H. Röhr "Die Kapelle vor dem Marienportal unseres Kaiserdoms"

 

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Kaiserdom Königslutter, Marienportal

 

 

Die Kapelle vor dem Marienportal unseres Kaiserdoms

Früher stand vor dem Marienportal unseres Kaiserdoms eine zweistöckige Kapelle. Sie war etwa 10m larıg und 6m breit und enthielt im oberen Teil  Spitzbogenfenster. Errichtet wurde sie gegen Ende des Mittelalters, als Königslutter ein berühmter Wallfahrtsort war.

Darin stand eine hölzerne Marienstatue. Da diese als wundertätig galt, kamen aus allen Teilen Deutschlands Pilger dorthin, um Vergebung für ihre Sünden zu erlangen. lm Jahre 1451 gewährte der Kardinal Nikolaus von Cusa einen 100-tägigen Ablaß für alle, welche diese Marien- oder Liebfrauenkapelle am Tag der Patronin besuchen und für ihre bauliche Erhaltung etwas spenden würden. Später soll dort der bekannte Ablaßprediger Johann Tetzel gepredigt haben. Daher nannte man sie auch gern die "Tetzelkapelle".

Nach der Reformation zerfiel sie immer mehr. Darüber heißt es 1622 in einem Stiftsinventar: “Von dem Kirchturm nach dem Chor hin gehet ein Gewölbe, so die Kapelle genannt wird und sind zwei übereinander gebaute schöne Gewölbe, stark und mit sonderlichem Fleiß vormals, doch sehr lange nach des Klosters Stiftung aufgeführet, sogar daß auch die Bogensteine mit eingegossenen Eisenstangen zusammengefügt sein, welche Kapelle diesen Nutzen und Gebrauch hat haben sollen, daß der römische Ablaß von Tetzel oder seinesgleichen hernachmals habe sollen daselbst ausgeteilet werden, welches papistische Vernehmen von dem damaligen Herzog von Braunschweig nach Aussagen hierüber gedruckter Briefe ist zurückgetrieben worden."


Der bauliche Zustand der Kapelle hatte besonders darunter gelitten, daß während des 30-jährigen Krieges die große Glocke im Vierungsturm heruntergefallen war und durch die Kapelle sehr mühsam wieder hochgebracht werden mußte (vergl. dazu die Sage vom Glockenteich). So wird in dem Schreiben des Klosteramtmanns 1662 von der Kapelle weiter berichtet: “Dessen jetziger (baulicher) Zustand belangend, ist sie itzo ohne Dach und seit der Zeit also gestanden, daß man die heruntergefallene Glocke im Turm hat müssen wieder in die Höhe bringen, wozu Bäume und Rüstungen von Nutzen gewesen, welche einmal durch ein Loch im oberen Kapellengewölbe und weiteres durch die Giebelmauern der Kirche hat müssen gebracht werden."


Da der Verfall immer weiter fortschritt, sah man sich im Jahre 1835 gezwungen, die Kapelle abzubrechen. Die Dachschrägen über dem Marienportal, bis zu denen die Kapelle reichte, waren an der Außenmauer des Querschiffs noch lange zu erkennen. Jetzt sind sie aber nicht mehr zu sehen.

                                                                                                                      H.Röhr


Quelle:  Der Dombote Nr. 22   Nov. / Dez. 1990  Seite 15