Volles Haus für Bernward

Für den heiligen Bernward machten sich zahlreiche Interessierte auf den Weg in den alten Konsum in Sommersdorf.  Foto:privat

Sommersdorf. Großen Andrang hat der alte Sommersdorfer Konsum am Kleiberg sicher öfter erlebt. Aber das war in seiner aktiven Zeit als Dorfladen. Eine Überfüllung wie diesmal war ihm neu. Denn sein angestammter Dienstauftrag zum Zwecke der Volksversorgung war längst abgelaufen. Bückware gab es nicht mehr. Nur einen historischen Vortrag.
„Bischof Bernward - eirı Heiliger mit Sommerschenburger Wurzeln“, hieß die Überschrift. Nach dem Auftakt mit Hildegard Müller war es der zweite Akt der Jahres-Gesprächsserie über Sommerschenburg in Geschichte und Gegenwart.
„Wer wird sich denn schon ein solch trockenes Vortragsthema antun?“ So hörte man im Vorfeld notorische Kritiker unken. Und der Spagat zwischen dem frommen Mittelalter und den Normalinteressen in unserer modernen Computerwelt führte auch auf Veranstalter-Seite zu leichter Nervosität.
Aber es kam alles ganz anders. Zwischen 50 und 60 Besucher stürmten den Konsum.
Pfarrer Norbert Behrendt vom katholischen Pfarramt in Eilsleben verstand es, die ein rundes Jahrtausend zurückliegende Geschichte von Bernward, dem Schutzheiligen seiner Sommerschenburger Filialkirche, so lebendig zu schildern wie aktuelle Nachrichten von heute. Da hörten altgediente wie neue Konsumbesucher gebannt zu und stellten allenfalls kluge Zwischenfragen. Sogar zwei von jungen Eltern mitgebrachte Babies blieben mustergültig still. Glatte anderthalb Stunden lang.
Bei den Erwachsenen verfingen vor allem auch die eindrucksvollen Bilder des Referenten. Sie führten nicht nur das Umfeld des Heiligen Bernward plastisch vor Augen, von den großen ottonischen Herrschergestalten und Theophanu bis zu Godehard. Sie zeigten besonders auch in bunter Farbenpracht das wohl wichtigste Lebenswerk des Bischofs aus dem ostfälischen Adelsgeschlecht: die heute zum Weltkulturerbe zählende Hildesheimer Michaeliskirche, die zugleich Bernwards Grabstätte birgt. Ihrer aus dem mittelalterlichen Rom inspirierten Schönheit konnte sich wohl keiner der dichtgedrärıgt sitzenden Besucher entziehen. Und auch der Anblick des Bernwardkreuzes, der ehernen Säule und anderer Kostbarkeiten tat seine Wirkung, gefördert durch die anschauliche Vortragsweise Pfarrer Behrendts.
Es war erstaunlich, wie manche der christlichen Tradition eigentlich fernstehende Besucher sich so Gedanken über mittelalterliche Kirchenbaukunst und das Wirken eines Uraltbischofs machten. Einer der waschechten Pottburger Heimatfreunde, weder katholisch, noch evangelisch, brachte es auf den Punkt: „Schön, dass wir Sommerschenburger so einen wichtigen Kirchenmann hervorgebracht haben.“
Auch ein guter Nebeneffekt ist zu verzeichnen. Der Abend brachte glatte 14 Nachmeldungen für die Busfahrt des Sommersdorfer Männerchors, die am 22. Juni im Zusammenhang des Dorfjubiläums nach Hildesheim führen wird: „Auf Bischof Bernwards Spuren“.
Wer sich noch anschließen möchte, kann sich unter der Telefonnummer 039402/60118 an Ulrich Gastmann wenden.

Für den Heiligen Bernward machten sich zahlreiche Interessierte auf den Weg in den alten Konsum in Somrnersdorf. Foto: privat

Veröffentlicht in:
Helmstedter Sonntag vom 12. Mai 2013 Seite 12



Die Hildesheimer Bischöfe von 815 bis 1221 (1227)

Die H i l d e s h e i m e r Bischöfe von 815 bis 1221 (1227).
Bearb. v. Hans G o e t t i n g. (Germania sacra N. F. 20: Die Bis-
tümer der Kirchenprovinz Mainz. Das Bistum Hildesheim. 3.)
De Gruyter, Berlin 1984. 624 S.

         Paul Kehr wünschte sich 1929 für die Germania sacra „eine systemati-
sche und erschöpfende Durcharbeitung der archivalischen Bestände und voll-
ständige Erfassung des in ihnen enthaltenen Quellenmaterials . . . Die histo-
riographischen Quellen und Überreste selbst sollen dabei durchaus nicht zu
kurz kommmen.“ Am Anfang der Neuen Folge im Jahre 1962 wurde dies im
wesentlichen wiederholt und hinsichtlich des Umfangs ergänzt: „Unter jedem
Titel soll alles Wissenswerte nach archivalischen und literarischen Quellen in
möglichst knapper, präziser statistischer Form unter Heranziehung der ge-
samten Literatur dargeboten werden.“
         Diese Ansprüche erfüllt Goettings Bearbeitung in höchstem Maße. Sie
tut es nicht minder als die der Würzburger Bischofsreihe von Alfred Wende-
horst (Neue Folge Band 1), die Goetting selbst als hervorragend bezeichnet.
Daß Goetting hohe Bewertungsmaßstäbe ansetzt und wohlabgewogene Ur-
teile äußert, ist bekannt und beweist sich in diesem Werk wiederholt. Seine
Kenntnisse und Fähigkeiten, die er seit Jahrzehnten in vielen Veröffentli-
chungen und durch den Aufbau der sogenannten Goettingschule bewies, prä-
destinierten ihn für diesen Auftrag, den er nach Vorlage der beiden Bände
über Gandersheim (NF 7, 1973 und NF 8, 1974) mit diesem dritten Band weiter
ausgezeichnet und sicher noch nicht endgültig erfüllte.
         Nur im Hinblick auf die Weiterführung dieses immensen Werkes kann
wohl der von ihm selbst bedauerte Umstand verstanden werden, daß „die so
erwünschten Neueditionen der Hildesheimer Geschichtsquellen des 10. bis
12. Jahrhunderts im Rahmen der MGH . . . für den vorliegenden Band nicht
abgewartet werden“ konnten. Es ist immer in Kauf zu nehmen, daß in Zu-
kunft wohl manches in anderem Lichte gesehen werden muß, als dies heute
möglich ist, aber dieses wissend zu avisieren, muß eine sehr schwere Ent-

scheidung für einen Wissenschaftler mit solcher zusammenfassenden Kraft
und solchem Vollendungsdrang sein.
         Diese Kraft band zusammen, was in den 565 im Verzeichnis und den
vielen weiteren in den 3624 (!) Anmerkungen genannten Quellen und Veröf-
fentlichungen über dieses Sachgebiet vorliegt. Das wäre ohne die geistige
Durchdringung, die äußerst rationale Abgrenzung und geschliffene Darstel-
lung nicht möglich gewesen. Das delphisch-terentinische „Ne quid nimis“, das
als Leitspruch Bernwards gilt, mußte besonders bei der Darstellung des so
vielfältigen und fruchtbaren Wirkens dieses Bischofs beachtet werden.
Seinem künstlerischen Schaffen auf knapp fünf Seiten in diesem Rahmen ge-
recht zu werden, ist besonders bei dem gegenwärtigen Trend des beschauli-
chen Verweilens bei mittelalterlicher Kunst ein Meisterstück rationaler Ab-
grenzung. Sie zeigt sich aber auch in den Seiten über die herausragende und
so sehr mit der Reichspolitik verbundene Persönlichkeit Ebos, die mit einer
lapidaren Beurteilung in drei Zeilen enden.
          Daß diese „möglichst knappe, präzise statistische Form“ eine enorme
Fülle von Informationen enthält, wird schon durch die 98 Seiten Namen- und
Sachregister deutlich. Dieses Kompendium ist so fein strukturiert, daß Mittei-
lungen wie die über die Scheidung der „ehelichen Verbindung zwischen dem
sonst nicht bekannten Gottschalk, Sohn des (Markgrafen?) Ekkehard und
Gertrud, Tochter des Grafen Egbert“ (205), oder über das „Dekret über die
Stellung der Kinder aus Ehen unfreier Priester mit freien Frauen“ organisch
darin Platz haben und Ansatz zu Weiterbearbeitung bieten.
          Selbstverständlich sind auch Fehler zu finden. Unerhebliche, versehent-
liche, finde ich. Wer sollte bei solchen Werken außer dem Bearbeiter die erfor-
derliche Kenntnis für Korrekturlesen haben? Das muß die Solidarität oder Ri-
valität der Kollegen und sonstigen Kenner der Materie bzw. ihrer Teilgebiete
machen. Diese erkennen leicht, daß z. B. Kaiser Konrad II. das Pfingstfest in
Quedlinburg nicht 1130 (247), sondern 1030 feierte, wie es im Namen- und
Sachregister auch richtig zu finden ist. Slawisten könnten darauf verweisen,
daß die Sammelbezeichnung Wenden heute nicht mehr als Fachbegriff gilt.
Die Möglichkeit, die vielen, oft ungefähren Ortsangaben und Grenzverläufe
ohne Hinzuziehen von Atlanten auf mindestens einer Karte des damaligen
Bistums verzeichnet zu finden, hätte man begrüßt. Vielleicht findet man sie
im angekündigten Bistumsband.
          Da bleibt nur noch, Dank zu sagen für solchen Einsatz und zu hoffen,
daß diesen der Benützer zu würdigen weiß.

          Königslutter                                                                     Otto Kruggel

veröffentlicht in:
Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung
MIÖG Bd. 97/1-2 (1989) Literaturberichte Rezensionen S. 160-161