Kreuzgangsanierung in Königslutter 1995

Die derzeitige Kreuzgangsanierung in Königslutter, deren bisherige Ergebnisse hohes Lob und herbe Kritik bekamen, brachte einiges zutage, was das Wissen um das ehemalige Kloster Königslutter bereichert und sein Ansehen sehr erhöhen könnte.
Am wichtigsten ist der Beweis, daß dieses Kloster einen 4x4 jochigen Kapitelsaal hatte. Er wurde durch Freilegung des Fundamentes einer seiner neun Säulen erbracht. Durch einen Lesefehler wurde und wird dieser ehemalige Hauptraum der Klausur noch immer fälschlich als "Kapelle zu den neuen Pfeilern" bezeichnet.
Es ist der einzige 16 jochige Kapitelsaal der Romanik auf deutschem Boden, vielleicht der einzige der Romanik überhaupt und ein weiteres wichtiges Zeugnis für die Besonderheiten dieses einzigen hirsauischen und kaiserlichen Klosters! Leider wurde die Grabung , bei der lediglich 80 cm Aufschüttung abzuräumen wäre, nicht zuende geführt, und so bleibt die Stätte dieses außergewöhnlichen Konventplenarsaals weiterhin wüst.
Stellen Sie sich vor, man hätte in Hildesheim oder Braunschweig Beweise für vormaliges Vorhandensein des einzigen romanischen Kapitelsaales mit 16 Gewölben gefunden !

Bei der Sondage im Brunnenhaus war es ebenso. Sie legte den Verlauf und die Reste der von der Lutter abgezweigten Wasserleitung durch das Brunnenhaus frei. Mitten durch den Raum ist eine aus Kalksteinquadern solide gefügte Rinne gelegt. Der Abfluß führte in den "Stillen Garten". Hoffentlich wird bei dessen Sanierung seine Weiterführung festgestellt. Gibt es in Niedersachsen noch so eine alte , ehrwürdige Wasserleitung ? Auch sie wurde wieder zugeschippt.

Beim Entfernen des Putzes am südlichen Klausurgebäude legten die Fachleute vermauerte Türöffnungen und Luken, Signiersteine und sonstige Spolien frei. Sie wurden beim Neuverputzen überraschenderweise sichtbar gelassen. Das kostet ja nichts.


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Am südlichen Fußpunkt des Ostgiebels ist beim Aufstocken im 17. Jahrhundert ein alter Eckstein von 50 x 35 cm mit Inschrift auf dem Kopf stehend eingemauert worden. Die vierzeilige Inschrift in vertiefter Fraktur lautet:

"Anno dm M° d° XXX IIII Johanes Abbas" (Im Jahre des Herrn 1534 Abt Johannes ).

Darunter befindet sich das erhaben gearbeitete Wappen des Abts mit einem Pflanzenmotiv. Abt Johannes IV. Jakobi Franko (1502 -  1540) , der im Jahr vor der Reformierung des Klosters starb und im südlichen Querhaus der Kirche bestattet wurde, konnte bis 1534 bauen, da er 1530 die dem Herzog Heinrich d. J. 1528 für dessen Italienzug geliehenen 120 Goldgulden mit 5 % Zins zurückerhalten hatte.
1517 traf der luttersche große Ablaß mit der aller sieben Jahre stattfindenden Aachenfahrt zusammen und der Konvent sah der Freude entgegen, am Peter- und Paulstag große Summen Geldes von den ablaßsuchenden Wallfahrern und durch Vorzeigen der vielen kostbaren Reliquien zu erheben.
Da untersagte der apostolische General-Ketzerinquisitor Tetzel von Magdeburg aus dem Kloster das einträgliche Ablaßgeschäft am nahe bevorstehenden Peter- und Paulsfest.
In der großen Not setzte der Abt alles in Bewegung, was zur Abwehr dieses Unglücks dienen konnte. Zunächst wandte er sich an seinen Landesherrn, Herzog Heinrich. Dieser schrieb am Fronleichnamstag, dem 11. Juni , einen Brief an den Domdechanten und das Domkapitel zu Magdeburg mit der Bitte, das arme Kloster vor solcher Heimsuchung zu verschonen.
Abt Johannes und der ganze Konvent baten brieflich den Hofmeister Erzbischofs Albrecht von Magdeburg und Mainz,  Graf Botho von Stollberg , "sich bei dem Herren Commissario um gnädigste Aufhebung des auf das Königluttersche Ablaßgeschäft gelegten Beschlags zu verwenden."
Graf Botho antwortete noch am 24. Juni, daß nach Aussprache mit den päpstlichen Commissaren der Ablaß in Königslutter "wie vormals geschehen up bestiffte Zeit verkündet und gehalten werde." Tetzels Aufhebeung seines Verbotes war beigefügt, datiert am 22. Juni in der Moritzburg zu Halle.


So wurde vor 500 Jahren eine Eingabe aus Königslutter bearbeitet !
Ob wir solch zügiges und positives Reagieren der oberen Instanzen auf Gesuche der kleinen Gemeinde jemals wieder erreichen ? 

Otto Kruggel
26.07.1995


( Zitierte Stellen aus : Johann Georg Heinrich Bode, Chronik des Stifts mit Oberlutter und der Stadt Königslutter und dessen früheren und jetzigen Filialen. 1849, Nds. St. A. Wolfenbüttel , VII B Hs 338a Bd 1 u. 2 )


Veröffentlicht in:

Das Jahreszeiten Magazin der Lutteraner Druckfabrik
Hrsg. Ralph Lüders, Königslutter Frühling 1996


Der berühmte Kreuzgang am Kaiserdom - Verfall und Erneuerung

 

 

Heinz Röhr

 

„Der berühmte Kreuzgang am Kaiserdom  -  Verfall und Erneuerung

Von dem Kreuzgang des von dem Kaiser Lothar gestifteten Benediktinerklosters in Königslutter sind nur noch die nördlichen und östlichen Teile erhalten geblieben. Der nördliche, den ein italienischer Meister in der II. Hälfte des 12. Jahrhunderts gestaltete, gilt mit seiner glänzenden Reihe von frei stehenden Säulen als einer der schönsten aus romanischer Zeit in Deutschland. Im Spätmittelalter war der Kreuzgang Mittelpunkt der großen Wallfahrten nach Königslutter, wohin am 29. Juni Pilger aus allen Teilen Norddeutschlands strömten. Geschäftstüchtige Händler nutzten diese Gelegenheit aus und boten im Kreuzgang und auf dem Friedhof den Wallfahrern ihre Waren, vor allem natürlich Pilgerzeichen, aber auch andere Andenken, an. Da sich dabei im Laufe der Zeit ein jahrmarktähnliches Treiben entwickelte, verboten der Braunschweiger Herzog, Abt und Kapitel des Klosters im Jahre 1435 diesen Handel. Nachdem während der Reformationszeit die letzten Mönche das Kloster verlassen hatten, kümmerte man sich nur noch wenig um den Kreuzgang, sondern ließ ihn verkommen. Seinen Höhepunkt erreichte der Verfall während des 30jährigen Krieges, als Kirche und Kloster wiederholt von feindlichen Truppen geplündert und verwüstet wurden. Wie der Kreuzgang und die angrenzenden Gebäude aussahen, schildert am besten ein sicher vom Stiftsamtmann verfaßter Bericht aus dem Jahre 1662, den ich vor einiger Zeit im Nds. Staatsarchiv in Wolfenbüttel entdeckte. In etwas vereinfachter Form heißt es darin: „Durch die Kirche geht man in die Kreuzgänge, deren viere sind und liegen dieselben wie gewöhnlich im Geviert zwischen Kirche, Klosters Wohnhaus, Schlafhaus und Refektorium oder Remter. Diese vier besagten Kreuzgangsteile haben zwischen sich einen ganzen Platz, mit etwas Bäumen besetzt, das übrige lieget zu Grase. An den Seiten dieses Platzes ist früher ein umher ausgemauerter Fischbehälter gewesen. Das Wasser in demselben ist durch Röhren hineingeleitet und von da weiter in dem nächstgelegenen Kunstbrunnen in die Höhe getrieben, aus welchem es wiederum unter der Erde in die Küche gelaufen ist und von dort in die Lutter." Von dem berühmten nördlichen Kreuzgang an der Seite des Domes gibt der Stiftsamtmann folgende Beschreibung: „Der Teil des Kreuzganges, so der Kirchtür zur Linken, ist zwar dem Ansehen nach in ziemlichem Stande, das Mauerwerk ist auch zierlich und künstlich wegen der ausgearbeiteten Pfeiler, die in der Mitte riegenlang durchgehen. Daß er aber nicht längst zur Seite umgefallen ist, haben verwehret die eisernen Stangen, welche überher mit einer Ecke die Kirchenmauer und mit dem anderen Ende die Seitenpfeiler fassen und einankern und die Gewölbe also zusammenhalten. Das Dach darüber ist schon baufällig wegen des abfaulenden Holzes." Einen Hinweis auf die einzigartige Schönheit dieses Kreuzganges enthält der Bericht jedoch nicht. Weiter geht es mit einer Darstellung des heute verschwundenen östlichen Kreuzgangs. Es heißt darüber: „Aus diesem Teil geht man in den (östlichen) Kreuzgang, welcher früher mit Balken überlegt und mit Mönchszellen überbaut gewesen ist, itzo aber ganz zerfallen und ruiniert ist. Hinter diesem Kreuzgang ist eine wüste Kapelle, „Zum neuen Pfeilern” genannt, itzo aberzum halben Teile ein Steinhaufen. Aus dieser Kapelle kann man gehen in eine andere, „Johannes Kapelle” genannt, an Größe einer ziemlichen Dorfkirche gleich, darinnen Monumente von Leichensteinen, darunter kaiserliche und königliche Standespersonen sollen begraben liegen, zu finden. Zur rechten Seite der Kapelle „Zum neuen Pfeilern” ist ein ziemlicher Platz, welcher vormals mit Kammern soll verbauet und mit einem Gemach, das Schlafhaus genannt, überbaut gewesen sein, wovon itzo nur noch die Ruinen zu sehen sind. Zur linken Seite der genannten Kapelle ist ein gewölbter Keller, der Erden gleich, der Clemenskeller genannt, in welchen man aus der Kirche eingehen muß. Über diesem Keller ist ein anderes Gewölbe, das Kapitelhaus genannt. Itzo steht es ganz wüst und verfallen."

 

Zur Nachprüfung der interessanten Angaben des Klosteramtmanns führten einige meiner Schüler aus der Mittelschule Königslutter eine kleine Probegrabung durch. Für die wissenschaftliche Beratung stellte sich dankenswerter Weise der damalige Direktor des Braunschweigischen Landesmuseums und Landesarchäologe Dr. Tode zur Verfügung. ln etwa 85 cm Tiefe entdeckten die Schüler östlich und südlich der noch stehenden Ostmauer der „Kapelle zum neuen Pfeilern” bis zu 1,40 m mächtige Mauerreste, welche die Aufzeichnungen des Stiftsamtmanns vollauf bestätigten. Die Grabmäler kaiserlicher und königlicher Standespersonen fanden sie natürlich nicht, denn diese liegen im Kaiserdom.

 

Von dem südlichen Kreuzgang bemerkt der Bericht, daß dort wegen des beschädigten Mauerwerks und Dachs „ein gewisser Ruin” zu befürchten wäre. Heute sind von diesem Kreuzgangsteil nur noch die Wandsäulen für die Gewölbe des einstigen Kreuzgangs erhalten geblieben. Über die daran angrenzende ehemalige Abtei schreibt der Amtmann:.„Hinter den Kreuzgängen und dem Refektorium geht in der Länge vorher das Abtswohnhaus, welches vor anderthalb hundert Jahren gar rühmlich höher, als es itzo ist, soll gewesen sein, aber durch Feuersbrunst auf solche Manier, wie es itzo zu sehen, soll repariert worden sein. In selbigem geht man aus dem Kreuzgang in die Küche, welche überall gewölbt ist und mit einem gemauerten, wohlverwahrten Schornstein bis zum Dach hin versehen ist. Unter diesen genannten Gemächern ist des Klosters Bierkeller. Auf der Erde liegen hier die Bierlager.” Über den westlichen Kreuzgang, der noch gut erhalten ist, berichtet der Amtmann, daß er eine Zeitlang dachlos gestanden hätte, so daß die Gewölbe schadhaft geworden wären. Das angrenzende Refektorium, der ursprüngliche Speiseraum der Mönche, war damals völlig zweckentfremdet: „Der Teil zur Rechten der Tür wird itzo gebraucht für fremde Pferde. In andern Teil wird allerhand Nutzholz oder dergleichen hingelegt. Glasfenster sind itzo gar nicht darin, sondern die Fenster werden im Winter mit Stroh zugebunden.” Erst vor etwa 100 Jahren richtete man das Refektorium für Gottesdienste, die ursprünglich für Insassen der zu dieser Zeit schon bestehenden Heil- und Pflegeanstalt gedacht waren, ein. Neben der Brunnenkapelle führte von außen eine Stiege von 14 steinernen Tritten zur alten Klosterbibliothek, die sich in ihrer ganzen Länge über die Brunnenkapelle, den westlichen Kreuzgang und ein Stück des Refektoriums erstreckte, im 30jährigen Krieg aber verwüstet wurde, so daß der Raum nur noch als Kornboden benutzt werden konnte. Die Stiftsschule mit der kleinen Wohnung des Präzeptors befand sich zwischen dem Westteil des Domes und dem Refektorium. Ursprünglich lag dort die Abtei des Benediktinerstifts. Diese ist aber ebenso wie das Schulgebäude längst verschwunden. Trotz der erheblichen Schäden geschah in den folgenden 200 Jahren zur Erneuerung des zerfallenen Kreuzgangs so gut wie nichts. Selbst den künstlerisch so überaus wertvollen nördlichen Kreuzgang am Dom ließ man verkommen. Darüber heißt es in einem Bericht 1840: „Wahr ist, daß der Kreuzgang seit undenklichen Zeiten nie einer gründlichen Reparatur, ja nicht einmal einer Reinigung des Fußbodens und des Dachbodens über demselben unterworfen und daher schon seit vielen Jahrzehnten in dem jetzigen verfallenen, zum Teil sogar noch viel schmutzigeren Zustand als jetzt gewesen ist." Als schlimmste Schäden erwiesen sich das regendurchlässige Dach und die starke Verwitterung der Steine nicht nur von oben, sondern auch von unten durch das ungehinderte Einströmen des Regens aus dem angrenzenden, fast 1 m über dem Fußboden des Kreuzgangs erhöhten Gartens. Nachdem man bereits 1835/36 den viel zu sehr erhöhten Garten abgetragen und dort stehenden Bäume und Gebüsche beseitigt hatte, erfolgte in den Jahren 1858-60 unter fachgerechter Leitung eine gründliche Restaurierung des Kreuzgangs. Dabei wurden die ganze südliche Kreuzgangsmauer und die vordere Reihe der Kreuzgewölbe abgebrochen und der südliche Atlant entfernt. Stehen blieben nur die prächtigen Mittelsäulen und der westliche Atlant, die sämtlich gereinigt und restauriert wurden. lm Bereich der kleinen Fenster wurden fast sämtliche Säulenschäfte und beinahe die Hälfte der Kapitelle, den alten Originalen nachgebildet, neu eingesetzt. Das Dach wurde neu gestaltet und dabei seine Neigung auf ihr ursprüngliches Maß zurückgedrängt. Dadurch gelang es, das Dach fester und weniger wasserdurchlässig zu machen und dem schönen Kreuzgang mehr Luft zuzuführen.

 

Da sich in jüngster Zeit vor allem durch die stark verunreinigte Luft in steigendem Maße Schäden im Kreuzgangsbereich zeigen, sind Sanierungsarbeiten jetzt wieder dringend notwendig geworden. Die von dem Braunschweigischen Vereinigten Kloster- und Studienfonds vorgesehenen Arbeiten zur Rettung des berühmten nördlichen Kreuzgangs am Dom sind bereits angelaufen. Sie sehen eine gründliche Restaurierung des Dachs, Festigung der Mittelsäulen, Säuberung der aufgestellten Grabplatten, Sanierung der Gewölbe und Wände vor und werden vielleicht auch zu einer vollständigen Verglasung dieses Kreuzgangs führen. Dankenswerterweise hat sich das Land Niedersachsen als Eigentümer des ehemaligen Abtshauses bereit erklärt, auch dieses zu sanieren. Beachtenswert sind in diesem Zusammenhang die sehr umfangreichen Kellerräume des Gebäudes, in denen früher das Klosterbier lagerte, zu dessen besonderen Liebhabern im 16. Jahrhundert Herzog Julius von Braunschweig gehörte, der es sich gern zu Fastelabenden an den Hof nach Wolfenbüttel kommen ließ. Wenn alle Arbeiten beendet sind, wird die eindrucksvolle Schönheit der mittelalterlichen Kreuzgangsanlage in Königslutter seine Besucher sicher noch mehr als bisher erfreuen können.

 



Heinz Röhr“


Entnommen aus:
Das Moosholzmännchen Nr. 218  - März 1991 S. 25-28

Einfügung  Zeichnung  "Versuchsgrabung Dr. Tode 26.-27.4.54" stammt aus:
Das Moosholzmännchen Nr. 247  August 1993 S. 29