HEI LEWET NOCH!

Till Eulenspiegel Museum in Schöppenstedt
Till Eulenspiegel Museum in Schöppenstedt


Liebe Eulenspiegelfreunde,

männliche, weibliche, sächliche, haupt- und nebensächliche,
organisierte und nicht organisierte,
originale, originelle, nominelle und nominierte,
aktive, passive, alternative und passionierte,
langjährige, langweilige, kurzweilige und zeitweilige,
wissentliche, unwissentliche, wissenschaftliche und weise,
elmische, schelmische und anderweitige,
sympathische, sympathisierende und sonstige,
als Vorsitzender der organisierten begrüße ich Euch alle herzlich
und danke für die Teilnahme, die Sie dem Neubau dieses
Museums, gleich in welcher Weise, erwiesen, erweisen oder noch
erweisen werden.
Möglichkeit dazu besteht weiter, und jeder möge entscheiden,
ob er mehr tun könne.
Außerdem entscheide jeder bitte selbst, ob er sich zu den in der
zweiten oder dritten Person Angeredeten zähle.
Wofür würde Eulenspiegel sich entscheiden?
Für den Altbau, für den Neubau, für beides oder für gar kein
Museum?
Antworten auf diese grundsätzliche Frage können schriftlich zur
Veröffentlichung im Jahrbuch eingereicht werden.
Ich bin skeptisch gegen Neubauten von Museen, weil viel zu viele
entstehen und zu viele davon mißlingen.
Ist unseres gelungen?
Auch darüber könnte man sich im Jahrbuch ausführlich äußern.
Zu finden ist in den beiden sehr unterschiedlichen Teilen des
Baues, der ja auch zwei sehr unterschiedliche Träger hat, vorder-
hand allerhand, und allerhand haben wir noch in Rückhand.
Wer schräge Wände, alte Balken, kleine Fenster, Kachelofen,
Truhen und Echtholzfußboden mag, das anheimelnde Ambiente
meiner Kindheit, die Gemütlichkeit des Gestern, das nostalgische
Alte, hier ist dies alles da!
Neu da ist nun auch das Neue, der Habitus des Heute,

die Gestaltung aus dem Geist der Gegenwart im Gegensatz zum
verbreiteten Sanieren, Kopieren und Klischieren des Alten.
Künftige Ansichtskarten von Schöppenstedt können die Kunde
wortlos in alle Welt tragen, daß neben dem massigen Turm des
Mittelalters, dem klassizistischen Körper der Kirche und der
Rechteckigkeit des Rathauses nun schließlich der große Schwung
ins Stadtbild kam.
Mich begeistert dieser stabile stählerne Bogen, der leicht ins
Lichte ragt und einen unbegrenzten Teil der Unendlichkeit schir-
mend für uns verfügbar hält zu würdiger Bewahrung und
Repräsentation unserer Cimelien.
Eine Erweiterung voll dem Morgenlichteinfall geöffnet und hof-
fentlich auch allen anderen lichten Einfällen.
Und dazu diese dezente Spitze! Hier rechts.
Ich bitte, das nicht einseitig zu sehen. Von innen ist sie links.
Und grün ist sie auch nicht. Aber sein muß sie schon.
Was wäre unser ungebundener Sozialkritiker ohne Spitze!
Herr Prof. Quiram, Sie haben quasi unser Anliegen optimal, obli-
gat und obligierend, also bestens, verpflichtend und dankenswert
in architektonische Gestalt gebracht.
Möge dieses Formalobjekt für Geist der Offenheit, des heiteren
Schwungs und der Würde gültiges Symbol für das Leben und
Streben in dieser Stadt auf der Sonnenseite des Elms und in die-
sem Verein werden!
Dankenswert und verpflichtend sind selbstverständlich die vie-
len, vielen Groschengaben, die den Bau materiell erst möglich
machten und uns nach einigen freundlichen Grußwechseln zwi-
schen Beschaffern und Bewilligern zugeschossen wurden.
Sie können sich ja denken, was sowas kostet. Und wer so viel hat:
Bund, Land, Kreis, Kommune, Lotto-Toto, Banken und
Versicherungen, in diesem Falle die Norddeutsche Landesbank
und die Öffentliche Versicherung Braunschweig.
Sie hörten ja schon und können im Programm nachlesen, wieviel
jeder davon für angemessen hielt.
Im Gegensatz zu dem, dem dieses Haus geweiht ist, und den wir
niemals dankbar fanden, danken wir allen, die es erweitern hal-
fen:

Beschaffern von Gut und Geld, Bewilligern von Zuschüssen und
Beteiligten am Bau.
Ihm selbst, der vermutlich einige Male seine Finger im Spiel
hatte, danken wir dafür natürlich nicht, sondern denen, die das
allemal ausbaden mußten.
Falls er uns nur prüfen wollte, dann haben wir offensichtlich
bestanden.
Und wir wollen weiter bestehen.
Vor allem vor denen, die unser kostbares Gut, die bedeutendste
Eulenspiegeliana-Sammlung der Welt zusammentrugen und den
Impuls für heut zu feiernden Erfolge gaben.
Die Erfüllung des langgehegten Wunsches nach der schönen
Schatulle, oder soll ich Schatzhaus sagen, möge weitere Aktivi-
täten zur Vergrößerung und Darbietung dieses Schatzes wecken
und Wirklichkeit werden lassen.
Zum 50. Geburtstag dieses Museums im nächsten Jahr wird sich
zeigen, welche Früchte aus der Kopulation der Inhaltsleistungen
mit den Formfremdleistungen ansetzten oder gar schon reiften.
Meine Damen und Herren, Sie sind herzlich gebeten, den Tag
dieser Kopulation mitzufeiern und sich anzuschauen, was uns zu
Dank und Tun verpflichtet.
Eines werden Sie beim Betrachten der vielfältigen Reliquien und
Reminiszenzen Unseres Patrons und Patriarchen spüren:

HEI  LEWET NOCH !

und heute wollen wir ihn besonders leben lassen.

Otto Kruggel

veröffentlicht in:
Eulenspiegel Jahrbuch '96 herausgegeben vom Freundeskreis
Till Eulenspiegels e.V.  S. 159-161