Der Kaiserdom zu Königslutter


Der Jagdfries des Kaiserdoms

 

 

Die Aussenapsis

Die Außenapsisornamentik des Kaiserdoms im Königslutter

Die von Kaiser Lothar III. zur Ausbreitung des neuen religiösen Kultes herbeigeholten Hirsauer Reformer verkündeten ihre wichtigsten Thesen für Leseunkundige mittels antikisierendem Bildwerk außen am Allerheiligsten ihrer Kirche, das Laien ja nicht betreten durften. Offensichtlich ist dort, daß der Mensch von dem gebunden wird und ihm unterliegt, dem er nachjagt. Damit wird gesagt, daß Gott ihm die Willensfreiheit gab (Sir 15,14) und er bei all seinem Tun klug wähle und das Ende bedenke (Sir 7,40). Am Ende verliert er alle Güter, die er erjagte, wer aber Gerechtigkeit und Güte nachjagte, der findet Leben, Gerechtigkeit und Ehre (Spr 21,21); denn Christus wird einem jeglichen geben nach seinen Werken (Röm 2,6; 2 Kor 5,10; Offb 22,12). Er richtet niemand (Joh 8,15).  Die Schuld trifft den, der wählt. Gott ist schuldlos (Platon).Wer dem Rechten nachjagte, wird leben und das Land einnehmen, das Gott der Herr ihm geben wird (5 Mo 16,20) und das er ihm im Geist in der Höhe als das heilige Jerusalem zeigt (Offb 21,10).

Diese Verheißung wird durch die Wiederkehr des positiven Portallöwen als Abschluß des gesamten Bildwerks auf der Spitze des Apsisdaches symbolisiert.

In einer um 1130 in einem Hirsauer Kloster niedergeschriebenen Predigt ist das so gesagt: Gott erschuf euch alle, ihr kommt von einem Manne. Drum gebot er euch, in Liebe und Brüderlichkeit zu leben. Solange wir hier leben, hat Gott uns Selbstwahl gegeben. Herr, gib uns den rechten Sinn, daß wir die Seele bewahren, wenn wir von hinnen fahren.

Die Konsolfiguren symbolisieren die schändlichen Götzen, denen zu dienen alles Bösen Anfang, Ursache und Ende ist (Sap  14,27). Sie zeigen zwei Sirenen (Jes 13,22), zwei Basilisken (Jes 14,29; Ps 90), einen Jupiterkopf, zwei Amphisbaenadrachen (Offb 9,19), einen Bärenkopf mit anhängenden Drachen (1 Sam 17,36), einen Widderkopf (1 Kor 20,2), einen römischen Wasserspeier (Ez 36,25), einen Stierkopf (Ebr 14), zwei Geier (Offb 18,2), einen Faunkopf (LA 112), zwei ineinander verschlungene Drachen (Jes 30,6) und den Kopf eines römischen Vegetationsgottes.

Die Augen aller Figuren waren nach antikem Vorbild ursprünglich aus Metall. In diesem Falle wählte man die niedrigste Stufe der sieben Metalle, das Blei, das als Zeichen der Demut, Bußbereitschaft und Läuterung galt. Einige dieser Plomben sind inzwischen ausgewittert.

Die spiegelbildliche silbische Inschrift + HOC O PUS EX I MI VM VA RI O CE LA MI NE MI RVM + (Dieses hervorragende Werk, wunderbar durch verschiedenes Verhüllen ) ist das erste Drittel der nachträglich eingemeisselten Künstlersignatur nach dem anspruchsvollsten damaligen Brauch. Die Buchstaben SC im zweiten, dem Namensdrittel, sind das Monogramm des Künstlers. Ein Quader von 13 Fuß Länge mit dem von ihm erschaffenen Mittelbild und dem Hirsch der Christusnachfolge (Ps 42) soll vermutlich auf die Buchstabenzahl seines verhüllten Namens hinweisen.

Die dreistufigen (!) Akanthusblattwellen mit Astragal, die separierenden Rosetten, die Lisenen mit ihren Kapitellen und dem die Blendbogen bildenden Profil, die kräftige attische Basis und alle anderen Gliederungselemente sowie die großen drei Fenster mit ihren reich gestuften Laibungen bilden eine gediegene Fassung für diesen sensationellen Thesenanschlag der damaligen Reformer.

Seine Parole könnte "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" lauten; denn er fordert, daß jeder seine Freiheit nütze für ein brüderliches Leben mit allen Menschen. So würde das ersehnte Friedensreich erreicht. Daß es sich nicht verwirklichen ließ, wurde damit begründet, daß Gott nicht alle Menschen dazu begnadete. Warum, wisse nur er.  Während der Reformation stritten Erasmus von Rotterdam und Martin Luther weiter um Wert von Willen und Gnade für das Heil des Menschen und der Menschheit, das noch immer nicht erreicht ist. Die Mahnung der Mönche und des Kaisers von Königslutter gilt weiterhin!

 

 

Otto Kruggel 01.01. 2001

 

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