliehen möchten. Als die Feinde von der natürlichen Beschaffenheit der Festung vernommen hatten, daß sie nicht belagert werden könne, daß aber der Platz durch seinen langen und sehr schmalen Hals den Angreifenden nur mit größtem Schaden und sicherer Gefahr zugänglich sei, und daß seine Beschützer, wenn sie nur Männer seien, ihrer Menge, so lange sie Lebensmittel hätten, niemals weichen würden, ließen sie endlich von dem Kloster ab. — Weil aber die Brüder erfahren hatten, daß die Ungarn zuweilen zurückzukehren pflegten, fällen sie zum zweiten Male die Bäume des Waldes und stechen einen tiefen Graben durch. Indem sie einen tiefen Brunnen graben, finden sie eine sehr reine Quelle. 10)
Diese Mönchsburg im Tannenwalde am rauschenden Sitterbach war also kein Rundwall wie die Schalkersburg im Oder, ihre Anlage glich eher der Befestigung auf dem Kuxberge im Elme oder der Hüneburg mit dem Tenterling bei Golmbach. Wie sie aber den Zweck hatte, die bedrohten Klosterleute aufzunehmen und zu schützen, so haben, nach der Ansicht vieler Forscher, auch die andern ähnlichen Anlagen als Fliehburgen gedient. Die Ringwälle sollten in Zeiten der Gefahr die flüchtenden Landbewohner mit Weib und Kindern und aller Habe aufnehmen und bergen. Behla freilich, der die vorgeschichtlichen Befestigungen von der Elbe bis zum Pregel und von Rügens Küsten bis zur oberen Oder beschrieben hat, faßt die Rundwälle nicht als eigens angelegte Zufluchtstätten auf und hält die Ansicht, sie nur als militairische Befestigungen auzusehen, für einseitig. Die Ringwälle, so sagt er, lassen sich überhaupt einem einheitlichen Zwecke nicht unterordnen, ihre Bestimmung war eine verschiedenartige. Er ist der Meinung, daß es Versammlungsstätten für religiöse Angelegenheiten waren. Das war der eigentliche Grund zu ihrer Erbauung. Da aber nach der religiösen Anschauung der Urzeit nichts unternommen wurde, ohne durch Opferung die Götter zu befragen, so wurden sie auch zu Gerichtssitzungen und politischen Volksberathungen benutzt. Der kriegerische Zweck ist davon unzertrennbar und wird bewiesen durch das Aufbewahren der kriegerischen Feldzeichen und Fahnen in den heiligen Hainen unter dem Schutze der Priester. Diese Feldzeihen und der Tempelschatz bedurften des Schutzes und sind der Grund, warum wir die Heiligthümer an sicheren Plätzen finden. Wie Garz und Arkona zeigt, wurden sie in Zeiten der Noth von selbst zu Vertheidigungsplätzen. Da Bekehrung und Unterwerfung für die Heiden dasselbe bedeutete, so spielten die Wälle in der Bekehrungszeit eine mehr kriegerische Rolle. Und in dieser Zeit, wo es galt, die Heiligthümer und sich selbst zu schützen, mag auch diese oder jene Anlage aus rein militairischem Grunde errichtet sein; dahin mögen die gehören, die keine Spuren von Opferbrand aufweisen 11).
Uebrigens legte man früher auch für die Heerden ähnliche umwallte Orte an. So findet man unweit Wolfenbüttel im Halchterschen Holze am Fuße des Schiefen Berges den Schweinehof. Derselbe, etwa 8 ha groß ist noch jetzt mit einem Graben und einem niedrigen Wall umzogen. Letzterer trug wohl ehemals einen Zaun oder eine Dornenhecke. Innen entsprang ein Bach. Hier blieben die Schweine des Nachts unter der Obhut des Hirten, der in einer Hütte schlief.
So steht Meinung gegen Meinung. Das aber ergiebt sich aus dem Vorstehenden, daß diese Frage endgültig nur nach mancher Arbeit erst gelöst werden kann. Es ist nicht genügend, die Befestigungen aufzunehmen und in Uebersichtskarten einzutragen, es muß auch ihre Lage in der Landschaft, ihr Verhältniß zu Berg und Thal, zu alten Ansiedelungen und Straßen erkundet werden. Ausgrabungen müßten das Innere der Wälle erforschen, damit auch etwaige Steingeräthe, Knochen, Bronzesachen und vor Allem Topfscherben ihre Aussage machen können. Was für ein Ergebniß diese Arbeiten haben werden, läßt sich nicht voraussehen; gleichviel aber, ob die Ringwälle nun vor- oder frühgeschichtlich oder mittelalterlich sind, so ist es unsere Pflicht, diese Burgen, die mit dem Leben unserer Vorfahren aufs Engste zusammenhingen, nach Möglichkeit zu schützen und zu erhalten.
____
9) Atlas vorgeschichtlicher Befestigungen in Niedersachsen. Heft IV.
10) Ekkeharts IV. casus Sancti Galli. Buch 5. Kapitel 51. 55, 56. Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit. Zehntes Jahrh. Band XI, übersetzt von Meyer v. Knonau.
11) R. Behla, Die vorgeschichtlichen Rundwälle im östlichen Deutschland. Berlin 1888. S. 75.
Quelle:
Th. Voges: Beiträge zur Vorgeschichte des Landes Braunschweig.
in Braunschweigisches Magazin. Braunschweig.
Jg. 1895: S. 41-45. S. 68-71.
Jg. 1896: S. 96-98. S. 233-234. S. 285-290. S. 295-298.
Jg. 1897: S. 10-13. S. 134-136. S. 141-144. S. 151-152. S. 158-159. S. 165-167.
Jg. 1898: S. 651-655. S. 663-664.