Das Gewölbe im Mittelschiff des Kaiserdoms

Die Wölbung im Kaiserdom aus der Liege-Perspektive
Die Wölbung im Kaiserdom aus der Liege-Perspektive

 

Wir wissen nicht, woher die Sage von der Ochsentreppe und vom Einsturz der Flachdecke unserer Stiftskirche infolge ihrer Nutzung als Viehversteck im Dreißigjährigen Kriege kam, aber wir wissen, daß sie schon viele Vorträge von Domführern würzte. Bedeutende alte Bauten bleiben Nährboden für Legenden. Sagen geben Kunde von Ereignissen der Vergangenheit ohne geschichtliche Beglaubigung. Zum Glück vergehen sie nicht, wenn Urkunden andere Sachverhalte feststellen.

So kann ich getrost mitteilen, was sich im 17. Jahrhundert wirklich mit der Decke unseres Gotteshauses alles ereignete.

Am 6.12.1640 teilte Abt Georg Calixtus dem Herzog August mit, daß am Sonntag zuvor, dem 2.12. und ersten Advent, gegen vier Uhr nachmittags die beiden östlichen Gewölbejoche des Mittelschiffs einstürzten und den Altar vor dem Chor, das kaiserliche und fürstliche Begräbnis, die Kanzel und Stühle kurz und klein schlugen. „Es hat keiner an diesem Gewölbe den geringsten Mangel verspüren können,“ versicherte er und bat um Mithilfe bei der Wiedererrichtung und der Reparatur des uralten kaiserlichen Grabmals.

Dem Schreiben fügte er das Gutachten der Maurermeister Henning Deumeland und Günther Blancke vom 5.12.1640 bei. Diese sahen die Ursache des Einsturzes in dem zu schwachen Fundament „worauf der mittel- und beide Kreuzbögen gestanden“ und in zu geringer Einbindung in die Seitenmauern. Nach Blanckes Angabe wurden allerdings schon 1619, als er mit seinem Vater die Gewölbe ausbesserte und weiß anstrich, an den Seiten der betreffenden Joche Risse festgestellt und ausgeschwickt.

Anschließend wurden sie mit Bildnissen des Kaisers, der Kaiserin, Heinrichs des Stolzen und Inschriften bemalt.

Wann dieses Gewölbe errichtet wurde, konnte noch nicht ermittelt werden. Es war, wie ein im Boden gefundenes Fragment beweist, ein gotisches Rippengewölbe wie die in den Seitenschiffen.

Georg Calixt erlebte die Wiederherstellung des Gewölbes und des Grabmals nicht, obwohl er noch 16 Jahre lebte.

Am Mittwoch, dem 18.10.1673 gegen drei Uhr nachmittags fiel das nächste Joch dieses Gewölbes „ohn einiges Vermutem“ nieder, meldeten Prior und Konvent am Tag danach der herzoglichen Kanzlei und erwarteten Befehl, was mit dem noch verbliebenen Joch über der Orgel geschehen soll. Die Orgel befand sich damals noch nicht wie jetzt im mittleren Geschoß zwischen den Türmen, sondern auf einer davor errichteten, von vier Holzsäulen getragenen Orgelprieche.

Erst 20 Jahre später, im Frühjahr 1693, wurde mit dem Wiederaufbau des Gewölbes begonnen. Zimmermeister Henning Hannecke errichtete dafür ein Gerüst in drei Stockwerken.

Von Ost nach West wurde das spitzbogige Gratgewölbe mit rundbogigen Kappen aus Elmkalkstein über drei Gurtbogen errichtet. Dabei sollen auch die Steine der östlichen und südlichen Klausurgebäude und der Johanneskapelle verwendet worden sein. Im Sommer 1695 schloß Abt Friedrich Ulrich Calixt mit dem Schlußstein, der den Namen des Steinhauermeisters Wendt und die Jahreszahl trägt, das letzte Joch.

Sein Werk, diese Kombination von Rund- und Spitzbogengewölbe, steht heute noch und wird viel geschmäht.

Wenn man bedenkt, daß in dieser Zeit des üppigen Barocks romanische Bauten, zumal bei solcher Baufälligkeit, entweder abgerissen oder barock überformt wurden, dann kann man diese um Angleichung an die vorhandene Architektur bemühte Lösung als eine frühe denkmalpflegerische Leistung werten.

Nach dem Tode Kaiser Lothars war die Absicht zur Wölbung des Langhauses aufgegeben worden. Die Arkadenhochwände wurden nun für Flachdeckenschluß und deshalb schwächer und mit Fenstern im gleichmäßigen Abstand weitergeführt.

Dieser Konzeptionswechsel ist an den Bogenanfängern für die Langhausarkaden an den Vierungspfeilern und im Vergleich mit den paarig angeordneten Fenstern unter den Gewölben im Ostteil zu erkennen. Ein Kreuzgratgewölbe war unter diesen Umständen nur mit gedehnten Rundbogenschilden und spitzbogigen Gurten möglich. Trotz dieser Dehnung war ein Einschneiden der Schildbögen in die Fensterlaibungen nicht zu vermeiden.

Auch die für diesen Bereich der Basilika gut gewählten Darstellungen der vier Erdteile und der beiden Herzogspaare in den sechs Konsolen lassen Bemühen um Anpassung an das Vorhandene ablesen. Ein Vergleich der hiesigen Bildnisse des Paares August d. J. und Dorothea mit denen im Chorgewölbe der St. Johanniskirche in Wolfenbüttel zeigt dies deutlich.

 

Otto Kruggel

1992

 

veröffentlicht in:

Der Dombote 6. Jahrgang Nr. 32 Juli/August 1992 S. 12-13

 

Das Bild „Die Wölbung im Kaiserdom aus der Liege-Perspektive“ wurde folgender Veröffentlichung Otto Kruggels entnommen:

 

Zum 300jährigen Jubiläum der Neuwölbung des Kaiserdomes in Königslutter

Kreisbuch des Landkreises Helmstedt 1996 S. 93-100

 

 

 

Spendenkonto für Dom-Restaurierung

 

Die Schriftsteller Erasmus Schöfer und Paula Keller aus Köln baten neulich, ein Spendenkonto für die Renovierung des Kaiserdoms einzurichten, um Menschen wie ihnen, die für die Erhaltung dieses „Parthenons der deutsch-romanischen Baukunst“ sind, Möglichkeit zu bieten, auch etwas dafür zu tun.

Sie sind die Autoren des Features „Rachegedanken habe ich keine. Otto Kruggel – ein doppeldeutsches Porträt“, zu dem sie eine Begegnung im Kaiserdom anregte und das am Karfreitag im DLF/SFB/RB und am 19.10.92 über DS- Kultur gesendet wurde.

 

Mit ihrer Spende wurde bei der Volksbank am Elm, BLZ 270 912 19 ein Spendenkonto Kaiserdom Nr. 1135 500 eröffnet.

 

Wir hoffen, dem Beispiel dieser neuen Freunde des Kaiserdomes folgen, zumal im „Jahr der Romanik“, viele Freunde unseres großartigen Gotteshauses, damit die vor 15 Jahren begonnenen Restaurierungsarbeiten bald ihren glänzenden Abschluß und wir volle Freude an ihm finden können.

 

Otto Kruggel

 

veröffentlicht in:

Der Dombote 7. Jahrgang Nr. 37 – Mai / Juni 1993 S. 12