Zum 100. Todestag August Essenweins

Kaiserdom Koenigslutter - Malerei im Chorbereich
Kaiserdom Königslutter - Malerei im Chorbereich

Die ehemalige Benediktinerabteikirche St. Peter und Paul in Königslutter ist eine kaiserliche Stiftung. Somit ist sie die Kirche mit höchstem weltlichen Rang im ehemaligen Herzogtum Braunschweig und im heutigen Land Niedersachsen.
Ebenso wie heute wurde sie wiederholt nicht diesem Rang gemäß bewertet und behandelt. Einigemale kam es ihr aber zustatten, daß maßgebliche Personen sich dieser kaiserlichen Würde besannen und sie zur Geltung brachten. Zuletzt war dies vor hundert Jahren der Fall, als nach dem Tode Herzog Wilhelms Prinz Albrecht von Preußen die Regentschaft in Braunschweig übernahm und schon bald danach die Ausmalung dieses ehrwürdigen Bauwerke veranlaßte, die inzwischen arg lädiert und teilweise übermalt wurde, und deren Renovierung wir seit langem erhoffen, weil ihr jetziger Zustand nicht mehr der Ehre Gottes und der Würde dieses hochkarätigen Kunstwerkes entspricht.
Sicherlich wollte der Sohn des Kaisers in der Zeit des Kulturkampfes zwischen dem preußischen Staat und der katholischen Kirche die traditionelle Symbolsprache der Kirche für seine politischen Ziele einsetzen. Warum nicht? Warum tut man's heut nicht ?!
Es gelang ihm, Prof. Dr. August Ottmar von Essenwein, den ehemaligen Direktor des Germanischen Museums in Nürnberg und derzeit besten Kenner mittelalterlicher Ikonographie in Deutschland für den Entwurf der Ausmalung zu gewinnen. Essenwein hatte zuvor die Ausmalungen der Kirchen Groß St. Martin, St.Maria im Kapitol, St.Gereon in Köln und der Kirche in Pfaffenhofen, das Fußbodenmosaik des Kölner Domes und Projekte zur Ausstattung der Dome von Trient und Osnabrück und viele Ausstattungsstücke und Fenstermalereien entworfen, die Malereien im Braunschweiger Dom ergänzt und die Frauenkirche in Nürnberg restauriert.
Im Jahre 1852, als es kein Deutsches Reich gab, gründeten deutsche Wissenschaftler das Germanische Museum. Dieser bedeutendsten und umfangreichsten Sammlung für Geschichte der deutschen Kunst und Kultur gab Essenwein in 25 Jahren seiner Leitungstätigkeit Gesicht, Größe und das gemäße Umfeld. Gegen den zunehmenden Verfall der Altstadt von Nürnberg mobilisierte er die Bürgerschaft und setzte die Sanierung durch. In dem berühmten "Streit ums Mittelalter", der im 19. Jahrhundert mit aller Erbitterung geführt und nie ausgefochten wurde, setzte er sich gegen die radikale Moderne für Erhalt des Originalen und, wo nötig, für sorgsame Rekonstruktion nach Befunden und Gestaltung nach Analogien ein. "Wir werden anerkennen müssen, daß unsere Vorfahren im 12. und 13. Jahrhundert ihre Gedanken und ihre Formenwelt der heutigen Mehrheitsanschauung nicht anpassen konnten, und daß, wenn wir ein Vermächtnis aus ihrer Zeit zur Geltung bringen und vervollständigen wollen, wir uns an ihre, nicht an die heutige Anschauung anlehnen müssen," schrieb er 1881, als im Braunschweiger Dom die kahlen Wände des Langhauses farbig belebt und auf solche Weise mit dem Farbenreichtum des östlichen Teiles der Kirche in künstlerisches Gleichgewicht gebracht werden sollten. "Daß es keine leichte Arbeit war, Gedanken, Augen und Hände fünf Jahrhunderte zurückzustellen, wird jeder Sachverständige wissen." Daß dabei die praktischen Ergebnisse nicht immer den Anforderungen dieser Männer und noch weniger denen der heutigen Denkmalpflege entsprachen, wissen Verständige auch, aber Grundauffassung und Methodik gelten heute weithin als richtig.
Nur im Kölner Dom und im Kaiserdom von Königslutter kann man noch finden, was Essenwein entwarf und sein Werk würdigen. Krieg und Kunstexperten anderer Richtungen vernichteten seine sonstigen Kirchenausstattungen.
Bundespräsident von Weizsäcker sagte kürzlich in Berlin beim Internationalen Kongreß für Kunstgeschichte, gute Kunstgeschichte sei eine Hilfe gegen die schreckliche menschliche Untugend des Vorurteils schlechthin.
Sein letztes Werk, die Ausmalung unserer Kirche konnte Essenwein nicht mehr fertig sehen und wie üblich erläutern. Zwei Jahre vor ihrer Vollendung starb er am 13.10.1892 im Alter von 60 Jahren.
Die Stadt Nürnberg setzte ihrem Ehrenbürger eine Gedenktafel auf seinem Grab und anerkannte mit der Inschrift INSERVIENDO CONSUMOR sein aufopferungsvolles Wirken. Wir könnten ihn nicht besser ehren, als durch Einsatz für die Wiederherstellung seines Spätwerkes.

Otto Kruggel
1992

veröffentlicht in:  Der Dombote 6. Jahrgang Nr. 33 Sept./Oktober 1992 S.10-11


Seltenes Gesamtkonzept

Erhaltenswerte Wandmalerei im Kaiserdom

Seltenes Gesamtkonzept

 

Ein Schatz, den es zu hüten gelte, nannte Professor Peter Springer, die Malereien von August von Essenwein im Kaiserdom in Königslutter. Anlaß war eine Feierstunde, zu der die Stiftskirchengemeinde zum 100. Todestag Essenweins eingeladen hatte.

Die Anregung zu diesem erinnerungsträchtigen Zusammensein kam von Otto Kruggel, dem Kunstpädagogen aus Königslutter, der sich seit Jahren intensiv kunst- und baugeschichtlich mit dem romanischen Bauwerk auseinandersetzt.

So wurde die Bedeutung der Wandmalereien wieder ins rechte Licht gerückt. Initiator dafür war im vergangenen Jahrhundert Prinzregent Albrecht von Preußen, der den damaligen Direktor des Germanischen Museums, Professor August von Essenwein, beauftragte. Er tat es nicht ohne Grund. Denn seinerzeit muß es ziemlich trostlos im Kaiserdom ausgesehen haben. Von Entstellungen war in zeitgenössischen Darstellungen die Rede.

Mit Essenwein erhielt der Auftraggeber einen ausgezeichneten Fachmann auf dem Gebiet mittelalterlicher Ikonografie und Kenner romanischer Baukunst. Für Essenwein war es wichtig, mit seinem Entwurf dem Charakter einer Kirche aus dem zwölften Jahrhundert zu entsprechen. Malereien aus dieser Zeit hatten auch die Aufagbe, Besucher mit Geschichten und Bildern aus der Bibel vertraut zu machen. Mittelpunkt bildete ein Gedanke, dem christlichen Bildkreis entnommen, der meist als Hymnus auf die Gottheit dargestellt wurde. „Ein solcher Hymnus auf den Gott den Schöpfer und Herrn der Welt bildet auch die Seele der Essenweinschen Ausmalung“, meinte Dompfarrer Manfred Trümer in seiner Ansprache.

Als profunder Kenner erwies sich Professor Springer, der Gastredner. Er hat sich eingehend mit den Werken Essenweins beschäftigt. Viel ist davon heute nicht mehr vorhanden. Lediglich im Kölner Dom und im Kaiserdom in Königslutter hätten die Werke überdauert.

Sie zu erhalten, sei dringend geboten. Die Bezirksregierung und die Denkmalpflege tendierte offenbar zur Restaurierung, die kaum strittig sei, meint Trümer. Mit Vehemenz setzte sich vor allem Professor Springer für Erhalt und Restaurierung der Wandmalerei ein. Zumal es sich in Königslutter, neben den Fußbodenmosaiken im Kölner Dom, um das einzige noch erhaltene Gesamtkonzept der Kunst Essenweins handele. Disc-

 

 

Veröffentlicht in:

Braunschweiger Zeitung, Sonnabend, 17.10.1992

 

 

 

 

Kaiser Lothars Bildnis im Kaiserdom

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Viele Dombesucher werden sich erinnern, daß im Kaiserdom immer ein Bild Kaiser Lothars hing. Im Zuge der Restaurierungsarbeiten und der Öffnung des Kaisergrabes im Jahre 1978 verschwand es. Mehr als 10 Jahre war es fort, und wurde in Braunschweig restauriert. Jetzt ist es wieder da, und der alte Kaiser Lothar schaut nach wie vor in den prächtigen Bau hinein, den er errichten ließ.
Wie Fachleute festgestellt haben, stammt das Ölbild aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts. Damals, im Jahre 1618, begann der 30-jährige Krieg, der schlimmste, den wir Deutschen jemals erlebt haben. 1620 ließ der Burgherr von Königslutter, Joachim von der Streithorst, das Kaisergrab öffnen, um sich an den Schätzen, die er darin vermutete, zu bereichem. Aber die Hoffnung trog. Im gleichen Jahr wurden hoch oben am Hauptgewölbe der Kirche die Bilder von den unten begrabenen Fürsten (Kaiser Lothar, Kaiserin Richenza und Herzog Heinrich der Stolze) in Lebensgröße angebracht und die Kirche mit neuen Fenstern und den Wappen christlicher und weltlicher Personen geschmückt. In dieser Zeit dürfte auch das Ölbild Kaiser Lothars entstanden sein.
Da während des schrecklichen Krieges der Kirchenbau völlig verwahrloste und auch die notwendigsten Restaurierungsarbeiten unterblieben, stürzte im Jahre 1640 die Decke des Hauptschiffes ein, zerschlug den Altar und das Kaisergrab und hinterließ einen Trümmerhaufen. Bei dieser Gelegenheit verschwanden die Deckengemälde und die schönen Fenster. Nur das Bildnis des Kaisers Lothar blieb erhalten. Man hatte es nämlich aus der Kirche geholt und in der Abtei gut versteckt. So überstand es mit Gottes Hilfe die schlimme Zeit.
Das mit erneuertem Rahmen versehene Ölbild gilt nicht als eine hervorragendes Meisterwerk, wohl aber als eine gute, solide Arbeit. Es zeigt den alternden Kaiser mit Krone, Schwert und Reichsapfel im Harnisch, gerüstet für Kampf und Streit. Der Krieg hat in seinem Leben wie in dem fast aller mittelalterlicher Herrscher eine große Rolle gespielt. Dieser galt in erster Linie den Ungläubigen, den Slawen im Osten und den Sarazenen im Süden. Die Zeitgenossen berichten aber auch, daß der Kaiser nicht nur ein großer Kriegsheld war, sondern zugleich ein warmherziger Freund der Kirche und ein sehr frommer Christ war. Dreimal pflegte er täglich den Gottesdienst (die Messe) zu besuchen. Daher paßt das Bild des Kaisers gut in den Dom, dessen Bauherr er war und in dem er mit seiner Familie seine letzte Ruhestätte gefunden hat.

H. Röhr


Veröffentlicht in:
Dombote Nr. 18 März / April 1990 S. 15

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Foto von Hr. Karolczak aus EZ- Artikel "Kaiser Lothar zurückgekehrt" vom 25.02.1990

 

 

 

 



Hans-Georg Jackisch führt durch den Kaiserdom

Begegnungen im Alltag

Besucher müssen nicht bibelfest sein

 

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Domführer Hans-Georg Jackisch hat viel zu erzählen, vor allem über die Apsis im Chorgewölbe. Foto: Stefan Hähnsen

 

Hans-Georg Jackisch führt durch den Kaiserdom

Von Jürgen Paxmann

KÖNIGSLUTTER. Das Bekenntnis von Hans-Georg Jackisch ist eindeutig: „Ich bin mit dem Dom verwachsen.“ Der stellvertretende Küster der Stiftskirche St. Peter und Paul kennt jeden Stein vom bekanntesten Bauwerk in Königslutter. Als ihn die Stadt einst darum bat, Besucher durch den Kaiserdom zu führen, nahm Jackisch das Angebot ohne Zögern an.

Seit der ersten Domführung am 19. Mai 1985 (Jackisch hat Buch geführt) ist der 83-Jährige Ansprechpartner Nummer eins, wenn es darum geht, Hintergründe zur Geschichte der Abtei Königslutter, zur Architektur des Baudenkmals und zur Biografie des Bauherrn Kaiser Lothar III. zu erfahren.

In bautechnischen Fragen ist der gebürtige Schlesier ein Experte, schliesslich hat er in Breslau das Studium der Architektur abgeschlossen. Nach dem Krieg lemte er in Königslutter seine spätere Frau Margarete kennen, ihr gab er vor 54 Jahren das Jawort. Wo? Natürlich im Kaiserdom.

Der rüstige Pensionär ist kein Typ, der sein Fachwissen monoton herunterleiert, sondern er vermittelt Heimat-, Kirchen- und Baugeschichte auf humorige, lebhafte Weise. Wenn er den Besuchern die Besonderheiten des Löwenportals erklärt, streut er eine fast provozierende Frage in seinen Vortrag: „Wer von Ihnen kennt die Bibel? Warum hat der Löwe einen Widder in seinen Klauen?“ Die Lösung liefert der Domführer nach einigem Raten gleich mit. Welche Symbolik die Jagdszenen am Fries der Ostfassade haben, welche Philosophie den Verzierungen der Säulen im Kreuzgang zugrunde liegt, all das erklärt Hans-Georg Jackisch so spannend, dass man meinen könnte, die Gemäuer hätten Zwiesprache mit ihm gehalten.

Oft redet der Mann im Superlativ: „Und jetzt kommen wir zu einem Meisterstück der Steinmetzarbeit: zum Marienportal“ Die Ornamentik sei das Köstlichste, was es überhaupt gibt. So haben die hervorstehenden Würfel allesamt eine Seitenlänge von 24 Millimetem. „Ich hab es selber mit der Schieblehre nachgemessen“, triumphiert Jackisch.

Im Innern des Doms vertieft sich der Kirchendiener zunächst in die Biografie von Kaiser Lothar III. Er erzählt von der Idee, einen monumentalen Kirchbau in Königslutter zu realisieren und dass dafür Baumeister aus Italien verpflichtet wurden. Der Kaiser erlebte die Fertigstellung nicht, er starb im Jahr 1137 (zwei Jahre nach Baubeginn) während einer Reise über die Alpen.

Vom Kaisergrab lenkt der Domführer die Aufmerksamkeit der Besucher hinauf zur Malerei in den Gewölben. Jackisch ist beredt, doch alle Fragen kann er nicht beantworten. „Ich weiß es nicht“, lautet die ehrliche Reaktion. Diese Antwort dürfe man dem Fragesteller nur einmal geben. Dankbar nimmt Jackisch das Rätsel zum Anlass, dann in der Fachliteratur nachzuschlagen.

Nach anderthalb Stunden beschließt der Domführer seinen Vortrag mit „es räket hin“, obwohl noch so vieles über eines der bedeutendsten Baudenkmäler der Romanik in Niedersachsen zu berichten gäbe.

Kaum hat der 83-Jährige sein Handy wieder eingeschaltet, klingelt es. Er muss los, um einem Organisten eine der vielen Türen im Domlabyrinth zu öffnen. Hans-Georg Jackisch huscht in Windeseile davon.

 

 

Veröffentlicht in:

BZ Ausgabe Helmstedt vom 16.02.2002

 

 

 

Der Lebensbaum im Kaiserdom

Kaiserdom Königslutter Lebensbaum (Ausschnitt)

Aus unserer Heimat

Der Lebensbaum im Kaiserdom

Die einzige alte Malerei im Dom befindet sich über dem Taufbecken zwischen den Westtürmen

 

Zwischen den beiden Westtürmen befindet sich im Innern des Domes ein breiter Raum, der von einem einfachen Tonnengewölbe überdeckt ist. Darüber befindet sich die Orgel. Die ganze Gewölbefläche ist von den Resten einer schönen Malerei bedeckt, der einzigen wirklich alten in der Kirche.

Wir bemerken zuerst ein feines Rankenwerk, welches sich über die ganze Wölbung hinzieht, ein Baum, welcher ganz und gar aus kunstvoll geschwungenen Ranken mit lappigen Blättern besteht, gehalten in einem zarten Grün. Am Ende der einzelnen Zweige sind große Kelche aufgebrochen, welche zum Teil spitze Knospen in sich tragen, zum Teil runde oder birnenartige Früchte. Andere aber sind ganz aufgeblüht und in ihnen sitzen bis zur Hüfte zarte, poetische Gestalten mit Kronen auf dem Kopfe.

 

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Die größte und schönste Blüte ist von einem Strahlenkranze umgeben und zeigt uns die Gottesmutter mit dem Kindlein auf dem Arme. Auch sie trägt eine Krone inmitten ihres Sternenkranzes.

 

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Die kleineren Gestalten rings um sie her, wie Elfen in ihren Märchenblüten, bewegen zierlich ihre Arme und Hände, in ihren schönen und bekrönten Gesichtern scheinen die Münder zum Lobgesang geöffnet zu sein.

 

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Ein Zauber reinster Poesie geht von diesem alten Bildwerk aus.

 

 

An der südlichen Seite der Wölbung; aber finden wir noch einmal die Mutter Gottes ganz groß im Strahlenkranze, neben ihr auf Querstreifen ein paar Heiligenfiguren und auf der anderen Seite die Reste einer schon ganz verfallenen Figur eines ritterlichen Heiligen, aber nur seine Lanze ist noch mit einiger Sicherheit zu erkennen. Überhaupt ist das schöne Bild dem Verderben geweiht - in jedem Jahr bröckelt mehr davon ab. Jedesmal wenn die Jahreszeiten umschlagen, wenn der warme Frühlingswind kommt, dann schlägt sich an dem dicken Elmkalksteingemäuer das Wasser ab und rinnt herunter; jede Bemalung mit Sicherheit zerstörend. Am längsten hält sie sich oben in den Gewölben, wie dieser Lebensbaum aus der gotischen Zeit.

Die übrige Bemalung stammt aus der Zeit von 1890 etwa. Damals wurde der ganze Dom mit wissenschaftlichem Eifer und der Kunst eines „Hofdekorationsmalers voll guten Willens „stilgemäß““ ausgeschmückt. Zum Teil wurden alte Teile der Malerei, die man unter dicker, rotbrauner Tünche vorfand, wiederhergestellt, zum Teil wurden neue Muster und Ornamente „stilgemäß“ ausgeführt.

Manches ist, wie auch heute noch nachgewiesen werden kann, recht grob aber handwerksmäßig ordentlich gemacht. Das Niederschlagswasser hat manches schon wieder abgewaschen und beschädigt, sodaß im ganzen kein befriedigender Eindruck entstehen kann.

Vielleicht wird eine spätere Zeit hier einmal eine schöne Aufgabe finden, den Dom neu auszumalen. Es wäre etwas, wofür sich große Künstler mit ganzem Herzen begeistern könnten.        M.

 

 

Veröffentlicht in:

Elmrundschau, den 17. Nov. 1950

 

Hinweis: Die eingefügten Aufnahmen vom Lebensbaum im Kaiserdom Königslutter stammen aus 2014. Die Veröffentlichung von 1950 enthielt keine Bilder.

 

 

 

August von Essenweins Projektvorlage zur Ausmalung vom 22.01.1887

Copia Copiae

 

So unentbehrlich die polychrome Ausstattung, mindestens der Innenräume, monumentaler Bauwerke während der Epoche der romanischen Baukunst gehalten wurde, folgt man doch nicht einem einzigen, unabänderlichen Schema, vielmehr war insbesondere der Grad des Reichtums bei dieser Ausstattung ein sehr verschiedener und neben Werken, welche den höchsten Glanz des Goldes und der Farben aus reichen, figürlichen Darstellungen strahlen lassen, finden sich solche, bei denen einfach der Tüncher einige Töne aufgetragen hatte, die aus Kalkweis, gelbem und rothem Oker, grüner Erde und Ruß bestanden, welche rein oder gemischt aufgetragen wurden und die man so oft erneuerte, als eben der Reinlichkeitssinn frischen Tünchauftrag erforderte. Mitunter geschah die Erneuerung in bestimmten Zeitfristen nach altem Herkommen noch lange nach Ablauf der Herrschaft des romanischen Styles, zum Theile wohl noch weit über das Mittelalter hinaus.

So fanden sich auch in der Kirche zu Königslutter Reste ähnlicher Tüncherarbeiten in den Seitenschiffen vor, die zwar späterer Zeit angehören mögen, aber gewiß nur Erneuerungen altromanischer Tüncherarbeit sind. Es fanden sich aber auch in der Apsis Reste, die weit über den Tüncherarbeiten des Mittelalters stehend, als Reste wirklicher Malereien anzusehen sind. Da nun aber diese gerade an den hervorragendsten Stellen des Bauwerkes sich befanden, die Tüncherarbeiten aber an den untergeordnetsten, so zeigt sich, daß in Königslutter eine Steigerung der Farbeneffecte stattgefunden haben muß, dessen untere und obere Grenzen durch die gefundenen Reste bestimmt sind. Wir erhalten somit auch durch diese Reste die wichtigsten Andeutungen für die Frage, wie wir heute die Stiftskirche wieder ausstatten sollen. Auf diesen Fingerzeigen beruht das Project, welches ich mir gestatte hier vorzulegen. Bei dem selben ist angenommen, daß die Seitenschiffe auf das einfachste getüncht werden sollen. Als Tüncherarbeit ist auch noch die Behandlung der Pfeiler und Wände des Mittelschiffes anzusehen. Die stylisierte Quadrierung in verschiedenen Farben und die einzelnen Ornamente in Gestalt stylisierter Bäume gehen kaum über den Begriff der Tüncherarbeit hinaus. Im Chore dagegen ist wirkliche Decorationsmalerei in Aussicht genommen, die genau an die alten Reste anknüpft. Die Malerei hat aber Gedanken auszudrücken, alle Darstellungen, die sich im Mittelalter in der Apsis und dem Chore der Kirchen befinden variieren nur Ein Thema, es ist die Darstellung der Herrlichkeit des Herrn. Zu diesem

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größeren Reichthume leitet die einfache Decorationsmalerei hinüber, welche an den Mittelschiffgewölben und in weiterer Steigerung an Gewölben und Wänden des Querschiffes, sowie an der Vierung sich entwickelt.

Was die Darstellungen betrifft, die im Chore und in der Apsis vorgesehen sind, so ergibt sich als selbstverständlich für die Apsis das große Bild des sitzenden Erlösers, der das Buch des Lebens aufgeschlagen in der linken Hand haltend, die rechte segnend erhebt. Über ihm das Siegeszeichen des Kreuzes, zu seinen Füßen, ihn anbetend seine Mutter Maria und sein Vorläufer Johannis der Täufer. Unter diesem Bilde sind zwischen den Fenstern die Reste zweier großer Apostelfiguren sichtbar, die natürlich wieder herzustellen sind und zu denen noch die Figuren der Apostel Petrus und Paulus hinzuzufügen sind. Sollte sich bei genauer Betrachtung zeigen, daß die beiden alten Figuren nicht als Apostel, sondern als Evangelistenfiguren anzusehen sind, und zwar als St. Markus und Lukas, so würden die beiden anderen Evangelisten mit ihrem Zeichen zu Füßen anzubringen sein. Die nächste Umgebung des Herrn bildet sodann eine Reihe Engelfiguren. An den quadratischen Gewölbe des Chores ist das himmlische Jerusalem dargestellt, aus dessen zwölf Thoren zwölf Propheten hervortreten. In den Ecken sind die Personificationen der vier Paradiesflüsse angebracht, den Quell der Gnaden bezeichnend, der sich nach allen Richtungen hin ergießt. An den beiden Wänden darunter sind einerseits die klugen und thörichten Jungfrauen dargestellt, welche den Herrn erwarten, andererseits der Triumpf der Tugenden über die Laster.

In den Querschíffen sollen singende und musizierende Engel dem Herrn lobsingen.

Die drei Fenster der Apsiden sind mit Glasmalerei ausgestattet gedacht, deren jedes in drei Medaillons bildliche Darstellungen enthalten wird. Das erste die Verkündigung, die Geburt Christi und die Anbetung der drei Könige. Das zweite die Kreuztragung, Kreuzigung und die Kreuzabnahme. Das dritte die Auferstehung, die Himmelfahrt und die Herabkunft des heiligen Geistes.

 

Was die Kosten der malerischen Ausstattung betrifft, so können diese sich etwa folgendermaßen gestalten:

 

1. Maler der Apsis (in Kalktempera)                   2500 M
2. Gemalte Fenster der Apsis   1800 "
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  Latus 4300 "

 

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  Latus 4300 M

3. Malerei des Chorquadrates mit Gewölbe
(Kalktempera)

  3500 " 
4. Vierung   800 " 
5. Die beiden Querschiffflügel   3000 " 
6. Das Gewölbe des Langhauses (in Kalkfarben)   1200 " 
7. Pfeiler und Wände des Mittelschiffs   1000 " 
8. Tünche der Seitenschiffe   300 " 
9. Kartons für die figürlichen Malereien   3000 " 
10. Kartons für die drei Fenster   1200 " 
11. Überwachung und Leitung der Arbeit   1000 " 
12. Das vorliegende Project   500 " 
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    19800 M

 

 

Dabei ist jedoch vorausgesetzt, daß die Gerüste, sowie die fertige Herstellung des Putzes aller Theile nicht auf Rechnung dieser Ausstattung geschieht. Ebenso die Reinigung nach Fertigstellung der Arbeit. Die gothischen Malereien im westlichen Theile sollen unberührt bleiben.

 

Nürnberg, den 22. Januar 1887

gez. A. Essenwein

 

Bemerkung:

Die Summe von 19 800 Mark wird mit Rücksicht auf eine nachträglich für nötig erachtete reichere Ausmalung des Langhauses auf 20 000 Mark abgerundet. Außerdem wird hierfür sowie für die Gerüste (?) der zur einfachen Austünchung der Kirche früher anschlagsgemäß in Aussicht genommene Betrag von 1600 Mark herangezogen.

 

in fidem Wiehe

 

 

 

Transkription: Otto Kruggel

 

Quelle: Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel

 

 

 

Ernst Wiehe: Die Ausmahlung der Stiftskirche zu Königslutter

Vorbemerkungen.

War das Aeußere der Stiftskirche zu Königslutter im Laufe der Zeit durch Ausbesserungen und Herstellungsarbeiten nach und nach in einen vorzüglichen und stylreinen Zustand versetzt, so zeigte das Innere noch bis vor wenigen Jahren die Verfassung, in welche es durch die Vernüchterungen und Entstellungen der letztverflossenen Jahrhunderte gebracht worden war. Wohl wirkten, wie im Aeußern, so auch hier die vornehmen und großartigen Verhältnisse; im Uebrigen aber war der Eindruck denkbar kahl und nüchtern. Eine dicke gelbliche Tünche, nur durch einige bräunliche Einfassungsstriche aufgeputzt, überzog Wölb- und Wandflächen, Putz und Quader, und ließ kaum die Einzelheiten der Gesimse und Bildhauerarbeiten erkennen. Die Fenster aber hatten hölzerne Verrahmungen und enthielten in den großen Scheiben das gewöhnlichste durchsichtig-weiße Fensterglas, oder sie waren, wie in der Chorapside, von gußeisernem Sprossenwerk und zeigten in den Friesen eine Zusammenstückung farbiger durchsichtiger Gläser, die von der Wirkung eines Kaleidoskops nicht verschieden war.

Auf die Allerhöchste Anregung Sr. Königlichen Hoheit, des Prinzen Albrecht von Preußen, Regenten des Herzogthums, ist nunmehr auch hierin Wandel geschaffen worden. Nachdem die Landesversammlung die nöthigen Geldmittel bereitwillig zur Verfügung gestellt hatte, wurde von Herzoglichem Staatsministerio die Ausführung einer vollständigen

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Instandsetzung des Innern, insbesondere einer stylentsprechenden Ausmalung und Verglasung, angeordnet. Diese Arbeiten sind jetzt beendigt, und so steht das Gebäude zur Zeit äußerlich wie innerlich in dem Gewande wieder da, welches es etwa zu Anfang des XIII. Jahrhunderts im Großen und Ganzen gehabt haben kann.

 

Ausmalung.

Der wichtigste und schwierigste Theil der Arbeiten war die Ausmalung der Kirche·und es soll, zumal die Ausschmückung mit Figurenwerk für den der mittelalterlichen Sinn- und Denkungsweise unkundigen Beschauer wohl nicht immer gleich verständlich sein dürfte, in dem Nachfolgenden eine genauere Erläuterung und Beschreibung dieser Arbeiten gegeben werden.

Die Stylgemäßheit der neuen Wandmalerei ergab die Aufgabe, soweit als thunlich und soweit als die verfügbaren Geldmittel erlaubten, die Wiederherstellung der ursprünglichen Ausstattung anzustreben.

Die Kirchen des XII. Jahrhunderts waren sämmtlich, theils mehr, theils weniger auf Ausmalung berechnet. Die großen Wölb- und Wandflächen erhielten dadurch eine Theilung, welche ihnen sonst mangels plastischer Gliederung abging. Sie erschienen durch diese Theilung leichter und duftiger. Innerhalb der Theilungen aber gewann man die Felder zur Anbringung eines Bilderschmucks, der der ganzen Innen-Erscheinung eine höhere Bedeutung und Durchgeistigung verlieh, der aber zugleich auch den Zweck erfüllte, dem Volke biblische Thatsachen vor Augen zu führen. Ein dem christlichen Bilderkreise entnommener fortlaufender Gedanke, meist ein Hymnus auf die Gottheit, bildet immer die Seele der Ausmalung der Kirchen des XII. Jahrhunderts.

So lag auch für das Innere der Stiftskirche zu Königslutter die Aufgabe vor, ornamental wie figural auszumalen, dem Figürlichen einen bestimmten tieferen Gedanken unterzulegen und dabei nach Möglichkeit

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die Auffassungen des Mittelalters einzuhalten und so getreu wie thunlich wiederzugeben. Die Auffindung von Resten der ursprünglichen Malerei, welche nach sorgfältiger Beseitigung der alten Tünche wieder zu Tage traten, kam dem Unternehmen sehr zu statten. Es fand sich die fast vollständige alte Ausmalung der Hauptapside, sowie die Bemalung der Fensterlaibungen, der Arkaden- und Gurtbögen u. s. w. Vor. Die Reste gaben in der Hauptapside das Endziel des zu wählenden Bilderkreises, im Uebrigen die Farbenskala der ehemaligen Ausmalung an. Sie sind sorgfältig wiederhergestellt und das neu Hinzugekommene ist ihnen so gut es ging angepaßt worden. Aus den Resten war zu erkennen, daß die ursprüngliche Ausmalung nicht so formen- und farbenreich gewesen ist, wie man für eine kaiserliche Gruftkirche vielleicht hätte erwarten dürfen, daß sie in der Ausschmückung beispielsweise der Ausstattung des St. Blasius-Domes zu Braunschweig, der Gruftkirche Herzogs Heinrich des Löwen, erheblich nachsteht. Man wird für diesen Umstand aber auch leicht eine Erklärung finden können, wenn man berücksichtigt, daß Kaiser Lothar bereits zwei Jahre nach der Grundsteinlegung (1137) starb, daß der Bau bis in das Ende des XII. Jahrhunderts oder bis zu Anfang des XIII. Jahrhunderts gewährt haben mag, und daß die Ausmalung mithin erst etwa ein Jahrhundert nach Lothars Tode stattgefunden haben dürfte.

Außer den Resten romanischer Wandmalerei fanden sich die Reste der ursprünglichen Bemalung der gothischen Gewölbe der beiden Langhaus-Seitenschiffe sowie Reste spätgothischer Bemalung an den Langhauspfeilern (St. Andreas) und an dem Gewölbe des unteren Geschosses zwischen den Thürmen vor. Jene sind in alter Weise wiederhergestellt, diese sind gänzlich unberührt geblieben.

Die zu Ende des XVII. Jahrhunderts in das ehemals flachdeckige Mittelschiff eingezogenen Gewölbe zeigten keine Farbenreste. Sie sind mit einer dem Charakter ihrer Zeit entsprechenden Ausmalung versehen worden.

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Im Anschluß an die vorgefundenen Reste der alten romanischen Wölb- und Wandmalereien ist als Grundgedanke des Figurenwerks der neuen Ausmalung folgendes festgestellt:

 

I. Langhaus.

Jedes Werk lobt seinen Meister, die ganze Schöpfung ihren Schöpfer. Es loben ihn nicht allein die mit Verständnis begabten Wesen; es loben ihn auch die Unvernünftigen, ja es lobt ihn die leblose Natur. (Ps. 148, Pf. 69, 35, Ps. 19, 2, Gesang der drei Männer im Feuerofen und andere Stellen der Bibel).

Mit Beziehung hierauf sind an den Wandflächen des Langhauses die Personificationen der ,,vier Elemente“: Feuer, Luft, Wasser, Erde, und der vier Tageszeiten: Morgen, Mittag, Abend, Nacht, daneben die für die vier Elemente symbolischen Thiere: Drache, Adler, Delphin, Löwe angebracht. Die Figuren haben die entsprechenden Inschriften: ignis . aer. aqua . terra und diluculum . meridies . crepusculum . nox erhalten. An dem Kaffsimse aber ist nach dem Gesange der drei Männer im Feuerofen einerseits die Inschrift angebracht: Benedicite . Domino . ignis . et . aestus . benedicite . Domino . draco . et . quae . vivunt . in . igni . (Lobsinget dem Herrn, Feuer und Hitze, lobsinge dem Herrn, du Drache, und was im Feuer lebt.) Benedicite . Domino . nubes . benedicite . Domino . omnes . volucres. (Lobsinget dem Herrn, ihr Wolken, lobsinget dem Herrn, ihr Vögel alle.) Benedicite . Domino . flumina . et .·maria . benedicite . Domino . pisces . et . omnia . quae . sunt . in . maribus. (Lobsinget dem Herrn, ihr Flüsse und Meere, lobsinget dem Herrn, ihr Fische und alles, was im Meere ist.) Benedicas . terra . Domino . benedicite . Domino . animalia . terrae. (Lobsinge dem Herrn, du Erde, lobsinget dem Herrn, ihr Thiere der Erde.)

An der anderen Seite folgt die fernere Inschrift: Benedicite . stellae . coeli . Domino . benedicite . sol . et . luna . Domino . benedicite . noctes . et . dies . Domino . benedicite . lux .et . tenebrae . Domino .

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benedicite . omnia . opera . Domini . Domino . laudate . et . superex . altate . eum . in . secula. (Lobsinget dem Herrn, ihr Sterne des Himmels; lobsinget dem Herrn, Sonne und Mond; lobsinget dem Herrn, Tag und Nacht; lobsinget dem Herrn, Licht und Finsterniß; lobsinget dem Herrn, ihr alle seine Werke, rühmet und preiset ihn ewiglich.)

 

II. Kreuzarme

In den Kreuzarmen folgt das Lob des Schöpfers durch die lebendige Kreatur, mit Bezug auf dieselbe Bibelstelle: „Lobet den Herrn, ihr Engel des Herrn, lobet den Herrn, alle Heerscharen des Herrn, lobet den Herrn, rühmet und preiset ihn ewiglich“, dargestellt durch Chöre musicirender und singender Engel. Es sind sechs Chöre zu je sieben Engeln, zwei mit Musikinstrumenten an den Giebelseiten, vier mit Spruchbändern, an den Frontseiten der Kreuzarme.

Die Inschriften, welche den Chören gegeben wurden, sind bezüglich des südlichen Kreuzarmes dem alten, bezüglich des nördlichen Kreuzarmes dem neuen Testamente entnommen. Sie lauten im südlichen Kreuzschiff bei den singenden Chören:

1. Chor: (Die Himmel erzählen die Ehre Gottes und die Veste verkündigen seiner Hände Werk.) Ps. 19: Coeli . enarrant . gloriam . Dei. (Groß ist der Herr und hochberühmt in der Stadt unseres Gottes auf seinem heiligen Berge.) Ps. 48: Magnus . Dominus . et . laudabilis. (Der Herr ist König und herrlich geschmückt, der Herr ist geschmückt und hat ein Reich angefangen, soweit die Welt ist, und zugerichtet, daß es bleiben soll.) Ps. 93: Dominus . regnavit . decorem . indutus . est. (Frohlocket mit Händen alle Völker und jauchzet Gott mit fröh1ichem Schalle.) Ps. 47: Omnes . gentes . plaudite . manibus. Außerdem abwechselnd: (Heilig, heilig, heilig ist Gott der Herre Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll.) Jes. 6, 3: Sanctus . sanctus . sanctus.

2. Chor, nach dem Wortlaute von Psalm 150: Lobet den Herrn in seinem Heiligthume, lobet ihn in der Veste seiner Macht: Laudate . Dominum . in . sanctis . eius. Lobet ihn in seinen Thaten, lobet ihn in seiner großen Herrlichkeit:

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Laudate . eum . virtutibus . eius. Lobet ihn mit Psalter und Harfen usw.: Laudate . eum . in .sono . tubae. Alles, was Odem hat, lobe den Herrn, halleluja! ·Omnis . spiritus . laudet . Dominum . alleluja! Außerdem wiederum, abwechselnd: Sanctus . sanctus . sanctus.

Der dritte, musicirende Chor hat eine gemeinsame Inschrift, die, überleitend zu dem neuen Testament, der Ankunft Christi lautet: Machet die Thore weit und die Thüren in der Welt hoch, daß der König der Ehren entziehe. Ps 24:7 Attollite . portas . principes . vestras . et . elevamini . portae . aeternales . et . introibit . rex . gloriae.

Im nördlichen Kreuzarme singen die Engel mit Bezug auf Offenb. Joh. 19:

1. Chor: Heil und Preis, Ehre und Kraft sei Gott unserem Herrn: Salus . et . laus . et . gloria . et . virtus . Domino. - Denn wahrhaftig und recht sind seine Gerichte: Quia . vera . et . iusta . iudicia . sunt . eius. Und der Rauch gehet auf ewiglich: Et . fumus . eius . ascendit . in . secula . seculorum. - Dazwischen, abwechselnd: Alleluja, alleluja, alleluja!

2. Chor: Lobet unsern Gott alle seine Knechte und die ihn fürchten, Klein und Groß: Laudem . dicite . Deos . nostro . omnes . servi . eius.- Halleluja! denn der allmächtige Gott hat das Reich eingenommen: Alleluja! quoniam . regnavit . Dominus . Deus . omnipotens. - Lasset uns freuen und fröhlich sein und Ihm die Ehre geben, denn die Hochzeit des Lamme ist kommen: Gaudeamus . et . exaltemus . et demus . gloriam . ei. - Auch hier, abwechselnd dazwischen, Alleluja, alleluja, alleluja!

Der musicirende Chor aber hat hier die gemeinsame Inschrift: Ehre sei Gott in der Höhe, and Friede auf Erden, und den Menschen ein Wohlgefallen: Gloria. in . excelsis.Deo. et . in . terra . Pax . hominibus . bonae .voluntatis. Luc. 2,14.

Die Trennung zwischen dem alten und neuen Testamente, welche sich in den Chören der Engel kundgiebt, wird noch näher betont durch die Bilder Mosis und Johannis des Täufers an den unteren Pfeilerflächen

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des sogenannten Triumphbogens, d. h. des Bogens zwischen Schiff und Vierung. Sie haben nach Ev. Joh. 1, 17 die Inschriften: Denn das Gesetz ist durch Mosen gegeben: Lex . moysi . data . est. und die Gnade und Wahrheit ist durch Jesum Christum worden: Gracia . venit . per . Christum.

 

III. Chorquadrat

Im Chorquadrat-Joch zeigt das Gewölbe das himmlische Jerusalem, die neue Kirche, die von den Propheten des alten Bundes angekündigt worden ist und durch den neuen Bund in Erfüllung geht. Ein Mauerkranz versinnbildlicht das neue Jerusalem. Aus seinen zwölf Thoren treten zwölf Propheten heraus, auf Spruchbändern die Weissagungen zeigend, mittelst deren sie die Gründung der neuen Kirche verkündigten. Es sind:

Jesaias: Denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, daß man der vorigen nicht mehr gedenken wird (Ecce . ego . creo . coelos . novos . et . terram . novam). Jes. 65, 17

Jeremias: Siehe, ich will das Gefängniß der Hüttenen Jacobs wenden und mich über seine Wohnung erbarmen (Ego . convertam . conversionem . tabernaculorum . Jacob). Jerem. 30, 18.

Ezechiel: Ich will das Verlorene wiedersuchen und das Verirrte wiederbringen und das Verwundete verbinden (Quod .perierat . requiram . et . quod . abiectum .erat . reducam). Ezech. 34, 16.

Daniel: zu derselbigen Zeit wird dein Volk errettet werden, Alle die im Buche geschrieben stehen (Et . in tempore . illo . salvabitur . populus . tuus). Dan. 12, 1.

Osea: Denn er wird herfürbrechen, wie eine schöne Morgenröthe und wird zu uns kommen, wie ein Regen· (Quasi . diluculum . praeparatus . est . egressus . eius). Osea 6, 3.

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Joel: Und soll geschehen, wer des Herrn Namen anrufen wird, der soll errettet werden (Salvus . erit . quia . in . monte . Sion . et . in . Jerusalem . erit . salvatio). Joel 2, 32.

Amos: Zu derselben Zeit will ich die verfallenen Hütten Davids wieder aufrichten (In . die . illa . suscitabo . tabernaculum . David). Amos 9, 11.

Abdias: Aber auf dem Berge Zion sollen noch Etliche errettet werden (Et . in . monte . Sion . erit . Salvatio). Abdias 17.

Michea: In den letzten Tagen aber wird der Berg, darauf des Herrn Haus steht, gewiß höher sein, denn alle Berge und über die Hügel erhoben sein (In . novissimo . dierum . erit . mons . domus . Domini . praeparatus . in . vertice . montium . et . sublimis . super . colles). Mich. 4, 1.

Sofonias: Jauchze, du Tochter Zions, rufe Israel, freue dich und sei fröhlich von ganzem Herzen, du Tochter Jerusalem, denn der Herr hat deine Strafe hinweggenommen, und deine Feinde abgewendet (Lauda . filia . Sion . abstulit . Dominus . iudicium . tuum . averit . inimicos . tuos). Sof. 3, 14, 15.

Zacharias: Ich kehre mich wieder zu Zion und will zu Jerusalem wohnen, daß Jerusalem soll eine Stadt der Wahrheit heißen und der Berg des Herrn Zebaoth ein Berg der Heiligkeit (Reversus . sum . ad . Sion . et . habitato . in . medio . Jerusalem). Zachar. 8, 3.

Malachias: Denn siehe, es kommt ein Tag, der brennen soll wie ein Ofen, da werden alle Verächter und Gottlosen Stroh sein. Euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet, soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit, und Heil unter desselbigen Flügeln (Et . orietur . vobis . timentibus . nomen . meum . sol . iustitiae . et . sanitas . in . pennis . eius) Malachias 4, 1, 2.

An dem Mauerkranze aber ist, als die Erfüllung der Weissagungen der Propheten, nach Offenb. Joh. 21, die Inschrift angebracht: Und ich Johannes sahe die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabfahren † Und ich hörte eine große Stimme vom Stuhle, die sprach: Siehe da, eine Hütte Gottes bei den Menschen † Und der auf dem Stahle saß, sprach: Siehe, Ich mache Alles neu. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende † Wer überwindet, der wird es Alle ererben und Ich werde sein Gott sein und er wird mein Sohn sein

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(Et . ego . Johannes . vidi . sanctam . civitatem . Jerusalem . novam . descententem . de . coelo † Et . audivi . vocem . magnam . de . throno . dicentem: Ecce . tabernaculum . Dei . cum . hominibus † Et . dixit . qui . sedebat . in . throno: Ecce . nova . facio . omnia . ego . sum . Α . et . Ω . initium . et . finis † Qui . vicerit . possidebit . haec . et . ero . illi . Deus . et . ille . erit . mihi . filius).

Auf den vier Gratzwickeln, welche unterhalb des Mauerkranzes des himmlischen Jerusalems übrig bleiben, sind die Sinnbilder der vier Paradiesflüsse. nach Mose I, 2, 11 bis14: Pison, Gihon, Hidekel und Phrat, zur Darstellung gebracht. Es sind vier männliche Gestalten, welche nach der mittelalterlichen Bildersprache, aus den Gefäßen, die sie in den Händen halten, das Wasser des Paradieses, des ewigen Lebens auf die gläubige Gemeinde herabströmen lassen.

An den Wandflächen folgen in einer Zone, die denen der lobsingenden Engel entspricht, die Sinnbilder von vierzehn Tugenden. Es ist nach der mittelalterlichen Bildersprache eine höhere Stufe der Engel. Sie kennzeichnen sich durch die Bilder, welche sie auf den Fähnlein ihrer Lanzen tragen, durch Krone und Schild. Den unter ihren Füßen sich krümmenden gegensätzlichen Lastern setzen sie zum Zeichen der Ueberwindung die Füße auf den Nacken. Ihre Reihenfolge ist, an der Nordseite bei der Hauptapside beginnend, die nachstehende.

 

Tugend : Sinnbild : Laster :
1. Liebe (caritas). Pelikan. Haß.
2. Hoffnung (spes). Anker. Verzweiflung.
3. Glaube (fides). Kelch. Unglaube.
4. Gerechtigkeit (iustitia). Waage. Ungerechtigkeit.
5. Beständigkeit (constantia). Thurm. Unbeständigkeit.
6. Mäßigung (temperantia). Krug und Maßstab. Unmäßigkeit.
7. Eintracht (concordia). Zwei Tauben. Zwietracht.

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und fortfahrend an der Südseite, ebenfalls an der Hauptapside beginnend:

 

Tugend : Sinnbild : Laster :
8. Enthaltsamkeit (abstinentia). Vogel in Flammen. Schwelgerei.
9. Weisheit (sapientia). Schlange. Thorheit.
10. Demuth (humilitas). In die Lüfte sich schwingender Vogel. Stolz.
11. Gehorsam (obedientia). Kameel. Ungehorsam.
12. Geduld (patientia). Stier. Ungeduld.
13. Sanftmuth (mansuetudo). Opferlamm. Zorn.
14. Stärke (fortitudo). Löwe. Feigheit.

 

Sie beginnen danach mit der größten aller Tugenden, der Liebe, hören auf mit der Eintracht, dem Frieden, fangen wieder an mit der Enthaltsamkeit und schließen mit der Kraft, der Stärke.

Oberhalb der Tugenden, zwischen den Fensterbögen, sind zwei Engel mit dem Gottessiegel, als Verkünder der Allmacht und der Regierung Gottes; unterhalb der Tugenden, zwischen den Gurtbogenzwickeln, sind je drei Engel mit Rauchfässern, als Sinnbilder der Anbetung, dargestellt.

 

IV. Hauptapsis.

Die Hauptapsis erscheint fast ganz in der wiederhergestellten ur sprünglichen Bemalung.

Der Mittelpunkt ist der in der maiestas thronende Christus. Er hebt die Rechte segnend empor und hält in der Linken das Buch des Lebens. Er sitzt auf einem Throne und ist von einer als Regenbogen gebildeten Mandorla umgeben. Außerhalb der Mandorla sind die vier symbolischen Thiere angebracht, von denen die Offenb. Joh. 4, 7 und Ezechiel 1 bis 10 reden: Der Engel (Matthäus), der Löwe (Marcus), der Adler (Johannes) und der Stier (Lucas). Die Spruchbänder in

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ihren Händen oder zwischen ihren Füßen zeigen als Inschriften ihre Namen. Daneben haben die Bilder der beiden Hauptpatrone der Kirche, der Apostelfürsten St. Pauli und St. Petri, Platz gefunden. Innerhalb der Mandorla erblickt man das A und das O, mit Beziehung auf Offenb. Joh. 22, 13: Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende, der Erste und der Letzte. Die vier Thiere aber rufen nach Offenb. Joh. 4, 8: Heilig, heilig, heilig ist Gott, der Herr, der Allmächtige, der da war und der da ist und der da kommt!

In dem Gurtbogen, welcher die Bemalung des Apsidengewölbes begrenzt, sind sieben Tauben angebracht, als Sinnbilder der „sieben Gaben des heiligen Geistes“, nach Jesaias 11, 2: „Und es wird eine Ruthe aufgehen von dem Stamm Isai und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen, auf welchem wird ruhen der Geist des Herrn, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Raths und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Frömmigkeit und der Furcht des Herrn“ mit den Inschriften versehen: Sapientia . intellectus . consilium . fortitudo . scientia . pietas . timor . Domini.

Davor, in einem zweiten Gurtbogen, erblickt man zwölf Widder und in deren Mitte das Christuslamm mit der Siegesfahne, dessen Blut sich aus der Brust in den davorstehenden Kelch ergießt. Es ist die Versinnbildlichung Christi, welcher durch seinen Opfertod die Gründung der neuen Gemeinde und der neuen Kirche besiegelt hat, inmitten der zwölf auserwählten Lämmer seiner Heerde, der zwölf Apostel, welche dazu berufen waren, die neue Lehre zu verbreiten und ebenfalls durch ihren Tod zu besiegeln. Das Christuslamm hat die Inschrift erhalten: Agnus . Dei . qui . tollit . peccata . mundi: Das ist das Lamm Gottes, welches der Welt Sünden trägt.

In dem horizontalen Friese unterhalb des Apsidengewölbes sind drei Engel mit dem Scepter als Symbol der Allmacht und Majestät Gottes angebracht. Zwischen den Fenstern erscheinen vier große Gestalten. Nur eine von ihnen, die Figur Johannes des Täufers, hat

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an der Kleidung erkannt werden können. Bezüglich der drei Uebrigen - wie St. Johannes wohl Patrone der Kirche - konnte, da Inschriften und sonstige Merkmale fehlten und da die Original-Urkunden der Kirche mit den Angaben über die Nebenpatrone untergegangen sind, Näheres nicht ermittelt werden. Sie sind unter Benutzung der aufgefundenen Umrißlinien möglichst getreu wiederhergestellt und vervollständigt worden.

Im Anschluß an den Gedankengang der Wandmalereien folgen in den Glasmalereien der drei Apsidenfenster Einzelbilder, welche auf den Heiland allein Bezug haben.

In dem nördlichen sieht man in drei Lünetten die Verkündigung der Geburt Jesu durch den Erzengel Gabriel, ferner die Geburt des Heilandes und die Anbetung des Neugeborenen durch die drei Weisen aus dem Morgenlande. Darüber erscheint in der Bogenlünette das Lamm.

In dem mittleren Fenster folgt die Leidensgeschichte, der Tod am Kreuze. Die drei Felder zeigen die Kreuztragung, die Kreuzigung und die Kreuzabnahme, die darüber befindliche Bogenlünette das Kreuz.

Das südliche Fenster endlich enthält die Darstellung der Auferstehung, der Himmelfahrt und der Ausgießung des heiligen Geistes, mit dem Bilde der Taube, als des Sinnbildes des heiligen Geistes, in der Bogenlünette.

Es sind mithin in den Glasgemälden der drei Apsidenfenster Geburt, Tod und Auferstehung des Heilandes, die Grundlagen der drei Hauptfeste der Christenheit, Weihnachten, Ostern und Pfingsten, zur Darstellung gebracht.

Außerhalb eines unmittelbaren Zusammenhanges mit der Ausmalung der Wölb- und Wandflächen sind an den unteren Theilen der Pfeiler, welche den Aufgang zum Chor begrenzen, die Bilder der Stifter der Kirche: des Kaisers Lothar und seiner Gemahlin Richenza, angebracht. Sie haben hier, an diesem Ehrenplatze, ihre volle Berechtigung,

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da ihr Grabmal nicht im Chore hat Platz finden können, sondern - vermuthlich wegen Unfertigkeit der Kirche - im Schiffe hat eingerichtet werden müssen.

 

Schlußwort.

Der Plan zu der Ausmalung entstammt der genialen und erfahrenen Hand Dr. A. v. Essenwein's, des früheren ersten Directors des Germanischen Museums zu Nürnberg. Dr. v. Essenwein hatte auf Grund seiner generellen Skizze auch die vollständige Ausführung übernommen. Leider war es ihm aber nicht vergönnt, seine Aufgabe zu erfüllen. Bald nach Fertigstellung des dreischiffigen Langhauses ereilte ihn leider eine schwere und in ihrem Verlaufe tödtliche Krankheit. Nur kurze Zeit lang vermochte er aus der Ferne durch seinen Rath noch mitzuwirken. Auf seinen lebhaften Wunsch erklärte sich der Unterzeichnete bereit, die Leitung der Arbeiten zu übernehmen. Die Ausführung selbst wurde dem Hof-Decorationsmaler Ad. Quensen zu Braunschweig übertragen, welcher auch das Langhaus nach Dr. v. Essenwein's Anweisung ausgemalt hat. Von Quensen's Hand sind die sämmtlichen Cartons des Figurenwerks im Kreuzschiff und Chor; er hat auch die Cartons zu den von Henning & Andres in Hannover ausgeführten Glasmalereien der Hauptapsis geliefert.

Für die gesammte Ausstattung hat die Essenwein'sche erste Skizze als Grundlage gedient. Nur insoweit, als die aufgefundenen alten Reste es bedingten, hat sie Abänderungen erfahren, größtentheils mit Dr. v. Essenwein's ausdrücklicher Zustimmung. Die Inschriften sind sämmtlich diesseits zugefügt.

Braunschweig, im Mai 1894.

                  Wiehe.

 

 

Veröffentlicht:

Ernst Wiehe: Die Ausmalung der Stiftskirche zu Königslutter.  Braunschweig 1894. Verlag von Benno Goeritz. 13 Seiten

 

 

 

Adolf Lüders "Die farbige Ausstattung des Domes durch Wand- und Glasmalerei"

III. Die Ausstattung.
Die innere Vermalung.
I. Ueberreste von alter Malerei.

           Bei der letzten Instandsetzung fand man nach Beseitigung der Tünche in dem Apsisgewölbe die ursprüngliche Malerei, den throhnenden Christus, umgeben von einer Mandorla; zu beiden Seiten die Patrone der Kirche, Petrus und Paulus; etwas tiefer die vier Evangelisten, symbolisch dargestellt. Außerdem unterhalb des Gesimses drei Engel und auf den Fensterwänden vier Heilige, vielleicht vier Nebenpatrone der Kirche, (Johannes der Täufer ist zu erkennen.)
          Am vierten und fünften nördlichen Arkadenpfeiler (von Osten her) entdeckte man Farbenreste von zwei menschlichen Figuren, die in Überlebensgröße gezeichnet waren. Sie stehen auf einer Konsole und sind von einem Baldachin überdeckt. Vielleicht sollen es zwei der Jünger Jesu (Andreas und Matthias mit dem Beile) sein. Beide Bilder stammen aus spätgotischer Zeit.
           Umfangreicher, jedoch teilweise stark verwischt, sind die spätgotischen Malereien im unteren Geschosse zwischen den beiden Türmen. Bei der Wegnahme der Vorderwand wurden die Zeichnungen wieder sichtbar und haben nach P. J. Meier, "Die Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Helmstedt" folgende Bedeutung: Am Trennungsbogen gotische Weinblattranken; im unteren südlichen Teile des Tonnengewölbes Maria mit dem Kinde im Strahlenkranze; zur Seite in zwei Streifen 1. die Heiligen Blasius (mit Horn), Dyonisius (mit Kopf in den Händen), ein dritter Bischof; darunter ein heiliger Abt, die heiligen Frauen Catharina, Barbara, Margareta (die drei letzteren mit Minuskelbeischrift und ihren Attributen); rechts nur der Erzengel Michael mit Fahne deutlich erkennbar. Der ganze übrige Raum ist durch grünes Rankenwerk gefüllt, in dessen Kelch die Oberkörper der Maria mit Kind und gekrönten Figuren mit Spruchbändern erscheinen. Unter der gotischen Malerei Reste von großblättrigem, romanischem Rankenwerk.
            An der Westwand zwischen den Fenstern die Darstellung der Verkündigung, anscheinend noch dem romanischen Stile angehörig, doch mit Minuskeln auf den Spruchbändern.1)

2. Die Neuvermalung 2)
           Der Wandbilderschmuck, der nach Osten zu sich immer farbenreicher gestaltet, zeigt iın Langhause auf der Südwand "die vier Elemente" symbolisch dargestellt und zwar das Feuer (ignis), die Luft (aer), das Wasser (aqua) und die Erde (terra).
           An der Nordwand sieht man die vier Tageszeiten: Nacht (nox), Morgen (diluculum), Mittag (meridies) und Abend (crepusculum).
          Die südliche Pfeilerfläche des Triumphbogens zeigt das Bild des Moses, die nördliche das des Johannes. Die beiden östlichen Vierungspfeiler zeigen in Überlebensgröße gemalt den Kaiser Lothar und seine Gemahlin Richenza.

1) Nach Angabe von Letzner müssen auch 1619 "oben am gewölbe der Kirchen" die Bildnisse des Kaisers, der Kaiserin und Heinrichs des Stolzen gemalt gewesen sein mit folgenden Inschriften: Lotharius Dux Saxoniae nascitur anno MLXXV, eligitur Romanorum Imperator MCXXV.  fundat hoc monasterium MCXXXV. Moritur MCXXXVII.  III. Decemb.  cum vixisset Annos LXIII. regnasset XII. menses III. dies XII. Bei der Kaiserin folgendes: Richenze Henrici Crassi Ducis Saxoniae ad Visurgim et Comitis Northeimensis fılia ac haeres, nubit Lothario lmperatori Anno MCXIII, vitam cum morte commutat MCXLI. Bei dem Herzoge dieses: Henricus Superbus Dux Bavariae et Saxoniae Gener Lotharii Imperatoris moerore animi extinguitur XX. Octobris anni MCXXXXI.

2) Ausführlicheres über die Ausschmückung siehe im Anhange.


            Im Querhause ist an jeder der beiden Giebelseiten ein musizierender Engelchor und an jeder der beiden östlichen und westlichen Frontseiten ein singender Engelchor dargestellt, so daß im Ganzen sechs Chöre mit je sieben Engeln vorhanden sind, die dem Herrn ihren Lobgesang darbringen.
            Das Gewölbe des Chorquadrats zeigt das von den Propheten des alten Testamentes verheißene und durch den neuen Bund in Erfüllung gegangene himmlische Jerusalem. Der Mauerkranz der Stadt hat zwölf Tore, aus denen zwölf Propheten heraustreten.
            Auf den beiden Wandflächen des Chorvierecks sind vierzehn Kardinaltugenden der christlichen Kirche dargestellt und zwar auf der Nordseite von Osten her: Liebe (caritas), Hoffnung (spes), Glaube (fides), Gerechtigkeit (iustitia), Beständigkeit (constantia), Mäßigkeit (temperantia) und Eintracht (concordia). Auf der Südwand: Enthaltsamkeit (abstinentia), Weisheit (sapientia), Demut (humilitas), Gehorsam (oboedientia), Geduld (patientia), Sanftmut (mansuetudo) und Tapferkeit (fortitudo). Die unter diesen hehren Gestalten angebrachten menschlichen Figuren bedeuten das gegensätzliche Laster, das von der Tugend besiegt ist.
            In dem Apsisgewölbe zeigt sich der auf einem Throne sitzende Christus, welcher die Rechte segnend emporhebt und in der Linken das Buch des Lebens hält. Die zu beiden Seiten angebrachten Figuren sind Petrus und Paulus, die Schutzpatrone der Stiftskirche. Darunter befinden sich die vier Evangelisten symbolisch dargestellt und zwar der Engel (Matthäus), der Löwe (Marcus), der Stier (Lucas) und der Adler (Johannes).
           In den Gurtbögen sieht man sieben Tauben als Symbole der "sieben Gaben des heiligen Geistes" und zwölf Widder, die zwölf Apostel Jesu sinnbildlich darstellend; im mittelsten Medaillon Christus selber als Lamm Gottes.
           Die zwischen den Fenstern in die Augen fallenden vier großen Gestalten sind vielleicht die Nebenpatrone der Kirche.
(Siehe Seite 27.)

3. Die Glasmalerei.
          Die drei rundbogigen Apsidenfenster weisen in ihren Glasgemälden auf die hohen Feste Weihnachten, Ostern und Pfingsten hin. So sehen wir im nordöstlichen Fenster die Verkündigung der Geburt Jesu, seine Geburt und die Anbetung der Weisen; im mittleren Fenster die Kreuztragung, die Kreuzigung und die Abnahme des Erlösers vom Kreuze; das südöstliche Fenster zeigt die Auferstehung des Herrn, seine Himmelfahrt und die Ausgießung des heiligen Geistes. Die Fenster des westlichen Teiles zeigen einfaches Kathedralglas, nur in einem Fenster des mittleren Turrngebäudes erblickt man als Glasmalerei den König David mit der Harfe.“

Auszug aus:
Der Kaiserdom zu Stift Königslutter.
Zugleich ein Führer durch diesen.
Unter geschichtlicher und architektonischer Berücksichtigung beschrieben von Adolf Lüders.
Mit mehreren Abbildungen im Texte
im Anhange:
Die farbige Ausstattung des Domes durch Wand- und Glasmalerei in ihren Einzelteilen.
Einige Klostersagen und ein Verzeichnis der Aebte des Stiftes und der Pastoren an der Stiftskirche.

Königslutter. Druck und Verlag von Heinrich Lüders 1904 Seite 27-30

 

 

 

Christof Römer "Das Kircheninnere in benediktinischer Zeit"

Auszug aus Veröffentlichung: „SONDERDRUCK AUS GERMANIA BENEDICTINA Band VI: NORDDEUTSCHLAND KÖNIGSLUTTER“
von Dr: Christof Römer
Herausgegeben zur 850-Jahr-Feier des Kaiserdomes Königslutter 1985


„Bau- und Kunstgeschichte
...

Das Kircheninnere in benediktinischer Zeit: Die heute die Ostteile bestimmende Ausmalung nach Plänen von A. Essenwein (1880), vollendet von A. Quensen 1894 (vgl. KÖNIGFELD 1975 und 1978, WIEHE 1894), geht in der Apsis auf originale Malereien zurück. Den Chor beherrschen die Maiestas Domini nach den Visionen der Apokalypse, ferner die Apostel Petrus und Paulus, die Propheten und das himmlische Jerusalem. Im übrigen ist die romanische Ausmalung unbekannt. Aus gotischer Zeit stammen die schablonisierten Brokatmuster sowie auch eine Quadermalerei unter der Westempore. Beide Bemalungsreste lassen sich durch eine aufgedeckte Verkündigung Mariens in die Zeit um 1470 datieren. Weiterhin konnten spätgotische Apostelgestalten an zwei Langhauspfeilem gefunden werden.
Von der Innenausstattung blieben erhalten: der steineme Osterleuchter aus hellem Marmor auf architektonischem Unterbau und ein romanischer Altarleuchter aus Bronze (Abb. in SCHADENDORF u. DIESTELMANN 1954, S. 21), ein Messingtaufbecken aus der Mitte des 13. Jh.s, schon gotisch, mit einer rätselhaften Inschrift. Die Orgel soll in den achtziger Jahren des 15. Jh.s von einem Kleriker aus dem Braunschweiger Aegidienkloster geschaffen worden sein. An Meßgewändern werden 1613 ein rotes und ein schwarzes erwähnt; es ist aber nicht gesichert, ob diese aus der Zeit vor 1571 stammten. Auf die Grabmäler und Epitaphe ist im Überblick hingewiesen worden."

 

Herausgegeben von der
BAYERISCHEN BENEDIKTINER-AKADEMIE MÜNCHEN
in Verbindung mit dem
ABT-HERWEGEN-INSTITUT MARIA LAACH

 

 

 

Die Weihesteine im Kaiserdom zu Königslutter

Weihedaten unseres Kaiserdomes sind bisher nicht bekannt, aber vermutlich doch überliefert.

Am 14.10.1894 fand nach Abschluß der wechselvollen Restaurierungsarbeiten des 19. Jahrhunderts eine Einweihungsfeier statt. Der Entwurf der Ausmalung stammte vom Direktor des Germanischen Nationalmuseums, Prof. Dr. August Ottmar von Essenwein. Da dieser am 13.10.1892 vor Beendigung der Ausmalung gestorben war, entging uns der ausführliche Bericht, den er gewöhnlich seinen Restaurierungen folgen ließ. Die stattdessen erschienenen 13 Seiten Ernst Wiehes: "Die Ausmalung der Stiftskirche zu Königslutter", Braunschweig 1894, sind noch immer die einzige diesbezügliche Veröffentlichung. Es wäre gut, ihr nach über hundert Jahren in aller Ruhe einige weitere Seiten hinzuzufügen.

Und die drei Weihesteine im Westgewölbe, die vermutlich Angaben über die betreffenden Weihen verdecken, sollten endlich behutsam befragt werden.

 

Otto Kruggel
19.03.2007