C. W. Hase: Die St. Peterskirche auf dem Frankenberge zu Goslar

Die St. Peterskirche auf dem Frankenberge zu Goslar.

Mitgetheilt von C. W. Hase in Hannover.

(Zu den Darstellungen des Grundrisses der Durchschnitte und der Ansichten sind die Aufmessungen des Baumeisters Hotzen benutzt.)

(Mit Abbildungen auf den Blättern 150 – 159.)

 

Geschichtliches.

Der Name Frankenberg, die bergartige Erhöhung am westlichen Ende Goslars, auf dessen höchstem westlich belegenen Gipfel die Peterskirche liegt, führt auf die sagenhafte Entstehungsgeschichte Goslars zurück. Schon unter Otto I. Soll der Bergbau auf Silber im Rammelsberge begonnen, und die Kaiser sollen sich der Jagd auf Bären und Hirsche wegen einen Palast dortselbst erbaut haben. Urkundlich kommt Goslar zuerst wohl in einer vom 4. November 979 datirten Urkunde vor, in welcher Otto II. zu Goslar das Dorf Aschaffa der Kirche zu Aschaffenburg schenkt. Eine andere Sage legt die Entstehung Goslars später unter Heinrich II., der hier häufig zur Jagd ging, bei einem dort angesiedelten Manne (einem geborenen Franken) oft aß, trank und schlief, und stets das Bezahlen vergaß, bis der Franke Gundelcarl sich vor Heinrich niederwarf, und, weil sein Hab und Gut durch die Bewirthungen verloren gegangen, um eine Belohnung bat. Heinrich sagte, er möge nur einen Wunsch aussprechen, und Gundelcarl erbat sich den Rammelsberg. Heinrich sagte, er möge sich Besseres aussuchen, da aber Gundelearl beharrte, schenkte Heinrich ihm den Rammelsberg. Gundelcarl eilt nach Franken und holt Landsleute herüber, mit denen er die Silber-, Kupfer- und Bleiadern des Rammelsberges aufschloß.

Der Ort, an welchem sich die Franken anbauten, war der nach ihnen benannte Frankenberg. Thalwärts bauten sich

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bald die Sachsen an, da hier rasch kaufmännisches Leben und der Goslarsche Markt entstand. Daß Franken zur Betreibung des Bergbaues hieher kamen, bleibt wohl nicht zu bestreiten, indeß, wann dies geschah? bleibt zweifelhaft. In der weiteren Entwickelung Goslars wurde die Zahl der Sachsen der der Franken überlegen; gleichwohl gab es viele Reibereien und blutige Auftritte zwischen den Sachsen und den übermüthigen Franken, bis endlich ein Versöhnungsfest zu Stande kam, das sich alljährlich bis in unser Jahrhundert wiederholt hat.

Die fränkischen Bergleute hatten anfangs eine dem heil. Augustinus geweihte Kapelle. Die wachsende Zahl der Bergleute mag die Erbauung einer neuen Kirche erfordert haben; wann dies geschehen, ist bis jetzt unbekannt; dagegen ist bekannt, daß Bischof Udo von Hildesheim sich· veranlaßt sah, im Jahre 1108 am 13. Mai der St. Petrikirche auf dem Frankenberge einen Pfarrbezirk beizulegen, und zwar erhielt sie den ganzen westlichen Theil Goslars von der Berings-Warnhers, Biermannsstraße bis zur Kapelle des Königs (am Kaiserpalaste von St. Godehard angelegt) und der heil. Maria. Früher wird die Kirche nicht erwähnt.

Die nächste Nachricht, die für die Kirche von Interesse ist, bezieht sich auf die Errichtung eines Klosters der büßenden Schwestern (Monasterium S. Mariae Magdalene) in unmittelbarer Nachbarschaft an der Nordseite der Kirche (die Mauern des nächsten Gebäudes liegen etwa 10 Schritte von der Kirche). Im Jahre 1284 stiftete Bischof Konrad II. ein

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solches als Zeitbedürfnis sich herausstellendes Kloster in Hildesheim, und obgleich nichts Schriftliches darüber vorhanden ist, scheint ganz gleichzeitig, vielleicht schon etwas früher·(nach Heineccius schon 1225), das Kloster auf dem Frankenberge entstanden zu sein. Im Jahre 1234 schon kauft unter Probst Rudolf daselbst der Convent Ländereien und erhielt schon 1235 päpstliche Bestätigung. Im Jahre 1242 schenkt Bischof Konrad II. dem Propst Peter den Altar der Frankenberger Kirche und im Jahre 1246 bestätigt Konrad die im Jahre 1245 vorgenommene Uebertragung der alten Peterskirche auf dem Frankenberge von Seiten der Parochianen an das Kloster, d. h. sie übertrugen das Patronatsrecht dem Kloster, jedoch wohl nur in der Weise, daß sie nur ein Ordensmitglied zum Pfarrer wählen wollten. Das Kloster hatte nach alten Nachrichten einen Chor in der Frankenberger Kirche, der aber 1529 abgebrochen und aus der Kirche entfernt wurde.

In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts war die Frankenberger Kirche schon mit von den Goslarschen Stadtmauern umschlossen.

Wenn die Kirche anfangs nur Peterskirche genannt wird, so unterliegt es keinem Zweifel, daß sie auch dem heil. Paulus geweiht ist, wie bildliche Darstellungen in und an der Kirche und die Kirchensiegel beweisen.

Die Nachrichten über die baulichen Begebenheiten der Kirche sind damit zu Ende; sie geben nicht viel Klarheit über die verschiedenen an der Kirche wahrzunehmenden Vorgänge; daher müssen wir, wie gewöhnlich, die Steine reden lassen.

 

Baubeschreibung.

Wie die Abbildungen zeigen, besteht die Kirche aus einem dreischiffigen Langhause, einem Querschiffe, Fortsetzung des Mittelschiffes über das Querschiff hinaus und Schluß des Chores in voller Breite und Höhe des Langhauses durch eine halbkreisförmige Apsis. Diesem Kirchenbau schließt sich westlich ein Doppelthurmbau in, dem Grundrisse nach, normaler Form der niedersächsisch romanischen Weise an. Wenn diese allgemeine Beschreibung ein ziemlich normales Bild einer romanischen Basilika verspricht, so lehrt doch ein Blick auf die beigegebenen Zeichnungen, daß wir einen Bau vor uns haben, der viele Wandlungen durchlebt hat; ja die Betrachtung des Bauwerkes selbst überzeugt uns bald, daß kaum noch in zuverlässiger Weise auf die ursprüngliche Form aus dem vorhandenen zurückzuschließen und die Geschichte der allmählichen Umwandlungen wird festzustellen sein.

Der Gewölbebau ist eine spätere Zugabe, das Querschiff ist selbst im nördlichen Flügel von abnormer Form und hat im südlichen Flügel noch abweichendere Formen angenommen.

Die Fenster des Mitterschiffes haben theils einen unregelmäßigen Stand, und ebendeshalb ist auch die Säulentheilung im Aeußern an der Mittelschiffwand eine nicht gleichmäßige.

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Der Bogenfries ist nur am Mittelschiffe und an der nördlichen Apsis, nicht aber an den Kreuzflügeln sichtbar. Am Langhause zeigt sich oberhalb des Bogenfrieses ein ungewöhnlich hoher Aufbau, und das dann folgende Hauptgesims ist sehr niedrig. Der Bogenfries zeigt sehr überhöhte Halbkreise und die Konsolen desselben haben höchst alterthümliche Formen, während die Kapitäle der dazu gehörigen Säulen sehr entwickelte Formen des Romanismus zeigen.

Alle diese Eigenthümlichkeiten erfordern volle Beachtung, um die allmählichen Hergänge am Kirchenbau auseinander zu schälen.

Wenn wir in der vorliegenden Kirche noch erhebliche Reste jener alten, im Jahre 1108, wie wir annehmen müssen, nach längerem Bestehen, einer großen Gemeinde Goslars überwiesenen Kirche zu sehen glauben wollen, so muß vor Allem die Kirche eine Basilika mit Balkendecke gewesen sein. Das Letzte ist allerdings dadurch erwiesen, daß die Gewölbedienste in das ältere Mauerwerk eingebunden, und die mit den Diensten versehenen Pfeiler erneuert und verbreitert sind, so daß die Arkaden, welche in ihrer alten Gestalt belassen sind, wie nachstehendes Bild zeigt, hinter den Diensten sich auf den Kämpfer setzen, so daß die Bogenanfänger bei allen vier Pfeilern gleich breit sind.

 

tl_files/Fotos/Goslar/Hase-1883-St-Peterskirche-auf-dem-Frankenberge-zu-Goslar-Pfeiler-Sp-96-IMG-0593.jpg

 

Die Zwischenpfeiler sind 0,74 m, die Hauptpfeiler 0,825 m breit, das Zurücktreten des Bogens hinter die Pfeilerbreite beträgt also nur . . . . 0,825 – 0,74 = 0,085 : 2 = 0,042

also gut 4 cm.

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Die Gewölbe haben starke Schildbogeu, die sich bei den stärkeren Pfeilern auf die Nebendienste, am Thurme und an der Vierung auf ausgekragte Konsolen setzen, wie nachstehender Holzschnitt verdeutlicht; unser Längenschnitt (Bl. 154) ist in dieser Beziehung nicht ganz richtig.

 

tl_files/Fotos/Goslar/Hase-1883-St-Peterskirche-auf-dem-Frankenberge-zu-Goslar-Schildbogen-Sp-97-IMG-0598.jpg

 

Aber auch ein anderer Umstand beweist in schlagender Weise, daß die Gewölbe der ursprünglichen Balkendecken-Basilika hinzugefügt sind. Bei der in den letzten Jahren ausgeführten Restauration der Kirche haben sich nämlich Wandgemälde an den oberen Mittelschiffwänden gefunden, die sich durch die Gewölbezwickel hindurchziehen, und im Dachboden oberhalb der Gewölbe wieder zum Vorschein kommen, ein Umstand, der jeden Zweifel an der ursprünglichen Form der Kirche als Balkendecken-Basilika ausschließt. Auch der Umstand, daß der Bogenfries sehr niedrig sitzt, und das Mauerwerk oberhalb desselben aus großen Sandsteinstücken besteht, während unter dem Bogenfriese die ganze Kirche aus flachen Kalkbruchsteinen gemauert ist, zeigt an, daß der obere Theil nur der Herstellung der Gewölbe wegen, die eine größere Höhe verlangten, in späterer Zeit ausgemauert ist.

Die Hauptmasse des südlichen Querschiffflügels ergiebt sich nach kurzer Untersuchung als ein in die gothische Periode fallender Erweiterungsbau, wenn auch die westliche Grenzlinie desselben als einer älteren Anlage angehörend nicht zurückgewiesen werden kann. Dagegen tritt der Giebel des nördlichen Kreuzesarmes als im Zusammenhange mit dem Hauptbau

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aufgeführt hervor. Seine Höhe ist zwar jetzt derjenigen des ganzen Hauptschiffes gleich, aber an seiner nordwestlichen Ecke sitzt ein ausladender Stein mit einem Profile, welches (dem Hauptgesimse der St. Godehardskirche in Hildesheim genau entsprechend) muthmaßlich der Rest des einstigen über

 

tl_files/Fotos/Goslar/Hase-1883-St-Peterskirche-auf-dem-Frankenberge-zu-Goslar-Gesimsreste-Nordseite-Sp-98-IMG-0598.jpg

 

dem Bogenfriese angebracht gewesenen Hauptgesimses sein dürfte. Wie vorstehendes Bild zeigt, ist die Unterkante des gedachten Steines der Oberkante der Bogenfriessteine in ihrer Höhenlage völlig entsprechend. Daraus ist wenigstens zu entnehmen, daß dieser Giebel harmonisch zu dem Langhause schon vor der Einwölbung der Kirche aufgeführt ist. Aber beide Giebel, sowohl dieser als auch der südliche haben nie den Bogenfries desLanghauses gehabt, obgleich (s. Bl. 151) der Chor wiederum denselben Bogenfries zeigt.

Am geraden Theile der Südseite des Chores sieht man indeß keinen Bogenfries; dagegen ist daselbst der Rest eines alten rundbogigen Fensters vorhanden, in welches die östliche spätgothische Seitenwand des Kreuzflügels hineinschießt. Der kleine Fensterrest ist natürlich zugemauert, so aber, daß man die vertikale Kante und den entsprechenden Theil der Fensterüberwölbung noch sieht. Dies Fenster liegt etwa in der Höhe der übrigen Fenster des Mittelschiffes. Neben diesem Fenster rechts sieht man ein altes schmales sehr gering vorspringendes Lisenenstück, in dem Charakter der zart vorspringenden Lisenen der Frühzeit des Romanismus (wie einzelne Reste von Lisenen

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sich an der Moritzberger Kirche zu Hildesheim erhalten haben, 1050). Ueber diesem Fenster sieht man wieder die aus großen Sandsteinen wegen Ausführung der Gewölbe hergestellte Erhöhung der Mittelschiffsmauer. Das Fenster sitzt übrigens so hoch, daß der Bogenfries zwischen ihm und der Sandsteinübermauerung nicht mehr hat stattfinden können. Dies Stück Fenster und Lisene dürfte vielleicht der einzige Rest der Kirche

 

tl_files/Fotos/Goslar/Hase-1883-St-Peterskirche-auf-dem-Frankenberge-zu-Goslar-Fensterrest-und-Lisene-Chorsuedseite-Sp-99-IMG-0606.jpg

 

sein, welche 1108 existirte, als man die Gemeindegrenzen der Kirche wesentlich erweiterte. Die Gründe dafür dürften im Folgenden zu finden sein. Betrachten wir sämmtliche Details des Langhauses und des nördlichen Kreuzflügels, so finden wir durchweg gute Formen des entwickelten Romanismus, sowohl in den Gliedern, wie im Ornamente. Auf Bl. 154 sehen wir über den Arkaden als Arkadensims den sogenannten Würfelfries in jener lothrechten Verbindung mit den Pfeilern genau wie in der St. Godehardskirche in Hildesheim, wenn zwar über vier Bögen später abgemeißelt, aber über dem fünften noch völlig intakt, während dort wenigstens die Quader des Würfelfrieses noch erkennbar sind. Auch der eben citirte ausladende Stein am nördlichen Kreuzflügel außen entspricht

 

tl_files/Fotos/Goslar/Hase-1883-St-Peterskirche-auf-dem-Frankenberge-zu-Goslar-Profil-des-Hauptgesimses-Sp-99-IMG-0607.jpg

 

genau dem Profile des Hauptgesimses der Godehardskirche. Wir können daher nicht irren, wenn wir diese Details den

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30er Jahren des 12 Jahrhunderts zuschreiben, und somit würden Langhaus, Vierung und nördlicher Kreuzflügel dieser Zeit des 12. Jahrhunderts angehören. Aber man könnte auch ebenso wahrscheinlich eine bedeutende Restauration der ältesten Kirche um diese Zeit annehmen, und das scheint aus mancherlei Gründen richtiger zu sein. - Ebenso gut, als man im 13. Jahrhundert bei der Aufführung der Gewölbe die Haupttragpfeiler erbreiterte, konnte man auch im 12. Jahrhunderte die Pfeiler ändern, oder was noch wahrscheinlicher ist, sämmtliche Pfeiler wurden bei der Einwölbung erneut.

Vielleicht hat die alte Kirche gar kein Querhaus gehabt, war auch wohl kürzer als die jetzige Kirche, und ihr Schiff fing östlich da an, wo jetztdie Chorrundung beginnt. Für den letzteren Umstand spricht die Thatsache, daß an der Südseite, an der Stelle, wo die Chorrundung beginnt, eine mit Quadern gemauerte Ecke mit jenem Rundbogenfenster und jener Lisene (11. Jahrh.) durch sehr altes Bruchsteinmauerwerk in Verbindung stehend, sich noch vorfindet. *)

Würden wir hierauf weiter fußen, so finden wir es erklärt, daß die Kreuzflügel keine Bogenfriese haben. Bei der angenommenen Verlängerung der alten Kirche und ihrer Erweiterung durch die Kreuzflügel verwandte man so viel von dem alten vorhandenen, durch die Kreuzflügel theils weggefallenen Bogenfriese, als man eben hatte. Die Fenstertheilung wurde eine andere, den unteren Arkaden entsprechende, und statt der alten Lisenen unter den Bogenfriesen wandte man Halbsäulen mit neuen Kapitälen an, welche letztere wie eben schon hervorgehoben, in der That der Zeit von 1130 - 1140 entsprechen, während die Konsolen und die Formen des Bogenfrieses alterthümlicher erscheinen. So erklärt sich auch die eigenthümliche Gruppirung der Säulen zwischen den Fenstern und an der nördlichen Chorseite und der Mangel des Bogenfrieses an den Kreuzflügeln.

Mit der aus der Arkadenaxe gerückten Stellung der beiden dem Thurme zunächst stehenden Fenster des Mittelschiffes (s. Bl. 154 und 159) hat es aber noch eine eigene Bewandnis.

Auf Bl. 159 sehen wir dem Thurme zugewandt auf beiden Seiten des Langhauses je eine Figur neben das Fenster gemalt. Diese Figuren müssen so wichtig gewesen sein, daß man ihretwegen das Fenster verrückte. Daraus mag auch wohl die Gruppirung der Säulen, wie wir sie auf Bl. 152 um das Fenster nahe dem Kreuzflügel und nahe dem Thurme sehen, hervorgegangen sein.

Wenn wir also eine Vermuthung über die älteste Kirche (vor 1108) aussprechen dürfen, so wäre es die, daß sie da begann, wo die Rundung des Chores anfängt, und sich auf nicht zu bestimmende Strecke in das jetzige Langhaus hinein erstreckte, und daß man diese Kirche um 1130 - 1140 verlängerte, mit

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*) Vergl. obiges Bild: „Chor-Südseite.“

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Kreuzflügeln und dem jetzigen Thurmbau, wie er in seinen unteren Theilen noch steht, versah.

Die Wölbung der Kirche ist, wie mehrfach erwähnt, späteren Datums, und dürfte in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts fallen. Mit ihr bekam der Chor seinen halbrunden Abschluß in der ganzen Breite des Chores, wie nicht zu bezweifeln ist. Daß die Gewölbedienste im Mittelschiffe vorgelegt, und mühsam in das ältere Mauerwerk eingebunden sind, ist wohl schon oben erwähnt. Im nördlichen Kreuzflügel ist die Einwölbung dadurch ermöglicht, daß man große Konsolen in der Höhe der Vierungskempfer auskragte, auf welche man Schildbögen und Gewölbe aufsetzte.

 

tl_files/Fotos/Goslar/Hase-1883-St-Peterskirche-auf-dem-Frankenberge-zu-Goslar-ausgekragte-Konsolen-im-noerdlichen-Kreuzfluegel-Sp-101-IMG-0611.jpg

 

Der südliche Kreuzflügel ist unzweifelhaft noch im 13. Jahrhundert angelegt, oder erweitert, wie das noch jetzt in demselben vorhandene Portal mit nebenstehender schöner Gliederung bezeugt. Dasselbe hat noch die in romanischer Zeit übliche, durch die äußere Gliederung erzeugte rechtwinklige Einrahmung (siehe Bl. 152). Der obere Aufbau ist aus späterer Zeit, und zur Erhaltung des alten Tympanums eines Portals aufgeführt. Die Darstellung des Tympanums zeigt in der Mitte Christus, und zu·beiden Seiten Heilige (wahrscheinlich die Kirchenheiligen Paulus und Petrus), alle drei mit dem Evangelium in den Händen. Auch dies Tympanum erinnert sehr lebhaft durch Inhalt und Stil der Plastik an das Tympanum der nordwestlichen Thür der St. Godehardskirche in Hildesheim, welches in der Mitte Christus und zu beiden Seiten die Heiligen Godehard und Bernward darstellt.

Im 15. Jahrhundert hat, den Formen nach zu urtheilen, der südliche Kreuzflügel die noch größere Erweiterung mit der angehängten Kapelle erhalten.

Die im Grundrisse Bl. 150 angedeuteten, und in den übrigen bezüglichen Blättern gezeichneten nördlichen Anbauten vor dem nördlichen Quer- und Seitenschiffe stammen aus dem 15. Jahrhundert und waren muthmaßlich hauptsächlich für den Gebrauch der büßenden Schwestern bestimmt. Da sie sehr verfallen waren, sind sie auf Veranlassung des Kirchenvorstandes bei der neuerdings stattgehabten Restauration entfernt.

Die Thürme, deren oberer alter Aufbau später durch das in den Abbildungen dargestellte zopfige Machwerk ersetzt ist, haben an künstlerischen Formen nichts aufzuweisen, außer einer in dem Mittelbau sich an das Mittelschiff der Kirche anlehnenden, lieblichen, gewölbten und mit reizvollen Arkaden versehenen Empore. Wir sehen dieselben im Längenschnitt Bl. 154.

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Zwei reizvoll an Basen, Schäften und Kapitälen ausgestattete Säulen tragen drei Bögen, welche das Tympanum eines großen Gurtes, der sich von Thurm zu Thurm spannt, tragen. Die auf Löwen ruhenden Säulen sind abgebildet auf Bl. 155 und die beiden Seiten des Tympanums auf Bl. 158. Die beiden Felder des Tympanums enthalten Malereien, welche in den Farben schwach, in den Konturen jedoch ziemlich gut erhalten sind. Kirchenwärts sind die alttestamentlichen Opfertypen „Abrahams Opfer, Melchisedek und Kain und Abel“, oben darüber Christus mit der segnend erhobenen Rechten, und in der Linken ein aufgeschlagenes Buch mit der Inschrift: Ego sum via veritas et vita dargestellt.

Innerhalb, der Empore zugewandt, finden sich die Darstellungen von dem Englischen Gruß, der Kreuzigung mit Maria und Johannes, der Auferstehung und in der Mitte Christus auf dem Regenbogen thronend, und in der Linken das aufgeschlagene Buch haltend, mit den Buchstaben: E. S. A. Ω. (Ich bin das A und das Ω.) Die Zeichnung ist noch stark byzantinisirend.

An den Wänden des Langhauses fanden sich zwischen allen Fenstern, wie schon oben mitgetheilt, ebenfalls Malereien, jedoch nur in rothen schwachen Konturen, und ohne Zurücklassung irgend einer Farbenspur.

Die Malereien der nördlichen Wand finden wir dargestellt auf den Blättern 158 und 156. Den thronenden Salomo auf dem Felde zwischen dem ersten und zweiten Fenster von der Vierung abgerechnet, das Urtheil Salomo's zwischen dem dritten und vierten Fenster. Die durch die Gewölbe größtentheils verdeckten Felder zwischen den Fenstern sind ausgefüllt durch Draperien, welche sich an drei vertikal und schräg gestellten Lanzen halten.

Die Spitzen dieser trophäenartigen Komposition zeigen sich noch heute oberhalb der Gewölbe unter dem Dachboden sichtbar.

An der gegenüberliegenden Seite (südlich) ist zwischen dem zweiten und dritten Fenster vom Thurme abgerechnet, der Kampf Goliaths und Davids, zwischen dem vierten und fünften die Salbung Davids zum Könige. In den Gewölbezwickeln sind auch hier wieder trophäenartig Lanzen und Draperien angeordnet.

Dem Stile dieser Malereien völlig entsprechend fanden sich ferner mitten über dem Platze, wo neben den Thürmen eigentlich die Fenster mitten über den Arkaden sitzen sollten, die Darstellungen (s. Bl. 159): nördlich, des Erzengels Michael mit Schild und Schwert, südlich, des Erzengels Gabriel mit dem Lilienstabe. Beide Bilder sind nur Brustbilder und Medaillons

Die Fenster können nie unter den Medaillons gesessen haben, weil der einfassende runde Rand unzerstört ist. Die unterhalb dieser Medaillons auf den durch die Verrückung der Fenster erzielten Flächen gemalten, und auf Bl. 159 dargestellten Figuren gehören ihrem Stile nach dem eben besprochenen

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Kreise der Darstellungen nicht an, sind vielmehr späteren Datums; es ist aber möglich und wahrscheinlich, daß ursprünglich hier die Maria und Petrus mit zu dem Bildercyklus gemalt, später aber entfernt und mit, zu einem andern gleich näher zu besprechenden Bildercyklus gehörenden anderen Figuren übermalt wurden.

Die eben besprochenen Bilder sind auf einem sehr feinen gut geglätteten Gipsstuck gemalt; dieser Stuck hat sich in der Kirche nur an den von den hier in Rede stehenden Bildern eingenommenen Stellen vorgefunden.

Schon die Größe dieser Bilder hat etwas sehr ungewöhnliches; aber auch die Haltung dramatischer Aktion dürfte ebenso befremdend und ungewöhnlich sein, wie die Wahl der Gegenstände. Die Bilder sind genau gepaust, nach den Pausen photographirt, und so hier zur Darstellung gebracht. Jedenfalls bieten die Bilder, trotz der Manierirtheit und der Schwächen an vielen Theilen der Zeichnung, großes Interesse. - Diese Bilder dürften also der Bau- resp. Restaurationsperiode von 1130 - 1150 angehören; jedenfalls sind sie vor der Einwölbung entstanden, die in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts zu rechnen sein dürfte.

Endlich ist die dritte Gruppe von Bildern zu erwähnen, welche in die Zeit nach der Einwölbung fällt.

Betrachten wir die auf Bl. 155 rechts oben dargestellten Kapitäle der Gewölbedienste, so dürfte selbst unter dem Einflusse des hier am nördlichen Harzrande länger andauernden Romanismus die Wölbung noch vor der Mitte des 13. Jahrhunderts ausgeführt sein.

Wir finden diese Malereien auf Bl. 159 dargestellt.

Die Hauptdarstellung findet sich auf dem Schildbogenfelde der Westwand (am Thurme). Das Bild ist in den Spitzbogen der Wölbung hinein komponirt, und zeigt in der Mitte den thronenden Christus; zu seiner Rechten sitzt Petrus (der erste Patron der Kirche) und noch weiter rechts tritt Maria gebeugt heran; wir dürfen Maria hier wohl annehmen, da sie mit derselben Krone auf dem Haupte dicht daneben an der durch das verschobene Fenster der Südwand frei gewordenen Stelle mit dem Lilienstabe und dem Christkinde steht. Zur Linken Christi kniet

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Paulus in bittender Stellung; über ihm stößt ein Engel in die Posaune, und tiefer im Bogenzwickel kniet eine Heilige, in ihrer Linken eine Bischofsmütze haltend und mit dem Gesichte sich abwendend, gleichsam als sehe sie nach dem, dicht neben ihr an der Wand des Mittelschiffes, der Mutter Maria gegenüber gemalten heiligen Bischof oder Abt. Wir haben bis jetzt die Bedeutung dieser dargestellten Scene nicht ergründen können, und geben die Lösung Kundigeren anheim. Die Heilige dürfte vielleicht die Magdalena sein, der 1225 oder etwas später neben der Kirche das Kloster der büßenden Schwestern gewidmet war.

Andere Malereien fanden sich bei der kürzlich stattgehabten Restauration der Kirche in den Arkadenzwickeln; sie stellten Heilige in schreitender Stellung nach Westen zu gewandt dar, und zwar an der Südwand männliche, an der Nordwand weibliche. Die Zeichnung verrieth die späte Zeit des 15. Jahrhunderts. Da sie so sehr defekt waren, daß an eine Restauration nicht zu denken war, sind sie bei der Restauration beseitigt. Auch unterhalb in den Laibungen der Arkaden haben sich, auf die Arkadensteine gemalt, einige Figuren in sehr kleinem Format gefunden, die erhalten sind. Veranlaßt durch die alten Vorgänge haben alle späteren Jahrhunderte ihre Malerkünste in der Kirche versucht, und so fanden sich an Gewölben Pfeilern und Wänden Malereien des 16., 17., 18. Jahrhunderts, die indeß alle sehr defekt und werthlos waren. Ein kleines Stück derartiger Malerei haben wir in dem Gloria in excelsis Deo mitgetheilt, woraus hervorgehen möchte, daß einst unterhalb dieser Stelle die Orgel stand.

Schließlich brauchen wir wohl kaum zu erwähnen daß die Fenster des runden Chortheiles der Zeit des 15. Jahrhunderts·angehören. Im Chore steht ein sehr reich geschnitzter Altar des 17. Jahrhunderts. Auch die Kanzel dürfte derselben Zeit angehören, und eine vom südöstlichen Theile des Querschiffes in Chor und Querschiff ausgekragte Empore mit Darstellungen Luthers und dessen Zeitgenossen mag noch dem 16. Jahrhundert angehören. Großen Werth haben indeß alle diese Holzarbeiten nicht.

 

 

Quelle: Uebersicht der mittelalterlichen Baudenkmäler Niedersachsens. Bd 3 Sp. 93-104, Bl. 150-159. Hannover, Schmorl & Seefeld 1883

 

 

 

Weltkulturerbe im Geopark - Exkursion zu einem mittelalterlichen Bergwerk im Alten Lager auf dem Rammelsberg

Die Führung vom 14.09.2013 wurde vom Förderkreis Heimathaus Alte Mühle Schladen e.V. in Zusammenarbeit mit der Arbeitsstelle Montanarchäologie des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege organisiert. Frau Dorothee Schacht und Herrn Dr. Lothar Klappauf mit seinem Grabungsteam sei an dieser Stelle für die gelungene Führung zu den mittelalterlichen Bergbauarbeitsplätzen gedankt.

 

Der Visionär des Kraftpakets Harz


Landeskonservator Reinhard Roseneck starb im Alter von 62 Jahren - Ideengeber des Welterbes

Von Martin Jasper


Der Mann war ein echter Visionär. Wer ihn erlebt hat, konnte sich kaum dem Sog der Begeisterung entziehen, der von ihm ausging. Engagiert, eloquent, manchmal geradezu beschwörend warb er vor dem Hintergrund eines profunden historischen Wissens für seine Ideen.


Wollte man die Vision des im Alter von 62 Jahren verstorbenen Landeskonservators Professor Dr. Reinhard Roseneck auf den Punkt bringen, hieße der: Den Harz neu denken.


Der Harz galt und gilt ja bisher eher als wanderbares Mittelgebirge mit etwas verstaubtem Charme, biederer Gastronomie und bestenfalls stagnierendem Tourismus. Roseneck aber sah ihn darüber hinaus als historisches Phänomen: Als riesiges ehemaliges Industriegelände, als eine Art Ruhrgebiet des Mittelalters, als innovative High-Tech-Zone vorindustrieller Epochen. Da waren über Jahrhunderte ungeheure Kräfte am Werk, die im Wortsinne Berge versetzten und durchlöcherten, Wälder anlegten und riesige Wasserlandschaften schufen. Roseneck betonte die Einheit von Natur und Kultur: „Man erlebt ein einmaliges Kulturerbe und kann sich dabei zugleich wunderbar erholen!“


Dabei gelang es ihm stets, Momente von Modernität freizulegen. Als Gestalter des Weltkulturerbes Rammelsberg inszenierte er das Goslarer Bergwerk als Quelle eines Reichtums, der im Mittelalter Ursprung von Kultur war und Politik machte. Als er im Kloster Walkenried ein Zisterzienser-Museum einrichtete, zeichnete er den Mönchsorden als Mega-Konzem mit cleveren Strategien der Innovation, Investition und Corporate Identity.


Der logische Schritt von dort führte zum größten Erfolg des Visionärs: Denn die Mönche von Walkenried legten 1225 die ersten Teiche und Kanäle an, um mit Wasser Hüttenöfen zu betreiben. Daraus erwuchs über Jahrhunderte das Oberharzer Wasserwirtschafts-System.


2010 gelang es Roseneck in ebenso enthusiastischer wie akribischer Überzeugungsarbeit, diese auf den ersten Blick unscheinbare, aber geradezu umwälzende Ingenieursleistung in die Welterbe-Liste der Unesco zu bringen.


Auch hier ist die Idee wieder eine moderne: Wie der Mensch in seinem Fortschrittsdrang ganze Landschaften umbaut und den Lauf der Elemente zu seinem Nutzen lenkt.


Die Begeisterung im Oberharz brachte Osterodes Landrat Bernhard Reuter damals auf den Punkt: „Bestätigt zu bekommen, dass man auf Augenhöhe mit den Pyramiden von Gizeh steht, das ist Balsam für die geschundene Seele der Harzer.“


Zu der Vision Rosenecks gehörte folgerichtig auch, dass das „Kraftpaket Harz“ sich als Einheit begreift und seine historischen Alleinstellungsmerkmale gemeinsam vermarktet. Da fühlte er sich mitunter von der „Kleinstaaterei“ verschiedener Gebietskörperschaften gebremst. Dass ihn die Stadt Goslar 2003 als Leiter des Rammelsbergs wegen angeblicher Misswirtschaft entließ, hat ihn geschmerzt. Doch vor Gericht wurde er entlastet.


Unsere Region hat Reinhard Roseneck viel zu verdanken.



Incl. Archiv-Foto: Jasper   Reinhard Roseneck im Juli 2006 in der Kirchenruine des Klosters Walkenried.


Veröffentlicht in:
Braunschweiger Zeitung vom 11. September 2012

 

 

Büschings Reisebeschreibung von 1817

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Es war am 17ten Weinmond früh um 7 Uhr als ich Halberstadt verließ um noch an selbigem Tage Goslar zu erreichen. Klar und heiter war der ganze Himmel, dichter und weißer Reif überspann alle Anger und Felder, und zum erstenmale lag das ganze Harzgebirge in seiner ganzen Ausdehnung vor mir, zum ersten male begrüßte mein Blick die schon ganz beschneite Kuppe des Blocksbergs, welche das winterliche

 

 

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Ansehen erhöhte, das bereits die Gegend gewann. Liebliche Punkte, auf denen ich gestanden und in die heitere Ebene geblickt, waren nun reizende Schaufernen, eingefaßt von den sanften, wellengestalteten Bergwald. Der Tag erhielt sich in der Schöne des beginnenden Morgens, die wärmende Sonne zerschmolz bald das weiße Reifgewebe, grüner und sommerlicher ward nun wieder die Ebene und nur das greise Haupt des alten Brocken schaute wie der Mahner an baldigen Winter über die noch grünenden Vorberge herüber. Rasche Pferde zogen durch Thäler und linde Berghöhen den leichten Wagen und hoch noch stand die Sonne am Himmel, als schon die ersten Bergwerksspuren sich zeigten und die Nähe des erzhaltigen Ramels verkündeten. Um einen beträchtlichen Berg, mit alter Warte gekrönt, wendete sich der Weg, aber immer wollte Goslar nicht erscheinen, bis endlich, um den Fuß des Ramels gelangt, die alte Stadt in abendlichem Nebel vor mir lag, einen viel mehr düstern als erheiternden Anblick gewährend. Von drei Seiten wird Goslar von Bergen umkränzt, in welche von Mitternacht her eine Schlucht führt, die sich gegen die Ebene öffnet. Kommt man daher nicht von dieser Seite, so verdecken die kleinern Anhöhen, und an dererseits die großen Berge immer die Ansicht der Stadt und sie erscheint dem Reisenden erst dann, wenn er dicht davor ist. Breite Thürme,

 

 

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rund und in anderer Gestalt, umgeben die Stadtmauern und dienten in früheren Jahrhunderten zur Befestigung. Noch am Anfange des vorigen Jahrhunderts soll man deren 182 gezählt haben; jetzt verschwindet immer einer nach dem andern und giebt sein gealtertes Gestein zu andern Bauten. An manchen dieser Thürme, besonders an den Thoren, findet sich altes Bildwerk, besonders Bildsäulen eines Kaisers und einer Kaiserin, die wohl meist immer auf Kaiser Heinrich und seine Gemahlin hindeuten. Sie verdienen die Berücksichtigung eines Kunstfreundes, der einmal auf längere Zeit dort weilt.

 

Der Eintritt in die Stadt ist noch düsterer und abschreckend; alles fast hat ein schwärzliches unfreundliches Ansehen, und der durch alle Straßen fließende Bach, über holprichtes Pflaster schleichend, nicht so keck und fröhlich rauschend strömend wie zu Blankenburg, bewegt gewiß die Meisten selbst den bequemsten Wagen zu verlassen und ihr Heil zu Fuße zu versuchen.

 

Das Anschauen alter Städte ist mir immer eine freudige Beschäftigung; wer wandelt nicht gerne auf geschichtlichem Boden? aber wenn man dabei von dem Gefühl bemeistert wird, daß doch so gar nichts mehr von dem vorhanden ist, was da war und da seyn könnte, wenn man dem Werke der Enkel ansieht, daß sie das, was ihre Vorfahren gegründet und gebaut,

 

 

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so gar nicht achten, dann kann der Anblick geschichtlicher Reste nur Mißmuth erwecken. Wie sehr Goslar dieser Tadel trifft, wird eine Erzählung des Zustandes, worin ich die wichtigsten Urkunden fand, beurkunden.

 

Das Rathhaus, für dessen Gründer man Kaiser Lothar hält, ruht vorne auf acht rundgewölbten Bogen, die einen offenen Gang bilden, worin die Wachtstuben und andere Gemächer sich befinden. Darüber ist ein Stockwerk, und den untern acht Bogen entsprechen oben acht Giebel, welche mit einer durchbrochenen Steinarbeit unter einander verbunden werden. Das Innere zeigt oben einen langen Flur, an den die Zimmer stoßen. Von Alterthümern sah ich in ihm nur, was der Flur jedem frei gewährt: ein Paar alte Kronenleuchter, die Gestalt eines Kaisers zeigend, der auf einem Throne sitzt und von Hirschgeweihen umgeben ist, mit Umschriften, die ich mir nicht weiter abschrieb *). Vom Archive sah ich nichts, da der Aufseher desselben verreist war und erst am Tage meiner Abreise, die darum nicht aufzuschieben war, wieder kommen sollte.

 

Zur Seite des Rathhauses steht das Haus

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*) Später ist mir eine dieser Umschriften mitgeteilt worden. Herr Pohl, der Rechte Kandidat zu Leipzig, hatte sie 1814 abgeschrieben und Herrn Jarich gegeben, von dem ich sie erhielt. Sie lautet: „O gosler, du bist togedan dem hiligen Romischen richhe sunder mitel unde wan."

 

 

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der Worthgilde, von sieben gewölbten Bogen getragen. Dies Gebäude soll das Schloß der Kaiser gewesen und von denselben der Worthgilde geschenkt worden sein. Acht Steinbilder der Kaiser in Lebensgröße im Harnisch, mit dem Reichsapfel in der Hand, stehen zwischen den Fenstern. In der Mitte ist ein achteckiges Thürmchen, das unten auf dem Bogen des Wölbganges auf einem Kragsteine steht, der ein dickes putziges Männlein ist, welches mit Farben angemalt.

 

Dicht hinter dem Rathhause steht auf einem erhöhten Friedhof zu dem Treppen hinauf führen, die Marktkirche. Das Chor ist einfach und dreiseitig geschlossen, das Gewölbe gleich hoch, wie das des Hauptschiffes. Im Chore ist ein vermauertes Seitenfenster, welches Glasmalereien enthält, die, der Vermauerung wegen, natürlich nicht sichtbar sind. Im Chor ist das Gewölbe einfach mit hervorstehenden Gurten. Darauf kommt das Kreuz, dann das Schiff mit zwei niedrigern Abseiten, alles gewölbt ohne vorspringende Gurten. Im Schiffe finden sich mehre Gemälde auf farbigem Grunde, die nicht übel sind, z. B. unter andern eine Auferstehung. Sie sind alle aus dem sechszehnten Jahrhundert.

 

Das Merkwürdigte in dieser Kirche aber ist der ganz runde Taufstein, auf sechs Engeln ruhend. Ganz unten steht: „Hans Kogel.

 

 

 

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Valentin Witzenhausen. Johannes Lantman. sindt tho der tidt Vorstender gewesen. Darüber steht die Jahreszahl 1573. Auf dem Fußständer sind sechs der Zwölfboten, darüber ist ein Kranz, auf dem steht: Mangenus. Karsten. hat.

mich. gegossen. tho. Goslar. 1573.

 

Darüber sind die sechs andern der Zwölfboten. Rund um das Becken sind Hochbilder gut gegossen, bei welchem jeden eine Erklärung steht. Als: die historia des Bundes der laden. Deh historia van neman dem hauptman in Sirien. D. h. dar latet de kinder tho mi kamen . Dit is de historien von ades (?) arken noe. Dit is de h. von Johannes dem döper. Die historia da Moses das volck iserael 60000 M.

 

Auf dem Deckel sieht man unten folgende Vorstellungen gegossen: Christus auf dem Oelberge, das Abendmahl, Christus am Kreuze zwischen Johannes und Maria, die Grablegung Christi, die Auferstehung, das Weltgericht in gewöhnlicher Darstellung, wie Christus auf einem Regenbogen sitzt und Schwert und Lilie zur Seite des Kopfs ihm sind. Darüber kommen Cherubim-Köpfe mit Flügeln und angeschlängelten Fischleibern und über diesen tanzende und ganz frei stehende Kinder. An der lang empor gehenden Spitze sind in zwei Absätzen wieder Cherubimen mit Fischleibern, dann wirkliche Fische.

 

 

 

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Oben Salvator mundi und das Ganze endet sich in einer schwebenden Taube.

 

Außen hat die Kirche zwei nicht übel gebaute achteckige Thürme gegen Abend.

 

Ein jederzeit wohl nach dem alten berühmten Münster, welchen Kaiser Heinrich der Dritte im Jahre 1039 von der Harzburg hierher verlegte und welcher im Jahre 1056 durch Papst Viktor den Zweiten, welcher den Kaiser besuchte, geweiht ward. Das Stift des heiligen Valerius hatte 912 Konrad I. auf der Harzburg gegründet, im genannten Jahre ward es nach Goslar versetzt, und 1040 begann der Bau und die Kirche ward zur Ehre der heiligen Jungfrau, der Apostel Simon und Judas und anderer eingeweiht. Wie wird das Hoffen eines jeden getäuscht, der mit frohen Erwartungen dieser Kirche, einer der allerältesten Deutschlands, entgegen eilt! Schändlicher ist nicht leicht ein Gotteshaus von so bedeutender Wichtigkeit behandelt worden. Das Unwesen, welches zu Worms und Speier mit dem Dome getrieben worden ist, kann nur diesem verglichen werden. Dort waren es aber meist übermüthige Feinde und hier?! – Als auf den schon früherhin gehaltenen Ländermarkten Goslar an Preußen kam, wurden die dortigen Alterthümer und der Dom noch sorgfältig in Ehren gehalten, wenigstens in so weit, daß nichts von ihnen verschleudert ward. Anders wurde

 

 

 

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es, als das westphälische Königlein auch Goslar in seine gierigen Klauen schloß. Einzelnes ward nach Paris geschleppt, Anderes von denen, die für deutsche Vorzeit kein Herz und keinen Sinn hatten, verschachert, und der alte Dom ging seinem Zertrümmern entgegen, da nichts zu seiner Besserung, sondern alles zu seiner Vernichtung geschah. Es ist leider nicht zu läugnen, daß diese vandalischen Maaßregeln in der Ansicht der verkehrten Enkel tüchtiger Altvodern eine nur zu willige, entsprechende Ansicht fand, und so geschah es denn, daß selbst Behörden der Stadt auf Einreißung und Abtragung des alten Gebäudes nur zu eifrig bedacht waren. Auch jetzt soll dieses Ansinnen noch vielfältigst gemacht worden seyn; doch wurde mir gesagt, daß ein Befehl des Prinz Regenten die Erhaltung des Gebäudes befohlen habe. Kann das reiche England nicht ein paar taufend Thaler dazu verwenden, in dem verbündeten Lande eine merkwürdige Alterthümlichkeit vor den Händen der Gewinnsüchtigen zu bewahren?

 

Der Dom zu Goslar ist einer der ältesten Dome Deutschlands und hat vieles von seiner alterthümlichen Bauart bewahrt. Verändert hat der neuere Zeitenlauf wenig, nur vernichtet. Für denjenigen daher, welcher die Kunst seines deutschen Vaterlandes geschichtlich erforscht, ist er von hoher Wichtigkeit. Der Anblick, welchen die Kirche von weitem gewährt, ist nicht

 

 

 

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besonders erhaben, das Schiff ist zwar ziemlich hoch, die angebauten Abseiten sind aber sehr niedrig,die Thürme keinesweges reich geschmückt und bedeutend. Aber der vorherrschende runde Bogen wird einem jeden auffallen und die an der Kirche befindlichen Spitzbögen in den Abseiten erkennt man gleich, als spätern Zusatz. Die Thüre gegen Mittag, den Thürmen benachbart, an einem Vorbau angebracht, fällt zuerst auf. Sie ist uralt. Der Vorbau hat einen runden Dachbogen, der Raum zwischen ihm und dem Thürbogen ist mit großen Gestalten ausgefüllt. Zu oberst sieht man die Gestalt der Maria mit dem Christkinde, darunter ist ein Kaiser und eine Kaiserin mit Kirchen in den Händen, die Stifter andeutend, zwischen ihnen drei Heilige. Die Gestalten sind alle halbe Bildsäulen, in Mauerblenden stehend, ohne sonderliche Kunst, aber eben dadurch wieder merkwürdig. Die Thüre hat zwei runde Bogen, welche in der Mitte auf einem Pfeiler ruhen. Dieser ist merkwürdig, stehend auf einer Thiergestalt, welcher der Kopf mangelt; trügt mich das Gedächtniß und meine Bleistift-Aufzeichnung nicht, so glich es mir einem Lamme; er ist mit Blättern und Blumengewinden geschmückt. Das Kopfgesimms ist ebenfalls bemerkenswerth; ein geflügelter Kopf schaut über zwei sich ringelnde Schlangen hervor. Darunter steht auf einem kleinen glatten Gesimms: hartmannus

 

 

 

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statuam fecit basis – das Uebrige verdeckt eine neu gemachte Thüre, Fiorillo ergänzt es durch: basisque figuram (er hat zwar basin, aber ich habe deutlich noch basis gelesen und paßt dies auch allein).

 

Gegen Abend sind zwei ganz kurze übelgestaltete Thürme, schlecht oder gar nicht verziert und unten darunter befindet sich eine Vorhalle ohne Verzierung. Da hier nichts zu betrachten bleibt, so wendet man sich wohl bald wieder gegen Mittag und bemerkt nun an der Abseite, welche von der vorgebauten Thüre anfängt, sechs Giebel, an welche sich das Kreuz anschließt, dann folgt das Chor. Chor und Schiff sind außen gleich hoch und unstreitig auch aus Einer Zeit des Baues. Oben darauf, auf dem Mittelpunkt des Kreuzes, steht ein kleines achteckiges Thürmchen. Das Chor ist dreiseitig geschlossen und hat nur kleine Strebepfeiler, das Schiff der Kirche hat gar keine. Am Chore ist gegen Mitternacht ein vierseitiger Anbau (man lernt ihn inwendig als Kapitel-Stube kennen); an der Ecke gegen Mitternacht ist an ihm eine gewundene Säule und darüber ein Bilddach. Außerdem findet man noch zwei Kragsteine und ein Bilddach.

 

Der Zugwind haut schrecklich, wenn man in das alte Gebäude tritt, bei dem nun bald, wenn nichts dazu geschieht, die schon früher gegebenen Gutachten, daß es ganz unbrauchbar

 

 

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baufällig sei, sich wahr machen werden. - Auch hier haben die Zimmerleute den Fußboden auf gerissen und zerstört, man kann durch die Kirche nur mit großen Schritten schreiten oder vielmehr stolpern, da kein Stein einen festen Halt giebt. Das Chor ist verödet, seines alten Schmuckes ganz beraubt. Von alle dem, was man sonst sah, ist nur noch der alte Grabstein einer Fürstin (man hält sie für die Mathilde, die Tochter Kaiser Heinrich des III) geblieben. Das Ganze bedeckt ein hölzernes Gehäuse. Bei Aufhebung des Deckels sieht man die weibliche Gestalt, mit Farben angemalt, welche in der rechten Hand einen Zepter, in der linken eine Kirche hält. Ein Hund mit einem Halsbande liegt zu ihren Füßen. Alle Fenster im hohen Chore sind herausgerissen oder zerschlagen, wenig ward gerettet, davon bei Beschreibung der Stephans-Kirche. Die Fenster selbst sind, die einzigen im alten Gebäude, mit einem Spitzbogen eingedeckt, der mit altdeutschen Kleeblättern in Stein verziert ist, welches aber gewiß aus neuer ändernder Zeit herrührt. Der einst im Chore stehende Krodo-Altar hat, nach seiner Wanderung nach Paris, seine Ruhestelle in der Stephans-Kirche gefunden; dort von ihm. Die metallenen Säulen, welche einst bei ihm standen, sind verschachert worden und sollen nach Frankfurt am Main gekommen seyn.

 

Im Kreuze der Kirche hängen an der Seite,

 

 

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in der Fortsetzung des hohen Chores, noch uralte gewebte Teppiche mit Gestalten darauf, wie ich schon an einigen Orten in diesen Reisebemerkungen erwähnt habe. Sie werden wohl die längste Zeit gedauert haben, obgleich sie bei meiner Anwesenheit noch recht gut waren und leicht gerettet werden könnten. Das Chor ist einfach gewölbt, ohne hervorspringende Gurten.

 

Aus dem hohen Chore geht man in die seitwärts liegende Kapitel-Stube, die auf Säulen inwendig ruht, dem Verfalle auch nahe ist und einige Reste von Glasmalereien in den Fenstern zeigt. Noch steht eine Spinde darin, in welchem, unter andern Papieren, eine Urkunde in Sammt gebunden. Alles liefert das Bild grauser Zerstörung.

 

Wir kehren durch das hohe Chor wieder zurück und treten in das Schiff. Chor und Schiff sind durch eine Wand von einander getrennt. Von Holz sieht man Christus am Kreuze zwischen Maria und Johannes, beiden Schächern und noch zwei Männern. Darüber hängt an einer Kette ein Straußenei (ich konnte seine Bedeutung nicht erfahren) und über demselben sieht man Christus und Gott Vater in der Herrlichkeit; von den zwölf Aposteln sind noch sechse vorhanden. Auch hier sieht man die furchtbare Zerstörung. Der Kaiserstuhl, der einst zur rechten Seite stand, ist herausgerissen und verkauft worden. Herr General von Menü

 

 

 

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kaufte ihn, und so kam er in gute Hände, in den Besitz einer kunstliebenden Fürstin, der Prinzessin Wilhelm von Preußen. Gar traurig steht die Sandstein-Umzäunung noch da, mit merkwürdigen Gestalten geziert. Darunter fallen auf: zwei Affen mit Mönchskutten, zwei Meerungeheuer mit Mönchskutten, ein alter Kopf zwei Fische im Maule haltend, welchen die Sage zum Krodo macht und die ganze Verzierung mit dem Krodo-Altare in Verbindung bringt, als Verspottung christlicher Möncherei; ein Vogel mit einem Menschenkopf, Löwen, Drachen. Ihr Ursprung aus christlicher Zeit ist aber auf keine Weise zu bezweifeln.

 

tl_files/Fotos/Goslar/Goslar-Kaiserstuhl-Affen-mit-Moenchskutten-IMG-7527.jpg tl_files/Fotos/Goslar/Goslar-Kaiserstuhl-Drache-IMG-7523.jpg
tl_files/Fotos/Goslar/Goslar-Kaiserstuhl-Menschenkoepfe-IMG-7526.jpg tl_files/Fotos/Goslar/Goslar-Kaiserstuhl-Loewe-IMG-7523.jpg

 

Mögte diese Steinbrüstung doch dem vorangewanderten Stuhle nachfolgen, um diesem entweihten Aufenthalt zu entfliehen und an gebührenden Ort und Stelle zu gelangen! In der Mitte vor dem Chore war ein Altar; es ist nichts davon geblieben als ein Vorsetzblatt, alt, aber schlecht gemalt.“

 

Das Gewölbe des einfachen Schiffes ruht auf Wandpfeilern und zeigt keine künstliche Verschlingung; es ist das einfache Klostergewölbe durchweg mit runden Bogen. Wegen befürchteter Schadhaftigkeit geht mitten durch eine Holzsäulen-Stützung. An das Schiff schließen sich die niedrigen Abseiten, wieder mit runden Bogen. Dann sind aber noch Hallen angebaut, so lang wie die Abseiten und diese

 

 

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haben Spitzbogen und viereckige Fenster. Hier scheidet sich also Altes und Neues klar und deutlich von einander und steht in merkwürdigem Gegensatze. Kirchen, in welchen der runde Bogen so durchaus herrscht, sind als große Seltenheiten in Deutschland zu betrachten, denn wenige bewahrten ein so unverfälschtes und unverändertes Daseyn. Im Schiffe wechseln, zur Stütze der Seitenwände des Schiffes, diese von den Abseiten trennend, Pfeiler, deren achte und Säulen, die rund sind, deren aber nur sechfe sich finden, indem noch zwei viereckige Säulen, wenn man sie so nennen darf und sie nicht lieber als schwache Pfeiler bezeichnen will, dafür da sind. Auch diese Bauart ist auffallend und höchst verschieden von der spätern.

 

In der Kreuzabseite rechts ist ein alter Altar, Christus das Kreuz auf dem Rücken tragend, zwischen drei Heiligen stehend, geschnitzt. Die Thüren sind außen gemalt und nicht schlecht. An der Chor-Wand stehen fünf alte heilige Bildsäulen, roh gearbeitet.

 

Im Schiffe sieht man noch in dem einen Pfeiler ein altes Bild, Maria, auf dem Throne. Wendet man sich gegen Mittag, in die zuerst erwähnte Vorhalle, so findet man, daß aus ihr ein reich und zierlich geschmücktes Thor, mit Säulen und Stäben tief eingelegt, in die Kirche geht, denen vergleichbar, welche uns Herr Moller, in seinen Denkwürdigkeiten deutscher Baukunst

 

 

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aus dem Dome zu Worms, der ja noch älter, mittheilt. Auch hier nur runde Bogen, keine Spitzbogen. Die Thüre verdient eine Zeichnung und einen Stich.

 

In der Kreuzseite gegen Mitternacht (dort ist die Thüre, zu der man gewöhnlich ein- und ausgelassen wird) findet sich an der Seitenwand ein überaus großer Christoph gemalt, der bei nahe bis an das Gewölbe der Kirche reicht und das Christkind auf seiner Schulter trägt. Wenn auch alt, scheint doch dies Bild nicht zu alt, Gegenüber steht ein alter, schlecht gemalter Altar: Gott der Vater hält das Kreuz im Schooß, Maria links, Johannes der Täufer rechts. Die Thüren sind undeutlich, links ist Johannes und noch ein Heiliger, außen sind die Farben abgeschabt, rechts zwei Heilige inwendig und das Aeußere wieder von Farben und Darstellung entblößt. Die unter dem Chore befindliche Krypta, das heißt die unterirdische gewölbte Kirche, am besten wohl durch Gruftkirche übersetzt, ist sehr merkwürdig. Daß nur runde Bogen herrschen, braucht wohl kaum erinnert zu werden. Das Gewölbe, ohne hervorstehende Gurte, ruht auf zehn kurzen Sandsteinsäulen mit verzierten Kopfgesimmsen. In dem Fenster gegen Morgen sind an der Wand Malereien sichtbar, die Geistliche vorzustellen scheinen. Man könnte leicht verführt werden, sie für uralt zu halten, aber, obgleich die ganzen Darstellungen

 

 

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undeutlich und unsichtbar geworden sind, so fand ich doch die Jahreszahl 1484 noch deutlich heraus. In dies Jahr fällt daher augenscheinlich die Verfertigung, oder, wenn man ihnen einen älteren Ursprung geben wollte, wernigstens ihre gänzliche Uebermalung, so daß von dem Alten gewiß keine Spur verblieb. Merkwürdig ist die Fortsetzung dieses Gewölbes, welche unter die Kapitel- Stube geht. Hier zeigt sich deutlich der Neubau, indem in ihm auf einemmale der Spitzbogen hervortritt. Das Gewölbe ruht mit vorspringenden Gurten auf zwei Säulen.

 

Mit Wehmuth muß man sich von dem schmachvoll vernachläßigten Gebäude wenden. Es gehört keinesweges zu den Prachtbauen des Mittelalters, aber auch diese sind es nicht allein, welche eine Bewahrung verdienen, sondern auch die seltenen Baue ältester Zeit. Wo sollen wir die Beweismittel für unsere Kunstgeschichte hernehmen, wenn wir muthwillig die wenigen Ueberreste zerstören?

 

Das Thomas-Kirchlein, welches dicht beim Dome, von ihm der Standpunkt angenommen gen Morgen und mitternachtwärts sich findet, scheint wohl alt zu sein. Es ist viereckig und hat in seinem Aeußern nichts Auffallendes, in seinem Innern sah ich es nicht, da es verkauft und in ein scheidekünstlerisches Arbeitsgemach verwandelt worden ist.

 

 

 

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Die zum ehemaligen, von Kaiser Heinrich III. 1057 gestifteten Reichsstift St. Peter gehörige kleine Kirche hat nichts Altes in sich, nur außerhalb an der Thüre ist eine nicht übel gerathene in Metall getriebene Arbeit an gebracht. Auf der Platte, welche den großen Metallring umgiebt, ist eine Maria mit sechs andern Gestalten rundum zu sehen. Die Kirche ist viereckig, ganz weiß und neu inwendig angestrichen, und enthält eine Ueberzahl von Gemälden, die aber alle nichts taugen. Das beste ist ein altes leider sehr verletztes und schmutzig gewordenes Bild des Melanchton.

 

Die ganz neu gebaute Stephans-Kirche würde auch nichts im geringsten Wichtiges für mich enthalten haben, wenn nicht der Dom einige seiner Alterthümer hierher hätte abgeben müssen.

 

Zuerst fällt jedem Beschauer der rechts vom Seiteneingange gegen Mittag in einer Umzäunung stehende Krodo-Altar auf. Diese merkwürdige und in seiner Art einzige Alterthümlichkeit ist mehr betrachtet als beachtet worden, und freilich mag auch wohl einem jeden Betrachter der Muth vergehen, viel darüber zu sagen, da das Meiste doch nur ins Blaue hineingeht, indem dieser Altar so allein da steht, daß wir keine Alterthümlichkeit haben, die uns als Anleitung oder zur Anlehnung des Urtheils dienen könnte.

 

 

 

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Es sei mir erlaubt, mit so vielen Andern auch ein paar Schüsse ins Blaue zu wagen.

 

Warum ihn Fiorillo in seiner Geschichte der Kunst in Deutschland für ein altetrurisches in Italien erbeutetes Kunstwerk halten will, ist mir nicht klar, und ich glaube mit eben so vielem Rechte behaupten zu können: es ist ein uraltes ächtdeutsches Kunstdenkmahl. Daß unsere Altvodern in der Kunst des Metallgusses große Fertigkeit besessen haben, ist gewiß; das beweisen mir Metallarbeiten jener Zeit. Wir brauchen daher die Hetrurier nicht zu Hülfe zu rufen, obgleich ich sehr gerne überzeugt bin, daß bei fernerer und angestrengter Untersuchung sich ein wundervolles Uebereinstimmen hetrurischer Werke und der ältest deutschen Werke ergeben wird.

 

Wer sich einen Begriff von dem Werke machen will, muß die Fratze freilich nicht ansehen, die sich in: Heineccii Antiquitates Goslarienses findet und aus der man nichts sieht; eben so wenig belehrt die Zeichnung, welche die Küsterei in der Domkirche bewahrt. So lange, bis eine entsprechende Zeichnung davon geliefert wird (mir ist wenigstens keine andere bekannt, als die beiden genannten), kann nur das Anschauen belehren. So gut ich kann, will ich eine Beschreibung geben.

 

Ein Langwürfel ruht auf vier Füßen. Die Länge giebt Heineccius auf 3 Fuß 3 Zoll an,

 

 

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die Breite auf 2 Fuß und die Höhe auf 2 Fuß und 7 Zoll; ich glaube es ihm, denn ich habe nicht nachgemessen. Er besteht aus großen Metallplatten, die unregelmäßig, hier und da, große und kleinere Oeffnungen haben. Ihre Bestimmung ist nicht klar, wenn man nicht die in einigen noch befestigten Einsatzbleche sieht, welche die Oeffnungen füllen und wieder durch kleine Oeffnungen durchbrochen sind. Diese kleinen Löcher sollen mit ächten Steinen ausgefüllt gewesen seyn. Alle wohl nicht; denn die Nothwendigkeit einzelner kleiner Zugöffnungen wird der sogleich von mir mitzutheilende Gebrauch, den ich vermuthe, beweisen. Oben darauf liegt jetzt eine weiße marmorne Platte, in welcher in der Mitte ein Kreuz befindlich ist. Diese Platte gab die christliche Zeit. Sieht man durch die Löcher, so bemerkt man, daß oben ein, wie es scheint beweglicher, kleiner Kasten eingesetzt ist.

 

Wahrscheinlich nun diente der große Kasten dazu, daß in ihn das Feuer gelegt wurde, welches durch die Löcher Zug und Luft bekam. Das Opfer wurde dann in das obere Kästchen gelegt, mochte es nun etwas Flüßiges oder Festes seyn. Weniger annehmbar zeigt sich mir die andere Wahrscheinlichkeit, daß das Feuer in das obere Kästchen gelegt worden sei. Der Bauch des Altares wäre dann ganz unnütz, und es muß einen eigenen, schauerlichen Anblick gewährt haben,

 

 

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wenn das Feuer durch die vielleicht klar geschliffenen ächten Steine und durch die offenen Löcher gefunkelt hat.

 

Der Langwürfel wird von vier ebenfalls in Erz gegossenen knieenden Traggestalten unterstützt. Diese sind zwar nicht sehr kunstreich gegossen und nicht so gut wie der Kasten gerathen, welches schon aus der dabei zu überwindenden größern Schwierigkeit hervorgeht, aber sehen doch keinesweges so albern und ungeschlacht aus, als uns das Bild im Heineccius glaublich machen will. Wenn daher auch beide Arbeiten in Hinsicht der Fertigkeit der Ausführung voneinander abweichen, so sind sie doch wahrscheinlich zu Einer Zeit gegossen. Diese vier Männergestalten ruhen alle auf dem einen Knie und haben beide Hände und Arme über den Kopf erhoben, um mit ihnen und dem Hinterkopfe scheinbar den langwürfeligten Kasten zu tragen und zu halten. Die Gestalten sind, wie gesagt, uns förmlich, alle haben sie ziemlich lange spitze Bärte, das Haar ist am Kopfe kurz abgeschnitten und eine Binde ist darum gelegt. Die Köpfe sind bei allen hohl und haben im Hinterkopf eine Oeffnung, worauf wahrscheinlich ursprünglich die Ecke des Kastens ruhte. Ein faltiges Mantelgewand umgiebt ihre Hüften und scheint durch einen Gürtel gehalten zu werden. Man möchte beinahe an der Tracht und der Stellung

 

 

 

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vermuthen, daß Sklaven wendischen Stammes darunter gemeint wären.

 

In das dabei befindliche Fenster sind die einzigen Reste der aus der Domkirche erübrigten gemalten Fensterscheiben gerettet worden; sie sind gut gemalt und auch im Ganzen gut erhalten, rühren aber wohl nicht aus der blühendsten Zeit der Glasmalerei, von der ich überhaupt nur einen Rest in Goslar bemerkt und zu meiner Sammlung gemalter Scheiben, die in Goslar eine sehr erfreuliche Vermehrung erhielt, erbeutet habe. Das Meiste, was ich daselbst erhielt, rührt, obgleich ein Wappen noch eine gar herrliche Farbengluth zeigt, aus der spätern Zeit her, in welcher das Glas dünner und zerbrechlicher, die Farben weniger glühend und scharf waren. Auch brannte man damals schon die Farben von beiden Seiten ein, wenigstens bei Wappen, bei denen durchgängig in meiner Sammlung die blaue Farbe auf der einen Seite eingebrannt ist, die andern Farben aber ihre Stellen auf der andern Seite haben.

 

Die Darstellungen auf dem Fenster sind nun: Ganz oben der heilige Mattheus, der heislige Simon und der heilige Judas; ihnen war ja der Dom geweiht. Darauf folgt groß und prachtvoll der Reichsadler und nach ihm die Gestalten dreier Kaiser, deren Namen folgende Unterschriften besagen: Conradus primus fundauit

 

 

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hanc ecclesiam in arce Hercynia Anno Christi 916 in honorem dei et Sancti Mathiae. - Henricus III. imperator transtulit in hunc locum anno christi 1040 in honorem dei et Sanctorum Simonis et Judae. – Fridericus primus Imperator dotauit priuilegis et exemtione anno christi 1188.

 

Man hat zwar das gemalte Fenster dadurch zu schützen gesucht, daß man das alte weiße Glasfenster dahinter gelassen hat, was aber nicht hinlänglichen Schutz gewährt, indem ein tüchtiges Hagelwetter oder ein geschleuderter Stein seinen Weg durch beide Fenster schon finden wird. Es ist durchaus nothwendig, daß es noch von außen mit Drath übersponnen wird.

 

Auf den Altar ist ein Gemälde aus dem Dom gebracht worden, welches ein Abendmahl vorstellt. Es ist auf Leinwand, und man trug sich sonst mit dem Wahne - auch gedruckt hat man es, dies Gemälde sei ein Bild von Lukas Kranach. Auf den ersten Blick kann man sich indessen belehren, daß daran gar nicht zu denken ist. Der Küster, den ich gerade am Hoch-Altare traf und ihn meine Ansicht äußerte, meinte: ein Kranach möchte es nicht seyn, aber ein Bild von Dürer wäre es gewiß, das beweise augenscheinlich das auf dem Bilde befindeliche D. Dieser Buchstabe ist nun wirklich darfauf, aber der tüchtige und wackere Meister Albrecht Dürer ist an dieser Malerei höchst

 

 

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unschuldig. Man sieht, daß ein paar Buchstaben vor dem D. verloschen oder ausgekratzt sind, die mir C. M. zu sein scheinen, doch will ich dies nicht gewiß behaupten, versichern kann ich aber, daß das ganze Gemälde aus dem Schlusse des siebenzehnten Jahrhunderts herrührt, wo nicht gar aus dem Anfang des achtzehnten.

 

Die Kirche zu St. Jakob ist jetzt die katholische Kirche. Gegen Abend stehen zwei runde Thürme. Chor, Schiff und die beiden Seitenschiffe sind gleich hoch; das Chor, welches einfach, ist dreiseitig geschlossen. Das Altar-Blatt zeigt die Auferstehung Christi, etwas geziert, darüber ist Maria in der Herrlichkeit. Die Gewölbe sind einfach und in dem Chore und Hauptschiffe finden sich hervorstehende Gurten; die Nebenschiff sind sie nicht. Am Seiten-Altar links ist Maria mit Christus auf dem Schooß, Johannes davor knieend, Elisabeth lesend." Am zweiten Altare rechts ist Maria mit dem neugebornen Kinde, Engel tragen Früchte. Die Gemälde machen einen eigenen Eindruck, in dem einiges darin geziert ist, anderes schlecht behandelt ward, wogegen einiges wieder nicht übel.

 

Am Eingange hängt zur Seite, groß, die Kreuzaufrichtung, eines sehr wackern und tüchtigen Urbilds Nachbildung, doch etwas verschossen und bedeutend verletzt. Es ist das beste Bild in der ganzen Kirche.

 

Von außen ist noch zu bemerken die Eingangsthüre

 

 

 

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zur Seite, die mit Bogen verziert ist, über welchen ein mit Blumen geschmückter Eselsrücken. Die Kirche ist von Werkstücken erbaut und von außen ist das Chor niedriger als das Schiff. An der äußern Kirchenwand ist das sehr alte Steinbild eines Heiligen. Das Thor hat auswendig Strebepfeiler, die nicht sehr breit sind und einzelne kleine Verzierungen haben.

 

Das Kloster Neuwerk ward schon um 1178 gestiftet. Es hat sich als Jungfrauen-Stift der Evangelischen durch alle bösen Zeiten gerettet. Die Kirche hat auch gewiß viel Altersthümliches bewahrt, wenigstens fand ich in ihr Einiges, was ich sonst noch nirgends bemerkt habe. Die Kirche ist gegen Morgen gerade geschlossen, mit einem Giebel, doch mit einer runden Vorlage, welche eine rund gewölbte Kuppel hat. In dieser Kuppel sieht man die Spuren eines alten Gemäldes auf nassen Kalk gemalt, wovon man doch noch das Ganze erkennen kann: Maria mit dem Christkinde von Engeln und Heiligen umgeben. Auch alte Schrift ist sichtbar, aber unleslich. Auf der linken Seite des Altares ist (angenommen, wenn man mit dem Gesicht gegen ihn steht) ein Heiligthums- (Sakrament-) Häuslein (Tabernakel) in eigner Bauart, doch weit weniger kunstreich, als wir so viele finden. Auf einer vielleicht vier Fuß hohen Säule steht ein breites Sandseinwerk,

 

 

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die ganze Ecke einnehmend, einem mit Bildwerk und Gestalten gezierten Baume ähnlich. Ueber der Spinde, in welcher das heilige Brot gestellt ward, ist ein Ecce homo, dann folgen noch vier kleine, schlecht gearbeitete Gestalten und viel Bildwerk zur Verzierung.

 

Am Fuße lies't man die ungewöhnlich gestellte Jahreszahl: M° IxxxIII°. CCCC°.

 

Auf das Chor, welches einfach, folgt das Kreuz, in welchem in der Mitte ein alter Doppelgrabstein sich findet, von Sandstein, worauf zwei Gestalten, eine männliche und weibliche, in halberhobener Arbeit, abgebildet sind. Es sind die Bildnisse der beiden Stifter, und ich glaube wohl, daß sie aus dem zwölften Jahrhundert herrühren können, wenn auch die Jahreszahl darauf, nach Heineccius, später ist. Die Jahreszahl konnte ich nicht mehr lesen, wer weiß, ob sie Heineccius recht las. Beide Gestalten sind in lange Mantelgewande gehüllt, der Mann hat viele Locken und eine Mütze auf, ein Schwert in der Hand; die Frau hat ein Buch in den Händen. Verschlungene Spitzbogen, mit bekannten Blumen besetzt, sind über ihnen. Von der Umschrift las ich (was in Klammern steht, ergänzte ich aus Heineccius): Consepulti , sunt . hic . . strenuus - miles - dns: volcmarus. de . wildinsteyn. et (lieke . uxor ejus .) fundatores . et ... dotatores . huius - monasterii. qui - (Ilonert. (?) [flo

 

 

 

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ruerunt?) circa . annos . . . (M. CC.) quorum.(animae) hic. requiescant . in. pace.

 

In der Kirche, besonders im Kreuz finden sich noch mehre eingelegte Grabsteine mit eingekratzten Gestalten, so wie ein altes Steinsbild, Christi Kreuzestod. Im Kreuz und im Chore herrscht allgemein der runde Bogen, die Fenster sind schmal und klein. Das Ganze deutet daher in dem Theile gegen Morgen auf eine bedeutend frühe Zeit, mit dem Dome um die selben Jahrzehnte vielleicht errichtet, und so wäre diese Kirche wohl, nächst dem Dome, die merkwürdigste Baualterthümlichkeit zu Goslar.

 

Erst im Schiffe tritt der Spitzbogen ein und hier findet sich nun eine merkwürdige Gurtfortsetzung. Die Gurten gehen nämlich als Säulenstäbe fortgesetzt, nieder, mit zwei verschiedenen Verzierungen an vier Pfeilern, die ich sonst noch nie gesehen habe. In zweidrittel der Höhe nämlich löst sich die Gurtfortsetzung vom Pfeiler ab, wird ganze dünne Säule, macht einen Bogen und geht dann wieder am Pfeiler hinunter. Der Raum, worin das X. in der Zeichnung 3 steht, ist hohl. Unten, wo der Gurt wieder an den Pfeiler anschließt, ist an zwei Pfeilern ein Steinring herum gelegt, wie die Nachbildung 4 zeigt, der in dieser Qehse zu schweben scheint. Dies ist an zwei Pfeilern, an zwei andern ist sie etwas verändert, doch auf die

 

 

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nämliche Weise, die übrigen Pfeiler sind gewöhnlich.

 

Die Kirche hat gegen Abend zwei Thürme; am hohen Chore gegen Morgen finden sich außen verschiedenartige kleine Säulen zwischen den Fenstern, welche auch selten vorkommen und gemeinhin auf sehr alte Zeit deuten. Sie verdienten eine kleine Nachzeichnung, wie sie an der runden Vorlage und den schmalen Fenstern, stehen.

 

Das letzte Gotteshaus, das ich zu besichtigen hatte, war das Kloster Frankenberg, dessen Stiftung man in das Jahr 1215 setzt und die dabei befindliche Kirche Peter und Paul soll schon 1108 gebaut worden seyn. Doch herrscht darüber noch manche Dunkelheit und Ungewißheit. So viel ist indessen aus des Bauart klar: die Kirche ist bedeutend alt. Das Chor ist zugerundet, mit drei schmalen Fenstern, in denen einige Glasmalereien. An der Seite sind ebenfalls kleine Fenster mit runden Sturzen, Auch in diesen Fenstern sind kleine Malereien. Der Altar rührt zwar aus neuerer Zeit her, doch ist er nicht ganz neu, sondern hat schon ein beträchtliches Alter. Es sind lauter von Holz geschnitzte Gestalten, Christus am Kreuz zwischen beiden Schächern und mehren anderen Bildern. Unten ist das Abendmahl. An der Seite steht ein altes Denkmahl aus Holz geschnitzt,

 

 

 

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auf Goldgrund und die Gestalten ganz vergoldet: Christus am Kreuz, mit vielen andern Personen. Die Gewölbe sind einfach, doch noch ohne hervorstehende Gurte.

 

Auf das einfache Chor folgt das Kreuz, der Kirche und dann ein dreigedoppeltes Schiff mit Emporkirchen. Im Seitenschiffe rechts treten hervorstehende Gurten ein. Die Stellung und Wechslung der Pfeiler, welche das Gewölbe tragen, hat Aehnlichkeit mit der im Dome und zeigt daher auf Nachahmung jener Bauart und wahrscheinlich nicht weit auseinander liegende Zeiten hin. Die Kanzel ist, wie der Hoch-Altar, aus Holz geschnitzt, beide erwarten aber noch ihre Vergoldung und werden sie wohl nie erhalten.

 

Dem Ruf nach merkwürdig, der Beschauung aber gar nichts bietend, ist die Kapelle des heiligen Augustin, welche vor der ebengenannten Kirche, mit ihr auf einem Friedhof, gegen Morgen steht. Sie ist ganz viereckig und nichts ist darin; auch hat sie ihr Gewölbe verloren oder hat vielleicht nie eines gehabt. Rücksicht verdient nur noch der alte Leichenstein, welcher im sechszehnten Jahrhundert in ihr ausgegraben sein soll und der jetzt außen eingemauert ist. Man sieht einen Mann in Mantel mit einem Schwerte in der linken Hand und die rechte auf die Brust betheuernd gelegt, Neben ihm eine Frau, gleichfalls in großem

 

 

 

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Mantel, die Hände betend gefaltet. Den Alterthumsmachern, das heißt denen, welchen es die größte Freude ist ins Blaue hinein Alterthümer zu erschaffen, war dieser Leichenstein ein herrlicher Fund, denn der Ritter ward sogleich Ramm benannt, jener Reiter, der das wichtige Bergwerk des Rammelsberges 968 entdeckt haben soll und die weibliche Gestalt war natürlich seine Frau Gose, welche dem Flüßchen den Namen gegeben, das die Stadt bewässert und nach diesem dem bekannten Goslarer Weißbiere, dessen Ruhm besser ist als sein Geschmack. Damit nun auch die Entdeckung über alle Ungewißheit erhoben würde, ließ man beide Namen oben einmeißeln. Wer nun dieser Schrift glauben will und in einem Werke des fünfzehnten Jahrhunderts, denn aus dieser Zeit mag der Grabstein herrühren, eines des zehnten Jahrhunderts bewundern will, der mag es.

 

Dies wäre, was mich ein rascher Durchflug durch Goslar finden ließ; doch glaube ich gerne, daß, so abschreckend es einigerseits erscheinen mag, doch eine mehrtägige und recht genaue Durchforschung aller Winkel und Ecken der düstern Stadt wohl noch viel Merkwürdiges zu Tage fördern könnte. So sind zum Beispiel die alten Thorthürme, in deren manchen Steinbilder eines Kaisers und einer Kaiserin gefunden werden, eines aufmerksamen Blickes wohl würdig. Bei dieser Gelegenheit erinnere ich denn

 

 

 

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auch noch an eines, was mir in Goslar mehr als einmal aufgefallen. Es ist bekannt, daß man die Entstehung des Spitzbogens in der Zusammenbeugung zweier Baumstämme oder zweier Baumzweige hat finden wollen; man sehe die Kupfertafel, auf welcher d'Agincourt die ersten Spuren des Spitzbogens bis zu seiner kunstreichsten Entwicklung zusammengestellt und verfolgt hat. In Goslar finden sich nun viele Thorwegbogen vor, in denen die Gestalt zusammengebogener Bäume, eines einzigen oder mehrrerer hintereinander, ganz klar und deutlich erscheint, ja es finden sich viele, in denen bloß zwei Baumzweige zusammengebogen scheinen, in dem oben in der Spitze, bei der Ueberkreuzung, klar die Baumknoten sichtbar sind. Auch in Breslau findet sich über einer Thüre am Leinewandhause, welches überhaupt sehr zierliche und merkwürdige Stuckarbeit an den Fensterbrüstungen hat, die Verschlingung zweier sehr dicke Baumstämme.

 

Eine flüchtige Sprechbemerkung aus Goslar möge die ganze Betrachtung schließen. Es ist die, daß in Goslar das einfache ja, vielleicht nie gehört wird, es sei denn, daß es ein Fremder ausspräche. Dafür hört man alle Zeit das betheuernde; ja wohl, das mich auch über den Oberharz begleitete und das bisweilen gar wundersam und lächerlich klingt, wenn man keinesweges eine Betheurung, sondern nur ein einfaches ja, erwartet.

 

 

 

 

 

Quelle:

Johann Gustav Büsching: Reise durch einige Münster und Kirchen des nördlichen Deutschlands im Spätjahr 1817. Leipzig 1819 bei Johann Friedrich Hartknoch. Seite 268 bis 298.

 

Das Buch wurde durch das Münchener Digitalisierungszentrum eingescannt und ist unter folgendem Link zugänglich:

https://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10466479_00005.html

 

Die eingefügten Zeichnungen stammen aus dem Buch: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover II. Regierungsbezirk Hildesheim. 1. und 2. Stadt Goslar. Hannover. Selbstverlag der Provinzialverwaltung. Theodor Schulzes Buchhandlung 1861. Heft 2 und 3 des Gesamtwerkes.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Crusius 1843: Geschichte der vormals Kaiserlichen freien Reichsstadt Goslar

Geschichte

 

der

 

vormals Kaiserlichen freien Reichsstadt

 

Goslar

 

am Harze.

 

Von

 

G. F. Eduard Crusius,

 

Pastor zu Immenrode.

 

Osterode. Verlag von A. Sorge. 1843.

 

 

 

 

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Sr. Wohlgeboren

 

dem

 

Herrn

 

Dr. jur. C. F. Th. Sandvoß,

 

Bürgermeister, Magistrats- und Polizei-Director zu Goslar,

 

 

 

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in hochachtungsvoller Ergebenheit gewidmet

 

vom Verfasser.

 

 

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Vorrede.

 

Die Stadt Goslar hat in der vaterländischen Geschichte eine Wichtigkeit erlangt, welche mich einer umständlichen Entschuldigung überhebt, wenn ich es wage, eine Geschichte dieser alten, denkwürdigen, vormals Kaiserlichen freien Reichsstadt zu veröffentlichen. Die ebenerwähnte Wichtigkeit dieser in der Nähe meines jetzigen Wohnorts liegenden Stadt war es, welche mich veranlaßte, die verschiedenen, bereits zugänglichen Quellen dieser Geschichte aufzusuchen und neben einer in meinen Händen befindlichen geschriebenen Chronik Goslars 1) fleißig zu studiren, und sodann meine Mußestunden der Ausarbeitung einer Geschichte Goslar’s zu widmen. Wenn ich nun gleich gern gestehe, daß dieser Versuch keine Ansprüche auf eine Vollständigkeit machen könne, wie sie der Geschichtsforscher von Fach verlangt; so glaube ich doch so viel gesammelt zu haben, daß das Werkchen als ein kleiner, nicht ganz unwillkommener Beitrag zu unserer

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1) Diese Chronik ist eine Fortsetzung der bereits von Mund in seiner Beschreibung Goslar’s erwähnten Chronik von Hans Geismar.

 

 

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vaterländischen Geschichte betrachtet werden kann, wie ich mich denn auch bestrebt habe, dem Ganzen eine möglichst interessante Einkleidung zu geben. Die von mir benutzten Werke älterer und neuerer Zeit werden in den Anmerkungen genannt werden. Allen Gönnern und Freunden, welche mich bei diesem Unternehmen gütig unterstützten, sage ich hiermit öffentlich meinen herzlichsten Dank.

 

Immenrode, den 1. Julius 1841.

 

G. F. E. Crusius.

 

 

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Einleitung.

 

Ueber die Bewohner der Gegend von Goslar vor Entstehung der Stadt 1).

 

Die Gegend um Goslar war in den ältesten Zeiten ohne Zweifel ein Theil des großen hercynischen Waldes, der, reich an Morasten und Sümpfen, Schluchten und Thälern, nach dem Zeugnisse römischer Geschichtsschreiber, eines Tacitus und Cäsar, sich weit über unser deutsches Vaterland erstreckte, und außer unserm Harze den Thüringer-, Böhmer- und Schwarz-Wald umfaßte 2). Daß im Laufe der Zeit einzelne Theile dieses großen Waldes hinweggeräumt und ausgerodet worden seyen, daran erinnern die Namen so vieler Oerter auch in hiesiger Gegend, wie: Wöltingerode, Harlingerode, Westerode, Osterode, Immenrode und andere. Wenn gleich nach Cäsar’s Berichten, sowie nach spätern alten Docurnenten dieser große Wald der Aufenthaltsort vieler Arten wilder Thiere war, die sich jetzt in hiesigen Gegenden nicht mehr finden, wie Wölfe, Bären, Auerochsen, Elenthiere u. s. w. 3): so wohnten doch in diesen zum Theil undurchdringlichen Wäldern auch kräftige Menschen, welche das Wild zu beherrschen verstanden.

 

Cimbern und Teutonen sind die ersten deutschen Völkerschaften, deren die Jahrbücher der Geschichte erwähnen 4). Aus

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1) Nach Delius (Harzburg) S. 9 ist es freilich völlig undankbare Mühe, die Folge der Völker bestimmen zu wollen, welche bis auf die Sachsen die hiesigen Gegenden bewohnten; indessen kann eine solche Erklärung die weitern Forschungen nicht aufheben.

2) Jul. Cacs. de bello Gall. I. VII. cap. X. — Tacit. de moribus Germanorum c. XXX. — Mund's topographisch-statistische Beschreibung Goslar's. S. 4.

3) Mund’s top. Besch. S. 5.

4) Hüne's Geschichte des Königreichs Hannover und Herzogthums Braunschweig. Erster Theil. S. 30 und 31.

 

 

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den Gegenden an der Ost- und Nordsee im heutigen Jütlande waren sie nach Süden gezogen, und hatten ohne Zweifel auch unsere Gegenden eingenommen, ohne jedoch hier lange zu verweilen. Italien war das Ziel ihrer Wünsche. Aber so tapfer sie sich auch in mehreren Schlachten gegen die kriegserfahrenen Römer bewiesen, und so furchtbar auch dadurch ihr Name wurde; so mußten sie doch zuletzt der Uebermacht unter dem rauhen Marius weichen. Sie wurden von ihm bei Aquä Sextiä, dem heutigen Aix in Frankreich, im Jahre 102 v. Chr., und zuletzt von Catulus auf den raudischen Feldern bei Verona im Jahre 101 v. Chr. gänzlich besiegt 1).

 

Ohne die weitern Schicksale der Cimbern und Teutonen zu verfolgen, wenden wir unsere Blicke wieder auf unsere Gegenden. Hier erscheinen an der Cimbern und Teutonen Stelle die tapfern Cherusker, deren großer Stammgenosse Arminius oder Hermann die Römer schlug 2). Sie lebten in langem Streite mit den benachbarten Catten, einer nicht minder tapfern deutschen Völkerschaft im heutigen Hessenlande, denen sie zuletzt weichen mußten. An die Catten erinnern uns ohne Zweifel die Berge Cattenäse, unweit Harzburg, und der Cattenberg bei Goslar selbst, welcher später in der unglücklichen Periode, wo man Alles zu verhochdeutschen suchte, fälschlich Katzenberg genannt worden ist 3). Indessen auch die Catten oder Chatten können sich hier nicht sehr lange behauptet haben, wiewohl nicht zu läugnen seyn dürfte, daß von diesem Stamme, welcher später, mit den Sigambern und andern Stämmen vereint, die Franken 4) ausmachte, Mehrere sich in hiesiger Gegend festgesetzt haben mögen.

 

Den Catten folgten die Thüringer, und diese wurden wieder von den Sachsen überwunden. Franken und Sachsen 5) waren es, welche bis ins 8te Jahrhundert auf dem Schauplatze der alten Cherusker und Catten in beständigen Kriegen lebten.

 

Wir übergehen den Zustand, die Sitten und Gebräuche jener älteren Völkerschaften, welche längere oder kürzere Zeit in hiesigen Gegenden gewohnt haben, um uns nicht zu weit von unserm Ziele

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1) Vellej. Paterc. II, 12. Florius III, 3. Sallust. Catil. 59.

2) So findet sich etwa 2½ Stunden von Goslar zwischen Weddingen und Wehre ein Ort Namens Armela, d. h. Arminius-Lager.

3) Ueber die Catten sehe man nach: Mund's top. B. S. 56.

4) Hüne I. S. 42.

5) Möser's Osnabrücksche Geschichte. Th. I. S. 167 und folg.

 

 

 

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zu entfernen, und richten unsere Blicke nun auf jenes mächtige Volk, welches Karl der Große nur erst nach so langen, blutigen Kämpfen zu überwinden vermochte. Es sind dieß die Sachsen, die vom Niederrheine bis an die Elbe und bis über die hercynischen Waldgebirge hinaus ihre Wohnplätze hatten. Ob die Sachsen ihren Namen von Sachs oder Sahjes (d. h. ein langes Messer) oder von Sitzen empfangen haben, weil sie bei früheren Auszügen ihrer Stammgenossen in ihrem Vaterlande jenseits der Elbe bis an die Küsten der Nordsee herab wohnen blieben 1), wagen wir nicht zu entscheiden. Berühmt schon zur Zeit des im zweiten Jahrhunderte lebenden Ptolemäus, brachen sie von ihren eben erwähnten Wohnsitzen auf, und zogen in die Länder, die wir bereits als ihre späteren Wohnplätze genannt haben. So wurden sie Bewohner auch der hiesigen Gegenden. Doch auch über das Meer wagten sie sich. Unter ihren tapfern Führern Hengst und Horst oder Horsa segelten Sachsen um 449 in nicht mehr als 3 Schiffen nach Britannien hinüber, und nachdem ihnen Schwärme von Angeln, Jüten und Friesen gefolgt waren, eroberten sie sogar nach manchen wechselnden Schicksalen fast das ganze Britannien 2).

 

Während die Nachbarn der Sachsen, nämlich die Franken, welche selbst bis in Frankreich eingedrungen waren, und dem letzten Reste der römischen Macht in Gallien ein Ende gemacht, ja, sich bereits unter Einem Herrscher zu einem großen Reiche gebildet hatten, lebten die Sachsen noch immer ihren alten Sitten und Gebräuchen gemäß in völliger Freiheit und Gleichheit. Sie wählten sich nach dem Zeugnisse eines gleichzeitigen Schriftstellers 3) durchs Loos einen Herzog nur für die Kriegszeit, jedoch allerdings aus dem edelsten und vornehmsten Geschlechte. Fehlen konnte es indessen nicht, daß bei fast immerwährenden Kriegen die Adligen, einmal oder zu wiederholten Malen, zu Herzögen gewählt, allmählig sich erheben mußten. Die drei Hauptstände unter den Sachsen waren Edle, Freie und Leibeigene oder Hörige. An die Edlen oder Edelinge mußten sich die Freien anschließen und im Kriege ihr Gefolge ausmachen, wenn sie ihr Ansehen erhalten wollten. Die Versammlungen

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1) Calvör's Niedersachsen. S.7-18. Hünel, S. 52. Letzneri historia Caroli M. Cap. X.

2) Hüne I. S. 55. Remer's allgemeine Geschichte. Halle 1800. - S. 278.

3) Beda - hist. eccl. angl. LV, cap. 11.

 

 

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der Sachsen, um über Krieg und Frieden zu entscheiden, und Recht und Gerechtigkeit zu handhaben, geschahen, wie in den alten Zeiten, deren ein Tacitus erwähnt, unter freiem Himmel. Es waren dieß entweder Versammlungen aller Gauen oder eines einzelnen Gaues, in welchen die Gaugrafen (Gogräfen) zu Gericht saßen. — Die Sitten der alten Sachsen waren einfach. Mäßig im Genusse, prunklos in der Kleidung, aufrichtig und treu im Handel und Wandel, keusch in der Ehe — so werden sie uns von dem berühmten Apostel der Deutschen, dem heiligen Bonifacius geschildert, und diese Schilderung erinnert uns lebhaft an das, was Jahrhunderte vorher ein Tacitus den Deutschen seiner Zeit nachrühmte 1).

 

Ehe die christliche Religion, welche unter den Franken bereits seit Chlodowig I. die herrschende war, auch die sächsischen Gauen mit ihrem beseligenden Lichte bestrahlte, verehrten die Sachsen noch immer die alten Götter ihrer Vorfahren in heiligen Hainen und unter heiligen Eichen. Erst Karl dem Großen, wie wir weiter unten sehen werden, gelang es, unter fortgesetzter Mitwirkung des heiligen Bonifacius, die Bekehrung der Sachsen zum Christenthume nach und nach zu bewerkstelligen.

 

Die langen, mit abwechselndem Glücke geführten Kriege der Sachsen mit den Franken unter Karl dem Großen zu erzählen, würde unserm Zwecke nicht entsprechen. Der Hauptzug gegen die Ostsachsen in hiesigen Gegenden geschah 780, wo Karl sein Lager an der Ocker zu Ohrum (Oraheim) hatte und wo sich viele Sachsen taufen ließen 2). Im Jahre 803 kam endlich der Friede zu Stande, welchem zufolge die Sachsen noch unter vortheilhaften Bedingungen als freie Bundesgenossen dem großen Reiche Karl’s einverleibt wurden, nachdem der große Fürst der Sachsen, Wittikind, schon früher sich zum Christenthum bekehrt hatte und seinem Beispiele Viele seiner Stammgenossen gefolgt waren. So stand es um die Sachsen nicht lange vor der Entstehung der Stadt Goslar, zu deren eigentlicher Geschichte wir nun übergehen.

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1) Hüne I. S. 60 und folg.

2) Calvör in seinem Niedersachsen sucht zwar dieß genannte Oraheim an einem andern Orte; allein seine Gründe scheinen uns nicht schlagend genug zu seyn. (cf. S. 145.) Er meint nämlich nicht an der Ocker, sondern an der Ohre habe jener Ort gelegen. Hüne I. S. 95.

 

 

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Wir reihen die Erzählung der wichtigsten Veränderungen und Begebenheiten an die Geschichte der deutschen Kaiser, bis uns die Aufhebung der Reichsunmittelbarkeit Goslars eine andere Ordnung gebieten wird.

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§.1. Dunkle Zeit.

 

Gründung Goslar’s unter Heinrich dem Finkler. — Das Schloß Werla. — Name der Stadt. — Religiöser und kirchlicher Zustand der ersten Bewohner. St. Georgenberg. — Muthmaßliche Anfänge des Bergbaues. —

 

Schon der große Kaiser Heinrich I., der Finkler oder Vogler genannt, jener eifrige Liebhaber der Jagd und des Vogelfangs, hatte sich die Gegend von Goslar ausersehen, und ließ hier ein Jagdhaus 1) erbauen, in dessen Nähe, unserer geschriebenen Chronik zufolge, eine Mühle und ein Brunnen war. Hier war es auch, wo jene Gesandten, welche ihm die Krone antragen sollten, ihn 919 wirklich, wiewohl vergebens, gesucht haben sollen; denn damals hielt er sich gerade auf seinem bekannten Vogelheerde unweit der Staufenburg auf 2).

 

Wohl mochte auch die Gegend von Goslar schon vor Heinrich’s I. Regierungsantritte oft genug von den schrecklichen Horden der weit umher schwärmenden Ungern, welche bereits zu Karl's des Großen und seines Sohnes Ludwig’s des Frommen Zeiten Deutschlands Gauen beunruhigt hatten, gelitten haben; denn Rauben und Plündern, Zertrümmern und Morden war ihr Handwerk. Selbst Heinrich I., der tapfere Sohn Otto’s, Herzogs von Sachsen, der nun den deutschen Thron bestiegen hatte, mußte anfänglich vor ihnen weichen, und auf seiner Pfalz zu Werla, unweit Goslar, unthätig zusehen, wie diese wilden Horden sein theures Sachsenland verheerten, weil er mit seinem Heere dem schrecklichen Feinde noch nicht gewachsen zu seyn glaubte 3). Ja, er mußte sich sogar dazu

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1) Heineccii Antiq. Gosl. cap. 1 p. 7 seqq. Mund. S. 33-40. Honemann’s Alterthümer des Harzes. I. S. 18. 19.

2) Hüne I. S. 147.

3) Annalista Saxo ad ann. 924. bei Eccard. T. II, p. 249. et ad annum 922.

 

 

 

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verstehen, durch schmählichen Tribut einen neunjährigen Waffenstillstand von ihnen zu erkaufen, um Zeit zu gewinnen, sich in gehörigen Vertheidigungszustand zu setzen. Die Friedensunterhandlungen, so wie die förmliche Abschließung des Waffenstillstandes im Jahre 924 wurden durch die Gefangennehmung eines angesehenen Ungernfürsten, dessen Befreiung Heinrich I. zu einer Bedingung des Friedens machte, bedeutend erleichtert. Kaum waren die 9 Jahre des Waffenstillstandes verflossen, so kehrten die Ungern, da ihnen die fernere Auszahlung des Tributs verweigert wurde, mit furchtbaren Heeresmassen zurück, wurden aber nun von dem wohlgerüsteten, tapfern Heinrich I. bei Merseburg im Jahre 933 gänzlich geschlagen, so daß es, so lange Heinrich I. lebte, kein Hunne mehr wagte, Deutschlands Grenzen zu überschreiten. Unbeschreiblich groß war der Jubel des Volks über diesen glorreichen Sieg. Dem erhabenen Helden, der ihn errungen hatte, ward der ehrende Name Vater des Vaterlands beigelegt, und in einer Reihe glänzender Feste, an denen auch die Armen nicht vergessen wurden, sprach sich die allgemeine Freude auf das Lebhafteste aus 1).

 

Den Ueberfällen von Seiten dieses furchtbaren Feindes für alle Zukunft kräftig zu steuern, dachte Heinrich I. schon vor dem Ablaufe der obenerwähnten 9 Jahre, ja, vielleicht noch einige Jahre früher, ernstlich darauf, feste Plätze zu gewinnen, und sie mit einer hinreichenden, waffenkundigen Mannschaft zu versehen. Der sächsische Annalist nennt diese Plätze Städte (urbes). Es waren jedoch meistens wohl nur Dörfer, die mit einer Mauer umzogen wurden, und in deren Nähe oder Mitte sich eine feste Burg befand. Zur Anlegung eines solchen festen Platzes ersah sich der Kaiser denn auch die Gegend von Goslar. Hier hatten sich wahrscheinlich schon vor Erbauung des bereits erwähnten Jagdhauses Bewohner niedergelassen, und der Ort, wo sie wohnten, hieß Bergdorf (Bargdorp), am Fuße des Rammelsberges, — eine damals überall quellenreiche, sumpfige und morastige Gegend. Heinrich traf, wie unsere geschriebene Chronik meldet, zuvörderst Anstalten, diese Gegend trockner zu machen, und, wo sich noch Waldung fand, das Holz ausroden zu lassen. Jenseits des Thals aus der Ebene lag nach dem Berichte des Chronisten ein anderes kleines Dorf, Namens

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1) Hüne I. S.150 und 151.

 

 

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Warsleb oder Bardeleben, und ein drittes Dorf in der Nähe war Sudburg oder Sutburg an dem sogenannten Sutmerberge 1).

 

Hier dürfte wohl ein schicklicher Ort seyn, über die Pfalz oder Burg Werla oder, wie sie auch genannt wird, Werlaon, welche in vielen alten Urkunden vorkömmt, Einiges zu erinnern. Heinrich I., der sich selbst, wie wir oben gesehen haben, in Werla festsetzte, um vor den Ungern sich zu sichern, soll hier einen gefangenen Ungernfürsten haben hinrichten lassen, wie unsere geschriebene Chronik berichtet, was freilich Heinercius 2) in seinen goslarschen Alterthümern bezweifelt, wir dagegen nicht geradehin läugnen mögen, da noch ein anderes Zeugniß eines alten Geschichtsschreibers dafür spricht 3). Es ist ferner diese Pfalz 4), wo manche Urkunde auch noch von spätern Kaisern ausgefertigt wurde. Wohl mag es daher wichtig erscheinen, über die wahre Lage dieses Schlosses ins Reine zu kommen. Wenn gleich Mund in seiner topographisch-statistischen Beschreibung Goslar’s (S. 34. 35) der Meinung ist, Werla sey Goslar selbst gewesen, und dafür verschiedene Gründe beibringt; so muß ich doch bekennen, daß eben diese Gründe mir keinesweges ausreichend zu seyn scheinen. Zwar kann ich jenen Geschichtsforschern nicht beipflichten, welche die Pfalz Werla in Westphalen oder in andern Gegenden, z. B. bei Burgdorf, unweit Wolfenbüttel, gesucht haben; aber eben so wenig befriedigen mich die Gründe, auf welche gestützt der vormalige Hof- und Regierungsrath Blum 5) in Hildesheim und nach ihm Mund das alte Werla für Goslar halten, oder wenigstens in Goslar selbst finden. Wenn z. B. Otto I. am 14ten October 936 zu Magdeburg eine Urkunde für Fulda ausfertigt, und 3 Tage

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1) Allerdings sollte dieser Berg von dem Dorfe Sutburg nach der Erinnerung des Herrn Volger in seinen schätzenswerthen Bemerkungen über einige Eigennamen in und um Goslar (Wochenblatt 1840. Nr. 84) Sutburger Berg heißen. — cf. Delius über den Crodo. S. 119.

2) Antiq. Gosl. I. I. p. 6.

3) Mund. S. 41. Anmerkung h.

4) Solcher Pfalzen oder Residenzen der Kaiser gab es in Sachsen 5: Werla, Grohnde, Wahlhausen, Altstadt und Merseburg. Man sehe auch: Leuckfeld’s Beschreibung von Blankenburg. S. 88.

5) Blum de vero situ veteris palatii regalis et imperialis Werlae cct. In dieser Dissertation werden 15 Gelehrte aufgeführt , welche Werla in Westphalen gesucht haben.

 

 

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nachher eine andere zu Werla 1); so kann dieß Werla allerdings nicht in Westphalen gelegen haben, wie Mund sehr richtig nachweist, es folgt aber daraus keinesweges, daß es Goslar selbst gewesen sey, sondern nur so viel kann man schließen, daß Werla von Magdeburg ungefähr eben so weit, als Goslar entfernt gewesen seyn müsse. Das andere Document aber, welches Blum und Mund gleichfalls für ihre Meinung anführen, begünstigt ihre Ansicht gleichfalls nicht. Dieses Document aber ist es, was uns auf eine andere Vermuthung leitet, welche ich hier mitzutheilen mir erlaube. Kaiser Heinrich IV. verschenkt nämlich mittelst dieser Urkunde vom 9ten Januar 1086 an die Domkirche zu Hildesheim das Schloß 2) Werla und die dazu gehörigen Güter oder Höfe (villas) Immenrothe und Iethĕre oder Ietherothe nebst Allem, was ihm anhängig war, — jedoch nimmt er von dieser Schenkung seine Clienten nebst ihren Gütern, sowie Goslar nebst den Gütern der Brüder beider goslarschen Kirchen (d. i. des Domes und des Petersstiftes) ausdrücklich aus. Nun ist es bekannt, daß Wiedelah nebst den beiden Höfen, von deren einem der hiesige Ort noch heute den Namen Immenrode führt, vormals domcapitularisches Gut gewesen sey 3). Es liegt also die Vermuthung sehr nahe, daß eben Wiedelah das alte Werla gewesen seyn müsse. Die Endsylbe la statt lar befremdet nicht. Die Auslassung des r ist gleichfalls nichts Seltenes und die Verwandlung des e in i kömmt nicht minder häufig im Niedersächsischen vor. Wiela — so spricht es noch jetzt der gemeine Mann aus — kann also recht gut statt Wirla oder Werla (d. h. Wehrlage) gesagt worden seyn. Und wenn der Sachsenspiegel 4) sagt: Werla sei nun zu Goslar geleget, so giebt uns dieß weitern Aufschluß über die Veränderung, welche nach der Schenkung dieses Schlosses an das Domcapitel zu Hildesheim vorgegangen sey. Das Hoflager war nicht mehr in Werla, sondern in Goslar, wo mittlerweile der kaiserliche Pallast erbauet

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1) Mund. S. 36—41.

2) Kurze diplomatische und gründliche Geschichte des kaiserlichen unmittelbaren Reichsstifts aus dem Petersberge. 1757. — S. 22.

3) Iehterothe oder Iethĕre, wie in einigen Abdrücken der Urkunde steht, scheint in dem noch vorhandenen Namen Södder oder Seddĕre (wie es gewöhnlich ausgesprochen wird) zu liegen. So heißt nämlich ein Theil der Länderei hiesigen Orts nach der Seite hin, wo gerade dieser zweite Hof (villa), Namens Iechĕrothe, der Sage nach gelegen haben soll.

4) Gärtnersche Ausgabe. Cap. I, XII. S. 460.

 

 

 

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worden war 1). Werla verliert sich seit 1086 allmählig ganz in der Geschichte 2).

 

Doch wir kehren zur Erzählung der ersten Entstehung Goslar’s zurück. Es war also, wie wir schon oben sahen, die Vereinigung der drei genannten Ortschaften Bergdorf, Bardeleben und Sutburg, aus welcher eigentlich im Jahre 923 und 924 Goslar entstand. Den Namen leitet man wohl am Natürlichsten von dem Flusse Gose, und dem alten Worte Lar (d. h. Lager) ab. Somit würde es entweder eine Niederlassung an der Gose bedeuten, oder es würde der Name insbesondere auf das von den Kaisern hier öfter gehaltene Hoflager zu beziehen seyn.

 

Den obern Theil hatten schon in früherer Zeit, wie unsere Chronik meldet, die Franken inne, deren Anzahl sich später, als die Rammelsbergschen Bergwerke in Aufnahme kamen, bedeutend vermehrte. Den untern Theil bewohnten die Sachsen. Beide Völkerschaften hatten ja so lange im Kriege mit einander gelebt. So herrschten auch hier unter Franken und Sachsen lange Zeit hindurch die heftigsten Streitigkeiten. Durch starke Zäune und gewaltige Schlagbäume suchten sie sich gegen einander zu schützen, und dennoch kam es oft zu den blutigsten Auftritten unter ihnen, bis erst später die Gemüther allmählig sich aussöhnten 3).

 

Schon Heinrich I. ließ eine Ringmauer um die neue Stadt ziehen, wozu das nöthige Material aus den Harzwassern und nahen Bergen gewonnen wurde. Es läßt es indessen wohl nicht bezweifeln, daß diese Mauer nur von geringem Umfange gewesen sey, ja, daß die Vollendung derselben in eine spätere Zeit fallen dürfte. Zur völligen Klarheit wird man in dieser Hinsicht schwerlich gelangen.

 

Was nun die religiösen und kirchlichen Verhältnisse in der Gegend Goslar’s zur Zeit ihres ersten Gründers betrifft, so mag es uns erlaubt seyn, etwas weiter zurückzugehen, um einen bessern Ueberblick zu gewinnen. Der Volksstamm der Ostsachsen 4), welche die Gegend um Goslar bewohnten, beteten vor Einführung des

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1) Lichtenstein's Abhandlung über den Dom in Goslar. 1754. — S. 26.

2) Hiernach leuchtet es ein , daß Wiedelah nicht so viel , als Weidenwald heißen kann , wie Herr Volger im Wochenblatte Goslar’s neuerdings bemerkt hat.

3) Heineccii A. G. lib. I, p. 20. Honemann's A. d. H. I. S. 20.

4) Kurzgefaßte Goslarsche Kirchen-Historie von Trumph. Praef.

 

 

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Christenthums außer andern Göttern den Crodo an. So sehr auch die Geschichtsschreiber in ihren Meinungen über den Crodo selbst, so wie über den ihm geweiheten Dienst von einander abweichen 1), indem Einige 2) die ganze Sache für sehr ungewiß halten, Andere dagegen, wie Delius, gänzlich läugnen, daß jemals ein Crododienst bei den Sachsen Statt gehabt habe; so sind doch der Zeugnisse zu viele in der Geschichte vorhanden, als daß man das Ganze in Abrede stellen könnte. So sagt namentlich der Chronist Bothe: Ich finde in der Schrift u. s. w., woraus doch hervorgeht, daß ihm schriftliche Nachrichten über den Crodo vorlagen. (Delius über den Crodo. S. 41.) Wenigstens ist es des Geschichtsschreibers Pflicht, das Wichtigste der vorhandenen Angaben , in sofern sie nicht in sich selbst zerfallen, zu sammeln. Der Crodo (der Große), den Einige nicht ohne Wahrscheinlichkeit für den Wodan der alten Deutschen halten, soll besonders in oder bei Harzburg, etwa 2 Stunden südöstlich von Goslar, verehrt worden seyn. Dort — sagt man — stand sein Bild im heiligen Haine, und auf dem noch in der jetzigen Domcapelle zu Goslar aufbewahrten Altare sollen ihm sogar Menschen geopfert worden seyn 3). Das Bild des Crodo wird so beschrieben. Es war ein alter Mann 4) mit langem, verworrenem Haupt- und Barthaare, kurzem Hemde, weißem leinenen Gürtel, stehend auf einer Säule, in der niedergesenkten Rechten einen Eimer mit Rosen und in der erhobenen Linken ein Rad haltend, unter seinen Füßen einen Fisch. Trumph in seiner goslarschen Kirchen-Historie sagt ausdrücklich, alte Leute in Harzburg wüßten, im Eingange zur Burg rechts, noch den Ort anzugeben, wo das Standbild dieses Gottes der Sage nach gestanden haben solle. Die Deutung dieses Bildes ist so mannigfach versucht worden, daß es zu weitläufig seyn dürfte, die verschiedenen Meinungen zu sammeln.

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1) Hüne I. S. 96.

2) Calvör I., liber I. cap. XII.

3) Cranzius, Saxon. lib. 2. cap. XII: In arce Hartesbokg idolum coluere Saxones, cui nomen Crodo. Saturnum hunc dixere Latini. cf. Letznerus: cap. 26. Historia Caroli M. — cf. Delius über den Crodo. — Delius und Andere halten den Crodoaltar in der Domrapelle für einen Reliquienkasten. (Delius S. 85.)

4) Cranzius, Saxon. lib. 2. cap. XII. Senem in pisce stantem, qui rotam teneret et urnam, in rota unionem populi, in urna rerum significans abundantiam.

 

 

 

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Von den Meisten ist der Gott Crodo für einen Gott der Fruchtbarkeit gehalten worden, was allerdings an den Saturn der Römer erinnert. Wie verschieden aber auch die Ansichten der Gelehrten über den Crodo seyn mögen, — so viel scheint mir doch von der Sage bewahrt werden zu müssen, daß am Harze ein Crodo verehrt worden sey, wenn gleich man es in Zweifel ziehen mag, ob die Sachsen ihm wirklich ein Standbild geweihet haben 1). Das nämlich dürfte ausgemacht seyn, daß unsere Vorfahren auf Götzenbilder eben nicht viel gehalten haben.

 

Wenn gleich nun es keinesweges zu bezweifeln seyn möchte, daß die eifrigen Bemühungen eines Bonifacius, jenes denkwürdigen Apostels der Deutschen, etwa um 724 auf die Einführung des Christenthums auch in den hiesigen Gegenden Einfluß gehabt haben 2): so mag doch die vollständige Einführung der christlichen Religion in der Nähe der nachherigen Stadt Goslar erst durch Karl den Großen geschehen seyn. Er ließ nämlich — so erzählt der alte sächsische Chronist — um das Jahr 780 den Crododienst aufheben, und in Harzburg eine Capelle erbauen 3). Von hier aus mußten die Missionäre, seiner Anordnung gemäß, das Christenthum weiter verbreiten. Wohl mag es seyn, daß bei dieser Gelegenheit der alte Crodoaltar neu und zwar christlich geweihet wurde, um die Sachsen zur Annahme des neuen Gottesdienstes desto geneigter zu machen.

 

An die Stelle dieser Capelle ließ später der 912 zum Kaiser erwählte Conrad I. im Jahre 916 zu Harzburg eine Stiftskirche zur Ehre Gottes und des heiligen Matthias erbauen, welche er reich dotirte 4). Früher soll eine Abbildung dieser alten harzburgschen Kirche, in Holz geschnitten, zu Goslar im Dome als eine Antiquität aufbewahrt worden seyn, welche sich indessen gegenwärtig in der stehen gebliebenen Capelle nicht mehr vorfindet 5). Dieß ist eben

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1) Calvör. Theil I. lib. I. cap. XII. Mund. S. 18. 19. 20.

2) Eine Beschwörungsformel, deren sich Bonifacius bediente, war: Ich entsage allen Teufelswerken und Worten, Thor und Odin (Wodan) u. s. w. (cf. Leo über Odinsverehrung in Deutschland. S. 65. 66. 70.)

3) Honemann I. S. 10. 11. Trumph. I. c. §.14.

4) In dem alten gemalten Fenster aus dem Dome, welches in der stehengebliebenen Capelle noch aufbewahret wird, liest man: Conradus I., imperator, fundavit hanc ecclesiam in arce Hercynia anno Chr. 916 in honorem Dei et S. Matthiae — welche Inschriften indessen späterer Zeit angehörig sind. —

5) Triumph Praef. §.14.

 

 

 

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die Stiftkirche, welche später, wie wir weiter unten sehen werden, nach Goslar verlegt wurde.

 

Heinrich I., Goslar’s erster Gründer, welcher 920 auf Conrad den Ersten folgte, that auch zur weitern Ordnung der kirchlichen Verhältnisse in der Gegend Goslar’s sicherlich das Seinige. So wird er z. B. der Erweiterer des vom heiligen Bonifacius eigentlich gegründeten Klosters Cella auf dem Harze genannt, welches später von dem Dome zu Goslar abhängig war, wiewohl Andere Heinrich II. als Stifter dieses Klosters angegeben 1).

 

Uebrigens scheint sich Heinrich der Finkler selbst zur harzburgschen Stiftskirche gehalten zu haben. An einer schon ziemlich geordneten Einrichtung des Kirchenstaats auch in Goslar und der Umgegend läßt sich um so weniger zweifeln, da die Bisthümer Hildesheim und Halberstadt bereits bestanden. Nur mag es ungewiß seyn, ob die Gegend um Goslar damals schon zum hildesheimschen Sprengel gehört habe. Vielmehr werden wir weiter unten sehen, daß selbst noch in späteren Jahren der Erzbischof von Mainz diese Gegend für sich in Anspruch genommen habe.

 

Von dem religiösen und kirchlichen Sinne Heinrich’s I. dürfte übrigens auch der Umstand zeugen, daß durch seine edle Gemahlin Mathilde 932 nach seiner Anordnung und in seinem Geiste das später so herrlich blühende Jungfrauenstift zu Quedlinburg gegründet wurde, dessen erste Aebtissin seine eigene Tochter war 2).

 

Noch wird erzählt 3), Heinrich I. habe 934 oder 935 im Norden Goslar eine Burg oder ein Schloß, Namens St. Georgenberg oder Jürgenberg, zum Schutze für die Stadt erbauen lassen , welches später 1025 von Kaiser Conrad II. und noch völliger von Heinrich V. in ein Augustiner-Kloster verwandelt wurde. Natürlich erbauete Heinrich I. auch eine Capelle auf dieser Burg, und diese war es ohne Zweifel, welche später erweitert und zu dem ebengenannten, später nach Grauhof verlegten Kloster eingerichtet ward 4), dessen weitere Schicksale wir später berichten werden.

 

Nach einigen alten Chronisten 5) wurden die Erzadern des Rammelsberges schon unter Heinrich I. aufgefunden, was jedoch

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1) Honemann I. S. 9. 10. 76.

2) Calvör's Saxonia inferior. S. 460. Hüne I. S. 166.

3) Heinecc. cap. I, p. 14. 15. Honemann I. S. 21. §.27. Mund. S. 119.

4) Calvör. S. 470.

5) Honemann I. S. 22.

 

 

 

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Heineccius und Andere als ungegründet nachgewiesen haben. Gleichwohl mag in der Gegend des Rammelsberges schon zu dieser Zeit eine Metallart entdeckt worden seyn, wie Honemann in seinen Alterthümern des Harzes bemerkt. Nur mochte diese Entdeckung zu unbedeutend seyn, als daß der Ruf davon weithin hätte dringen können 1).

 

§.2. Hellere Zeit.

 

Auffindung des Rammelsbergschen Erzes unter Otto dem Großen. — Ramme und Gose. — Die Ottolinen. — Die St. Augustinus-Capelle. Kirchlicher Sinn Otto’s des Großen.

 

Nachdem im Jahre 936 der Tod des ersten Gründers der Stadt Goslar zu Memmleben, einem Kloster im Thüringschen an der Unstrut, erfolgt war, trat sein Sohn Otto I., der Große genannt, als deutscher Kaiser in seines würdigen, um Deutschland hochverdienten Vaters Fußtapfen. Im Jahre 912 geboren, war er zu Anfange seiner glorreichen Regierung kaum 24 Jahre alt. Die Zeit dieser seiner Regierung war auch für die neue Stadt Goslar eine wahre Segenszeit; denn unter Otto dem Großen war es, als die Erzadern des Rammelsberges, von denen sich zu seines Vaters Zeit wohl nur unbedeutende Spuren gezeigt haben mochten, wirklich aufgefunden wurden 2). Hierüber ist folgende Erzählung allgemein bekannt:

 

Einer von den Jägern Otto’s des Großen, Namens Ramme oder Ramm, zugleich ein Ritter und Edelmann, wie die mehr erwähnte Chronik berichtet, ritt von Harzburg aus, wo der Kaiser Otto sich nicht selten aufhielt 3), im Frühjahre 968 4) nach Goslar zu auf die Jagd, und band an der Mittagsseite des jetzigen Rammelsberges sein Pferd an einen Baum, um zu Fuße seinen Weg desto besser fortsetzen zu können. Hier scharrte unterdessen das

 

1) Chronicon breve Principum Romanorum, qui Goslariae aut in vicinia egerunt etc. apud Leibnitz. script. rer. Brunsv. Tom. III. p. 426.

2) Honemann I. S. 22. 23. 24. Heinecc. A. G. I. p. 18. Hüne I. S. 560.—

3) Ho emann’s Alterthümer des Harzes. Theil I. S. 23.

4) Andere geben das Jahr 972 an. cf. Honemann I. c. — Holzmann (hercynisches Archiv. S. 290. 291) rechnet die Erzählung zur Harzmythotogie.

 

 

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muthige Roß ein bedeutendes Blei- und Silbererz bloß, welches Ramme bei seiner Rückkehr bemerkte. Er säumte nicht, von diesem Ereignisse dem Kaiser Kunde zu bringen, und Otto der Große ließ nun hier Bergwerke aufnehmen. Von jenem Jäger Ramme, welchem der Kaiser eine prachtvolle goldene Kette von 1000 Dukaten an Werth geschenkt haben soll 1), erhielt sodann der Berg den Namen Rammelsberg, welchen er noch heutiges Tages führt 2).

 

Ramme, selbst ein Franke, brachte seine Landsleute im Frankenlande am Fichtelgebirge als gute Bergleute bei dem Kaiser in Vorschlag. Von ihnen wurde bald eine nicht unbedeutende Anzahl nach Goslar berufen, welche am Rammelsberge Schächte anlegen, und zugleich den in Goslar wohnenden Sachsen im Schmelzen des rohen Erzes Unterricht ertheilen mußten. Die aus Franken angekommenen Bergleute nahmen aus dem jetzigen, wahrscheinlich erst von ihnen so benannten Frankenberge ihre Wohnsitze, wo sie indessen, wie wir oben bemerkt haben, schon Stammgenossen vorgefunden haben mögen 3).

 

Nach dem Zeugnisse einiger Geschichtsschreiber wandte Otto I. die sehr ansehnlichen Einkünfte von den neuen Bergwerken unter Anderm auch dazu an, daß er zwei schöne Kirchen und einen Pallast, das sogenannte Kaiserhaus, in Goslar erbauen ließ. Indessen ist es nach Anderen wahrscheinlicher, daß erst Heinrich III. den Bau des Kaiserhauses besorgte, da Otto I. bereits im Jahre 974 mit Tode abging. Vielleicht lassen sich diese verschiedenen Angaben durch die Annahme vereinigen, Otto I. habe wenigstens den Plan zu einem solchen Pallaste entworfen und etwa den Grund dazu gelegt 4). Auch soll Otto I. von dem Ertrage der Rammelsbergschen Bergwerke bedeutende Bauten zu Magdeburg haben ausführen lassen 5). Auch ließ er von dem in diesen Bergwerken gewonnenen Silber gleich zu Anfange Münzen, die sogenannten Ottolinen oder Ottilien, schlagen, welche selbst in Italien gangbar gewesen seyn sollen 6).

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1) Vide: Valerius Cordus in seinem Lobgedichte auf Goslar. Honemann I. S. 26.

2) Gmelin’s Beiträge zur Geschichte des deutschen Bergbaus. §. 244.

3) Honemann I. S. 24.

4) Honemann I. S. 27. — In der schon erwähnten Geschichte des Petersstiftes wird Heinrich II. die Anlage des Hoflagers in Goslar zugeschrieben.

5) Merkel’s Beschreibung von Magdeburg de 1702.

6) Honemann I. S. 28.

 

 

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Es waren dieß Blech- oder Hohlmünzen (Bracteaten), die man für die erste Münzart in Deutschland hält 1).

 

Schon zur Zeit der Regierung Otto’s I. war es, als für die Bergleute auf dem Frankenberge eine Capelle zur Ehre des heiligen Augustinus erbauet wurde, in welcher die Bergleute, ehe sie anfuhren, ihre Andacht zu verrichten pflegten. Dieses alte Bethaus befindet sich noch in Goslar. Es steht auf dem Frankenbergschen Kirchhofe, von allen Seiten frei, unter einem Schutzdache. In diese Capelle wurde dann Ramme nebst seiner Ehefrau Gose begraben. Auf dem Leichensteine, unter welchem ihre Gebeine ruheten, war das Pferd des Ramme, wie es die in den Leichenstein hineingegossenen Erzstufen losscharret, abgebildet. Als der 1547 gestorbene Bürgermeister Goslar’s Casten Balder, in diese Capelle gleichfalls begraben werden sollte, fand man nach dem Berichte unserer Chronik dieses Begräbniß fast 2 oder, wie Honemann meldet, 3 Ellen tief unter der Erde 2). Der Rath von Goslar ließ zum Andenken an Ramme und dessen Frau einen Stein mit dem Bildnisse Beider aushauen 3), und außerhalb der Kirche aufrecht hinstellen. So wenigstens erzählt unsere Chronik. Honemann dagegen berichtet, man habe mit dem ausgegrabenen Leichensteine das Bild eines Mannes und einer Frau eingehauen gefunden, und zweifelt, nach dem Vorgange des mehrerwähnten Heineccius 4), daran, daß dieser Stein wirklich der Leichenstein des Ramme und seiner Frau Gosa oder Gose gewesen sey, da die Frau mit einer Krone auf dem Haupte dargestellt werde. Diese beiden Erzählungen weichen allerdings bedeutend von einander ab. Der erstern möchte ich wohl Glauben beimessen, um so mehr, da Mund in seiner topographisch-statistischen Beschreibung Goslar’s ausdrücklich sagt: die Beischrift auf letzterem Steine sey, wie der Augenschein lehre, von einer weit spätern Hand 5). Die Krone auf dem Haupte der Gosa mag vielleicht ein Bild der Seligkeit seyn sollen, und so braucht man dabei nicht, wie Honemann, an eine fürstliche Person zu denken.

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1) Hüne I. S. 565.

2) Honemann I. S. 25.

3) Heineccii Antiq. Gosl. t. I. p. 18., wo sich das Denkmal in Kupfer gestochen findet.

4) Heinecc. I. p. 18.

5) Mund. S. 448 und 449.

 

 

 

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Was übrigens die erwähnte für die Bergleute erbaute Capelle betrifft, welche dem heiligen Augustinus gewidmet war; so wurde sie sehr bald zu klein und konnte die Zuhörer nicht mehr fassen, weshalb der Predigtstuhl außerhalb der Kirche angebaut werden mußte 1). Später kam an die Stelle dieser Capelle die Frankenbergsche oder Peter- und Paulskirche, welche am äußersten Ende der Stadt im Westen dicht an der Stadtmauer steht.

 

Wie sehr überhaupt Otto der Große auch für die kirchlichen Anstalten der neuen Stadt Goslar noch sonst mag thätig gewesen seyn, läßt sich aus seinem bekannten kirchlichen Sinne schließen; denn er war es ja, der die Bisthümer Brandenburg, Merseburg, Zeitz, Meißen und Magdeburg, so wie das Kloster Pölde stiftete.

 

Der Tod dieses wahrhaft großen, durch glorreiche Siege über die Hunnen, Böhmen, Slaven und Dänen berühmten Kaisers erfolgte im Jahre 973. Auch er fand ihn, gleich seinem Vater Heinrich I., im Kloster zu Memmleben, am 7ten Mai des genannten Jahres 2). Seine Gebeine ruhen in der St. Moritz-Kirche zu Magdeburg.

 

§. 3. Die Regierungszeit Otto’s II. und Otto’s III. von 973 bis 1002.

 

Nach Otto dem Großen kam dessen Sohn Otto II. zur Regierung, — ein überaus gelehrter, selbst der griechischen Sprache kundiger Herr, der mit seiner Gelehrsamkeit zugleich kriegerischen Geist und Tapferkeit verband. Seine Regierung dauerte jedoch nur 11 Jahre, und schwerlich dürfte er während dieser Zeit viel für Goslar gethan haben, da seine Kriegszüge ihn stets fern hielten 3). Er starb auch, fern vom deutschen Vaterlande, zu Rom 983, und seine Gebeine ruhen dort in der St. Peterskirche.

 

Nicht viel anders verhält es sich mit seinem Sohne und Nachs- folger Otto III., einem prachtliebenden Fürsten, der auch das Wunderkind genannt wird. Von dem gelehrten Gerbert, nachmaligem Pabste Sylvester II., und dem ehrwiirdigen Bernward, nachmaligem Bischof zu Hildesheim, sorgfältig erzogen, bewies er sich, trotz

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1) Mund. S.448.

2) Hüne I. S. 183.

3) Hüne I. S. 179.

 

 

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seiner Jugend, als einen sehr weisen und kräftigen Regenten. Auch er war jedoch vom deutschen Boden zu oft entfernt, als daß er für die Erweiterung und Erhöhung des Wohlstands der Stadt Goslar viel hätte thun können. Wenn übrigens Mund in seiner mehrerwähnten Beschreibung Goslar’s der Meinung ist, die Reichsversammlung 984 zu Werla, auf welcher Otto III. als Oberhaupt des Reiches bestätiget wurde, sey eben in Goslar gewesen, so müssen wir aus den oben angezeigten Gründen dieser Behauptung widersprechen; denn Goslar und Werla sind zwei wohl zu unterscheidende Oerter 1).

 

Erst 28 Jahre alt, fand Otto III. am 23sten Januar 1002, im 19ten Jahre seiner im 10ten Lebensjahre angetretenen Regierung, in Italien seinen Tod. Er starb an einem Fieber, welches, wie Calvör 2) berichtet, ohne Zweifel der Gebrauch jener Gifthandschuhe ihm zugezogen hatte, welche er von der Frau des Consuls Crescentius in Rom geschenkt erhielt.

 

An dem kirchlichen Sinne beider Kaiser, sowohl Otto’s II., als Otto’s III., kann wohl nicht gezweifelt werden, da beide das Stift Gandersheim reichlich beschenkten und mit namhaften kaiserlichen Privilegien versahen 3). Eben so wurde von Otto III. das Stift zu Quedlinburg bedacht 4).

 

Während seines Aufenthalts zu Rom um 1000 gab Otto III. seinem ehemaligen, geliebten Lehrer, dem Bischof Bernward die ganzen Körper des heiligen Exuperantius und des heiligen Sabinus mit, um sie zu Goslar an einem heiligen Orte zu verwahren 5). Wir wagen es freilich nicht, genau zu bestimmen, wie Bernward diesen Auftrag, der Otto’s III. Andenken an Goslar beurkundet, ausgerichtet habe; indessen dürfte es nicht zu bezweifeln seyn, daß diese Reliquien später dem neu erbauten Dome anheim gefallen seyen.

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1) Mund. S. 53. — Heineccii Ant. Gos. lib. I. p. 21., wo Werla fälschlich in Westphalen gesucht wird.

2) Calvör. S. 428.

3) Leuckfeld’s Aut. Gandersh. cap. XIV.

4) Calvör. S. 460.

5) Calvör. S. 426.

 

 

 

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§. 4. Regierung Heinrich’s II.

 

Erweiterung der Stadt. — Thore. — Marien-Capelle. — Marktkirche. — Seuche. — Wiederaufnahme der Bergwerke durch Gundel Carl. — Kinderbrunnen.

 

Reichlicher, als zur Zeit Otto’s II. und Otto’s III., fließen schon die Quellen für die Geschichte Goslar’s zur Zeit des Nachfolgers des letzteren. Dieser war Heinrich II., auch der Heilige (sanctus) genannt, — ein Sohn Heinrichs des Zanksüchtigen von Baiern, ein Enkel Otto’s des Großen. Er ward durch die kräftige Vermittelung des damals hochgeachteten und berühmten Bischofs Bernward von Hildesheim und des einflußreichen Erzbischofs Willigis von Mainz auf einer Reichsversammlung zu Werla zum Kaiser erwählt 1). In der Domschule zu Hildesheim unter der Aufsicht des ehrwürdigen Bernward erzogen, hatte er für das Hildesheimsche, wie für Goslar, eine besondere Vorliebe, welche seine Gemahlin Kunigunda mit ihm theilte. Zur Befestigung und Verschönerung Goslar’s traf er sehr bald Anstalten. Die Steine zu den Bauten wurden theils, wie früher, aus den umliegenden Bergen gewonnen, nämlich die Sandsteine am Riechenberge, die Kalksteine aber aus dem großen und kleinen Cattenberge, dem Rosenberge und dem Lilienberge, theils aus den Harzwassern gesammelt. So wenigstens berichtet unsere geschriebene Chronik.

 

Noch immer waren die beiden Volksstämme, Franken und Sachsen, von denen die erstern sich der Bergwerke halber bedeutend gemehrt hatten, von einander getrennt. Heinrich II. bewies es durch alle seine Anstalten, wie sehr ihm die Vereinigung beider Volksstämme am Herzen liege. Er erweiterte die Mauer um die Stadt 2), und versah sie mit Wall und Graben. In der Mauer ließ er folgende 6 Thore anbringen 3): 1) das Frankenthor, 2) das heilige Grabthor, das jetzige Vitsthor, 3) das später sogenannte Neuwerksthor, jetzt das Rosenthor, 4) das Gröperthor bei dem Brunnen an der Kornstraße, welches später zugemauert wurde, 5) das Erzthor, und 6) das Harzthor jetzt Nicolai- oder Clausthor.

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1) Heinecc. p. 22.

2) Corberi Goslariae Histor. c. III. §. 1.

3) Mund. S. 116.

 

 

 

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Das oben genannte Frankenthor hieß, wie unsere Chronik berichtet, später das Scharper- oder Kaiserthor, welches gleichfalls zugemauert wurde, wie wir weiter unten sehen werden.

 

Wenn gleich die historischen Nachrichten darüber ziemlich schweigen 1), was Heinrich II. oder Heilige für das Kaiserhaus oder den kaiserlichen Pallast und dessen Erweiterung oder Verschönerung gethan habe; so läßt es sich doch kaum in Zweifel ziehen, daß er den bereits von Otto I. entworfenen Plan werde weiter verfolgt haben, wenn auch die gänzliche Vollendung des Pallastes erst in die Zeit seines Nachfolgers fallen sollte. So viel ist gewiß, daß während seiner Regierung, namentlich 1009 und 1015 ansehnliche Reichsversammlungen in Goslar Statt fanden, die ohne Zweifel, gleich der Wahlversammlung im Jahre 1002, in dem erwähnten Pallaste gehalten wurden. Auch erwähnt die Geschichte eines zweimaligen längeren Aufenthalts dieses Kaisers zu Goslar im Jahre 1016 und 1017 2). Aus diesem Allen läßt sich schließen, wie sehr sich die Stadt Goslar überhaupt seit der Zeit ihres ersten Gründers gehoben haben mußte, da eben bei diesen Reichsversammlungen ein großer Zusammenfluß von hohen Personen geistlichen und weltlichen Standes Statt fand. Und dieß ist es denn auch, was unsere Chronik ausdrücklich bezeugt 3).

 

Auch Heinrich II., der Heilige genannt, bewährte seinen kirchlichen Sinn auf die vorzüglichste Weise. So wie er an andern Orten seinen Namen durch geistliche Stiftungen verewigte, z. B. durch Gründung des Bisthums Bamberg; so vernachlässigte er auch Goslar in dieser Hinsicht nicht. Ihm wird die Erbauung mehrerer Capellen und Kirchen Goslar’s zugeschrieben 4). Nach dem Berichte unserer Chronik ließ er in der Mitte der Stadt, unweit der bereits erwähnten Mühle, etwa in der Nähe des jetzigen Rathhauses eine Capelle oder Kirche zur Ehre der Jungfrau Maria erbauen, von welcher aber außer diesem Namen sich weiter nichts nachweisen

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1) Ditmarus Annal. lib. I. schreibt Heinrich II. sogar erst die Anlage des Hoflagers in Goslar zu, wie schon oben bemerkt worden ist. — Heineccius klagt noch über die Dunkelheit der Zeit Heinrich’s II. p. 23.

2) Corberi Goslariae hist. c. III. §. 1. — Heinecc. 24.

3) Man sehe auch: Mund. S. 124. Posselt’s Geschichte der Deutschen. B. I. S. 316.

4) Mund. S. 124. 125.

 

 

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läßt 1). Auch leidet es nach den vom verdienstvollen Worthalter Erdwin von der Hardt im vorigen Jahrhunderte angestellten historischen Forschungen 2) keinen Zweifel, daß die Haupt- und Marktkirche bereits unter diesem Kaiser im Jahre 1009 gegründet und zur Ehre des heiligen Nicolaus eingeweihet worden sey 3); denn in dieser Kirche war es, wo Heinrich II. 4) seinen Capellan Meinwercus mittelst Ueberreichung eines Handschuhes zum Bischofe von Paderborn ordnete und zu seinem Amte einweihen ließ. Uebrigens wurde später dieses Gotteshaus noch den Heiligen, Cosmas und Damianus, gewidmet. Wann jedoch solches geschehen sey, dürfte schwerer auszumitteln seyn. Ein altes Kirchen-Wappen stellt diese drei Heiligen so dar, daß Nicolaus in seinem ganzen bischöflichen Ornate in der Mitte der beiden mit Arzneigefäßen versehenen Aerzte steht. — Endlich fällt auch die Gründung der St. Jacobi-Capelle, — der jetzigen katholischen Kirche — in Heinrichs II. Regierungszeit; nur daß sich das Jahr der Stiftung dieses Gotteshauses nicht angeben läßt 5).

 

Was nun noch die Bergwerke am Rammelsberge betrifft, so waren sie seit Otto’s I. Zeiten gegen 36 6), oder nach Andern 39 Jahre fortwährend bebaut worden. Als aber in den Jahren 1004 bis 1006 eine große Theuerung und sodann eine gräßliche Seuche herrschte, geriethen sie 5 Jahre nach dem Regierungsantritte Heinrich’s II. zuerst in Stocken, und es mußte der Bergbau von 1006 bis 1016, also volle 10 Jahre lang, eingestellt werden. Einige der Bergleute zogen hinweg. Viele waren an der herrschenden Seuche, welche bis 1008 fortwüthete 7), gestorben; denn diese war so verheerend, daß hie und da die Kranken fast gänzlich vernachlässigt und oft noch lebende Personen, die krank darnieder lagen, in eine große Grube geworfen und mit den Todten begraben wurden 8).

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1) Mund. S. 459.

2) Mund. S. 131. Anmerkung e.

3) Mund. S. 125. oben. — Holzmann. S. 139. 140.

4) Mund. S. 343. oben. Heineccii Ant. Goslar. I. pag. 25.

5) Mund. S. 349. — Im Bürgerverzeichnisse von 1017 (dessen Aechtheit zwar Einige bezweifeln) wird auch schon die Capelle St. Thomä erwähnt. cf. Holzmann. S. 139. 140.

6) Honemann I. S. 29.

7) Honemann ebendaselbst.

8) Sigonius lib. 8. —

 

 

 

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An Kaiser Heinrichs II. Hofe befand sich damals ein Edelmann, Namens Gunzel oder Gundel Carl, ein Mann von colossaler Größe, 9 Fuß lang 1) , ein Neffe des bekannten Ritters Ramme oder wenigstens der Sohn eines Halbbruders jenes Ramme. Aus fränkischem Stamme entsprossen, war Gundel Carl mit dem Bergbau wohlbekannt, und trug 1016 bei dem Kaiser Heinrich II. darauf an, man möge ihm die liegen gebliebenen Gruben zur Wiederbelegung überlassen. Seiner Bitte ward Statt gegeben, und der unternehmende Ritter machte nun, nachdem er noch mehrere Bergleute aus dem Frankenlande berufen hatte, sofort Anstalt, die verfallenen Bergwerke wieder zu betreiben.

 

Von diesem Gundel Carl wird 2) auch noch berichtet, er habe dem ersten Entdecker der Erzadern am Rammelsberge, Ramme, und dessen Frau Gosa oder Gose zu Ehren einen köstlichen Leichenstein aushauen, und ganze Erzstufen in den Stein gießen lassen, was wohl von dem ersten oben erwähnten Leichensteine zu verstehen seyn möchte, welcher im 16ten Jahrhunderte aufgefunden wurde 3).

 

Eine andere Sage von diesem Ritter Gundel Carl und seiner Gattin Sophia, deren unsere Chronik gedenkt, dürfen wir hier auch nicht unerwähnt lassen, da die Benennung eines wichtigen goslarschen Brunnens, des Kinderbrunnens, dadurch erklärt wird. Einst bezeigte Sophia Lust, den Rammelsberg selbst in Augenschein zu nehmen. Sie war aber gerade hochschwanger, und es ereilte sie bei ihrer Heimkehr die Stunde ihrer Niederkunft in der Nähe eines Brunnens. Sie gebar hier 2 Söhne, welche am Leben blieben; aber sie selbst gab bei der Geburt ihren Geist auf. Gundel Carl, vom Tode seiner geliebten Gattin tief ergriffen, endete gleichfalls bald darauf sein Leben 4), nachdem er nur 3 Jahre den wiederbegonnenen Betrieb der Rammelsbergschen Bergwerke erlebt hatte. Der Brunnen erhielt von jenem Ereignisse den Namen des Kinderbrunnens, welchen er noch heutiges Tages führt. Die zum Andenken an jene Begebenheit in Stein gehauenen kleinen Knaben am Ende des Gewölbebogens, welcher diese liebliche Quelle schützt, sind leider nicht mehr vorhanden. Auch dieser zweite Gründer des Bergbaus

 

1) Honemann I. S. 29. — Heineccius nennt das GanzeFabel.

2) Honemann I. S. 31. nach Hacke’s histor. manuscr.

3) Honemann I. S. 31. wie schon angeführt worden.

4) Mund. S. 98.

 

 

 

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am Rammelsberge wurde bei der Capelle des heiligen Augustinus in einem steinernen Sarge begraben 1).

 

Im Jahre 1024 — so berichtet unsere Chronik — feierte Heinrich I. sein letztes Pfingstfest in Goslar, und starb bald darauf am 13ten Juli zu Grone 2) auf seinem Schlosse. Seine Gebeine ruhen in Bamberg. Mit ihm schloß sich die Reihe der sächsischen Kaiser 3).

 

§. 5. Regierungszeit Conrad’s II., des Saliers.

 

Kloster Georgenberg — Das Kaiserhaus. — Die Marien-Capelle. — Die Capelle zu unsrer lieben Frauen. — Die Verlegung des harzburgschen Münsters nach Goslar wird vorbereitet. Bau der St. Matthias-Kirche. Das Ansehen der Stadt.

 

Schon war Goslar mit schirmenden Mauern umgeben, mit Wall und Graben versehen, und in der Mitte der immer ansehnlicher werdenden Stadt prangte, wenn vielleicht auch noch nicht ganz vollendet, der kaiserliche Pallast, als die Reihe der fränkisch-salischen Kaiser, welche von 1024 bis 1125 regierten, begann. Der Erste unter ihnen war Conrad II., der Salier genannt, nach welchem die eben erwähnten Kaiser den Namen der fränkisch-salischen empfangen haben 4). Die Verhandlungen 5) über die Wahl Conrad’s II. zum deutschen Kaiser sollen noch in Werla Statt gehabt, woran sich um so weniger zweifeln läßt, da diese kaiserliche Besitzung noch nicht an den hildesheimschen Dom verschenkt war.

 

Auch Conrad II. war für die Erweiterung und Verschönerung der Stadt Goslar mehrfach thätig. Auf dem St. Georgen- oder Jürgenberge ließ er die oben erwähnte Burg oder Festung in ein Kloster verwandeln 6). Daher nennt eine besondere alte Nachricht 7)

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1) Honemann I. S. 32.

2) Grone oder Grohnde war eine der Pfalzburgen und lag im Leingau.

3) Nach Hüne I. erfolgte Heinrichs II. Tod zu Bamberg.

4) Hüne I. S. 202.

5) Grupen’s Ausführung von dem Palatio Werla, in den Hannoverschen gelehrten Anzeigen von 1751. S. 371 und 372.

6) Heineccii Ant. Gosl. I. p. 34.

7) Chronicon breve apud Leibnitz: Tom. III. p. 426. Calvör’s Niedersachsen. S. 470.

 

 

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eben diesen Kaiser Conrad II. den Stifter des St. Georgen-Klosters, über dessen Schicksale und endliche Verlegung nach Grauhof uns der Verlauf der Geschichte weitere Aufklärung geben wird.

 

Auch den kaiserlichen Pallast erweiterte Conrad II., und verschönerte ihn durch ein kupfernes Dach, wie unsere geschriebene Chronik berichtet. Eben so setzte er den begonnenen Bau der Capelle oder Kirche mitten in der Stadt, die unter dem Namen der Marien-Capelle erwähnt wird, weiter fort, von welcher, wie schon oben bemerkt worden ist, außer diesem Namen überall nichts mehr nachgewiesen werden kann 1). Eine andere Kirche ließ Conrad II. an der Nordseite des Kaiserhauses errichten, die sogenannte Capelle zu unsrer lieben Frauen, welche gleichfalls längst verschwunden ist, und deren Einkünfte schon unter Karl IV. mit der Dom-Scholasterie vereinigt wurden 2). Vor etwa 100 Jahren sollen sich noch Ruinen von dieser bedeutenden Kirche vorgefunden haben.

 

Noch wichtiger war es, daß eben dieser Kaiser Conrad II. bereits im Jahre 1024 auch den Bau einer andern Kirche seinem Pallaste gegenüber begann, welche der Ehre des heiligen Matthias geweihet wurde; denn diese Kirche war es, welche später mit der harzburgschen Stiftskirche vereinigt wurde. Conrad II. zeichnete die Matthias-Kirche durch bedeutende Schenkungen aus; allein sein Plan, den harzburgschen Dom nach Goslar zu verlegen, kam noch nicht zur Ausführung. Ohne Zweifel aber schwebte ihm dieser Plan schon vor, als er die harzburgsche Stiftskirche 1025 mit dem Vorwerke Balberge an der Saale sammt dessen Zubehör, sowie mit dem Vorwerke Weferling bei Sommerschenburg beschenkte 3).

 

Schon nach dem Bishererzählten leuchtet es ein, daß Conrad II. Goslar vielfach bevorzugte, und die Vergrößerung und Verschönerung dieser Stadt beabsichtigte. Auch er hielt sich gern in Goslar auf. So soll er nach dem Berichte unserer Chronik schon 1024 das Weihnachtsfest in Goslar gefeiert und 1031, 1032, 1035 und 1039 hier sich aufgehalten haben 4).

 

Conrad II. starb im Jahre 1039 und seine Gebeine, wie die seiner Gemahlin Giesela, wurden in der von ihm gestifteten

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1) Mund. S. 459.

2) Mund. S. 460.

3) Joh. Dietr. Lichtenstein’s Abhandlung von des kaiserlich freien unmittelbaren Stifts der Heiligen Simon und Judas in Goslar Gerichtsbarkeit. S. 5.

4) Heinecc. p. 35. 36.

 

 

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St. Marien-Münster-Kirche zu Speier beigesetzt. Er hinterließ den Ruf einer ausgezeichneten Großmuth, Tapferkeit und Biederkeit.

 

§. 6. Die Regierungszeit Heinrich’s III.

Erweiterung der Stadtmauer. — Verlegung des harzburgschen Doms nach Goslar. Ueber den goslarschen Dom. — Stiftung des Peters-Stiftes. — Die Clus. —- Geburt Heinrich’s IV. Manichäer. — Pabst Victor II. in Goslar. — Catharinen-Capelle. —- Tod Heinrich’s III.

 

Auf Conrad II. folgte dessen Sohn Heinrich III., wegen seiner schwarzen Haare der Schwarze (Niger) genannt. Er that für die Vergrößerung und Verschönerung der Stadt Goslar so viel, daß er von vielen Geschichtsschreibern der Erbauer derselben genannt wird 1). Er erweiterte zuvörderst die Ringmauer der Stadt nach Süden hin, und diese Erweiterung setzten seine Nachfolger von Zeit zu Zeit fort, so daß diese Mauer im 16ten Jahrhunderte selbst mit einem Schieferdache und 182 größeren und kleineren Thürmen versehen war. Zur Zeit eben dieses Kaisers ward auch das oben erwähnte Erz- oder Erzhollenthor zugemauert 2), damit die Domherren durch das Gerassel der Erzfuhren in ihren geistlichen Betrachtungen und Chorstunden nicht gestört würden.

 

Heinrich III. war nämlich in vollerem und eigentlichen Sinne der Gründer des goslarschen Doms, welcher so nahe an dem kaiserlichen Pallaste stand, daß der Kaiser aus seinen Zimmern in die Kirche treten konnte. Er vollendete die von seinem Vater im Baue begonnene oder wenigstens ihrem Plane nach entworfene Kirche zum heiligen Matthias 3). Schon im Jahre 1039 verlegte er das harzburgsche Stift nach Goslar, und die Einweihung des neuen Münsters zur Ehre der Apostel Simon und Judas, deren Gedächtnißtag des Kaisers Geburtstag war, geschah im Jahre 1039 oder 1040, wie in der noch stehenden Domcapelle an dem gemalten Fenster zu

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1) Mund. S. 125.

2) Mund. S. 116 und 126.

3) Delius stellt dieß Alles in Abrede, und will von einer Verbindung des Doms zu Goslar mit dem harzburgschen nichts wissen. (cf. über die Harzburg S. 43. 44.) Die constante Ueberlieferung ist jedoch gegen diese Behauptungen.

 

 

 

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lesen ist 1). Die Domherren erhielten neben dem Dome ihre Wohnung, wo sie auch anfangs an einer gemeinschaftlichen Tafel speisten, weshalb das Stift nach Lichtenstein (§. 3) auch Monasterium genannt wurde. Später aber ließ Heinrich III., nahe am Kaiserhause, zahlreiche und geräumige Curien für die Canonici erbauen, welche den Glanz der Stadt erhöheten 2). An Schenkungen, welche er an die neue Kirche machte, ließ es Heinrich III. nicht fehlen. So verlieh er dem Dome zu Goslar 1047 ein Gut in Jerstedt 3), 1049 das Vorwerk Jersleben, 1050 die Burgwarte Goienisce, so wie die Höfe zu Egelen, Hedersleben und Otichersleben, 1052 das Gut Valendre, 1053 das Gut Heregeltingerot, und 1055 das Gut Gertsleva. Als ferner, wie unsre Chronik berichtet, der griechische Kaiser unsern Heinrich III. mit einem Briefe beehrte, dessen großes Goldsiegel 22 Mark schwer war; so schenkte er dieses Gold dem Dome, und ließ einen Kelch und einen Vorhang vor dem Hochaltare daraus machen. Außerdem bestimmte er für dasselbe Stift den neunten Theil seiner Kammergüter zu Präbenden für die Canonici, worin jedoch später von Heinrich IV. eine Abänderung dahin getroffen wurde, daß derselbe diesen neunten Theil der kaiserlichen Kammergüter wieder zurücknahm, und dafür dem Dorne das Gut Regenstedi oder Reinstedt (auch Reinstein genannt) 1063 überwies 4). Neben wichtigen Privilegien verschaffte er dem Dorne auch mehrere für die damalige Zeit wichtige Reliquien, von denen ein vollständiges Verzeichniß sich bei Leibnitz (Scriptor. Brunsv. II. p. 353) befindet 5). Wir zählen hier nur einige auf: 1) einen Schrank mit einem seltenen Marienbilde, 2) die Reliquien des heiligen Matthias, 3) einen Theil von dem Nagel des Kreuzes Christi, 4) zwei goldene Kreuze, 5) einen Kinnbacken des heiligen Nicolaus, 6) die Gebeine des heiligen Dionysius, 7) den Leichnam des heiligen Cyrillus, Erzbischofs von Trier u. and. m. — Zugleich bestimmte der Kaiser Heinrich III., daß dieses Stift dem hildesheimschen Sprengel exemt

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1) Nach Lichtenstein (siehe oben) ward der Dom auch in die Ehre der heiligen Jungfrau Maria, der Märtyrer Rusticus und Benancius, Valerius, Servatius, Maternus und Eucharius geweiht. — Heinecc. p. 37.

2) Mund. S. 389.

3) Leuckfeld’s Ant. Gandersh. cap. I. §. 6.

4) Lichtenstein — S. 7. Heineccii A. G. I. p. 74. Mund. S. 389 und 390.

5) Mund. S. 391.

 

 

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seyn sollte. Die Domherren ernannte er zu königl. Capellanen (Capellanis regiis).

 

Im Verein mit seiner Gemahlin Agnes bereicherte 1) Hein-rich III. die Nähe Goslar’s noch mit einer andern geistlichen Stiftung, — dem sogenannten Petersstifte. Es geschah dieselbe im Jahre 1045. Das Petersstift, welches jetzt nicht mehr vorhanden ist, und über dessen spätere Schicksale im Verlaufe unserer Geschichte bis zur Zerstörung desselben das Nöthige beigebracht werden wird, lag im Osten der Stadt auf einer angenehmen Anhöhe auf dem sogenannten Kalkberge. Die Kaiserin Agnes nahm zur Dotation des Stiftes, welches dem Apostel Petrus geweihet wurde, bedeutende Grundstücke und Reichsgüter im Bezirke Hartingau oder Harzgau, welche von einer gräflichen Familie in Bartunlep, einem Orte an der Ocker, abgetreten wurden, und im Süden und Osten Goslar’s lagen. Dazu erhielt das Stift noch verschiedene Häuser und Gärten in der Stadt selbst. Die feierliche Einweihung des Stifts erfolgte etwas später, und wir werden auf sie wieder zurückkommen 2).

 

Ueber die nähere Veranlassung zu dieser Stiftung erzählt unsere geschriebene Chronik eine Sage, die wir hier wenigstens nicht unerwähnt lassen dürfen, wenn gleich in derselben manches Mährchenhafte liegen mag. Es ist dieß folgende:

 

Der Kaiserin Agnes kamen aus ihrem Gemache viele Juwelen, goldene Ketten und Armbänder, auch sonstiges Silbergeschirr weg. Nur der Haushofmeister hatte außer ihr zu diesem Gemache einen Schlüssel. Auf ihn fiel daher der Verdacht der Entwendung dieser Kleinodien. Auf Verfügung der Kaiserin mußte er, indem er wahrscheinlich nichts bekannte, mit dem Leben büßen. Als dieser nun schon längst aus dem Wege geräumt war, sah einst die Kaiserin Agnes aus dem Fenster, und erblickte auf einer Linde, unweit des Scharperthores, dem Kaiserhause gegenüber, ein Rabennest, aus welchem im Sonnenglanze ihr etwas entgegenstrahlte. Sie läßt den Baum besteigen, um zu erfahren, was es wäre. Und siehe, man fand in dem Neste alle der Kaiserin abhanden gekommenen Juwelen und Kleinodien, welche der Rabe aus dem offenen Fenster

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1) Kurze diplomatische und gründliche Geschichte von dem Petersstifte u. s. w. Hildesheim 1757. S. 4.

2) Kurze diplomatische und gründliche Geschichte von dem Petersstifte in und vor Goslar. 1757.

 

 

 

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des bekannten Gemachs gestohlen hatte. Da gerieth Agnes wegen der Hinrichtung des unschuldigen Haushofmeisters in große Gewissensunruhe. Auf Anrathen ihrer geistlichen Räthe stiftete sie deshalb das Petersstift.

 

Nach Andern ließ sie zunächst in dem Felsen, welcher noch jetzt die Clus (Clause) heißt, eine Capelle aushauen, in welcher mehrere Meßpriester täglich für ihre Seele Messe lesen mußten. Agnes begab sich später nach Italien, und starb zu Rom im Jahre 1077. So viel ist übrigens gewiß, daß die sogenannte Clus von dem Petersstifte abhängig war 1).

 

Denkwürdig war für Goslar das Jahr 1050, wo um Weihnachten (11ten November) dem Kaiser Heinrich III. von seiner geliebten Agnes ein Sohn in dieser Stadt geboren wurde, der nachmals so berühmte, aber auch vielgeprüfte Heinrich IV., welcher um Ostern des nächsten Jahres 1051 zu Cöln die heilige Taufe empfing.

 

Carion in seiner Kaiserchronik erwähnt noch eines merkwürdigen Vorfalls, welcher sich zu Goslar im Jahre 1053 zutrug. Auch hier hatten sich nämlich manichäische Ketzereien eingeschlichen. Die Anhänger derselben verwarfen zum Beispiel das Essen des Thierfleisches. Damit sich diese Lehren nicht weiter verbreiten möchten, ließ Heinrich III. mehrere von diesen Ketzern mit dem Strange vom Leben zum Tode befördern, — in der That ein deutlicher Beweis der immer finstrer werdenden Nacht des religiösen Wahns jener Zeiten 2).

 

Im Jahre 1054 feierte Heinrich III. das Weihnachtsfest in Goslar, und es fand zugleich eine ansehnliche Reichsversammlung Statt, auf welcher sein 3jähriger Sohn zum Kaiser erwählt wurde. So war es auch in demselben Jahre, als der Domprobst Hanno oder Anno in Goslar, nachheriger Erzieher des minderjährigen Kaisers Heinrich IV., ein Mann von festem Charakter, und erprobter Biederkeit und Rechtschaffenheit, zum Erzbischofe von Cöln ernannt wurde. Aus diesem Umstande läßt es sich schon schließen, zu welchem hohen Ansehen der Dom zu Goslar gelangt seyn müsse, da ein

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1) Kurze diplomatische und gründliche Geschichte vom Sc. Petersstifte. S. 45. Nr. XXXI., wo die Clus genannt wird: capella beatae Virginis Mariae apud Clusam in pede Montis S. Petri.

2) Geschriebene Chronik von Goslar ad an.1053. Seite 127. — Henke (allgemeine Geschichte der christlichen Kirche II. S. 88) giebt das Jahr 1051 an. Heinecc. P. 57.

 

 

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Probst dieses Stifts auf den erzbischöflichen Stuhl Cölns gelangte. Eben so wird es der Verlauf unserer Geschichte beweisen, daß dieses Stift lange ein Seminarium für Bischöfe und Erzbischöfe blieb.

 

Selbst der Pabst Victor II. stattete 1056 — unsere Chronik sagt: am Tage der Geburt Maria — bei dem Kaiser Heinrich III. kurz vor seinem Hinscheiden einen Besuch in Goslar ab, und wurde von demselben mit außerordentlicher Pracht empfangen 1). Unter Assistenz mehrerer Erzbischöfe und Bischöfe weihete der Pabst bei diesem seinem Besuche den Dom in Goslar nochmals feierlichst ein, und erklärte ihn für eine unmittelbare kaiserliche Capelle, die von aller geistlichen Gerichtsbarkeit der Bischöfe ausgenommen sey 2). Zugleich weihete derselbe Pabst Victor II. in dem genannten Jahre das neue Stift auf dem Petersberge ein, und eine ähnliche Weihe soll er der St. Catharinen-Capelle nach Mund’s 3) Berichte verliehen haben. Ueber diese mit dem Petersstifte verbundene in Goslar befindlich gewesene Capelle müssen wir hier noch Einiges hinzufügen.

 

Sobald in alten Zeiten eine Stiftskirche angelegt werden sollte, machte man den Anfang dazu durch Errichtung einer kleinen Kirche oder einer Capelle, um für’s Erste hier die Zusammenkünfte zum kirchlichen Gottesdienste und zum canonischen Chorgesange zu halten. Zu dieser Absicht wurde eine solche Capelle, sobald sie erbauet war, eingeweiht und zugleich der Hauptaltar in der Mitte mit Reliquien und Heiligthümern innerhalb einer viereckigen Oeffnung versehen, welche mit einem Deckel von oben verkittet wurde. So bewahrt noch jetzt das Domstift zu Hildesheim seine älteste Capelle der heiligen Anna. Eben so verhielt es sich auch mit dem Petersstifte. Es wurde zur Ehre der heiligen Jungfrau Catharina zuvörderst eine Capelle errichtet, deren Einweihung vor der Einweihung des Petersstifts herging. Erbaut ward sie im Jahre 1054. Ihre Einweihung wurde von dem Hildesheimschen Bischofe Azelin vollzogen, wie es in einer Urkunde vom Pabste Pius II. vom Jahre 1462 heißt 4). Da nun Azelin bereits 1054 verstorben ist, so kann

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1) Die Reichsunmittelbarkeit des Petersstiftes. Hildesheim und Leipzig 1764. S. 8.

2) Heineccii A. G. I. p. 63. cf. über des Stifts SS. Simonis et Judae Gerichtsbarkeit 1754. S. 8. — Leuckfeld’s Antiq. Gandersh. p. 231.

3) Mund. S. 408.

4) In dieser Urkunde (cf. Reichsunmittelbarkeit des Petersstiftes S. 8. 9) steht: Aedem sacram S. Catharinae, ab Agnes conditam, ab Azelino Episcopo Hild. sacratam.

 

 

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diese von ihm vollzogene Einweihung gedachter Capelle nicht erst 1056 zur Zeit der Anwesenheit des Pabstes Victor II. geschehen seyn. Wird jedoch dem Pabste gleichfalls eine Einweihung zugeschrieben, so ist darunter wohl nur eine Bestätigung der erstern oder gleichsam eine höhere päbstliche Nachweihe zu verstehen. Vielleicht könnte man auch annehmen, die Stiftsgebäude auf dem Petersberge wären 1056 noch nicht ganz vollendet gewesen, und der Pabst habe die Weihe des Gesammtstifts in der Catharinen-Capelle vollzogen. Auf diese Weise lassen sich die geschichtlichen Angaben, die von einander abweichen, am Besten vereinigen. Dieß wird um so wahrscheinlicher, als nach einer weitern Nachricht 1) die eigentliche örtliche Einweihung des St. Petersstifts wirklich erst 1057 durch den Bischof Hezilo von Hildesheim geschah.

 

Heinrich III., der für Goslar’s Erweiterung und Verschönerung so viel gethan hatte, starb im Jahre 1056. Sein Herz ward im Dome zu Goslar aufbewahrt. So hatte er selbst es zum letzten Beweise seiner herzlichen Zuneigung gegen die Stadt und den Dom verordnet. Sein übriger Leichnam ruht in Speier in der schon oben erwähnten Kirche.

 

§. 7. Die Regierungszeit Heinrich’s IV.

Goslar’s Glanz. — Brand des Kaiserhauses. Der blutige Rangstreit im Dome. — Wiedereinweihung des Domes. Stiftung der Cäciliencapelle. — Ansehen des Domes. Heinrich’s IV. Kampf mit den Sachsen. Niederlage der Goslarienser. Weitere Schicksale des Petersstiftes. Die Rammelsbergschen Bergwerke. Die silbernen Särge des Dorns. Heinrich’s IV. letzte Schicksale.

 

Noch hatte Heinrich IV. das sechste Jahr seines Alters nicht überschrittem als er nach seines Vaters Tode zur Regierung gelangte, deren Zügel jedoch seine Mutter Agnes übernahm, bis er die dazu erforderliche Reife erlangt hatte. Heinrichs IV. liebster und

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1) Siehe S. 6 in der mehrerwähnten kurzen diplomatischen und gründlichen Geschichte von dem kaiserlichen unmittelbaren Reichsstifte auf dem Petersberge vor und in Goslar. Gedruckt in Hildesheim 1757.

 

 

 

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häufigster Aufenthaltsort war seine Geburtsstadt Goslar. Obgleich seine lange Regierung eine höchst unruhvolle war, so sorgte doch auch er vielfach für die Verschönerung und den Wohlstand der Stadt, in welcher er einst das Licht der Welt erblickt hatte. Von ihm wurde ein so häufiger Zusammenfluß hoher Personen in Goslar veranlaßt, daß dadurch nothwendig die Stadt zu immer höherm Ansehn und immer größerem Wohlstande gelangen mußte. Als im Jahre 1065 während seiner Abwesenheit der kaiserliche Pallast abgebrannt war, kehrte er in möglichster Eile nach Goslar zurück 1), um ihn wieder herstellen zu lassen.

 

Sehr häufig hielt sich in Goslar des jungen Kaisers Günstling und Rathgeber Adelbert, Erzbischof von Bremen aus, der später auch, nämlich 1072 in dieser Stadt starb. Von dem hohen Ansehen Goslar’s unter der Regierung Heinrichs IV. zeugt auch die Benennung, welche sie von Geschichtsschreibern dieses Zeitalters empfing: Hochberühmter Sitz des Reichs 2) oder Hofstadt des Reichs.

 

Wäre der junge Kaiser in des rechtschaffenen Hanno von Cöln Händen geblieben, welcher anfangs seine Erziehung leitete; so wäre vielleicht ein ganz anderer Mann aus diesem, mit trefflichen Anlagen ausgestatteten Jünglinge geworden. Allein der eben erwähnte Adelbert von Bremen wußte ihn an sich zu locken, und vergiftete nur zu bald durch seine Grundsätze wie durch sein Beispiel des Jünglings Herz 3).

 

Fast beständig ward Hoflager in Goslar gehalten, und namentlich wurden die hohen Feste des Jahres mit dem größten äußern Pompe hier begangen 4). Wie sehr aber selbst die angesehensten Geistlichen damaliger Zeit fern waren von dem wahren Geiste der christlichen Religion, dem Geiste der Demuth und Liebe, das mag die Erzählung jener Begebenheiten beweisen, welche sich in den Jahren 1062 und 1063 im Dome zu Goslar zutrugen:

 

Der Kämmerer des früher Domprobst zu Goslar gewesenen Bischofs Hezilo von Hildesheim und der Kämmerer des Abt Wideradus von Fulda stritten sich um den Vorsitz, als am Abend vor

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1) Mund. S. 127.

2) Clarissimum regni domicilium

3) Hüne I. S. 204.

4) Honemann I. S. 34.

 

 

 

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dem Weihnachtsfeste 1062 1) die Stuhle geordnet werden sollten. Es war sonst bei Reichsversammlungen gewöhnlich, daß der Abt von Fulda unmittelbar auf den Erzbischof von Mainz folgte. Der Bischof von Hildesheim aber glaubte, in seinem Sprengel dürfe außer dem Erzbischofe Niemand über ihm sitzen. Es kam sogar zu Thätlichkeiten; Stöße und Faustschläge sollten den Behauptungen der Streitenden Nachdruck geben. Ja, man würde sogar die Schwerdter gezogen haben, wenn nicht der Herzog Otto von Baiern, welcher des Abts Parthei nahm, durch sein Ansehen den Aufruhr noch gestillt hätte.

 

Dieser Streit erneuerte sich jedoch im Jahre 1063 am Pfingstfeste, und gab zu einem förmlichen Blutbade im Dome Veranlassung. Kaum war der Kaiser mit den Bischöfen in die sogenannte Vesper gekommen, so begann jener Rangstreit aufs Neue. Hezilo, ein höchst ehrsüchtiger Mann, hatte den Markgrafen Eckbert von Sachsen mit vielen Kriegsleuten hinter dem Hochaltare sich verstecken lassen. Diese drangen, sobald der Streit über die Rangordnung begann, aus ihrem Verstecke hervor, und trieben die Anhänger des Abts von Fulda gewaltsam aus der Kirche. Bald aber erschienen die Letztern bewaffnet wieder, und begannen, in geschlossenen Gliedern vordringend, mit gezückten Schwerdtern mitten auf dem hohen Chore unter den Gesängen der Chorherren den Kampf von Neuem. Geschrei der Kämpfenden, Wehklagen der Verwundeten, Röcheln der Sterbenden hörte man nun in den geweiheten Hallen. An den Altären lagen die Schlachtopfer und das Blut floß — so erzählt man — den Kirchthüren zu. Hezilo stellte sich auf einen erhabenen Platz, und ermunterte die Seinen zum rüstigen, unermüdeten Kampfe. Zwar suchte der junge Kaiser, von dem schrecklichen Vorfalle benachrichtigt, aus seinem Pallaste, wo er so eben sich zur Abendtafel setzen wollte, herbeieilend, durch wiederholte Vorstellungen dem Kampfe Einhalt zu thun; allein umsonst. Er mußte seiner eigenen Sicherheit wegen sich in seinen Pallast zurückziehen. Die Anhänger Hezilo’s behielten die Oberhand, und von ihnen wurden die Anhänger des Abts abermals aus der Kirche getrieben. Aber auch außerhalb derselben stellten die Letztern sich wieder in

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1) Nach unserer geschriebenen Chronik war es das Jahr 1063. Eben so nimmt Honemann an. Mund dagegen giebt das Jahr 1062 an.

 

 

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Schlachtordnung, um die Hildesheimschen zu empfangen. Nur die einbrechende Nacht setzte dem schrecklichen Kampfe ein Ziel 1).

 

So ward das erst vor 23 Jahren geweihete Heiligthum auf eine grauenvolle Weise entweihet, und blieb nun 3 Jahre und 6 Monate hindurch unbenutzt. Es kann befremdend erscheinen, daß von Seiten der goslarschen Bürgerschaft so gar nichts geschah, um diesen Greueln ein gewünschtes Ziel zu stecken. Indessen wenn man die Scheu bedenkt, welche das Volk in jenen Zeiten vor den Häuptern der Kirche hatte, so wird es erklärlich, warum man sich bei solchem Partheikampfe jeglicher Einmischung enthielt. Uebrigens darf es nicht unerwähnt bleiben, wie sehr die Mißbilligung eines solchen entehrenden Kampfes in dem Munde des Volks sich erhalten habe. Es ist nämlich Volkssage, der Teufel habe an jenem Tage auf einem Pfeiler des Doms gesessen, und laut gerufen: Hunc ego diem cruentum feci, d. h. diesen Tag habe ich zu einem blutigen Tage gemacht! — Es wird sogar noch hinzugesetzt, man habe vergebens Jahrhunderte hindurch die Oeffnung zuzumauern gesucht, welche der Fürst der Finsterniß bei seinem Verschwinden in der Mauer zurückgelassen habe, bis dieß endlich zur Zeit Anton Ulrich’s, Herzogs von Braunschweig, gelungen sey 2). So viel darf man wohl aus dieser Volkssage schließen, daß doch selbst das gemeine Volk in solcher Entweihung des Heiligthums Gottes etwas recht Teuflisches gefunden habe.

 

Die Wiedereinweihung der auf solche frevelhafte Weise entheiligten Kirche geschah durch den Erzbischof Hermann von Cöln. Von Einigen wird behauptet, erst damals sey der Dom zugleich den Aposteln Simon und Judas geweihet worden, was jedoch sicherern Nachrichten zufolge bereits früher geschehen war 3), wie wir oben schon berichtet haben. Heinrich IV. ließ zugleich um diese Zeit — unsere Chronik giebt das Jahr 1068 an — die noch übrigen Güter aus dem Stifte zu Harzburg in den goslarschen Dom bringen, namentlich die 4 herrlichen Glocken. Auch verlieh der Pfalzgraf von Sommerschenburg dem Dome zu Goslar nicht unbedeutende Güter. Die Schirmvoigtei über das Stift SS. Simonis et Judae besaßen anfangs die Kaiser selbst, weshalb auch Heinrich IV. in

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1) Heineccii A. G. t. I. p. 71 seqq.

2) Siehe: Mund. S. 396 und 397. Honemann I. S. 36.

3) Mund. S. 388.

 

 

 

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einer namhaften Urkunde vom Jahre 1060 sich ausdrücklich Schirmvoigt (advocatus) dieses Stifts nennt 1).

 

In eben dieses Kaisers Heinrich IV. Regierungszeit fällt noch eine andere geistliche Stiftung in der Stadt Goslar, welche gleichfalls eine Erwähnung verdient, wenn gleich dieselbe, wie das eben genannte Stift gegenwärtig nicht mehr vorhanden ist. Es war dieß die Cäcilien-Capelle, welche Uffo und Siday, Grafen von Woldenberg, und namentlich die Gemahlin des letztern, Namens Silburgis, 1064 stifteten, und von dem Bischofe Hezilo von Hildesheim einweihen ließen. Diese Capelle stand, wie Mund berichtet, oben auf der Kornstraße der Judenstraße gegenüber 2). Wir werden später ihrer noch einmal erwähnen.

 

Was das Petersstift betrifft, so bestätigte Heinrich IV. demselben alle Schenkungen seiner Mutter Agnes in Bartunlep nach einer Urkunde vom 5ten März 1062 3). Nach einer andern zu Goslar ausgestellten Urkunde vom 24sten Julius 1063, bestätigte er demselben Stifte auch die auswärtigen Güter, welche die Kaiserin Agnes, seine Mutter, zum Hause Bartunlep gelegt habe, mit der ausdrücklichen Bedingung, daß weder König, noch Kaiser, weder Herzog, noch Markgraf oder eine andere Person davon etwas solle nehmen oder veräußern können 4). Dahin wurden gerechnet die Güter in Werdheim, Hondorf, Wigenrode, Widesleben, Westerhausen, Wigbui, Uphausen, 30 Hufen Ackers vor Someringen, Banaten, Cusnihausen, Aldendorff und Eckgolvesheim, wie auch der neunte Theil Honigs aus Blisna und Rorchidabischun. Ferner legte er im Jahre 1064 noch Reindethingerod und Sutburg, so wie aus dem goslarschen Jahrmarkte jährlich 4 Pfd. nach dem Werthe des Kupfers hinzu, wie er denn auch 1086 den 1sten Januar zu Worms dem Petersstifte, wie dem Stifte SS. Simonis et Judae die Reichsunmittelbarkeit bestätigte 5). In diesem Diplome nannte er die Chorherren Capellane der Königin (Capellani reginae) und seine getreuen Brüder (fideles fratres), so wie die Kirche eine Capelle der Königin 6).

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1) Heineccii A. G. liber I. p. 68.

2) Mund. S. 458 und 459.

3) Kurze Geschichte des Petersstifts. 1757. S. 7. nebst der Urkunde. IV.

4) Die eben genannte kurze Geschichte. S. 7. Beilage V.

5) Kurze Geschichte des Petersstiftes. 1757. S. 7. Beilagen VI u. VII.

6) Mund. S. 405.

 

 

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Nicht unerwähnt darf es bleiben, daß nach Adelbert’s, Erzbischofs von Bremen, zu Goslar 1072 erfolgtem Tode, es wieder ein Domprobst des berühmten Stifts SS. Simonis et Judae war, welcher den erzbischöflichen Stuhl von Bremen bestieg. Er hieß Liemar und war ein Baier von Geburt. Das steigende Ansehen des goslarschen Doms gerade um diese Zeit darf aber um so weniger befremden, je mehr der Kaiser fortfuhr demselben seine besondere Gnade zu bethätigen. So verlieh er im Jahre 1069 diesem Stifte das Gut Selinge und im Jahre 1071 zwanzig Hufen Landes an verschiedenen Orten 1).

 

Viel zu unruhig war übrigens die ganze Regierungszeit Heinrich’s IV., der mit den sächsischen Fürsten fast in beständigen Kriegen lebte, als daß nicht auch Goslar von solchen Kriegsunruhen vielfach hätte berührt werden sollen. Unter mehreren Schlössern, welche er zum Schutze wider seine Feinde bauen ließ, befand sich auch die lange wüstgelegene Harzburg, wo er sich später recht oft und gern aufhielt. Die rohe Lebensart des jungen Kaisers und sein Despotismus waren es vorzüglich, was die Sachsen erbitterte. Der früher von Heinrich IV. sehr begünstigte Graf Otto von Nordheim, der schon 1061 mit einem Theile Baierns als Herzog belehnt war, kam durch Adelbert von Bremen in den Verdacht, er trachte dem Kaiser nach dem Leben. Auf die bloße Aussage eines Höflings, Namens Egon, hin 2), ward er seiner baierschen Reichslehen entsetzt und sogar in seinen Erblanden angegriffen. Diese, so wie viele andere Ungerechtigkeiten des durch seine Umgebungen verleiteten Kaisers, deren Erzählung uns hier zu weit vom Hauptziele entfernen würde, bewirkten es, daß durch Mitwirkung des erbittertsten Feindes Heinrich’s IV., des Pabstes Gregor VII., eine bedeutende Verbindung gegen den Kaiser zu Stande kam. Drei Erzbischöfe, von Mainz, Cöln und Magdeburg, und vier Bischöfe, von Halberstadt, Merseburg, Paderborn und Hildesheim gehörten sammt den sächsischen Fürsten, Grafen und Herren, unter denen Otto von Nordheim, Herzog Magnus von Lüneburg und Egbert, Markgraf zu Braunschweig und Thüringen waren, zu dieser großen Verbindung. Ehe die Feindseligkeiten begannen, sandten sie noch einmal Abgeordnete

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1) Heineccii A. G. lib. I. p. 58. Leuckfeld’s A. Poeldens. pag. 279. Nr. VII.

2) Hüne I. S. 207.

 

 

 

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an den Kaiser nach Goslar, mit der Anforderung 1), er solle sie von dem Zuge wider die Polen entbinden, die neuen Bergschlösser schleifen lassen, die den Großen entzogenen Güter zurückgeben, seinen Aufenthalt nicht immer in Goslar, sondern auch in andern Theilen Deutschlands nehmen, und seine Beischläferinnen entlassen. Lange mußten die Gesandten in des Kaisers Vorzimmer warten, und wurden zuletzt sogar verächtlich abgewiesen, während der Kaiser sich am Bretspiele vergnügte. Da erschienen 1073 die Sachsen mit einem Heere von 60,000 Mann im Felde 2). Der Kaiser mußte nach der Harzburg flüchten, wo er von den Sachsen belagert und so eng eingeschlossen wurde, daß er nur mit der äußersten Lebensgefahr sich daraus retten konnte, und drei Tage lang in unwegsamen Wäldern ohne Obdach und Speise herumzuirren genöthigt war 3).

 

Die Sachsen fuhren unterdessen fort, die Harzburg und andere Festungen zu belagern, und die Gegend weit umher zu verwüsten. Auch Goslar hatte bei dieser Unruhe Manches zu erdulden. Zwar hielt sich die Stadt öffentlich zu keiner Parthei 4); allein eigentlich war man doch den Sachsen zugethan, wiewohl der Kriegsoberste der Stadt, Namens Bodo, dem Kaiser getreu blieb. Besonders tapfer hielt sich die kaiserliche Besatzung auf der Harzburg, welche den Sachsen vielen Abbruch that. Oefter beunruhigten diese harzburgschen Kriegsleute auf ihren Streifereien auch die Stadt Goslar, bis es im genannten Jahre 1073 zwischen beiden Partheien zu einem Waffenstillstande kam. Doch dieser dauerte nicht lange; denn nur zu bald fand sich eine Veranlassung zur Erneuerung der Streitigkeiten. Es war dieß folgende 5):

 

Während des erwähnten Waffenstillstandes begaben sich, Geschäfte halber, einige harzburgsche Krieger nach Goslar, und warfen hier in ihrer Trunkenheit den Sachsen ihre Feigheit vor. Sie wurden aber jämmerlich erschlagen, und vor die Thore geworfen. Von Rache glühend, vereinigten sich die Harzburger heimlich mit dem kaiserlich gesinnten Kriegsobersten der Stadt Goslar, Namens Bodo, und schickten einige Leute ab, welche sich stellen mußten, als

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1) Mund. S. 128.

2) Hünel. S. 211. Posselt’s Geschichte der Deutschen. Band II. S. 26.

3) Heineccii A. G. I. p. 87.

4) Honemann I. S. 39.

5) Honemann I. S. 39. 40.

 

 

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ob sie das goslarsche Vieh aus dem Felde wegtreiben wollten. Kaum waren die Goslarienser dieß gewahr geworden, so eilten sie in großer Anzahl unter Bodo den Feinden nach, um ihnen die Beute wieder abzujagen. Die Harzburger aber lagen in einem Hinterhalte, auf welchen der getroffenen Verabredung gemäß die Goslarienser geführt wurden. Da brachen die Harzburger hervor aus ihrem Hinterhalte, und richteten unter der goslarschen Schaar ein so furchtbares Blutbad an, daß es die Geschichtsschreiber nicht gräßlich genug zu schildern wissen.

 

Zwar ward im folgenden Jahre 1074 der Friede zwischen dem Kaiser und den Sachsen abgeschlossen, nach welchem die oben erwähnten Forderungen der Sachsen fast alle bewilligt wurden, und der Kaiser selbst kam wieder nach Goslar 1); allein bald erneuerten sich die Feindseligkeiten, indem die Sachsen die verzögerte Schleifung der Bergschlösser eigenmächtig begannen, sobald der Kaiser nach Worms abgereist war, und namentlich auf der Harzburg eine schreckliche Verheerung anrichteten. Die Sachsen zerstörten auf der Harzburg nicht bloß die schöne Stiftskirche, so wie den kaiserlichen Pallast, sondern sie schonten selbst die geweiheten Grabstätten nicht 2). Das Begräbniß eines jungen kaiserlichen Prinzen ward verwüstet, und die Gebeine desselben warf man aus dem Gewölbe. Der darüber ergrimmte Kaiser sandte 1075 von Straßburg aus Gesandte, um Genugthuung zu fordern; allein die Sachsen gaben eine anmaßende Antwort, auf welche die Erneuerung des Krieges sehr bald folgte. Heinrich IV. rückte mit seinem Bundesgenossen, Herzog Wratislaus von Böhmen und einer bedeutenden schwäbischen und baierschen Reichsarmee ins Feld, und besiegte die Sachsen in einer Schlacht an der Unstrut vollständig 3). Fast alle geschleiften Bergschlösser, unter andern auch die Harzburg, wurden nun wieder aufgebaut.

 

Während dieser Kriegsunruhen soll auch das bei Sutburg belegen gewesene Dorf Reindethingerod, dessen wir oben erwähnt haben, zerstört worden seyn 4).

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1) Honemann I. S. 40.

2) Honemann I. S. 40.

3) Hüne I. S. 212. Annalista Saxo ad annum 1075.

4) Die Reichsunmittelbarkeit des Petersstiftes. Hildesheim und Leipzig. 1764. S. 18—20.

 

 

 

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Der Friede mit den Sachsen hatte doch nicht lange Bestand. Aufs Neue verbanden sie sich mit dem Herzoge Rudolph von Schwaben, welcher 1077 von mehrern Fürsten des Reichs dem Kaiser als förmlich gewählter und gekrönter König entgegengestellt worden war, wiewohl auch diese erneuerten Feindseligkeiten mit der Niederlage der Sachsen und dem Tode des neuen Königs, welchem Heinrich IV. die rechte Hand abhauen ließ, sich endigten. Wie vielfach übrigens auch bei dieser Gelegenheit die Gegend von Goslar gelitten haben mag, kann man schon daraus schließen, daß die beiderseitigen Heere bei Osterwiek 1078 an einander geriethen und im Steinfelde bei Schladen, 3 Stunden von Goslar, sich festsetzten.

 

Nach erlangtem Siege kehrte Heinrich IV. 1080 triumphirend nach Goslar zurück, und brachte 2 erbeutete Fahnen mit, welche im Dome zu Goslar aufbewahrt wurden.

 

Trotz des Schutzes, welchen der Kaiser seiner lieben Stadt Goslar vor seiner Abreise nach Italien, wo er den Pabst Gregor VII. zu züchtigen gedachte, verlieh, ward doch auch diese Stadt wieder in die neubeginnenden Unruhen der Sachsen verflochten. Denn zu Goslar war es, wo der neue, von den schwäbischen und sächsischen Reichsfürsten zum Gegenkönig erwählte Hermann von Luxemburg nach dem Berichte unserer Chronik vom Erzbischofe von Mainz geweihet und gekront wurde.

 

Doch weit weniger bedeutend und kräftig, als sein Vorgänger Rudolph von Schwaben, mußte sich Hermann von Luxemburg bald von den Sachsen verlassen sehen, welche sich um Egbert von Braunschweig, der zugleich Markgraf von Meißen und Thüringen war, sammelten. Dieser schlug im Jahre 1088 den Kaiser bei seinem festen Schlosse Gleichen in Thüringen 1). Ja, es geriethen selbst viele vornehme Gefangene sammt den Reichsinsignien in des tapfern Egbert’s Hände. Nur durch Meuchelmord 2), zu welchem des Kaisers Schwester Adelheid, Aebtissin zu Quedlinburg und Gandersleben, einige Verruchte zu dingen wußte, konnte dieser Tapfere aus dem Wege geräumt werden.

 

Ehe wir jedoch das Verhältniß weiter verfolgen, in welchem Heinrich IV. zu den sächsischen Fürsten in den letztern Jahren seines Lebens stand, richten wir unsere Blicke auf die Rammelsbergschen

 

1) Annalista Saxo ad annum 1089. bei Eccard II. 572.

2) Hüne I. S. 216.

 

 

 

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Bergwerke. Sie geriethen unter dieses Kaisers Regierung etwa ums Jahr 1080 sehr in Abnahme 1). Die Veranlassung dazu soll, wie Honemann erzählt 2), folgende gewesen seyn:

 

Der Oberberghauptmann Albrecht, aus dem edlen Geschlechte der Helden, hatte eine reizende Gattin, in welche der wollüstige Heinrich IV. entbrannte. Um seine schändlichen Absichten zu erreichen, trug der Kaiser dem treuen Gatten eine Gesandtschaft auf, welche ihn längere Zeit vom Hause entfernt hielt. Diese Gelegenheit nahm Heinrich IV. wahr, zog gen Scharzfels, wo Albrecht wohnte, auf die Jagd, und blieb dort über Nacht, wo er seinen entehrenden Plan wirklich ausführte. Am andern Tage reisete der Kaiser wieder nach Goslar zurück. Heimgekehrt von seiner Gesandtschaftsreise, fand Albrecht seine schöne Gattin in tiefem Kummer. Kaum hatte er aber die Ursache ihres Grams erfahren, so erglühte er vor Rachsucht, und eilte nach Goslar, um dort den Kaiser persönlich zur Rede zu stellen. Allein Albrecht ward nicht vorgelassen, und der Kaiser machte sogar Anstalt, ihn heimlich aus dem Wege räumen zu lassen. Hiervon in Kenntniß gesetzt, bereitete sich Albrecht zur Flucht, nahm aber viele Bergleute auch vom Rammelsberge mit sich. Dadurch geriethen die Bergwerke bedeutend in Verfall.

 

Es ist ungewiß, wohin sich Albrecht mit jenen Bergleuten begeben habe. Nach Einigen gingen sie zu den Sachsen, des Kaisers Feinden, nach Andern zogen sie nach Ungarn und Siebenbürgen, und wieder nach Andern nach Thüringen. Das Zweite scheint noch die am Meisten vorzuziehende Meinung bei dieser ungewissen Begebenheit zu seyn 3).

 

Einer andern Nachricht zufolge, welche Calvör 4) in seinem Niedersachsen anführt, hieß dieser von Heinrich IV. schwer beleidigte Gatte nicht von der Helden, sondern Graf von Lauterberg, und es geschah diese Begebenheit im Jahre 1080.

 

Uebrigens erhielt Wittekind von Wolfenbüttel das Schloß Scharzfels, nach Albrecht’s Entfernung, als Reichslehn, und außer der Reichsvoigtei Pöhlde noch den Zehnten der goslarschen

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1) Gmelin’s Beiträge zur Geschichte des deutschen Bergbaus.

2) Honemann’s A. G. I. S. 42. 43. 44.

3) Honemann I. S. 44.

4) Calvör. S. 496. — nach der Braunschweigschen Topographie.

 

 

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Bergwerke 1). Da jedoch Wittekind ohne männliche Erben verstarb, so kam später Alles wieder an Kaiser und Reich zurück 2).

 

Von diesem Wittekind von Wolfenbüttel erzählt die Geschichte noch einen Zug, der nur aus der Rohheit jener Zeit sich erklärt und von nichts weniger, als adeligem Sinne zeugt. Im Jahre 1100 fand von Seiten der Domgeistlichkeit zu Goslar eine feierliche Procession Statt; bei welcher man mit den beiden werthvollen silbernen Särgen des Doms, an denen 16 Personen tragen mußten, um die Stadt zog. Da war es nun, wo Wittekind von Wolfenbüttel mit einem Haufen von Strauchräubern nahe bei der Stadt auf dem Nonnenberge (nach unserer Chronik: auf dem Nordberge) sich in einen Hinterhalt gelegt hatte. Als nun der andächtige Zug auf der Anhöhe anlangte, drang Wittekind aus seinem Hinterhalte hervor, um die reiche Beute der silbernen Särge zu erhaschen 3). So zahlreich auch die Begleiter der Procession waren, so sahen sie sich doch ohne Waffen außer Stande, die Kleinodien des Doms gegen jene Räuber zu schützen. Sie faßten daher einen schnellen Entschluß, und warfen die beiden Särge in den Stadtgraben, um sie auf diese Weise für’s Erste in Sicherheit zu bringen. Uebrigens ging von dieser Zeit an die Procession nicht mehr um die Stadt, sondern hielt sich allein in den Ringmauern derselben.

 

Wir nahen uns nun dem Zeitpuncte, wo Heinrich IV. vom Schauplatze abtritt. Der Krieg mit den Sachsen dauerte mit einigen Unterbrechungen ziemlich bis an das Ende seines Lebens fort. Neben diesen äußern Kriegen hatte der alte Kaiser mitten im Schooße seiner Familie schwere Kämpfe zu bestehen; denn schon 1095 ließ sich sein Sohn Heinrich V. auf des Pabstes Anstiften zu einer Empörung gegen den Vater verleiten 4).

 

So starb Heinrich IV. im Jahre 1106 am 7ten August in seines unwürdigen Sohnes Gefangenschaft, nachdem er volle 50 Jahre unter den abwechselndsten Schicksalen über Deutschland geherrscht hatte.

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1) Auctor anonymus chronici ducum Brunsv. bei Calvör. S. 498.

2) Honemann I. S. 44.

3) Mund. S. 392.

4) Hüne I. S. 217.

 

 

 

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§. 8. Die Regierungszeit Heinrich’s V.

Goslar, Heinrich’s V. beliebter Aufenthaltsort. — Das Gewitter verletzt den Kaiser. — Unruhen der Sachsen. Reichstage in Goslar. Ansehen der Stadt. Gründung der Frankenbergschen Kirche. Vom Dome, und dem Ansehen der goslarschen Domgeistlichen. — Vom Kloster St. Georgenberg — Die Bergwerke am Rammelsberge.

 

Dem vielgeprüften und tiefgedemüthigten Heinrich IV. folgte sein Sohn Heinrich V. in der Regierung, welcher schon 1103 zum Kaiser bestimmt worden war, und beinah 20 Jahre am Ruder blieb. Auch dieser Kaiser 1) hielt sich gern in Goslar, der Geburtsstadt seines Vaters, auf. Hier war es auch, wo ihm gleich im ersten Jahre seiner Regierung 1107 ein merkwürdiger Vorfall begegnete. In der Nacht stieg einst, als er sich in seinem Pallaste bereits zur Ruhe begeben hatte, plötzlich ein Gewitter auf, der Blitz schlug in den kaiserlichen Pallast, traf des Kaisers Schwerdt, und nahm einen bedeutenden Theil von dieses Schwerdtes Spitze, so wie den Gürtel seines Schildes hinweg. Das inwendige Leder des Schildes ward stückweise in Runzeln verwandelt, ja, der Kaiser selbst am großen Zehen seines rechten Fußes so verwundet, daß er die Spuren davon zeitlebens behielt. Man sagt, er habe dieß Ereigniß als eine Strafe des Himmels für seine Untreue gegen seinen Vater gehalten, und von Stund’ an jenes Betragen tief bereut 2).

 

Der Ruhestand, welcher nach Heinrichs IV. Tode in Sachsen eingetreten war, dauerte nicht lange. Schon im Jahre 1109 brachen neue Unruhen aus, welche einen langwierigen Krieg zwischen Heinrich V. und den sächsischen Fürsten zur Folge hatten, bei welchem auch Goslar nicht unberührt bleiben konnte. In Goslar war es, wo der Kaiser auf einer Reichsversammlung im Jahre 1112 den Herzog Lothar und den Markgrafen Rudolph aller ihrer Würden entsetzte, weil sie zu seinem Verdrusse einen Grafen Friedrich von Stade in Gefangenschaft hielten 3). Wie erbittert namentlich

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1) Honemaml I. S. 45. Heineccii A. G. I. p. 109.

2) Dodechinus in app. ad M. Scot. pag. 466. Heinece. I. c.

3) Hüne I. S. 221.

 

 

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Lothar auch hierüber war, so mußte er nach abwechselndem Glücke und zuweilen herrschender Ruhe sich endlich doch bequemen, vor der Hand dem Kaiser sich zu unterwerfen. Auf einem Reichstage in Goslar 1) im Jahre 1114 erschien er in einem langen grauen Gewande, um sich des Kaisers Gnade zu erflehen, welche ihm denn auch zu Theil wurde. Dessenungeachtet erhob er sich bald wieder an der Spitze der Sachsen gegen den Kaiser, und Heinrich V. sah sich zuletzt genöthigt, nachzugeben und 1120 mit den Sachsen einen Frieden abzuschließen 2).

 

Glänzend waren die Reichsversammlungen, welche zu Heinrich’s V. Zeit in Goslar gehalten wurden. Gewöhnlich hatte das Gefolge der Fürsten, Grafen und Herren nicht Raum in der Stadt selbst, sondern mußte sich nach dem feierlichen Einzuge in die Stadt vor den Thoren nach den verschiedenen Stämmen Deutschlands lagern. Nur wenige von den Vasallen und Lehnsleuten blieben mit in der Stadt selbst.

 

Trotz der Unruhen, an welchen Heinrich’s V. Regierung so reich war, vernachlässigte doch auch dieser Kaiser die kirchlichen Anstalten und geistlichen Stiftungen Goslar’s nicht.

 

Was zunächst das Stift SS. Simonis et Judae betrifft, so blieb dasselbe fortwährend in hohem Ansehen, und bewahrte sich als eine Pflanzschule der hohen Geistlichkeit in Deutschland. So war es ein Domprobst von Goslar, Namens Maso 3), welcher im Jahre 1118 wieder auf den bischöflichen Stuhl von Verden gelangte. Ja, sogar ein Diakonus aus diesem Stifte, Namens Brünig, wurde in demselben Jahre zum Bischofe von Hildesheim erwählt. So berichtet wenigstens unsere Chronik.

 

Nicht minder stand auch das St. Petersstift in und vor Goslar zu Heinrichs V. Zeit in großem Ansehen. So war Conrad, ein Probst dieses Stifts, im Jahre 1108 ein wichtiger Zeuge, als Udo, Bischof von Hildesheim, eine weiter unten zu erwähnende Urkunde ausfertigte 4).

 

Ohne Zweifel war es auch zur Regierungszeit eben dieses Kaisers Heinrichs V., als die jetzige Frankenbergsche oder Petri- und

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1) Nach Andern erschien er zu Mainz vor dem Kaiser.

2) Annalista Saxo ad annum 1120, bei Eccard II. 643.

3) Kirchen- u. Reformations-Geschichte von Norddeutschland von Schlegel. Band I. S. 175.

4) Kurze etc. Geschichte des Petersstiftes. S. 49.

 

 

 

 

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Pauli-Kirche erbaut wurde. Denn in der bereits erwähnten Urkunde von Udo, dem Bischofe zu Hildesheim, vom Jahre 1108 wird schon diese Kirche feierlich zu einer besonderen Pfarrkirche ernannt und ihre Grenzen werden beschrieben 1). Nicht minder wurde die an dieser Kirche erbaute Capelle, jetzt die Sakristei, wahrscheinlich während dieses Zeitraums von Albert Bolen, einem angesehenen Bürger Goslar’s, gestiftet 2).

 

Dem eben erwähnten Bischofe Udo von Hildesheim schenkte Heinrich V. laut einer vorhandenen Urkunde vom Jahre 1108 3) das bereits erwähnte Kloster St. Georgenberg. Wahrscheinlich war es auch eben dieser Kaiser, der dieses von Conrad II. in ein Kloster der Augustiner-Chorherren verwandelte Schloß erst völlig einrichtete, wie es denn auch in der eben angezogenen Urkunde ausdrücklich heißt, es sey dieß Kloster von Conrad dem Zweiten nicht vollendet worden. Auch schenkte Heinrich V. diesem Kloster noch den sogenannten Grafenhof, das jetzige Grauhof, — wahrscheinlich ein kaiserliches Landgut (welches in der mehrerwähnten Urkunde Comitatus in Hertegau genannt wird), sammt der dabei liegenden Länderei, und dem Wäldchen Ale (Ole), kurz Alles, was zwischen den beiden Hauptstraßen lag, von denen die eine nach Benningerode (jetzt unbekannt) und die andere nach Immenrode führte. Auf die weitern Schicksale des bedeutenden Klosters St. Georgenbetg, so wie auf das zu demselben gehörige Grauhof, und die Ursachen der Verlegung des Klosters nach Grauhof werden wir später wieder zurück kommen. Der Name des von Heinrich V. an St. Georgenberg geschenkten Comitats oder Grafenhofs, nämlich Grauhof, kömmt sicherlich davon her, daß kaiserliche Grafen hier ihren Sitz hatten, oder wenigstens sich, vielleicht des Jagdvergnügens halber, öfter hier aufhielten. Andere Ableitungen dieses Namens vom grauen Steine der Umgegend oder den grauen Mönchen des Klosters Walkenried übergehen wir hier 4).

 

Was endlich die Bergwerke am Rammelsberge betrifft, so kamen dieselben zur Regierungszeit Heinrichs V. wieder mehr in Aufnahme. Die zurückgebliebenen Bergleute bewiesen sich sehr thätig,

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1) Mund. S. 348.

2) Heineccii A. G. I. p. 10.

3) Calvör’s Niedersachsen. S. 475.

4) Calvör’s Niedersachsen. S. 472. Honemann II. S. 84. 85.

 

 

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viele verlassene Gruben wurden wieder belegt und bis zu Heinrich’s des Löwen Zeit betrieben.

 

§. 9. Die Regierungszeit Lothar’s.

Reichstag in Goslar. — Feuersbrunst. — Der Dom. — Kloster Riechenberg. — Die St. Stephans-Kirche. — Das Rathhaus. — Die Bergwerke.

 

Der Tod Heinrichs V. erfolgte im Jahre 1125, ohne daß von ihm ein Sohn hinterlassen wurde. Mit diesem Kaiser schloß sich die Reihe der fränkisch-salischen Kaiser. Noch einmal gelangte ein sächsischer Fürst, Lothar von Sachsen, ein ehemaliger Gegner Heinrich’s V., an den deutschen Thron 1). Feierlich hielt er noch im Jahre 1125 seinen Einzug in Goslar, wo er nach dem Berichte unserer Chronik viele Streitigkeiten beilegte.

 

Lothars Regierung war nicht minder unruhvoll, als die seines Vorgängers, jedoch in anderer Beziehung. Seine kriegerischen Unternehmungen bezogen sich mehr auf andere Gebiete, namentlich auf Italien. Im Sachsenland kehrte dagegen Ruhe ein.

 

Auch Kaiser Lothar hielt sich zu wiederholten Malen in Goslar auf. Hier war es, wo er 1129 dem Kloster Clus bei Gandersheim mittelst einer Urkunde Wiesen- und Ackerländerei in Dankelnsen schenkte, und 1130 einen Vergleich mit dem Erzbischose zu Magdeburg, Namens Nordbert, abschloß, dem zufolge der letztere die damals zum Reiche gehörige Abtei zu Alsleben an der Saale empfing, dagegen der Kaiser das Schloß Scharzfels wieder an sich und das Reich brachte, auf welches Nortbert Ansprüche gemacht hatte 2). Eben so fand 1134 eine Reichsversammlung in Goslar Statt, auf welcher der Kaiser einem Stifte in Braunschweig, sowie einer neuen Einrichtung im Kloster Clus bei Gandersheim mittelst besonderer Urkunde die Bestätigung verlieh 3).

 

Während Lothar’s Regierungszeit traf aber auch die Stadt Goslar im Jahre 1136 oder nach Heineccius 1137 das beklagenswerthe Schicksal, von einer verheerenden Feuersbrunst heimgesucht

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1) Hüne I. S. 223.

2) Honemann I.S. 46.

3) Leuckfeld’s Beschreibung von Gandersheim. S. 167.

 

 

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zu werden, durch welche der dritte Theil der Stadt in Aschenhaufen verwandelt wurde. Doch so wie unsere Chronik von diesem Unglücke berichtet, so erwähnt sie auch, wie bald die Stadt sich wieder erholt habe und zu verjüngtem Glanze und Ansehen gelangt sey.

 

Gleich seinen Vorgängern in der Regierung war auch Lothar der Kirche und ihren Dienern sehr zugethan, wogegen denn namentlich die Bischöfe auch ihm treu ergeben waren.

 

Auch er suchte das Ansehen des goslarschen Domes zu erhöhen. So ließ er z. B. das zu Trier aufgefundene Haupt des heiligen Matthias in diesen Dom bringen, welches, in Silber gefaßt, daselbst bis zum Jahre 1613 blieb, wo es zur Zeit des Kaisers Matthias nach Prag gebracht wurde 1).

 

So wie ferner unter Lothar es gewesen seyn soll, als die Kirche zu St. Stephan in dem östlichen und untern Theile der Stadt in Form einer Capelle erbaut wurde 2), so war es auch Lothar, der das im Jahre 1117 durch den Herzog Ludwig von Sachsen in der Nähe Goslar’s gestiftete Kloster Riechenberg (in ältern Schriften: Riefenberg oder Reifenberg) im Jahre 1130 reichlich beschenkte 3).

 

Am Bergbau in dem Rammelsberge traten unter Lothar’s Regierung besondere Veränderungen nicht ein.

 

Nicht unwichtig, namentlich auch für die bessere Rechtspflege in Goslar, war es ohne Zweifel, daß Lothar auf seinem zweiten Zuge nach Italien zu Amalfi den vom Kaiser Justinianus verordneten Codex der Pandecten 1137 wieder auffand 4), und so dem römischen Rechte und dessen genauern Bestimmungen auch in Deutschland wieder zum Ansehen verhalf. Mit dieser Entdeckung mag es zusammenhängen, daß Lothar auch auf die Erbauung eines Rathhauses in Goslar bedacht war, und diesen Bau nach dem Berichte unserer Chronik bereits vorbereitete 5). Nach andern Angaben soll jedoch dieser Bau schon im Jahre 1131 begonnen worden seyn. So viel dürfte indessen außer allen Zweifel gesetzt seyn, daß Lothar die Vollendung des Baues nicht erlebte. Der Tod ereilte ihn auf seiner Heimkehr von Italien in dem Jahre 1137 den

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1) So berichtet unsere geschriebene Chronik.

2) Mund. S. 344.

3) Schlegel I. S. 181. Hüne I. S. 230. Mund. S.118.

4) Hüne I. S. 229.

5) Mund. S. 81.

 

 

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3ten December. Seine Gebeine, so wie die seiner Gemahlin, ruhen in Königslutter im Braunschweigschen.

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Ehe wir nun diese erste Periode der Geschichte Goslars von 923 bis 1138 beendigen, fügen wir noch Einiges über die älteste Verfassung der Stadt hinzu. In den ältesten Zeiten standen ohne Zweifel die Kaiser selbst der Stadt vor, und verfügten von der kaiserlichen Burg aus oder auf dem sogenannten Kaiserbleke, was ihnen nothwendig und diensam erschien. Später aber, als die Stadt immer volkreicher wurde, sie auch selbst öfter abwesend seyn mußten, setzten sie zur Bewahrung ihrer herrschaftlichen Vorrechte und kaiserlichen Hoheit Reichsvoigte, oder Reichsschuldheiße (advocatos caesareos) ein, welche den Landfrieden bewahren und auf dem Kaiserbleke Recht sprechen, auch die bestimmten Einkünfte, namentlich von dem Rammelsberge einsammeln mußten 1).

 

Schon im 12ten Jahrhunderte, wo alle Harzforsten und Bergwerke noch kaiserliches Eigenthum waren, und die Stadt Goslar, Namens des Kaisers die Verwaltung der Rammelsbergschen Bergwerke hatte, sollen nach Honemann 2) nach und nach gewisse Gesetze abgefaßt worden seyn, auf welche wir in der folgenden Periode zurück kommen werden.

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1) Honemann I. S. 63. 64.

2) Alterthümer des Harzes. Theil I. S. 128.

 

 

 

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Druck von Bernh. Tauchnitz jun. in Leipzig.

 

 

 

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Zweite Periode. Von Kaiser Conrad III. bis zu Rudolphs I. Tode (1138 bis 1291).

 

§. 1. Rückblick in die vorige Periode, und Anknüpfung an die neue.

 

Ein Zeitraum von mehr als 200 Jahren ist es, dessen wechselnde Ereignisse für Goslar wir bisher betrachtet haben. Wir sahen, wie allmählig die von Heinrich I. gegründete Stadt unter der Regierung von 9 Kaisern an Umfangs und Glanz gewann, wie sich in ihr ein kaiserlicher Pallast erhob, und wie nächst der St. Augustinus-Capelle jener großartige Dom, der so viele Jahrhunderte hindurch dem Sturme der Zeit getrotzt hat, erbaut und das St. Petersstift, so wie das St. Georgen-Kloster gegründet wurde. Wir sahen ferner, wie in dem Schooße des Rammelsberges die edlen Gold- und Silberschätze geöffnet wurden. Die Entstehung der längst verschollenen Marien-Capelle, so wie der gleichfalls in Schutt verwandelten Kirche zu unsrer lieben Frauen, neben der Gründung der Cäcilien-Capelle, der Marktkirche, der Jacobi-, Stephani- und St. Petri- und Pauli-Kirche auf dem Frankenberge begegnete unserm forschenden Blicke. Es umrauschten uns die Stürme mannigfacher Unruhen, welche wie düstre Gewitterwolken die Stadt umlagerten. Der Ungernkriege fürchterliche Greuel, so wie später die fast endlosen Kämpfe Heinrichs IV. und V. mit den sächsischen Fürsten zogen vor unserm Auge vorüber, und durch die düstern Nachtwolken des Aberglaubens, der hierarchischen Beschränkung und der Sittenrohheit drang zu unserer Freude von Zeit zu

 

 

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Zeit das erquickende Licht einer frommen Einfalt, die in glühender Anhänglichkeit an das Heilige ihre segnenden Arme in die fernen Jahrhunderte hinausstreckte.

 

Die neue Periode, deren wechselnde Schicksale für die Stadt Goslar wir nun zu betrachten haben, ist zwar weniger umfassend der Zeit nach — denn nur 150 Jahre begreift sie, — aber sie ist desto umfassender an Ereignissen. Abermals sind es 9 Kaiser, welche während dieser Periode, wenn gleich einige zu einer und derselben Zeit, — das Scepter führten. Nur an die Namen eines Friedrich I., eines Heinrich des Löwen, eines Philipp von Schwaben und eines Otto IV. dürfen wir erinnern, um das Ereignißvolle dieser neuen Periode zu ahnen. Doch wir lassen die Geschichte selbst reden.

 

§. 2. Die Regierungszeit Conrad’s III. 1138—1152.

 

Fortsetzung des Rathhausbaues. Ansehen der Stadt und der Hauptstifter. Gründung des Klosters Neuwerk. Conrad’s III. Kampf mit Heinrich dem Löwen.

 

Schon in der vorigen Periode ist es bemerkt worden, daß Lothar den Bau des Rathhauses in Goslar, das noch immer als ein Denkmal entschwundener Jahrhunderte dasteht, wenigstens habe vorbereiten lassen 1). Der Platz, welchen man dazu erwählte, war morastig und sumpfig. Die Verbesserung des Grundes und Bodens zum Aufbau des Rathhauses mag daher längere Zeit erfordert haben. So viel ist gewiß, daß Kaiser Lothar die Vollendung des Baues nicht erlebte. Fortgesetzt wurde jedoch dieser Bau ohne Zweifel unter Lothar’s Nachfolger, dem Kaiser Conrad III., wenn gleich die Vollendung desselben erst im Jahre 1184 unter Friedrich I., Barbarossa oder Rothbart genannt, Statt fand.

 

Conrad III., der Hohenstaufe hatte nach Lothar’s im Jahre 1137 erfolgtem Tod den deutschen Kaiserthron bestiegen. Er war der erste schwäbische Kaiser, ein Schwestersohn Heinrich’s V. So gerechte Ansprüche auch Lothar’s Schwiegersohn, Heinrich der Stolze, Herzog von Baiern und Sachsen, auf den Thron hatte, so ward doch, trotz der Abwesenheit der Sachsen, die Wahl Conrad’s III.

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1) Mund’s topographisch-statistische Beschreibung Goslar’s. S. 81.

 

 

 

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zum Kaiser durchgesetzt, und selbst Heinrich der Stolze, durch Conrad’s lockende Versprechungen bewogen, erkannte ihn an, und lieferte ihm die Reichsinsignien aus. Doch Conrad vergaß nur zu bald seiner Zusagen, und die Feindseligkeiten zwischen beiden nahmen ihren Anfang 1). Die Züge gegen diesen mächtigen Feind, so wie die Kreuzzüge nach dem gelobten Lande, welche damals fast die ganze Christenheit in Bewegung setzten, und auch Conrad 4 Jahre hindurch vom deutschen Boden fern hielten 2), mögen diesen Kaiser wohl verhindert haben, für Goslar’s Erweiterung oder Verschönerung sich thätig zu erweisen.

 

So viel ist jedoch außer allen Zweifel gesetzt, daß auch unter Conrad’s III. Regierung die Stadt Goslar in hohem Ansehen stand 3), und daß namentlich auch von ihm in dieser Stadt Reichsversammlungen gehalten wurden. So war es zu Goslar, wo Conrad III. um Weihnachten 1139 4) Lothar’s Schwiegersohne, dem Herzoge Heinrich dem Stolzen, dem Vater des berühmten Heinrich des Löwen die Herzogthümer Baiern und Sachsen absprach, da er sich geweigert hatte, freiwillig das eine dieser Herzogthümer abzutreten.

 

Von einem Fürsten, wie Conrad III. war, welcher, von religiöser Begeisterung getrieben, selbst an den gefahrvollen Zügen nach dem gelobten Lande Theil nahm, läßt es sich wohl erwarten, daß er auch, so weit es seine vielfach verwickelten Regierungsgeschäfte gestatteten, den kirchlichen Anstalten Goslar’s seine Fürsorge nicht werde entzogen haben.

 

Die Pracht bei der Feier der großen Jahresfeste war auch zu Conrad’s III. Zeit noch groß, wenn gleich er selbst nicht oft daran Theil genommen haben mag 5). Das hohe Ansehen der geistlichen Hauptstifter Goslar’s während seiner Regierungszeit tritt uns in mehreren Erscheinungen entgegen. So war es ein Probst des St. Petersstiftes in und vor Goslar, der unter Conrad’s Regierung

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1) Hüne’s Geschichte von Hannover. Band I. S. 234. 235.

2) Schlegel’s Kirchengeschichte von Norddeutschland. I. S. 183.

3) Mund. S. 130. 131.

 

4) Hüne I. S.235. — Leuckfeld’s Gandersh. Antiquitäten: S. 298 und 299, wo sich ein Gnadenbrief desselben für die Domherren Goslar’s findet.

5) Mund. S. 130. 131. Conrad III. gab auch den Stiftsherren des Doms in Goslar 1144 mittelst eines Diploms den dritten Theil der Opfer, welche den heiligen Reliquien des heil. Matthias, Rusticus und Venantius dargebracht wurden. Leuckfeld’s A. Gandersh. p. 298.

 

 

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unter den angesehenen Geistlichen seiner Zeit so sehr hervorragte, daß er bald nach dieses Kaisers Tode (im Jahre 1153) auf den hildesheimschen Bischofsstuhl gelangte. Es war dieß der Probst Bruno (1146—1152) 1). —

 

Nicht minder dürfte es in die Regierungszeit dieses Kaisers fallen, daß ein kaiserlicher Reichsvoigt, Namens Vincentius Volkmar von Wildenstein die Stiftung eines Jungfrauen-Klosters, des nachher sogenannten Klosters Neuwerk zu Goslar, vorbereitete, welches gegenwärtig in eine höchst wohlthätige Versorgungsanstalt umgewandelt worden ist. Wenigstens giebt unsere Chronik schon das Jahr 1152 als das der Stiftung dieses Klosters an, wogegen Mund in seiner topographischen Beschreibung Goslar’s das Jahr 1178 nennt, und zugleich in einer Anmerkung sagt, von Andern werde das Jahr 1160 oder 1162 angegeben. Der Verfasser der sehr schätzenswerthen Geschichte dieses Klosters, welche sich im ersten Bande der Mittheilungen geschichtlichen und gemeinnützigen Inhalts für das Fürstenthum Hildesheim und die Stadt Goslar von Koken und Lüntzel findet, giebt das Jahr der eigentlichen Stiftung dieses Klosters nicht an, sondern nennt nur das Jahr (1186) der Einweihung der Capelle.

 

Es gab um jene Zeit im Norden Goslar’s eine Art Vorstadt 2), welche man das römische Dorf (villa romana) nannte, und in welchem sich eine Capelle und ein Gasthaus zum Unterkommen derer, die dem kaiserlichen Hoflager folgten, befand. Hier war es, wo Volkmar von Wildenstein den Platz zu seiner Stiftung ausersehen hatte. Daß diese Villa schon von Karl dem Großen angelegt, später aber von den heidnischen Sachsen einmal verwüstet, sodann wieder aufgebaut und noch zur Zeit Heinrichs I., des Gründers der Stadt Goslar, vorhanden gewesen sey, ist nach Mund eine Sage aus der Vorzeit, worüber eine dokumentarische Nachricht nicht vorhanden ist. Es dürfte schwerlich gelingen, den Ursprung dieser Benennung Römerdorf, welche in einer später zu erwähnenden Urkunde vorkömmt, nachzuweisen. Jedoch die Aechtheit jener Urkunde selbst deshalb anzugreifen, wie es geschehen ist, kann keinesweges statthaft erscheinen.

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1) Kurze Geschichte des Petersstiftes u. s. w. S. 49.

2) Mund. S. 412. Koken’s und Lüntze’s Mittheil. I. S. 112.

 

 

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Doch wir brechen hier die weitere Erzählung der Gründung dieses Klosters ab, da die Einweihung desselben in die Regierungszeit Friedrich’s I. fällt.

 

Kaum war Kaiser Conrad III. von seinem Zuge nach dem gelobten Lande, der ziemlich kläglich ausgefallen war, zurückgekehrt, so begannen für ihn auch die Feindseligkeiten im Reiche. Am Drohendsten erhob sich noch in demselben Jahr 1149 der bereits 1147 zur Volljährigkeit gelangte Sohn Heinrichs des Stolzen, jener kräftige Heinrich der Löwe, welcher seine Ansprüche auf das Herzogthum Baiern, das ihm noch immer vorenthalten wurde, geltend zu machen suchte. Kühn trat der Kaiser diesem mächtigen Feinde entgegen, und beängstigte schon die nahgelegene Stadt Braunschweig, Heinrichs des Löwen liebste Stadt. Da erschien plötzlich Heinrich in Braunschweig 1). Bei Nachtzeit und verkleidet hatte er sich mit Wenigen seiner Getreuen durch die aufgestellten kaiserlichen Wachen hindurchgeschlichen. Ihm nun die Stirn zu bieten, wagte jedoch der Kaiser Conrad III. nicht, sondern er zog sich unverzüglich in seine Stadt Goslar zurück, um hier einen günstigern Zeitpunkt für seine Unternehmungen gegen Heinrich den Löwen abzuwarten. Doch der Tod nahm ihn schon im März des Jahres 1152 hinweg, wozu er ohne Zweifel den Keim schon aus dem Morgenlande mitgebracht hatte 2).

 

§. 3. Die Regierungszeit Friedrich’s I.

Reichstag von Goslar. Reichsvoigtei. — Das Ritterhaus. Stiftung des heiligen Kreuzes. Heinrich der Löwe empfängt die Harzforsten. Walkenried erhält den vierten Theil des rammelsbergschen Erzes. Belagerung Goslar’s. Eroberung der Dasseburg. Goslarsche Fuhrleute entdecken das Erz bei Freiberg. Heinrich der Löwe trachtet nach dem Besitze der Stadt Goslar, zerfällt mit Friedrich I., wird geächtet und entsetzt. Friedrichs I. Kreuzzug und Tod. Goslar’s geistliche Stifter und Kirchen.

 

Ereignißvoller für Goslar war ohne Zweifel die Regierungszeit des denkwürdigen Kaisers Friedrichs I., Barbarossa oder Rothbart

 

1) Hüne I. S. 263.

2) Schlegel I. c. I. S. 187.

 

 

 

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genannt. Er bestieg den deutschen Kaiserthron noch in demselben Jahre 1152. Ausgerüstet mit hohen Anlagen des Geistes und energisch in allen seinen Handlungen, hätte Friedrich I. wahrscheinlich noch weit mehr Deutschlands Wohl gefördert, wenn nicht besonders die öftern Züge nach Italien ihn zu lange Zeit vom deutschen Boden fern gehalten hätten. Vielleicht lebte auch in seinem Geiste die von mehreren Kaisern genährte Idee, die Macht der alten römischen Kaiser wiederherzustellen, und von Rom, der alten Weltstadt, aus, den vollen Glanz der kaiserlichen Majestät leuchten zu lassen 1). Diese Züge nach Italien nahmen bald nach seiner Thronbesteigung ihren Anfang. Um sogleich zu dem ersten dieser Züge den mächtigen und tapfern Herzog von Sachsen, Heinrich den Löwen, für sich zu gewinnen, sprach Friedrich I. demselben im Junius des Jahres 1154 auf einem Reichstage zu Goslar das längst von ihm in Anspruch genommene Herzogthum Baiern wiederum zu 2).

 

Doch auch in den wenigen Jahren seiner anfänglichen Anwesenheit in Deutschland (1152—1154) vor dem ersten Römerzuge gab Friedrich I. der Stadt Goslar Beweise seiner besondern Zuneigung, deren der Verlauf der Geschichte uns mehrere zeigen wird. So war es einer seiner Procuratoren, welcher nach dem Berichte unserer Chronik 1152 unweit des Kaiserpallastes das sogenannte Ritterhaus erbauen ließ, von welchem freilich jetzt keine Spur mehr vorhanden ist. Der Name jenes Procurators war Philippus. Vielleicht war dieß ein Absteigequartier für die Begleitung des Kaisers.

 

Friedrichs I. bereits erwähnter Zug nach Italien ward endlich noch vor Ende des Jahres 1154 angetreten, und vor Allen zeichnete sich bei dieser Gelegenheit Heinrich der Löwe durch seine Tapferkeit aus. Der Kaiser erreichte das Ziel, das er zunächst vor Augen hatte: die Kaiserkrone schmückte sein Haupt 3).

 

Schon im Jahre 1157 sehen wir Friedrich I. wieder in Goslar. Hier war es, wo er die Forsten des Harzes Heinrich dem Löwen, dessen Verdienste er anerkannte, als ein Erblehn überließ. Es geschah dieß auf einer glänzenden Reichsversammlung, welche hier

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1) Hüne I. S. 265.

2) Hüne I. S. 266.

3) Hüne I. S. 271.

 

 

 

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am 1sten Januar des genannten Jahres gehalten wurde 1). Zu bezweifeln dürfte es aber nicht seyn, daß Friedrich I. die Harzbergwerke von dieser Verleihung an Heinrich den Löwen ausgenommen habe, was noch deutlicher daraus hervorgeht, daß letzterer später als Feind des Kaisers jenen Bergwerken auf jede Weise zu schaden suchte. Wenigstens behielt sich der Kaiser den Zehnten vor. So berichtet auch Martin Hofmann in seiner historischen Beschreibung der rammelsbergschen und oberharzischen Bergwerke, es seyen diese Bergwerke von der ersten Aufnahme an bis auf das Jahr 1235, folglich bis zu den Zeiten Otto’s des Kindes, des ersten Herzogs zu Braunschweig und Lüneburg, als ein Reichsvorrecht unter kaiserlicher Gewalt gewesen und geblieben.

 

Auf eben demselben Reichstage zu Goslar bestätigte Friedrich I. auch Heinrich dem Löwen den Besitz des Schlosses Herzberg und des Schlosses Scharzfels, so wie des Hofes Pölde mit allem Zubehör.

 

Nicht minder war es auf diesem 1157 zu Goslar gehaltenen Reichstage, wo Friedrich I. an das im Jahre 1127 von Adelheid, der Gemahlin des Grafen Volkmar, Herrn zu Clettenberg, gestiftete Kloster Walkenried außer anderen wichtigen Privilegien den vierten Theil von dem aus dem Rammelsberge zu gewinnenden Erze schenkte 2).

 

Lange leuchtete zwar die Sonne des Glücks dem großen Heinrich dem Löwen, der den Kaiser auf seinem erwähnten Zuge nach Italien so kräftig unterstützt hatte, und von demselben an Macht und Gütern bereichert worden war; doch Größe erregt Neid und Mißgunst — eine Erfahrung, durch deren Schule auch Heinrich der Löwe gehen mußte. Es erhoben sich von allen Seiten Feinde wider diesen mächtigen Fürsten. Wie groß um diese Zeit das Ansehen der Stadt Goslar gewesen sey, welche gleichfalls auf die Seite der Feinde Heinrich’s trat, geht sicher auch daraus hervor, daß Heinrich der Löwe es für nöthig hielt, seine liebe Stadt Braunschweig gegen diese nahe gelegene feindliche Stadt zu befestigen.

 

Es war im Jahre 1164, als während der Abwesenheit des Kaisers, welcher sich in Italien befand, sich die Feinde Heinrichs des Löwen gemeinsam erhoben; denn jetzt glaubten sie, sey der günstigste Zeitpunkt da, diesen mächtigen Fürsten zu demüthigen, da

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1) Honemann I. S. 49. 50.

2) Honemann I. S. 52.

 

 

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der ihm noch befreundete Kaiser fern war. Die Erzbischöfe von Cöln und Magdeburg, der Bischof Hermann von Hildesheim, der Landgraf Ludwig von Thüringen, der Markgraf Albert von Brandenburg, der Fürst Bernhard von Anhalt, der Graf Christian von Oldenburg und Wittekind von Dassel waren es, welchen sich Goslar anschloß, um Heinrich des Löwen Länder zu überfallen und zu erobern 1). Dieser aber säumte nicht, seinen großen Unwillen über diese feindliche Stellung Goslar’s zu offenbaren; denn er belagerte 1167 die Stadt, und besetzte alle Landstraßen, auf denen die Stadt hätte Zufuhr erhalten können. Zwar gewährten Goslar’s starke Thürme und Mauern für die damalige Zeit einen mächtigen Schutz; allein Hungersnoth und überall herrschende Theuerung drückten Goslar’s Bewohner bald so sehr, daß die Uebergabe der Stadt in Kurzem hatte erfolgen müssen, wenn nicht Heinrich der Löwe selbst durch den überhandnehmenden Mangel an Lebensmitteln sich genöthigt gesehen hätte, die Belagerung aufzuheben.

 

Im darauf folgenden Jahre 1168 suchte endlich der Kaiser zwischen Heinrich dem Löwen und seinen zahlreichen Feinden eine Aussöhnung zu Stande zu bringen 2). Es gelang ihm solches auch bei den Uebrigen, welche Alles, was sie Heinrich dem Löwen im Kriege entrissen hatten, wieder herausgaben; nur Wittekind von Dassel oder Dasseburg trat dieser Aussöhnung nicht bei. Er setzte die Feindseligkeiten gegen Heinrich den Löwen um so eifriger fort, je lebendiger er daran gedachte, wie einst dieser ihn wegen Straßenräuberei hatte gefangen setzen lassen. Heinrich der Löwe zögerte jedoch nicht, ihm kräftig entgegenzutreten 3). Er rückte vor Wittekind’s Burg, und schloß sie so eng ein, daß Niemand von der Besatzung herauskommen konnte. Gleichwohl schienen alle Anstrengungen zur Einnahme der Burg vergeblich zu seyn. Wegen der bedeutenden Höhe des Berges, auf welchem die Burg lag, konnten die Mauerbrecher nicht in Anwendung gebracht werden. Allein Heinrichs des Löwen forschender Geist ersann ein anderes Mittel, um zu seinem Ziele zu gelangen. Er entbot eine Anzahl von goslarschen Bergleuten gen Dasseburg, welche den Berg untergraben mußten. Kaum waren diese mit ihrem Stollen an des Berges

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1) Honemann I. S. 52. 53.

2) Honemann I. S. 53.

3) Heinecc. A. Gosl. II. p. 167. 168.

 

 

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Mitte gekommen, so strömte ihnen das Brunnenwasser schon entgegen, und die Besatzung hatte solchen Mangel an Wasser, daß sich Graf Wittekind genöthigt sah, die Burg zu übergeben 1169.

 

Waren es hier Goslar’s Bergleute, welche Heinrich dem Löwen zur Erreichung seines Ziels förderlich waren, und sich dadurch einen vorzüglichen Ruhm erwarben; — so waren es im nächstfolgenden Jahre 1170 Fuhrleute aus Goslar, die durch eine wichtige Entdeckung sich auszeichneten. Sie führten nämlich Blei nach Böhmen 1). Als sie nun in die Gegend kamen, wo jetzt Freiberg liegt, entdeckten sie in dem Wagengleise des vom Regenwasser stark ausgewaschenen Fahrweges ein herrliches Glanzerz, welches den goslarschen Erzen ähnlich schien. Sie arbeiteten sofort einige Stufen davon los, und brachten es mit nach Goslar zurück, um den Gehalt — des Erzes erforschen zu lassen. Hier fand man dieses Erz reicher an Silber, als das rammelsbergsche. Und so zogen im nächstfolgenden Jahre 1171 von Goslar, Wildemann und Zellerfeld viele Bergleute hinweg, um den entdeckten edlen Gang weiter zu betreiben. Sie fanden, was sie wünschten, und erschürften nach und nach immer mehrere Erze. Zu ihrer Unterstützung kam der oberharzische Bergmeister Hermann von der Gowische mit einer neuen Anzahl von Bergleuten ebendahin, und so entstand hier aus dem alten Christiansdorfe nach und nach eine Stadt, die noch jetzt Sachsenstadt bei Freiberg heißt 2).

 

Endlich rückte der Zeitpunkt heran, wo Friedrich l. zum fünften Male nach Italien zu ziehen gedachte, um hier die aufrührerischen Longobarden zu demüthigen. Vergebens hatte er zu diesem wichtigen Zuge den mächtigen Herzog Heinrich den Löwen aufgefordert 3). Dieser hatte nämlich für seine vielfachen Aufopferungen vom Kaiser die ihm nahe gelegene wegen ihres Reichthums und der Bergwerke so wichtige Stadt Goslar zum Geschenke verlangt; allein Friedrich I. hatte ihm solches Ansuchen nicht gewährt, sondern sogar sehr verargt. Bedenkt man indessen, daß Kaiser Heinrich I. diese Stadt als Herzog von Sachsen besaß, so war freilich die Anforderung Heinrich’s des Löwen so ungerecht nicht. Eigentlich wünschte er nur wiederzuhaben, was seine Vorfahren besessen, und was die

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1) Honemann I. S. 54. 55.

2) Honemann I. S. 56.

3) Honemann I. S. 56.

 

 

 

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schwäbischen und fränkischen Kaiser sich nur angemaßt hatten. Friedrich I. jedoch gab solchen Erwägungen nicht Raum, sondern beeilte sich, nach seiner Rückkehr aus Italien 1), an Heinrich dem Löwen Rache zu nehmen.

 

Die Feindseligkeiten begannen damit, daß der Kaiser im Jahre 1180 auf einem Reichstage zu Würzburg den Herzog Heinrich den Löwen in die Reichsacht und somit aller seiner Reichslehen für unfähig erklärte. Dieß war nämlich die gewöhnliche Strafe für Reichsvasallen, welche bei den Heerzügen nicht in Person erschienen. Die Länder Heinrich’s des Löwen wurden mit Genehmigung des Kaisers auf folgende Weise vertheilt: Der Pfalzgraf Otto von Wittelsbach bekam Baiern, der Erzbischof Philipp von Cöln und Bernhard, Graf von Ballenstedt Engern und Westphalen, der Landgraf von Thüringen die Pfalz Sachsen, der Erzbischof von Mainz das Eichsfeld u. s. w.. Der Bruder des Fürsten Casimir Bugislav erhielt Pommern zu Lehn 2).

 

Gegen so viele Feinde galt es für Heinrich den Löwen einen harten Kampf, in welchen auch Goslar, des Kaisers öftere Residenz, verwickelt wurde. Mehrere Schlachten gewann Heinrich gegen die verschiedenen Widersacher, deren wir erwähnt haben, und Heinrichs Widerstand war bedeutend genug, um seine vereinten Feinde im Jahre 1181 zu einer Versammlung in Goslar zu veranlassen, auf welcher man gemeinsam berathschlagte, wie man den glücklichen Waffen des kräftigen Löwen Einhalt thun könne. Noch lag Heinrich im Eichsfelde, als er von dieser Versammlung Kunde erhielt 3). Unverzüglich brach er mit seinem Heere auf, zog über den Harz, und traf vor Goslar ein. Sein Hauptzweck ging jedoch wohl nur dahin, dem Kaiser auf jede Weise empfindlich zu schaden. Und dieß gelang ihm nur zu gut. Die zu Goslar versammelten Fürsten hatten schon die Flucht ergriffen, ehe Heinrich dort anlangte. Er begnügte sich daher damit, dem Kaiser zum größten Verdrusse die rammelsbergschen Bergwerke zu verheeren, und alle Schmelz- und Treibhütten zu verbrennen und dem Erdboden gleich zu machen, so daß in diesem Jahre die Bergwerke zum dritten Male liegen bleiben

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1) Honemann I. S. 56. Göbel’s Helmstädtsche Nebenstunden. II.Stück 2tes Capitel §. 118. —

2) Hüne I. S. 300.

3) Honemann I. S. 57.

 

 

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mußten, und ein Zeitraum von 28 Jahren hinging, ehe sie wieder völlig in Aufnahme kamen 1).

 

Goslar selbst aber hatte abermals eine harte Belagerung auszuhalten. Alle Zufuhr wurde abgeschnitten. Viele Einwohner raffte der Hungertod dahin. Da erschien noch zur rechten Zeit der Kaiser zur Rettung der Stadt, und griff Heinrich den Löwen mit einer solchen Heftigkeit an, daß seine festen Schlösser am Harze z. B. Lichtenberg, Heimburg, Blankenburg, Löwenburg in kurzer Zeit in des Kaisers Hände geriethen. Diese ließ der Kaiser stark besetzen, und setzte auch die vorher verwüstete Harzburg wieder in Stand. Ja, sogar Braunschweig, des Herzogs Residenz, eroberte Friedrich I., und als er darauf an den Harz zurückkehrte, ergaben sich ihm auch die herzoglichen Burgen zu Herzberg, Scharzfels und Stauffenburg, so wie auch die von Wöltingerode, von Dannenberg und von Ilfeld, so daß in diesen Gegenden dem Herzoge nichts mehr übrig blieb 2).

 

So war denn auch Goslar von allen den Bedrückungen befreit, welche es von diesem mächtigen Feinde hatte erdulden müssen, und friedlichere Verhältnisse machten es möglich, den während der Unruhen wahrscheinlich oft unterbrochenen Rathhausbau — so berichtet wenigstens unsere Chronik — im Jahre 1184 zu vollenden.

 

Noch war die Reichsvoigtei auch zu Friedrichs I. Zeit in hohem Ansehen; denn hoch genug war z. B. die Stellung des Reichsvoigts Volkmar, dessen die Geschichte (1188) erwähnt 3). Unter ihm stand damals noch die Stadt, wenn gleich schon dieser Kaiser Goslar ein besonderes Stadtrecht gegeben haben soll 4).

 

Das Jahr 1188 zeigt uns Friedrich I. in Goslar’s Mitte; denn hier war es, wo die Aebtissin von Gandersheim, Adelheid V. von ihm einen Schutzbrief empfing wider die Schirmvoigte (advocatos) ihres Stifts, die sich mannigfacher Bedrückungen schuldig gemacht hatten 5), so wie denn auch andere wichtige Verfügungen von ihm noch erlassen wurden.

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1) Honemann I. S. 58.

2) Heinecc. Ant. G. II. p. 179.

3) Lichtenstein etc. §. 10.

4) Lichtenstein etc. S. 26.

5) Leuckfeld’s Ant. Gandersh. p. 235.

 

 

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Im Jahre 1189 brach Friedrich I. noch zu einem Kreuzzuge mit seiner Armee auf, nachdem er seinen Sohn Heinrich, welcher bereits zum römischen Könige erwählt war, als Reichsverweser zurückgelassen hatte. Heinrich der Löwe, welcher längere Zeit hindurch in der Verbannung gelebt hatte, nahm des Kaisers Abwesenheit wahr, und eröffnete den Krieg mit dem jungen Könige. Jedoch Heinrich VI. belagerte vergebens Braunschweig und Limmer bei Hannover. Unverrichteter Sache mußte er nach Goslar zurückkehren, um im Frühjahre 1190 seinen Vernichtungskrieg mit dem gewaltigen Löwen aufs Neue zu beginnen. Doch eben dieses Jahr war es, in welchem Friedrich I., fern vom deutschen Boden, sein thatenreiches Leben endete 1). Er badete nämlich in den krystallhellen, aber eiskalten Fluthen des Flusses Seleph oder Kalykadnus; eine plötzliche Erstarrung überwältigte ihn, halbtodt zog man ihn heraus, und bald verschied er, 70 Jahre alt, in den Armen der Seinigen. Sein Leichnam ward zu Tyrus beerdigt.

 

Kurz vor seinem Zuge nach Palästina hatte er noch das Scharper- oder Kaiserthor in Goslar, welches auf die Landstraße nach Thüringen führte, zumauern lassen.

 

Hier wenden wir nun am Schicklichsten unsere Blicke auf die Schicksale, welche während Friedrich-s I. Regierungszeit Goslar’s geistliche Stifter und sonstige kirchliche Anstalten hatten.

 

Was zunächst das Domstift betrifft, so dauerte das hohe Ansehen desselben noch immer fort, und abermals war es ein Probst dieses Stifts, Namens Adalog, ein Herr von Dorstadt, welcher im Jahre 1170 oder 1171 Bischof von Hildesheim wurde, und als solcher später den Kaiser nach Palästina begleitete; denn auch Geistliche beseelte damals ein kriegerischer Geist und Viele derselben verstanden sich besser auf die Waffen, als auf die Wissenschaften. Noch immer währte des Kaisers Gnade über Goslar’s Domstift, welches auch Friedrich I. als den Ruhm seiner Krone betrachtete. Wichtige Privilegien verlieh er demselben auf dem 1188 zu Goslar gehaltenen Reichstage 2). Er verordnete ausdrücklich, daß die Schutz- und Schirmvoigte des Stifts, welche nicht selten ihre Befugniß übertreten haben mochten, an den Gütern des Stifts weiter kein Recht

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1) Schlegel I. S. 209.

2) Heinecc. A. G. I. p. 154. Lichtenstein etc. S. 10. 11. 12.

 

 

 

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haben sollten, als die Gerichte über Diebstahl, Schlägerei und Räuberei. Die neuen Verpachtungen der Bauerngüter, die Erbschaftsfälle der Colonen, so wie die neuen Vermeierungen, welches Alles sich die Schirmvoigte bisher angemaßt hatten, nahm er diesen gänzlich. Die Curien der Domherren sprach er von aller andern Gerichtsbarkeit frei, und bestimmte, daß selbst ein Missethäter, der das Leben verwirkt habe, in einem Stiftshause die vollkommenste Sicherheit vor jedem Verfolger und Richter finden solle, und nie mit Gewalt aus demselben geholt werden dürfe. Neben dieser Bestätigung der Freiheit und Unmittelbarkeit dieses Stifts enthält die betreffende Urkunde auch noch ausdrückliche Erklärungen des Kaisers über die geistliche Gerichtsbarkeit des Doms. Er bestimmte nämlich, daß kein Bischof irgend einen Domherrn dieses Stifts in den Bann thun oder ihm die Ausübung der geistlichen Handlungen in der Stiftskirche untersagen solle, ohne des Kaisers Vorwissen und Genehmigung. Zugleich gab er den Stiftsherren deshalb einen Verweis, daß sie ihre alte und wohlerworbene Freiheit dadurch hätten stören lassen, daß sie den päbstlichen Nuntius ohne die kaiserliche Einwilligung in ihre Kirche ehrerbietig aufgenommen, ihm Geld gegeben und auf sein Verbot den Gottesdienst eingestellt hätten. Solches Verbot untersagte er für die Zukunft feierlichst, und drohte dem Stifte sogar Strafe an, wenn es sich dergleichen wieder werde zu Schulden kommen lassen.

 

Nicht minder bedeutend war auch das Ansehen des St. Petersstifts in und vor Goslar während der Regierungszeit Friedrich’s I. Der schon erwähnte Probst Bruno, welcher diesem Stifte in den Jahren 1146—1152 vorstand, gelangte 1153 auf den bischöflichen Stuhl von Hildesheim, und schenkte dem Petersstifte im Jahre 1158 eine Hufe Landes vor Werla. Nicht lange hernach nahm das Petersstift die bereits oben erwähnte Clus vor dem breiten Thore wieder zu sich. Auf den eben genannten Probst Bruno folgte im Jahre 1153 ein Graf von Dassel, Namens Rainold, als Probst, welcher zugleich die Probstei zum St. Moritzberge bei Hildesheim hatte, und im Jahre 1157 als Canzler bei dem Kaiser fungirte, ja, zuletzt sogar auf den erzbischöflichen Stuhl von Cöln gelangte. Dem Probste Rainold folgte in gleicher Würde Adalog, welchen wir schon als Probst des Domstifts erwähnt haben. Ein Sohn Arnold’s von Dorstadt, verband er mit der letztgenannten Probstei im Jahre 1158 auch die petersbergsche, und bewies sich

 

 

 

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auch in seiner neuen Stellung höchst thätig 1). Durch ihn wurde das Stift von allen Schulden befreit, und ein päbstlicher Befehl ausgewirkt, daß das Stift die Probstei-Einkünfte keinem Laien wieder verleihen dürfe. Unter Adalog war es auch, als ein Canonicus des Stifts, Namens Hermann, dem Stifte 2 Hufen Landes mit der Mühle in Wimederoth, 1 Hufe nebst der Mühle zu Sutburg, 1 Mühle bei der Clus vor Goslar, 1 Mühlenstätte im Gartenfelde vor der Stadt, 1 Hufe vor Hahndorf und 1 Hufe in Widesleve mit dem dritten Theile der Mühle, welche Güter er zu Lehn gehabt hatte, unentgeldlich resignirte und zugleich der Stiftsküsterei 1 Hufe Landes von Astenbeck schenkte. Die Urkunde hierüber ist vom Bischofe Hermann von Hildesheim im Jahre 1169 ausgestellt. Schon im folgenden Jahre 1170 gelangte Adalog gleichfalls auf den bischöflichens Stuhl von Hildesheim, und auch als Bischof bewies er sich für das Petersstift in Goslar thätig. So verlieh er z. B. am 19ten October 1184 dem Stifte einen Schutzbrief. Er starb nach seiner Rückkehr aus Palästina den 20sten September 1190. —

 

Als Probst des St. Petersstiftes folgte ihm Berno. Unter ihm war es, als im Jahre 1189 das Stift von dem St. Johannisstifte zu Halberstadt 5½ Hufen Landes zu Hessen nebst einem Meierhofe und andern Pertinenzien an Gebäuden, Hofstellen und Wiesen, so wie auch den Zehnten von 2 Hufen Landes bekam, und dafür dem genannten Stifte ein Holz zu Wigenrode nebst 3 halben Hufen und deren Zubehör abtrat. Auch Berno ward nach Adalog’s Tode Bischof von Hildesheim, und starb als solcher am 28sten October 1198. In der Geschichte der hildesheimschen Bischöfe wird er vielfach gepriesen 2).

 

Als Canonici des St. Petersstifts werden während der Regierungszeit Friedrichs I. folgende genannt: Volcoldus, Werenboldus (presbyter), Henricus Anglicus (1155), Henricus, zugleich Probst zu St. Stephan in Bremen 1167; ferner Robertus (presbyter), Johannes (diaconus) und Hermannus (diaconus) 1169; endlich Elias, Hermannus, Errenbertus, Hilleboldus, Theodericus und Bartoldus (subdiaconi) 3).

 

1) Kurze Geschichte des Petersstiftes etc. S. 9 und 49.

2) Chronic. Hildes. p. 749. Tom. I. Leibnitz.

3) Kurze Geschichte des Petersstiftes. S. 50.

 

 

 

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Wohl mochten auch die Unruhen, welche Heinrich’s des Löwen feindliche Stellung gegen Goslar veranlaßte, das Petersstift vielfach berührt haben; denn es sah sich genöthigt, bei dem Kaiser deshalb besondere Beschwerde zu führen, welcher es mittelst einer Urkunde abermals feierlich in seinen Schutz nahm und die Unmittelbarkeit desselben bestätigte. Dieß Diplom ist vom 26sten Julius 1170 datirt. Der Kaiser nennt in demselben das petersbergsche Stift, der ursprünglichen Bestimmung gemäß, eine Capelle der Königin (Capella Reginae) 1).

 

Was nun das Kloster Neuwerk anlangt, so geschah die feierliche Weihe des ersten Bethauses, wie schon bemerkt worden ist, unter der Regierung Friedrich’s I. im Jahre 1186 durch den Bischof Adalog von Hildesheim. Der Gründer des Klosters, Namens Volkmar von Wildenstein, damaliger kaiserlicher Voigt, war kinderlos, und bestimmte nebst seiner Gattin Helena folgende Güter zu dieser Stiftung: 1) den großen Garten, 2) eine von ihm erbaute Capelle nebst ihren Einkünften, nämlich 2 Häusern in der Huckerstraße und dem Hospitale am Thore; 3) sein Haus und seinen Hof am Rosenthore, 4) vier Hufen Landes in Jerstedt und 5) fast 8 Hufen Landes im Walde Ale (später Ohlhof), so wie 6) den halben Wald, welcher Scherde hieß, 7) dreißig Buden auf dem Markte, welche jährlich 7 Mark einbrachten, 8) einen Scharren, und 9) acht Hufen Landes in Ohlendorf, Amts Liebenburg, mit allem Zubehör, fünftehalb Hufen Landes in Watenstädt und 7 Hufen in Stocheim, so wie endlich vier Hufen in Meimerdingerode. Der edle Gründer dieses Stiftes verfehlte auch nicht, zu allen seinen Schenkungen die Zustimmung seiner Erben einzuholen, und die kaiserliche Bestätigung erfolgte am 28sten August 1188. Der päbstlichen Bestätigung werden wir später gedenken. In der von Kaiser Friedrich ausgestellten Bestätigungs-Urkunde wird außer den oben erwähnten Gütern, noch eines urbar gemachten Grundstücks bei Goslar mit allem Einkommen aus Wald und Feld gedacht, welches für 230 Mark von Herzo Rufus erkauft war, wie dieser vor dem Kaiser unter besonderer Quittung erklärte, sodann noch einer halben Grube im Rammelsberge im Waleswerke genannt. In derselben Urkunde verlieh der Kaiser den geistlichen Jungfrauen freie Wahl und Entfernung des von ihm zu setzenden Voigts, dessen sie zu ihren weltlichen,

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1) Daselbst. S. 9.

 

 

 

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namentlich gerichtlichen Geschäften, bedürften, und verbot feierlichst jede Beeinträchtigung dieses Stiftes beim Verluste seiner Gnade.

 

Dieß Kloster hieß anfangs Mariengarten (oratorium in orto [horto] Mariae) und war der unbefleckten Empfängniß der Maria zum Andenken geweiht. Ob übrigens einer der früheren Kaiser der Familie des Volkmar von Wildenstein jene Besitzungen geschenkt hatte, welche diese dem Kloster verehrte, oder wie diese Familie sonst in den Besitz jener Güter gelangt sey, darüber fehlen nähere Nachrichten 1).

 

Das Todesjahr des Stifters ist nicht bekannt. Er ruhet ohne Zweifel in der von ihm gestifteten Kirche; allein das dort noch befindliche Denkmal ward ihm gewiß erst später gesetzt, wie auch Heineccius bemerkt 2). Die Grabschrift lautet: Consepulti sunt hic strenuus miles dominus Volcmarus de Wildensteyn et Licke uxor ejus, fundatores et dotatores hujus monasterii, qui floruerunt circa annos MCC. quorum animae requiescant in pace, d. i. zu Deutsch: Hier liegen vereint begraben der edle Ritter Herr Volkmar von Wildenstein und seine Gattin Licke (d. h. Helena), die Gründer und Wohlthäter dieses Klosters, welche um 1200 blühten. Mögen ihre Seelen in Frieden ruhen!

 

Einer Capelle des heiligen Vitus, welche in Goslar gewesen ist, gedenken wir hier am Schicklichsten, da sie während der Regierungszeit Friedrichs I. nach einer von Heineccius erwähnten 3) Urkunde 1184 noch vorhanden war. Von ihr erhielt das nahe Thor- den Namen Vitsthor. Sie gehörte der Benedictiner-Abtei zu Corvei. Eine Erzählung der weitern Schicksale dieser Capelle wird der Verlauf unserer Geschichte enthalten 4).

 

Was endlich die noch vorhandenen Pfarrkirchen Goslar’s betrifft, so wird in der vom Bischofe Adalog für das Kloster zum Mariengarten ausgestellten Urkunde vom 16ten October 1186 ein Priester bei der Marktkirche, Namens Rotmann, ein Priester bei der St. Jacobi-Kirche, Namens Reinbold und endlich ein Priester an

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1) Mittheilungen von Koken und Lüntzel. B. I. S. 107 bis 114. — Mund. S. 413.

2) Heinecc. A. G. 162.

3) Heinecc. II. p. 182.

4) Mund. S. 455.

 

 

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der St. Petri- und Pauli-Kirche auf dem Frankenberge, Namens Rudolph erwähnt. Sie erschienen sämmtlich bei dieser Gelegenheit als Zeugen.

 

§. 4. Die Regierungszeit Heinrich’s VI. —

Dieses Kaisers Härte, Kreuzzug und Tod. Goslar’sche Bergleute bei Chorutum. Domstift. St. Petersstift. St. Georgenberg.

 

Aus Friedrich I. folgte sein Sohn, Heinrich VI. im Jahre 1190, nachdem er von seinem Vater bei dessen Zuge nach Palästina bereits als Reichsverweser zurückgelassen worden war. Seine Strenge, die nicht selten in offenbare Grausamkeit ausartete, gab ihm den Beinamen Asper, d. i. der Rauhe. Was bei seinem Vater Klugheit war, zeigte sich bei ihm als Arglist. An seinem Charakter treten uns der Schattenseiten viele entgegen. So wird es die Geschichte nie loben können, daß er den König von England, Richard I., Löwenherz genannt, so lange auf dem festen Schlosse Trifels gefangen hielt, bis ihm ein Lösegeld von 100,000 Mark Silbers ausgezahlt ward. Auch Heinrich VI. zog gen Italien, und vor Allem in Sicilien hinterließ er reiche Spuren seiner Grausamkeit.

 

Gleich seinem Vater rüstete er sich zu einem Kreuzzuge nach Palästina. Ein großes Heer zog auf dem gewöhnlichen Wege nach Constantinopel, während er selbst mit 60,000 Mann die Alpen überstieg, um von Italien aus den Seeweg einzuschlagen. Doch ehe noch die Abfahrt begann, fand er im Jahre 1197 am Vorabende des St. Michaelis-Festes zu Messina in Sicilien, wohin ihn neue Unruhen gerufen hatten, plötzlich den Tod, entweder durch Gift oder durch einen kalten Trunk auf der Jagd. Nur ungefähr sieben Jahre hatte er demnach auf dem deutschen Throne gesessen 1).

 

Die Zeit seiner Regierung bietet schon ihrer Kürze wegen für die Geschichte der Stadt Goslar nur wenig Ausbeute dar. Bedenkt man, wie Heinrich VI. durch seinen unruhigen Geist öfter vom deutschen Boden hinweggetrieben wurde, so läßt es sich leicht ermessen, daß er selbst für Goslar wenig gethan haben werde.

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1) Hüne I. S. 334.

 

 

 

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Indessen erwähnt doch die Geschichte Einiges aus seiner Regierungszeit, was Goslar betrifft, und von uns erwähnt werden muß. Es betrifft besonders die goslarschen Bergleute.

 

Das oben erwähnte Heer der Kreuzfahrer, welches auf dem gewöhnlichen Wege vom Kaiser entsandt worden war, befand sich zu Tyrus 1), in dessen Nähe das vom Feinde besetzte feste Schloß Chorutum lag. Unersteiglich war die Bergeshöhe, von welcher herab es die Gegend beherrschte, und gleichwohl erschien der Besitz dieses festen Platzes um so wichtiger, je häufiger die Sarazenen von hier aus die christliche Armee beunruhigten. Umsonst wurde ein Sturm gewagt; die Lage und Befestigung des Schlosses, so wie der Muth und die Entschlossenheit der Besatzung vereitelte jeglichen Versuch. Da entbot Heinrich, der Lange, ein würdiger Sohn Heinrich’s des Löwen, den der Kaiser zum Oberanführer seines Kriegsheeres ernannt hatte, seine Krieger zu sich, und erwählte aus ihnen eine Anzahl des Bergbaus kundiger Harzer, welche in den Gold- und Silberwerken des Rammelsberges bei Goslar die Kunst des Minirens erlernt hatten, um den Berg zu untergraben. Wenig bekannt war diese Methode in jenen Zeiten; nur Heinrich der Löwe hatte sie bereits, wie wir gesehen haben, bei der Belagerung der Dasseburg mit Erfolg angewandt. Nur die Ehre, nicht aber die Gefahr berücksichtigend, gingen die braven Bergleute kühn und wohlgemuth in gewohnter Hurtigkeit ans Werk, und drangen bald so tief in den Berg ein, daß sie durch angelegtes Feuer, dessen man sich in jener Zeit zum Sprengen des Gesteins bediente, weil man das Schießpulver noch nicht kannte, den Felsen mürbe machen, und so die Mauern des Schlosses in ihren Grundfesten erschüttern und zum Wanken bringen konnten 2). Wer mag das Erstaunen der Belagerten schildern, die ihre Mauern weichen und einstürzen sahen, ohne irgend ein Werkzeug oder eine Ursache zu erblicken, welcher sie solch’ eine schreckliche Wirkung zuschreiben konnten! Die Bestürzung machte sie zur Capitulation geneigt. Schon waren Unterhandlungen wegen Uebergabe der Festung gepflogen, und schon hatten sich sieben Männer aus dem Schlosse im Lager als Geißeln gestellt; da zerschlug sich dennoch die ganze Sache an der Forderung, die Mannschaft solle nur gegen Hinterlassung ihrer Schätze freien Abzug erhalten. Die in der Burg Zurückgebliebenen kümmerten

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1) Hüne I. S. 332. 333. Honemann I. S. 59.

2) Arnoldus Lubeccensis lib. V. cap. 4.

 

 

 

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sich wenig um ihre Geißeln, und wehrten sich mit einem Muthe, der alle weitere Anstrengungen der Kreuzfahrer vereitelte. So mußte endlich die Belagerung aufgehoben werden, und bald darauf löste sich die ganze heilige Expedition auf, als Heinrich VI. plötzlich vom Tode dahingerafft worden war 1).

 

In Betreff der geistlichen Stifter Goslar’s bemerken wir für die Regierungszeit Heinrich’s VI. nur Folgendes:

 

Am Dome erscheint in einer dem Erzstifte Cöln 1190 vom Kaiser ausgestellten Urkunde ein gewisser Conrad als Probst unter den namhaft gemachten Zeugen 2).

 

In der Probstei des St. Petersstiftes in und vor Goslar folgte, als Berno im Jahre 1190 Bischof von Hildesheim geworden war, Diedrich und hernach Rudolph, letzterer ein geborner Graf von Ziegenhain aus dem Hessenlande, dessen noch im Jahre 1193 Erwähnung geschieht, und welcher bereits im Jahre 1191 als Vicecanzler des Reichs beim Kaiser Heinrich VI. fungirte 3). Diesem Grafen Rudolph folgte als Probst unsers Stiftes ein mehrfach in Urkunden genannter Burchard, wahrscheinlich ein Sproß derselben Grafenfamilie, deren wir so eben gedacht haben. Er erscheint als Zeuge in einer Urkunde, mittelst welcher der Bischof Conrad dem Collegiatstifte des heiligen Andreas zu Hildesheim am 5ten December 1195 alle Rechte und Güter bestätigte 4), so wie in einer andern Urkunde, mittelst welcher derselbe Bischof den Klosterfrauen zu Derneburg die Kirche zu Holle (1220) verlieh. Wahrscheinlich war Burchard schon Probst dieses Stiftes, als der Bischof Gurdolf von Halberstadt im Jahre 1194 zu Osterwiek eine Urkunde wegen 4 Hufen Landes ausstellte, welche von Strobeck (Ströpke) lagen, und von dem Petersstifte angekauft waren. In dieser Urkunde werden die Pröbste des Stiftes zum Petersberge verbindlich gemacht, die Voigtei über jene Länderei vom Bischofe zu Halberstadt zu Lehen zu nehmen 5). In derselben Urkunde werden auch zwei Canonici unsers Stiftes, Olricus und Meinfridus, genannt.

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1) Hüne I. S. 334.

2)Lichtenstein S. 14. Heinecc. I. 191.

3) Val. Ferd. de Gudenus Anecdotorum Tom. I. p. 157. Tom. III. p. 106. Kurze Geschichte etc. S. 10.

4) Kurze Geschichte des Petersstiftes etc. S. 10.

5) Daselbst. S. 8.

 

 

 

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Das Wenige, was über das Stift St. Georgenberg zu sagen ist, werden wir weiter unten nachholen.

 

§. 5. Die Regierungszeit der Kaiser Philipp von Schwaben und Otto IV. (1197—1218).

Zweimalige Belagerung Goslar’s und endliche Eroberung der Stadt. Einnahme der Herlingsburg. Goslar erhält einen Theil der Reichsvoigtei-Einkünfte. Stiftung des Brüdernklosters. Tod Otto’s. — Bergwerke. Dom. Petersstift. Neuwerk. Frankenbergsches Nonnenkloster.

 

Heinrich VI. hinterließ einen unmündigen kaum fünfjährigen Sohn, den nachmaligen Kaiser Friedrich II., über welchen er noch ( vor seinem Abscheiden die Vormundschaft seinem Bruder Philipp von Schwaden anvertraut hatte 1). Allein es entstand unter den Reichsständen ein großer Zwiespalt, indem Einige Philipp von Schwaben, des verstorbenen Kaisers Bruder, Andere dagegen unter Vermittelung Richard’s, Königs von England, einen Sohn Heinrich’s des Löwen, Namens Otto V. zum Kaiser erwählten. Die deshalb entstehenden Unruhen, welche das Reich ganz zu zerrütten drohten, dauerten fast 12 Jahre, und berührten Goslar vielfach.

 

Die Stadt Goslar hielt es nämlich mit Philipp von Schwaben, und hatte also den Gegenkaiser Otto IV., dessen braunschweigsche Erblande in der Nähe lagen, zu einem erbitterten Feinde. Zwar lag der kaiserliche General Hermann von der Harzburg, von Philipp entsandt, in Goslar, um diese Stadt vor den Angriffen Otto’s IV. zu schützen; allein dieser belagerte sie 1198, und drängte sie so hart, daß ihre Uebergabe nahe zu seyn schien. Nur die tapfere Vertheidigung der goslarschen Bürger, und die vom Kaiser Philipp zu rechter Zeit gebrachte Hülfe rettete die Stadt. Otto mußte gegen den Winter die Belagerung aufheben, nachdem er jedoch die Landstraße hinreichend hatte besetzen lassen, um der Stadt die Zufuhr abzuschneiden 2).

 

Schon im folgenden Jahre 1199 begann Otto IV. die Belagerung Goslar’s aufs Neue, und die Hungersnoth stieg nun auf das

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1) Hüne I. S. 335.

2) Honemann I. S. 62.

 

 

 

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Höchste. Doch noch einmal kam Hülfe für die bedrängte Stadt. Philipp, der sich mit dem Erzbischofe von Magdeburg vereinigt hatte, nahte mit einer bedeutenden Armee, und nöthigte Otto IV., der ihm nicht gewachsen war, abermals seinen Plan der Belagerung Goslar’s aufzugeben.

 

Zur Bedrängung dieser ihm feindlichen Stadt, wie zur Beschützung seiner eigenen Lande, ließ Otto IV. auf einem östlich von Goslar belegenen Berge, zwischen Wiedelah und Vienenburg, ein festes Schloß bauen, welches den Namen Herlingsburg (jetzt noch gewöhnlich Harlyburg genannt) erhielt, und versah dasselbe mit einer starken Mannschaft. So ward Goslar östlich von der Herlingsburg, westlich von Lichtenberg her, welches Schloß Otto gleichfalls hatte besetzen lassen, fortwährend beunruhigt. Der Handel gerieth in Stocken. Der Wohlstand begann zu sinken. Hungersnoth kehrte abermals ein, und viele Bürger wanderten aus, um dem ferneren Elende zu entgehen 1).

 

Wenn gleich nun durch den Grafen Hermann von Wernigerode, der auf Philipp’s Seite stand, das Schloß Lichtenberg bald darauf erobert wurde, so dauerten doch die Beunruhigungen noch immer fort, welche Goslar von der Herlingsburg aus zu erleiden hatte. Von dieser Gegend her konnte Niemand sicher nach Goslar reisen. Alle Zufuhr an Lebensmitteln ward abgeschnitten 2).

 

Dessenungeachtet blieb Goslar dem Kaiser Philipp treu, nicht uneingedenk der vielfachen Huldbeweise, welche es von Philipp’s Vater, Friedrich dem Ersten, empfangen hatte. Für solche Treue suchte aber auch Philipp seinen Anhängern, der Stadt Goslar, so wie den Grafen von Wernigerode, von Hertzberg, von Woldenberg und Regenstein sich erkenntlich zu beweisen. Er verlieh ihnen im Jahre 1203 von den Einkünften der goslarschen Reichsvoigtei, welche 350 Mark feinen Silbers, à 7 Rheinische Gulden an Werth, betrugen, einen großen Theil als ein Kammerlehen. Hierdurch vorzüglich ward der Grund zu jener bedeutenden Freiheit gelegt, zu welcher die Stadt Goslar allmählig gelangte.

 

Im Jahre 1204 griff der Kaiser Philipp mit einem bedeutenden Heere die Herlingsburg an, und gedachte diese für Goslar so verderbliche Festung zu schleifen. Aber Otto, hievon benachrichtigt,

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1) Honemann I. S. 132.

2) Honemann I. S. 63.

 

 

 

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säumte nicht, mit seiner Kriegsmacht ins Feld zu rücken, und suchte Philipp eine Schlacht zu liefern. Dieser jedoch, der Macht seines Gegners für jetzt nicht gewachsen, zog unverrichteter Sache wieder ab, und überließ die Stadt Goslar ihrem Schicksale.

 

Inzwischen ward Philipp im Jahre 1205 zu Aachen vom Erzbischofe Adolph von Cöln gegen des Pabstes Innocenz’s III. 1) Wissen und Willen wirklich zum Kaiser gekrönt, und zwar an eben demselben Orte, wo eben dieser Erzbischof 1198 auch Otto IV. gekrönt hatte. Hierüber erzürnt, zog Letzterer mit nicht mehr als 6000 Mann dem weit stärkern Philipp entgegen, ließ jedoch in Niedersachsen seinen Drosten (Truchsessen) Gunzelin als Kriegsobersten zurück.

 

Der in Goslar liegende, schon erwähnte Graf Hermann von der Harzburg, aus der feierlichen Krönung Philipp’s neuen Muth schöpfend, that verschiedene Ausfälle auf Otto’s Kriegerschaaren; aber diese leisteten den tapfersten Widerstand, und suchten sich durch Verheerungen in der Umgegend, deren wir weiter unten gedenken werden, furchtbar zu rächen. Otto’s IV. Oberfeldherr Gunzelin machte vor Allem Anstalt, das von Philipp’s Anhängern besetzte Schloß Lichtenberg wieder zu erobern, um die braunschweigschen Lande vor den Ausfällen der goslarschen Besatzung noch mehr zu sichern. Er ließ daher die Belagerung des Schlosses beginnen; allein die Lage der Burg ließ es voraussehen, daß die Erstürmung dieses festen Platzes Ströme Blutes kosten werde. Der gehaltene Kriegsrath stimmte daher zuletzt zur Aufhebung der Belagerung. Von hier brach nun Gunzelin auf, und nahm den nächsten Weg nach Goslar.

 

Da die Besatzung dieser Stadt nicht bedeutend war, so hoffte er, es werde ihm die Einnahme derselben in Kurzem gelingen 2). Der erste Sturm, welcher über einen Tag lang dauerte, begann, und kostete manchem Bürger Goslar’s das Leben. Doch standhaft hielt ihn die Stadt aus. Gunzelin beschloß, am anderen Tage 3) einen zweiten Hauptsturm zu wagen. Dieser begann bei dem Kloster zum Mariengarten (Neuwerk), wo die Stadt am Schwächsten war. Lange hielten sich Goslar’s Bürger tapfer, vereint mit der kaiserlichen Besatzung; und es floß Bluts genug. Doch endlich gelang es den Belagerern, durch den Stadtgraben bis an die Mauer

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1) Hüne I. S. 341

2) Honemann I. S. 68. Mund. S. 137.

3) Nach Honemann war es der 9te, nach Mund der 15te August 1205.

 

 

 

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vorzudringen, und durch eine dort befindliche heimliche Oeffnung, welche weit und hoch genug war, in die Stadt zu kommen.

 

Unsere Chronik, so wie Heineccius bemerken 1), die damalige Domina dieses Klosters sey durch Verrätherei den Feinden Goslar’s zur Erreichung ihrer Absichten behülflich gewesen.

 

Angst und Verwirrung ergriff nun Goslar’s Bürger. Graf Hermann von der Harzburg kämpfte zwar ritterlich; doch der überlegene Feind brachte ihn endlich zum Weichen. Schon war er in Gefahr, von den eindringenden Kriegern gefangen genommen zu werden. Doch entkam er noch glücklich mit seiner Schaar, und mit ihm retteten sich auch viele Bürger durch die Flucht.

 

Nun begann die allgemeine Plünderung der bedrängten Stadt. Des Goldes, Silbers, Bleis, Kupfers und anderer Güter fanden die Feinde eine solche Menge, daß sie drei oder, nach Andern, sogar 8 Tage mit Hinwegführung der Beute zubrachten. Namentlich sollen Otto’s Krieger eine solche Menge Gewürzes gesunden haben, daß sie es bei Scheffeln unter sich vertheilt hätten.

 

Jammer und Wehklagen erfüllte allenthalben die Stadt. Für Erhaltung der Ruhe mußten reiche Bürger als Geißeln gestellt werden. Zwar ließ Otto IV. später den bedrängten Bürgern etwas von dem Geraubten wiedererstatten; allein dieß stand mit dem entsetzlichen Verluste, den sie erlitten hatten, in gar keinem Verhältnisse.

 

Inzwischen ward Otto IV. von seinem Gegenkaiser Philipp in einer Schlacht besiegt und in dem Schlosse Wassenberg, in welches er sich geflüchtet hatte, belagert. Nur heimliche Flucht rettete ihn aus demselben. Während solcher Zeit wurden die Bürger Goslar’s von Otto’s Besatzung hart bedrängt, und nur der befreundeten Besatzung des Schlosses Lichtenberg hatten sie es zu danken, daß Otto’s Krieger bei den Ausfällen, welche jene Besatzung machte, oft nach Außen hin beschäftigt und von ärgerer Bedrängung Goslar’s abgehalten wurden.

 

Doch auch dieser Linderung schienen sie bald beraubt werden zu sollen. Otto’s IV. dritter Bruder, Wilhelm, der eigentliche Stammvater aller jetzigen braunschweig-lüneburgschen Fürsten, wagte 2) nämlich im Jahre 1207 einen Sturm auf das feste Schloß Lichtenberg, und brachte den Commandanten desselben, Grafen Heinrich

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1) Heineccius A. G. II. p. 205.

2) Honemann I. S. 70.

 

 

 

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von Wernigerode so in die Enge, daß er schon auf die Uebergabe bedacht war. Aber nochmals ward sie vereitelt; denn der Erzbischof von Magdeburg, der Landgraf in Thüringen und der Markgraf von Meißen griffen Wilhelm’s Heer vereint an, und nöthigten ihn zur Flucht. So wurden denn die beschädigten Mauern des Schlosses wieder hergestellt, und das Schloß selbst mit frischer Mannschaft und neuen Lebensmitteln versehen. Die Beunruhigungen begannen daher von dieser Seite her auch für die in Goslar liegenden Krieger Otto’s aufs Neue 1).

 

Endlich nach so langen Unruhen, welche Deutschland verheerten, versuchten mehrere Fürsten unter Mitwirkung des Pabstes eine Annäherung der beiden Kaiser, Otto’s IV. und Philipp’s, zu Stande zu bringen. Man schlug vor, Otto solle Philipp’s Tochter heirathen und erst nach Philipp’s Tode den Kaiserthron besteigen 2).

 

Doch aller Verwirrung setzte Philipp’s plötzlicher Tod ein Ziel. Es war im Jahre 1208, als dieser mit großen Anlagen ausgerüstete Fürst zu Bamberg von Otto, dem Pfalzgrafen von Wittelsbach, welchem er das Versprechen, ihm seine Tochter zu geben, nicht gehalten hatte, meuchlings ermordet wurde. Seine Gebeine ruhen zu Bamberg.

 

So blieb denn Otto IV. allein Kaiser, und auch Goslar mußte ihn als solchen nun anerkennen. Großmüthig verzieh Otto der hartbedrängten Stadt ihre Anhänglichkeit an seinen Gegner Philipp, entließ die Geißeln von Braunschweig aus in ihre Heimath, und erschien im Jahre 1209 nach dem heiligen Pfingstfeste auf einem dahin ausgeschriebenen Reichstage selbst in Goslar 3).

 

Bei dieser seiner Anwesenheit in Goslar stiftete Otto IV. an der Nordwestseite der Stadt das Franziscaner- oder Brüdern-Kloster 4), wozu er den Mönchen Holz und sonstige Baumaterialien schenkte. Mund in seiner topographisch-statistischen Beschreibung Goslar’s stellt es in Zweifel, ob die Bürger Goslar’s diese Stiftung als ein Zeichen der wiedererlangten kaiserlichen Gnade, oder es als eine fortdauernde Züchtigung hätten betrachten sollen, daß ihnen nach so vielen Drangsalen noch die Unterhaltung einer Anzahl

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1) Honemann I. S. 71.

2) Heinecc. II. p. 206. 208. Büntting’s Chron. P. I. p. 186.

3) Mund. S. 138.

4) Heinecc. II. p. 206. und 208.

 

 

 

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Bettelmönche aufgebürdet würde. Vielleicht indessen ist Keins von Beiden der Fall. Die Franziscaner 1) hatten sich nach dem Zeugnisse unserer Chronik bereits vor dem Jahre 1209 in Goslar eingefunden, und auf dem Markte gepredigt. Die Sache läßt sich daher vielleicht von einer andern Seite nehmen, als es Mund für gut gefunden hat. Waren diese Mönche durch ihre begeisterungsvollen Predigten vielleicht Manchem willkommene Tröster in jener Zeit der Noth und Drangsal gewesen, so sahen es auch die Bürger nach damaligem Standpunkte der religiösen Bildung ohne Zweifel gern, daß Otto IV. wahrscheinlich besonders darum ersucht, diesem Orden, der bald darauf die feierliche päbstliche Bestätigung erhielt, einen festen Sitz in Goslar gestattete, und zur Errichtung der nöthigen Klostergebäude seinen Beitrag gab. Für die Stadt selbst dürfte sich hierin weder Otto’s Gnade, noch dessen Ungnade offenbaren.

 

Otto IV. ging hierauf selbst nach Rom, wo er (am 27sten Sept. 1209) vom Pabste Innocenz III. zum Kaiser gekrönt wurde. Allein die Freundschaft zwischen Beiden war leider nicht von langer Dauer. Sobald der Kaiser seine Ansprüche auf Italien, und besonders auf Sicilien geltend zu machen suchte, trat sofort ein feindliches Verhältniß ein. Der Pabst sprach sogar 1210 den Bannfluch über den Kaiser aus, während dieser noch in Italien weilte, und unterstützte zugleich den jungen König von Sicilien, Heinrichs VI. Sohn, den er als Gegenkaiser aufstellte, auf das Kräftigste. Dieser, Friedrich II., erschien in Deutschland, und ward nach manchen Kämpfen im Jahre 1215 wirklich zu Aachen mit allen üblichen Feierlichkeiten als Kaiser gekrönt. So stand Otto IV. bald allein, und alle Anstrengungen, sein Ansehen zu erhalten, waren fruchtlos. Noch belegt mit dem Bannfluche, beschloß er einsam sein Leben im Frühjahre des Jahres 1218 auf der Harzburg.

 

Wir werfen jetzt einen Blick auf den Zustand der goslarschen

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1) Der Stifter dieses Ordens, Franziscus, später der Heilige genannt (geb. 1172, gest. 1226), war der Sohn eines reichen Kaufmanns zu Assisi in Umbrien. Einst wurde er bei Anhörung des Evangelii von Verwerfung aller Güter, so ergriffen, daß er beschloß, sein Leben nur geistlicher Beschauung und steten Bußübungen zu widmen. Er legte einen Bettlerskittel an, und ging aus, das Wort Gottes zu predigen. Er erhielt 1210 endlich vom Pabste Innoeenz die Erlaubniß, eine neue Brüderschaft zu gründen. Im Jahre 1223 ward der Orden vom Pabste Honorius III. bestätigt. Die Glieder des Ordens nannten sich geringere Brüder (fratres minores), daher die Benennung: Brüdern-Kloster.

 

 

 

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Bergwerke während der Regierungszeit der beiden Kaiser Philipp und Otto IV.

 

Die zur Zeit Heinrichs des Löwen verheerten Schmelzhütten waren wieder aufgebaut, und die Grubengebäude wieder aufgenommen. Kaiser Philipp, dessen Partei die Stadt ergriffen hatte, nahm die Bergwerke des Rammelsberges mit allem Zubehör in Besitz. Eben dieß war aber die Ursache, daß sie von Otto’s IV. Kriegerschaaren eine neue Verheerung erlitten, und der Bergbau um 1206 in den größten Verfall gerieth. Er wurde jedoch im Jahre 1209 wieder aufgenommen, und nun 140 Jahre getrieben. Die von Friedrich I., Rothbart genannt, an das Kloster Walkenried gemachte Schenkung des vierten Theils des rammelsbergschen Erzes ward gedachtem Kloster im Jahre 1209 feierlich von Otto IV. bestätigt. Es geschah dieß im Kloster Waltenried selbst, wo der Kaiser Otto IV. in gedachtem Jahre einkehrte, herrlich empfangen und köstlich bewirthet, ja, sogar in des Klosters Brüderschaft aufgenommen wurde 1). Uebrigens hatte das Kloster Waltenried seine Schmelzhütten nicht in der Nähe des Rammelsberges 2), sondern auf dem Oberharze, wo sodann die von demselben gewonnenen Erze aus dem Rammelsberge geschmolzen wurden.

 

Endlich holen wir noch aus der Regierungszeit Philipps und Otto’s IV. nach, was die geistlichen Stifter und Klöster Goslar’s, so wie dessen sonstige kirchliche Anstalten betrifft.

 

In große Gefahr kamen die Kostbarkeiten der Domkirche Goslar’s, als im Jahre 1205 Otto’s IV. Oberfeldherr Gunzelin die Stadt eroberte. Schon wollten die rohen Krieger die goldenen Kronleuchter und andere Kleinodien aus diesem ehrwürdigen Heiligthum mit frevelnder Hand rauben; da hintertrieb es Gunzelin noch mit Mühe durch sein Ansehen.

 

Nicht minder mag auch das St. Petersstift durch die Kriegsunfälle jener Zeit gelitten haben. Noch während dieser ganzen Zeit stand der mehr erwähnte Burchard, wahrscheinlich ein geborner Graf von Ziegenhain, dem Stifte als Probst vor 3). Wie groß das Ansehen dieses Stifts noch immer gewesen seyn müsse, gehet auch daraus hervor, daß es Otto IV. nicht verschmähte, im Jahre 1198 sich

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1) Leuckfeld’s Ant. Walkenr. P. I. cap. 13. §. 6.

2)Honemann I. S. 73.

3) Kurze Geschichte des Petersstiftes. S. 10.

 

 

 

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in die Brüdersehaft desselben aufnehmen zu lassen. In demselben Jahre 1198 mochte bei einer Belagerung der Stadt, gleich andern Gebäuden, auch die zum St. Petersstifte gehörige St. Catharinen-Capelle in Goslar gelitten haben; denn Kaiser Philipp’s Canzler Conrad I., Bischof von Hildesheim (1193 gewählt), hielt es für nöthig, selbst in Goslar zu erscheinen, und die gedachte Capelle von Neuem zu weihen 1). Bei dieser Gelegenheit (1199) legte er in die Oeffnung mitten im Hauptaltare eine runde Capsel, die mit Reliquien einiger Heiligen versehen war. Statt des Deckels der Capsel fand sich darüber ein Bild, etwa 3 Zoll lang, oval und aus Wachs geformt. Dieses Bild stellte den Bischof in seinem Ornate dar mit der Unterschrift: Conradus Dei gratia Episcopus Hildenesheimensis d. i. Conrad von Gottes Gnaden hildesheim’scher Bischof. Vor etwa 80 Jahren war diese Capsel noch vorhanden.

 

Für das Kloster zum Mariengarten (Neuwerk) erfolgte endlich am 20sten October 1199, jedoch wahrscheinlich erst nach dem Tode des Stifters Volkmar von Wildenstein, die Bestätigung des Pabstes Innocenz III. 2). Aebtissin war damals Antonia. Der Pabst nahm die Aebtissin und ihre Schwestern in des heiligen Petrus und seinen Schutz feierlich auf. Die Urkunde sagt, daß die Nonnen dieses Marienklosters nach der Regel des heiligen Benedict leben, und die Besitzungen des Klosters werden, wie in der kaiserlichen Urkunde, aufgezählt. Der Neubruch bei Goslar wird Signeroth genannt, und hier kommen drei Theile des Waldes auf dem Arenberge sammt der nahe liegenden Hütte, ferner die Hälfte der Waldung auf dem Camberge, Alles Eigenthum des Voigts Volkmar in Stuvenbarden, drei halbe Gruben im Rammelsberge Suncizesche, Sitage und Lemannestalle genannt, drei Theile der Tabernen (Werkstellen), in welchen die Schuster arbeiten, und das Haus über den Tabernen. Alles dieses hatte noch Volkmar geschenkt. Anderswoher waren 7 Hufen in Alvesheim übertragen. Der Pabst befreiete das Kloster zugleich vom Neubruchs-, Garten-, Fischerei- und Fleischzehnten, verwies dasselbe wegen Einsetzung der Nonnen und Einweihung der Capellen an den Diöcesan-Bischof und verordnete, daß das Kloster freie und Niemandem verpflichtete Frauenzimmer aufnehmen und ohne Widerspruch behalten, diese aber nach gethanem Profeß

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1) Reichsunmittelbarkeit des St. Petersstiftes. S. 9.

2) Koken’s und Lüntze’s Mittheilungen B. I. S. 114. ff.

 

 

 

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das Kloster nur verlassen sollten, um zu einem strengeren Orden überzugehen. Endlich droht der Pabst allen Frevlern an den Gerechtsamen des Klosters mit dem Bannfluche, und verheißt den Bewahrern der Rechte desselben den Frieden unsers Herrn Jesu Christi. Diese Urkunde ist mit den Unterschriften der Cardinäle versehen.

 

Schon nach dem Bestätigungsdiplome Friedrichs I. erhielten die Nonnen des Klosters das Vorrecht, sich selbst ihren Schirmvoigt zu wählen und nach Gefallen wieder abzusetzen. Sie wählten den Rath der Stadt Goslar, dem sie so nahe wohnten, und in deren Ringmauern hernach das Kloster selbst mit eingeschlossen wurde. Dieses Voigtei-Recht wurde 1199 von Philipp dem Rathe besonders bestätigt.

 

Das Kloster schritt auch während der Regierungszeit Philipp’s und Otto’s IV. in Erweiterung seiner Besitzungen, so wie in Sicherung und Zusammenlegung derselben fort. Nach einer undatirten Urkunde verkauften der Abt Heinrich (1204—1218) und der Convent des St. Godehards-Stifts in Hildesheim ihr Gut zu Holthusen, bestehend in 19 voigteifreien Hufen nebst dem Zehnten, dem Probste und Convente der heiligen Gottesgebärerin Maria zu Goslar für 77 Mark, welcher Kauf vor dem hildesheimschen Bischofe Hartbert, der von 1200 bis 1215 regierte, bestätigt wurde. Auch diese Bestätigungsurkunde Hartbert’s hat sich erhalten 1). Als Zeit der Handlung ist darin der 13te September 1214 angegeben, und der Bischof bestätigt den Verkauf von 19 Hufen zu Bodenstein, bei welchem Orte das genannte Holthusen lag.

 

Um dieselbe Zeit ward ein Streit mit dem Kloster Stederburg beigelegt. Der Probst dieses Klosters (1200—1222) überläßt in einer undatirten Urkunde der Kirche vom Mariengarten in Goslar eine Hufe zu Stockem (Flachstöckheim), worüber lange gestritten war, gegen Auszahlung von 4 Mark, wie es die Schiedsrichter bestimmt hatten, verspricht zugleich Gewähr gegen alle Ansprüche dritter Personen zu leisten und legt solche Verpflichtung zuletzt auch seinen Nachfolgern auf.

 

Nicht unwahrscheinlich ist es ferner, daß schon während der Regierungszeit Otto’s IV. auch das Frankenberg’sche Nonnenkloster oder Marien-Magdalenen-Stift gegründet worden sey oder daß man wenigstens Vorbereitungen zu dieser Stiftung getroffen habe; denn

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1) Heinecc. 213.

 

 

 

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von Einigen wird schon das Jahr 1211 als das Stiftungsjahr angegeben. Da jedoch nach sicherern Nachrichten die eigentliche Stiftung desselben in eine etwas spätere Zeit fällt, so versparen wir die weitere Erzählung bis dahin.

 

§. 6. Die Regierungszeit Friedrich’s II. und Heinrich’s VII., so wie Heinrich Raspe’s, Wilhelm’s von Holland und Conrad’s IV. (1218 bis 1256). —

 

Friedrich II. in Goslar. Bergwerke. Stadtverfassung. Privilegien von Friedrich II. Von den geistlichen Stiftern.

 

Otto’s IV. Nachfolger im Reiche war Kaiser Friedrich II., ein Sohn Heinrichs VI. Schon in seiner Kindheit zum Kaiser bestimmt, gelangte er doch erst, wie wir gesehen haben, durch Vermittelung des Pabstes Innocenz’s III. im Jahre 1215 zu der Ehre, zu Aachen als Kaiser gekrönt zu werden. Eine lange Reihe von Jahren ruhte die Kaiserkrone auf seinem Haupte; denn er regierte bis zum Jahre 1250. Solange indessen auch seine Regierung dauerte, so bietet doch die Zeit derselben verhältnißmäßig nur eine geringe Ausbeute für die Geschichte der Stadt Goslar dar; denn Friedrich II. verweilte während seiner ganzen Regierung zusammengerechnet nur etwa 9 Jahre in Deutschland. Italien war eigentlich seine Heimath. Italienische Bildung schmückte seinen Geist. Jedoch zeichnete ihn dabei deutsche Festigkeit des Charakters aus. Von seinem Vormunde, dem Pabste Innocenz III., schon im 14ten Jahre seines Alters mündig gesprochen, ward er mit Constantia von Arragonien vermählt, und mußte demnächst nach dieses Pabstes Willen vor seiner Erwählung zum deutschen Kaiser seinen zweijährigen Sohn, den nachherigen Kaiser Heinrich VII. zum Könige von Sicilien ernennen, weil es der päbstlichen Politik widerstrebte, zwei Kronen auf Einem Haupte zu sehen. Nachdem jedoch Innocenz verstorben war, änderte Friedrich seine früher getroffenen Anordnungen dahin, daß er seinen Sohn Heinrich zum römischen Könige ernannte, und während dessen Minderjährigkeit die Verwaltung der deutschen Reichsangelegenheiten dem Erzbischofe Engelbrecht von Cöln übergab.

 

Schon der Pabst Honorius III. nöthigte Friedrich II. zu einem Kreuzzuge, noch ungestümer drang daraus dessen Nachfolger

 

 

 

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Gregor IX. welcher sogar den Bann über ihn aussprach, als er bereits zwei Jahre mit der Erfüllung seines Versprechens gezögert hatte. Endlich im Jahre 1228 begann dieser so lange verzögerte Zug, und Friedrich II. brachte sogar Jerusalem wieder in die Hände der Christen. Im Jahre 1229 nach Europa zurückgekehrt, war Friedrich II. zu sehr mit den italienischen Angelegenheiten beschäftigt, als daß er den deutschen Boden hätte betreten können. Erst im Jahre 1235 hielt er einen Reichstag zu Mainz, nachdem er zu Worms eine dritte Vermählung mit Isabella, einer Tochter Heinrichs III. Königs von England, vollzogen hatte. Gegen seinen Sohn Heinrich VII., welcher sich wider ihn empörte, sah sich Friedrich II. genöthigt, eine traurige Strenge zu üben. Er ward gefangen gesetzt und starb in der Gefangenschaft im Schlosse Neocastro in Calabrien. Auch mit dem Nachfolger Gregor’s IX., Namens Innocenz IV. lebte Friedrich II. in Zwiespalt, und dieser veranlaßte sogar 1246 die Wahl eines Gegenkaisers in Person des Landgrafen von Thüringen Heinrich Raspe, und da dieser vor Jahresfrist starb, in der Person des Grafen Hermann von Holland, welcher den vielbedrängten Friedrich überlebte. Auch Conrad IV., Friedrich’s II. Sohn, welcher ihm im Reiche folgte, ward vom Pabste mit dem Bannfluche belegt und starb schon im Jahre 1254 in seinem Lager bei Levallo an einem Fieber, so daß nun Wilhelm von Holland machtlos allein auf dem Throne saß, bis auch er im Feldzuge gegen die Friesen im Jahre 1256 blieb.

 

Dieses Blicks in die Lebensschicksale Friedrichs II., so wie seiner Gegenkaiser und seines Sohnes Conrad IV. bedurfte es, um Alles leichter zu überschauen, was in der Geschichte Goslar’s an diese Regenten angeknüpft werden muß.

 

Schon im Jahre 1218 ward der Stadt Goslar die Ehre zu Theil, den Kaiser Friedrich II. in ihren Mauern zu sehen; denn auf einem Reichstage 1) zu Goslar war es, wo sich Otto’s IV. Bruder, Heinrich, Herzog zu Celle und Pfalzgraf am Rhein mit dem Zunamen der Lange mit dem Kaiser aussöhnte, und die Streitigkeiten zwischen beiden gänzlich beigelegt wurden. Bei dieser Gelegenheit schenkte der Kaiser Friedrich II. dem Herzoge Heinrich 25 Mark von den Einkünften der Reichsvoigtes zu Goslar. Das Uebrige verlieh er den benachbarten Grafen und Edelleuten, so wie der Stadt

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1) Honemann I. S. 78. 79.

 

 

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Goslar als ein Kammerlehen; denn wohl erinnerte er sich der Treue und Ergebenheit, welche diese Stadt gegen das schwäbische Haus so standhaft bewiesen, so wie der vielen Leiden, welche sie deshalb ausgestanden hatte 1).

 

Sobald gedachter Vertrag zwischen Kaiser Friedrich II. und Herzog Heinrich, Pfalzgrafen am Rhein, abgeschlossen war, und friedlichere Verhältnisse eintraten, wurden die während der Unruhen zu Philipp’s und Otto’s IV. Zeit verlassenen Erzgänge am Rammelsberge wieder belegt, und neu aufgeschürft, und das Bergwerk kam immer mehr wieder in Aufnahme. In solchem glücklichen Fortgange blieb es denn auch vom Jahre 1218 an gegen 130 Jahre, bis eine verheerende Seuche neue Störungen verursachte 2).

 

Schon um diese Zeit bestand in Goslar die Einrichtung eines Bergamts am Rammelsberge, welches die sogenannten Sechsmann ausmachten und zwar unter dem Vorsitze eines Richters oder Bergmeisters. Vor dieses Gericht gehörten alle Berg-, Hütten- und Forstsachen, und bei den zu treffenden Verfügungen kam es allezeit auf Stimmenmehrheit an. Waren aber die Stimmen getheilt, oder die Gerichtspersonen sonst nicht einig, so ließen sie die sogenannten weisen Waldleute zu sich fordern 3), eröffneten ihnen die Sache, und es ward nun, selbst wenn es die Bergrechte betraf, nach der Ansicht der Meisten entschieden. Eben so durfte bei den rammelsbergschen Bergwerken nichts Neues angeordnet werden, ohne daß der Rath der Waldleute darüber vernommen wurde. Es waren nämlich diese sogenannten Waldleute Berg- und Hüttenverständige, welche hie und da die Aufsicht über die Bergleute führten, ja, wohl selbst solche Arbeit verrichteten. — Die Sechsmann bildeten die Hauptstadtbehörde, welcher die Verwaltung der rammelsbergschen Bergwerke anvertrauet ward. Eine genauere Beschreibung der Regierungs-Verfassung der Stadt müssen wir für eine spätere Periode versparen.

 

In Bezug auf die Bergwerke Goslar’s war es ferner merkwürdig, daß Kaiser Friedrich II. im Jahre 1235 während seiner Anwesenheit in Deutschland auf dem Reichstage zu Mainz den Herzog Otto, das Kind genannt, einen Enkel Heinrichs des Löwen, für

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1) Mund. S. 143.

2) Honemann I. S. 80.

3) Daselbst I. S. 64. und Heinecc. II. p. 222.

 

 

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den ersten Herzog von Braunschweig und Lüneburg erklärte, und ihm noch dazu den ganzen Zehenten von den rammelsbergschen Bergwerken erb- und eigenthümlich abtrat 1). Auf solche Weise kam denn auch der Theil dieses Zehentens, welchen das Kloster Walkenried besessen hatte, an das braunschweig-lüneburgsche Fürstenhaus. Die Schenkung begriff aber auch noch, wie Honemann ausgeführt hat, den Zehenten der oberharzischen Bergwerke in sich 2).

 

Otto, das Kind, erster Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, bestimmte nächstdem diesen Zehenten am Rammelsberge für die Wittwe Heinrich’s, seines Vaters Bruders, Namens Agnes, zum Leibgedinge, welches sie denn auch gegen 8 Jahre lang genoß. Im Jahre1243 jedoch traf Otto eine Abänderung. Er kam mit Agnes überein, daß sie ihm die rammelsbergschen Zehenten gegen Erlegung von 1100 Mark feinen Silbers und gegen Abtretung des Eigenthumsrechtes über das zu erbauende Cistercienser-Kloster Isenhagen käuflich überließ 3).

 

Je seltener allmählig gerade um diese Zeit, wo Friedrich II. fast immer fern von Deutschland war, ein kaiserliches Hoflager in Goslar gehalten wurde, desto mächtiger wurde der Rath der Stadt, und sein Streben ging dahin, nach und nach von dem Joche der Reichsvoigtei sich gänzlich zu befreien. Nachdem nun das Ansehen und die Gewalt der Reichsvoigte erst geschwächt worden war, standen sie selbst sogar unter dem Rathe der Stadt, und zuletzt, als man in diesem 13ten und im nachfolgenden 14ten Jahrhunderte die übrigen Lehen der Reichsvoigtei für bedeutende Summen angekauft hatte, ward das Reichsvoigtei-Amt ganz aufgehoben, und mit dem Rathe vereinigt, welchen man sodann die beiden Räthe nannte. Die Voigtei im schon erwähnten sogenannten Lütchen Gerichte wurde in die Stadtvoigtei oder das sogenannte Stadtgericht und Wietamt verwandelt 4).

 

Ueberhaupt begnadigte Friedrich II. die Stadt Goslar mit herrlichen Vorrechten, deren ausführlichere Darlegung man im Heineccius S. 218. nachlesen kann.

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1) Honemann I. S. 81.

2) Honemann I. S. 81.

3) Honemann I. S. 82. Heinecc II. p. 260. 261. Leuckfeldi A. Poeld. cap. 18. p. 101. — Rethmeyer’s Chron. S. 479., wo sich der betreffende Kaufbrief findet.

4) Honemann I. S. 82. 83.

 

 

 

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Nachdem Friedrich II. im Jahre 1245 zum vierten Male vom Pabste Innocenz IV. in den Bann gethan, und 1246 Heinrich Raspe und sodann Wilhelm von Holland zu Gegenkaisern gewählt worden waren, wußte gleich anfangs der Letztgenannte die Sachsen für sich zu gewinnen, und brachte auch namentlich die Stadt Goslar auf seine Seite, indem er ihr ihre Freiheiten bestätigte und sie mit neuen Vorrechten begnadigte 1). Dieser Kaiser Wilhelm von Holland war es, welcher, im Jahre 1253 im Januar zum letzten Male in Goslar weilend, die Reihe der Kaiser beschloß, die in dieser Stadt residirt haben; denn seit dem gedachten Jahre ist kein Kaiser wieder in Goslar gewesen 2).

 

In Betreff der geistlichen Stifter und Klöster, so wie über den religiösen Zustand Goslar’s zur Zeit Friedrichs II., Heinrich Raspe’s, Hermann’s von Holland und Conrad’s IV. bemerken wir nun noch Folgendes:

 

Das Domstift blieb auch während dieser Zeit (1218—1256) noch immer in hohem Ansehen. In einer Urkunde König Heinrich’s VII. vom Jahre 1223 kömmt ein Probst dieses Stifts, Namens Elgerus, vor 3); als Canonici desselben werden in andern Urkunden Luppold und Bertold (1231), und Reiner (1245) bezeichnet 4). Nach, wie vor, hatte das Stift die Jurisdiction auch über die auswärtigen Güter. So erklärte 1219 Graf Heinrich von Ascanien, Fürst von Anhalt, das Stift könne die in seinen Landen gelegenen Meiereien nach Gefallen verpachten, und des Stifts Beamte sollten von ihm nicht abhängen.

 

Wichtig war ferner ein Zwiespalt, welchen der Erzbischof Siegfried von Mainz mit dem Bischofe Conrad II. von Hildesheim im Jahre 1225 hatte. Es war nämlich zu Nordhausen, wo der 1222 zum Könige gekrönte Sohn Friedrichs II., Heinrich VII., eine Zusammenkunft vieler Fürsten und Herren geistlichen und weltlichen Standes veranlaßt hatte. Hier verlangte nun unter Andern der Erzbischof von Mainz, daß die noch nicht genugsam bestimmten Grenzen seines und des hildesheimschen Kirchensprengels, welche einander bei Goslar berührten, näher bezeichnet werden sollten, und

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1) Heinecc. III. p. 269.

2) Volger’s Aufsatz über einige Eigennamen in und um Goslar. Wochenblatt 1840. No. 84.

3) Die Reichsunmittelbarkeit des Domstifts zu Goslar. S. 14.

4) Koken’s und Lüntzel’s Mitth. I. S. 126. 132.

 

 

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behauptete, die Gose bilde hier die Grenze zwischen beiden Sprengeln. Dieser Behauptung nach hätte nun ein Theil der Stadt Goslar zum mainzischen Sprengel gehört. Conrad aber widersetzte sich 1) solcher Behauptung des Erzbischofs, und erklärte, die ganze Stadt Goslar sey seiner Kirchenaufsicht unterworfen, und diesseits des Harzes stehe dem Erzbischofe durchaus keine Gerichtsbarkeit zu. Der ganze Streit wurde übrigens damals nicht beendigt. Nur darüber vereinigten sich, auf Zureden des Königs Heinrich VII., die streitenden Parteien, daß das Domstift zu Goslar, welches schon längst von aller bischöflichen Gewalt ausgenommen sey, zu keinem von beiden Kirchensprengeln gerechnet werden solle 2).

 

Andere Streitigkeiten waren wegen der in Egeln und sonst in der Grafschaft Ascanien gelegenen Güter des Stifts mit dem schon genannten Fürsten von Anhalt entstanden; denn Heinrich VII. verstattete es im Jahre 1233 dem Domstifte zu Goslar, die Voigtei-Rechte über jene Güter, mit welchen die Grafen belehnt waren, an sich zu kaufen, und schenkte ihm für diesen Fall diese Rechte mit aller Gerichtsbarkeit und dem Bann. Es ist nicht bekannt, ob dieser Fall eingetreten sey; aber so viel ist gewiß, daß Graf Heinrich von Ascanien dem Stifte an den genannten Gütern vielen Schaden zufügte, bis er sich im Jahr 1245 dahin mit dem Stifte verglich, daß er gelobte, fernerhin aller Eingriffe in des Stifts Rechte und Angelegenheit sich zu enthalten 3).

 

Im Jahre 1240 machte das Stift (Sanctorum Simonis et Judae) eine Veränderung in Beziehung auf die Einkünfte des Klosters Cella auf dem Oberharzes, so wie des Klosters Riechenberg bei Goslar. Nach der darüber vorhandenen Urkunde vom Jahre 1240 4) verkaufte das Domstift die halbe Hufe Landes, bei dem Meierhofe Stapeln belegen, von welcher die Kirche zu Cella jährlich die Hälfte genoß, mit allgemeiner Einwilligung für 2 Mark feinen Silbers an das Kloster Riechenberg.

 

Im Jahre 1243 entstand zwischen dem goslarschen Domstifte und den Bewohnern, welche bei dem Kloster Cella sich angebaut hatten und Waldbürger hießen, ein Streit über die Wahl eines

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1) Honemann I. S. 79.

2) Heineccius III. p. 237·

3) Reichsunmittelbarkeit des Domstifts zu Goslar S. 14. — Heineccius I. p. 265.

4) Heineccius I. p. 255.

 

 

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Abts bei dem gedachten Kloster. Als nämlich der Abt Gerhard mit Tode abgegangen war, hatte das Domstift in Goslar einen andern Namens Eilard, gewählt und von dem Erzbischofe zu Mainz dem Herkommen nach bestätigen lassen. Jene Waldbürger aber widersetzten sich solcher Wahl und schritten zu einer neuen, welche einen Mönch des Klosters Stena, Namens Ecbert, traf. Auch dieser wurde dem Erzbischofe von Mainz vorgestellt, und erhielt sonderbarerweise die nachgesuchte Bestätigung. Ecbert erschien nun im Kloster Cella, und vertrieb den vom goslarschen Domstifte gewählten Eilard. Hieran begann ein langwieriger Rechtshandel. Indessen besannen sich doch — man weiß nicht auf welche Veranlassung — die Waldbürger nach Verlauf von beinahe 2 Jahren und überließen dem Stifte freiwillig die Abtswahl, gaben dem Abte Ecbert den Abschied und nahmen den Abt Eilard an. Die deshalb zu Goslar ausgestellte Urkunde ist vom 22sten August 1245. Die Verhandlungen geschahen in Gegenwart des Abts von Stena, der Pröbste der Klöster Neuwerk, Pölde, Riechenberg, St. Georgenberg und Wöltingerode und anderer angesehener Personen 1).

 

Merkwürdig ist auch die Urkunde, welche der Pabst Innocenz IV. im Jahre 1249 für das Domstift zu Goslar ausstellte. Auf Vermittelung des Kaisers Wilhelm von Holland sprach er mittelst derselben den Stiftsherrn dieser Kirche das Recht zu, daß sie ohne Bewilligung des Kaisers auch nicht einmal durch päbstliche Befehle zur Verschenkung der Kirchengüter sollten gezwungen werden können 2). Die Bekanntmachung dieser Verfügung trug der Pabst dem Abte zu Cella auf, an welchen das ganze Schreiben gerichtet ist.

 

Derselbe Pabst erwies sich auf Anrathen des Kaisers Wilhelm gegen das Domstift in Goslar auch dadurch gnädig, daß er verordnete, Niemand, er sey Bischof oder päbstlicher Gesandter, solle sich unterstehen, ein Bannurtheil über die Stiftsherren zu fällen, ohne seinen besondern Befehl, und trug aufs Neue dem Abte zu Cella auf, jeden, der dagegen handeln würde, mit der Kirchenstrafe zu belegen 3).

 

Sehr überhand genommen hatte im Laufe der Zeit die Gewinnsucht der Landvoigte (advocati terrae), welche das Stift über

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1) Heinecc. III. p. 256. 257.

2) Daselbst. III. p. 269.

3) Reichsunmittelbarkeit des Domstifts. S. 18. — Heineccius III. p. 270.

 

 

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seine Güter gesetzt hatte, so daß die Stiftsmeier oder Bauern nicht so viel behielten, die Gefälle des Stifts anzuschaffen. Kaiser Wilhelm verstattete daher dem Stifte im Jahre 1253, die Voigtei-Rechte, welche Fürsten, Grafen, Edelleute und Ministerialen über solche Güter als Reichslehen hätten; an sich zu kaufen, und versprach demselben, solche sodann dem Stifte mit allen Rechten und dem Bann zu schenken 1).

 

Auch der Pabst Alexander IV. erklärte sich im Jahre 1256 über die Unmittelbarkeit des Domstifts zu Goslar, und wollte nicht gestatten, daß die dem Stifte Hildesheim auf 3 Jahre bewilligte Erlaubniß, die vacanten geistlichen Pfründen an sich zu bringen, auf das Stift SS. Simonis et Judae in Goslar angewandt werden solle 2).

 

Wir gehen jetzt zu dem nicht minder ansehnlichen St. Petersstifte in und vor Goslar über.

 

Schon oben sahen wir, daß Otto IV. eine Ehre darin suchte, in die Brüderschaft dieses Stifts aufgenommen zu werden, dessen Schutz dem jedesmaligen Bischose von Hildesheim der ursprünglichen Anordnung zufolge anvertraut war. Diese geistliche Brüderschaft erneuerte im Jahre 1218 Otto’s IV. nachgelassene Gemahlin, Maria, und schenkte zugleich dem St. Petersstifte zwei Hufen Landes vor Wetsleben mit dem Wunsche, es möge nach ihrem Ableben für sie gebetet und Messe gelesen werden 3).

 

Der schon oben erwähnte Probst Burchard stand auch während dieser Zeit noch in hohem Ansehen, und wurde bei wichtigen Verhandlungen als Zeuge zugezogen 4). (1220 und 1221.)

 

Im Jahre 1223 bestätigte der Herzog von Sachsen und Pfalzgraf am Rhein, Heinrich, der Lange, ein Sohn Heinrich’s des Löwen, dem St. Petersstifte zwölf Hufen Landes, welche dasselbe von dem Kloster zu Nordheim vor Hörte und Immendorf gekauft hatte. Als ferner Heinrich VII. im Jahre 1227 die Reichsgeschäfte mit den Ständen in der königl. Pfalz zu Goslar besorgte, ertheilte er daselbst dem St. Petersstifte einen offenen Brief, in welchem des Stifts Unmittelbarkeit bestätigt wurde. In dieser noch vorhandenen Urkunde vom 29sten August 1227 werden die Canonici dieses Stifts

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1) Die Reichsunmittelbarkeit des Domstifts in Goslar. S. 15.

2) Heinecc. I. p. 276.

3) Kurze Geschichte des Petersstiftes. S. 10.

4) Koken’s Winzenburg. S. 182 und 205.

 

 

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Capellane der Königin (Capellani reginae) genannt. Es war ferner im Jahre 1233, als der hildesheimsche Bischof Conrad II. im Petersstifte einkehrte, um, wie es schon oft geschehen war, die Streitigkeiten benachbarter Klöster hier beizulegen. Er bestätigte hier dem Kloster Riechenberg 2 Hufen Landes vor Lengde. In der darüber ausgestellten Urkunde, welche gleichfalls noch vorhanden ist 1), treten als Zeugen die Canonici Gerhard und Johann auf.

 

Es hatten ferner die Herren von Cramm eine Hufe Landes in Wienrode von dem St. Petersstifte zu Lehen, so wie einiges Land in Pacht. Weil sie nun zu Westerhausen und Wetsleben die Voigtei vom Stifte besaßen, so pflegten sie einige Hufen dafür frei zu haben, welche sie im Jahre 1245 den Grafen Ulrich und Siegfried von Regenstein überließen, und dagegen anderswo dem Stiste einige Hufen schenkten 2). Wichtig war es endlich noch, daß der Kaiser Wilhelm von Holland im Jahre 1252 von Braunschweig aus die St. Petersbergschen Grundbriefe aufs Neue bestätigte und sämmtlich einrückte 3).

 

Wir wenden jetzt unsere Blicke auf das Kloster zum Mariengarten, dessen Geschichte während der Regierungszeit Friedrichs II., Heinrich Raspe’s, Wilhelm’s von Holland und Conrad’s IV. den Geist der damaligen Zeit besonders charakterisirt.

 

Es ist der erste bekannte Probst dieses Klosters, der von dem Wahne der Zeit in die Flammen des Scheiterhaufens geschleudert wurde. Er hieß Heinrich Minnicke. Im Jahre 1223 ward er seiner sogenannten Irrlehre halber von dem hildesheimschen Bischofe Conrad II., dessen Vorgänger ihn vergebens schon ermahnt und gewarnt hatte, zur Untersuchung gezogen, abgesetzt und zur Haft gebracht. Die steigenden Anmaßungen der Päbste, so wie die immer allgemeiner werdende sittliche Versunkenheit jener Zeit erzeugte schon hie und da Versuche einer Reformation, durch welche verschiedene Secten veranlaßt wurden. Unter diesen befanden sich auch die Katharer, eine Art Manichäer, welche besonders auf eine Lostrennung vom Pabste drangen. Auch in Goslar fanden sie Eingang. Diese Secte war es, welcher der gewiß nicht geistlose Probst Heinrich Minnicke zugethan war. Denn die Untersuchung ergab, daß er die

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1) Kurze Geschichte. S. 11.

2) Dafelbst. S. 11.

3) Kurze Geschichte etc. S. 11 und 30.

 

 

 

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Verletzung der strengen Regel des Cistercienser-Ordens, welche aus Benedict’s Regel hervorgegangen war, und welcher sich auch das Kloster zum Mariengarten in Goslar unterworfen hatte 1), in dreifacher Beziehung zugelassen hatte. Zuvörderst nämlich war Benedict’s Regel nicht beobachtet worden; sodann aßen die Nonnen auch in gesunden Tagen Fleisch; drittens trugen sie leinene Kleidungsstücke auf dem bloßen Körper. Benedict’s Regel war von den Nonnen sogar in einen Brunnen geworfen worden, und Heinrich Minnicke hatte dazu geschwiegen, ja, er hatte es sogar geduldet, daß die Nonnen ihn für den Größten der von Weibern Gebornen erklärten.

 

Noch strafbarer erschienen seinen Richtern die Abweichungen von den Glaubenslehren der Kirche, welche er sich erlaubt hatte. Er lehrte nämlich, der heilige Geist sey Vater des Gottessohnes; er erhob in Versen den jungfräulichen Stand, wodurch er den Ehestand zu verdammen schien; er deutete an, daß auch der Teufel zur Reue und Begnadigung gelangen werde; er behauptete endlich, es gebe im Himmel eine Frau, erhabener, als die selige und ruhmwürdige Jungfrau Maria, und das sey — die Weisheit. Bischof Conrad II., welcher die Hochschule zu Paris besucht, in Frankreich wider die ketzerischen Albigenser geeifert hatte, und nach Deutschland gekommen war, um das Kreuz zu predigen wider die Ungläubigen, — er konnte freilich in seinem eigenen Sprengel solche Irrlehren nicht dulden. Der Cardinal-Legat Conrad bestätigte des Bischofs Ausspruch im Jahre 1224 zu Blekede, und nochmals in demselben Jahre zu Hildesheim, nachdem er im Auftrage des Pabstes Gregor IX. Heinrich Minnicke verhört, und durch Abnahme der geistlichen Kleidung und der heiligen Geräthe feierlich degradirt hatte. Damit war nun Heinrich Minnicke dem weltlichen Gerichte anheim gefallen, und dieses nahm keinen Anstand, nach Kaiser Friedrichs II. Ketzerordnung vom Jahre 1220 ihn zum Feuertode zu verdammen. Diesem Urtheile zufolge, welches ohne Zweifel der bischöfliche Stadtvoigt zu Hildesheim aussprach, ward Heinrich Minnicke am 29sten März 1225 verbrannt 2). Von solchem Greuel, den der Wahn der damaligen Zeit gebar, wenden wir uns voll Abscheus hinweg, und blicken

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1) Koken’s und Lüntzel’s Mittheilungen I. S. 120. 121. Schlegel’s Kirchengeschichte I. S. 222.

2) Koken’s Aufsatz: Heinrich Minnicke im hannoverschen Magazin von 1829. Stück 65 und 66.

 

 

 

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dankend zu Gott empor, der uns das köstliche Gut der Glaubensfreiheit verlieh.

 

Ohne Zweifel ward erst von jetzt an das Kloster zum Mariengarten deshalb Neuwerk genannt, weil es vom Bischofe neu geweihet, und gleichsam von der durch Heinrich Minnicke veranlaßten Ansteckung gereiniget wurde, wie denn auch wirklich die Nonnen der alten Regel sich neu unterwerfen mußten.

 

Bischof Conrad stellte über mehrere Geschäfte des Klosters Urkunden aus und gab ihnen die Bestätigung. In einer undatirten Urkunde, in welcher er sich demüthigen Diener der hildesheimschen Kirche und Knecht des Kreuzes nennt, bezeugt er, daß die Brüder Bodo, Ludwig und Alberich (wahrscheinlich von Burgdorf) dem Kloster Neuwerk den Wat- oder Waltberg auf neun Jahre zinsfrei, für die spätere Zeit gegen einen Zins von 2 Mark überlassen , dem Kloster auch ein Verkaufsrecht in Ansehung dieses Berges eingeräumt haben. In dieser Urkunde erscheint zum ersten Male ein Vormund 1) (procurator) des Klosters, welchen später stets der Rath zu Goslar setzte. Damals hieß er Gerwart.

 

Es war ferner am 1sten Mai 1225, als derselbe Bischof Conrad dem Kloster Neuwerk den Zehenten vom Rodelande zu Meinerdingerode, welches bei Gr. Flöthe lag, zum Geschenke machte, und sich dafür ein Jahrgedächtniß ausbedang. In demselben Jahre wußte sich das Kloster auch einen neuen kaiserlichen Schutzbrief zu verschaffen. Heinrich VII. stellte denselben aus bei Nordhausen am 27sten Junius. Er nahm darin das Kloster in seinen und des Reiches besondern Schutz, bestätigte die Verordnungen seiner Vorgänger rücksichtlich der Wahl und Entlassung des Voigts, und verbot alle Beeinträchtigung dieser geistlichen Anstalt. In demselben Jahre bezeugte zu Gunsten des Klosters Neuwerk die Aebtissin Bertha von Gandersheim, daß sie mit Zustimmung ihres Convents ihren Blutsfreunden Conrad und Bertold Grafen von Wernigerode und von der Amberga (Ammergau) gestattet habe, allem Rechte, welches sie wegen ihrer Grafschaft an einer dem Kloster Neuwerk gehörigen halben Hufe Landes zu Nauen hätten, zu entsagen.

 

Nicht minder erfreute sich das Kloster schon damals der Gunst des Hauses der braunschweigschen Herzöge. Der Pfalzgraf Heinrich, Otto’s IV. Bruder, überließ im letzten Jahre seines Lebens und

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1) Koken’s und Lüntzel’s Mittheil. I. S. 122 und folg.

 

 

 

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wahrscheinlich im Vorgefühle des nahen Todes zu seiner und der Theuern, die ihm vorangegangen, Entsündigung und in der Hoffnung aus das himmlische Vaterland dem Marien-Kloster des Neuwerks einen Wald, der ihm angefallen war, Ossenewege (später Schünthal) hieß und am Wasser Grane lag. Die Urkunde ist im Jahre 1227 zu Braunschweig ausgestellt, wo Heinrich am 28sten April 1227 starb.

 

Auch an Hüttenwerken vermehrte das Kloster um diese Zeit seine Besitzungen 1). Graf Siegfried von Regenstein entsagte gegen 4 Mark allem Rechte, welches er an den am Oesereskampe bei Goslar gelegenen Hütten hatte. Die Urkunde darüber ist undatirt.

 

Ferner bezeugte im Jahre 1230 der Bischof Conrad von Hildesheim, daß die Söhne des Herrn Rudolph von Mander (Mahner) ihm eine Hufe, welche zu Thuringerode liege, aufgesandt, und er solche Länderei der Kirche der seligen Jungfrau Maria zum Neuenwerke mit Zustimmung seines Capitels überlassen habe. Dieser Ort Thuringerode oder Duringesrod kommt schon früh vor. Ein gewisser Turinc aus Sachsen übergab dem Kloster Fulda in alter Zeit sein Eigenthum mit 40 Hörigen in dem neuangelegten Orte Duringesrod, der wohl eben von jenem Manne den Namen erhielt, und an der Ocker auf der Grenze des Derningaus lag. Es dehnte sich dieser Gau am rechten Ufer der Ocker hin. Die Bewohner dieser ausgegangenen Ortschaft müssen sich nach Immenrode gewendet haben; denn noch jetzt hat ein großer Theil der hiesigen Höfe, namentlich der Kothhöfe, das Land an der Ocker, wo der ausdrücklichen Sage nach Derjerode (so nennt es der hiesige Landmann) gelegen hat. Der eine dieser Höfe besitzt ein viereckiges Stück Landes, welches noch jetzt den Namen Kirchhof führt, wo also ohne Zweifel vormals der Gottesacker des ausgegangenen Dorfes Doringerode gewesen ist. Wenn daher Falke 2) behauptet, der Ort habe nicht weit von Braunschweig gelegen, so ist dieß nach unserer Angabe zu berichtigen. Noch jetzt sind Besitzer der Doringeroder Länderei des hiesigen Orts dem vormaligen Kloster Neuwerk meierpflichtig.

 

Eine neue Freigebigkeit bewies der oftgenannte Bischof Conrad von Hildesheim im Jahre 1231 gegen das Kloster, indem er am 6ten September unter Zustimmung seines Capitels den halben

 

1) Koken’s und Lüntzel’s Mittheil. I. S. 125.

2) Tradition. Corbei. 19.

 

 

 

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Zehenten zu Langenez (wahrscheinlich Langelsheim) dem Kloster übertrug.

 

Im Jahre 1232 erwarb der Probst Johann, (der zweite von den bekannten Pröbsten dieses Stifts) von dem bischöstichen Marschall Conrad 9 Hufen Landes zu Nauen mit allem Zubehör für 55 Mark reinen Silbers. Das Obereigenthum stand dem Bischofe zu. Diesem wurde die Länderei resignirt, und er übertrug sie am 6ten December des genannten Jahres zu Winzenburg mit Zustimmung seines Capitels dem Kloster Neuwerk 1). Abermals erscheint der Probst Johann im Jahre 1233 am 28sten Junius auf dem Petersberge bei Goslar als Zeuge des Bischofs Conrad.

 

Um dieselbe Zeit erwarb das Kloster auch nicht unbedeutende Waldungen. Graf Hermann von Woldenberg, welcher in der ersten Hälfte des 13ten Jahrhunderts und so auch hier als Graf von der Harzburg vorkömmt, überließ dem Herrn Hugo von Thorrenvelde und dessen Bruder Heinrich und dem Herrn Conrad Hove schon im Kinderwalde, welcher Bielstein hieß, den dritten Theil des Zehentens und den sechsten Theil der Voigtei über die Berge in jenem Districte mit Ausnahme des Stockemannes-Berges, versprach zugleich, daß der Graf Heinrich dasselbe thun solle, und dieser erfüllte auch sein Versprechen wenigstens rücksichtlich des Walderes-Berges.

 

Jm Jahre 1236 erwarb das Kloster ferner den halben Zehenten von Gielde (Gelidhe). Der edle Graf Heinrich von Schladen hatte den Zehenten von der hildesheimschen Kirche zu Lehen. Er resignirte ihn dem Bischofe Conrad, und dieser übertrug ihn der heiligen Jungfrau zum Neuwerke, bedang sich aber dafür die feierliche Begehung seines Todestages aus 2).

 

Eine neue Erwerbung für das Kloster machte der Probst in demselben Jahre 1236 zu Langenez. Hier kaufte er vom Kloster Riechenberg eine halbe Hufe Landes für 8½ Fertonen und die Wohnung, welche Cram hieß. Im darauf folgenden Jahre 1237 bezeugte der Bischof Conrad am 7ten September bei Stederburg, daß Burchard von Lengde den Zehenten von Klein-Schladen, welchen er unmittelbar vom Bischofe zu Lehen gehabt, für 130 Mark dem Probste Johann zu Neuwerk verkauft und dem Bischofe resignirt,

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1) Koken’s Winzenburg. S. 185.

2) Koken’s und Lüntze’s Mittheilungen I. S. 129.

 

 

 

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dieser aber dem Probste übergeben habe. Der Ort Klein-Schladen ist nicht mehr vorhanden.

 

Es war ferner im Jahre 1240, als das Kloster Neuwerk mit der Gandersheimschen Aebtissin Bertha Güter vertauschte. Die Aebtissin trat demselben Grundstücke in Klein-Sehlde ab, welche voigteifrei und den Herrn Aschwin von Walmoden verliehen waren, und empfing dagegen das Allodium des Klosters zu Nauen, womit Herr Aschwin wieder belehnt wurde. Das Kloster wird hier Kirche der heiligen Jungfrau Maria im Neuenwerke bei Goslar genannt, und die Aebtissin bemerkt, daß der Tausch mit Zustimmung aller ihrer Vasallen geschehen sey. Die Urkunde darüber ist vom 13ten Januar 1240 datirt.

 

In demselben Jahre resignirte der Graf Ludolph von Hallermund dem Bischofe den Zehenten zu Xzeredhe (jetzt Sörhof), und der Bischof übertrug auch diesen Zehenten dem Kloster Neuwerk am 3ten Julius.

 

Derselbe Probst Johann zahlte im darauf folgenden Jahre 1241 an die Grafen Hermann und Heinrich von Woldenberg, 120 Pfund, damit diese den Zehenten zu Baddekenstedt, welchen sie vom hildesheimschen Bischofel zu Lehen hatten, diesem zurückgäben. Dieß geschah, und Bischof Conrad übertrug auch diesen Zehenten dem Kloster zur Vermehrung der Unterhaltungskosten der Nonnen am 28sten März.

 

Auf ähnliche Weise erhielt das Kloster zwei Jahre später den Zehenten von Klein-Elvede für 150 Mark reinen Silbers. Diese zahlte es an Lippold von Goslar, welcher den Zehenten seinem Lehnsherrn, dem Grafen Heinrich von Woldenberg zurückgab, um ihn sodann dem Bischofe zu resigniren, welcher am 14. März 1243 denselben dem Kloster Neuwerk übertrug.

 

Bedeutend war sonach der Grundbesitz des Klosters angewachsen. Gleichwohl war demselben der Aufwand für eins der ersten Lebensbedürfnisse noch zu schwer. Die Wasserleitung nämlich, welche ihm das Wasser zuführte, machte so bedeutende Ausgaben nöthig, daß Bischof Conrad in einer am 19ten April 1245 ausgestellten Urkunde bezeugt, das Kloster könne diese Ausgaben nicht länger bestreiten , und in einem an alle Einwohner seiner Diöcese gerichteten Ausschreiben zur Unterstützung des Klosters durch fromme Gaben ermahnt, auch nach dem Gebrauch jener Zeit den Gebern zwanzig Tage von der ihnen auferlegten Buße erläßt.

 

 

 

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Es war dieß ein Mittel, dessen Anwendung in jenen Zeiten selten ohne erwünschten Erfolg blieb. Auch das Kloster Neuwerk machte diese Erfahrung. Es ward seiner Geldverlegenheit bald entrissen; denn noch in demselben Jahre 1245 zahlte es 80 Mark reinen Silbers an Bernhard von Hagen für den Zehenten zu Gronstede, einem im Amte Liebenburg belegen gewesenen Dorfe. Mittelst einer Urkunde vom 13ten April des genannten Jahres übertrug der Bischof, dem dieser Zehenten resignirt worden war, solchen dem Kloster in Gegenwart ansehnlicher Zeugen 1).

 

In demselben Jahre schloß sich der Probst des Klosters Neuwerk auch den Schiedsrichtern an, welche den Streit zwischen dem Dome zu Goslar und dem Kloster Cella auf dem Oberharze wegen der Abtswahl beilegten.

 

Es war endlich im Jahre 1246, im letzten Jahre der Amtsführung des Bischofs Conrad von Hildesheim, als der Graf Heinrich, der Aeltere, und Burchard von Woldenberg den Zehenten zu Immenrode dem Bischofe zurückgaben, welchen sodann Conrad dem Kloster Neuwerk überwies. Es geschah dieß am 23sten December 1246 vor ansehnlichen Zeugen, unter denen sich der Vormund (officiatus) des Klosters, Namens Gerward, befand.

 

Zehen Jahre später dagegen sehen wir das Kloster zu einer Veräußerung schreiten. Der Probst Johann, die Aebtissin Gertrud, die Priorin Christina und die Kellnerin Euphemia bezeugten im Jahre 1256, daß sie die Hälfte des Zehentens zu Klein-Schladen an das neue Hospital in Goslar verkauft hätten. Unter den Zeugen bei dieser Handlung erschienen Rüdiger, ehemals Pfarrer der Marktkirche, so wie Ritter Burchard von Lengde und Heinrich von Dörnten.

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Was ferner das Stift St. Georgenberg vor Goslar betrifft, so haben wir theils Einiges aus früherer Zeit nachzuholen, theils einige Nachrichten, die den Zeitraum von 1218 bis 1256 angehen, hinzuzufügen:

 

Das Ansehen auch dieses Stiftes war schon zur Zeit Friedrichs I. bedeutend; denn unter seiner Regierung war es, als im Jahre 1169 der Probst Benno und die Canonici Volbertus und Honestus vom Bischofe Hermann von Hildesheirn bei einer wichtigen Verhandlung,

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1) Koken’s und Lüntze’s Mittheil. I. S. 132.

 

 

 

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die das Petersstift betraf, als Zeugen zugezogen wurden 1). Auf dem St. Georgenberge ferner war es, wo der Bischof Conrad II. im Jahre 1230 erschien, um eine wichtige Handlung, nämlich die Ueberweisung von mehreren Hufen Landes zu Doringerode an das Kloster Neuwerk, vorzunehmen 2). Im Jahre 1240 fand es das Domcapitel zu Goslar für gut, bei einer Verhandlung in Betreff des Klosters Cella zu mehrerer Beglaubigung unter die Urkunde auch das Siegel des heiligen Georgenberges drucken zu lassen 3). Oefter wurden auch die Pröbste dieses Stiftes zu wichtigen Entscheidungen als Schiedsrichter zugezogen. So war z. B. der Probst des St. Georgenberges unter den Schiedsrichtern, welche im Jahre 1245 den Streit wegen der Abtswahl im Cella-Kloster auf dem Oberharze beilegten 4). Schirmvoigte des St. Georgenberges waren um diese Zeit die Herren von Burgdorf, von welchen übrigens das Stift so hart gedrückt wurde, daß es sich genöthigt sah, des Kaisers Wilhelm Hülfe zu suchen, welcher mittelst einer besondern zu Gandersheim ausgestellten Urkunde den Schutz dieses Klosters 1252 dem Rathe zu Goslar übertrug 5).

 

Wir gehen jetzt zu einem andern Kloster, nämlich dem Marien-Magdalenen-Kloster zum Frankenberge über. Nach der Meinung des gelehrten Verfassers der Chronik dieses Klosters am westlichen Ende Goslar’s ward dasselbe im Jahre 1225 gestiftet 6). Hiermit stimmt auch die Handschrift überein, welche Leibnitz 7) anführt, und worin es wörtlich heißt: Na Gottes Bord MCCXVIII. Fredericus der andere, König Hinricks sone. — By düsses Tyden wart gebuwet dat Closter to deme Frankenberge, de da voren den Orden, de da sie in eynem boytsammegelevende. Wir sahen schon oben, daß Bischof Conrad II. von Hildesheim es war, der dieses Kloster gründete, und dürfte demnach die Behauptung Letzners zurückzuweisen seyn, der

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1) Kurze Geschichte des Petersstiftes. S. 23. 24. Beilage No. VIII.

2) Koken's und Lüntze’s Mittheilungen I. S. 125. und 126.

3) Honemann I. S. 83.

4) Daselbst I. S. 94.

5) Heinecc. p. 272. Leuckfeld’s Antiq. Gandersh. p. 204. — Von den Herren von Burgdorf, die wahrscheinlich Grauhof sich angemaßt hatten, scheint um diese Zeit das Kloster diesen Hof um eine Summe Geldes wieder an sich gebracht zu haben. Calvör S. 472.

6) Chron. coenob. Montis Francorum Goslariae etc. Mund. S. 428. 429. Schlegel I. S. 229.

7) Leibnitz script. Brunsv. Tom. III. C. XV. p. 429.

 

 

 

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die Gemahlin des Pfalzgrafen Heinrich, Otto’s IV. Bruder, Namens Agnes, für die Stifterin dieses Klosters ausgiebt.

 

Der für die Stiftung und Bereicherung von Klöstern sehr thätige Bischof Conrad II. hatte bei Gründung dieses Klosters die gewiß nicht unrühmliche Absicht, solchen Frauenzimmern, welche sich besonders aus Mangel an Unterhalt zu einem unsittlichen Lebenswandel hatten verführen lassen, Gelegenheit, Antrieb und Erleichterung zu verschaffen, ihre Sünden zu bereuen und auf die Bahn der Tugend zurückzukehren 1). Darum nannte er es ein Marien-Magdalenen-Kloster, und die dabei gelegene Capelle, welche gleichen Namen führte, ward den Nonnen zu ihrem Gottesdienste angewiesen. Die erforderlichen Gebäude ließ der Bischof zwar aufführen, um zuvörderst den büßenden Nonnen, welche den Augustiner-Orden annahmen, Obdach zu verschaffen; allein die Dotation des Klosters konnte erst allmählig erfolgen. Anfänglich erhielten sich die Nonnen nur kümmerlich vom Almosen mitleidiger Christen 2). Conrad II., der oft genannte hildesheimsche Bischof, wandte jedoch auch hier jenes Mittel an, welches zum Besten des Klosters Neuwerk nicht ohne Erfolg gebraucht worden war. Er erließ einen kräftigen Hirtenbrief, und verhieß Allen, die zum Unterhalte dieser dürftigen büßenden Nonnen ihre Hand öffnen würden, Ablaß. Dieß verfehlte die Wirkung nicht. Von allen Seiten gingen reichliche Geschenke ein, und es erfolgten so ansehnliche Vermächtnisse, daß bald allem Mangel abgeholfen war. Auch einen päbstlichen Gnadenbrief wußten sich die büßenden Schwestern der heiligen Maria Magdalena zu verschaffen 3).

 

Im Jahre 1256 verehrte diesem Kloster die Aebtissin Margaretha I. von Gandersheim bei Antritt ihrer Abtei zwei Hufen Landes in der Jerstedtschen Feldmark belegen 4).

 

Während der Zeit, deren wechselnde Ereignisse wir jetzt noch in Goslar’s Geschichte zu betrachten haben, stand das Frankenbergsche Kloster noch außerhalb der Stadtringmauer. So heißt es noch im Jahre 1254 in einer Urkunde vom Bischofe Heinrich von Hildesheim: Domus sanctae Mariae Magdalenae apud Goslariam 5).

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1) Chronic. coenob. M. Fr. p. 6. 7.

2) Daselbst. p. 8.

3) Heinecc. p. 247.

4) Chron. coen. Mont. Franc. p. 31.

5) Mund. S. 431. Anmerkung.

 

 

 

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Im Jahre 1253 ward das St. Johannis-Hospital oder sogenannte große heilige Kreuz zu Goslar gestiftet. Armen und Hülflosen sollte nach des Stifters, eines kaiserlichen Voigts, Namens Diedrich von Sulinge, wohlthätiger Absicht hier eine Zuflucht verschafft werden. Es ward dazu die Curie eines Domherrn noch an der südlichen Abzucht 1) gewählt und der Stadt abgetreten. Der Dechant am Münster und zwei Bürger aus der Stadt sollten darüber die Aufsicht führen, und den Priester zu den gottesdienstlichen Verrichtungen in dem zu jenem Stifte erbauten Bethause erwählen. Ueber die gegenwärtige Einrichtung dieser noch immer sich wohlthätig erweisenden Anstalt wird die Geschichte später Auskunft geben 2).

 

In Beziehung auf die bereits in voriger Periode erwähnte, von der Wohldenbergschen Grafenfamilie 1064 gestiftete 3) St. Cäcilien-Capelle haben wir hier noch Folgendes zu bemerken: Das Patronatrecht über die Capelle blieb bei der Familie der Grafen von Wohldenberg, bis das Kloster Waltenried dasselbe an sich zu bringen wußte. Als nämlich im Jahre 1255 der damalige Dechant des Stifts Hildesheim, Heinrich, und sein Bruder Hermann von Woldenberg in die Walkenrieder Brüderschaft aufgenommen zu werden verlangten, so traten sie dieß ihr Recht an den Walkenrieder Abt Hermann freiwillig ab 4). Wie wichtig diese Erwerbung in Goslar für das Walkenrieder Kloster war, wird der Verlauf der Geschichte ausweisen.

 

Endlich müssen wir noch Einiges über die in Goslar vorhanden gewesene Capelle zum heiligen Grabe hier erwähnen 5). Es gehörte diese Capelle dem Johanniter-Orden, und lag nahe bei der Stadt. Eine kleine Vorstadt in dortiger Gegend bestand nur in einer Gasse, welche von diesem Kloster bis dicht an das Vitsthor reichte. Ueber die Zeit der Stiftung dieser Capelle sind schon nach Mund’s Zeugnisse Nachrichten überall nicht vorhanden, wiewohl es nicht in Zweifel zu ziehen seyn dürfte, daß sie zur Zeit der Kreuzzüge entstanden sey. Uebrigens gab die Veranlassung zur Stiftung

 

1) Abzucht sollte, wie Herr Volger im Goslarschen Wochenblatte sehr richtig bemerkt hat, eigentlich nach der alten Benennung Aghetocht oder Aghekucht geschrieben werden, da es von aquaeductus abzuleiten ist.

2) Mund. S. 473. Heinecc. III. p. 274.

3) Schlegel I. S. 154.

4) Leuckfeld’s Ant. Walk. I. X. §. 5. Mund S. 452.

5) Mund. S. 104.

 

 

 

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des Johanniter-Ordens bekanntlich die vorangegangene Stiftung eines Hospitals zu Jerusalem 1048 durch Kaufleute aus Amalfi im Neapolitanischen zu Ehren des heiligen Johann des Barmherzigen, Erzbischofs von Alexandrien. Im Jahre 1240 bei einer Verhandlung des goslarschen Domes 1) über gewisse Einkünfte des Cella-Klosters auf dem Oberharze wird eines Priesters Gunzelin, als Verwalters des heiligen Grabes gedacht. Ueber die Zerstörung dieser Capelle wird unsere Geschichte später Auskunft geben.

 

§. 7. Die Zeit des Interregnums oder Zwischenreichs (1256 bis 1273) und die Regierungszeit Rudolph’s von Habsburg (1273—1291).

 

Größere Freiheit und Selbstständigkeit Goslar’s. Anschließung an die Hansa. — Erweiterung der Stadt. — Theilung des rammelsbergschen Zehentens. Die Herlingsburg und ihre letzten Schicksale. Rudolph, der Zerstörer der Raubburgen und Stifter des Landfriedens. Brand des Kaiserhauses. Der Teufelsthurm. Die geistlichen Stifter, Klöster und Capellen.

 

Die traurige Zeit des Zwischenreichs 2), welche wenigstens vom Tode Wilhelm’s von Holland bis zur Erwählung Rudolph’s von Habsburg unser deutsches Vaterland in alle Schrecken des Faustrechts stürzte, war ohne Zweifel gerade die Zeit, in welcher sich Goslar zu einer größeren Freiheit und Selbstständigkeit erhob, wozu nicht bloß wegen Mangels eines Reichsoberhaupts die günstigste Gelegenheit sich darbot, sondern auch die Noth selbst drängte. Gesetzlicher Schutz mangelte zu jener Zeit. Darum mußten sich namentlich die Städte zu eigener Wehr und Sicherheit verbinden. Schon im Jahre 1241 hatte durch die bedeutenden Städte Hamburg und Lübeck jener große norddeutsche Städtebund, die Hansa genannt, begonnen, welcher sich allmählig durch den Beitritt vieler wichtigen Handelsstädte erweiterte. Auch Goslar nahm um diese Zeit an jenem Bunde Theil 3), wodurch das Ansehen, so wie der

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1) Honemann I. S. 83.

2) Andere rechnen von 1250—1273; noch Andere von 1254 an.

3) Mund. S 143. Hüne I. S. 482. 483. Sartorius Geschichte des Hanseatischen Bundes. Th. I. S. 87.

 

 

 

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innere Wohlstand der Stadt sich so sehr mehrte, daß sie sich weit über andere Städte ihres Ranges erhob 1). Verschiedene angesehene Familien nahmen fortan ihre Zuflucht in Goslar, da diese Stadt mit ihren Befestigungen einem Anfalle Von Außen her noch immer Trotz bieten konnte. Durch diesen Zufluß von Fremden wuchs die Zahl der Einwohner so sehr, daß bald der Raum für sie zu beschränkt war, und man auf eine Erweiterung der Stadt Bedacht nehmen mußte. Auch in der Nähe der Stadt mochten sich ferner Unruhen zeigen, was ohne Zweifel das Kloster Neuwerk zu dem Wunsche veranlaßte, in die Ringmauer der Stadt mit aufgenommen zu werden 2). Eben dasselbe war vermuthlich der Wunsch des Marien-Magdalenen-Klosters zum Frankenberge gewesen, welches gleichfalls der Stadt einverleibt wurde. Schon in einer Urkunde vom Jahre 1297 nennt daher der Graf Heinrich von Regenstein bei Gelegenheit einer Schenkung dieses Kloster: Ecclesia in Vrankenberg intra muros Goslariae, d. i. Kirche auf dem Frankenberg innerhalb der Ringmauern Goslars 3).

 

Ein Beispiel von den Beunruhigungen von Außen her, gegen welche Goslar um jene Zeit sich zu vertheidigen hatte, erzählt unsre Chronik. Es war im Jahre 1280, als Graf Siegfried von Blankenburg das Vieh der Stadt von der Weide raubte, und bei solcher Gelegenheit gefangen genommen wurde. Zur Strafe gab der damals schon sehr mächtige Rath der Stadt dem Gefangenen auf, einen Thurm in Goslar’s Ringmauern bauen zu lassen. Dieß geschah, und der erbaute Thurm erhielt den Namen des Weberthurms. Als aber eben dieser Thurm fertig war, verweigerte der Rath unter der Anführung, dieser Thurm sey nicht bedeutend genug, dem Grafen die Freiheit. Der Gefangene soll darauf erwidert haben: So soll denn in des Teufels Namen noch ein anderer Thurm gebaut werden! worauf denn der zweite Thurm den Namen des Teufelsthurms erhielt.

 

In Beziehung auf die rammelsbergschen Bergwerke, welche eine treffliche Quelle für den Wohlstand Goslar’s waren, haben wir einer eingetretenen Veränderung hier zu erwähnen. Herzog Otto, das Kind, welcher von Agnes, der Wittwe seines Oheims,

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1) Heinecc. III. p. 247.

2) Mund. S. 144.

3) Mund. S. 431.

 

 

 

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des Pfalzgrafen Heinrich, den Zehenten vom Rammelsberge wieder gekauft hatte, hinterließ bei seinem am 9ten Junius 1252 erfolgten Tode 4 Söhne, von denen zwei, Otto und Conrad Geistliche waren, dagegen die beiden andern sich in die Erbländereien theilten 1). Der älteste Bruder Albrecht empfing bei der 1267 Statt findenden Theilung mit seinem Bruder Johann den rammelsbergschen Zehenten, und als er am 15ten September mit Tode abging, trat eine andere von ihm noch bei Lebzeiten gemachte Theilung der braunschweigschen Lande unter seine drei Söhne Heinrich (den Wunderlichen), Albert (den Fetten) und Wilhelm, den Jüngsten, in Kraft. Nach dieser letztern Theilung empfing jeder der drei Brüder den dritten Theil des rammelsbergschen Zehentens 2).

 

Die Auseinandersetzung dieser drei Brüder erfolgte übrigens erst im Jahre 1284 und hatte Streitigkeiten zur Folge, welche auch Goslar vielfach berührten.

 

Heinrich, der Wunderliche, war nämlich mit der geschehenen Erbtheilung nicht zufrieden. Er fiel daher mit seinen Schaaren in die Länder seiner Brüder, und eroberte in Kurzem das feste Schloß Herlingsburg, unweit Goslar, welches damals die Herren von Walmoden besaßen. Diese wichtige Burg versah er mit einer ansehnlichen Vesatzung, welche bald die Gegend weit umher beunruhigte. Selbst bis Goslar drang sie auf ihren Ausfällen vor 3), und hinderte den Verkehr zwischen jener Gegend und der Stadt. Endlich traten nun mehrere Stände in Niedersachsen zusammen, um diesem Unwesen ein Ziel zu stecken, fest entschlossen, nicht eher die Waffen aus den Händen zu legen, bis sie das Raubnest bis auf den Grund zerstört haben würden. Die Bischöfe von Halberstadt, Magdeburg, Minden und Hildesheim, die eigenen Brüder Heinrich’s, die Herzöge Wilhelm und Albert von Braunschweig, sowie die Grafen von Wernigerode, Stollberg, Blankenburg und Regenstein sandten ihre Schaaren dahin, und führten sie zum Theil selbst an 4), und die Städte Goslar, Braunschweig, Magdeburg, Hildesheim, Halberstadt und Göttingen nebst andern ließen ihre Mannschaften zu dem vereinigten Heere stoßen 5).

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1) Rehtmeier braunsch.-lüneb. Chronik. S.1834.

2) Honemann I. S. 90. 91.

3) Honemann I. S. 92. 93.

4) Mund. S. 139—142.

5) Hüne I. S. 478.

 

 

 

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Diese vereinte Macht war zu groß, als daß sich die feindliche Besatzung gegen sie hätte halten können. Herzog Heinrich, der Wunderliche, konnte jedoch dem Schicksale, welches seiner Burg drohete, nicht gleichgültig zusehen. Er machte einen Versuch zum Entsatze derselben, wiewohl es ihm selbst einleuchten mußte, daß er es mit der so bedeutenden Belagerungsarmee nicht werde aufnehmen können. An der Spitze seiner nicht unansehnlichen Schaaren rückte er selbst heran. Die Schlacht begann, und es wurde auf beiden Seiten mit der größten Hartnäckigkeit und Erbitterung gekämpft. Viel Blut ward vergossen; doch zuletzt neigte sich der Sieg auf die Seite der Verbündeten. Von der Hitze des Streits mag die große Anzahl vornehmer Gefangenen zeugen, deren sich doch die Belagerten bemächtigt hatten 1). Die Burg wurde hierauf erstürmt, und dem Erdboden gleich gemacht. Die Kriegsgefangenen wurden wahrscheinlich gegenseitig ausgewechselt. Es geschah dieß im Jahre 1291 2).

 

Den Bezirk umher überließ man dem Bischofe von Hildesheim, der dafür wachen sollte, daß das Schloß nie wieder hergestellt würde. Dieser ließ denn auch, um dieß zu verhüten, in einer Entfernung von 3 Stunden das Schloß Liebenburg aufführen, von welchem noch einige Ruinen vorhanden sind.

 

Die Zerstörung dieser Burg war dem Rathe zu Goslar so erwünscht, daß er einem gethanen Gelübde zufolge freudig eine jährliche Spende auf St. Thomastag für die Armen anordnete, welche auf dem Rathhause ausgetheilt werden sollte. Nun erst wurden nach dieser Seite hin die Landstraßen sicher, und Handel und Verkehr in Goslar hoben sich aufs Neue.

 

Diese kräftigen Maaßregeln zur Zerstörung der Raubburg Herlingsburg würden vielleicht nicht ergriffen worden seyn, wenn nicht bereits im Jahre 1273 der eben so edle, als kräftige Graf Rudolph von Habsburg zum Kaiser gewählt worden wäre, der bald nach seiner Thronbesteigung alle Anstalten traf, die Raubritter und Wegelagerer auszurotten. Er selbst durchzog deshalb das Reich, und zerstörte in Thüringen allein 66 Raubschlösser und verurtheilte 29 Ritter zum Tode 3).

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1) Eine Handschrift, welche sich in der Wolfenbüttelschen Bibliothek befindet, und die schon von Mund benutzt wurde, erzählt in plattdeutscher Sprache diese Begebenheit umständlich. Siehe Mund S. 141.

2) Hüne (Hannoversche Geschichte I.) giebt umsichtig das Jahr 1290 an.

3) Becker’s Weltgeschichte Theil V. S. 298. und 299.

 

 

 

 

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Die kräftige Regierung dieses würdigen Oberhaupts des deutschen Reichs war es, welche der bisherigen Verwirrung ein Ende machte und Ordnung und öffentliche Sicherheit wiederherstellte.

 

Auch Goslar verdankte diesem Kaiser Großes. Er bestätigte nicht bloß die bestehenden Freiheiten und Vorrechte der Stadt, sondern gab ihr auch neue Beweise seiner Gnade. Im Jahre 1290 belehnte er sie mit der Reichsvoigtei, und erklärte sie zugleich für fähig, die Lehen, welche einige Grafen und Edelleute vom Reiche besaßen, käuflich an sich zu bringen 1).

 

Unter der Regierung des Kaisers Rudolph von Habsburg war es auch, als im Jahre 1288 oder, nach Andern, 1289 um Johannis das Kaiserhaus in Goslar ein Raub verheerender Flammen wurde. Zwar ist bereits erwähnt worden, es habe schon früherhin ein Brand dieses Pallastes Statt gefunden, nach welchem statt eines kupfernen Daches ein bleiernes auf denselben gekommen sey; allein der jetzt eingetretene Brand, durch welchen auch die Stadt in die größte Gefahr gerieth, war ohne Zweifel weit umfassender 2). Nach einigen Schriftstellern 3) ward nach diesem Brande der kaiserliche Pallast in Goslar nie wieder aufgebaut, so daß wir in dem jetzt noch stehenden Flügel nur einen übrig gebliebenen Theil eines Nebengebäudes zu betrachten hätten. Nach andern Nachrichten 4) jedoch ward der Pallast damals allerdings wieder aufgebaut, nur in geringerem Umfange und nur mit einem Schieferdache gedeckt. Reichstage wurden seit jener Zeit hier niemals wieder gehalten.

 

Nur wenige Jahre nach diesem Ereignisse beschloß jener würdige Kaiser, der mit so großer Kraft für die Handhabung der Gerechtigkeit und die allgemeine Sicherheit gesorgt hatte, seine segensvolle irdische Laufbahn. In einem Alter von 73 Jahren neigte Rudolph am 15ten Julius 1291 zu Germersheim sein Haupt zum Todesschlummer, und ward im Dome zu Speier nach seinem eigenen Willen, beigesetzt.

 

Hier sey es uns vergönnt, noch einen Blick auf den Zustand der geistlichen Stifter, Klöster und Capellen Goslar’s zu werfen, und über die Schicksale derselben in dem Zeitraume von 1256 bis 1291, soweit die Nachrichten reichen, Einiges zu bemerken.

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1) Mund. S. 232.

2) Honemann I. S. 94. 95.

3) Mund. S. 149.

4) Die geschriebene Chronik ad ann. 1289.

 

 

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Was zuvörderst das so ansehnliche Domstift Goslar’s betrifft, so wird uns als Dechant zu Anfange des genannten Zeitraums (1259) Rainard genannt 1). Zu seiner Zeit traten mehrere Veränderungen in Beziehung auf die Stiftsgüter ein. Unter jenen Gütern, welche das Stift in der Grafschaft Ascanien besaß, waren 20 Hufen Landes im Dorfe Edeckersleve. Die Voigteirechte gehörten Lippold von Heymburg, welcher damit den Ritter Ulrich von Egeln, sowie dessen Tochter Mechthilde und dessen Bruder Johann belehnt hatte. Diese aber hatten die genannten Rechte, als Afterlehen, wieder an gewisse Einwohner des Dorfes verliehen 2). Im Jahre 1261 versprach nun Lippold von Heymburg diesen Einwohnern, das Afterlehen zu halten, wenn seine Vasallen, die Herren von Egeln, aussterben würden. — Eben daselbst lagen auch 28½Hufen Landes nebst einer Mühle zu Reinstede, welche dem Stifte gehörten. Ulrich und Heinrich von Wedestorp hatten die Voigtei darüber. Diese verkauften dieselbe an die Stiftsleute, welche jenes Land benutzten; sie behielten sich nur die Gerichte in Blut- und Diebereisachen vor, und versprachen, jene Stifts-Colonen zur Entrichtung ihrer Gefälle an den Dom gehörig anzuhalten. Auch Tammo, Albertus, Theodoricus und Henricus von Reinstede hatten von den Herren von Wedestorp eine Voigtei über 16 Morgen Landes zu Lehen, welche sie ebenfalls im Jahre 1267 3) gedachten Stiftsleuten als Afterlehn überließen. Man sieht hieraus, daß die voigteilichen Gerechtsame allmählig an das Stift und dessen Leute kamen, und wie die Eigenthümer derselben viel weiter gingen, als die von Friedrich I. gesteckten Schranken es erlaubten.

 

Im Jahre 1267 kaufte auch der Stiftsscholaster Alexander von Walmoden 4) für seine Kirche 2 Hufen Landes im großen Beledse nebst der Voigtei darüber und der Achtwart im Holze.

 

Es besaß ferner das Stift zu Werla 11 Hufen Landes, worüber Conrad von Werla, Herzog Albrecht’s von Braunschweig Schloßhauptmann zu Herlingsburg, die Voigtei zustand, außer den 1½Hufen, welche voigteifrei waren. In Beziehung auf diese Güter errichtete gedachter Herzog zwischen dem Domstifte zu Goslar und

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1) Kurze Geschichte des Petersstiftes S. 11.

2) Leuckfeld. Ant. Poeld. p. 294. No. XXIV.

3) Heinecc. I. p. 285.

4) Leuckfeld. Ant. Poeld. p. 294. No. XXV.

 

 

 

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Conrad von Werla einen Vergleich 1), aus welchem hervorgeht, daß die niedere Gerichtsbarkeit auch bei solchen Gütern, die andere Voigte hatten, doch dem Stifte verblieb. Die Canonici behielten die Annahme und Abschaffung der Meier, die Verpachtung der Aecker, Häuser und Höfe und sonstige Einrichtungen.

 

Um die Zeit, da dieser Vergleich 1274 abgeschlossen wurde, war Friedrich von Jertze Domdechant zu Goslar, von welchem schon 1270 erwähnt wird, daß er ein Hauptbuch für Contracte und ähnliche Documente des Stifts gehalten habe. Zu seiner Zeit war es auch, als 1276 Kaiser Rudolph I. dem Stifte die Voigtei über 7 Hufen Landes zu Hedebere nebst den voigteilichen Rechten schenkte, welche das Stift ferner an sich bringen würde, sowie denn auch derselbe Kaiser in demselben Jahre alle Rechte dieses Stiftes als eines freien unmittelbaren Stifts feierlich bestätigte 2). Im darauf folgenden Jahre 1277 stiftete der genannte Friedrich von Jertze, jetzt Canonicus der Nazarener-Kirche in Syrien und Capellan des Bischofs Otto von Hildesheim, mit 44 Mark ein Fest der Verklärung Christi und bestimmte, daß solches im Dome zu Goslar, so wie in den Kirchen der Klöster Frankenberg und Neuwerk gefeiert werden solle 3).

 

Vier Jahre darauf, 1281, gaben die Grafen Ludwig, Conrad und Johann von Woldenberg dem Stifte ihr Allodium zu Harlingerode mit allem Rechte und der Voigtei 4). Im Jahre 1285 dagegen behielt sich und seinen Erben der Graf Conrad von Wernigerode die Voigtei über die Güter in Slevede vor, da er letztere auf Lebenszeit gegen einen jährlichen Zins von dem goslarschen Domstifte annahm 5).

 

Merkwürdig ist ferner, daß sich der vor 48 Jahren bereits beigelegte Streit des Stifts mit den Waldbürgern auf dem Oberharze wegen der Wahl eines Abts für das Kloster Cella erneuerte. Obwohl das Stift bis dahin sein Recht in Betreff dieser Abtswahl ohne allen Widerspruch behauptet hatte, und die von ihm vorgeschlagenen Aebte allezeit vom Erzbischofe zu Mainz bestätigt worden waren; so behaupteten doch jene Bergbewohner im Jahre 1288 aufs Neue, die

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1) Leuckfeld. Ant. Poeld. p. 296 No. XXVII.

2) Daselbst p. 297 No. XXVIII. — Die Reichsunmittelbarkeit des Domstiftes zu Goslar S. 13.

3) Heinecc. 295.

4) Leuckfeld. Ant. Poeld. p. 298. No. XXX.

5) Leuckfeld. Ant. Poeld. p. 302. No. XXXV.

 

 

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Abtswahl komme ihnen zu. Vielleicht kam dieser neue Versuch daher, daß das Stift sein Recht durch Urkunden zu erweisen nicht im Stande war. Doch auch dießmal behielten die goslarschen Domstiftsherren die Oberhand. Die Pröbste der Klöster zu Riechenberg und Frankenberg, so wie der Dechant zum St. Petersberg wurden zu Schiedsrichtern in der Sache erwählt. Diese erklärten mittelst einer besondern Urkunde 1), daß sie das früher in dieser Sache ausgestellte Document des Abts zu Stena und der Pröbste zu Pölde, Osterode, St. Georgenberg, Neuwerk und Wöltingerode gesehen, geprüft und untadelhaft befunden hätten, und daß hiernach auch dießmal dem Stifte SS. Simonis et Judae das Recht der Präsentation eines Abts für das Cella-Kloster zugesprochen werden müsse. Zugleich bezeugten sie, daß sie selbst noch wüßten, wie der noch lebende Jordan von Veltheim, welcher jener Abtei 10 Jahre vorgestanden habe, vom Stifte erwählt sey, wie ferner dasselbe Stist nach dem Abgange des genannten Jordan von Veltheim einen Mönch des St. Godehardi-Klosters zu Hildesheim, Namens Hermann und dann den eben verstorbenen Albert präsentirt habe, und wie endlich alle drei von dem Erzbischofe Werner von Mainz die Bestätigung erhalten hätten. Von der Zeit an blieb das Stift in diesem seinem Rechte unangefochten.

 

Ein anderer Streit wurde noch in demselben Jahre 1288 beigelegt. Es betraf derselbe eine Forderung, welche der Canonicus Friedrich von Valckenstede an das Stift machte. Man erbat sich vom hildesheimschen Bischofe Schiedsrichter. Diese wurden in den Pröbsten Heinrich von Riechenberg und Hermann von St. Georgenberg vorgeschlagen. Wenn Lichtenstein in seiner Abhandlung über die Reichsunmittelbarkeit des goslarschen Domstiftes hieraus folgert, daß das Stift seiner Exemtion vergessen habe, so scheint dieses zu viel gefolgert zu seyn.

 

Die Sache betraf eine Gewaltthat, welche ein gewisser Cunz Pfefferkeller sich gegen gedachten Canonicus erlaubt hatte. Als nun derselbe noch außerdem das Stift bei dem kaiserlichen Hofrichter verklagen wollte, so ward er nicht nur mit seiner Klage am Montage nach St. Johannis-Tag 1289 2) abgewiesen, weil er im Banne war, sondern eben dieser kaiserliche Hofrichter erkannte zugleich an eben

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1) Honemann I. S. 93. 94. Heinecc. III. p. 257.

2) Heinecc. I. p. 303.

 

 

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dem Tage, daß das Domstift zu Goslar nirgends zu Recht zu stehen schuldig sey, als vor dem geistlichen Gerichte, es sey denn, daß es sich freiwillig dazu einlassen wolle. Das geistliche Gericht aber, welches hier gemeint wird, ist gewiß nicht der Bischof zu Hildesheim, sondern allein der Pabst, unter dessen geistlicher Gerichtsbarkeit allerdings das Stift stand.

 

Im daran folgenden Jahre 1290 1) schloß das Stift einen Vergleich mit den edlen Brüdern Werner, Gardolf und Otto von Hademersleven wegen der Güter zu Westeregeln und Edeckersleve und in den nahgelegenen Dörfern, nach welchem die Voigtei den Kindern dieser Gebrüder zwar noch verbleiben, sodann aber in das Stift zurückfallen solle 2).

 

In Beziehung auf das St. Petersstift haben wir für den Zeitraum Von 1256—1291 Folgendes zu berichten:

 

Im Jahre 1259 verkaufte der auf Albertus folgende Probst Volrad (1264—1294), welcher schon 1253 als Canonicus dieses Stifts vorkommt, dem goslarschen Rathe eine Mühle, Wiese und 1 Hufe Landes. Dieser Volrad gerieth darüber, so wie wegen anderer Punkte mit seinem Capitel in Mißhelligkeit. Beide Theile erwählten Rainard, den Dechant des St. Matthia- oder Domstifts, und die beiden Ritter von Goslar genannt, Conrad und Volkmar, Volkmar’s Söhne (von Wildenstein?) zu Schiedsrichtern. Von diesen wurde der gedachte Streit glücklich beigelegt 3). Aus der darüber vorhandenen Urkunde vom Jahre 1264 gehet auch hervor, daß in diesem Jahre zum Bau der Kirche und der Curien drei Hufen Landes am Berge Sutburg ausgesetzt wurden. Der Bischof Otto von Hildesheim schenkte ferner am 1sten Sept. 1273 dem St. Petersstifte den Rollzehenten über den neuen Acker des Orts Schnede 4), welches bisher ein Wald gewesen war. Auch in dieser Urkunde kömmt der Probst Wolradus oder Volrad vor. Es war ferner im Jahre 1291, als Conrad von Hoym dem Stifte 2 Hufen Landes zu Hoym bei Gelegenheit eines daselbst gehaltenen sogenannten Meierdings zurückgab.

 

Während des ganzen Zeitraums von 1256—1291 erhielt das Petersstift seine Reichsunmittelbarkeit, nur dem Pabste unterworfen, jedoch dem hildesheimschen Bischofe anvertraut zur Fürsorge. In

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1) Heinecc. I. p. 307.

2) Daselbst. p. 307.

3) Heinecc. IV. p. 511. Kurze Geschichte etc. S. 30.

4) Kurze Geschichte etc. S. 30. und 31.

 

 

 

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einer Urkunde vom Jahre 1258 fängt der Dechant so an: Conradus Dei gratia Decanus totumque Capitulum.

 

Wir gehen jetzt zum Kloster Neuwerk über, von dem aus dem betreffenden Zeitraume mehr Nachrichten vorhanden sind.

 

Auch dieß Kloster fuhr fort seine Besitzungen zu vermehren. Im Jahre 1257 erwarb es vom Grafen von Woldenberg drei Hufen in Stenede (Sörhof) für 30 Mark reinen Silbers. Ein Mitzeuge bei der deßfallsigen Verhandlung war der mehrerwähnte Pfarrer Rüdiger, so wie der Hofverwalter des Klosters selbst, ein Priester Bernhard. In demselben Jahre übergab Bischof Johann von Hildesheim seinen im Herrn geliebten Töchtern, der Aebtissin und dem Convente des Klosters Neuwerk in Goslar mit Zustimmung seines Capitels vier Hufen und einen Hof in Gielde, und im Jahre 1258 überließen die Grafen Hermann, Heinrich und Hoyer von Woldenberg auf die Bitte Herzo’s von Barem drei Hufen in Klein-Selde, welche der Ritter Werner von Dolgen zu Lehn gehabt hatte, dem Kloster Neuwerk 1).

 

Im darauf folgenden Jahre 1259 genehmigte Hermann von Dassel, Canonicus der hildesheimschen Kirche und Archidiaconus zu Barem, daß der von ihm angestellte Geistliche, der Pfarrer Ulrich von Barem, eine Kothstelle und 12 Morgen Landes zu Stöckheim mit Einstimmung seiner Pfarrkinder dem Kloster Neuwerk verkauft habe, jedoch nur unter der Bedingung, daß Ulrich den Kaufpreis nach dem Rathe seiner Gemeindeglieder zum bessern Nutzen seiner Kirche in Barem anlege, nämlich zum Ankaufe einer Hufe in Lewe.

 

Der letzte Brief, in welchem des Probsts Johann gedacht wird, ist vorn 31sten Julius 1263. Der Herzog Johann von Braunschweig, Sohn Otto’s des Kindes, bekennt darin, daß er auf dringendes Ansuchen seines Getreuen, Heinrich von Vreden, welcher in Geldverlegenheit gewesen, demselben gestattet habe, drei ihm eigenthümlich zugehörige Hufen im Dorfe Beuchte (Bokethe) dem Probste Johann und dem Convente das Neuwerk zu verkaufen 2). Einen Tauschvertrag schloß im folgenden Jahre 1264 unser Kloster mit dem Kloster Dorstadt, indem es eine Hausstelle und 15 Acker in Stöcken (Flachstöckheim) mit Ausnahme des Zehentens empfing, dagegen aber zwei Theile eines Feldes, welches Yserbla hieß und vor

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1) Koken's und Lüntze’s Mittheilungen I. S. 134 etc.

2) Koken’s und Lüntze’s Mittheilungen I. S. 135.

 

 

 

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Klein-Flöthe lag, hingab. Unter den Zeugen erschienen die Pfarrer: Ulrich von Barem, Conrad von Flöthe, Walter von Machtersem, und Albert von Stöcken 1).

 

Im Jahre 1266 übergab dem Kloster Neuwerk der Herzog Johann von Braunschweig 9 Hufen Landes im halberstädtischen Dorfe Theseln, wie auch das Patronatrecht daselbst mit 1½ Hufen.

 

Bedeutende Anstrengungen kostete die Erwerbung des Zehentens von Burgdorf. Diesen besaßen die Herren von Burgdorf als Lehn von den Grafen von Woldenberg, welche ihn vom Bischofe zu Hildesheim zu Lehn trugen. Im Jahre 1266 gaben die Grafen Burchard, Hermann, Heinrich und Hoyer von Woldenberg den Gebrüdern Heinrich und Alverich von Burgdorf, die sich wahrscheinlich in Geldverlegenheit befanden, die Erlaubniß, den gedachten Zehenten von Burgdorf dem Kloster Neuwerk für 100 Mark zu verpfänden, und im Jahre 1268 bekannten dieselben Gebrüder, daß sie dem Kloster den Zehenten für 150 Mark verkauft hätten. Wahrscheinlich war die Einwilligung der Lehnsherren zum Verkauf an die todte Hand nicht sogleich zu erlangen. Man wählte daher ein Auskunftsmittel. Die Verkäufer reichten den Zehenten dem Herrn Wedego zu Astfeld, Hildebrand Lange, Johann, Conrad, Heinrich und Bertram, Gebrüdern von Venlezstede in Braunschweig zu Lehn, ohne Zweifel, um ihn für das Kloster zu besitzen, und versprachen zugleich dem Ritter von Cram, den Zehenten, sobald solcher von den Vorstehern und Angehörigen des Klosters verlangt werde, zu resigniren. Dieß geschah am 7ten Julius 1269, wo sie ihn unter der Bedingung, daß derselbe dem hildesheimschen Bischofe zurückgegeben werde, an die Grafen Burchard, Hermann und Heinrich von Woldenberg abtraten.

 

Die genannte Bedingung ward erfüllt, und Bischof Otto von Hildesheim übertrug nun den Zehenten am 17ten Julius 1269 dem Kloster Neuwerk in der Hoffnung (so sagt die Urkunde), daß die Gott geweihten Tag und Nacht Gott und der seligen Jungfrau dienenden Jungfrauen seiner für diese Freigebigkeit bei Gott gedenken würden 2).

 

Noch in demselben Jahre 1269 übergab Graf Burchard von Woldenberg dem Kloster 2½ Hufen Landes mit 2 Höfen in Klein-Elvede, welche ein Bürger des Dorfs zu Lehn getragen und resignirt

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1) Koken’s und Lüntzen’s Mittheil. S. 332.

2) Daselbst. I. S. 332.

 

 

 

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hatte. Unter den Zeugen erscheinen auch drei bei der Kirche des Klosters angestellte Geistliche.

 

Im Jahre 1271 genehmigte Bischof Volrad von Halberstadt den von seinem Capitel geschehenen Verkauf des Zehentens zu Osterachem an das Kloster Neuwerk 1), zumal da für den Kaufpreis der halbe Zehenten zu Wihusen für die Capelle zu Horneburg wieder erstanden war.

 

Im Jahre 1272 tritt der Probst Heinrich in der Geschichte des Klosters auf 2). Zur Zeit seiner Amtsführung war es, als 1275 der Ritter Heinrich von Walmoden, Dienstmann der hildesheimschen Kirche, 3 Hufen Landes in Gronstedt (bei Liebenburg), welche ihm seine Frau Mechtild, eine Geborne von Gustedt, als Brautschatz zugebracht hatte, für 125 Mark schwarzen Silbers veräußerte. Sein Bruder Diedrich erklärte seine Einwilligung in einer besondern undatirten Urkunde, und Bischof Otto bezeugte am 23sten Mai 1275 zu Lutter, daß Heinrich vor ihm den Abschluß des Geschäfts bekannt habe 3).

 

Im Jahre 1278 bewog das Kloster 4) Neuwerk die bürgerliche Familie von Veltstedt und von Astfeld, den halben Zehenten zu Dörnten den Rittern Ekbert und Burchard (wahrscheinlich von Asseburg) zu resigniren, welche ihn wiederum dem Bischofe zurückgaben, worauf dieser am 26sten März 1278 ihn dem Kloster übertrug 5).

 

Eine andere Erwerbung machte das Kloster im Jahre 1286. Wir haben aber bereits erwähnt, daß das Kloster im Jahre 1230 eine Hufe in Thuringerode (Derjerode) erworben habe. Diese Besitzung hatte es im Laufe der Zeit auf 10½ Hufen vermehrt, welche indessen der Voigtei unterworfen waren. Die Entfernung des Voigtes, der die Bauern ungemein drückte, war dem Kloster höchst wünschenswerth. Im Jahre 1286 bezeugte schon das Kloster, daß Johann von Barem ihm die Voigtei in Doringeroth für 40 Mark erworben habe. Von den Einkünften dieser Voigtei, welche in 10½ Maaß Weizen und 32 Hühnern bestanden, erhielt Johann 10 Maaß, welche aus dem Hofe in Ale (Ohlhof) erfolgen sollten, wie ihm denn auch Seelenmessen zugesichert wurden. Wer die Voigteigehabt habe, sagt

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1) Koken’s und Lüntze’s Mittheilungen. S. 333.

2) Heinecc. A. G. 288.

3) Koken's und Lüntzel’s Mittheilungen. S. 333.

4) Heinecc. 295.

5) Koken’s und Lüntze’s Mittheil. I. S. 334.

 

 

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die betreffende Urkunde nicht 1). In einer andern, dieß Geschäft anlangenden Urkunde bekennt Herzog Albert von Sachsen, Engern und Westphalen, daß er dem Kloster Neuwerk die Voigtei über 21 Hufen zur Hälfte in Wostewenderode, zur Hälfte in Döringherode belegen, welche von ihm zu Lehn gegangen sey, so wie eine Mühlenstelle in diesem Dorfe überlassen, bis dahin aber, daß das Kloster das Eigenthum von Kaiser Rudolph oder dem Reiche erlangen könne, den Ritter Rudolph von Cram zum Besten des Klosters damit belehnt habe 2). Diese Bestätigung des Kaisers erfolgte am 15ten April 1290 zu Erfurt 3). So hatte denn das Kloster Ruhe vor den Anmaßungen des Voigts über jene Güter, zugleich aber die bisher dem Voigte entrichteten, oben erwähnten Abgaben für sich gewonnen, so viel nämlich die Güter zu Thuringerode angeht.

 

In demselben Jahre 1290 bekannten die Brüder Burchard, Ekbert und Hermann, genannt von Wolfenbüttel, einem goslarschen Bürger, Namens Conrad Solamen (Drost?) eine Hufe in Dörnten, welche Hermann von Beuchte zu Lehen gehabt hatte, übergeben zu haben. Dieses Grundstück kam später an das Kloster. Desgleichen war es 1290, als der halberstädtische Bischof Volrad dem Kloster eine halbe Hufe im Dorfe Theseln im Halberstädtischen verlieh, welche die Brüder, genannt Albi (die Weißen) zu Lehen gehabt hatten 4).

 

Was ferner das St. Georgenbergsche Stift betrifft, so ist es nur wenig, was wir für den Zeitraum von 1256 bis 1291 zu bemerken haben.

 

Das bedeutende Ansehen dieses Stifts dauerte auch während dieser Zeit fort. Des Stifts Pröbste wurden zu wichtigen Verhandlungen zugezogen, und öfter zu Schiedsrichtern erwählt, wie dieß im Jahre 1288 der Fall war, wo der Probst Hermann zum St. Georgenberge zwischen dem Domstifte und dem Canonicus von Balkenstedt schlichten half 5). Die Stiftsherren des St. Georgenberges

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1) Koken’s und Lüntzel’s Mitth. I. S. 334.

2) Daselbst. S. 335.

3) Heinecc. 309.

4) Koken’s und Lüntzel’s Mittheilungen. I. S. 330.

5) Heinecc. I. S. 303.—Ob das St. Georgenbergsche Gut Grauhoff um diese Zeit, oder früher an das Kloster Walkenried verpfändet worden sey, und ob solches von St. Georgenberg selbst oder widerrechtlich von den Schirmvoigten, Herren von Burgdorf, geschehen sey, dürfte schwer auszumitteln seyn. Calvör. S. 472.

 

 

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waren Chorherren des St. Augustinerordens, welcher im Jahre 1290 durch den Pabst Honorius IV. manche Privilegien erhielt 1).

 

Auch das Nonnenkloster zum Frankenberge, zu welchem wir jetzt übergehen, hob sich während des Zeitraumes von 1256—1291, vom hildesheimschen Bischofe unterstützt, so bedeutend, daß es im Jahre 1268, mithin etwa 40 Jahre nach seiner Gründung, schon 43 Hufen und 5 Morgen Landes, mehrere Kornzehenten, Mühlen, Waldungen, Höfe, Wiesen und Teiche besaß. Dieser Reichthum ward in der Folge durch einen immer neuen Zufluß an milden Gaben noch sehr vermehrt 2). So schenkte im Jahre 1281 die Aebtissin Margaretha I. von Gandersheim dem Kloster zum Frankenberge abermals 2 Hufen Landes, und bewirkte bei den Pönitenz-Schwestern dieses Stifts so viel, daß diese sie in ihre Schwesterschaft aufnahmen und aller ihrer guten Werke theilhaftig machten 3).

 

Noch müssen wir hier einer Marien-Magdalenen-Capelle erwähnen, von welcher jedoch nur wenig bekannt ist. Es wird ihrer in einer Urkunde vom Jahre 1272 gedacht. Dieser Urkunde zufolge erbaute sie der Ritter Alexander von Walmoden auf seine eigenen Kosten. Sie soll auf der Glockengießer-Straße gestanden haben. Ihr Stifter war damals Dom-Scholaster in Goslar. Er gab dem Probste Werner im Frankenbergschen Kloster 40 Mark Silbers mit der Bedingung, daß er dem an dieser Capelle dienenden Priester jährlich 2 Mark löthigen Silbers reichen solle 4).

 

Was endlich die Pfarrkirchen Goslar’s betrifft, so erinnern wir in Ansehung derselben für den Zeitraum von 1256—1291 das folgende Wenige:

 

Die Marktkirche wurde wegen der größer gewordenen Zahl der Pfarrkinder im Jahre 1281 erweitert, indem man zu beiden Seiten zum Schiffe der Kirche kleinere Gewölbe hinzufügte. Das nördliche dieser Gewölbe scheint übrigens jünger zu seyn, als das südliche. Als Priester der Marktkirche werden in verschiedenen Urkunden genannt: Johann (1230—1240), Rüdiger (1250—58), Conrad (1269). An Vermögen gewann die Marktkirche 1269, indem die Herren von Walmoden, und die Herren von Gowische neunzehn Morgen Landes, unter dem Steinberge belegen, und Büchenkamp

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1) Calvör’s Niedersachsen. S. 474.

2) Mund. S. 431.

3) Chron. coen. M. Fr. p. 42.

4) Heinecc. III. p. 287.

 

 

 

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genannt, der Kirche schenkten. Sechs Morgen davon wurden der Canzel zugetheilt; die übrigen an Bürger Goslar’s vermeiert 1).

 

Bei der St. Jacobi-Kirche schenkte der hildesheimsche Bischof Heinrich I. das Patronatrecht dem Kloster Neuwerk, jedoch mit der Einschränkung, daß der von den Nonnen gewählte Priester unter den Befehlen des Archidiaconus Goslar’s stehen sollte. Dieß Recht muß später das Kloster dem Rathe der Stadt Goslar übertragen haben. Uebrigens hatten die Nonnen des Klosters Neuwerk noch in den neuesten Zeiten eine Parochie in der Jacobi-Kirche. Ein Pfarrer Heinrich an der Jacobi-Kirche kömmt im Jahre 1245 als Zeuge vor.

 

Die St. Thomas-Kirche, früher die fünfte der Pfarrkirchen Goslar’s, erhielt im Jahre 1275 eine Bestätigung ihres Pfarrrechts von dem Stifte SS. Simonis et Judae 2). Es stand diese dem heiligen Thomas geweihete Capelle auf dem Kirchhofe des Doms. Den ansehnlichsten Theil der hier Eingepfarrten machten die Canonici des Domstiftes aus, welche ihre Curien in diesem Bezirke hatten 3).

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1) Mund. S. 343.

2) Heimweh III. p. 291.

3) Mund. S. 350. und 351.

 

 

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Dritte Periode

der Geschichte Goslar’s von Kaiser Adolph von Nassau bis Friedrich III. (von 1292 bis 1493).

 

§. 1. Rückblick in die vorige Periode und Uebersicht der neuen.

 

Abermals ist ein ereignißvoller Zeitraum von etwa 150 Jahren in der Geschichte der ehrwürdigen, alten Kaiserstadt Goslar vor unsern Blicken vorübergezogen. Auf dem Schauplatze dieser vielbewegten Vergangenheit sahen wir zunächst Heinrich den Löwen im Kampfe mit Conrad III., dann gehoben und gefeiert von Friedrich I., aber bald auch mit diesem im Streite, zuletzt seiner Würden beraubt. Wir sahen, wie Heinrichs des Löwen wechselnde Schicksale auch Goslar vielfach berührten, wie Heinrich der Löwe nach dem Besitze Goslar’s eifrigst strebte, und wie dann zuletzt sein Sohn, Kaiser Otto IV. durch Gunzelin die Stadt selbst erobern ließ. Ehrwürdig mußte uns die Standhaftigkeit erscheinen, welche Goslar in seiner Anhänglichkeit an das schwäbische Haus, namentlich an Kaiser Philipp bewährte, und deren Belohnung bis in Friedrichs II. und dessen Sohns Heinrich Zeiten reichte. Nicht minder staunte unser Blick über die Festigkeit, mit welcher sich die Stadt Goslar in den Wirren des Zwischenreiches behauptete, und, im Bunde mit der Hansa, allmählich belehnt mit den Reichsvoigtei Rechten und schöpfend aus den Erzquellen des Rammelsberges zu immer größerer Macht und Selbstständigkeit gelangte. Die Raubburg Harlingsburg, eine Plage für die Stadt, sahen wir in Trümmer zusammensinken, aber auch des Kaiserpalastes Herrlichkeit ein Raub der Flammen werden.

 

. . . .

 

 

Quelle:

Das Werk von Crusius wurde vom Münchener Digitalisierungszentrum eingescannt und ist dort mit folgenden Daten zugänglich:

 

https://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10018813_00005.html

 

 

Geschichte der vormals kaiserlichen freien Reichstadt Goslar am Harze

Autor / Hrsg.: Crusius, G. F. Eduard ; Crusius, G. F. Eduard

Verlagsort: Osterode | Erscheinungsjahr: 1843 | Verlag: Sorge

Signatur: Germ.sp. 102 d

Reihe: Geschichte der vormals kaiserlichen freien Reichstadt Goslar am Harze

Permalink: http://mdz-nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:12-bsb10018813-6

 

 

 

 

 

Adelbert Hotzen 1871: Das Kaiserhaus zu Goslar

 

 

DAS KAISERHAUS ZU GOSLAR.

 

Vortrag gehalten in der IV. Hauptversammlung des

Harz-Vereins für Geschichte und Alterthumskunde

am 30. Mai 1871 zu Goslar

von dem die Restauration des Kaiserhauses leitenden Architekten

 

Adelbert Hotzen.

 

Mit einer Steinzeichnung und fünf in den Text gedruckten Holzschnitten.

 

Halle, Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses. 1872.

 

 

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III

Vorwort.

 

Die nachstehenden, für einen engeren Kreis bestimmten Mittheilungen über die alte Kaiserpfalz zu Goslar wurden von dem Harz-Verein für Geschichte und Alterthumskunde geeignet erachtet, auch in weiteren Kreisen Verständniss für dieses grossartige Denkmal aus der Geschichte unseres Volkes und damit Liebe und Theilnahme für dasselbe zu verbreiten. Zu dem Ende ward Seitens des Vereins gegenwärtiger Abdruck beschlossen. Da demselben jedoch die Beihülfe von dem sinnlichen Eindrucke des ehrwürdigen Gebäudes selbst, sowie des Modells und der Zeichnungen nicht mit auf den Weg gegeben werden konnte, auf welche der mündliche Vortrag sich wesentlich stützte, so wurde zum Ersatz durch die beigefügten Holzschnitte versucht, den muthmasslich ehemaligen Zustand der Pfalz zu vergegenwärtigen, so wie er auf Grund sorgsamer Untersuchungen in meinem Restaurationsprojecte zur Anschauung gebracht worden.

1*

 

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IV

 

Die mir hier gebotene Gelegenheit der Veröffentlichung ist mir um so erwünschter, als erst vor Kurzem in der Leipziger Illustrirten-Zeitung ein Aufsatz mit Zeichnungen über das Kaiserhaus in Goslar erschien, welcher ohne meine Autorisation und ohne Nennung meines Namens mein Project in unvollständiger Weise veröffentlichte.

 

Goslar, im Juni 1871.

 

Der Verfasser.

 

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Festschrift des Harz-Vereins für Geschichte und Alterthumskunde

 

 

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Meine Herren! Von dem Vorstande unseres Vereins ist mir der ehrenvolle Auftrag ertheilt, Ihnen einige Mittheiluugen über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Kaiserhauses zu Goslar zu machen. Bei dieser schwierigen Aufgabe kommt mir wenigstens das Eine zu Statten, dass ich zu Ihnen von einem Gebäude zu sprechen habe, dem Sie gewiss das lebhafteste Interesse schenken. Die Gunst der Verhältnisse hat unserm alten Kaiserhause nach einer Pause von Jahrhunderten wiederum das Interesse in weitesten Kreisen zugewendet. Ja man kann fast sagen, dass die Augen von ganz Deutschland, wie sie schon früher einmal auf dieses merkwürdige Haus gerichtet waren, sich jetzt wiederum demselben zuwenden. Sollte da nicht in einer Versammlung, wie die gegenwärtige, von Freunden der Geschichte und Alterthumskunde dieser in Stein gehauenen Urkunde von einstiger Grösse unseres Volkes das vollste, wärmste Interesse entgegengetragen werden? Es bedarf kaum mehr als der Nennung des Namens, um unser Herz schon für dieses ehrwürdige Monument unserer Geschichte schlagen zu lassen, denn hier sehen wir ja ein Haus, in dem die Heroen aus unserer grossen Kaiserzeit gewohnt haben. Nicht allein Interesse, nein wahre Liebe ist es, die uns für dieses alte Bauwerk schon im Voraus erfüllt.

 

Wie mag es nur aussehen, dieses wunderbare Haus? wird mancher unter Ihnen gefragt haben. Natürlich, in dem Glanze jener Zeit,

 

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wo die Hofhaltung eines Heinrichs III. seine Säle und Hallen belebte, dürfen wir es nicht zu finden erwarten. Nein man will gerecht sein, denn volle acht Jahrhunderte sind es ja, denen diese steinernen Bildungen trotzen mussten, um unseren unkundigen Blicken directe und unmittelbare Kunde aus jener grossen Zeit zu bringen. Aber selbst bei dieser resignirten Stimmung, in welcher Sie dem Hause gegenüber traten, werde ich mich schwerlich irren, wenn ich annehme, dass es Ihnen, meine Herren, ähnlich ergangen sei wie den meisten Besuchern unsrer alten Pfalz. Dieses langgestreckte, schlichte und magazinartige Gebäude soll die stolze Kaiserburg der Salier und Hohenstaufen sein? Wo bleibt da der romantische Zauber, den die Ruinen so mancher kleineren Ritterburg mit ihren Thürmen, Zinnen und Erkern unwiderstehlich auf unser Gemüth ausüben und womit sie es in die wunderbare Zeit des Ritterthums und der Minnesänger versetzen? Nichts von alle dem, was unsere Phantasie zu beflügeln vermöchte, die an den lang gezogenen, ja - gestehen wir es uns nur - an den langweiligen graden Linien dieses Hauses erlahmt. Enttäuscht und ernüchtert tritt die Kritik bei Ihnen wieder in ihr Recht und Sie fragen befremdet: Was ist denn dieses s. g. Kaiserhaus eigentlich? was haben wir uns unter demselben zu denken? Und, meine Herren, das grade ist die richtige Stimmung, welche die Betrachtung dieses Baues erfordert. Sie können sicher sein, das alte Kaiserhaus fürchtete Ihre Kritik nicht. Es hat den oft nicht sehr freundlichen Rezensionen von acht Jahrhunderten zu begegnen gewusst und darunter jenen Jahrhunderten der fanatischen Renaissance- und Zopfzeit, die in den Gebilden der deutschen Kunst nur sinnlose Barbarei zu erkennen vermochte. Man hat dasselbe nach einander zum Gefangenhause, Jesuitenkolleg, Krankenhause, zum Schauspielhause und Magazin entwürdigt, ohne ihm seine Hoheit ganz nehmen zu können und es wird, wie wir hoffen, seine steinerne Stirn noch den Stürmen kommender Jahrhunderte entgegen setzen, wenn wir und unsere Namen längst verschollen sind.

 

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Dem kritischen Suchen nach Licht über diesen fremdartigen Bau will ich mich nun bestreben im Folgenden einige Fingerzeige zu geben. Die erste Antwort, die ich Ihnen auf ihre Frage der Enttäuschung: Was ist denn dieses Kaiserhaus, was haben wir uns unter demselben zu denken? gebe, lautet: Das Kaiserhaus zu Goslar ist der älteste Profanbau Deutschland‘s! Und damit wird Ihnen sofort klar werden, dass wir nicht berechtigt sind, an ihm den glänzenden Zierath der entwickelten gothischen Architektur zu suchen. Wir haben es mit einem frühromanischen Bau zu thun und wie ich schon sagte, einem Bau, für den es uns an Anknüpfungspunkten zu Vergleichen mit andern Bauten fehlt. Denn ich wiederhole es: wir haben in ganz Deutschland keinen zweiten Profanbau, der diesem an Alter gleich steht! Aus seinem hohen Alter also entspringt dieses unbeschreibliche Etwas in seiner Erscheinung, das uns durch seine - fast möchte ich sagen - Hausbackenheit Anfangs abstösst und gleichzeitig durch seine Grossartigkeit und majestätische Ruhe in Geheim anzieht. Ja, meine Herren, es ist ein Haus was wir vor uns haben und nicht etwa eine in phantastischen Spitzen, Thürmchen und Zinnen in die Wolken aufsteigende Burg des 14ten Jahrhunderts; ein Haus, wie wir es uns unter den Königssitzen im Gudrunliede und den übrigen Sagen des deutschen Nordens denken, und dessen Urtypus wir in gewisser Weise in dem alten nieder-sächsischen Bauernhause noch bis auf den heutigen Tag erhalten sehen. Aber gleichzeitig ein Haus, welches in dem höchsten Glanze der Kaiserzeit von dem mächtigsten Kaiser, der je auf dem deutschen Kaiserthrone sass, von einem Heinrich III., jenem viel gefürchteten, viel geliebten und viel besungenen Henricus niger, für seine glänzende Hofhaltung schon im Jahre 1050 erbaut worden ist. Und seine Baumeister haben es verstanden, bewusst oder unbewusst, jenes Gefühl der Ehrfurcht und der Bewunderung vor der ruhmgekrönten Macht dieses mächtigen Herrschers und vor dem Glanze, mit dem damals das heilige Römische Reich deutscher Nation die Welt erfüllte, in der steinernen Schöpfung ihres Geistes zum Ausdrucke zu bringen.

 

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Es liegt ein Hauch von der Grösse jener Zeit auf dieser Façade und gleichzeitig ein Abglanz von dem Zauber der Antike, die aus dem Vaterlande unserer Cultur, aus dem schönen Italien, über die Alpen dem Gebilde des nordischen Harzes zugelächelt hat.

 

Ueber die Grenzen dieses Vortrages würde es hinausgehen, wenn ich an den Formenbildungen im Einzelnen die Begründung dieses Ausspruches nachzuweisen versuchen wollte, aber dem aufmerksamen Beobachter wird die Wahrheit desselben aus der Façade selbst entgegentreten. Die Ruhe der festgeschlossenen Mauermassen des Erdgeschosses und darüber der durch die fortlaufende Wiederholung der in sich zurückkehrenden Bogenlinie der Fensterarcaden entstehende gleichmässige Rythmus der Formen des Hauptgeschosses wirkt, bei den mächtigen Dimensionen, in der Weise der antiken Kunst, trotzdem dass in den verdoppelten Dimensionen des Mittelfensters die der deutschen Auffassung eigenthümliche Gruppenbildung schon mächtig hervortritt.

 

Aber auf Ihre Frage: „Was haben wir uns unter dem Kaiserhause zu denken?“ werden Sie eine eingehendere Antwort erwarten als die gegebene, dass es der älteste Profanbau Deutschlands ist, und ich bitte Sie deshalb, mir die kurze Beschreibung und Eintheilung des Baues in seinen Hauptbestandtheilen gestatten zu wollen, um mich klar ausdrücken zu können.

 

Die ganze Anlage, wie sie jetzt, theils erhalten, theils in Trümmern, noch vor uns steht, lässt sich im Wesentlichen in sechs Theile zerlegen:

 

1. Saalbau.

2. Die Doppel-Capelle St. Ulrich.

3. Der Verbindungsbau zwischen Saal und Capelle oder südlicher Wohnflügel.

 

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Restaurierter Situationsplan der Kaiserpfalz mit Umgebung.

 

1. Kaiserhaus.

a. Ulrichscapelle.

b. Südlicher Wohnflügel.

c. Saalbau.

d. Nordlicher Wohnflügel.

e. Anbau nach dem Hofe.

2. Unsrer lieben Frauen Kirche.

3. Stallung.

4. Richterstuhl des Kaisers.

5. Treppenanlage zwischen Kaiserhaus und Dom.

6. Dom.

7. Noch erhaltene Vorhalle.

8. Stiftsgebäude des Domes.

9. Ehemaliges Kaiserthor.
10. Stadtmauer.

11. Das Kaiserbeet.

 

NB. Die heller schraffirten Bauten sind nicht mehr vorhanden.

 

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4. Der Wohnflügel nördlich vom Saalbau.

5. Unserer Lieben-Frauen-Kirche.

6. Anlagen zwischen Kaiserhaus und Dom.

 

1. Der Saalbau. Er war der hervorragendste Theil jeder Pfalz und grösseren Burg, er ist in unserm Falle der glücklicherweise am besten erhaltene Theil. Der Saalbau war, ausser den Thürmen, fast immer der einzige zweigeschossige Bau der Pfalzen und Burgen.

 

 

Grundriss des Erdgeschosses der Pfalz.

 

a und b Systeme unterirdischer Heizcanäle.

 

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Längenschnitt durch den Saalbau

 

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Ueber die herkömmliche Anlage und Einrichtung des Saalbaues lassen Sie mich kurz Folgendes Ihnen in Erinnerung bringen.

 

Die unveränderliche Anlage bildet ein Parallelogramm von 2 Stockwerken. Das untere Stockwerk, welches in unserem Falle noch eine flache Holzdecke hatte, war in späteren Jahrhunderten meist gewölbt. Durch die im Kaiserhause jetzt vorhandenen aus dem 14ten Jahrhunderte stammenden spitzbogigen Tonnengewölbe des Erdgeschosses dürfen Sie sich nicht irre machen lassen; die Reste der ursprünglichen Anlage, welche eine flache Balkendecke verrathen, sind von mir wieder aufgefunden. Diese Reste sind für die lange unentschiedene Frage nach dem Zwecke und der Einrichtung des Erdgeschosses solcher Bauten von grosser Wichtigkeit, da sie die Annahme, nach der das Erdgeschoss eine grosse, ungetheilte Halle für das Gefolge oder die Dienerschaft gebildet habe, in vollstem Maasse bestätigen. Ausser freistehenden Pfeilern hat sich hier auch nicht die Spur einer Unterabtheilung in demselben gefunden.

 

Das Erdgeschoss des Saalbaues bildete daher eine grosse von Pfeilern und Bögen gestützte flach gedeckte Halle für das niedere Gefolge. Eine directe innere Verbindung zwischen dem unteren und oberen Geschosse des Palastes fand nicht Statt. Man gelangte vielmehr in das obere Geschoss nur durch äussere s. g. Freitreppen. In den zum Vertheidigungskampfe eingerichteten Burgen bestanden diese Treppen, falls sie nicht, wie z. B. bei dem Landgrafenhause der Wartburg, in den innern Hof führten, meistens aus Holz und waren zum Aufziehen eingerichtet. Nicht so bei den kaiserlichen Pfalzen, die wir uns durchaus als offene Paläste zu denken haben. Bei ihnen sind diese Treppen, wie die Beispiele von Goslar, Seligenstadt und Gelnhausen beweisen, steinerne Prachttreppen, die, doppelarmig und oft an beiden Enden des Saales angelegt, auf den freien Platz vor den Palast hinabführten und dem Gebäude in nicht unbedeutendem Maasse den Ausdruck einladender königlicher Pracht verliehen. In dieser Weise werden wir uns z. B. auch die Treppen zu denken haben, von denen im Nibelungenlied

 

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die Rede ist bei der Beschreibung des Kampfes, den die in dem Saal eingeschlossenen Burgunden gegen die zu Tausenden die Stiege hinaufstürmenden Hunnen zu bestehen haben und wo der grimme Hagen später mit Volker dem Spielmann im Hofe die nächtliche Wacht für seine im Saale schlafenden Waffenbrüder hält, während das Blut der Erschlagenen von der Stiege herabrieselt.

 

Den Saal selbst schildert Raumer in seinem Aufsatze über Burgen und Burgeinrichtuugen etwa folgendermassen: „Der Fussboden des Saales bestand gewöhnlich aus einem Estrich. In der Rosenzeit wurde er mit Rosen, sonst mit frischen Binsen bestreut, bei feierlichen Gelegenheiten aber mit Teppichen belegt. Die Wände waren oft mit Teppichen (Rückelachen) behangen. Rings an den Wänden befanden sich Bänke mit weichen Federkissen (Plumitten) oder Matrazen (Kultern) versehen. Da der Saal oft sehr breit war, so wurde seine Decke durch Säulenreihen getragen. Die Erwärmung des Saales geschah durch Kamine, sowie die Fackeln und Kerzen der Kron-, Wand- und Tischleuchter. Die Kemenaten in der Nähe des Saales waren oft noch prächtiger als der Saal selbst ausgestattet und mit herrlichen Teppichen, Spanbetten und kostbarem Estrich versehen.“ Soweit Raumer. - Bezüglich des grossen Saales der Kaiserpfalz zu Goslar habe ich diesem Bilde nur noch hinzuzufügen, dass hier die Kamine fehlten, denn die Erwärmung des Saales wie der grossen Halle zu ebener Erde erfolgte durch zwei Centralheizanlagen, deren vollständige Anlage mit gewölbten Heizkammern und einem ganzen Systeme kleiner sich verzweigender Heizcanäle, die bis zum Saale hinaufführen, von mir unter dem Fussboden der unteren Halle wieder aufgefunden worden ist. Bei der Verwunderung, welche das Auftreten dieser complizirten Heizanlage, die wir gewohnt sind für eine Erfindung der neuesten Zeit zu halten, in so früher Zeit bei uns erregt, müssen wir uns erinnern, dass dieselbe direct von den Römern den Deutschen überkommen war, welche dieselben in ihren Thermen und Palastbauten bereits in grossem Maassstabe, wenn auch nach anderm Constructionsprincipe, anwandten.

 

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Was in dieser Weise also an den schönen wohnlichen Kaminen der inneren Einrichtung unseres Saales abgehen mochte, ward jedoch wieder ersetzt durch die Anlage der s. g. Brücke oder des Thronplatzes, der in der Weise eines Querschiffs den Saal durchschnitt und durch seine höchst originelle und sinnvolle Ausbildung einen besonderen Reiz desselben ausmachte, und ferner durch eine Fensteranlage so eigenthümlicher, grossartiger und herrlicher Weise, wie sie weiter kaum von einem anderen Saale bekannt geworden ist. Solche architektonische Effecte lassen sich nicht in Worten beschreiben, sie müssen gesehen werden. Selbst in dem jetzigen Zustande trostlosesten Verfalls, bei welchem das grösseste mittlere Fenster ganz fehlt, macht diese Reihe mächtiger mit Säulen besetzter Bogenfenster einen Eindruck von Pracht, wie er durch nichts sonst zu erzielen ist. Man fühlt sich in dem 53‘ tiefen Saale fast wie auf einer offenen Gallerie und es ist dem Baumeister gelungen, hier die äussere Scenerie der Landschaft mit zur inneren Decoration des Saales zu verwenden.

 

 

Grundriss des Reichssaales.

 

Der Saal war es, auf dem sich das Leben des ganzen Tages für die mittelalterlichen Bewohner der Burgen und Pfalzen abspielte. Des Morgens nach der Frühmesse ward hier der erste Imbiss genommen. Was an Geschäften während des Morgens zu erledigen war, konnte nur hier geschehen. Damals lag noch nicht der Schwerpunkt des Geschäftslebens in den kleinen Commissions-Zimmern. Hier aber auch wurden Spiel- und Fechtübungen gehalten,

 

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wenn es im Freien nicht geschehen sollte. Zu Mittag versammelte sich hier wieder der Kaiser mit den ihn begleitenden Fürsten und dem übrigen Gefolge zur Tafel und Nachmittags erschienen meist auch die sonst weniger sichtbaren Frauen auf dem Saale und gaben dem geselligen Verkehr durch die schönen Künste des Tanzes und der Musik eine zartere Färbung, bis am Abend die Nachtmahlzeit wieder die Männerwelt ausschliesslich versammelte und mit dieser der Tag beschlossen wurde, falls nicht durch Bankettiren und Zechen die Geselligkeit sich bis in die Nacht ausdehnte. Aber auch während der Nacht musste der Saal, besonders bei den durch das zahlreiche Gefolge der Kaiser meist stark besetzten Pfalzen, als Schlafraum dienen, wo dann Ritter und Knappen an den an den Wänden hinlaufenden Bänken ausruhten, bis die Frühmesse sie alle in der Kirche wieder versammelte.

 

Als zweiten Haupttheil unserer Pfalz habe ich Ihnen ferner die Haus-Capelle St. Ulrich genannt. Die Lage derselben ist Ihnen bekannt. Ueber sie will ich mich kurz fassen. Sie ist eine s. g. Doppelcapelle d. h. eine zweigeschossige Kirche, deren oberes Geschoss mit dem unteren durch eine grosse Oeffnung im Fussboden verbunden ist und auf die Weise eine Loge für den Burgherrn bildet, von welcher aus er dem im Erdgeschosse abgehaltenen Gottesdienste beiwohnen konnte, die aber zu gleicher Zeit die grosse Annehmlichkeit hatte, dass sie in unmittelbarer Verbindung mit seinen Wohnräumen oder Kemenaten stand.

 

 

Grundriss des oberen Geschosses der St. Ulrichs-Capelle.

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Die Capelle St. Ulrich ist in künstlerischer Beziehung der vollendetste und reizvollste Theil der ganzen Anlage: sie mochte eine Nachbildung des Aachener Münsters im Kleinen vorstellen sollen, doch wollte man die geheiligte Kreuzform für die Gestalt des Grundrisses nicht wie dort entbehren und legte das untere Geschoss, die eigentliche Kirche, daher in Kreuzform an. Da aber die Bestimmung des zweiten Geschosses, als einer um die mittlere Verbindungsöffnung umlaufenden Gallerie, das Festhalten dieser Form unmöglich machte, so ward jetzt ein Uebergang von der Kreuzform ins Octogon erfunden in einer so schönen und doch so originellen, effectvollen Weise, dass er allein schon eine seltene Meisterschaft jenes kaiserlichen Baumeisters verräth, als welcher uns Benno genannt wird, später Bischof von Osnabrück, ein Schüler des ebenso edlen als gelehrten Hermannus contractus.

 

Gestatten Sie mir hier eine kurze Abschweifung, um diesen für uns so wichtigen Mann, den muthmasslichen Erbauer unseres Kaiserhauses, etwas näher ins Auge zu fassen. Einen sicheren Anhaltspunkt bietet uns hierzu die von Norbert in lateinischer Sprache verfasste Lebensbeschreibung Bennos. Aus ihr erfahren wir, dass Heinrich III. den jungen Kleriker Benno aus dem als Architektenschule so berühmten Kloster Hirschau in Schwaben nach Goslar brachte und ihn mit der Besorgung der Bauten daselbst beauftragte, unter denen auch der Dom genannt wird. Nach dem 1056 erfolgten Tode Heinrichs III. und dem dadurch veranlassten Stillstande der von ihm in dieser seiner Lieblingsstadt in so grossartigem Maassstabe entfalteten Bauthätigkeit ward Benno von dem Bischof Azelinus von Hildesheim nach dieser Stadt gezogen, ward hier Domprobst und im Jahre 1068 Bischof von Osnabrück. Azelinus‘ Nachfolger, dem Bischof Hezilo, ward der baukundige Dompropst besonders wichtig bei seinem berühmten Dombau und der Erbauung seiner Lieblings- und Grabes-Kirche, des Moritz-Klosters vor Hildesheim. Dem mit dem romanischen Basilikenbau Niedersachsens vertrauten Archäologen ist dieser kunstsinnige Schwabe durch eine Eigenthümlichkeit

 

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der Moritzberger Kirche wohl bekannt. Er war es nämlich, welcher die in seinem Schwaben heimische Form der Säulenbasilika hier zuerst in Niedersachsen zur Anwendung brachte, wo das System der Säulen-Pfeilerbasilika seine Heimath hat. Die feinen Verhältnisse und die Originalität der ganzen Anlage geben das beredteste Zeugniss von der hohen Meisterschaft Bennos. Wahrscheinlich ist es auch eines seiner Werke, welches augenblicklich durch die Ausgrabungen auf dem Petersberge vor Goslar dem Dunkel der Vergessenheit entzogen wird und welches Sie selbst in Augenschein zu nehmen Gelegenheit haben werden. Es war dieses die stattliche dreithürmige Klosterkirche des von Heinrich III. und seiner Gemahlin Agnes gegründeten Peters-Stifts. Wie die Ausgrabungen es ausweisen, war dieses Bauwerk ebenfalls eine Säulenbasilika und bildet somit ein nicht unwichtiges Glied in der Kette der Bennoschen Bauten.

 

Nach dem Mitgetheilten haben wir also nicht nur in dem uns erhaltenen Bau der Kaiserpfalz ein Zeugniss für die hohe Meisterschaft ihres Erbauers, sondern umgekehrt besitzen wir auch ein geschichtliches Zeugniss, dass unser Kaiserhaus einen der berühmtesten Baumeister des Mittelalters zum Urheber hat. Und nicht nur in der Kirchenbaukunst, wie wir oben sahen, war er ein anerkannter und weit berühmter Meister, sondern sein Biograph erzählt uns weiter, dass sein erfindungsreicher Geist von Heinrich IV. bei dessen umfangreichen Festungsbauten gegen die aufständischen Sachsen genutzt wurde. Der Kaiser machte den hildesheimer Dompropst zum Leiter dieser wichtigen und weit sich ausdehnenden Bauten auf dem Gebiete des Kriegswesens: wahrlich ein bedeutendes Zeugniss für das Genie dieses Mannes.

 

Kehren wir jetzt zu dem Bau der Kaiserpfalz zurück, so war die dritte der oben genannten Hauptabtheilungen der Verbindungsbau zwischen der Ulrichs-Capelle und dem Saalbau. Dieser Verbindungsbau ist bis auf einen kleinen schuppenartigen Rest und bis auf die glücklich wieder zu Tage geförderten Fundamente des Erdgeschosses jetzt vollständig verschwunden. Dass derselbe jedoch zweigeschossig gewesen sein muss,

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ist mit Sicherheit daraus zu erkennen, dass auf dem einen Ende desselben Thüren von dem zweiten Geschoss des Saalbaues nach diesem Flügel hinführten, die jetzt noch erhalten, und dass auf dem anderen Ende sich das zweite Geschoss der Ulrichs-Capelle daran anlehnte. Da nun die jetzt bei der Ulrichs-Capelle vorhandene Treppe nicht der ursprünglichen Anlage angehört, so würde der Zugang zu dem oberen Geschosse derselben ganz gefehlt haben, wenn er nicht durch das zweite Geschoss des hier befindlichen Wohnflügels hergestellt worden wäre. Ich nenne diesen Verbindungsbau absichtlich Wohnflügel, denn nur hier und an dem sich dem nördlichen Ende des Saalbaues ansetzenden Flügel können sich die Kemenaten für die Wohnung des Kaisers und seiner Familie, sowie der an seinem Hofe anwesenden Fürsten, Geistlichen und Beamten befunden haben. Denn wir dürfen uns nicht denken, dass die Kaiser sich hier etwa nur auf wenige Tage zur Abhaltung von Fürsten- und Reichstagen aufhielten. Wir haben geschichtliche Nachrichten, dass sie hier oft lange verweilten, wie denn der unglückliche Heinrich IV. in diesem Hause geboren wurde: und von seinem Sohne, dem verrätherischen Heinrich V., erzählt der Chronist, dass er bei einem längeren Aufenthalte hier Nachts durch einen Blitzstrahl fast erschlagen wäre, welcher dicht neben seinem Lager einschlug und das Reichschwert schmolz. Besonders aber wurden hier die hohen Feste des Jahres mit grosser Pracht gefeiert, und Goslar stand zur Zeit der salischen und hohenstaufischen Kaiser in so hohem Ansehen, dass es von dem Chronisten clarissimum regni domicilium genannt wird.

 

Schon erwähnt ist von mir der vierte Haupttheil der Pfalz, der sich gegen Norden an den Saalbau anschliessende Wohnflügel. An dieser Stelle sehen wir jetzt zwar ein grosses magazinartiges Gebäude stehen, aber nur die nördliche Giebelwand desselben kann dem ursprünglichen Bau angehören, sowie die hier erhaltene Kelleranlage, denn die nach Osten oder nach vorn gerichteten Aussenwand, datirt aus dem Jahre 1822 und die entgegengesetzte westliche aus dem Jahre 1523. Dahingegen sind die nördliche Giebelwand und die Scheidewand zwischen diesem

 

 

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Flügel und dem Saalbau alt. Dass hier stets eine Verbindung zwischen beiden Gebäuden bestanden hat, beweisen die diese Wand in beiden Geschossen durchbrechenden alten Thüren.

 

Noch zu Anfang dieses Jahrhunderts befand sich in östlicher Richtung, rechtwinklig gegen das Kaiserhaus an dieser Stelle ein Bau, welcher mit der Bezeichnung „die Rudera des Jesuiten-Collegii“ auf alten Ansichten von Goslar versehen ist. Nach Erlassung des Restitutions-Edicts ward den Jesuiten das Kaiserhaus überwiesen. Sie begannen damit, dasselbe zu einem Colleg einzurichten und führten zu diesem Zwecke einen neuen Flügelbau an dieser Stelle auf. Indessen kamen sie mit der Ausführung ihres Vorhabens nicht zu Stande, da sie nach dem Einrücken der Schweden im Jahre 1632 die Stadt auf immer verlassen mussten. Leider haben die von ihnen hier ausgeführten Bauten die Spuren der ursprünglichen Anlage stark verwischt.

 

Als fünfter Theil der Pfalz ist jetzt noch die in westlicher Richtung sich an diesen nördlichen Wohnflügel anschliessende zweite Kirche der Pfalz, die ehemalige Marien-Kirche, zu nennen oder die Kirche Unserer lieben Frauen, wie sie auch heisst, und von der noch bis auf den heutigen Tag diese Stelle den Namen Liebfrauenberg führt. Sie war mit zwei hohen Thürmen geschmückt, welche steinerne Treppen enthielten und, wie der Chronist, der ihren Einsturz berichtet, sagt, die Kaiserthürme genannt wurden. Zu Anfang vorigen Jahrhunderts, etwa ums Jahr 1714, stürzte ein Theil derselben ein und ward sie dann ganz abgebrochen. Eine Reliquie ist jedoch von ihr erhalten, ein schön geschnitztes spätgothisches Flügelaltarblatt, welches nach langen Irrfahrten endlich in den Besitz eines unserer Vereinsmitglieder übergegangen ist, wo ich selbst Gelegenheit hatte, dasselbe zu sehen.

 

Einige wenige Mauerreste deuten nur noch die Stelle an, wo diese zweite und offenbar bedeutende Kirche der Pfalz ehemals stand. Auf der Ansicht aber, die uns Merian von der freien Reichsstadt Goslar giebt, finden wir sie noch, wie sie mit ihren beiden stolzen Kaiserthürmen die Pfalz überragt und schmückt.

 

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Den sechsten, letzten Haupttheil machen endlich die auf dem Kaiserbleek vor dem Reichpalaste sich ausdehnenden Anlagen aus, welche zunächst in einem mächtigen, sich vermuthlich vor der ganzen Front ausdehnenden Perron oder Altan bestanden, von dem nicht unbedeutende Reste der Grundmauer wieder aufgefunden sind. Ausserdem aber befand sich hier eine grossartige Treppenanlage, welche von der Burg vermuthlich bis zu dem jetzt leider verschwundenen Kaiserdom hinabführte. Um sich ein Bild von der Grossartigkeit dieser ganzen Schöpfung Heinrichs III. zu machen, muss man sich den von ihm gleichzeitig errichteten Dom im Geiste wieder aufbauen, der mit seinem westlichen Thurmpaar der Pfalz grade gegenüber lag. Zwischen diesen beiden Westthürmen öffnete sich die Vorhalle oder das Paradies mit einem rundbogigen Portal, auf welches in grader Linie der breite herrliche Treppengang von der Pfalz herab hinführte. Hier öffnet sich für unsere Phantasie nun ein weiter Spielraum, in welcher Weise dieser Zugang zum Capitol weiter ausgeführt gewesen sein mag. Dass derselbe aber nicht ein einfacher Plattenweg gewesen, wird man wohl annehmen dürfen, auch wenn die Mittheilung des Chronisten nicht vorhanden wäre, nach welcher der Kaiser in einem bedeckten Gange von seinem Palast zum Dom gehen konnte. Nach andern chronistischen Nachrichten befand sich hier zwischen dem Dome und dem Kaiserpalaste ein grosses, metallenes Wasserbecken mit fliessendem Wasser, welches wir uns vielleicht in der Art zu denken haben wie das schöne s. g. Marktbecken auf dem Markte zu Goslar.

 

Von den Schweden soll jenes Wasserbecken vor dem Dome zu Kanonengut eingeschmolzen sein.

 

In den Bereich dieser Anlagen gehört auch der Platz, auf dem der Kaiser unter freiem Himmel vor seiner Pfalz zu Gericht sass. Der berühmte französische Architekt Violet le Duc giebt in seinem Dictionaire raisonné de l‘architecture eine sehr eingehende Untersuchung über diesen Theil der Paläste des Mittelalters. Er führt aus, dass die Sitte, nach der der Souverain von einem erhöhten Platze vor seinem Wohnsitze

 

 

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öffentlich unter freiem Himmel Recht sprach, eine allen nordischen Völkern gemeinsame war. Er geht dabei bis auf die Scythen zurück, giebt dann Nachweise von derartigen Gerichten, die Karl der Grosse in dieser Weise abgehalten, und so fort bis in die spätesten Zeiten des Mittelalters, wo die Könige von Frankreich solche Gerichte vor ihrem Palais abhielten.

 

Hier in Deutschland hat sich diese Sitte am längsten bei den Rathhäusern der Städte erhalten, wo die offenen Gerichtslauben noch Erinnerungen an diese öffentliche Gerichtspflege liefern. Wir werden nicht zweifeln dürfen, dass unsere Kaiser, von denen an verschiedenen Stellen nachgewiesen ist, dass sie solche öffentliche Gerichtssitzungen unter freiem Himmel abhielten, dasselbe vor dieser Goslarschen Pfalz thaten. Ja es hat sich eine Art Fortsetzung dieser Gerichte grade auf dieser Stelle vor dem Kaiserhause erhalten, die uns einen nicht unwichtigen Beleg für diese Annahme bietet. Das Kaiserbleek nämlich gehört zu den Plätzen, wo nach den alten Harzer Berggesetzen eines der drei Forstgerichte jährlich abgehalten wurde. Die Stelle heisst: Der Drier en scall man hegen unde sitten vor des Rikes Palenze to Goslar. Die Anlage eines derartigen erhöhten Richter-Sitzes, wohl in der Mitte vor dem Palaste, wird man sich also an dieser Stelle auch zu denken haben, wenn man sich ein vollständiges Bild von der Umgebung der Pfalz machen will. Diese Platt-Form war geschmückt mit Balustraden und Bildsäulen und in der Tiefe unter derselben wurden häufig wilde Thiere, besonders Bären, wie in einem offenen Zimmer gehalten. Etwas Gewisses bin ich zwar, nach dem jetzigen Stande meiner Untersuchungen, nicht in der Lage Ihnen hierüber mitzutheilen, und diese Angaben sollen nur dazu dienen, Ihnen, meine Herren, einige Anhaltspunkte zu geben, sich die ganze Anlage im Geiste zu reconstruiren und Ihnen zu zeigen, dass wir uns dieselbe kaum grossartig genug ausmalen können und das trübselige Bild ganz vergessen müssen, welches uns jetzt in der Wirklichkeit von dem Kaiserhause in Goslar vor Augen steht.

 

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Welch herrliche grossartige Königsburg muss sich auf jenem sanften Hügel erhoben haben mit ihren weiten Saal-Fenstern, den Flügelbauten zu beiden Seiten, ihren beiden Kirchen, dem Perron und den bis zum Dom hinabziehenden Treppenanlagen, welch letzteren mit seinen bedeutenden Nebenbauten, als Curie, Capellhaus, Kreuzgang u. s. w., man durchaus in das Bereich dieses ganzen Bildes wird hineinziehen müssen!

 

Das würde nun in kurzen Zügen meine Antwort sein auf Ihre Frage: Was wir uns unter dem Kaiserhause zu Goslar zu denken haben, wenn wir unsern Blick in die Vergangenheit früherer Jahrhunderte versenken. Lenken wir sie jetzt aber zur Gegenwart zurück, so schrumpft die stolze Königsburg unserer Kaiser zu einer unkenntlichen Karrikatur ihrer früheren Herrlichkeit zusammen. Erlassen Sie es mir, Ihnen dieses im Einzelnen auszumalen, Sie haben es ja selbst gesehen. Sind wir aber gewiss berechtigt zu sagen, dass der jetzige Zustand derselben kaum trostloser und unwürdiger sein kann, wie er ist, so will ich doch nicht versäumen, Sie darauf hinzuweisen, dass, wenn wir Vergleiche mit allen andern Pfalzen der deutschen Kaiser anstellen, wir dennoch Grund haben, uns zu beglückwünschen, dass überall noch so viel erhalten ist. Bis etwa auf die Burg zu Nürnberg, die aber wieder um mehrere Jahrhunderte jünger ist als das Kaiserhaus und die man kaum berechtigt ist eine Kaiserpfalz zu nennen, sind die deutschen Kaiserpfalzen alle vom Erdboden verschwunden, oder es ragen nur obdachslose Ruinen davon als wehmüthige Zeugen früheren Glanzes und als stumme Kläger der Undankbarkeit, Pietätlosigkeit und Rohheit unseres Volkes gen Himmel. Denn nicht der Zahn der Zeit, sondern die Zerstörungswuth der Menschen hat sie vernichtet. Glücklich, im Vergleiche damit, steht es um die Pfalz zu Goslar. Hier haben wir einen bis auf den heutigen Tag unter Dach und Fach erhaltenen Bau und, meine Herren, das kann ich Ihnen als das Ergebniss meiner jetzt schon Jahre lang fortgesetzten Durchforschung und des Studiums dieses merkwürdigen Baues vertrauen, haben sich unter jenen zwar unschönen, aber schützenden Dächern mehr

 

 

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Reste und Spuren früherer Schönheit erhalten, als man bei einem einmaligen, ja mehrmaligen Besuche des Kaiserhauses zu hoffen und zu ahnen wagt. Ein hoher Ruhm der alten freien Reichsstadt Goslar ist es aber, dass sie, als die treue Hüterin dieses ihr anvertrauten Reichs-Palastes, ihn uns zu erhalten gewusst hat bis auf den heutigen Tag. Möchte ihr diese Treue belohnt werden dadurch, dass ihr Streben, denselben im alten Glanze wieder erstehen zu sehen, mit Erfolg gekrönt wird. Denn, wie Ihnen bekannt, stehen wir jetzt im Beginne der Restauration der Goslarschen Kaiserpfalz und damit sind wir in die volle Gegenwart gerückt, die uns zugleich den Blick in die Zukunft eröffnet.

 

Derjenige, welcher zuerst den hochherzigen Gedanken fasste, diesen grossartigen Kaiserbau aus den Banden seiner Entwürdigung und Verwahrlosung zu befreien und ihn neu verjüngt der Pietät des deutschen Volkes wieder zu geben, war Se. Majestät der König Georg V. von Hannover. Auf seinen Befehl erwarb die königl. hannoversche Regierung dieses Gebäude mit seiner Umgebung käuflich von der Stadt Goslar. Es ward auf Verlangen der Stadt ausdrücklich in die Kauf-Urkunde der Passus aufgenommen, dass sie dasselbe unter der Voraussetzung einer würdigen und stylgemässen Wiederherstellung abtrete. Der König Georg V. liess auch sofort zum Beginn der Arbeiten die Summe von 7500 Thlr. anweisen, die Restaurationsarbeiten sollten beginnen, als die Katastrophe des Jahres 1866 eintrat.

 

Seitdem hat die königl. preussische Regierung die genannten Gelder, ihrer ursprünglichen Bestimmung gemäss, zum Beginn des Restaurationswerkes verwendet. Etwa vor einem Jahre, um die Zeit des Ausbruches des letzten französischen Krieges war es, wo diese Mittel erschöpft waren, und sehr erklärlich musste auch dieses Werk des Friedens mit so vielen andern vor dem Donner der blutigen und glorreichen Schlachten und vor den unerhörten Opfern ruhen, die ein frevelhaft uns aufgezwungener Kampf gebieterisch forderte. Seitdem sind glücklichere Tage wiedergekehrt, und als wir in der grossen Zeit, die wir durchlebten, den

 

 

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Traum und die Hoffnung langer Jahre mit der Wiederaufrichtung des deutschen Reiches in Erfüllung gehen sahen, als wir nach 70jähriger Unterbrechung wiederum einen deutschen Kaiser das Scepter ergreifen und mit mächtiger Hand das Reichsschwert schwingen sahen, da musste sich bei Allen, die das Geschick unserer alten Kaiserpfalz mit seinem Wohl und Wehe auf ihrem Herzen tragen, die schöne und zuversichtliche Hoffnung regen, dass jetzt eine Zeit herauf steigen werde, in der sich das ganze neu geeinigte deutsche Volk mit Begeisterung der Erhaltung und Wiederherstellung dieser Reliquie aus der höchsten Blüthe der deutschen Kaiserzeit zuwenden werde. Solche Betrachtungen waren es auch wohl, welche die Behörden der Stadt Goslar in ihrer Liebe zu dem ihnen so lange vertraut gewesenen Kaiserhause veranlassten, sich mit einer Petition um Bewilligung der erforderlichen Mittel zur Wiederaufnahme der unterbrochenen Restaurationsarbeiten an den Reichstag zu wenden.

 

Sie Alle werden das Schicksal dieser Petition mit lebhaftem Interesse verfolgt haben und auch das von dem Reichstage ausgesprochene Vertrauen theilen, dass die königliche Regierung die erforderlichen Schritte zur Fortsetzung des begonnenen wichtigen Werkes thun wird, und so könnte ich hier meinen Vortrag mit der frohen Aussicht auf den glücklichen Tag schliessen, wo die Schaar der kunstgerechten Steinmetzen und Maurer dem jetzt so einsam harrenden Kaiserhause wieder zuströmt und der grüne Maibaum auf der Spitze des höchsten Rüstbaumes angenagelt wird zum Zeichen, dass hier wieder frisches frohes Leben aus den verlassenen Ruinen sprosst.

 

Nur einen Wunsch lassen Sie mich noch aussprechen, den nämlich, dass die zu bewilligenden Mittel nicht zu knapp bemessen sein möchten, denn wir haben es hier mit einem Königsbau, nein, gar mit einem Kaiserbau zu thun, und die alten kaiserlichen Architekten sind bei ihrem Werke, das sieht man ihm heute noch an, erfüllt gewesen von dem vollen Bewusstsein, dass bei diesem Bau der Gesichtspunkt der möglichsten Billigkeit und Sparsamkeit der Ausführung zurück zu treten habe vor der wichtigeren Rücksicht,

 

 

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dass es hier ein Monument deutscher Kunst von höchstem Range zu schaffen gelte. Wehe also uns, wenn wir an diese monumentalen Reste mit der Sorge herantreten, wie wir sie am billigsten ergänzen wollen. Nein monumental und ganz und würdig muss die Wiederherstellung sein, wie es der ursprüngliche Bau war.

 

Zum Schluss sende ich noch einen letzten weiteren Blick in die Zukunft, der Ihnen allen gewiss schon Sorge gemacht und Seufzer ausgepresst hat, denn wer von Ihnen wäre wohl nicht schon durch eine etwas vorwitzige Stimme des eigenen Innern und noch vielmehr durch derartige oft sehr zudringliche und etwas spöttische Stimmen von aussen her gefragt worden: „Ja, wenn es nun aber fertig ist das Kaiserhaus, was soll denn schliesslich damit gemacht werden, denn der Kaiser wird ja in Goslar doch nicht wohnen sollen? Wozu soll es denn verwendet werden? wie will man es später benutzen?“ Ich gestehe Ihnen, dass diese malitiösen Fragen mich sehr gequält haben, denn alle Antworten, welche ich darauf zu geben versuchte, wie z. B. Einrichtung einer forst- und bergmännischen Sammlung für den Harz, Aufstellung des Fenkner‘schen Museums, ja sogar Anlegung einer Bier- und Weinwirthschaft in den schönen kühlen Räumen und wie die abenteuerlichen Pläne alle lauten möchten, sie klangen mir doch immer wie Spott, wenn ich an die grosse Geschichte dieser Räume dachte, in denen einst Deutschlands Fürsten und Völker tagten und wo die Könige von Ungarn, Polen, von Böhmen, von Dänemark, Frankreich und Burgund vor unsern mächtigen Kaisern Hülfe und Recht suchend erschienen sind. Nein, meine Herren, die Frage nach der Verzinsung der Baukosten ist hier unberechtigt, das Kaiserhaus zu Goslar muss restaurirt werden, weil es unser Kaiserhaus ist, unser deutsches Capitol, und wenn die Ungunst der Verhältnisse es selbst verhindern sollte, dass unser Kaiser überall dasselbe betreten würde, so ist es nichts desto weniger unsere alte Kaiserpfalz, die wir erhalten müssen, weil es ein Schimpf für uns wäre, wenn wir das nicht thäten!

 

 

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Und so, meine Herren, empfehle ich dieses wichtige und grossartige Monument deutscher Geschichte und Kunst Ihrer warmen Liebe und Fürsorge, indem ich Ihnen zum Schluss die Worte unseres treuherzigen alten Freundes zurufe:

 

So steht ihm bei in seiner Noth

Und sprecht für ihn‘s, gesegn‘ es Euch Gott! -

 

 

 

Quelle: DAS KAISERHAUS ZU GOSLAR. Vortrag gehalten in der IV. Hauptversammlung des Harz-Vereins für Geschichte und Alterthumskunde am 30. Mai 1871 zu Goslar von dem die Restauration des Kaiserhauses leitenden Architekten Adelbert Hotzen. Halle, Buchdruckerei des Waisenhauses 1872