Le Bret 1771: Die Geschichte der Deutschen

Le Bret, Johann Friedrich: Die Geschichte der Deutschen von den ältesten bis auf die neuern Zeiten aus den ältesten und besten Quellen verfaßt. Zweyter Band, welcher die Geschichte der Deutschen bis auf Lotharius II. enthält. Mit Churfürstl. Sächsischen Freyheiten. Heilbronn, in der Eckebrechtischen Buchhandlung 1771.

 

 

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Vorrede.

 

Ich bin genötigt, diesen Theil mit einer Vorrede zu begleiten, in welcher ich nur einige Erinnerungen wegen des Verlegers zu machen habe. Man erlaube mir, die Veranlassung zu dieser Arbeit eben so aufrichtig anzuführen,

 

 

 

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Vorrede.

 

als ich in allen meinen Arbeiten, welche ich dem Publico vorlege, zu handlen gewohnt bin. Der Herr Verleger kam zu mir, und klagte mir seine Noth. So viel ich aus seinen Vorstellungen schliessen konnte, hatte man ihm nicht Wort gehalten, und ihn dadurch in einen beträchtlichen Schaden versezt, welches mich eigentlich nicht angeht. Es war also seine Schuld nicht, wann er mit den Theilen nicht so einhalten konnte, wie niemand eifriger, als er selbst gewünscht hätte. Jedoch konnte ich mich anfangs eben so wenig

 

 

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Vorrede.

 

zu dieser Arbeit verstehen, als ich mich ganz mit meiner venecianischen Geschichte, an deren zweyten Theil ich ernstlich arbeite, und bloß wegen gewisser wichtigen Urkunden, die ich nicht so schnell zu Handen bekommen kam, bisher zurückgehalten habe, und mit dem grossen Werk der ganzen italiänischen Geschichte beschäftige. Allein ich entschloß mich endlich, den Willen des Herrn Verlegers zu erfüllen,

 

Erstlich, weil er mich inständig bat, und mein Herz an sich geneigt ist, meinem

 

 

 

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Vorrede.

 

Nebenmenschen, besonders wenn er Schaden leidet, zu dienen;

 

Zweytens, weil er mich durch einen meiner Collegen bitten ließ, dessen Gelehrsamkeit mir eben so verehrungswürdig, als seine collegialische Freundschaft gegen mich schäzbar ist;

 

Drittens , weil ich durch mein Lehramt berechtigt zu seyn glaubte, die systematische Kenntniß der Geschichte bey meinen Zuhörern zu befördern, und ihnen meine Sammlungen, die ich von Jugend aus in der Geschichte gemacht,

 

 

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Vorrede.

 

in einer gewissen Ordnung in die Hände zu liefern.

 

Viertens, weil ich bey dem Gebrauch zwoer öffentlichen Bibliothecken, die mein durchlauchtigster Regent meiner Aufsicht gnädigst anvertraut hat, viele Quellen gebrauchen kan, welcher Bequemlichkeit ich ohne die Herzogliche Huld meines Landesfürsten entbehren müßte.

 

Fünftens, weil ich auch in Ansehung anderer Betrachtungen keine Schwierigkeiten fand, indem der Herr Verleger,

 

 

 

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Vorrede.

 

leyder mit seinem Werke so weit zurück ist, daß er vom Neide nichts zu befürchten hat.

 

Ich glaube, daß ich nicht aufrichtiger die Ursachen anführen könnte, die mich zu dieser Akt von Geschäften veranlaßt haben, und ich muß noch überdies hinzuthun, daß mir doch noch immer Musse genug übrig bleibt, mein Amt in seinem ganzen Umfang zu thun und meinen Freunden zu dienen.

 

Der gegenwärtige Theil begreift die traurige Zeiten, da unsere Kaiser den

 

 

 

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Vorrede.

 

Nachstellungen der Päbste ausgesetzt gewesen. Die Triebfedern dieser Begebenheiten sind allzu wichtig, und ihr Einfluß in die Verfassung unsers Reichs allzu redend, als daß ich diese interessante Epoche nur kurz hätte abhandlen können. Einmal ist man nach der gegenwärtigen Lage der Umstände in Europa begieriger, den grossen Gregorius VII. und den listigen Paschal II. näher kennen zu lernen, und anschauend zu erfahren, was die kaiserliche Rechte dabey verlohren oder gewonnen haben. Hernach kan ein patriotischer Geschichtschreiber

 

 

 

 

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Vorrede.

 

unmöglich die Bemühungen unserer Reichs-Regenten, das Gleichgewicht zwischen der weltlichen und geistlichen Macht zu erhalten, verschweigen, und es fallen oft in gewisse Jahre Begebenheiten, an deren Känntniß der Nachkommenschaft auf viele Jahrhunderte unendlich viel gelegen ist. Könnten in diesen Zeiten, wovon dieser Theil handelt, wichtigere Jahre seyn, als 1077 und 1111 und 1122? Hier muß man also seinen Lesern den ganzen Zusammenhang der Begebenheiten unterrichtend vorlegen, und sie in den Stand setzen,

 

 

 

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Vorrede.

 

entweder den Muth der deutschen Kaiser zu bewundern, oder ihre Unterdrückung und die schleichende Ränke zu beklagen. Ich habe demnach bey diesen Auftritten, nach dem Verlangen des Herrn Verlegers selbst, ausführliche Entwicklungen angestellt, kan aber nicht versprechen, daß ich in andern wichtigen Begebenheiten gleiche Weitläuftigkeit beobachten werde. Wenn nur gewisse Gönner ihr Versprechen halten, so werde ich in der Folge in den Stand gesezt werden, einige noch wenig gebrauchte Nachrichten aus ihrer

 

 

 

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Vorrede.

 

Dunkelheit hervorzuziehen. Uebrigens lege ich meiner Arbeit selbst den Werth der Häberlinischen nicht bey. Nicht nur Bescheidenheit, sondern wahre Achtung für die Tugend lehren mich, den gründlichen Herrn Hofrath Häberlin mit einem verehrungswürdigen Auge anzusehen. Ein jeder gut denkender Patriot schäzt die Bemühung anderer Patrioten hoch, und so lang die Tugend die Feder regiert, so lang wird das Publicum zufrieden seyn können, und man wird auch Verirrungen ohne Galle ansehen.

 

 

 

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Vorrede.

 

Da einmal der Herr Verleger angefangen hat, jedem Theile ein Kupfer vorzusetzen, so behielt ich mir die Erfindung desjenigen, das vor diesem Theile steht, selbst vor. Es stellt in einem Blicke die ganze Geschichte dieses Theils vor, und es ist kein Bild, das nicht seine allegorische Anspielung auf eine Begebenheit hat, alle aber zusammen genommen stellen ein Ganzes vor. Religion und Gerechtigkeit sind die Grundsätze, aus welchen die Verfassung unsers Reichs besteht. Sie unterstüzen sich wechselsweise, und wenn ihr Band

 

 

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Vorrede.

 

unter Heinrich IV. und V. wankte, so wollen wir dem Himmel partiotisch danken, daß unter Joseph II. keine Heinrichische Zeiten mehr sind.

 

Stuttgardt den 20 Hornung 1771.

 

Johann Friderich leBret

 

 

 

 

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Geschichte der Deutschen.

Fünfte Periode.

 

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Heinrich IV..

 

1056

Deutschland hatte einen grossen Kaiser verlohren, der diesen Staatskörper in guter Ordnung erhielte. Nun war ein Kind das Haupt einer Nation, welche Helden zu Anführern wünschte. Heinrich IV. der schon in Tribur im Jahr 1053 feyerlich als König erwählt und unter der Bedingung erkannt worden war, wenn er nach den Gesetzen herrschen würde, war allzujung, als daß er eine so zusammengesezte Maschine durch sich selbst hätte regieren können. Man ordnete daher vor allen Dingen die vormundschaftliche Regierung an, und sorgte für die Erziehung des Königs. In beeden Betrachtungen war die Kaiserin Agnes- Heinrich

 

Gesch. der Deutschen II. Bd.

 

 

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2 Geschichte der Deutschen,

 

des III. Wittwe, eine Person, die alle Achtung verdiente. Sie hatte sich von Bothfeld nach Goslar begeben, wo sie das Ruder ergrief, und sich aller Regierungsgeschäfte mit grossem Eifer und Nachdruck annahm. Die Gefahr des Staats gieng ihr zu Herzen, sie kannte die Neider des Fränkisch-Salischen Hauses, sie verstand die Plane ihres Gemahls zum Besten der kaiserlichen Würde, sie wußte aber auch gleich Anfangs allen Keim des Mißvergnügens zu ersticken, so daß eine so wichtige Sache, als der Antritt einer neuen Regierung gemeiniglich zu seyn pflegt, ohne grosses Geräusche und Unruhe ausgeführt wurde. a) DieReichsstände hatten in ihre vormundschaftliche Regierung gewilligt, und ihr, wie es scheint , auch auf den Fall Gehorsam geschworen, wenn sie ihren Sohn überleben würde. Weil sie doch nicht ganz allein regieren wollte, so zog sie den Bischoff Heinrich von Augsburg zu den Staatsberathschlagungen; aber eben dieses Vertrauen, das sie in ihn sezte, und dessen er sich durch seine kluge Rathschläge würdig machte, erregte das Mißvergnügen der Grossen, welche an dieser Regierung ebenfalls Theil zu haben wünschten. Weil damals der Pabst Victor II. noch am kaiserlichen Hoflager zugegen war, dem der

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a) Administratio penes Imperatricem remansit quae tanta arte periclitantis reipublicae starum tutata est, ut nihil in ea tumultus, nihil simultatis tanta rei novitas generaret. Lambertus Schafnab.

 

 

 

 

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3 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

sterbende Vater seinen zarten Sohn empfolen, oder, nach dem Ausdruck gewisser Schriftsteller zu reden, den er in den Schuz der römischen Kirche übergeben hatte, so fehlte es nicht an wichtigen Staatsgeschäften. Dieser Pabst unterstüzte auch die Kaiserin mit seinen Rathschlägen, und verweilte sich in Deutschland noch bis in das folgende Jahr, da er Gelegenheit hatte, dem kaiserlichen Hause grosse Dienste zu thun.

 

Noch zu Goslar ereignete sich indessen eine Mordgeschichte, welche der Kaiserin nahe zu gehen schien. Unter andern Grossen befand sich auch Pfalzgraf Dedo bey Hofe, dem sein Bruder, der Erzbischoff von Bremen, einen gewissen Geistlichen mitgegeben, der sich wegen seiner Verbrechen der Landesverweisung würdig gemacht hatte. Dieser Böswicht fand Gelegenheit, den Pfalzgrafen zu ermorden, und hierdurch dem kaiserlichen Hofe einen getreuen Diener zu entziehen, den die Kaiserin noch in seinem Tode ehrte, und ihn in Goslar Standesmäßig begraben ließ.

 

Ein anderer Todesfall gab Gelegenheit, daß die Kaiserin eines der ansehnlichsten Herzogthümer für sich erhielte. Conrad, der jüngere Bruder des Kaisers, dem sein Vater das Herzogthum Bayern gegeben hatte, gieng mit Tode ab, und Agnes ließ sich davon durch ihren Sohn ein Geschenk machen, der ihr den Besitz desselben so lang erlaubte, als sie wollte.

 

 

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4 Geschichte der Deutschen,

 

b) Alles dieses war dem Plane der beeden vorhergehenden Kaiser gemäß: Aber eben dieser Plan war weder in seinem Ursprung beliebt, noch in seinen Folgen mit der deutschen Freyheit übereinstimmend. Jedoch blieben die Mißvergnügte noch immer in Schranken, so lang der Pabst zugegen war. Victor II. machte sogar mit dem jungen König und der kaiserlichen Mutter die Reise nach Regensburg, wo sie das Geburtsfest des HErrn feyerten, und auch in diesen Gegenden die Sachen in eine gute Ordnung einleiteten. Ihm hatte man es zu danken, daß auch die Lotharingische Angelegenheiten ein für das kaiserliche Haus günstigeres Ansehen bekamen. Dann er berief die Feinde des Kaisers nach Cölln, und auf dieser allgemeinen Versammlung der Stände wurden Gottfried von Lothringen und Graf Balduin von Flandern mit dem König ausgesöhnt, und der Keim zu weitern Unruhen unterdrückt. c) Beatrix wurde ihrem Manne wieder gegeben, und reißte hernach mit dem Pabste nach Italien, dessen eigenes Interesse durch den Schuz, den er dem toskanischen Hause angedeyhen ließ, vieles zu gewinnen schien.

 

So bald dieser Streit beygelegt war, so richtete die sorgfältige Kaiserin ihr Augenmerk auf andere Theile der deutschen Staatsverfassung.

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b) Imperatrici dedit, privato jure, quoad vellet poffidendum.

c) Sigeb. Gembl. Ad a. 1057. Baronius ad a.

 

 

 

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5 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

Die Ersetzung der erledigten Herzogthümer schien ihr eine erwünschte Gelegenheit zu seyn, die Parthey ihres Sohns durch die Bande des Geblüts zu verstärkem Eben damals starb Otto von Schweinfurt, Herzog von Schwaben, auf welches Herzogthum Heinrich III. dem Grafen Bertold von Zähringen mit Darreichung eines Fingerrings Hofnung gemacht hatte. Bertold versäumte zwar keinen Augenblick, die Kaiserin an das ihm gethane Versprechen zu erinnern, allein Rudolph von Rheinfelden, den sie mit ihrer Tochter Mathildis verlobt, die sie bis zu ihren mannbaren Jahren dem Bischofs von Costniz in die Verwahrung gegeben hatte, wurde ihm vorgezogen. Bertold war hierüber höchst mißvergnügt, und schilderte die willkührliche Macht der salischen Königen mit so verhaßten Farben ab, daß die Kaiserin auf Mittel bedacht seyn mußte, ihn zu besänftigen. Zu gutem Glücke war damals das Herzogthum Kärnthen nebst der Markgrafschaft Verona erledigt, welches Land zwar der vorige Herzog Conrad wegen der damaligen Kriege nicht einmal gesehen hatte.

1060

Agnes verliehe ihm dieses sehr angesehene Fürstenthum, welches wegen der italiänischen Pässe nach Deutschland von grosser Wichtigkeit war, und einen tapffern Beherrscher erforderte. Sie glaubte hierdurch die Ruhe in Oberdeutschland zimlich befestigt zu haben, und doch erzog sie sich an ihrem Tochtermann einen der heftigsten Feinde ihres Sohns.

 

 

 

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6 Geschichte der Deutschen,

 

1056

In Sachsen hingegen brachen die Unruhen-sehr frühe aus. Markgraf Wilhelm, der in einem Treffen wider die Leutizier erschlagen worden war, hatte den Grafen Udo von Stude, einen tapfern Krieger, der mit dem regierenden Hause in Verwandtschaft stand, d) zum Nachfolger. Dieser lebte auch nicht lang, sondern machte im J. 1057 Udo dem jüngern Plaz Otto, Wilhelms Bruder, jedoch von ungleicher Ehe, der Sohn einer Slavin konnte es nicht mit gelassenem Gemüthe ansehen, daß das Land seines Bruders auf einen Sohn und Enkel sollte übergetragen werden. Seine Neigung zum Krieg trieb ihn an, Böhmen zu verlassen, wo er bisher im Elende gewesen war, und sein Recht mit dem Degen in der Faust auszuführen. Bey seiner Ankunft in Sachsen traf er schon Keim genug zu einer Empörung an. Man empfieng ihn überall mit offenen Armen, und glaubte an ihm den Helden zu finden, der die sächsische Freyheit wieder herstellen, und seine Nation von der Verpflichtung befreyen könnte, nur von der Willkühr des Königs und der Gnade eines Kindes und einer Frau abzuhangem. Einige Grossen sahen dieses als den wahren Zeitpunkt an, sich dem Joche zu entziehen, sie reizten ihn, nicht nur nach der Markgrafschaft, sondern auch nach der königlichen Würde selbst zu streben, sie versicherten ihn ihrer Treue, und versprachen ihm, ihn mit ihrer ganzen Macht

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d) Lamb. Schafgab.

 

 

7 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

Macht zu unterstützen, und den König bey der nächsten guten Gelegenheit zu ermorden. Rechtschaffene Freunde des königlichen Hauses verabscheueten dieses mörderische Vorhaben, sie gaben der Kaiserin Nachricht davon, und hielten fürs rathsamste, wenn die Vormünderin mit ihrem Mündling aufs schleunigste sich selbst nach Sachsen begäbe. Agnes berief eine Versammlung der Grossen und Fürsten nach Merstburg, und sezte hierzu den Tag Petri und Pauli an. Die Fürsten rüsteten sich, mit einer ansehnlichen Bedeckung am königlichen Hoflager zu erscheinen, am meisten Ansehen aber gab sich der mißvergnügte Otto, welcher mit einem mächtigen Heere stolz einher zog, um die hohe Absichten, die er hegte, glücklich auszuführen. Mit gleicher bewafneter Mannschaft erschienen auch die beede Brüder, Bruno und Ekbert, des Braunschweigischen Grafen Ludolfs Söhne, und alte Feinde des Otto. Das Heer der leztern stieß bey Niendorp an der Saale auf den Otto, es kam zu einem blutigen Gefechte, in welchem Bruno und Otto so erhizt auf einander losrannten, daß sie einander beede tödteten. Der Bruder des Bruno, der selbst auch eine Wunde bekommen hatte, geriethe über den Tod seines Bruders in eine solche Wuth, daß er den Sohn des sächsischen Grafen Bernhards, einen jungen und zum Kriege kaum reifen Streiter niederstieß. Sein Anhang trug den Sieg davon, und rettete

 

 

 

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Geschichte der Deutschen,

 

zugleich das Ansehen des Königs, welcher das Glück genoß, eine so mörderiche Verschwörung wider ihn vernichtet zu sehen. Die Mißvergnügte warteten nun nur auf eine bequemere Zeit, ihr Herz aber blieb das nämliche. Agnes verweilte über Weyhenachten in Merseburg, und begab sich von hier nach Magdeburg, um den Bewegungen der Sachsen desto näher zu seyn.

1061

Sie entschloß sich endlich, das Herzogthum Bayern einem mächtigen Sachsen, dem Otto von Nordheim abzutreten, und hofte sich hierdurch eine Stütze in Sachsen zu verschaffen. Allein der Erfolg lehrte bald, wie sehr sie sich auch in dieser Hofnung betrogen, und welch einen mächtigen Gegner sie erhoben hatte.

 

Dieses waren die einheimische Verrichtungen der Agnes. Ausser Deutschland erforderte Rom und Italien ein viel wachsamers Auge als man von einer Frau, deren vertrautester Freund ein Bischoff war, erwarten konnte. Viktor II. dessen Freundschaft sie erprobt hatte, starb den 28 Junii 1057 in Florenz und sein Tod zog in Italien solche Folgen nach sich, daß einige Geschichtschreiber hier eine ganz neue Epoche der italiänischen Geschichte anfangen.

 

Eben damals, als die Nachricht vom Tode des Pabstes in Rom ankam, war Friderich-,Abt von Monte Casino, ein Bruder des Herzog Gottfrieds von Lothringen, den Vi-ktor II. kurz vorher als Cardinal und Vicekanzler der Kirche erkläret hatte, in Rom, um von

 

 

 

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seiner Kirche des h. Chrysogoni, von welcher er den Titel bekommen hatte, Besitz zu nehmen. Das ganze Volk lief nach S. Peter in Vincola, man berathschlagte sich, wen man als Pabst ernennen sollte, und nachdem man einen Monath damit zugebracht hatte, so lief man unvermuthet zur Wohnung des neuen Cardinals, zog ihn in die Kirche zu S. Peter, und erwählte ihn so einmüthig als Pabst, daß man davon wenige Beyspiele hatte. Diese Wahl geschahe den 11 August am Tage des h. Pabstes Stephanus, welches dem Neuerwählten Gelegenheit gab, den Nahmen Stephanus IX. anzunehmen. Gleich den andern Tag wurde er in die Vatikan-Kirche gebracht und allda gekrönt. Seine Wahl, welche nach dem Ausdruck der römischen Geschichtschreiber durch Zuruf, und durch Eingebung eines höheren Geistes geschehen, war für den König und die Kaiserin Agnes sehr bedenklich. Dann unter dem Schein dieser Eingebung wurden die Rechte des kaiserlichen Hofes angetastet, den Wahlen durch Gesandte beyzuwohnen und den Gewählten zu bestätigen. Auch die Person des neuen Pabstes liedte von Seiten der Agnes manche Ausnahme. Er war ein Feind von Kaiser Heinrich III. und hatte sich eben deswegen in das Kloster Monte Casino begeben, aus welchem er auch nicht bälder herauszugehen sich getraute, als nachdem er die Nachricht von dem Tode des Kaisers erhalten hatte.

 

1058

Bald nach seiner

 

 

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Erhebung auf den Thron schickte er den damaligen Abt von S. Paul und Cardinal Subdiakonuss Hildebrand nach Deutschland, ließ aber wegen seiner kränklichen Gesundheitsumstände zuvor sich durch die ganze Clerisey und das Volk von Rom schwören, daß sie keine Wahl weder vornehmen, noch erlauben, noch als gültig erkennen wollten, welcher nicht Hildebrand in Person beywohnte, auf welchen er sein ganzes Vertrauen sezte, und dem er die wichtigste Geheimnisse des römischen Stuls übertrug. Hildebrand kam in Merseburg bey der Kaiserin an, und verhandelte mit ihr die öffentliche Staatsgeschäfte. Ob sie bey dieser Gelegenheit in die Wahl des Pabstes gewilligt, melden uns die Geschichtschreiber nicht. Jedoch lassen sie es uns vermuthen, wann sie unter seinem Nachfolger die deswegen gemachte Verordnung anführen. Agnes zeigte wenigstens diesmal keinen grossen Ernst, ob sie es wohl mit einem Pabste zu thun hatte, der grosse Absichten hegte. Er hatte nicht nur durch eine Consistorialbulle den Weltlichen verboten, in kirchlichen Angelegenheiten Endurtheile zu geben und die Fürsten verdammt, welche geistliche Personen und Güter mit Auflagen beschwehrten, sondern man beschuldigte ihn auch, e) daß er im Sinne gehabt, seinen Bruder Gottfried als König und Kaiser zu krönen, und ihm mit dem Schatze vom Kloster

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e) Cupiebat fratri fuo, ut ferebatur, Imperii coronam largiri. Leo von Ostia.

 

 

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11 Fünfte Periode Heinrich IV.

 

Monte Casino zur Ausführung dieser hohen Plane und zur Vertreibung der Normannen aus Italien behülflich zu seyn. Seine weitaussehende Gedanken aber wurden durch seine Krankheit und darauf erfolgten Tod vereitelt. Er reißte mit dem Fieber nach Florenz, besuchte seinen Bruder, und starb den 19 März 1058.

 

Agnes verlor an ihm einen heimlichen Feind. Aber das ganze römische Volk hatte überhaupt einen Haß auf unsere Nation, und beneidete ihr Glück, dem römischen Stule etliche Päbste gegeben zu haben. Es versammlete sich in der Laterankirche, und schien fest entschlossen zu seyn, einen Pabst aus ihrer Nation zu wählen. Während daß sie sich allda befanden, kam Gregorius, ein Sohn Alberici, Grafen von Frascati, mit andern Grossen und bewafneter Mannschaft bey Nacht herbey, bestach einige mit Geld, welches man unter das Volk auswarf, und zwang andere mit Gewalt, daß sie den Bischofs Johannes Mincius von Velletri unter dem Nahmen Benedict X. als Pabst ausruften. Der h. Peter Damiani, der bey dieser Wahl zugegen war, giebt ihm das Zeugniß eines unwissenden und ungelehrten Mannes, f) und meldet die Bestürzung der übrigen Cardinäle, welche aus Furcht sich alle verkriechen mußten, zimlich aufrichtig. Benedict wurde von ihnen in den Bann gethan, und die Sache an den Hildebrand

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f) Baronius ad h. a.

 

 

 

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12 Geschichte der Deutschen,

 

berichtet. Dieser kam auch ohne Verzug aus Deutschland herbey, und verweilte sich in Florenz bey Herzog Gottfried, durch dessen Hülfe er die unruhige Römer zu bezwingen hofte. Hildebrand hatte vom kaiserlichen Hofe Briefe an den Herzog mitgebracht, in welchen der Bischoff von Florenz, Gerhard, als Pabst vorgeschlagen ward. Auf diesen Endzweck arbeitete auch Hildebrand in Rom, wohin er sich begeben hatte, um die Grossen seiner Parthey und das Volk zu einer neuen Wahl zu überreden. Er berief unter Begünstigung des Herzog Gottfrieds ein Concilium in Siena zusammen, allwo sich die zerstreute Cardinäle einfanden, und gemeldten Gerhard als Pabst ernannten. Auch Beatrix nahm an diesen Unterhandlungen Antheil, sie verfügte sich selbst nach Siena, und half Hildebrands Absicht befördern.

 

1059

Man gab davon ungesäumt dem kaiserlichen Hofe Nachricht, und Gottfried bekam den Auftrag, den neuen Pabst in Rom einzuführen. Dieser begleitete ihn mit seinen Truppen bis nach Sutri. Kaum war er allda angekommen, so verließ Benedict die Stadt Rom und begab sich nach Velletri zurück. Gerhard gab den Soldaten den Abschied, und zog in Gesellschaft einiger seiner vertrauten Freunde in Rom ein, wo ihn die Geistlichkeit und das Volk mit Freuden empfiengen, worauf er bey seiner Krönung den Rahmen Nikolaus II. annahm. Gleich bey dieser Feyerlichkeit zeigte er, wie

 

 

 

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13 Fünfte Periode Heinrich IV.

 

er in Ansehung der kaiserlichen Würde gesinnt wäre. Er war der erste, der sich-mit einer Krone von zween Reifen krönen ließ. Auf dem untersten stunden die Worte: Die Reichskrone aus der Hand GOttes. Auf der obern: Das kaiserliche Diadem aus den Händen Petri. g) Bald darauf unterwarf sich Johannes Mincio in Person, und wurde nicht nur zur Layen-Communion, sondern auch zu einer Verweisung nach S. Maria Maggiore verdammt.

 

Eines der ersten Geschäfte dieser Pabstes war, daß er in Rom eine Versammlung von 113 Bischöffen zusammen berief, allwo er durch einen Conciliarschluß die Pabstwahl anordnete. Er sezte das Gesez fest, daß die Wahl eines Pabstes den Cardinal-Bischöffen zustehen, hierzu aber die Beystimmun der andern Geistlichkeit auf eine rechtliche Weise begehrt, und das Volk, seinen Beyfall zu geben, herbey gerufen werden sollte. Hierauf sollte man dem Advokaten der Kirche, dem römischen Kaiser, dessen Hülfe man damals so nötig hatte, davon Nachricht erteilen, und seine Einwilligung erwarten, und gleich nach der Ankunft derselben sollte der neue Pabst auf den Stul Petri eingesezt werden. Wenn man aber entweder wegen eines Kriege oder aus andern Ursachen diese Einwilligung nicht erhalten könnte, so sollte indessen der Erwählte als wahrer Pabst die Kirche regieren, und

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g) Sandini in vita h. Pont.

 

 

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14 Geschichte der Deutschen,

 

des päbstlichen Einkommens geniessen können. Den Römern schmeichelte er durch die Verordnung, daß man vorzüglich·auf tüchtige Manner aus dem Schoos der· römischen Kirche achten sollte, wenn sich aber in derselben keiner fände, auch aus einer andern Kirche wählen konnte, jedoch ohne die schuldige Ehrfurcht und Achtung gegen Heinrichen zu verletzen, welchem der Pabst dieses für seine Person gestattet, und sich bereit zeigt, es auch seinen Nachfolgern zu gestatten, welche vom apostolischen Stul dieses Recht als einen persönlichen Vorzug suchen würden. h) In andern Dingen zeigte dieser Pabst vielen Eifer wider die- Simonie, und wollte, daß kein Geistlicher von einem Layen eine kirchliche Bedienung ohne bischöfliche Einsegnung annehmen sollte. Die Nikolaiten verabscheute er, worunter man damals verehligte Priester verstand. Alles dieses zog in der Folge auch in Deutchland grosse Unordnungen nach sich. Im Grunde selbst aber bildete dieser Pabst die Unabhängigkeit seines Stuls zum Nachtheil der deutschen Kaiser immer mehr aus, und war sehr vergnügt, als er Gelegenheit fand, sich mit den Normannen auszusöhnen, deren gemeinschaftliches Interesse erforderte, die deutsche

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h) Salve debito honore & reverentia dilecti filii nostri Henrici, qui in praesentiarum rex habetur & futurus Imperator Deo concedente speratur, ficut jam fibi concessimus & successoribus illius, qui ab apostolicam fede personaliter hoc jus impetraverint. Baronius ad a. 1059.

 

 

 

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15 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

Kaiser auf immer von Italien auszuschliessen. Nikolaus II. bestätigte nicht nur den Richard gern in seinem Fürstenthum von Capua, sondern erkannte auch den Robert Huiscard, er gleich nach der Eroberung von Regio in Calabrien von sich selbst den Nahmen eines Herzogs angenommen hatte, in dieser Würde, ja er gab ihm selbst dieses Ehrenwort, noch ehe er ihn damit investirt hatte. Er belehnte ihn hernach förmlich mit Apulien, Calabrien und Sicilien, Robert versprach ihm Treue und einen jährlichen Zinß, und in dieser Eigenschaft ward er eine mächtige Stütze der römischen Kirche, deren Fahnentrager zu seyn er die Ehre hatte.

 

Von allen diesen wichtigen Begebenheiten war Agnes eine blose Zuschauerin, sie widersezte sich nicht, und ließ also die Pfeile gelassen spitzen, womit ihr Sohn verwundet werden sollte.

 

1061

Nikolaus II. starb in Florenz. In Rom aber erhob sich wegen der Wahl eines neuen Pabstes ein so heftiger Zwist, daß der Stul drey Monate über erledigt blieb. Es hatten sich hauptsächlich zwo Partheyen hervorgethan, wovon die eine für die Ehre des deutschen Hofs, die andere für die Unabhängigkeit des römischen Stules eiferte. Das Haupt der zwoten war der Cardinal-Diakonus Hildebrand, welcher nach dem Sinne des vorigen Pabsts nicht leiden wollte, daß sich Layen in kirchliche Angelegenheiten mengten, am allerwenigsten aber zugab, daß sich

 

 

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die Kaiser in die Wahl eines Pabstes mischten, oder durch ihre Einwilligung dieselbe-bestätigten. Weil aber die Grafen von Frascagti oder Tusculum mit der Regierung Nikolai II. ihres Feindes höchst unzufrieden gewesen, der sich durch seine Verbindungen ihnen sehr furchtbar machte, so schlugen sie sich nun mit andern Grossen auf die kaiserliche Seite, und überschickten dem jungen Heinrich die Krone nebst andern Geschenken, ernannten ihn als römischen Patricius, und baten ihn, einen römischen Pabst zu erwählen. i) Das Collegium der Cardinäle ermangelte ebenfalls nicht, einen aus ihrer Mitte nach Hof abzuschicken, worzu sie den Card. Stephanus ernannten, der auch am deutschen Hofe ankam. Er fand aber denselben in solche Hofränke verhüllt, daß er sieben Tage im Vorzimmer des Kaisers auf Audienz warten mußte. Und doch konnte er die Ehre nicht haben, den Kaiser zu sprechen, dem er bloß seinen Auftrag schriftlich überschickte. Er verließ also den Hof, wo man ihm mit so vielem Stolze begegnet hatte, und meldete in Rom seinen Brüdern, was er für Schicksale hätte erdulden müssen. Hildebrand gieng nun mit andern Cardinälen zu Rathe, wen man wählen könnte, und schlug einen seiner Parthey den Anselmus von Badagio, gebohrnen Mayländer Bischof von Lucca, als Pabst vor, der durch seinen Eifer, den er als

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i) Hermannus Contr. Ad a. 1062. Muratori ad a. e. Leone in Vite de Pontefici del Platina T. II. S. 261.

 

 

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17 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

Legat in Mayland in Ausrottung der Ausschweiffungen der Geistlichen hatte blicken lassen,und durch seine Gesandtschaft in Deutschland in den Jahren 1059 und 1060 sich grosse Verdienste um den römischen Stul erworben hatte. Man berief ihn von Lucca nach Rom, allwo er unverzüglich als Pabst Alexander II. eingeweyht, und auf den Thron gesezt wurde, ohne daß man die Einwilligung des kaiserlichen Hofes erwartete. Von dieser Zeit an, welche wegen des guten Verständnisses, das der päbstliche Hof mit Gottfried von Toskana und mit den Normannen unterhielt, von welchen Richard, Fürst von Capua, mit dem Abt Desiderius von Montecasino sich selbst nach Rom verfngte, hörte die Einwilligung der Kaiser in die päbstliche Wahl auf, und Agnes verlor ein Recht, das von den Zeiten der Gothen an durch die griechische Kaiser, durch ihre Erarchen, und hernach durch die fränkische und sächsische Kaiser zum Besten der Römer selbst war behauptet worden.

 

Sie äusserte zwar ein grosses Mißfallen uber dieses Betragen der Römer ihre Höflinge,welche sie doch in diese Sache hineingeführt, fachten die Flammen überall an, und man suchte nun zu spät, das zu behaupten, was Nicolaus II. dem jungen König gestattet hatte. Man hatte das ihm angetragene Patriciat mit beeden Händen ergriffen, man findet auch in den Diplomen dieser Zeiten, daß er die Benennung

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18 Geschichte der Deutschen,

 

als römischer König angenommen, k) um seine Rechte bey der Wahl der Päbste zu behaupten. Hildebrand aber, der dem römischen Stule indessen einen mächtigen Schuz verschaft hatte, stellte schon damals den Grundsaz auf, die römische Kirche habe das Recht, dieses Privilegium desto mehr zu vernichten, weil ein deutscher Bischoff, der berühmte B. Heinrich von Augsburg, sich bey Hof ein solches Ansehen zu geben wußte, daß er den römischen Legaten, ohne zum Verhör zu kommen, sieben Tage im Vorzimmer hatte warten lassen.

 

Zu gleicher Zeit kamen auch Gesandte aus der Lombardie an, welche die Kaiserin in das Interesse einiger mißvergnügten Bischöffe zu ziehen suchten. Anselm hatte sich als Legat in Mayland durch seine Strenge wider das Laster der Simonie und der Unkeuschheit so verhaßt gemacht, daß die Bischöffe in diesen Gegenden mit seiner Wahl höchst unzufrieden waren. Sie behaupteten, man konnte aus keiner andern Gegend einen Pabst annehmen, als aus dem italienischen Paradiese, welchen Namen sie der Lombardie gaben, damit er auch mit ihren Schwachheiten Geduld haben könnte. Sie hatten sich in dieser Absicht an den kaiserlichen Canzler Wibert gewandt, der sich damals aller Mißvergnügten, besonders derjenigen annahm, welche sich die Ehe nicht wollten

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k) Giulini in memorie di Milane ne secoli bassi ad a. 1061.

 

 

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19 Fünfte Periode Heinrich IV.

 

verbieten lassen. Der Cardinal von Arragonien schildert es als einen Beweiß vom Leichtsinn der Kaiserin, daß sie einem solchen Manne eine so wichtige Stelle übertragen habe. Man gab bey Hof den Gesandten Gehör, und ergrief das verhaßte Mittel, dem Hildebrandischen Pabst einen Wibertinischen entgegen zu setzen. Cadalus, Bischoff von Parma, ein vertrauter Freund des kaiserlichen Canzlers, wurde den 28 October durch zween Bischöffe von Piacenza und Vercelli, welche beede sich den Concubinat nicht wollten wehren lassen, als Pabst erwählt, und in der Hauptkirche von Parma unter dem Namen Honorius des II. gekrönt. l) Am kaiserlichen Hofe selbst befand sich auch der im J. 1060 von seinem Bisthum wegen Ungehorsams gegen die Conciliar-Dekrete vertriebene Benzo, Bischofs von Alba in Montferrat, der sich durch seine Geschichte und Lobschrift auf Heinrich IV. bekannt gemacht hat, und die Wahl Honorii II. eifrigst vertheidigte. Es wurde in Basel eine Versammlung gehalten, auf welcher auch die Gesandte der mißvergnügten Römer sich einfanden. Hier erschien der König in seiner Krone, die ihm die Römer nberschickt hatten, und zeigte sich ihnen als römischen Patricius. m) Man trat der Parthey Honorii bey, und kündigte dem schon am 1 October erwählten Pabst den Gehorsam auf. Dieser Schritt hatte am Hofe

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l) Leoni ad Platinam T. II. S. 263.

m) Bertoldus Constantiensis ad a. 1061.

 

 

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20 Geschichte der Deutschen,

 

Hofe des Königs sehr wichtige Folgen, welche- Alexander II. durch seine geschickte Unterhandlungen mit dem Erzbischoff Hanno von Cölln künstlich zu bereiten wußte.

 

Die zwote auswärtige Verrichtung, welche in die Zeiten der vormundschaftlichen Regierung der Kaiserin Agnes fiel, war die ungarische Unterhandlung. Im Vergleiche mit dem K. Andreas vom J. 1052 war dem jungen Sohne des ungarischen Königs Salomon eine kaiserliche Prinzeßin versprochen worden, von welcher Verschwägerung damals Andreas viele Vortheile hofte. Diese Verbindung mit dem kaiserlichen Hause erregte bey dem Bela, einem Bruder des Andreas und seinen Söhnen Geisa und Ladislaus desto mehr Unzufriedenheit, weil durch die Nachfolge des Salonto Bela samt seinem Stamme von dem Throne ausgeschlossen wurde.

 

1058

Sie ergriefen daher die Waffen, und zogen die Ungarn nach und nach an sich, worüber Andreas in einen solchen Schrecken gerieth. daß er seine Gemahlin und seinen jungen Sohn Salomo mit vielen Schäzen und der Krone an den königlichen Hof schickte, der sich eben damals an der ungarischen Gränze aufhielt, und die Kaiserin bat, ihm mit einem Heere zu Hülfe zu kommen, und seiner Gemahlin und Sohn so lang einen sichern Aufenthalt zu verschaffen, bis die Ruhe in Ungarn wieder hergestellt ware. n) Agnes schien fest entschlossen zu seynn, den ungarischen König

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n) Lamb. Schafn. Ad a. 1059

 

 

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21 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

mit Nachdruck zu unterstützen, sie ließ auch eine Versammlung nach Worms ansagen, welche aber aus Furcht vor einer anstekenden Krankheit damals nicht zu Stande kam. Salomo versprach dem deutschen König, ihm das ganze Königreich Ungarn zinsbar zu machen, wann er ihm zu Wiedereroberung desselben behülflich seyn wollte o) Agnes glaubte, der kaiserlichen Würde selbst und der Ehre ihres Hauses zu vieles zu entziehen, wann sie ich des gedrückten Konigs nicht annähme.

 

1061

Sie ließ in Bayern ein Heer anwerben, und schickte mit demselben den Markgraf Wilhelm von Thüringen einen Sohn Wilhelms von Weimar und den Bischoff Eppo von Zeiz nach Ungarn, welche auch ohne den Herzog Spitigneus von Böhmen zu erwarten, der noch dieses Jahr mit Tode abgieng, in Ungarn eindrangen, und gleich anfangs das Glück hatten, den König Bela zu schlagen, und ihm viele Mannschaft zu tödten. Als aber die Ungarn von allen Seiten herbey eilten, und den Bela mit Macht unterstüzten, so sahen die Deutsche sich zu schwach, und hielten fürs rathsamste, sich zurück zu ziehen. Allein überall waren ihnen die Pässe abgeschnitten, und die Zufuhr entzogen. Sie giengen also unter dem beständigen Gefechte der ihrigen zurück, suchten sich mit dem Degen in der Faust einen Durchgang zu öffnen, wurden aber überall zurück geschlagen. Andreas hatte hiebey das Unglück, vom Pferde

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o) Benezur Hungaria semper libera p. 57

 

 

 

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22 Geschichte-der Deutschen,

 

zu stürzen, und vertreten zu werden, der Bischoff von Zeiz wurde gefangen, und Markgraf Wilhelm, der wie ein Held focht, mußte sich aus Hunger endlich auch ergeben. Die Feinde selbst erstaunten über die Tapferkeit und Herzhaftigkeit des deutschen Helden, und Geisa bat seinen Vater, diesem tapfern Soldaten das Leben zu schenken, und durch eine Verlobung mit seiner Schwester Sophia ihn an das Geschlecht der ungarischen Könige zu binden.

 

Der unglückliche Ausgang dieses Feldzugs trug das seinige mit bey, um die vormundschaftliche Regierung der Agnes immer verhaßter zu machen. Sie hatte zwar bisher überall gesucht, die aufkeimenden Unruhen zu unterdrücken; jedoch hatten die Fürsten des Reichs von Zeit zu Zeit bemerkt, daß sie aus dem National-Interesse ein Interesse ihres Hofs und ihrer eigenen Familie machte, und daß sie sich hierinnen niemand als dem Bischofs von Augsburg vertraute. Es entstunden deßwegen in Deutschland wiedrige Gerüchte, und man wollte die Ursache dieser Vertraulichkeit in einer verliebten Zuneigung finden. Die Grossen, die zu keiner wichtigen Berathschlagung gezogen wurden , fiengen an zu murren, es gab auch mit andern Bischöffen, z. B. mit Gundbar von Bamberg, heftige Streitigkeiten, p) es wurde aber das Feuer durch fremden Zunder noch mehr angefacht. Pabst

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p) Bertoldus Const.

 

 

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23 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

Alexander II. hatte, um sich seinen Gegner vom Halse zu schaffen, der an der Kaiserin Agnes und dem Bischoff von Augsburg eine mächtige Stütze hatte, kein ander Mittel gewußt, als eine Person zu stürzen, welcher er die Unruhen in Italien zuschrieb. Er wandte sich zu dem Ende an den unternehmenden Geist Hanno, Erzbischoff von Cölln, der in Deuschland in grossem Ansehen stand, und bat ihn, den deutschen Hof von dem Schutze seines Gegners abzubringen. Hanno sahe wohl ein, das seine Verhandlung wenig Gehör finden würde, so lang Heinrich von Augsburg regierte. Er uberlegte also die Sache mit einigen Fürsten des Reichs, und gewann unter andern den Otto von Nordheim, Herzog von Bayern, dem Agnes dieses Herzogthum gegeben hatte, um ihn an das kaiserliche Haus zu binden, den Graf Ekbert von Braunschweig, und wie es scheint, war auch Sigfrid, Erzbischoff von Maynz, mit ihnen verstanden. Hanno fuhr auf dem Rhein nach der S. Suiberts Insel, jezo Kaiserswert genannt, allwo sich der König damals befand, unter dem Schein, demselben aufzuwarten. Hier ergözten sie sich, und fanden den König sehr lebhaft. Nach der Tafel begleiteten sie den muntern Prinzen an das Ufer, zeigten ihm ein schön, ausgeziertes Schiff, und machten ihm Muth, dasselbe zu besteigen, und sich durch eine Schiffahrt zu ermuntern. Der junge Prinz, der seiner Frau Mutter aus dem

 

 

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24 Geschichte der Deutschen,

 

Gesichte war, stieg frölich zu Schiffe, und vermuthete nichts böses. Kaum war er in demselben, so ließ man die Ruder fallen und trieb das Schiff mitten in den Fluß. Der Konig erschrack, war verwirrt, fürchtete alle Augenblicke den Tod, und sprang in dem ersten Anfall der Angst in den Fluß. Ekbert sprang ihm gleich nach, sezte sich selbst einer augenscheinlichen Gefahr aus, und rettete den König aus seiner Gefahr. Man brachte ihn wieder in das Schiff, sprach ihm Muth zu, schmeichelte ihm, und kam mit ihm glücklich in Cölln an. Das Gefolg des Bischofss kam zu Lande nach. Das Gerücht breitete sich bald überall aus, daß der Konig entführt worden wäre, der Anhang der Agnes und des Bischoffs von Augsburg, der bald hernach die Welt verließ, betrachteten es als eine schwere Beleidigung der Majestät, und einige deutsche Patrioten sahen voraus, wie sehr nunmehr das Ansehen eines Königs in Deutschland würde unterdrückt werden. q) Der Bischoff von Cölln bezeugte gleich, daß er diese Handlung nicht aus Eigennuz, sondern aus einem wahren patriotischen Eifer r) für das deutsche Reich gethan habe, und verordnete, daß ein jeder Bischoff, in dessen Kirchsprengel der König sich aufhalten würde, die allgemeine Reichs-Angelegenheiten besorgen, und auf die an den König gebrachte Klagen Bescheid geben sollte. Niemand aber war . , dieser

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q) Lamb. Schafn.

r) Chron. Laurisham T. I. p. 178.

 

 

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25 Fünfte Periode.Heinrich IV.

 

Prinzen-Raub schmerzlicher, als der zärtlichen Mutter Agnes. Jedoch verbieß sie ihren Groll, entfernte sich von allen weltlichen Geschäften, und lebte eine Zeitlang für sich. Endlich entschloß sie sich, ihre übrige Tage ganz der Religion zu widmen. Sie begab sich zuerst in das Kloster Fructuaria bey Turin, und verfügte sich endlich am Ende des Jahrs nach Rom, wo sie vom Pabst Alexander II. zu Gnaden angenommen, und ihr die Busse auferlegt worden, in Rom zu verbleiben, dem h. Peter mit Fasten und Beten zu dienen, und der Kirche durch ihre Anschläge zu nützen. Hier wählte sie den h. Peter Damiani zu ihrem Beichtvater, der uns in einem Schreiben an sie ihren Einzug in Rom nicht als den Einzug einer Kaiserin sondern als den Einzug einer Sünderin beschreibt. Mit einem Schleyer verhüllt, auf einem elenden Pferde sitzend, mit einem schwarzen wollenen Sünderkleid angethan, begab sie sich zu den Schwellen des h. Petri, und gab hierdurch dem Pabst ein angenehmes Schauspiel, welches hernach Gregorius VII. mit ihrem Sohne wiederholte.

 

1062

Diese Veränderung des Ministers hatte in die öffentliche Reichsgeschåfte einen grossen Einfluß. Der Gegenpabst Honorius II. hatte sich in Rom selbst durch Geld einen Anhang gemacht, und einige Grosse in Rom wünschten seine Ankunft. Er begab sich auch in Begleitung einiger Lombarder und der römischen

 

 

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26 Geschichte der Deutschen,

 

Gesandten von seiner Parthey auf den Weg. Die Gräfin Beatrix widerstzte sich ihm und unterdrückte den ersten Auflauf mit bewafneter Hand, bey welcher Gelegenheit die 15.jährige Mathildis selbst zugegen war. s) Als ihm auf dieser Seite ein Ziel gesezt war, so wandte er sich gerad nach Rom, wo er den 14 April ankam, eine grosse Niederlage unter dem Volk anrichtete, sich auf den neronianischen Wiesen lagerte, und durch das Verständniß mit den Römern sich der Stadt zu bemeistern hofte. Sein erstes Glück aber verschwand bald wieder, als Krankheiten unter seinen Völkern einriessen, und als Herzog Gottfried aus Toscana mit einem starken Corps von Soldaten zur Bedeckung von Rom herbey eilte. Er erschien aber mehr als ein bewafneter Schiedsrichter, als daß er die Ehre seiner Nation und des Kaisers verrathen hätte. Er gab einem jeden von den Gegnern zu erkennen, sie möchten sich in ihr Bisthum zurück verfügen, sich nicht in die Regierung der allgemeinen Kirche mengen, und erwarten, was der Kaiser in dieser Sache entscheiden würde. Alexander verfügte sich wirklich nach seiner bischöflichen Kirche nach Lucca, und begnügte sich einstweilen, keinen Gebrauch von seiner Würde zu machen. Cadolus, dessen Völker durch die Ankunft Herzog Gottfrieds sehr erschröckt worden, gieng ebenfalls nach Parma zurück und erwartete den Ausgang der Sache. Ueber

 

 

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27 Fünfte Periode Heinrich lV.

 

diesen für den Pabst Alexander lI. nicht allzu vortheilhaften Vertrag geriethe der h. Peter Damiani in einen solchen Eifer, daß er dem Herzog Gottfried deßwegen einen sehr anzüglichen Brief schrieb. t) Gottfried begab sich hierauf selbst nach Deutschland, wo er aber das Staatsruder bereits in den Händen des Bischoffs Hanno, mit welchem er ohnediß ein geheimes Verständniß gehabt zu haben scheint, antraf, u) und mit ihm die nöthige Verabredung wegen des Gegenpabstes nahm, auch die Sachen also veranstaltete, daß eine Versammlung der Reichsfürsten zusammen kam, auf welcher dem Bischoff die Verwaltung des Reichs und die Sorgfalt für den jungen König bestätigt und übertragen, der kaiserliche Canzler Wibert in Italien aber abgesezt, und diese Stelle dem Bischoff Gregorius von Vercelli, einem Anhänger des Honorius II. übergeben wurde. Man las zugleich eine Schrift ab, in welcher Peter Damiani die beederseitige Gründe der Partheyen gegen einander erwog. x) Nachdem nun hier die meiste Fürsten die Wahl Alexanders II bestätigt, den Honorius aber ihrer Achtung unwürdig erklärt hatten, so gieng Gottfried wieder nach Italien zurück, und grief Camerino, Spoleto,

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t) S. Petri Damiani L.7 ep. 10.

u) Benzo Panegyricus in Henricum IV. I., 2. c. 15.

x) Der Ort dieser Zusammenkuft heißt Osborio, dessen Lage ungewiß ist. S.Baronius ad a 1062. Fiorentini in mem. d. Contessa Matilde, S. 73. und die Mansische Anmerkung.

 

 

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28 Geschichte der Deutschen,

 

wie auch einige an der Seeküste gelegene Grafschaften an, suchte die Ruhe allda wieder herzustellen, und bey dieser Gelegenheit seine-Herrschaft zu vergrössern.

 

Alexander II. blieb von dem Anfang der Sommers bis an das Ende des Jahrs in Lucca, genoß des Schutzes der Gräfin Beatrix und war sehr erfreut, als er vernahm, daß seine Unterhandlungen in Deutschland einen so guten Erfolg hatten. Er bestätigte den neu erwählten Erzbischoff von Salzburg, Gebhart Grafen von Helfenstein, der bey Heinrich IV. als Sekretair in Diensten gestanden, und für seine Verdienste mit dieser Insul belohnt worden war, in seiner Würde, und verlieh ihm das Pallium, ja er ernannte ihn hernach wegen seiner Dienste, die er dem Pabste wider den K. Heinrich IV. und den Gegenpabst that, als seinen Legaten in Deutschland. y) Auch der Erzbischoff von Maynz neigte sich auf seine Seite, den der Gegenpabst Honorius gleich anfangs dardurch vor den Kopf stieß, daß er dem Bischoff Bucco von Halberstadt, welchem Agnes befohlen hatte, den Honorius nach Rom zu begleiten, zur Belohnung für seine Dienste mit dem Pallio und andern erzbischöflichen Ehrenzeichen versehen hatte. Maynz hatte auch wider diese Kränkung seiner Rechte seine Stimme viel mehr erhoben, wo ihm nicht Hanno Genugthuung verschaft hatte.

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y) Baronius ad a. 1062.

 

 

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29 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

Der neue Reichsverweser hätte gern gewunscht, die italiänische Angelegenheiten in Ordnung zu bringen, er hatte aber zuvor in Deutschland noch vieles anzuordnen, ehe er sich selbst ·nach Italien begeben konnte. Den jungen König hielt er indessen in genauer Verwahrung, ließ ihn standesmäßig unterrichten, und erlaubte ihm nur so viel als ihm beliebte, im Grunde aber wurden doch seine lebhafte Gaben vernachläßigt. Er führte ihn am Ende dieses Jahrs nach Goslar, allwo der König von einem bischöflichen Gefechte Zeuge seyn mußte, das ihn selbst der Gefahr, erdrückt oder todt gestochen zu werden, aussezte. Der Streit hatte seinen Ursprung in einer Rang-Eifersucht. Während daß man die Sessel für die Bischöffe sezte, so kamen die Bediente des Abts von Fulda, Widerad, und des Bischoffs Hezilo von Hildesheim, in Wortwechsel, indem jene behaupteten, daß nach einem alten Herkommen im Reiche der Abt von Fulda allemal dem Erzbischoff von Maynz am nächsten sitzen müßte. Der Bischoff aber wandte ein, daß in seinem Kirchsprengel ihm niemand als der Erzbischoff vorgehen könnte.

 

1064

Die Bediente handelten nach dem Willen ihrer Herrn, geriethen zuerst in Wortwechsel, wurden hernach handgemein, und wollten zum Gewehr greifen, wo sich nicht Otto, Herzog von Bayern, der die Sache des Abts vertheidigte, als Mittler aufgeworfen, und den Ausbruch so unanständiger Streitigkeiten gehemmt hatte. Jedoch

 

 

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30 Geschichte der Deutschen,

 

blieben der Abt und der Bischoff deßwegen sehr entrüstet, und warteten nur auf Gelegenheit, wo sie ihren Groll sättigen könnten. Dieß ereignete sich um Pfingsten, als der König und die Bischöffe in der Kirche in Goslar zusammen kamen. Hier gieng der vorige Streit wegen des Ranges wieder an, welchen der Bischoff von Hildesheim alles Ernstes nährte. Dieser hatte den Graf Ekbert mit einem Trupp Soldaten hinter dem Altar verborgen. So wenig Hochachtung hatten damals die Bischöffe für ihren gegenwärtigen König! Der Bischoff von Hildesheim besaß grosse Reichthümer und Macht, und ein jeder that, was ihm beliebte, weil sich niemand für einem Kinde scheuete. Kaum hatte Ekbert den Wortwechsel der Bedienten gehört, so brach er mit seiner Mannschaft herfür, schlug die Fuldaer mit Fäusten und jagte sie zur Kirche hinaus. Diese riefen zu den Waffen, ergriefen ihr Gewehr, drangen mit Gewalt in die Kirche hinein, und fiengen das Gefecht in allem Ernste an. Der Bischoff begab sich an einen erhabenen Ort, und ermahnte seine Leute, sich tapfer zu halten. Aus beeden Seiten wurden viele getödtet, viele verwundet. Der junge Konig erhob seine Stimme, drohete, bat, ermahnte, mehr Achtung für die Majeskat des Oberhaupts des Reichs zu haben, aber in der Hitze gab ihm niemand Gehör. Seine getreue Räthe erinnerten ihn endlich, seines Lebens zu schonen, und aus dem Gefechte sich zu entfernen,

 

 

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31 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

und suchten ihn aus dem Gedränge heraus zu reissen. Mit grosser Mühe konnte er noch durch den dicht beysammen stehenden Haufer durchdringen, und entkam endlich in seinen Pallast. Die Hildesheimer, welche sich voraus mit Gewehr versehen hatten, trugen denSieg davon, jagten die Fuldaer noch einmal zur Kirche hinaus, und schlossen die Thüre zu. Diese versammleten sich wieder, und belagerten die Kirche, zu gutem Glücke aber machte die Nacht dem Gefechte ein Ende. Den andern Tag ließ der König die Sache untersuchen, befand aber den Graf Ekbert als unschuldig. Die Fürsten warfen die meiste Schuld auf den Abt von Fulda, der, ohne daß irgend eine Gefahr ihn hierzu genöthigt hatte, eine solche Menge von Leuten mitgebracht, und mit seinen Soldaten die Freyheit und die Ruhe des kaiserlichen Hoflagers gestört hatte. Der König oder vielmehr sein Reichsverweser zeigte bey dieser Gelegenheit eine ungemeine Gelindigkeit, und drang nicht allzu eifrig auf die Bestrafung der Friedensstörer. Viel erhizter handelte der Bischoff, welcher die Todte und Lebendige mit dem Banne belegte. Der Geist dieser Zeiten, da die Mönchen auch unter den Bischöffen viele Feinde hatten, der Bann des Bischoffs, der Verdacht wider den Abt, der zur Unzeit sich mit einem solchen Gepränge bey Hofe eingefunden hatte, drückten denselben so sehr, daß er sich schwerlich würde gerettet haben, wo er nicht durch Geld, das er theils in die Casse

 

 

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32 Geschichte der Deutschen,

 

des Königs lieferte, theils unter seinen Räthen austheilte, sich los gekauft hätte. Er hatte schon vorher den Haß aller seiner Brüder wider sich, welche es sehr schwerste, daß er die Güter des Closters auf eine ärgerliche Weise verpraßte. Als er nach dem Verlust des Goslarischen Kirchentreffens nach Hause zog, empörten sie sich alle wider ihn, und weigerten sich, ihn anzunehmen. Dem Abte blieb nichts übrig, als daß er sich wieder an das königliche Hoflager begab, und allda Schuz suchte. Die erboste Monche ergreiffen das Creuz und sechzehen von ihnen brechen mit Gewalt zum Kloster aus. So sehr auch die Aeltere sie baten, der Welt und dem jungen König und dem ganzen Reich kein so ärgerliches Beyspiel der Unversöhnlichkeit und des Ungehorsams gegen ihren Abt zu geben, so fanden sie doch kein Gehör, sondern diese junge Monchen zogen unter dem Gebete ihrer Antiphonen zu Fuß gerade nach Goslar. Die Aeltere schickten einen reutenden Boten nach Hof, und berichteten die Sache an den König. Hanno und der Herzog Otto von Bayern, welche damals das Ruder führten, entschlossen sich, diese unruhige Mönche zur Ruhe zu bringen. Als sie ankamen, und ihre Vorstellung übergaben, befahl der König gleich den Träger des Briefs und noch drey andere, welche diese Unruhe gestiftet hatten, in verschiedene Klöster zur Verhaft zu schicken, dem Abt aber gab man Erlaubniß, sich der militairischen Gewalt

 

 

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33 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

zu bedienen, weil weder Gelindigkeit noch die klösterliche Zucht sie zu bezähmen vermögend wären. Der Abt ertheilte seinen Rittern Befehl, die bey dem König angekommene Mönche ohne grosses Aufsehen und Gewalt nach Fulda zurück zu führen, und ausser dem Kloster unter dem Gesicht der Wache auf ihn zu warten. Er selbst verabschiedete sich von Hof, und folgte ihnen nach. In Fulda berathschlagte er sich mit den angesehensten Mönchen und seinen Rittern, wie die Ungehorsame zu bestrafen, und ob sie mit der Layen- oder Klosterstrafe zu belegen wären. Man kam darinnen überein, daß diejenige, welche die Klosterzucht verachtet hatten, auch der klösterlichen Exemtion unwürdig wären. Der Abt ließ sie also öffentlich mit Ruthen streichen, ihnen das Haupt scheren, und jagte sie zum Lande hinaus, ohne Rücksicht auf die Orden des Priesterthums und des Diakonats, welche zween von ihnen bereits angenommen hatten. Die übrige ließ er mit Schlägen martern, und schickte sie in die benachbarte Klöster, jedoch verhängte er seine Strafen nach dem Stande der Schuldigen, und milderte oder mäßigte sie, je nachdem sie aus hohen oder unedlen Häusern abstammten. Dieser ganze Hergang verursachte der damals so sehr angesehenen Klosters-Schule von Fulda einen grossen Flecken in ihrem Ruhm, den sie lang nicht mehr tilgen konnte. z)

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z) Lamb. Schafnab.

Gesch. der Deutschen II Bd.

 

 

 

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34 Geschichte dex Deutschen,

 

. Die ungarische Angelegenheiten bekamen! eine für Deutschland günstigere Wendung. Dela gieng mit Tod ab, und Herzog G der ihm nachfolgte, brachte die friedfertigste Gesinnungen auf den Thron, zog den Frieden dem Kriege vor, und vergliech sich mit dem deutschen Hofe, daß, wenn Salomo ihn seinem Stande gemäß als einen königlichen Prinzen, der sich um seine Nation Verdienste erworben hätte, behandelte, er an ihm einen getreuen Freund und Unterthanen haben würde. Die Ungarn selbst bekräftigten seinen Entschlüß durch besondere Gesandtschaften, und bewegten den Hof, daß man sich entschloß, den Salomo mit einem Heere in sein Reich einzuführen. Der junge König wohnte dem Zug selbst bey, und stellte den Ungayn ihren König vor. Hanno hatte hiebey auch für die Ehre des regierenden Hauses gesorgt, und dem neuen König von Ungarn eine Schwester des Königs, Judith Sophia, zur Ehe gegeben. Nachdem man alles aus dem Wege geraumt hatte, was dem Salomo Unruhe machen konnte so begab sich der deutsche Hof wieder nach Deutschland zurück. Hier hatte man wichtige Ursache, darauf bedacht zu seyn, durch wen die Stelle des Hanno ersezt werden könne, dessen Gegenwart in Italien hochst nöthig war. Da die meiste und wichtigste Geschäfte durch Bischöffe besorgt, und der König ganz nach der Willkühr der Erzbischöffe von Maynz und Cölln gebildet wurde, so fand man für rathsam

 

 

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35 Fünfte Periode, Heinrich IV.

 

einen andern angesehenen Erzbischoff nach Hof zu berufen , der von gutem Hause, von geseztem Alter und von solchen Sitten wäre, die sich nach Hofe schickten. Hierzu fanden sie keinen tüchtiger, als den Erzbischoff Adelbert von Bremen: Er ward also nach Hofe gefordert, und Hanno gieng nach Italien ab.

 

In diesem Lande hatte nicht nur Gottfried sich in ein ausserordentliches Ansehen gesezt, weil er mit den Normannen verstanden war, sondern Hanno hatte noch überdiß in Rom selbst eine geheime Feindin, die Kaiserin Agnes, welche der Welt nicht so entsagt hatte, da sie den Groll wider ihre Feinde vergaß. Sie warf sich vielmehr auf die Seite der Grossen in Rom, welche mit der Wahl Alexander des II. unzufrieden waren, und schrieb dem Bischoff Benzo von Alba einen Brief, a) worinnen sie den Cadalus ermunterte, wieder nach Rom zu kommen, die Engelsburg in Besiz zu nehmen, und dieselbe für ihren Sohn zu vertheidigen. Sie versprach ihm ihre Hülfe, und versicherte ihn, daß sie noch solche Männer auf ihrer Seite hätte, deren Treue durch nichts könte wankend gemacht werden. Benzo that es dem Cadalus gleich zu wissen, und dieser rüstete sich zu einem zweyten Zug nach Rom, fand aber von Seiten Gottfrieds, der in den Wäldern und Gebürgen überall Hinterhalte gelegt hatte, den vorigen Widerstand , so daß

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a) Benzo l. c. apud Menken T. I. p. 902.

 

 

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36. Geschichte der Deutschen,

 

dem Cadalus und seinem Anhang der Muth entfiel. Die unverdrossene Kaiserin schrieb - einen neuen Brief an den Benzo, in welchem sie seine Treue gegen ihr Haus sehr rühmt, und ihn aufmuntert , dem Cadalus Muth zuzusprechen, und ihn nach Rom zu führen. Dieser entschloß sich endlich zur Reise, und kam glücklich in Rom an, wo er nach einem gefährlichen Angriff der hildebrandinischen Paythey von dem Cincius, dem Sohne des Präfecten, in die Engelsburg aufgenommen wurde, an die allda versammlete Grosse eine etwas zweifelhafte Rede hielt, die Verdienste des Benzo gegen ihn rühmte, und dem unten stehenden Volk den Segen gab. Er schien sich als den Vertheidiger des römischen Reichs anzusehen, welchem er seinen Glanz wieder zu geben hofte. Etliche Tage über gieng es ganz stille zu, bis Alexander II. der im Lateran residirte, Normannen herbey rief, worauf es auf dem cölischen Berge zu einem hitzigen Gefechte kam, in welchem die Parthey des Honorius obzusiegen schien. Beede Mitwerber verstärkten sich, Alexander II. durch normannische Hülfsvölker, Honorius zog die benachbarte Grafen an sich, worauf es wieder zu einem Gefechte kam, in welchem die Römer von der andern Parthey genöthigt wurden, dem Honorius Geissel zu geben. Bey dieser Trennung der Römer hielten endlich Gortfried, Hildebrand und Hanno eine Zusammenkunft, auf welcher beschlossen wurde, zur Beschützung

 

 

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37 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

der Stadt noch mehrere Normannen kommen zu lassen, und ein Concilium von Bischöffen zu berufen, wo man die Gültigkeit der alexandrinischen Wahl, und die Mittel, wie die Ruhe wieder herzustellen wäre, gemeinschaftlich überlegen könnte. Es versammleten sich auch einige lombardische und italiänische Bischöffe in Rom, und Hanno, als königlicher Gesandter, nahm sich die Freyheit, den Pabst zu befragen, mit welchem Recht er ohne Einwilligung seines Königs die päbstliche Würde angenommen hätte. Cardinal Hildebrand nahm gleich das Wort, und berief sich auf die alte canonische Verordnungen, welche seinem Vorgeben günstig zu seyn schienen. Hanno widersprach dißmal weiter nicht, sezte aber doch dem Pabste die Bedingung, er sollte in einiger Zeit ein Concilium in der Lombardie ansagen, und allda die Rechtmäßigkeit seiner Wahl darthun.

 

1064

Er begab sich hierauf wieder nach Deutschland, Alexander II. aber, der doch in Rom nicht allzu sicher war, zu seinem erzbischöflichen Siz Lucca, den er auch noch als Pabst beybehalten hatte. b) Zu Rom aber daureten die Unruhen noch immer fort, und Cadalus mußte gegen 2 Jahre in der Engelsburg eingeschlossen bleiben, ohne zum ruhigen Besiz seiner Würde zu gelangen.

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--b) Fiorentini ad a. eit Mansi ad Fior. Baronius ad a. 1063. & 1064. Lambertus Schafnab. ad a. Cit.

 

 

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38 Geschichte der Deutschen,

 

Als Hanno nach Deutschland zurück kam, fand er den König und den Hof ganz geändert. Adelbert, der es ihm zu verdanken hatte, daß er nach Hof gezogen worden war, hatte sich durch seine Nachgiebigkeit und Schmeicheley bey dem König so beliebt gemacht, daß er keinen von den Bischöffen anhörte, sondern sich in allen Stücken ihm allein anvertraute. Er stellte nun den Monarchen von Deutschland vor, und that, was ihm beliebte. Er hatte die Vorsicht gebraucht, dem König einen jungen Herrn zuzugeben, der ihm ganz ergeben war. Dies war der berühmte Graf Werner, ein junger hitziger Herr, der sich für den ebenfalls jungen König wohl schickte, und ihm in allen jugendlichen Ergözlichkeiten Gesellschaft leistete. Der Erzbischoff und der Graf ermangelten nicht, diese vortheilhafte Umstände zu ihrem Nutzen zu gebrauchen. Wer ein Bisthum oder eine Abtey suchte, durfte sich nur an sie wenden, und konnte durch Geschenke alles erhalten. Alle weltliche Würden wurden nach ihrer Willkühr nach dem Verhältniß des Geldes, das man ihnen schenkte, verliehen. Rechtschaffene Männer wurden hintangesezt, so lang sie durch Geld ihre Verdienste nicht erhöheten. Für Bischöffe und Herzoge hatten sie in allweg mehr Achtung, und die Furcht vor ihrer Macht legte ihnen einige Fessel an. Desto willkührlicher aber handelten sie mit den Abteyen, und stellten den Grundsaz auf, gein deutscher König habe über die Klöster und Abteyen eben so viele

 

 

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39 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

Macht, als über seine Mayer und Renten-Verwalter. Sie fiengen an, den Klöstern ihre Grundstücke zu entziehen, und ihren Freunden zu verleihen, die Klöster aber selbst sezten sie zu so hohen Abgaben und königlichen Frohnen und Dienstleistungen an, daß sie einen grossen Theil ihrer Reichthümer verloren. Sich selbst ließ Adelbert die beyde ansehnliche Klöster Lorsch und Corvey verleihen, weil er aber fälschlich ausgebreitet hatte, der Bischoff von Pola in Istrien sey gestorben, an dessen Stelle er den Abt von Corvey beförderte, so verlor er die lezte Abtey wieder, weil der genannte Bischof, dessen Stelle Adelbert schon ersezt hatte, noch nicht todt war, und der Abt von Corvey an dem Herzog Otto von Bayern einen mächtigen Gönner fand. Damit aber die übrige Fürsten nicht unzufrieden würden, so theilte er mit gleicher Freygebigkeit auch unter sie Abteyen aus. Hanno von Cölln bekam S. Cornelii-Münster und Malmedi, Sigfried von Maynz Seligstadt, Herzog Otto von Bayern Altaha, Rudolph Herzog.von Schwaben Kempten. Graf Werner vergaß sich hiebey nicht, er bat sich den zur hirschfeldischen Abtey gehörigen Ort Kirchberg aus, erhielt ihn auch, und brachte hierdurch die Mönche in eine solche Gährung, daß der muntere Graf selbst darüber zu scherzen pflegte, er verdiene bey dem König eine grosse Belohnung, daß er seine träge Mönche zum Werk des Herrn ermuntert, und sie wider ihren Willen zum Fasten

 

 

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40 Geschichte der Deutschen,

 

und zu Casteyungen des Leibs gezwungen hätte. Durch eine solche Theilung der Beute glaubte Adelbert die Gemüther zu besänftigen, erzog sich aber doch im ganzen Reiche den größten Haß zu. Die Aebte thaten so viel Widerstand, als in ihren Kräften stand, und besonders gab sich der Abt von Lorsch alle Mühe, sich in dem Besiz seines Klosters zu behaupten.

 

1065

Denn als der König Ostern in Worms hielte, so führte ihn der schlaue Erzbischoff selbst nach Lorsch, wo ihn der Abt und die Mönche mit den gebührenden Feyerlichkeiten empfiengen Aldelbert ließ sich mit dem Abt in ein vertrautes Gesprach ein, schmeichelte und versprach ihm , sein Kloster bey dem König in seinen Schuz zu nehmen, worauf der Abt mit gleicher Höflichkeit antwortete. Zugleich aber hatte der Erzbischoff dem Abt einen Juden empfohlen, der seine Gelder einnahm, und dieser stellte im Kloster den förmlichen Spion vor. Weil man nun allhier mehrere Ordnung als zuvor in Fulda fand, so nahm endlich der Erzbischoff die Larve ab, und sagte es öffentlich, das ganze Kloster sey ihm wegen seiner Treue gegen den König geschenkt worden. So sehr der Abt darüber erstaunte, so sehr verbarg er seinen Schmerzen, und erwartete als ein kluger Mann, wie er die Absichten Adelberts vereiteln könnte. Indessen wurde er vom König nach Basel berufen, wohin er sich mit einem

 

 

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41 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

starken Gefolg und ansehnlichem Gepränge begab. Als er in die Stadt einzog, so meldete ihm gleich unter dem Thore einer von des Königs Gefolge, daß dieses ganze Gepäcke auf Befehl des Königs dem Erzbischoff von Bremen übergeben worden, und nach Sachsen müßte gebracht werden. Jedermann sprach von der Gewaltthatigkeit Adelberts, und man hatte auch schon seine Absicht entdeckt, den König in Goßlar also zu umzäunen , daß er mit keinem andern Fürsten des Reichs sich berathschlagen könnte. Die ganze Sache machte zu vieles Aufsehen, als daß sich der König und der Erzbischoff traueten, sie mit Gewalt durchzusetzen. Sie hatten zwar deßwegen Boten nach Rom geschickt, fanden aber auch allda kein Gehör, weil die beede Mitwerber um die päbstliche Würde sich nicht damit einlassen wollten. Adelbert stellte nun dem Abt auf eine andere Weise nach, er beredete den König, daß er für einen seiner königlichen Ritter von dem Abt eine sehr einträgliche Pfründe forderte, weil er sich einbildete, der Abt wurde darein nicht willigen, und ihm also Gelegenheit geben, ihn in die Ungnade des Königs zu stürzen.

 

1065

Der Abt weigerte sich zwar lang, bequemte sich aber endlich doch, den Befehl des Königs zu befolgen, von dem er den Verspruch erhielte, daß seine Kirche niemal mehr durch eine solche Bitte oder Befehl sollte beschwehrt werden.

 

 

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42 Geschichte der Deutschen;

 

Der Erzbischoff, der dem König auf alle Weise schmeichelte, hatte ihn in Goßlar wehrhaft gemacht, c) und mit dem Ritter-Gürtel umgeben. Da bey dieser Gelegenheit einige Fürsten des Reichs erschienen, so fand sich auch Hanno von Cölln ein, der mit der bisherigen Art der königlichen Erziehung keineswegs zufrieden seyn konnte. Die gelinde Art Adelberts; den Einfällen des jungen Königs zu schmeichlen, hatte ihm seinen vorigen Hofmeister so verhaßt gemacht, daß sich der junge Heinrich kaum den Degen an der Seite sahe, als er wider den Hanno Gebrauch davon machen wollte. Er wäre auch so gleich wieder ihn ausgezogen, wo nicht seine eigene Frau Mutter, welche noch immer zärtlich für ihren Sohn sorgte, und eben damals selbst zugegen war, ihn davon zurückgehalten, und grössere Unruhen auf diese Weise verhütet hätte. Allein überall herrschten solche Verwirrungen, daß man eine Empörung im Reiche befürchtet mußte. Die angesehenste Bisthümer wurden mit Albertinischen und Wernerischen Creaturen besezt. Ein Anverwandter des Graf Werners gleiches Namens erhielte das Bisthum Straßburg. Als Gunder von Bamberg auf seiner Rückreise von Jerusalem in Ungarn gestorben war; so erkaufte sich Hermann diese Insul bey Hof durch unglaubliche Summen Goldes und

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c) Annalista Saxo ad a. 1065. Bertoldus. Constantiensis ad a. e. nennen Goßlar. Lambert von Aschaffenburg scheint Worms zu verstehen.

 

 

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43 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

Silbers. Das Bisthum Worms erhielte ein Bruder des Herzogs Rudolphs von Schwaben, ein Mönch von S. Gallen, Adaliero, der durch seine Stärke, Dicke und Gefräßigkeit jedermanns Augen auf sich zog. Das Bisthum Passau allein bekam den würdigen Altmann, einen Capellanen der Kaiserin, dem Agnes die Gefälligkeit erwieß, ihn bey Hofe zu empfehlen, und noch in seiner Abwesenheit in Jerusalem als Bischoff ernennen zu lassen.

 

Der lange Aufenthalt in Goßlar, wohin sich Heinrich IV. am Ende des Jahrs wieder begeben, und von Anfang des Herbstes bis auf Weyhenachten verweilte, gab endlich Anlaß, daß man den Adelbert genau kennen lernte, und daß ein allgemeines Mißvergnügen wider ihn ausbrach. Hier schloß er sich ganz allein mit dem König ein, und erlaubte keinem andern Fürsten den Zugang. Er ließ sich allda die Abtey Lorsch noch einmal übergeben, berief den Abt wieder dahin, und nahm nun den Bischoff von Bamberg zu Hülfe. Der Abt schrieb an den König, und entschuldigte sich mit einer Krankheit, welche ihm nicht erlaubte, eine so weite Reise zu unternehmen. Man sezte ihm einen Tag an, da er erscheinen sollte, und als seine Krankheit noch anhielte, so schickte er an seiner Stelle einen Gesandten, den man aber nicht anhörte. Vielmehr schrieb der B. Von Bamberg im Namen des Königs folgenden drohenden Brief an den Abt: „Wir wundern uns, daß

 

 

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44 Geschichte der Deutschen,

 

du, dem vor allen andern Gehorsam zuständde, nicht gehorchen willst. Du bedenkst nicht, was du bist, und daß dir dieser Ungehorsam nicht ungestraft hingehen wird. Wir haben vernommen, daß du eine Aufruhr zu erregen im Sinne hast: den Endzweck deiner Empörung aber verbirgst du nicht weißlich genug. Wir wollen also, und befehlen dir unter Androhung unserer Ungnade, daß, wenn du in unserm Reiche etwas haben willstt, du dich auf den Tag aller Heiligen bey uns einfindest.“ Der erschrockene Abt rüstete sich, und begab sich auf den Weg, war aber zu schwach, und wurde halb todt wieder in das Kloster zurück gebracht. Die Diener der Kirche wurden endlich über das sclavische Regiment des Erzbischoffs erbost , und entschlossen sich, die bevorstehende Gefahr mit Gewalt von sich abzuwenden. Sie besezten nicht weit vom Kloster einen Berg, legten allda eine Schanze an, erbaueten Thürme, umgaben ihre Vestung mit Wällen, und legten eine Besatzung hinein. Die Freunde des Adelberts gaben ihm davon Nachricht, worauf er den Abt als einen Friedensstörer verklagte, und ihm den Befehl zuschickte, wegen seines Ungehorsams das Kloster zu verlassen, den Mönchen gebot er, ihn nicht mehr als Abt zu erkennen. Der Abt entschloß sich, dem Ungewitter zu entweichen, und begab sich nach Maynz. Die Dienstleute der Kirche billigten seinen Gehorsam nicht, sondern beriefen ihn gleich wieder zurück , und

 

 

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empfohlen ihn der Treue und dem Schutze des Grafen Adelberts von Kalwe, der unter ihnen im größten Ansehen stand, und sich durch seine Einsicht in das Kriegswesen und Anhang vor allen andern hervor that. d)

 

Auf gleiche Weise verfuhr man mit andern Abteyen. Sie weigerten sich daher nach und nach, die gewöhnliche Dienstleistungen bey Hofe zu entrichten, und das Hoflager in Goßlar verlor hiebey vieles von seinem Glanze. Aus den königlichen Domänen erhob man nicht viel, die Dienste, welche die Aebte leisteten, waren gering, es mußten also alle Bedürfnisse um paar Geld gekauft werden, woran es oft dem Könige mangelte, während daß der Tisch des Erzbischoffes aufs prächtigste bedient war. Alles dieses vermehrte den Haß wider den Erzbischoff von Bremen, den das ganze Reich beschuldigte, daß er unter dem Vorwand einer allzu grossen Vertraulichkeit mit dem König sich eine vollkommene Gewalt über das Reich anmaßte, und indessen den König in allen Wollüsten aufwachsen liesse. Adelbert weigerte sich standhaft, den König an einen andern Ort hinzubringen, damit er ihm alle Gelegenheit abschniedte, mit andern Fürsten bekannt zu werden, welche ihn von seiner Höhe herab stürzen könnten.

 

Auch in Ansehung Italiens hatte Adelbert nicht die Gedenkungsart seines Vorgängers Hanno, von dem er überall in seinen Gesinnungen

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d) Chron. Laurish. l. c.

 

 

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46 Geschichte der Deutschen,

 

abgieng. Jedoch erklärte er sich nicht öffentlich für den Honorius, sondern überließ beede ihrem Schicksale, weil ihn keiner von beeden in seinem Gesuch der Abtey Lorsch unterstüzt hatte. Benzo schrieb deßwegen sehr klägliche Briefe an den König, den er um Schuz wider die Normannen bittet, welche das appische Thor von Rom besezt hatten, auch ihn mit Otto III. vergleicht, dessen Fußstapfen zu betreten er ihn ermahnt. Gleichen Inhalts sind seine Briefe an den Adelbert selbst, in welchen er theils seine Unthätigkeit beissend bestraft, theils ein Schreiben des Patricius aus Melfi beyschließt, wo er sich nur 100 Mann vom König Heinrich ausbittet, theils auch die Verachtung nicht verbirgt , in welcher die deutsche Erzbischöfe in Rom stehen, und endlich seinen Wunsch zu erkennen giebt, aus der Engelsburg befreyt zu werden. Es wurde von Honorius lI. und seinem Anhang ein Gesandter an den König und an den Erzbischoff geschickt, welcher sich 6 Monathe über in Deutschland verweilte, und endlich ein Schreiben vom König an den Cadalus, den er einen ernannten Bräutigam der heiligen römischen Kirche nennt, mitbrachte, in welchem aus der ganzen Sache ein grosses Geheimniß gemacht wird, indem Adelbert nur mit seinen Vertrauten sich wegen des Schutzes des Cadalus, den er ihm heimlich angedeihen ließ, berathschlagt hatte. Da aber im Grunde doch die Römer zur Geduld gewiesen werden, bis Heinrich ihnen zu Hülfe

 

 

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47 Fünfte Periode. Heinxich IV.

 

kommen könnte, so wußten sie sich über das Verständniß eines so zweydeutigen Schreibens nicht ganz zu vereinigen, und beriefen die nahgelegene Grafen herbey, unter welchen Rupizo, Graf von Todi, auf eine abwechslende bewehrte Wache unter ihnen drang, welches von andern genehmigt, und gleich neue Zurüstungen zum Kriege gemacht wurden.

 

Herzog Gottfried erfuhr die Sache bald, und war über die Anstalten Adelberts eben so mißvergnügt, als man im deutschen Reiche war. Er trat also der Meinung des Erzbischoffs Sigfrieds von Maynz, und des Erzbischoffs Hanno von Cölln, bey, zu welchen sich auch Herzog Rudolph von Schwaben und andere Grosse gesellten, welche eine neue Veränderung des Ministerii zu bewirken suchten. Nachdem sie deßwegen geheime Zusammenkünfte gehalten hatten, so entschlossen sie sich; auf der nächsten Zusammenkunft in Tribur, auf die Entfernung des Erzbischoffes alles Ernstes mit zusammengesezten Kräften zu dringen. Der Erzbischoff hatte damals den König nach Tribur geführt, um die bey Lorsch errichtete Schanze zu belagern, womit auch schon der Anfang gemacht worden war. Während aber, daß man sich etwas länger, als man gedacht hatte, damit aufhielte, brach die Verschwörung wider den Adelbert aus. Man sahe ihn als einen allgemeinen Feind an, und ließ dem Könige dreiste sagen, entweder müßte er

 

 

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48 Geschichte der Deutschen,

 

der Regierung entsagen, oder sich der vertraulichen Freundschaft des Erzbischoffes entschlagen.

 

1066

Graf Werner hatte die Reise nach Tribur in Gesellschaft des Königs gemacht, sich aber in Ingelheim so zügelloß betragen, daß er seinen Leuten erlaubte, die Einwohner zu berauben. Diese widersezten sich der Gewalt, und im Auflauffe des Volks wurde er mit einer Keule tödtlich verwundet. Die gegenwärtige Bischöfe drangen ernstlich in ihn, das der Kirche geraubte wieder zu geben, und als er sich dessen weigerte, bedroheten sie ihn mit der Beraubung der Sacramenten. Werner gab nach, trat Kirberg an das Kloster Hirschfeld wieder ab, und verschied. Heinrich hatte an ihm einen vertrauten Freund verloren, und nun wollte man ihm auch den schlauen Adelbert von der Seite reissen. Sein Gemüth ward heftig angegriffen, er fragte Adelberten um Rath, und dieser wollte, er sollte suchen, bey Nacht nach Goßlar zu entwischen, die Reichs-Insignien mit sich nehmen, und sich allda in Sicherheit begeben, bis etwa dieses Ungewitter vorüber gienge. Man hatte schon angefangen, die Kostbarkeiten aus dem Pallaste zu bringen, als einige Minister des Königs die Absicht erfuhren, zu den Waffen griefen, und den königlichen Hof so genau bewachten, daß nichts mehr ein- oder ausgehen konnte. Dieser Zufall erbitterte die Gemüther so schr, daß den folgenden Tag ein allgemeines Geschrey wider den Erzbischoff entstand, wobey man

 

 

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49 Fünfte-Periode, Heinrich IV,

 

beynahe die Hände an ihn gelegt hätte, wann nicht die Majestät des Königs die Gewaltthätigkeiten gedämpft hätte. Er wurde also aufs schimpflichste von Hofe gestossen, und alle Gnade, die ihm der König noch erweisen konnte, bestand bloß darinnen, daß er ihm eine starke Bedeckung mitgab, welche ihn wider die Nachstellungen seiner Feinde schüzte.

 

Nun geschahe die vierte Veränderung mit der Regierung, und man bestätigte den schon unter der Vormundschaft des Hanno gefaßten Schluß, daß ein jeder Bischoff , in dessen Kirchsprengel der König sich befände, dem König mit gutem Rath an die Hand gehen sollte. Kaum war Adelbert in Bremen angekommen, so mußte er ein Zeuge seyn, wie einige seiner an der Elbe gemachten Anstalten vernichtet, und seine grosse Absichten auch hier vereitelt wurden. Die Jahrbücher der Kirche von Bremen schildern ihn als einen Herrn, der die Hofmanieren sehr gut verstand. Seine Geburt, nach welcher er des Pfalzgrafen am Rhein, Conrads, Sohn war, schien ihn zu einem wahren fürstlichen Betragen gewidmet zu haben. An Einkünften fehlte es ihm nicht , er hatte reiche Bisthümer, Bremen, Hamburg und die Probstey von Halberstadt. Der Vater Heinrichs IV. hatte ihn auf eine recht feyerliche Weise in Aachen mit dem Stabe belehnt, und zwolf Bischöffe ihn zu seinem Amte eingeweyht. Pabst Benedict X. hatte ihn mit dem Pallio beehrt. Gleich

Gesch. der Deutschen II Bd.

 

 

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50 Geschichte der Deutschen,

 

bey dem Antritt seines Hirtenamts äussette er fürstliche Plane. Er entschloß sich, eine Kirche nach dem Muster der erzbischöflichen Kirche von Benevent zu bauen, und ließ, um Steine und Baumaterialien zu haben, die Mauren und Vestungswerke der Stadt niederreissen. Indessen erschien er oft am kaiserlichen Höf, reißte auch mit Heinrich III. nach Italien und half zur Erhebung Clemens II. Bey solchen Gelegenheiten wußte er seiner Kirche von Bremen und Hamburg allerley Vortheile zu verschaffen. Er lud den Kaiser selbst zu sich nach Bremen ein, bewirthete ihn aufs prächtigste, und erschien mit einem fast königlichen Gepränge. Der Kaiser schenkte ihm zur Dankbarkeit eine Grafschaft in Friesland, und Adelbert erwarb sich immer mehrere Verdienste um ihn, indem er ihn auch wider heimliche Nachstellungen schüzte. Seine Treue gegen den Kaiser zog ihm den Haß Bernhards und Ordulphs von Sachsen zu, wider welche er sich auf auf eine anständige Weise zu schützen wußte. Auch im Norden gab er sich durch seine Gesandte grosses Ansehen, und gebrauchte die päbstliche Bannstralen zu seinen Absichten. Sveno, König von Dännemark, Norwegen und Engelland, der eine Anverwandtin geheuratet hatte, wurde von ihm ermahnt, von dieser Ehe abzustehen, und als er sich dessen weigerte, wirkte Adelbert einen päbstlichen Bann aus, der den König zwang, seine Geliebte von sich zu lassen. Indessen fuhr Adelbert immer fort,

 

 

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seine Missionarien in Dännemark, Norwegen und Schweden herum zu schicken, und seine Macht durch sie zu bevestigen. So lang Heinrich III. Lebte, war nichts im Stand, Adelberten zu fällen. Unter Heinrich IV. hatte er die Zeit seiner Regierung über sich in ein solches Ansehen gesezt, welches bey allen Fürsten eine fast allgemeine Eifersucht nach sich zog. Schon auf seinem ungarischen Zuge hatte er sich Hermann, Herzog Ordulphen von Sachsen Bruder, zum Feinde gemacht, welcher nach seiner Rückkehr nicht so belohnt wurde, wie er gehoft hatte, und deswegen gleich hernach das offene Bremen plünderte und verheerte. Der Erzbischoff klagte zwar deswegen bey dem Kaiser, welcher auch den Hermann des Landes verwieß, aber nach einer Jahresfrist wieder unter der Bedingung freysprach, daß er den verursachten Schaden ersetzen sollte. Aber der Haß Hermanns und der Sachsen blieb doch immer gleich stark, je mehr sie sahen, was für ausschweifende Absichten Adelbert hegte. e)

 

Er hatte sich aus Staatsursachen aufs genaueste mit dem slavischen Fürsten Gottschalk, einem Sohne des Königs Udo, verbunden , von welchem er in seinem Plane hofte, unterstürzt zu werden. Dieser Gottschalk war von Jugend auf in Lüneburg in der christlichen Religion unterrichtet worden. Nachdem

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e) Joh. Othonis Catal. Episc. & archiep. Bremensium apud Menken T. III. p. 784.

 

 

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52 Geschichte der Deutschen,

 

er aber erfahren hatte, daß sein Vater von einem Sachsen war ermordet worden, so entschloß er sich , den Tod desselben zu rächen, und verübte in Hollstein, Stormarn und Dithmarsen an der Christen grosse Grausamkeiten. Es gelang ihm, sein ganzes Reich wieder zu erobern, und er gab sich alle Mühe, das Christenthum unter seinen Unterthanen wieder auszubreiten. Alle Geschichtschreiber kommen darinnen überein, daß er überall christliche Priester zusammengesucht, daß er im ganzen Gebiete der Wagrier, Polaber, Obotriten, Kissiner und Circipaner die Kirchen wiedey hergestellt, dem Evangelio Raum gemacht, in Aldenburg, Lübek, Razeburg und an andern Orten Kloster errichtet, besonders aber in Meklenburg drey Collegien angelegt hat, um allda die Jugend in der wahren Religion zu unterichten. Weil sich Adelberr auf diesen Fürsten verlassen konnte, so theilte er das Bisthum Altenburg in drey Kirchsprengel, und sezte mit kaiserlicher Macht f) einen besondern Bischof in Razeburg, einen andern in Meklenburg, und Altenburg behielt den seinigen. Da er nun zwölf Bischöffe unter sich hatte, so strebte er nach der erhabenen Ehre eines Patriarchen. g)

 

Allein seine Hofnung wurde auf einmal zu Wasser. Denn nachdem Bernhard, Herzog von Sachsen, welcher die Slaven bisher

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f) l. c.

g) Evermot in Catal. Episcop. Aldenburg.

 

 

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53 Fünfte Periode, Heinrich IV.

 

im Zaum gehalten hatte, mit Tode abgieng, so empörten sie sich auf einmal, und schlugen im J. 1066 den Gottschalk in Meklenburg bey dem Altare der Kirche, wo er eben eine Rede an das Volk hielte, samt vielen Priestern und andern Christen todt. Nach fünf Monathen verübten sie eben diese Grausamkeit in Razeburg an einem Priester Ansverus, den sie samt vielen seiner Zuhörer steinigten. Den neuen Bischoff von Meklenburg, Johannes Scotus, marterten sie auf eine grausame Art. Sie hieben ihm Hände und Füsse ab, und opferten sein Haupt ihrem Götzen Radegast. Alle Klöster wurden verwüstet, und die Gemahlin Gottschalks, eine dänische Prinzeßin, wurde mit andern Nonnen ihrer Kleider beraubt, und bey Meklenburg zurück gelassen. Meklenburg und Aldenburg verloren also ihren Bischoff wieder, den sie erst nach 84 Jahren unter Conrad IIl. wieder erhielten. Sie heidnische Religion war also wieder die herrschende, Adelberts Patriarchal-Hofnung aber hatte ein Ende. h) Da die Slaven in ihren Unternehmungen beständig fortfuhren, fast alle Stormarn todtschlugen, oder gefangen mit sich fortschleppten, Hamburg verheerten, und alle Spuren des Christenthums ausrotteten, so bekam zwar Plusso, ein Schwager Gottschalks, der an dem schrecklichen Blutbade Schuld war, bald hernach

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h) Oldenburg de Meklenburgensium a gentilismo ad Christianismum conversione. §. XXXI.

 

 

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54 Geschichte der Deutsche,

 

seinen verdienten Lohn, und wurde nach seiner Rückkehr nach Hause auch ermordet, diese Aufruhr aber zog einen langwierigen Krieg nach sich. Burkard , Bischoff von Halberstadt zog im J. 1067 wider sie, ließ es aber bey blosen Verheerungen des Landes bewenden. Heinrich IV. that selbst im J. 1069 einen nicht unglücklichen Feldzug wider sie, und Herzogs Ordulph, der seinem Vater Bernhard nachgefolgt war, fochte zwölf Jahre über wider sie, konnte sie aber nicht bezwingen, wurde öfters geschlagen, und von ihnen, da sie indessen auch die sehr volkreiche Stadt Schleswick verheeret hatten, nur verlacht. Auf gleiche Weise wurden nun auch Adelberts Absichten auf Lorsch vereitelt. Die neue Minister söhnten den Abt mit dem König aus, und unterstüzten ihn ihrem Vorwort. Er wurde mit einem ansehlichen Gefolge seiner Dienstleute an dem Hoflager des Königs aufgeführt, welcher ihm im J. 1067 seine Freyheiten und eigene richterliche Gewalt bestätigte, worauf es auch Alexander II. als ein exemtes Kloster erklärte, und dem h. Stuhl unmittelbar unterwarf.

 

Adelbert, der das Hofleben gewohnt war, wartete indessen nur auf eine bequeme Gelegenheit, das Staatsruder wieder in die Hand zu bekommen, er konnte auch auf die Zuneigung des Königs so gewiß zählen, daß er dem, was indessen bey Hofe fürgieng, gelassen zuschauen könnte. König Heinrich begab sich nach der

 

 

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55 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

verdrüßlichen Entfernung seines geliebten Adelberts an den Rhein, und feyerte das Osterfest in Utrecht. Während aber, daß er sich in diesen Gegenden aufhielt, und mit den benachbarten Fürsten des Reichs sich berathschlagte, starb der Erzbischof Eberhard von Trier plözlich nach der Messe. Hanno, der die Reichsgeschäfte wieder besorgte, hatte in Cölln einen Mann aus seiner Familie, i) den er sehr hoch schäzte, und dessen Verdienste er mit einem so ansehnlichen Erzbisthum zu krönen wünschte. Es war derselbe Conrad, aus der adelichen, reichen und und angesehenen Familie von Pfullingen aus dem Würtembergischen. k) Er erhielte auch vom Kaiser die Investitur durch Ring und Stab, und der Bischoff von Speyer, Einhard, bekam Befehl, ihn im Namen des Kaisers in sein Erzbisthum einzuführen, zu welchem Ende er ihm eine Bedeckung mitgab. In Trier erhob sich ein gewaltiger Auflauf, so bald man diese Wahl vernahm. Man achtete es sich zur Schande, von einem Erzbischoff von Cölln einen Erzbischoff zu erhalten., l) und glaubte, die ganze Clerisey und das Volk von Trier wäre hierdurch beschimpft, wenn es seine Wahlfreyheit nicht behauptete. m) In der ersten Hitze wandte man sich an den Advokaten der trierischen

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i) S. Gesta Trevirorum bey Hontheim in prodr. C LVIII. wo er sein Neffe heißt.

k) Hontheim Prodr. Hist. Trev. p. 670.

l) Gesta Trevirorum l. c.

m) Lambertus Schafnab.

 

 

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56 Geschichte der Deutschen,

 

Kirche, Graf Dieterich, und betäubte ihn durch ein anhaltendes Geschrey so sehr, daß er als ein junger und hitziger Herr sich endlich bereden ließ, die Waffen zu ergreiffen, und der Einführung des Conrads sich nachdrücklich zu widersezen. Es wurde in der Stadt Sturm geschlagen, und das ganze Volk stürzte in seiner Wuth zu den Thoren hinaus. Sie trafen den Conrad in Bidburg an, wo sie ihn bey Nacht überfielen und umringten. Früh Morgens drangen sie in seine Behausung ein, plünderten alles, was sie fanden , nahmen den Conrad gefangen, und schickten den beschimpften und aller seiner Habe beraubten königlichen Commissarius wieder nach Haus. Nachdem sie den gefangenen Erzbischof 14 Tage in Urzich in Verhaft gehalten hatten, so übergaben sie ihn, nur damit der König und der Erzbischoff mit ihm ihren Endzweck nicht erhielten, vier Scharfrichtern, welche ihn von einem Berge herabstürzten. Ueber diese Gewaltthätigkeit entrüstete sich Heinrich ungemein, und drohete im ersten Anfalle seiner Hitze, Trier mit Feuer und Schwert zu verwüsten. Der Graf Dieterich wurde seines Amtes entsezt, und aus dem Reiche verwiesen, worauf er zu Büssung seiner Sünden die Reise nach Jerusalem unternahm. Der Erzbischoff von Maynz berichtete die Sache an den Pabst Alexander II. Und bat im Namen seiner Brüder um die päbstliche Bannstrafe wider die Urheber eines solchen Frevels, welche auch erfolgte , und den Grafen

 

 

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zu obgemeldter Busse antrieb. Sein Schreiben, welches in vielen Betrachtungen höchst merkwürdig ist, erkennt es dem deutschen Herkommen gemäß, daß man einen Bischoff, wider dessen Wahl Einwendungen gemacht werden, zuerst darüber vernehmen, und seine Gründe anhören, nicht aber gleich mit Gewalt wider ihn verfahren, und indessen an den päbstlichen Stul sich wenden solle, dessen Urtheil man erwarten müsse. n) Der Zorn des Kaisers wurde endlich durch die Vorstellungen einiger weisen Manner besänftigt, und die Trierer behaupteten ihr Wahlrecht. Sie stellten eine neue Wahl an, welche wieder auf einen Schwaben, Udo, einen Sohn Graf Eberhards von Nellenburg und der Itha fiel, welche das Kloster Allerheiligen in Schafhausen gestiftet haben.

 

Die aufbrausende Hitze des Königs, sein unregelmäßiges Betragen mit seinen Freunden, die beständige Veränderlichkeit in den Grundsätzen, da er bald weisen, bald wieder eigennützigen Eingebungen, und endlich auf einmal seinem eigenen Kopfe folgte, waren eine traurige Aussicht für das Reich. Sein Hang zu den Wollüsten hatte ihn dergestalt dahin gerissen, daß er seine Jugend gar bald schwächte. Diese Lebensart zog eine Krankheit nach sich, welche ihn in Frizlar so gefährlich darnieder warf, daß die Aerzte bereits anfiengen , an seinem

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n) Hontheim hist. Trev. Diplom. T. I. S. 411.

 

 

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58 Geschichte der Deutschen,

 

Aufkommen zu zweiflen. Die Reichsfürsten berathschlagten sich schon, wem sie die Reichsfolge nach seinem Tode übertragen sollten. Ihre Sorge aber war dißmal unnöthig. Heinrich erholte sich: Jedoch hielten sie für nöthig, ihm wegen seiner Vermählung Vorstellungen zu machen, um ihn nach und nach zu einer regelmäßigern Lebensart anzugewöhnen. Sein Herr Vater hatte ihn schon im J. 1045 mit Berta, einer Tochter des Markgrafen Otto und Adelheid von Susa verlobt.

 

1066

Unter den Ausschweifungen , deren er bisher gewohnt gewesen, vergaß er seiner Braut, und die Reichsstände hatten viel Mühe, ihn zu dieser Vermählung zu bereden. Sie wurde jedoch endlich in Tribur vollzogen, und Berta aufs feyerlichste als Königin gekrönt, bey dieser Gelegenheit aber zufrüh dem Abt von S. Maximin sein Recht bestatigt, der Königin Capellan zu seyn. o) Bald nach dieser Vermählung ward der König ihrer wieder müde, und dachte, wie er sich von ihr trennte. Das politische System von Deutschland schien ihm bald hernach eine solche Gelegenheit an die Hand zu bieten, welche fast für sein ganzes Leben entscheidend war.

 

Die Erzbischöffe von Maynz hatten schon seit langen Zeiten mit den Thüringern Streitigkeiten wegen des Zehenden. Diese hatten sich bisher geweigert, denselben zu entrichten.

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o) Hontheim hist. Trev. T. I. p. 412.

 

 

 

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59

 

 

Gisela ; Herzog Hermanns von Schwaben Tochter, war vermählt mit

 

I.

Graf Bruno von Braunschweig, der zuvor Gisela, Hermanns von Werla Tochter zur Ehe gehabt hatte.

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Graf Ludolf , K. Conrads II. Stiefsohn, den daher Heinrich III. seinen Bruder, und Heinrich IV. seinen Oheim nennt. Gem. Gertrud, Graf Arnulfs von Gent Tochter.

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Bruno, Graf von Braunschweig † 1057 Ekbert I. Markgr. von Meissen † 1068

Gem. Irmengard, Maginfreds, Markgrafen von

Susa Tochter, des Otto von Schweinfurt,

Herzogs von Schwaben Witwe.

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Ekbert II. Markgr. von Meissen † 1091. Gertrud , Gem.

Gem. Oda, des Markgr. von Meissen, 1. Dieterich v. Catlenburg

Otto von Orlamünde, Tochter. 2. Heinrich, Gr. v. Northeim.

3. Heinrich , Markgraf von Meissen.

 

 

II.

Ernst, Herzog von Schwaben.

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Ernst, Hzg. v. Schwaben

Hermann Hzg. Von Schwaben

 

III.

Conrad II. Kaiser.

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Kaiser Heinrich III.

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Heinrich IV.

 

 

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60 Leerseite

 

 

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61 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

Wilhelm, Markgraf von Thüringen, konnte auf keine Weise darein willigen, sich dieser Beschwerde zu unterwerfen.

 

1062

Als er aber auf seinem Zug nach Ungarn, wo er seine Braut abholen wollte, starb, und ihm sein Brüder Otto nachfolgte, so konnte dieser die Lehen von Maynz auf keine andere Bedingung erlangen, als daß er versprach, er wollte von seinen Gütern den Zehenden bezahlen, und die Thüringer zwingen, daß sie sich diesem Joche auch unterwerfen müßten. Hierüber geriethen die leztere in den äussersten Unwillen, und sagten frey heraus, sie wollten lieber sterben, als daß sie die Rechte ihrer Voreltern so sehr vernachläßigten. Otto starb im J. 1066, und alle Thüringer freuten sich von.Herzen, von dieser Bürde frey zu seyn. Der König verliehe die Markgrafschaft dem Grafen Ekbert, seinem Blutsfreund, der sich bisher nach der Hofmanier ziemlich gebildet, auch schon unter Adelberts Minister-Dienste im J. 1062 mit andern für den Erzbischoff sich verwendet hatte, daß ihm die Grafschaft Bernhards im Emsgow, in Westphalen und Angern, sollte gegeben werden. Eben dieser Ekbert hatte dazu geholfen, daß Adelbert von Udo die Grafschaft Stade erkaufte, und dafür dem Grafen von den Gütern seiner Kirche tausend Pfund Silbers zahlte. Das jetzige System war Ekberten eben so günstig, indem seine Gemahlin eine Muhme der regierenden Königin war. Er hatte zwar nicht allzu viele Liebe für seine Gemahlin,

 

 

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62 Geschichte der Deutschen,

 

von welcher er sich scheiden wollte, jedoch der Tod übereilte ihn, nachdem er noch bey seinen Lebzeiten dafür gesorgt hatte, daß die Markgrafschaft Meissen seinem sehr jungen Sohne, einem Geschwisterkind von der Königin, übertragen wurde.

 

Ekbert war nicht geneigt, dem Erzbischoffe von Maynz die Zehenden zu bezahlen. Sigfried von Maynz beklagte sich über diese Verweigerung bey dem Pabst Aleyander II. nännte die Thüringer Rebellen, und bat sich seine Hülfe aus, diese hartnäckigte Gemüther zu bezwingen. Er meldete ihm, daß er gesonnen sey, eine Synode zu halten, und wünschte, daß ihm der Pabst Legaten zuschickte, welche den Vorsitz dabey führen, und die Sache in die Wege Rechtens einleiten möchten. Und wenn der Pabst sich etwa nicht entschliessen könnte, Legaten zu schicken, so möchte er doch wenigstens die Schlüsse der Synode bestätigen, und die aufrührische Thüringer mit dem päbstlichen Banne belegen.

 

So sehr diese Sache dem Erzbischoff am Herzen zu liegen schien, so war doch keine Hofnung vorhanden, daß er sie durch den Pabst durchsezen würde. Er wandte sich demnach an den Kaiser, und fand bey ihm desto mehr Gehör, als er schon im J. 1059 das maynzische Zehendrecht in Thüringen erkannt, und um seine eigene Güter davon zu befreyen, dem damals lebenden Erzbischoff Luitbald gewisse

 

 

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63 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

Güter als ein Eigenthum übergeben hatte. p) Der König war bereit, ihm zu willfahren, wenn auch er sich nach seinem Willen bequemte. Diesen entdeckte er ihm auf der Versammlung der Fürsten in Worms, allwo er eine geheime Unterredung mit dem Erzbischoff hatte, und ihn inständig bat, ihn in seinem Gesuch bey den Reichsständen zu unterstüzen. Heinrich versprach dem Erzbischoff, wann er in dieser Sache seinen Endzweck erreichte, so würde er sich ganz nach seinem Willen bequemen, und die Thüringer, wenn sie sich nicht zur Bezahlung des Zehenden verstehen wollten, mit Gewalt und mit den Waffen zwingen, auf immer diese Pflicht ohne Widerrede zu entrichten.

 

1069

Der Erzbischoff willigte in sein Gesuch, und sie schlossen beederseits diesen geheimen Vertrag aufs feyerlichste. Der König nahm hierauf kein Bedenken, den Fürsten vorzutragen, er könnte sich mit seiner Gemahlin nicht verstehen, er hätte sich zwar bisher alle Mühe gegeben , seine Abneigung zu verbergen, er könnte sich aber hinführo keinen Zwang mehr aufbürden lassen, er wüßte zwar kein Verbrechen anzugeben, wordurch sich die Königin verschuldet hätte, es sey ihm aber unmöglich, als Gemahl mit ihr zu leben , er bäte se also inständig, ihn von diesen Banden zu befreyen, damit er und seine Gemahlin eine glücklichern Wechsel nach ihrer Neigung treffen könnten. Er bestätigte es mit einem Eide,

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p) Gudenus in Cod. Dipl. T. I. S. 374.

 

 

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64 Geschichte der Deutschen,

 

daß er sie noch als Jungfer aus seinem Ehebette entlassen könnte.

 

Die Fürsten des Reichs erstaunten über diesen Antrag, der sich zur Majestät eines Königs so wenig schickte. Jedoch waren sie nicht so kühn, eine Sache ganz von sich abzulehnen, welche das ganze Gemüth des Königs so sehr eingenommen hatte. Sigfried von Maynz gab sich alle Mühe, dem Gesuch des Königs eine schöne Gestalt anzustreichen, und brachte es dahin, daß die Stände in die Ehescheidung des Königs willigten. Sigfried sezte daher eine Synode nach Maynz an, allwo die Sache sollte zu Ende gebracht werden. Die Königin wurde indessen nach Lorsch gebracht, um allda den Ausgang der Sache zu erwarten. So bedenklich diese Trennung war, so wurden die Folgen davon durch einen neuen Zufall noch schimmer. Markgraf Dedo hatte die Wittwe des verstorbenen Markgraf Otto heirathet, und suchte auch die Lehen zu erhalten, welche Otto von verschiedenen Herrn gehabt hatte. Er wandte sich deswegen an den König, fand aber kein Gehör. Seine neue Gemahlin lag ihm beständig in den Ohren, dieses Unrecht nicht ungerochen zu lassen, da er viel mehr Tapferkeit und Güter besässe als ihr voriger Gemahl. Er warf sich also auf die Seite der Thüringer, hielte häufige Unterredungen mit ihnen, und hofte von ihnen aus Haß gegen den Erzbischoff von Maynz, der

 

 

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65 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

zu dieser Zeit den König nach seinem Wille leitete, in seiner Unternehmung wider den König unterstüzt zu werden. Ueber diese Nachricht wurde der König sehr entrüstet, und fieng an, so starke Kriegszurüstungen zu machen, als ob er die allergefäahrlichste Feinde zu besiegen hätte. q)

 

Der Erzbishoff von Maynz sahe dieses als die bequemste Gelegenheit an, sich an den Thüringern zu rächen. Er erhizte nicht nur den König noch. mehr, sondern unterstützte ihn auch mit seiner und seiner Freunde Macht. Die Thüringer hielten also für rathsam, den Weg der Unterhandlungen einzuschlagen. Sie schickten Gesandte an den König, und versicherten ihn, daß sie nichts Feindseliges wider ihn im Sinne hätten, sie wären so weit davon entfernt, Unruhen und Empörungen im Staate anzurichten, daß sie vielmehr auch mit ihrer eigenen Gefahr dem Friedensstörer sich widersetzen wollten; noch bereitwilliger aber würden sie zu seinen Diensten seyn, wenn er die alte Zehendgesetze, deren sich bisher durch die Gnade der Könige und Bischöffe zu. erfreuen gehabt hätten, aufrecht erhalten wollte; Wenn aber der Erzbischof mit den Waffen das erzwingen wollte, was ihm weder canonische, noch bürgerliche Gesetze erlaubten, so hätten sie sich schon lang durch eidliche Verpflichtung miteinander verbunden, wider Räuber ihrer

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q) Lambertus Schafn. Ad a. 1069

 

 

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66 Geschichte der Deutschen,

 

väterlichen Rechte sich bis auf den lezten Tropfen Bluts zu vertheidigen. Der König gab den Gesandten ein sehr geneigtes Gehör, und versicherte sie seines Schutzes, wenn sie ihm getreu bleiben würden. Allein die Zurüstungen währten noch immer fort, und als er glaubte, die Thüringer eingeschläfert zu haben, brach er auf einmal mit seinem Heere in ihr Land ein, und eroberte Beichlingen und Schidingen, zwo Vestungen, in welche der Markgraf Besatzungen gelegt hatte. Dieser sahe sich zu schwach, und ergab sich. Die Thüringer betrugen sich zwar mit der grösten Treue gegen den König, und enthielten sich alles dessen, was ihnen den Vorwurf einer Empörung hätte zuziehen können. Ganz andere Gesinnungen aber verriethen sie wider den Erzbischoff. Ihn sahen sie als ihren Feind an, beschimpften ihn ins Gesicht, laurten auf seine Soldaten, wenn sie auf Beute ausgiengen, und wenn sich einige seiner angesehensten Diener zu weit vom Heere entfernten, so nahmen sie dieselbe gefangen, und richteten sie mit dem Strange hin. Der König schien mit der Achtung, die sie gegen ihn zeigten, vergnügt zu seyn, und gab ihnen Befehl, den Zehenden zu zahlen, sie merkten aber wohl, daß es nicht sein wahrer Ernst wäre, sondern daß er hierdurch nur das dem Erzbischoff gegebene Versprechen zu erfüllen suchte. Den Markgrafen Dedo hielte er einige Zeit in Verhaft, ließ ihn aber hernach auch wieder los, nachdem er ihn um einen beträchtlichen

 

 

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Theil seiner Einkünfte gestraft hatte. Der heftigste Feind des Dedo bey dieser Gelegenheit war sein eigener Sohn, Dedo der jüngere. Der Haß seiner Stiefmutter wider ihn; welche seinen Vater in dieses Unglück gestürzt hatte, trieb ihn an, sich öffentlich für den Kaiser zu erklären, dem er in diesem Feldzuge getreue Dienste that. Heinrich zeigte auch viele Achtung für ihn, und da sie wegen ihrer Jugend sich vortreflich zusammen schickten, so hätte sich der jüngere Dedo auf der Bahn der Ehre noch weit schwingen können, wo nicht eine meuchelmörderische Hand sein Leben verkürzt hätte.

 

Indessen kam die Zeit herbey, da die Versammlung der Reichsstände in Maynz wegen der Ehescheidungs-Sache Heinrichs sollte gehalten werden. Heinrich brach deswegen eilends aus Thüringen auf, und reißte nach Maynz: Auf der Reise aber erfuhr er, daß man in Maynz einen päbstlichen Legaten erwarte, der sich der Trennung des Königs von seiner Gemahlin alles Ernstes widersetzen, und den Erzbischoff von Maynz mit dem päbstlichen Banne bedrohen würde, daß er sich zu einer so ungerechten Sache gebrauchen lasse. Es scheint, daß einige Reichsfürsten, vornemlich Hanno von Cölln, dem Pabste von diesem Vorhaben Nachricht gegeben, und ihn veranlaßt haben, sich in diese Sache zu mengen, welche auf diese Weise den Reichsfürsten aus

 

 

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den Händen gespielt worden. Der König war sehr bestürzt, daß er seines Zwecks verfehlte, und wollte in der ersten Hitze wieder nach Sachsen zurück gehen. Als ihm aber seine Freunde vorstellten, wie empfindlich hierüber die Reichsfürsten seyn würden, die in so grosser Anzahl in Maynz auf ihn warteten, so begab er sich nach Frankfurt, wohin er die Reichsfürsten berufte. Sie erschienen, und mit ihnen erschien auch Peter Damiani, der Agnes Beichtvater, als päbstlicher Legat. Dieser wegen seines Alters und wegen seiner strengen Sitten in grossem Ansehen stehende Legat fieng gleich an, dem König ins Gewissen zu reden, wie schändlich die Handlung sey, die er im Sinne hätte, und wie wenig Ehre sie einem christlichen Konig bringe; wenn er auch glaubte, über bürgerliche und canonische Gesetze erhaben zu seyn, so möchte er doch die Gränzen des wahren Ruhms erwägen, und sich durch kein so böses Beyspiel beflecken; Würde er aber diesem Rathe nicht folgen, so hätte er Befehle, sich der Gewalt zu bedienen, die ihm die Kirche verliehen hätte, und eine solche schändliche Handlung mit dem Banne zu bestrafen; er müßte ihm endlich noch zu erkennen geben, daß er nie keine Hofnung haben würde, mit der kaiserlichen Krone beehrt zu werden, wenn er sich durch ein solches Betragen gegen seine rechtmäßige Gemahlin beschimpfte. Nachem der Legat seine Rede geendigt hatte, so erklärten ihm alle Reichsfürsten, welche zugegen

 

 

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waren, sie fänden das Begehren des Pabstes als sehr billig, und der König hatte ausser der innern Schändlichkeit der Handlung auch Staatsursachen, sich dieser Ehescheidung zu enthalten, weil seine Gemahlin in Italien Eltern und Anverwändte hätte, welche aus Rache wegen einer solchen Beschimpfung von ihm abfallen, und das Feuer der Empörung in der ganzen Lombardie ausbreiten würden.

 

Diese Vorstellungen, so wenig sie auch sonst der Gesinnung des Königs angemessen waren, entwafneten ihn endlich. Er bezeugte, weil sie hartnäckig auf ihrer Meynung beharreten, so wolle er sich Gewalt anthun, und die Bürde in Geduld ertragen, die sie ihm auflegten. Er willigte also zwar darein, daß ihm seine Gemahlin wieder zugeführt würde, er entfernte sich aber gleich, und eilte unter einer kleinen Bedeckung wieder nach Sachsen. Sein Gemüth war indessen wider die Reichsfürsten sehr aufgebracht, und er war darauf bedacht, wie er sie seine Rache empfinden liesse. Die Königin folgte ihm mit den Reichskleinodien nach. Als sie in Goslar ankam, konnte Heinrich sich kaum entschliessen, ihr einen Schritt entgegen zu gehen. Seine Freunde kostete es alle Mühe, ihn nur dahin zu bewegen, daß er den Wohlstand beobachtete. Er empfieng sie endlich mit mehr Leutseligkeit, als man vermuthet hätte, aber diese fliegende Hitze verrauchte gleich wieder. Er war an die

 

 

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Veränderung und das zügellose Betragen schon allzusehr gewöhnt , und die gute Berta hatte von seiner Strenge vieles zu leiden. Er überließ sich endlich ganz seinen Neigungen, ließ seiner . Gemahlin den blosen Namen und Ehre einer Königin, und lebte, als ob er sie nicht hätte r).

 

Damit er sich aber sein Cabinet wieder so besezte, wie er es wünschte, so ließ er seinen alten Freund, den Erzbischof Adelbert von Bremen, wieder zu sich berufen, durch welche fünfte Veränderung bey Hofe auch die Reichsangelegenheiten eine ganz andere Wendung bekamen. Dieser Erzbischoff hatte bisher allerley Widerwärtigkeiten erfahren, als ein verschmizter Kopf aber sich aus allem Gedränge zu helfen gewußt. Gleich nach seiner Entfernung von Hofe im J. 1066 strebte Herzog Ordulph von Sachsen , und sein Sohn Magnus, nebst dem Bruder des erstern, Hermann, nach seinen Gütern, sie nahmen sich vor, den Adelbert von seinem erzbischöflichen Sitze zu verjagen, er mußte sich auch vor ihnen nach Goslar flüchten, und blieb ein halb Jahr auf einem ihm zuständigen Gut, das in der Nähe lag, verborgen. Endlich schloß er mit dem Magnus einen Vergleich, kraft dessen von den erzbischöflichen Gütern ein Theil dem Magnus, ein anderer dem Udo, Grafen von Stade zufiel, den dritten behielt er für sich, aber auch diesen veräusserte er, um sich am kaiserlichen

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r) Lambertus Schafn. ad a. 1069

 

 

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Hoflager Freunde zu machen, und schenkte ihn dem Graf Eberhard von Nellenburg, und andern Lieblingen Heinrichs , wordurch er noch immer eine Parthey bey Hofe behielte, welche ihn endlich auch glücklich wieder an das Hauptruder erhob. Hier hatte er Gelegenheit genug, sich wieder zu bereichern und ansehnliche Güter zu erwerben. s)

 

So bald er zur Seite des Königs war, regierte er wieder mit seinen gewohnten Künsten, aber eben diese beschleunigten die Erbitterung der angesehensten Fürsten. Die päbstliche Eingriffe in die Reichsangelegenheiten wurden immer ernstlicher, und in Rom sahe man alle Bischöffe als Schuldige der Simonie an, welche ein Bisthum aus der Hand des deutschen Königs bekamen. Wenn man auch schon die ernsthafteste Manner beförderte, so erweckte es schon Verdacht wider sie, wenn sie bey Hofe Unkosten darauf gewandt hatten. Ein Beyspiel davon hatte man an dem Bischoff Carl von Costniz, der zuvor ein Canonicat in Magdeburg besessen hatte. Die Costnitzische Geistlichkeit nahm ihn anfangs mit vieler Achtung auf. Der Verdacht, daß er der Ketzerey der Simonie schuldig wäre, entfernte die Geistliche auf einmal, man gab ihm Schuld, er habe die Schätze der Kirche entwendet, man klagte ihn in Rom an, und

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s). Jo. Othonis Cat. Ep. Brem, apud Mencken, T. III. p. 786

 

 

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Alexander II. schickte dem Erzbischoff von Maynz, einen sehr ernstlichen Befehl, ihn keineswegs einzuweyhen, bis sich der Beklagte bey ihm persönlich stellte, und wegen seiner Anklage sich rechtfertigte. Rom hatte damals zween Männer, welche zur Erweiterung des Begriffs der Simonie unendlich vieles beytrugen. Der eine war der Cardinal Hildebrand, der andere der Cardinal Peter Damiani, welche beede als Heilige verehrt werden. Es fehlte unsern deutschen Fürsten schon damals nicht an getreuen Räthen, welche sich diesem Grundsatze widersezten. Herzog Gottfried hatte zween Capellane, welche frey behaupteten, daß man nach den canonischen Gesetzen diß als keine Siminie ansehen könnte, wenn man den weltlichen Fürsten für Bisthümer und Beneficien Geld bezahlte, sie kauften hierdurch die:Ehre des Priesterthums nicht, sondern sie bezahlten bloß für ihre Investitur mit den weltlichen Gütern und Einkünften eine gewisse Taxe. Peter Damiani eiferte sehr wider diese Lehre, t) und Alexander II. schickte gleich hierauf eine päbstliche Verordnung wider Simonie an seine Kirche nach Lucca ab.

 

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Und aus gleichem Grunde wurden auch die beede deutsche Bischöffe Sigfried von Maynz und Hermann von Bamberg, nach Rom vorgefordert. Beede gehorchten, und erschienen vor Alexander II. um sich von ihm richten zu lassen.

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t) Epist. L. L epist. 13.

 

 

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Dem Bischoffe von Bamberg wurde es als eine Ketzerey vorgeworfen, daß er für sein Bisthum Geld bezahlt hätte. Er war aber so klug, sich auch zu dieser Reise mit genugsamen Summen zu versehen, machte dem Pabste ansehnliche Geschenke, u) und besänftigte hierdurch sein so sehr wider ihn aufgebrachtes Gemüth, daß, da es anfangs schiene, als ob ihn der Pabst gar absetzen wollte, er ihm nunmehr nicht nur gern verzieh, sondern ihn auch noch mit dem Pallio und andern erzbischöflichen Ehrenzeichetz beehrte. Sigfried von Maynz wurde so hart behandelt, daß er auf diese Weise die Ehre , ein so angesehener Erzbischoff des Reichs zu seyn verwünschte, seiner Würde entsagen und sich in den Privatstand begeben wollte. Der Pabst selbst aber widersezte sich seinem Vorhaben, die zugegen waren, sprachen ihm Muth zu, allein er empfand diesen Verweiß noch lang, und erzählte es hernach dem Könige selbst, wie bittere Vorwürfe ihm der Pabst gemacht habe. Beeden wurde ernstlich befohlen, die heilige Orden nicht mehr zu verkaufen, noch denen die Hände aufzulegen, welche Beneficien kauften. Sie mußten eidlich versprechen, daß sie sich dieser Ketzerey nicht mehr schuldig machen wollten, worauf sie Alexander II. Nach Deutschland entließ.

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u) Lamb. Schafn. ad a. 1070 welches Zeugniß Baronius mit sehr schwachen Gründen zu entkräften sucht.

 

 

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Dieser Stolz des Pabstes, den er gegen die angesehenste Bischöffe des deutschen Reichs zeigte, wurde durch die damalige Zeitumstände sehr begünstigt. Alexander II. konnte sich auf den Schuz Herzog Gottfrieds verlassen, einige Zeit über hielte sich die Mutter des Königs selbst in Rom auf, und als sie im J. 1065 wieder nach Deutschland zurück gegangen war, so schrieb ihr ihr Beichtvater, Peter Damiani, einen Brief, um sie wieder zu ihrer Rückreise nach Rom zu bewegen. Er klagt sich in demselben selbst einer Thorheit an, daß er ihr diese Reise gestattet habe. Den Pferden, sagt er, hätte ich in den Zaum fallen sollen, um die h. Stadt eines solchen Sternes nicht zu berauben. Er wünscht ihr, daß sie ein h. Eckel vor dem königlichen Hofe überfalle, um desto eilender zum h. Peter zurückzukommen, wo er ihr schon ihr Grabmal bey der h. Petronille bereitet hatte. Agnes begab sich auch schon das folgende Jahr wieder nach Rom, und unterwarf sich der Anleitung ihres Catechisten. Heinrich war also der mütterlichen Erinnerungen, welche er noch allein hochschäzte, und meistens befolgte, beraubt, und wurde von Italien entfernt gehalten. Er hatte schon im J. 1066 Lust bezeugt, selbst nach Rom zu gehen, als er vernahm, daß Richard, Fürst von Capua, ganz Campanien unterjocht hätte, und im Begriff wäre, nach Rom zu gehen, um allda das römische Patriciat an sich zu ziehen. Heinrich wollte sich einer für ihn so

 

 

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gefährlichen Absicht widersetzen, und schon damals die Kaiserkrone in Rom sich aufsetzen lassen, er war auch schon mit seinem Heere bis nach Augsburg gekommen, wo er den Herzog Gottfried erwartete, der, so oft der König von Deutschland nach Italien zog, mit seinem Heere ihn einzuholen versprochen hatte. Gottfried blieb entfernt, Heinrich war darüber entrüstet, und stellte dismal den Zug nach Italien ein x). Gottfried begab sich vielmehr gerad nach Rom, rückte in Gesellschaft des Pabstes und der Cardinäle gegen Aquino, suchte die Normannen zurück zu halten, verglich sich endlich mit ihnen, zwang sie zurück zu weichen, ließ sich die Unkosten des Feldzugs von ihnen bezahlen, und kehrte wieder nach Toscana zurück. Man sahe also wohl die genaue Uebereinstimmung Gottfrieds mit dem päbstlichen Hofe, welche die Wirkung hatte, daß Gottfried, so lang es möglich war, den Zug des Königs nach Italien hinderte. Gottfrieds Tod zog auch hierinnen einige Veränderung im Systeme nach sich. Dieser grosse Fürst, dessen Ansehen in Italien auch dardurch erhöht worden war, daß er die königliche Geschäfte besorgte, fieng kaum an, sein herannahendes Ende zu spüren, als er zur Veränderung der Luft sich in seine lothringische Staaten begab, allwo aber seine Krankheit immer stieg, bis er endlich am Christfest in seinem Schloß Bouillon verschied, und hierauf in Verdun begraben

 

x) Leo von Ostia L. 3. c. 23.

 

 

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76 Geschichte der Deutschen,

 

wurde. Dieses ist das Ende eines der grösten deutschen Fürsten dieser Zeit, an dessen Seeligkeit damals niemand, als Gregorius VII. zweifelte, weil er dem h. Stuhl so vieles versprochen, und so wenig gehalten hatte. y). Weil eben zu der Zeit auch der Herzog Gerhard von Niederlothringen mit Tod abgegangen war, so vermutheten einige, daß seine Reise in sein Vaterland auch diese Absicht gehabt habe, beede Herzogthümer an sich zu bringen, so wie sie sein Vater besessen hatte. Jedoch der Tod überraschte ihn, noch ehe er dieses Vorhaben ausführen konnte z). Toscana blieb in den Händen seiner Gemahlin und ihrer Tochter Mathildis. Oberlothringen erhielte sein Sohn Gottfried der Höckerigte, den er mit seiner ersten Gemahlin Doda erzeugt hatte. Niederlothringen aber wurde Gerhards Sohne, Dieterich, übertragen, obwohl Friderich, Graf von Mömpelgardt, Bar, Monson Lucemburg, wegen seiner Mutter Sophia, Friderichs II. von Lothringen Tochter, Anspruch darauf machte, und sein vorgebliches Recht so weit betrieb, daß es nicht nur zwischen ihm und dem Dieterich zu Thätlichkeiten kam, sondern daß auch der König sich in die Sache mengen, und dem Friderich und seinem Vater Ludwig befehlen mußte, die Waffen niederzulegen, weil in dem Herzogthum Lothringen

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y) Epistol. Decretal. T. III. inter epistol. Gregorii VII. L. I. ep. 72.

z) Fiorentini Memor, della Contessa Matilde ad h. a.

 

 

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das weibliche Geschlecht der Nachfolge unfähig wäre a).

 

Nachdem der Anhang Honorius des II. eines so mächtigen Feindes, als Gottfried war, los war, so fieng er wieder von neuem an, sein Haupt empor zu heben. Auch die Normannen frohlockten über diesen Tod, und die noch übrige Griechen kamen je länger je mehr ins Gedränge. Sie schickten zu diesem Ende den Pantaleo von Amalphi nach Rom an den Cadolus, welcher einen Brief vom griechischen Kaiser mitbrachte, und dem König von Deutschland Bari und andere Städte anbot, wann er sich mit ihnen in ein Bündniß wider die Normannen einlassen wollte b) Mit diesem Briefe wurde Benzo näch Deutschland an das königliche Hoflager geschickt, allwo er den Adelbert schon im Besitze der Macht antraf, und ihm diese Angelegenheit sehr ernstlich empfohl, auch den König der guten Gesinnung der Römer gegen ihn versicherte. Nichts schien diesem Benzo mehr am Herzen zu liegen, als daß Heinrich bald in Italien selbst erschiene, damit er die Ehre der Deutschen in diesem Lande wieder herstellte. Er suchte ihn durch

 

a) Traité sur Porigine & la genealogie de la maison de Loraine p. 72. welcher auf die Chronik des Jo. de Bayon sich beruft. Ludwigs Sohn heißt allda fehlerhaft Dieterich. Seinen wahren Namen findet man in Origine & genealogie de la maison de Montbeliard MS.

b) Benzonis paneg. in Heur. IV. L. II. c XI. u. f.

 

 

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durch den Reichthum von Apulien und Calabrien zu reizen, welche ihm mit Vergnügen die Thore öfnen würden. Gleichwie er bey verändertem Ministerio sich kein Bedenken machte, den Hanno von Cölln unter allen deutschen Fürsten einer besondern Vertraulichkeit und geheimen Briefwechsels mit Alexander II. zu beschuldigen; also wandte er sich nun ganz an den Adelbert, und munterte ihn zu diesem Zuge auf. Man nahm billig Anstand der Treue der Griechen zu trauen, so sehr auch Benzo das Gegentheil versicherte. Jedoch wurde endlich beschlossen, den Honorius II, den römischen Senat, die Grossen von Rom und die Städte von Apulien und Calabrien auf eine baldige Hülfe des Königs zu vertrösten. Benzo reißte also mit einigen Geschenken, die ihm der König verehrt hatte, ganz vergnügt nach Rom ab, und hofte, bey dem bevorstehenden Zug des Königs alle seine verlohrne Güter wieder zu bekommen.

 

Weil nun Hanno durch diesen Bericht des Benzo in grossen Verdacht kam, als ob er heimlich mit den Feinden Deutschlands verstanden wäre, so wurde er von den deutschen Fürsten besonders darüber befragt, was ihn bewege, den Alexander II. so sehr zu erheben, und durch ihn den Normannen Gelegenheit zu geben, die Rechte des Reichs zu schmälern. Hanno entschuldigte sich damit, daß er in Ansehung Alexanders II. mit Einwilligung anderer

 

 

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Reichsfürsten gehandelt habe, wenn sie aber jezo anderer Meinung wären, so sey er bereit, noch einmal nach Italien zu reisen, und die Sachen in solche Wege einzuleiten, wie sie es gut fänden. Er wünschte deswegen, daß man in dieser Angelegenheit zuvor eine Synode in Deutschland hielte, ehe das Concilium in Mantua gehalten würde, worauf er mit der Instruction, die man ihm geben würde, sich nach Italien verfügen wollte. Die gegenwärtige Reichsfürsten forderten ihm einen Eid ab, daß er sich nach ihrem Schlusse verhalten wollte. Benzo sezte indessen seine Reise fort, kam glücklich in Rom an, und wurde wegen der erfreulichen Nachrichten, die er mitbrachte, vom Cadolus und dem Senat mit offenen Armen empfangen.

 

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Dem Cadolus vertraute er seine geheime Unterredung mit dem König, und daß es nun auf die gedoppelte Synode ankommen würde, die Hanno seiner Instruction gemäß anstellen sollte. Nichts tröstete den Cadolus mehr, als die Hofnung, den König selbst zu sehen, und er schickte einige seiner Vertrauten aus, welche überall die Zurüstungen zu seinem Empfang machten.

 

Hanno berief also eine Synode in Deutschland zusammen, zu welcher auch auf Befehl des Königs sich einige ligurische und lombardische Bischöfe einfanden. Er trug den Bischöffen die Ursache ihrer Zusammenbrufung vor, und ermahnte sie, ihr canonisches

 

 

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Urtheil zu sagen, wen der Stuhl Petri mit besserem Rechte behaupten könnte. Die lombardische Bischöffe wollten ohne Zuziehung des Erzbischoffs von Mayland nichts entscheiden, sondern verschoben die Sache auf das Concilium nach Mantua. Andere waren der Meinung, einen canonischen Stillstand zu beobachten, und bis zu Austrag der Sache keinen von beeden zu erkennen. Hanno erklärte sich schon voraus; da Alexander II. auf eben diese Weise zum Besiz der römischen Kirche gekommen waäre, wie er, so sehe er keine Hinderniß, warum er nicht bis auf das nächste Concilium als rechtmäßiger Pabst erkannt werden sollte. Dieses veranlaßte den beherzten Bischoff von Costniz, ihm zu erklären: Wider die Wahl des Hanno hätten die canonische Gesetze nichts einzuwenden, aber Alexander II. hätte ganz andere Flecken an sich, er sey durch den Herzog Gottfried und durch den Card. Hildebrand gewählt worden, die Normannen haben ihn ums Geld auf den Stuhl gesezt, die Römer hingegen haben sich geweigert; ihn anzunehmen, und es habe Blut gekostet, bis er sich auf den Thron geschwungen habe. Hanno blieb bey seiner Meinung, und gab dem P. Alexander II. durch seinen Anverwandten, den Bischoff von Halberstadt, davon Nachricht.

 

Ein Jahr nach der Abreise des Benzo aus Deutschtand kam endlich Hanno mit einer Bedeckung von 300 Mann in Italien an. Er

 

 

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war schon im vorigen Jahre bey Alexander II. gewesen, und hatte seine beede Mitbrüder von Maynz und Bamberg dahin begleitet. Der Pabst, sein Freund, hatte ihn mit einer ausserordentlichen Achtung empfangen, und ob er wohl damals mehr in seinen eigenen Angelegenheiten, und um seiner Kirche durch römische Reliquien einen neuen Glanz zu verschaffen, diese Reise unternommen, auch eine ziemliche Anzahl derselben für sein Closter Sigeberg erlangt hatte, so hegte doch der Anhang des Cadolus einen allzu starken Verdacht wider ihn, daß er als Erzkanzler das kaiserliche Interesse, welches Honorius II. und sein Anhang so sehr zu befördern das Ansehen haben wollten, aus der Acht gelassen hätte. Dismal aber kam er in einer ganz andern Absicht als ein königlicher Bevollmächtigter, zu dessen Vollmacht auch die Stände ihre Erinnerungen beygebracht hatten. Er kam, um die Rechtmäßigfeit der päbstlichen Wahl auf einem Concilio zu entscheiden, wo sich beede Mitwerber wegen ihrer Beschuldigungen rechtfertigen sollten.

 

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Bey seiner Ankunft , welche in den ersten Monathen des Jahrs 1071 geschahe empfieng ihn Beatrix mit königlichem Gepränge. Er fieng sein Geschäft unverzüglich an, und ließ dem P. Alexander durch den Bischoff Cunibert von Turin melden, er möchte zu ihm nach Mantua kommen, damit allda dem Streite ein Ende gemacht werden könnte. Nach ihm schickte er den Bischoff von Vercelli, in den

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Alexander ein grösseres Vertrauen sezte, an ihn, und gab ihm von dem ganzen Plan, den er befolgen würde, Nachricht. Alexander II. erschien also mit Vergnügen, ließ aber den Cardinal Hildebrand zurück, damit er auf die Römer ein wachsames Aug hätte. Zu gleicher Zeit schickte Hanno jemand an den Honorius, dem er die Ursache seiner Ankunft entdeckte, und melden ließ, mit seinem Gefolge sich in Parma einzufinden, und von hier sich nach Mantua zu begeben. Honorius II. eilte dahin, und traf die Bischöffe versammlet an, Er nahm aber bald gewahr, daß sein Anhang zu schwach wäre, und daß Beatrix und Hanno einen allzu starken Einfluß auf diese Versammlung hätten. Alexander II. vertheidigt sich den ersten 'Tag wegen des Lasters der Simonie, das man ihm vorwarf, eiferte wider die Simonie der Fürsten, und ward durch die Mehrheit der Stimmen als rechtmäßiger Pabst erkannt. Hanno unterredte sich hierauf mit der Grafin Beatrix, daß er im Sinne hätte, den Alexander II. auf den Stuhl von Rom einzuführen, und daß er sich ihre Unterstützung desto mehr auszubitten Ursache hätte, weil er am königlichen Hofe allzu viele Feinde hätte, welche nicht unterlassen würden, ihn wegen seiner Anhänglichkeit an den Alexander zu verfolgen. Sie versprach alles, was in ihren Kräften wäre, zur Erhebung dieses Mannes beyzutragen. Der Anhang des Honorius II. that einen bewafneten Anfall auf Mantua,

 

 

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überall entstand ein gewaltiger Auflauf, jedoch Hanno und Beatrir trieben auch dieses trübe Gewölke aus einander, Cadolus ließ sich noch beständig als Pabst verehren, zog sich nach Bercelo im Gebiete von Parma zurück, und blieb allda, und übte bis auf seinen bald hernach erfolgten Tod wenigstens seine bischöfliche Rechte aus. Alexander hatte also auch hier, nachdem er sich mit einem Eide vom Verdacht der Simonie gereinigt hatte, die Oberhand gewonnen, hingegen Hanno, den König und einige Reichsfürsten, vornemlich einige Bischöffe sehr erbittert, daß er zur Bevestigung der Parthey der Beatrix so vieles beygetragen hatte, welches hernach verdrießliche Folgen für den König hatte. Es scheint auch, daß Heinrich mit dieser Entscheidung des Concilii nicht gänzlich zufrieden gewesen, c) wie sich denn auch Hugo von Ravenna bis an das Ende seines Lebens dem Pabst Alexander II. nicht unterworfen hat. Der Haß, den Heinrich auf den Hanno warf, währte nicht lang. So bald Adelbert mit Tode abgegangen war, warf er sich doch wieder in seine Arme, und man war es unter dem wankelmüthigen Heinrich gewohnt, daß er den Hanno bald als sseinen Liebling ansahe, bald aber auch wieder den heftigsten Haß gegen ihn zeigte d).

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c) Wern. Rolewink fasc. temp. apud Pistor. T. II. p. 542. licet imperator contradiceret judicio Concilii.

d) Monachus Sigebergensis apud Baronium ad a. 1065. n. 55.

 

 

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So lang Adelbert bey Hofe war, konnte weder Hanno noch ein anderer grosser Fürst des Reichs sich eine vollkommene Sicherheit versprechen. Vielmehr suchte man die mächtigste zu unterdrücken, und aus solchem Grunde wagte man sich gleich anfangs an den Herzog Otto von Bayern. Dieser angesehene Reichsfürst hatte bisher wegen seiner Klugheit und Macht bey Hofe ein grosses Gewicht gehabt, und zuvor nicht nur zur Entfernung Adelberts mitgewürket, sondern auch auf der Versammlung der Fürsten in Maynz und Frankurt die Ehescheidung Heinrichs zu hindern gesucht. Er hatte also bey Hofe nicht nur wirkliche Feinde, sondern auch niederträchtige Beneider seiner Grösse, welche den König reizten, diese Stütze der Mißvergnügten umzustürzen. Sie bedienten sich hierzu, wie die meiste Geschichtschreiber berichten, eines gottlosen Menschen , Nahmens Egino, den sie beredten, den Herzog bey dem König anzuklagen, daß er ihn unter den reizendesten Verheissungen zu gewinnen gesucht, den König selbst zu ermorden, zu welchem Ende er ihm auch einen Degen, den er vorwieß, gegeben hätte. Der freche Ankläger bezeugte, daß er bereit wäre, seine Anklage wider einen jeden zu verteidigen e).

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8) Lamb. Schafnab. ad a. 1070. andere geben dem Otto die Schuld, und entschuldigen den Egino z. B. Aventinus.

 

 

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Sobald diese Anklage kund gemacht wurde; so brachen alle, welche aus Eigennuz seinen Untergang suchten, oder aus andern Ursachen seine Feinde waren, wider ihn los, und entflammten die Rachgier des Konigs wider ihn. Der König berief ihn zu einer Privatunterredung nach Maynz, wohin er auch andere Fürsten einlud. Er entdeckte ihm in ihrer Gegenwart die Anklage wider ihn, und als Otto sie als eine Verläumdung erklärte, und die ganze Sache läugnete, so sezte er ihm eine Frist von sechs Wochen an, nach deren Verfluß er auf den 1 August sich in Goslax einstellen, und die Beschuldigung wider ihn durch einen Zweykampf mit seinem Ankläger entscheiden sollte. Nach diesem Ausspruch des Königs giengen die Fürsten damals aus einander, sahen aber alle das königliche Endurtheil als eine grosse Beschwerde an. Die Sache selbst schien ihnen ungeräumt zu seyn, und sie hielten es für die gröste Unbilligkeit, daß ein angesehener Reichsfürst, der im ganzen Reiche in so grosser Achtung stund, sich auf eine blosse einseitige Anklage eines Böswichts, der es an den nöthigen Beweisen fehlte, mit einem zwar freygebohrnen, aber durch seine Laster und Räubereyen befleckten Menschen in einen Zweykampf einlassen sollte.

 

Otto fühlte die Unanständigkeit dieser Entscheidung eben so schmerzlich, jedoch entschloß er sich, im Zutrauen auf seine Unschuld mit

 

 

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einem jeden, dessen Rang und Geburt unendlich weit von der seinigen entfernt wären, einen Zweykampf einzugehen. Er zog also einige Mannschaft zusammen, und erschien mit derselben auf die bestimmte Zeit in der Nähe von Goslar, wo er Halt machte. Von hier schickte er einen Gesandten an den König, dem er melden ließ, daß er bereit ware zu erscheinen, und unter solchen Bedingungen, welche die Fürsten des Reichs als billig erkennen würden, das ihm zur Last gelegte Verbrechen zu widerlegen, nur wünschte er, zuvor wegen seiner Sicherheit das königliche Wort zu haben. Auf diesen Antrag antwortete der König mit Hitze und Bitterkeit, er könnte ihm weder wegen seiner Reise noch wegen seiner Rechtssache Sicherheit versprechen, vielmehr erwarte er, daß er sich in Goslar einfände, und wenn er glaubte, daß er unschuldig wäre, so sollte er die Entscheidung GOtt überlassen, welche es durch den Ausgang des Zweykampfs erklären würde; wollte ex sich aber nicht hierzu verstehen, so würde er ohne weitere gerichtliche Untersuchung ihn als schuldig und überführt ansehen, und nach Recht und Billigkeit über ihn ein Urtheil fällen. Nachdem man dem Herzog die Antwort gebracht hatte, so berathschlagte er sich mit seinen Freunden, was er nun zu thun hätte. Alle erachteten es als höchst unklug, wenn er sich vor dem erzürnten König stellte, welcher ihm kein sicher Geleit zugedeyhen ließ, zu einer Zeit, da das Verbrechen

 

 

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noch nicht erwiesen wäre, da man doch nach allen göttlichen und menschlichen Rechten einem jeden Beklagten Sicherheit gestattete, wenn er seine Unschuld darthun wollte. Bey dieser Lage der Umstände hielte es Otto für sicherer , dem Zorn des Königs auszuweichen, sich in sein Land zurück zu begeben, und allda ein Heer anzuwerben, um an der Spitze desselben seinen Neidern entgegen zu gehen.

 

Den andern Tag berief der König die sächsische Magnaten zu sich, damit sie über ihn als einen Sachsen nach ihren Rechten ein Urtheil fällen sollten. Auch hier hatte Otto das Unglück, in die Hande solcher Richter zu fallen, welche ihn beneideten, und von der Zertrümmerung seiner Güter-in Sachsen ihre eigene Vortheile suchten. Ihr Urtheil fiel so aus: Otto sey seines Verbrechens überführt, er habe sich der beleidigten Majestät schuldig gemacht, wenn man ihn also ergriefe, so verdiene er eine Todesstrafe. Dieses Urtheil war ein Keim unendlicher Räubereyen. Jeder glaubte berechtigt zu seyn, einen solchen Verbannten mit dem Schwert hinzurichten, oder ihm das seinige zu rauben. Der wahre patriotische Eifer für die Wohlfahrt des Reichs verschwand, und man glaubte, dem König zu dienen, wenn man alles ausplünderte. Alle Güter des Otto wurden verheert, Feuer und Schwert wütete wider seine Länder , und wenn man einen von seinen Dienstleuten oder seinen

 

 

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eigenen Leuten, welche seine Felder bauten, antraf, so wurde er nicht nur umgebracht, sondern zuvor noch aufs erbärmlichste gemartert. Wenn man auf eine Kirche stieß, welche er erbaut hatte, so war diß schon genug, daß man sich berechtiget achtete, auch an solchen geheiligten Oertern sein Gedächtniß zu vertilgen.

 

Der König erschien endlich selbst mit einem Heere, um die lezte Hand an ein Werk zu legen, aus welchem er sich eine so grose Angelegenheit machte. Damit er aber in Ansehung derjenigen Fürsten, welche entweder Anverwandte oder vertraute Freunde des Herzogs waren, gesichert wäre, so ließ er sich von ihnen entweder Geissel geben, oder er forderte einen Eid, daß sie nicht auf die Seite des Otto treten wollten. Er drang also mit seinem Heere in Bayern ein, ließ ein Castell Hanenstein, von welchem aber Otto gleich bey dem Anfang des Kriegs die Besatzung an sich gezogen hatte, dem Boden gleich machen, und rückte vor Degenberg in Niederbayern. Dieses Castell war seiner Lage nach eines von den festesten, es hatte auch Besatzung genug, und an den übrigen Kriegsbedürfnissen fehlte es eben so wenig. Jedoch ergab es sich bald freywillig, um den Folgen des Kriegs nicht weiter ausgesezt zu seyn. Hierdurch wurde dem König der Weg gebahnt, in Bayern noch weiter einzudringen. Er warf eine Besatzung

 

 

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in das Castell, und fieng an, auch die Güter der Gemahlin des Otto zu verheeren. Tichts wurde geschont, die schönste und reichste Oerter wurden verbrannt, Weiber und Kinder gemartert, oder Unfug an ihnen verübt, und der Soldat hatte freye Macht, zu plündern, was er wollte. Alles, was die Waffen tragen konnte, hatte sich in die Wälder gezogen, alles stand also dem König offen, welcher in Bayern solche Denkmale von Grausamkeit hinterließ, daß die Geschichtschreiber für nöthig erachtet haben, dieselbe auf die Nachkommen überzutragen.

 

Otto sahe sich also genöthigt, wider seine Feinde zu Felde zu ziehen, er brachte etwa 3900 streitbare Mannschaft zusammen, und rückte gegen Thüringen an. Hier behandelte er die Güter und Domänen des Königs mit gleicher Strenge: Er plünderte sie aus, überließ seinen Soldaten die Beute, welche er hierdurch aufs festeste an sich anband, und verbrannte, was er nicht mit sich nehmen konnte. Er kam auf diesem verheerenden Zug bis über Eschwege in Niederhessen, wo er den armen Landleuten, welche zuvor durch die königliche Völker alles des ihrigen beraubt worden waren, einen Theil der Beute gab, und weiter in Thüringen einrückte. Die Thüringer ergriefen nun die Waffen, und giengen dem Herzog Otto unter dem Vorwand, daß sie sich vor einiger Zeit eidlich verbunden hätten,

 

 

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sich solchen Räubereyen zu widersetzen, bis nach Eschwege entgegen, wo es zum Gefechte kam. Die Truppen des Herzogs aber zeigten so vielen Muth, daß sie die Feinde bald in die Flucht schugen. Ihr Anführer Graf Rutger flohe über die Gebürge davon, Otto zog sich in sein Lager zurück, und entließ einige der der Vornehmsten seines Heers, er selbst aber begab sich mit dem Rest seiner Völker nach Sachsen, raubte und plünderte, was dem König oder seinen Anhängern gehörte, und wurde durch den sächsischen Erbprinzen Magnus, seinen vertrautesten Freund, einen lebhaften und im Kriegswesen wohl erfahrnen Herrn, mit Macht und Lebensmitteln unterstüzt. Die Schlacht bey Eschwegen und der Einfall des Otto in Sachsen hatte die Folge, daß Heinrich aus Bayern sich zurückzog, und nach Sachsen eilte, um sein allerliebstes Goslar zu bedecken, welches die Feinde zu plündern und zu verbrennen gedrohet hatten.

 

Heinrich hatte viele Ursache, die klügste Maßregeln zu ergreiffen, damit diese Gährung sich nicht weiter in Deutschland ausbreitete. Otto war einer der mächtigsten Fürsten, besaß grosse persönliche Eigenschaften, und hatte unter den Fürsten selbst einen starken Anhang, welche es sehr schmerzte, daß ein König seine Reichsfürsten so schnöde behandelte. Adelbert gab daher seinem Herrn den Rath, einen andern mächtigen Fürsten dem Otto entgegen zu setzen,

 

 

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und ihn durch eine grosse Gnade in sein Interesse zuziehen.

 

1071

Man warf zu diesem Ende die Augen auf den Herzog Welf, den Stifter des neuen welfischen Hauses, einen Sohn des Azzo, Markgrafen von Ligurien und der Cunigunde, der welfischen Erbprinzeßin. Dieser Herr war von seinem Vater in Italien erzogen worden, nach dem unbeerbten Absterben aber seines Oheims, Herzogs Welf III. von Cärnten im J. 1055 nach Deutschland gekommen, und hatte allda durch Hülfe seiner noch lebenden Großmutter, Irmentrud, die Erbgüter der Welfen in Bayern und Schwaben gesammlet. Er war anfangs, als sich zwischen Heinrich IV. und den Fürsten des Reichs Mißhelligkeiten erhoben, der Parthey der Reichsfürsten beygetreten, und hatte sich mit Ethelinda, der Tochter eines des mächtigsten Fürsten, des Herzogs Otto, vermählt f). So lang die Sachen gut giengen, lebte er mit seinem Schwiegervater in gutem Vertrauen. Auch da sich der Krieg bereits entzündet hatte, hatte er noch immer die allerbeste Hofnung, daß diese Mißhelligkeit wieder könnte beygelegt werden. Er unterstüzte daher den Otto mit Soldaten und gutem Rath, und zeigte viele Achtung für seine Gemahlin. So bald aber durch die sächsische Magnaten das Endurtheil wider seinen Schwiegervater gefällt worden war, und er wahrnahm, daß der König einen

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f) Lamb. Schafnab. ad a. 1071, Annalista Saxo, ad a. Cit. Origg. Guelficae L. VI. c. I. §. 3. 4.

 

 

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92 Geschichte der Deutschen,

 

so heftigen Grol auf ihn warf, so sezte er Ehre und Pflicht an die Seite, verließ den Ottro, und war mehr auf seine eigene Vortheile und Vergrösserung bedacht. Otto bat ihn um Unterstützung, diese schlug ihm Welf nicht nur ab, sondern trennete sich auch von seiner Gemahlin, und schickte sie ihrem Vater zurück. Endlich nahm er die Larve gänzlich ab, verschwendete Gold bey Hofe, gewann die Lieblinge Heinrichs, und gab sich alle Mühe, das Herzogthum Bayern an sich zu ziehen.

 

Dieser neue Zufall war Heinrichen sehr erwünscht. Er belehnte den Welf in Goslar in Gegenwart des Herzog Rudolphs von Schwaben mit dem Herzogthum Bayern, und entschloß sich, ihn selbst in Bayern einzusetzen, weil er wohl wußte, daß nicht nur Welf sich hierdurch bey andern Fürsten, sondern auch bey den bayrischen Grossen selbst, welche er in dieser Sache gar nicht gehört hatte, sehr verhaßt gemacht hatte. So sehr er aber wünschte, selbst in Bayern gegenwärtig zu seyn, und die etwa entstehende Unruhen zu unterdrücken, so sehr befürchtete er, sein geliebtes Goslar möchte den Feinden preiß gegeben werden, wenn er sich aus Sachsen entfernte. In dieser Unentschlossenheit versprachen ihm endlich einige Sachsen, auf welche er sich verlassen konnte, daß sie die Stadt mit einer Besatzung sattsam beschützen wollten; er möchte sich also hierdurch von seinem bayrischen

 

 

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Zuge nicht abhalten lassen. Otto geriethe hierdurch in die äusserste Verzweiflung, Sein Herzogthum war in den Händen seines meineidigen Tochtermanns, und seine eigene Güter waren eine Beute der verheerenden Flamme geworden. Es blieb ihm nichts übrig, als es auf ein Haupttreffen mit dem König selbst ankommen zu lassen. Er lagerte sich also am Berge Hasungen in Hessen, verschanzte denselben, brachte die eingetriebene Beute dahin, und erwartete den König. Heinrich zog in aller Eile aus Thüringen, Sachsen und Hessen so viele Truppen zusammen, als er konnte, gab den andern Fürsten Befehl, ihm, wenn der Feldzug etwas länger währen sollte, mit frischen Völkern zu Hülfe zu kommen, und gieng auf den Feind los. In seinem Gefolge hatte er auch den tapfern und klugen Schwaben, Graf Eberhard von Nellenburg, den er eines besondern Vertrauens würdigte. Dieser erfahrne Graf traf ein feindliches Heer an, welches aus lauter geübten Soldaten bestand, und in der Verzweiflung entweder siegen oder sterben wollte. Er überlegte die Folgen, welche ihr Sieg oder Verlust nach sich ziehen könnte, und weil er seinen König einer solchen Gefahr nicht aussezen wollte, so hielte er für das rathsamste, den Weg der Unterhandlungen einzuschlagen, und zu versuchen, ob er den Otto nicht zu einem Vergleich bewegen könnte. Er verfügte sich selbst zu Otto, und bat ihn inständig, er möchte

 

 

 

94 Geschichte der Deutschen,

 

doch ihn und sein Volk keiner solchen Gefahr aussezen. Er versicherte ihn, daß noch nicht alle Hofnung verloren sey, vielleicht würde ihm der König Gnade widerfahren lassen, wann er vom Berge herabgienge, und sich unter guten Bedingungen dem König ergäbe. Er versprach ihm mit einem Eide, er wollte ihm Gnade bey Heinrichen auswirken, es sollte ihm alles verziehen, dessen man ihn beschuldigte, und seine verlorne Güter sollten ihm ebenfalls wieder zurückgegeben werden. Otto ließ sich bereden, und schickte den Eberhard an den König. Heinrich gab ihm ein geneigtes Gehör. Er sahe die Schwierigkeiten ein, einen so wohl verschanzten Berg zu übersteigen, er war dieses Kriegs müde, desto mehr, als er wahrnahm, daß es den Fürsten, welche wegen ihrer gemeinschaftlichen Verhältnisse aus Mitleiden und Liebe zu Otto sich nicht beeilten, ihren König in diesem Feldzuge zu unterstützen, kein grosser Ernst wäre, ihm Völker zuzuführen. Otto stieg also vom Berge herab, Heinrich und er schlossen und beschworen einen Waffenstillstand bis auf Ostern, unter der Bedingung, daß sich Otto um diese Zeit in Cölln einfinden, und erwarten sollte, was die Fürsten in seiner Sache entschieden. Otto entließ also sein Heer, Heinrich aber zog nach Bayern, wo er die Reichsangelegenheiten, so viel es die Umstände erlaubten, in gute Ordnung brachte, hierauf wieder an den Rhein zurück gieng, und das verheerte Schloß

 

 

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Hamerstein zwischen Coblenz und Bonn wieder herstellte, Ostern in Cölln hielte, dem Otto seine gerichtliche Frist bis auf Pfingsten verlängerte und sich hierauf nach Lüttich begab.

 

Auf diesem Zug begleiteten ihn die angesehenste Bischöffe und Fürsten des Reichs, seine eigene Gemahlin Berta, Hanno von Cölln, Wilhelm B. von Utrecht, Dieterich B. von Verdun, und Gregorius B. von Vercelli, der als Canzler von Italien sich am königlichen Hoflager aufhielt, und von weltlichen Fürsten erschienen Herzog Gottfried von Lothringen, Herzog Rudolph von Schwaben, Herzog Welf von Bayern, und andere. In Lüttich fand sich auch Richildis, die Witwe des ermordeten Graf Balduins von Flandern, ein, welche wider ihren Schwager Robert, der sie und ihre Kinder vertrieben hatte, Hülfe und Schuz suchte. Sie verdiente Mitleiden, Heinrich war auch bereitwillig, ihr beyzustehen, er empfahl ihre Sache den benachbarten Reichsfürsten, aber diese fanden viele Bedenklichkeit, den königlichen deutschen Hof mit dem französischen zu entzweyen, und ihre angränzende Länder der Gefahr auszusetzen. In der Grafschaft Flandern war damals schon ein Grundgesez, daß die ganze Grafschaft ungetheilt beysammen bleiben sollte. Starb ein Graf, so übergab er den Besiz der Grafschaft einem seiner Söhne, den andern theilte er von

 

 

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96 Geschichte der Deutschen,

 

seinen Allodial-Gütern so viel zu, daß sie ihren Unterhalt sich davon verschaffen, und ihr Glück in fremden Diensten versuchen konnten. Graf Balduin der ältere, hatte zween Söhne hinterlassen, Balduin den jüngern, und Robert. Den Aeltern erklärte er als seinen Nachfolger in der Grafschaft, dem Jüngern gab er Geld, und ließ ihm Schiffe ausrüsten, auf welchen er sich in der Ferne sein Glück suchen sollte. Robert warb einige Mannschaft an, und gieng mit derselben zu Schiffe, in der Absicht, an der Küste von Gallitien anzulanden, und sich dieses Land mit dem Degen in der Faust zu erobern. Dieser abendtheuerliche Vorsaz gerieth ins Stecken, er landete zwar an, wurde aber von den Einwohnern so übel empfangen, daß ihm seine meiste Leute niedergehauen, und kaum noch einige Schiffe übrig gelassen wurden, auf welchen er zu seinem Vater zurückkehrte. Der alte Balduin empfieng ihn mit grosser Verachtung, schalt ihn als einen Feigen, und jagte ihn als einen unwürdigen Sohn davon. In dieser Verzweiflung fieng er an, sich wieder neue Truppen zu sammlen, seine Schiffe auszubessern, worauf er sich wieder zur See begab. Ein Sturm jagte ihn an die Küste, und vernichtete auch diese Hofnung. Sein lebhafter Geist entdeckte ihm gleich wieder eine neue Auskunft. Er verkleidete sich als ein Pilgrim, stellte sich, als ob er nach Jerusalem gehen wollte, und eilte nach Constantinopel, allwo einige

 

 

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Normannen, welche damals in den Diensten des griechischen Kaisers standen, ihm Hofnung machten, daß es sehr leicht wäre, ein griechisches Fürstenthum zu erobern. Der griechische Kaiser erfuhr seine Absicht, und ließ Befehl geben, ihn, wo man ihn fände, zu ermorden. Die Gefahr schreckte ihn ab, er kehrte also wieder zurück, und weil er doch die Ehre haben wollte, mit seiner Faust ein Fürstenthum zu erobern, so fiel er über Friesland her: So wenig es anfangs schien, daß er dieses Vorhaben durchsezen würde, so ermüdete er doch endlich durch seine verzweifelte Angriffe die Frieslander, daß sie sich, ihm ergaben. Sein Bruder Baldum ward hierüber eifersüchtig, und zog mit einem Heere wider ihn aus, um ihn aus dieser neuen Eroberung zu vertreiben. Robert schickte ihm Gesandte entgegen, und ließ seinen Bruder bitten, nachdem er so viele Gefahren überstanden, und endlich mit seiner Faust ein Land erobert hatte, auf welches sein Bruder keinen Anspruch machen konnte, so möchte er sich mit Flandern begnügen, und ihn nun in seinem Alter ruhig sterben lassen. Balduin verachtete diesen Antrag, und nöthigte hierdurch den Robert, ihm wieder mit bewafneter Hand entgegen zu gehen, und seine Eroberung zu vertheidigen. Es kam zum Treffen, in welchem das Heer Balduins geschlagen wurde. Balduin selbst, der die Ordnung wieder herstellen wollte, rannte unter die Feinde hinein, und wurde erschlagen.

Gesch. der Deutschen II Bd.

 

 

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Robert zog also von seinem Siege alle Vortheile, die möglich waren. Er fiel in Flandern ein, und nahm davon in seinem eigenen Nahmen Besiz. Der junge Sohn Balduins begab sich gleich nach der Schlacht nach Frankreich, um bey König Philipp Hülfe zu suchen, welcher sie ihm auch nicht verweigerte, in Flandern einfiel, aber von Robert ebenfalls geschlagen wurde. Der junge Balduin verließ also mit seiner Mutter Frankreich, flüchtete sich zum König Heinrich, und flehete ihn um Schuz wider seinen Oheim an. Heinrich beobachtete hiebey das Interesse seines Reichs, und erwarb die Vestung und Grafschaft Mons, welche die Mutter Balduins von ihrem vorigen Gemahl zur Morgengabe empfangen hatte. Er übergab aber nicht nur Mons und Beaumont, sondern auch die Abteyen S. Aldegonde zu Maubenge, S. Gislain, Haumont, nebst den Probsteyen S. Vincent in Soignies, S. Sauve, eine in Conde, S. Peter in Leuse, S. Landelin in Crespin, S. Johann in Valenciennes dem Bischoff von Lüttich, g) welcher diese Länder dem Herzog in Lothringen als ein Lehen, und dieser hinwieder dem jungen Balduin als ein Afterlehen auftrug. Heinrich war vergnügt, seine Hoheit in diesen Gegenden behauptet zu haben, und gab nun dem Herzog Gottfried und andern lothringischen Grossen Befehle, den jungen Balduin zu schützen, und

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g) Jo. Chapeaville gesta Pontif. Tungr. T. II.

 

 

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den Robert mit Gewalt aus seinem Lande zu vertreiben. Der schlaue Robert hatte indessen Mittel gefunden, sich mit dem König in Frankreich auszusöhnen, Gottfried zog sich also eilends aus Flandern zurück, weil er es nicht für rathsam hielte, sich mit Frankreich in einen öffentlichen Krieg verwicklen zu lassen. In Friesland hingegen erwarb sich Gottfried durch seine Siege ein grosses Ansehen, h) und vertheidigte die Rechte des Kaisers in diesen Gegenden mit vielem Nachdruck.

 

Hievon zeugen seine Unternehmungen in der Grafschaft Holland. In diesem Lande herrschte seit dem Jahr 1062 Diererich V. unter der Vormundschaft seiner Mutter Gertrud, welche im J. 1064 obgemeldten Robert geheurathet hatte. Dieser übernahm während der Minderjährigkeit seines Stiefsohns die Regierung von Holland, und erwarb sich hierdurch ein starkes Uebergewicht der Macht. Wilhelm, Bischoff von Utrecht, der auf diesem Zuge ebenfalls zugegen war, wußte dem König die Gefahr, die Holland lief, so lebhaft vorzustellen, daß er sich entschloß, diese Reichs-Provinz nicht mehr in den Händen eines auswärtigen Fürsten zu lassen. Er übergab sie also samt der Abtey Egmont diesem Bischoff, und befahl ihm, mit Hülfe Herzog Gottfrieds, zu dessen Herzogthum Holland eigentlich gehörte, dieser Regierung ein Ende zu machen, und den

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h) Sigeb. Gemblac. ad a. 1071.

 

 

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100 Geschichte der Deutschen,

 

Robert zu vertreiben. Gottfried that auch mit dem Bischoff einen Einfall in Holland, schlug den Robert, verjagte ihn, bezwang Ost-Friesland, und überließ es dem Bischoff, auf den jungen Grafen Dieterich und seinen Stiefvater ein wachsames Aug zu haben, zu welchem Ende er ein Castell in Isselmunde anlegte. Die Achtung für das Reich war also auf dieser Seite wieder bevestigt, und Gottfried herrschte diese Gegenden einige Jahre über als ein wahrer Freund Heinrichs i). Sonderbar war es, daß Heinrich auf diesem Zuge zween Gemahle der Gräfin Marhildis, welche ihm hernach so vielen Verdruß verursachte, bey sich hatte, den Gottfried, der mit ihr schon verlobt war, und den Welf, der sich zwar auf diesem Zuge eine andere Gemahlin Judith, des ältern Graf Balduins Tochter, und Tosti, Herzogs von Northumberland Witwe erwählt hatte, in der Folge aber ebenfalls die Marthildis heurathete, und gegen den König eben diejenige Treue zeigte, die er gegen seinen Schwiegervater gezeigt hatte.

 

So vergnügt Heinrich von diesem Zuge zurückgekommen war, so unangenehme Nachrichten erhielte er aus Ungarn von seinem Schwager Salomo, welcher indessen wieder aus Ungarn vertrieben worden war. Salomo wandte alles an, die Ungarn wieder unter das Joch zu

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i) c. Magnum Chronicon Belgicum apud Pist, T. III. S. 130.

 

 

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101 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

bringen, und seine Gegner, den Geysa und Ladislaus zu bezwingen. Er zeigte seine Bereitwilligkeit, das Reich als ein Lehen vom deutschen König anzunehmen. Es war aber dieses die Zeit nicht, da Heinrich ihn unterstützen konnte, und bald hernach mengte sich der Pabst in die Sache, welcher in einem Brief an den Salomo es ihm in bittern Ausdrücken vorwarf, daß er das Recht und die Ehre des h. Peters geschmälert, und das Reich als ein Lehen vom deutschen König empfangen hätte. Heinrich hatte auch in der Folge noch viel weniger Musse, seine Hoheit in Ungarn geltend zu machen. Salomo schickte im J. 1074 neue Gesandte an ihn, und bat ihn aufs ernstlichste. Er stellte ihm sogar zwölf Geissel, und ließ ihm versprechen, daß er ihm nicht nur zinsbar seyn, sondern auch sechs Vestungen in Ungarn als ein Pfand seiner Treue überlassen wollte. Heinrich suchte von den Reichsfürsten Hülfe zu erlangen. Die Gährung aber war damals zu hoch gestiegen, er erlangte also von keinem, was er wünschte. Sein Ehrgeiz, Lorbeere einzuerndten, und die Begierde, schöne Vortheile nicht aus Händen zu lassen, veranlaßten ihn, mit seinem eigenen Heer nach Ungarn zu ziehen, wo er zwar anfangs einiges Glück hatte, durch den Mangel an Lebensmittel aber, welche ihm Geysa abgeschnitten, genöthigt wurde, Ungarn wieder zu verlassen.

 

In Deutschland mußte sich Heinrich nach seiner Rückkehr aus Niederlothringen meistens

 

 

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102 Geschichte der Deutschen,

 

mit seinen Bischöffen und Aebten beschäftigen. Hatte er einen Bischoff befördert, so fand er allemal bey den Stiftern die Einwendung der Simonie. Machte er in den Abteyen Verfügungen, so nannte man sie willkührlich, und die Besitzer der Klöster erhoben ihre Stimme darwider. Davon hatte man an Stablo ein Beyspiel. Weil Heinrich auf Anrathen Adelberts bey der ersten Anwesenheit dieses Erzbischoffes bey Hofe dem Erzbischoff Hanno Malmedi geschenkt hatte, so lagen die Mönche von Stablo dem König beständig in den Ohren, ihnen Malmedi wieder zu geben. Sie weinten, sie baten, sie wurden ungestümm, und als sie kein Gehör fanden, spielten sie eine andächtige Scene. Als der König mit seinem Gefolge zur Tafel saß, hoben sie den Leib des h. Remaclus aus seiner Gruft empor, und legten ihn auf die Tafel des Königs hin. Der erzürnte König stand auf, und gieng davon, der zu schwer beladene Tisch brach, und schlug einem Minister des Königs ein Bein ab. Man machte ein Wunder daraus, und der König wurde veranlaßt, diesen ungestümmen Mönchen Malmedi wieder zu geben. Bey andern Abteyen zog Heinrich so viele Vortheile für sich, daß er die Aebte selbst ermüdete. Meginward, Abt von Reichenau, bekam so viele Befehle von Hof, die Grundstücke des Klosters königlichen Rittern zu verleihen, daß er seiner Abtey entsagte, weil sie so sehr beschwert war, daß die Einkünfte

 

 

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davon kaum noch zum Unterhalt der Mönche hinreichend waren. Heinrich entließ ihn im Frieden, und verordnete an seine Stelle den Abt Rubert vön Bamberg, den man wegen seines grossen Vermögens den Wechsler nannte. Dieser reiche Mönch bezahlte in die Casse des Königs tausend Pfund Silbers, und gab k) das böse Beyspiel, daß man bey Hofe alle Abteyen feil bot. Rubert hatte dam König hunderts Pfund Gold geboten, wenn er ihm auch noch die Abtey Fulda gäbe, und viele bey Hofe waren schon bestochen. Rechtschaffene Männer aber widerriethen es dem König als eine Sache, welche bedenkliche Folgen haben könnte, wenn man Aebte noch bey ihren Lebzeiten auskaufte. Rubert gelangte aber nicht so leicht zum Besiz des Klosters Reichenau, als er sichs eingebildet hatte. Der Advocat desselben widersezte sich und bedrohete ihn, einem so geldsüchtigen Abt sich mit allem Ernst zu widersezen. Hingegen hatte Rubert in seinem vorigen Kloster von Bamberg den kaufmännischen Geist so sehr ausgebreitet, daß alle Mönche mehr handelten, als auf die Erfüllung ihrer Pflichten bedacht waren, und als sie einen neuen Abt bekamen, der die klösterliche Eingezogenheit liebte, lieber alle davon liefen.

 

Eben so verhaßt war Carl, Bischoff von Costniz, bey seinem Stifte. Der Pabst hatte zwar seine Sache an seinen Stuhl abgerufen, und Carl betrieb seine Einweyhung in Rom

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k) Lamb. Schafn. ad a. 1071.

 

 

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104 Geschichte der Deutschen,

 

aufs nachdrücklichste. Die costnitzische Domherrn aber widersprachen aus allen Kräften, und wollten keinen Bischoff haben, den sie außer dem Laster der Simonie noch beschuldigten, daß er ihre Einkünfte entwendet hatte. Der Pabst lehnte also diese verdriesliche Sache von sich ab, und ernannte den ordentlichen Metropolitan als Richter in derseiben, welcher beyde Partheyen vor sich berufen, und den Bischoff keineswegs einweyhen sollte, wo er sich nicht wegen der wider ihn angebrachten Verbrechen rechtfertigte. Der Erzbischoff sagte deswegen zwar eine Synode an, Heinrich aber war darüber sehr bös, daß man einen Mann, der ihm so viele und getreue Dienste that, auf eine so empfindliche Weise beunruhigte. Er ließ auch den Sigfried seinen Unwillen empfinden, daß er ihn nicht gleich, ohne den erbosten Domherrn Gehör zu geben, eingeweyht hätte. Sigfried entschuldigte sich mit der Ungnade des Pabstes, der keinen Verdacht der Simonie dulden wollte, und ihm deswegen gemessene Befehle ertheilt hätte. Heinrich begab sich selbst auf den Weg nach Maynz, um einer so wichtigen Rechtssache nebst dem Erzbischoffe anzuwohnen, hatte aber in Herfelden das Unglück, daß sein theurester Freund Luipold von Merseburg, den man bezüchtigte, daß er durch seine Verläumdung das Unglück des Otto befördert hätte, in seinen eigenen Degen fiel, und todt blieb. Dieser Todesfall gieng dem König sehr nahe, er ließ ihn standesgemäßig

 

 

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begraben, und sezte seinen Weg nach Maynz fort. Während daß sich der König seiner Freunde so ernstlich annahm, saß Otto, der durch den Luipold gestürzte Herzog, in Verhaft, nachdem ihn der König samt seinen Anhängern in Halberstadt einigen Reichsfürsten zur Verwahrung übergeben hatte, bis er wieder von seinem Zuge zurückkäme.

 

In Maynz stellten sich der Beklagte und der Kläger ein, und der König saß in der Synode mit den Bischöffen zu Gerichte. Diese warfen jenem eine Menge Verbrechen vor, welche der König entweder läugnete, oder entschuldigte, oder wenigstens milderte.Wagten es die Kläger, sich zu viele Freyheit heraus zu nehmen, so strafte er sie, tadelte ihre Unverschämtheit, und hielte sie an, vor der Majestät ihres Königs mehr Achtung zu bezeugen. Er brachte ein paar Tage damit zu, und als die Domherrn zu redende Beweise von dem ihm zur Last gelegten Diebstal beybrachten, und Carl die ganze Versammlung der Bischöffe wider sich hatte, so fällte er endlich das Endurtheil, Carl sollte ihm den Hirtenstab, womit er ihn belehnt hatte, wieder zurückgeben. Er that es aber auf eine solche Weise, daß jedermann wahrnahm, Heinrich habe Carln seine Gnade nicht entzogen, wie er ihn denn versicherte, bey einer andern Gelegenheit seiner zu gedenken. Carl erlebte diese Ehre nicht, sondern starb bald hernach. Damit ihm aber

 

 

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106 Geschichte der Deutschen,

 

der päbstliche Hof mit keinen solchen Ränken mehr beschwerlich fiel, so ernannte er gleich an seine Stelle einen Domherrn von Goslar, Otto, und ließ ihn noch in seiner Gegenwart einweyhen. Heinrich zeigte mit zunehmenden Jahren mehr Klugheit, über seinen einmal gefaßten Urtheilen hielte er standhafter, ials zuvor, es hatte sich auch die Widrigkeit wider seine Gemahlin etwas verlohren, sie hatte ihm den ersten Sohn gebohren, der aber als ein Kind wieder starb, und in seinem Schloß Harzburg begraben wurde. Jedoch blieb er noch immer wankelmüthig, und sein folgendes Betragen widersprach dem vorhergehenden bald wieder.

 

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Ein viel wichtigerer Verlust für ihn war der Tod seines getreuen Adelberts, ohne welchen er bisher nichts wichtiges unternommen hatte. Er starb in Goslar, und hinterließ den Ruhm eines zwar Staatsklugen, und für die Hoheit seines Königs eifrigst bemühten, dabey aber stolzen und ehrgeizigen Mannes. Der Könis entschloß sich zwar, einige Zeit allein und ohne Minister zu regieren: Als er aber auf seiner Reise an den Rhein nach Utrecht kam, so war er allda einem Auflauf des Volks ausgesezt, das ihm auf öffentlicher Strasse nachschrye, daß Ungerechtigfeiten verübt würden, daß man die Unschuld unterdrückte, und ungestraft alle Frevel begieng. Dieses ungestümme Geschrey veranlaßte einige Reichsfürsten,

 

 

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107 Fünfte Periode. Heinvich IV.

 

ihm vorzustellen, daß es nöthig wäre, wieder einen von den Reichsfürsten sich zugesellen, der die Last mit ihm theilte. Heinrich wandte sich also wieder an den Hanno, und bat ihn, sein Minister zu seyn. Hanno widersezte sich anfangs, und wollte diesen schlüpfrigen Weg nicht mehr betreten, gab aber endlich dem Andringen der Reichsfürsten nach, und auf diese Weise geschahe die sechste Veränderung am Hofe Heinrichs.

 

Anfangs giengen die Sachen nach Wunsch. Hanno stellte überall die Ordnung wieder her und der König folgte seinem Rathe. Rechtssachen und Klagen übergab er ihm zur Entscheidung, und Hanno übte die strengste Gerechtigkeit aus. Die Raubnester einiger Grossen ließ er schleifen, und diejenige, so Gewaltthätigkeiten verübten, ohne Ansehen der Person in Verhaft nehmen. Den ruchlosen Egino, der den Herzog Otto angeklagt hatte, ließ er wegen seiner beständigen Räubereyen festsetzen, und ihn mit Ketten beladen, dem Volk vorstellen, um hierdurch die Regierung des Königs etwas beliebter zu machen. Heinrich that sich auch mehr Gewalt an, als zuvor. Die Beförderungen fielen auf würdige Männer, Adelbert von Bremen bekam einen würdigen Nachfolger an Limar, dem auch der P. Alexander II. das Pallium verliehe, und der hernach in der folgenden Verwirrung besondere Treue gegen den Kaiser zeigte.

 

 

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108 Geschichte der Deutschen,

 

Unter dem Hanno erhielt auch Otto nach einem jährigen Verhaft wieder seine Freyheit, beraubte sich aber eines grossen Theils seiner Güter, die er theils dem König selbst, theils denen, die sich für ihn verwandt hatten, abtrat.

 

Es währte aber nicht lang, so hatte der Hof Heinrichs wieder die vorige Gestalt. Sein Zwang, den er sich anthat, hörte auf, und er lebte nach seiner Willkühr. Er fieng wieder an, seinen Hofschmeichlern Gehör zu geben, welche die Fürsten des Reichs ihm verdächtig machten. Dieses Unglück traf nunmehr auch seinen eigenen Schwager, den Herzog Rudolph von Rheinfelden. Man bezüchtigte ihn, daß er dem König untreu würde, und im Reiche Neuerungen anfangen wollte. Heinrich schickte ihm einen Befehl über den andern, sich bey Hofe einzufinden, und wegen des wider ihn geschöpften Verdachts sich zu rechtfertigen. Rudolph war sich keiner Untreue bewußt, er erschiene also nicht, weil er durch das Unglück des Otto sattsam gewarnet war, auch den König kannte, wie unversöhnlich er wäre, wenn er einmal einen Verdacht wider jemand geschöpft. Vielmehr wandte er sich an seine Schwiegermutter Agnes, welche vormals ein grosses Vertrauen in ihn gesezt hatte. Ihre Tochter, Rudolphs Gemahlin, war zwar bald nach der Vermählung mit Tode abgegangen, Rudolph aber wußte wohl, daß,

 

 

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109 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

wenn kein Mensch etwas bey dem König auszurichten vermochte, er doch den Vorstellungen seiner getreuen Mutter folgte. Rudolph schrieb also an sie, bat sie, um grösser Unglück zu verhüten, selbst nach Deutschland zu kommen, sie kam auch mit einem grossen Gefolge von Aebten und Mönchen in Worms an, und machte ihrem Sohne so bündige Vorstellungen, daß Rudolph erschien, und auf Vermittlung der beeden Erzbischöffe von Cölln und Maynz losgesprochen wurde. Rudolph gieng also wieder nach Schwaben zurück, war aber auf seiner Hut, weil er wohl wußte, daß der Groll Heinrichs noch nicht gänzlich entwafnet wäre. Unter den Aebten aber, welche sich damals am königlichen Hoflager einfanden, kam auch der Abt Hugo vom Kloster Clugni, welcher wegen des Abts von Reichenau den geschärften päbstlichen Befehl mitbrachte, daß er als ein Verbannter zu achten, und folglich unfähig sey, weder die Abtey Reichenau, noch sonst eine geistliche Würde zu begleiten. Er übergab also ebenfalls den Hirtenstab an den König zurück. Heinrich empfand diese Eingriffe des päbstlichen Hofes sehr schmerzlich. Die Sachen waren aber schon allzuweit gediehen, als daß er sich mit Nachdruck hätte widersetzen können. Noch weher that es ihm, daß Alexander fünf seiner vertrautesten Freunde und Diener mit dem Banne belegt hatte, l)

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l) Fiorentini. L. I. p. m. 106. ex Act. Card. Arragon, in biblioth. Canon. Luc. in Vita Greg. VII.

 

 

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110 Geschichte der Deutschen,

 

welches ein Anfang war, den sein Nachfolger noch weiter ausdehnt.

 

Nach dem Rudolph traf die Reihe den Herzog Bertold von Kärnthen, den Heinrich ohne gerichtliche Untersuchung seines Herzogthums entsezte, und es seinem Vetter Marquard gab. Dieses war ein neuer Beweggrund für den Rudolph, auf seiner Hut seyn.

 

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Seine kriegerische Zurüstungen erregten Verdacht. Es giengen neue Mittler hin und her, und bemüheten sich, den Rudolph in Schranken zu halten, und den König zu gelindern Mitteln zu vermögen. Hanno aber ward über die willkürliche Art zu handlen, welche Heinrich von neuem zeigte, äusserst verdrüßlich. Er bat sich daher vom König seine Entlassung vom Ministerio aus, und erhielte sie ohne Mühe, weil er für den König ein allzu strenger Sittenrichter war.

 

Nun war sich Heinrich wieder selbst überlassen, und dieses ist die siebende Veränderung in seinem Leben, aber zugleich auch traurigste. Er überließ sich nun ganz seinem kriegerischen Geiste, legte auf den Anhöhen in Sachsen und Thüringen Schlösser und Vestungen an, und besezte sie mit seinen Truppen. Um seinen Soldaten den nöthigen Unterhalt zu verschaffen, erlaubte er ihnen, aus den nahe gelegenen Gegenden Lebensmittel mit Gewalt herbey zu schaffen. Die Einwohner wurden zur Zufuhr und zur Arbeit an dem Festungsbau

 

 

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111 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

gezwungen, welches seine Regierung in diesen Gegenden höchst verhaßt machte. Noch verhaßter wurde er, als er den Erzbischof von Maynz reizte, seine Zehendforderung wieder zu erneuen. Er versprach, ihn mit seiner ganzen Macht zu unterstützen, und die Thüringer mit Gewalt zu zwingen, unter der Bedingung, daß ihm der Erzbischoff einen Theil der eingetriebenen Gelder zu seiner Schadloshaltung gestatten sollte. Dem Erzbischoff war diese Gelegenheit sehr erwünscht, er ergrief sie mit Freuden, und sezte deswegen eine Synode in Erfurt an. Auf derseiben war Heinrich selbst zugegen. Sigfried brachte einige Canonisten mit, welche seine Forderung als gültig erwiesen, und die Bischöffe von Bamberg, Hildesheim, Zeiz und Osnabrück erkannten sie Sigfrieden zu. Es mochte sie nun Achtung für den König und eine persönliche Freundschaft für den Erzbischoff, oder Furcht vor den Heeren Heinrichs, zu diesem Endurtheile vermocht haben, so war ihr Ausspruch ein Zunder des heftigsten Kriegs. Die Thüringer warteten nur, wie sich die Aebte von Fulda und Hirschfeld in dieser Sache betragen würden, denn da sie die meiste zehendbare Güter in Thüringen und Hessen besassen, so traf auch sie die Last am härtesten. Man meldete ihnen den Schluß der Synode, und forderte ihnen die Zehenden ab. Sie beriefen sich auf kaiserliche, päbstliche und erzbischöfliche Privilegien Sigfried vernichtete ihre Einwendung dardurch, daß es in seiner

 

 

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112 Geschichte der Deutschen,

 

Macht stünde, Klöster, die sich seithero so sehr bereichert hätten, auch mit neuen Lasten zu belegen. Jene wollten sich darzu bequemen, ihm einen Theil der Zehenden zu entrichten, wenn er die drey übrige zum Besten ihrer Kirchen verwenden lassen würde. Sigfried wollte von keinem Abzug nichts wissen, sondern beharrte darauf, daß sie ihm die ganze Summe zu entrichten schuldig wären. Hierüber geriethen die Thüringer in eine solche Bestürzung, daß sie sich öffentlich wider die Synode erklärten, an den apostolischen Stuhl zu appelliren droheten. Dieses erzürnte den Heinrich so sehr, daß er sie mit einem Schwur versichere, er würde einen solchen unzeitigen Appellanten hinrichten, und alle seine Güter so verheeren lassen, daß man sich seines Zorns auf viele Jahrhunderte erinnern würde. Diese Drohung war ein Donnerstreich für die beeden Aebte. Der Abt von Hirschfelden legte sich zuerst zum Ziel, und überließ es ganz der Billigkeit des Königs, wie er diesen Streit beylegen wollte. Es wurde auch endlich durch Vermittlung Heinrichs ein Vergleich zwischen dem Erzbischoff und dem Abt geschlossen, kraft dessen der Abt in zehen seiner zehendbaren Kirchen zween Theile, der Erzbischoff aber den dritten, in den andern der Abt die Hälfte, und der Erzbischoff die andere Hälfte, wenn aber eine Kirche dem Erzbischoff eigen zugehörte, dieser den ganzen Zehenden erheben, alle eigene Güter des Erzbischoffs, sie möchten liegen, wo sie wollten;|

 

 

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von allen Zehenden frey bleiben sollten. Dieses Beysptel des Abts zog die andere Thüringer nach sich, welche sich nicht weiter widersezten. Der Abt von Fulda allein weigerte sich noch immer. Heinrich ließ ihn also seine Ungnade empfinden, und entließ ihn nicht eher von seinem Hoflager, als bis er sich nach dem Sinne des Königs bequemte. Es wurde also zwischen ihm und dem Erzbischof ausgemacht, daß die Halfte der Zehenden dem Erzbischoffe, die andere ihm zugehören, die eigene Güter eines jeden aber frey von Zehenden seyn sollten. Am Ende gebot der König beeden Aebten, unter Bedrohung seiner höchsten Ungnade, sich weder mittelbar noch unmittelbar wegen Vernichtung dieses Schlusses an den apostolischen Stuhl zu wenden. Er begab sich hierauf nach Regensburg, und nahm in Augsburg den Herzog Rudolph wieder zu Gnaden an.

 

Er hatte die allerwichtigste Ursachen, den Recurs nach Rom zu verbieten, weil er wohl wußte, was man allda für Plane wider ihn schmiedete. Beatrix und Mathildis hatten das vorige Jahr eine lange Unterredung mit dem Pabst Alexander II. in Lucca gehabt, m) was man für Maßregeln ergreifen könnte, um den König von Deutschland, der für den apostolischen Stuhl so wenig Achtung bezeugte,

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m) Fiorentini l. c. L. I. p. m. 115.

Gesch. der Deutschen II Bd.

 

 

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114 Geschichte der Deutschen,

 

zum Gehorsam zu zwingen. Man hatte von einigen Bischöffen in Deutschland von der wahren Lage der Umstände ausführliche und gegründete Nachrichten eingezogen und Alexander II. schien mit Genehmigung dieser beeden Prinzeßinnen fest entschlossen zu seyn, durch strengere Mittel ihn unter das Joch zu bringen. Eben damals kamen Hanno von Cölln und Hermann von Bamberg in Italien an, um allda die königliche Gefälle und Einkünfte einzuziehen, und Alexander II. hielte dieses für die bequemste Gelegenheit, ihnen den Auftrag zu machen, daß sie ihrem König bedieten, wegen der Simonie und anderer widriger Nachrichten, die man von ihm in Rom gehört hätte, Rechenschaft zu geben. Alles dieses erbitterte den Heinrich unendlich, jedoch hofte er, sich allda einen neuen Anhang durch den Herzog Gottfried den höckerichten, und durch den neuen Erzbischoff Wibert von Ravenna gemacht zu haben. Jener war am Ende des vorigen Jahrs nach Toscana abgegangen, und hatte sich allda mit der jungen Gräfin Mathildis, mit welcher ihn schon sein Vater verlobt, trauen lassen. Dieser hatte es durch den Vorspruch der Kaiserin Agnes und des noch königlich gesinnten Herzog Gottfrieds dahin gebracht, daß er, so sauer es auch Alexander geschahe, welcher nicht das günstigste Vorurtheil von Wibert hatte, doch endlich die päbstliche Einwilligung als Erzbischoff von Ravenna eingeweyhet wurde, nur damit er

 

 

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zufrieden gestellt, und ihm der Lust benommen würde, auf die königliche Seite überzutreten.

 

Alexander II. starb bald hernach den 22 März, und hinterließ den Ruhm, die Ehre des apostolischen Stuhls erhöht, und seinem Nachfolger eine neue Bahn eröfnet zu haben.. Noch vor seinem Tode ernannte er seinen Neffen Anselmus als Bischoff von Lucca, und gab ihn der Gräfin Mathildis als ihren geistlichen Rath bey. Ja er entschloß sich auch, nach seiner Einweyhung ihn nach Deutschland zu schicken, um allda vom König die Investitur zu bekommen. Anselmus trat auch diese Reise wirklich mit dem Bischoff Mainhard von S. Ruffina an, um der Absicht seines Oheims ein Genüge zu leisten. Als er aber in Deutschland ankam, fand er die Sachen schon in solcher Verwirrung, daß er sich der Investitur von einem Könige enthielte, mit welchem viele Reichsfürsten und der päbstliche Hof selbst mißvergnügt waren.

 

Am Tage der Beerdigung des verstorbenen Pabstes wurde der berühmte Cardinal Hildebrand als Pabst erwählt, und darüber von den Wählenden ein feyerliches Dekret abgefaßt. Der Neugewählte berichtete diesen Hergang gleich an den königlichen Hof, und schrieb dem König in den allerhöflichsten Ausdrücken, daß er diese Wahl nicht nur nicht gesucht habe, sondern auch noch jezo bereit sey, es ganz seiner Willkühr zu überlassen, wenn

 

 

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er ihn von dieser Last freysprechen wollte. In Deutschland verursachte seine Wahl keine allzu grosse Freude. Hildebrand stammte von einer in Italien zurückgebliebenen langobardischen Familie ab, welche in Toscana und im Herzogthum Rom viele und ansehnliche Güter bejaß. Er hatte sich durch seine Strenge, Klugheit und Eifer in den Sitten bisher vor allen andern Cardinälen hervorgethan, und man konnte also mit Grund vermuthen daß er auch im deutschen Reiche gewisse Gewohnheiten nicht duiden würde. Hievon hatte er auch in in seinem obgemeldten Briefe Erwähnung gethan, und bezeugt, daß, wenn es dem König gefiele, seine Wahl gut zu heissen, er sich gewisser Ausschweifungen enthalten möchte, die er nicht in die Länge dulden könnte. Dieses bewegte einige Freunde des Königs, ihm vorzustellen, sich den Folgen, die diese ohne königliche Einwilligung geschehene Wahl haben könnte, gleich zu widersetzen, und die Hitze dieses Mannes bey ihrer Geburt zu ersticken, wenn er nicht die traurigste Erfahrung davon mit seiner eigenen Gefahr machen wollte. Heinrich ernannte in dem ersten Feuer, das diese Vorstellnng bey ihm hervor brachte, einen Commissarius, der sich nach Rom vefügen und die Wahl untersuchen sollte. Graf Eberhard von Nellenburg erhielte diesen Auftrag, welcher sich in Rom einfand, und von Hildebrand sehr gütig aufgenommen wurde. Hildebrand verhütete aufs sorgfältigste, damit

 

 

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nicht gleich anfangs ein anderer Cadolus entgegen gesetzt würde. Er wußte daher den königlichen Commissarius so für seine Sache einzunehmen, daß Eberhard, nachdem ihn Hildebrand bey Gott versicherte, daß er sich aller eigenen Geschäftigkeit in seiner Wahl enthalten hätte, an den königlichen Hof in gleichem Tone schrieb, und dem König meldete, Hildebrand hätte eben deswegen seine Einweyhung bis auf die königliche Bestätigung ausgesezt. Heinrich ließ sich hierdurch gewinnen, und schrieb seinem Canzler in Italien, dem B. Gregorius von Vercelli, er sollte unverzüglich sich nach Rom begeben, und der Einweyhung des Pabstes beywohnen. Auf diese Weise wurde Hildebrand an Petri und Pauli Tag eingewey, das folgende Jahr nach Lichtmeß feyerlich gekrönt, und nahm den Namen Gregorius VII. an. Heinrich hatte also selbst einen Feind erhoben, der ihn durch süsse Worte täuschte.

 

Die Wirkungen davon empfand er bald hernach, als er seinen Plan in Sachsen auszuführen gedachte. Hier regierte er gänzlich mit willkürlicher Macht, seine Besatzungen in seinen Schlössern drückten die Sachsen und Thüringer aufs härteste. Unter dem Vorwand von Tributen, Zöllen und Zehenden verheerten sie ganze Flecken und Dörfer, trieben die Heerden weg, und nötigten die freygebohrne und reichste Leute, ihnen als Sclaven

 

 

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Herrendienste zu leisten. Mit dem schönen Geschlecht wurde ein unbändiger Muthwillen getrieben, und wenn sich jemand über dergleichen Ungerechtigkeiten beschwerte, so steckte man ihn in Gefängnisse, und ließ ihn nicht eher los, als bis er alle seine Habseligkeiten zu Erkaufung seines Lebens aufgeopfert hatte. Dieses alles hatte anfangs den Schein, als ob es blosse Ausschweifungen der Soldaten wären, an welchen der König keinen Antheil hätte. Man lief daher truppenweise dem König zu und bat ihn um Milderung. Heinrich hatte sie selbst nach Goslar beschieden, und es fanden sich einige Bischöffe, Fürsten und Aebte bey Hofe ein: Aber der König behandelte sie mit so weniger Achtung, daß er sie den ganzen Tag vor seinem Zimmer warten ließ, und indessen mit seinen Hofleuten fortspielte. Nachts kam endlich einer vom Hofe heraus, und meldete, der König hätte sich durch eine andre Thüre entfernt, er würde sich aber bald wieder in Goslar einfinden. Dis schmerzte die anwesende Fürsten so sehr, daß sie dem König unverzüglich allen Gehorsam würden aufgekündigt haben, wo nicht Markgraf Dedo ihren Zorn ein wenig gemildert hätte n). Heinrich kam wieder, verwarf aber alle Klagen, und machte den Sachsen den Vorwurf, daß dieses lauter gerechte Strafen über sie wären, die er als Diener Gottes über sie zu hängen das Recht hätte, und daß sie eine solche

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n) Annalista Saxo. ad a. 1073.

 

 

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Härte desto mehr verdienten, weil sie sich geweigert hätten, den Gesetzen der Kirche zu gehorchen. Dieser königliche Ausspruch schlug ihren Muth nieder, und sie litten bestürzt, was man ihnen auflegte.

 

Die Duldung der Sachsen, welchen doch so viele Geschichtschreiber dieser Zeiten eine allzugrosse Hitze zur Last legen, munterte den König auf, ihr Joch noch unerträglicher zu machen, sie aller ihrer Gesetze und Freyheiten zu berauben, ihre Güter zu confisciren, und ihr Land unter seine Schwaben auszutheilen. Dieser Plan, den seit Conrad I. Zeiten noch kein König von Deutschland versucht hatte, ein so angesehenes Volk und Glied der deutschen Nation in die Gestalt einer dienenden Nation herabzusetzen, wurde sehr geheim gehalten, jedoch hatte er die Anstalten darzu schon durch seine geheime Unterredung mit dem K. Sveno in Dännemark zu Bardewick gemacht, dem er einen Theil von Niedersachsen versprach, wenn er von dieser Seite die Sachsen mit Krieg überziehen wollte, während daß er auf der andern mit seinem Heere sie angreifen würde. Gleiche Verbindungen hatte er auch mit andern Fürsten und Völkern, vornemlich mit den Lutiztern geschlossen, deren Lande an Sachsen stiessen. Nachdem er alle diese Maßregeln getroffen hatte, so ließ er den Fürsten befehlen, sich zu einem Feldzug wider die Polen zu rüsten, welche wider sein Verbot Böhmen feindlich überfallen hatten.

 

 

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In Polen herrschte zu diesen Zeiten Herzog Boleslaus II, ein Sohn Casimirs, in Böhmen aber Wratislaus. Beede hatten wegen der Gränzen ihrer Länder schon 2 Jahre zuvor die heftigste Streitigkeiten, Heinrich hatte sie nach Meissen berufen, ihnen wegen ihres unruhigen Betragens einen Verweiß gegeben und ernstlich befohlen, in Ruhe zu bleiben, widrigenfalls würde er genöthiget seyn, sich wider denjenigen zu erklären, der zuerst den andern angriefe. Auf dieses Verbot hatten die Polen sehr wenige Achtung, sie fielen in Böhmen ein, und verheerten alles mit Feuer und Schwerdt. Heinrich bediente sich der guten Gelegenheit, einen Feldzug wider die Polen auszuschreiben, und unter dem Vorwand desselben die Sachsen seinem Harme aufzuopfern. Der Haß, den die sächsische und schwäbische Nation wider einander hegten, hatte allem Ansehen nach einen grossen Antheil an diesem Feuer. Da Heinrich seinen ganzen Hofstaat mit Schwaben besezte, und Leute von geringerem Stande um sich hatte, so verdroß es die Sachsen schon lang, daß diese Fremde das Mark des Landes verzehrten, feste Plätzte anlegten, und sich auf ihre Kosten bereicherten. Viele Grosse enthielten sich deswegen, bey Hofe zu erscheinen, wo sie nicht durch wichtige Ursachen darzu genöthigt, und zum König berufen wurden. In seinen Gesprächen nahm man gewahr, wie er gedachte. Er nannte die Sachsen

 

 

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niderträchtige und sclavische Leute, er entließ einige von ihnen seiner Dienste, von andern forderte er Fiscaldiendte, worzu sich jene nicht verstehen konnten. Beriefen sie sich auf ihre Freyheit, so entrüstete er sich, und bedrohete sie, mit bewehrter Gewalt sie aus seinem Reiche zu verjagen. Die Gemüther waren zu sehr erbittert, als daß es ohne Blutvergiessen hätte entschieden werden können. Man bemerkte bald unter den sächsischen Fürsten heimliche Zusammenkünfte, wo sie sich berathschlagten, wie sie ihre Freyheit retteten. Ihre Hauptversammlung hielten sie an einem unbekannten und geringen Ort Holeinsleben, allwo Otto den Vorsiz führte, seine Klagen vorbrachte, und allen erklärte, daß er Heinrich nicht mehr als König erkenne. Der Bischoff von Magdeburg beschwerte sich, daß Heinrich seine Stadt ein paarmal feindlich überfallen habe. B. Bucco von Halberstadt klagte, daß der König seiner Kirche einige Güter entzogen hätte. Dedo führte gleiche Klagen. Graf Hermann beklagte, daß man ihm durch List seine Stadt Lüneburg entzogen hätte. Pfalzgraf Friderich hatte ebenfalls einige Güter verloren. Am meisten Mitleiden aber erregten Friderich vom Berg, den der König seiner Freyheit, und Wilhelm, zugenannt König von Lutesleben, den Heinrich seiner Erbschaft beraubt hatte. Ale schryen zusammen, solchen Gewaltthätigkeiten würden sie unter einer so willkührlichen Regierung alle ausgesezt seyn. Ihre Entschliessung,

 

 

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welche sie mit einem Eide versiegelten, war, lieber zu sterben, als sich die von Voreltern anererbte Freyheit rauben zu lassen.

 

Die Häupter dieser Verschwörung waren also eines theils Bucco von Halberstadt, ein wegen seiner strengen Sitten in grossem Ansehen stehender Bischoff, der aber wegen seiner Anhänglichkeit an den römischen Hof viele Verdrüßlichkeiten mit Heinrichen gehabt hatte; andern theils Otto, der abgesezte Herzog Bayern, und Hermann, des gefangenen Erbprinzen Magnus von Sachsen Oheim, dessen Vater Ordulph das vorige Jahr mit Tode abgegangen war. Heinrich hatte den Magnus schon ein paar Jahre über in engem Verhaft gehalten, und keiner Fürbitte für ihn Plaz gegeben. Er wollte ihn auf keine andere Bedingung loslassen, als wenn er seinem Herzogthume und allen seinen Erbgütern entsagte. Magnus war zu grosmüthig, als daß er in die gänzliche Veräusserung seiner Staaten willigte. Freymüthig erklärte er sich, lieber wollte er sein ganzes Leben im Verhafte zubringen, ja sich aller Marter unterwerfen, aber kein Mensch würde ihn zwingen, das zu verlassen, was seine Voreltern mit so vielem Ruhme erworben hätten. Otto und Hermann verwandten sich alles Ernstes für ihn; sie baten, sie boten Geld und Güter an, sie beriefen sich auf ihre Dienste, die sie dem König und dem Reiche geleistet hätten, Otto bezeugte endlich,

 

 

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der König möchte ihn an die Stelle des Magnus ins Gefängniß legen, er möchte den vorigen Vergleich mit ihm als nicht geschlossen ansehen, alle seine Güter nach Belieben austheilen, nur aber den Magnus, seinen Freund und Anverwandten loslassen, der sich sein ganzes Unglück durch seine Treue gegen ihn zugezogen hätte. Auf diese dringende Vorstellung antwortete der König ganz stolz, alles was Otto hätte, sey ohnediß schon dem König anheim gefallen er dürfe sich nicht vorstellen, daß ihm sein voriges Verbrechen verziehen sey, alles, was er besitze, gehöre dem Könige zu. Otto ward hierdurch noch mehr erbittert, und arbeitete mit Nachdruck an einem starken Bündniß, welches gegen die willkürliche Macht des Königs das Gegengewicht zu halten im Stande wäre.

 

Es glückte ihm, den Bischoff Wezel von Magdeburg, den Bischof Hezel von Hildesheim, den Bischoff Werner von Merseburg, die Bischöffe von Minden, von Paderborn, von Meissen auf seine Seite zu bringen. Von weltlichen Fürsten traten dem Bündnisse bey Markgraf Udo von Stade, Markgraf Dedo III. von der Lausniz und seine kriegerische Gemahlin Adela, Markgraf Ekbrecht II. von Thüringen, Pfalzgraf Friderich von Somerseburg, o) Graf Dieterich von Catlenburg,

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o) Struve annales vetero - Cellenses apuid Menken. T. II. p. 381.

 

 

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nebst andern Grafen, die in einer Verwandtschaft mit gemeldten Häusern standen. Ueberhaupt war in Sachsen und Thüringen die Gährung so groß, daß alles, was nur die Waffen führen konnte, zusammen lief, und sich unter einem Eide verpflichtete, nicht eher das Gewehr niederzulegen, als bis sie ihre Freyheit und die Ehre ihrer Gesetze wieder vollkommen würden hergestellt haben. Auf diese Weise brachten sie ein Heer von sechszig tausend Mann zusammen, welche alle für ihr Vaterland begeistert waren. Das Herzogthum Sachsen war noch nicht gesezmäßig ersezt. Ordulph war todt, und sein Sohn Magnus, dem es nach dem Erbfolgerecht zugehörte, p) saß noch in Harzburg gefangen. Es war auch keine Hofnung, daß ihn Heinrich los liesse, als bis er aus Verdruß über seine Gefangenschaft seinem Recht entsagte, und hierdurch den König berechtigte, dieses Herzogthum zu geben, wem er wollte. Einige Bischöffe weigerten sich, diesem Bündnisse beyzutreten, unter welchen sich der Erzbischof Limarus von Bremen, Bischoff Eppo von Zeiz, B. Benno von Osnabrück ausnahmen. Weil die herrschende Parthey zu stark war, so blieb für sie kein ander Mittel übrig, als daß sie Sachsen verliessen, und sich zu dem König begaben, dem sie auch, so lang der Krieg währte, die treueste Dienste thaten.

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p) Lamb. Schafn. apud Pistoriam T. I. p. 356.

 

 

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Nachdem sie bereits alle Zurüstungen gemacht hatten, schickten sie ihre Gesandte an den König nach Goslar, und trugen ihm ihre Forderungen vor, welche folgende waren:

1) Möchte der König sie vom polnischen Feldzuge freysprechen, weil sie ohnediß beständig in den Waffen wider die Leutizier seyn müßten, die ihnen bey der geringsten Nachläßigkeit in ihr Land einfielen, und alles mit Feuer und Schwerdt verheerten.

2) Möchte Heinrich die Vestungen und Schlösser schleiffen lassen, welche er überall in Sachsen errichtet hätte.

3) Möchte er den sächsischen Fürsten, denen er ohne rechtliche Untersuchung ihre Güter entzogen hatte, Recht verschaffen, und die Sache durch einen richterlichen Ausspruch anderer mit den beklagten verwandten Fürsten dem Herkommen gemäß entscheiden lassen.

4) Möchte er nicht beständig in Sachsen bleiben, wo er nun von seiner Jugend auf im Müßiggange sich aufgehalten hätte, sondern auch in andern Gegenden Deutschlands Hoflager halten.

5) Möchte er die schlechten Leute, deren er sich bisher bedient, und deren Rathe er allein gefolgt und hierdurch sich und das Reich der grösten Gefahr ausgesezt hätte, vom Hofe entfernen, und die Reichsangelegenheiten mit den Fürsten des Reichs,

 

 

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welches seine gesezmäßige Rathgeber wären, gemeinschaftlich überlegen und besorgen.

6) Sollte er das Heer von Kebsweibern von Hof entfernen, und dagegen seine Gemahlin Bertha aufrichtig lieben, und ihr standesgemäß begegnen, weil er von ihr allein rechtmäßige Nachfolger zu erwarten hätte, und einmal alle die Laster lassen, womit er seine Jugend befleckt hätte.

 

Zu diesen Anforderungen sezten sie noch hinzu, er möchte ihre Bitte gewähren, und sie nicht nöthigen, zu außerordentlichen Mitteln zu schreiten; Auf diese Weise würden sie ihm mit Treue und Bereitwilligkeit dienen, jedoch so, wie es freyen und in einem freyen Staat gebohrnen Bürgern zustünde; sie wären Christen, und wollten sich nicht durch den Umgang mit einem Mann beflecken, der durch seinen Wandel den Nahmen eines Christen beschimpfte; Wollte er aber feindlich mit ihnen handlen, so wären sie bereit, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben, und hierzu fehlte es ihnen nicht an Männern, welche das Kriegswesen wohl verständen. Sie hätten ihm zwar Treue und Gehorsam geschworen, aber unter der Bedingung, wenn er die Kirche schüzte, nicht aber verstörte, Gerechtigkeit handhabete, die Gesetze ehrte; da er diese Pflichten zuerst aus den Augen gesezt, so wären sie an ihren Eid nicht mehr gebunden , sondern würden mit

 

 

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ihm als ihrem und GOttes Feinde einen gerechten Krieg führen, und es sich zur Pflicht halten, die Kirche, das Vaterland und ihre Freyheit bis auf den lezten Tropfen Bluts zu vertheidigen.

 

Diese Vorstellung befremdete den König ungemein. Er wandte sich an seine Räthe, und suchte bey ihnen Trost. Sie munterten ihn auf, und versicherten ihn, daß der erste Schrecken, den seine Waffen unter sie brächten, den ganzen Auflauf zerstöbern würden. Er ließ demnach die Gesandte vor sich kommen und antwortete ihnen ganz verächtlich, ohne sich in die Punkten ihrer Vorstellung einzulassen. Die Sachsen entschlossen sich nun, Gewalt zu gebrauchen, sie rückten mit ihrem Heere vor Goslar, und lagerten sich in einer kleinen Entfernung von der Stadt. Sie hätten unverzüglich einen Sturm auf die Stadt gewagt, wo nicht B. Bucco von Halberstadt, und andere diese Hitze gemäßigt hätten. Der Ködig entfernte sich in aller Eile, und ließ die Reichskleinodien und seine Schätze nach Harzburg bringen, wohin ihm auch seine getreue Freunde nachfolgten. Eben damals befand sich auch Herzog Bertold von Kärnthen bey Hofe, und bemühete sich, sein entzogenes Herzogthum wieder zu bekommen. Der König suchte sich seiner Vermittlung zu bedienen, und entschuldigte sich wegen dessen, was vorgegangen war.

 

 

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Er läugnete es , daß er sein Herzogthum noch keinem andern gegeben, sondern daß vielmehr Marquard eigenmächtig sich dieser Macht angemaßt hätte, er könnte auch nicht sagen, daß sein Recht geschmälert sey, Marquard habe vielmehr ohne seinen Befehl und ohne Genehmigung der Reichsstände gehandelt, folglich stehe ihm der Weg zu seiner Würde noch offen. Bertold war klug genug, die Ursache einzusehen, warum der König seine Gededenkungsart zu ändern schiene. Er nahm also dem Scheine nach seine Entschuldigung an, und versprach, seine Dienste zum allgemeinen Besten des Reichs anzuwenden. Der König schickte ihn mit den zween obgemeldten Bischöfen und seinem Caplan Sigfried an die Sachsen, und schmeichelte sich mit der besten Hoffnung. Bertold wandte seine ganze Beredtsamkeit an, die Feinde des Königs von ihrem Vorhaben abzubringen. Er stellte ihnen vor, welch ein böses Beyspiel sie dem ganzen Reiche gäben, wenn sich eine jede Nation die Freyheit nehmen wollte, die Waffen wider ihren König zu ergreifen, sie hätten zwar Ursache, sich über den König zu beschwehren, ihre Empörung aber würde bey keinem vernünftigen Reichsfürsten Beyfall finden, sie sollten demnach mehr Achtung für die Majestät ihres Oberhauptes haben, und die Waffen niederlegen. Auf diese Vorstellung antwortete Otto, Heinrich habe sie zu diesem verhaßten Mittel gezwungen, kein Reichsfürst und keine Nation in Deutschland

 

 

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habe so vieles erlitten als sie wenn es dem König ein wahrer Ernst sey, sich mit ihnen auszusöhnen, so möchte er nur gleich damit anfangen die hin und her errichtete Schlösser zu schleifen, die gewaltsamer Weise entzogene Güter wieder abzutreten, und eidlich zu versprechen, daß er die Freyheiten der sächsischen Nation nicht mehr antasten wollte; Würde er diese Bedingungen eingehen, so wollten sie, so sehr sie auch Ursache hätten, ein Mißtrauen in das königliche Wort zu setzen, die Waffen niederlegen, wo nicht, so seyen sie bereit, ohne auf die Entscheidung anderer Reichsfürsten zu warten, alle ihre Kräften zur Vertheidigung ihrer Freyheit aufzuopfern. Die königliche Gesandte wurden noch etlichemale zu ihnen geschickt. Allein sie beharrten bey ihrer Erklärung.

 

Hierauf fiengen sie an, vor Harzburg zu rücken, alle Zugänge zur Vestung zu besetzen, und zu verhüten, daß der König nicht entfliehen könnte. Aber eben so sorgfältig war Heinrich, sich eine Ausflucht zu suchen. Er entkam glücklich, und hierdurch wurde das Feuer des Kriegs noch weiter ausgebreitet. Herzog Bertold und die zween Bischöffe leisteten ihm Gesellschaft, und halfen ihm seine Schätze und Reichskleinodien durch den nahe gelegenen Wald über die Gebürge retten. Während daß die Feinde etwas nachläßig die Belagerung des Schlosses fortsezten, kam Heinrich ganz

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130 Geschichte der Deutschen,

 

ermüdet in Eschwege an, und begab sich, nachdem er einige Völker an sich gezogen hatte, nach Hirschfeld. Hier erwartete er das Heer, das er wegen des polnischen Feldzugs ausgeschrieben hatte. Der Bischoff Adelbero von Würzburg, B. Hermann von Bamberg und einige Fürsten fanden sich auf die erste Nachricht von den widrigen Schicksalen des Königs bey ihm ein. Herzog Rudolph von Schwaben samt einigen rheinischen, schwäbischen und bayrischen Bischöffen war mit seiner Mannschaft bey Mainz angekommen, und hatte, nachdem er vernahm, daß der König wichtigere Reichsangelegenheiten zu entwickeln hätte, welche den polnischen Feldzug verzögern könnten, sich bey Heinrich selbst erkundigen lassen, wo er sich mit seinem Heere einfinden sollte. Einige deuteten diese Verzögerung übel, und vermutheten, daß Rudolph schon von der ganzen Sache Nachricht haben müßte. Heinrich wenigstens achtete nicht groß, sondern schickte ihm Befehl zu, unverzüglich mit seinen Völkern sich nahe bey Hirschfelden einzufinden, welchem Befehl Rudolph gehorchte.

 

Als sich die Reichsfürsten hier eingefunden hatten, so bat sie Heinrich aufs inständigste, sein widriges Schicksal sich zu Herzen gehen zu lassen, er beklagte sich, die Bosheit seiner Feinde gehe so weit, daß sie sich weder des Eides noch seiner Wohlthaten erinnerten, sondern ihm nach dem Leben stellten, diese Beschimpfung

 

 

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der öffentlichen Reichswürde gereiche ihnen eben sowol zur Schande, da sie in seine Wahl gewilligt hätten und ihnen eben so viel daran liege, daß ein König unter seinen Reichsfürsten des Lebens sicher sey. Manchem deutschen Patrioten entfielen die Zähren über diesen Jammer seines Vaterlands. Einige waren der Meinung, man sollte mit dem Heere, das man wider die Polen gesammlet hatte, unverzüglich nach Sachsen aufbrechen. Andere verzögerten die Sache mit Bedacht unter allerley Vorwendungen , man konnte es nicht wagen, die muthige und mit so geschickten Heerführern versehene Sachsen anzugreifen, man müßte sich mehr verstärken, und hierzu werde Zeit erfordert, um den nöthigen Kriegsaufwand zu machen. Der König mußte sich nach ihrem Willen bequemen, und sie entlassen, sezte aber eine neue Frist, sieben Tage nach Michaelis, und Bredingen bey Hirschfeld, als den Sammelplaz an , und reißte mit den anwesenden Fürsten nach Tribur und in den rheinischen Landen herum. Ueberall hin wurden Boten geschickt, welche die Fürsten und Völker in der Treue gegen ihren König bestätigten. Heinrich versprach alles, zeigte Proben seiner Freygebigkeit, und gab einigen ihre Güter wieder, die er ihnen zuvor entwendet hatte.

 

Die Sachsen hingegen waren ungemein bestürzt, als sie vernahmen, daß der König ihren

 

 

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132 Geschichte der Deutschen,

 

Händen entgangen, und in andere Gegenden geflohen war. Sie sahen nun einem innern Reichskriege entgegen, und bedauerten die verlorne Gelegenheit, dem Kriege auf einmal ein Ende zu machen. Sie bemüheten sich, noch mehr Macht an sich zu ziehen, und schickten Gesandte an die Thüringer, welche sie baten, mit ihnen gemeinschaftliche Sache zu machen, und das gemeine Unrecht mit zusammengesezten Kräften zu rächen. Diese stellten in Treteburg an der Unstrut eine Versammlung ihrer Nation an, auf welcher sie den Sachsen mit dem größten Vergnügen beytraten, und eydlich versprachen, für das allgemeine Beste den letzten Blutstropfen aufzuopfern. Weil aber die Aebte von Fulda und Hirschfelden nebst andern Fürsten in Thüringen viele Güter hatten, so lissen sie denselben gleich bedeuten, ihnen auf eine bestimmte Zeit zu Hülfe zu kommen, oder sich gefallen zu lassen, daß sie alle ihre Güter verheerten. Mit diesen Gesandten kamen zugleich Gesandte vom König an, welche gemeldete Aebte unter grossen Versprechungen ermahnten, vom sächsischen Bündnis abzustehen. Sie wurden mit grossem Schimpf abgewiesen, und man hätte beynahe die Hand an sie gelegt, wo nicht einige wiese Männer das Volk zurückgehalten hätten, das öffentliche Gesandten-Recht nicht anzutasten.

 

Eben damals befand sich der Erzbischoff von Maynz in Erfurt. Die Thüringer griefen

 

 

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ihn an, und drangen in ihn, daß er auf ihre Seite überträte. So sehr er heimlich den sächsischen Bund billigen mochte, so war er doch nicht so keck, sich öffentlich wider den König zu erklären. Sie entliessen ihn also auch nicht eher, als bis er ihnen Geissel gegeben, und sie hierdurch versichert hatte, daß er weder öffentlich noch heimlich etwas wider sie unternehmen wollte. Gleichen Verdacht hegte man damals auch wider den Erzbischoff Hanno von Cölln, als ob er den Sachsen heimlich zugethan wäre. Es fehlte nicht an wahrscheinlichen Gründen, auf welche sich eine solche Vermuthung gründete. Einmal war er in diesen Zeiten ein sehr grosser Eiferer für die Kirche und für die Ehre des römischen Stuhls, her- nach hatte er auf seinen italiänischen Reisen allemal ein besonderes Zutrauen zu dem Pabst Alexander II, dem Cardinal Hildebrand und dem Card. Peter Damiani gezeigt, und alle seine Handlungen durch sie bestimmen lassen. Ferner war er der vertrauteste Freund der Herzogin Beatrix und der Mathildis, durch welche er auch auf der Mantuaner Synode sich hatte regieren lassen q). Er hatte auch, als er das leztere mal die Stelle eines Ministers versahe, die Ankläger des Otto gedrückt, und den Beschwerden der Sachsen Gehör gegeben. Die Sprache, welche die Sachsen in ihren

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q) Benzo in s. Panegyrico in Henr. IV. nennt den Hanno ausdrücklich als einen Anhänger der alexandrinischen und hildebrandinischen Partey.

 

 

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134 Geschichte der Deutschen,

 

Anforderungen an den König führten, war seiner Denkungsart gemäß und ganz Hildebrandisch. Ueberdiß war einer seiner nächsten Anverwandten, Burcard von Halberstadt, bey den Verschwornen, der eben so eifrig gedachte, als er. Folglich konnte er wohl nocheine Weile verborgen bleiben, und dem König unter dieser Verstellung mehr schaden.

 

Die Sachsen fuhren also muthig fort, den König zu bekriegen, und weil ihre Absicht gar nicht dahin gieng, ihn in andern Gegenden zu verfolgen, so griefen sie seine Schlösser Harzburg, Wigantenstein, Mosburg, Sassestein, Spatenberg, Heimenburg und Asenberg an, und eroberten einen Theil derselben. Das Schloß Vockenroth, das der König dem Pfalzgrafen Fridrich von Sachsen entzogen hatte, fiel wieder an seinen rechtmäßigen Besitzer zurück. Lüneburg, das Heinrich nach der Gefangennehmung des Magnus an sich gezogen, und mit einer auserlesenen Besatzung unter den Befehlen des Graf Eberhards von Nellenburg versehen hatte, wurde gleich anfangs, als Heinrich noch in Harzburg eingeschlossen saß, durch den Hermann, einen Oheim des Magnus belagert, und zur Uebergabe gezwungen. Hermann bekam die ganze Besatzung gefangen, und hielte sie so lang in strengem Verhaft, bis Heinrich den Magnus auf freyen Fuß stellte. Er bedrohte auch den König, er würde ihm alle seine Leute niedersäblen lassen,

 

 

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wo er sich nicht zur Loslassung seines Neffen entschlösse. Den Heinrich kostete es grosse Ueberlegnng, ob er einen Prinzen, aus dessen Umsturz er den Untergang von ganz Sachsen gründete, befreyen sollte. Alle Reichsfürsten baten für den Magnus, und die gefangene Besatzung, welche nichts als den Tod vor sich sahe, drang aufs nachdrücklichste auf diese Bedingung. Magnus entkam also nach einem dreyjährigen Verhaft seines Gefängnisses, und Heinrich zog seine getreue Schwaben wieder an sich. Mit gleichem Nachdruck kriegten die Thüringer. Sie eroberten Heimenburg, und verbrannten es. Asenberg zwangen sie durch Hunger zur Uebergabe, entliessen aber die Besatzung.

 

Dem König lagen seine Vestungen allzu sehr am Herzen, als daß er dieser Verheerung noch länger hätte zuschauen können. Er wandte sich demnach an die beede Erzbischöffe vod Maynz und Cölln, und bat sie, mit den Sachsen sich in Unterhandlungen einzulassen, und das Feuer wo möglich zu dmpfen. Beene schrieben eine Zusammenkunft nach Corvey aus, um allda über allgemeine Reichsangelegenheiten sich zu berathschlagen. Aber Hanno entzog sich dieser Versammlung wieder, jedennoch versprach er zum Scheine, alle ihre Entschliessungen für das allgemeine Beste zu genehmigen. Sigfried von Maynz fand sich also allein in Corvey ein, und suchte die erhizte

 

 

 

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136 Geschichte der Deutschen,

 

Gemüther der Sachsen zu besänftigen. Alle seine Vorstellungen waren fruchtlos. Jene widerholten vielmehr ihre alte Beschwerden, und erklärten frey, Heinrich könne ohne grossen Nachtheil der christlichen Religion nicht mehr König seyn, er habe gegen seine getreueste Freunde, gegen seine Gemahlin, gegen seine Schwester, die Aebtißin von Quedlinburg, solche Frevel verübt, daß, wenn man ihn nach den Kirchengesetzen richten sollte, er des Rechts der Ehe, der Ehre des kriegerischen Gürtels, aller zeitlichen Vorzüge, folglich nur desto mehr auch des Reichs beraubt werden müßte. Nach langem Wortwechsiel versprachen endlich beede Partheyen jede der andern zwölf Geissel, damit sie mit den übrigen Fürsten des Reichs sicher bey einer Versammlung der Reichsfürsten sich einstellen, ihre Klagen wider den König vorbringen, und seine eigene Verantwortung hierüber anhören könnten. Zur Auswechslung der Geissel wurde das Kloster Hohenburg in Thüringen bey Langensalza, zur Zusammenkunft der Fürsten aber Gerstungen auf den Gränzen zwischen Hessen und Thüringen festgesezt.

 

Die Anhänger und Freunde des Königs glaubten, daß die Majestät eines Königs allzu sehr herabgesezt würde, wenn man ihn zwänge, Leuten, die er als Rebellen ansahe, Geissel zu geben. Man übertrug es also den zween Erzbischöffen von Maynz und Cölln, nach Hohenburg

 

 

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Zu reisen, und diese Bedingung zu vernichten. Sie thaten es, und gaben sich selbst als Bürgen an, daß die widrig gesinnte Fürsten ohne Gefahr sich an dem Ort der Versammlung einfinden könnten. Indessen meynte es doch Heinrich mit den Sachsen nicht aufrichtig. Er schickte vielmehr seine Unterhändler zu den Lutiziern, welche beständige Kriege mit den Sachsen führten, und reizte sie unter Versprechung grosser Summen Geldes, in Sachsen einzufallen, während daß sie in diesem innern Krieg begriffen waren. Kaum hatten die Sachsen Wind davon bekommen, so schickten sie auch Gesandte an sie, und versprachen ihnen noch mehr Geld, wann sie sich ruhig halten wollten, widrigenfalls erklärten sie, daß sie bereit seyn würden, ihren Feinden insgesamt die Spitze zu bieten. Dieser gedoppelte Antra hatte die Folge, daß sich einige für den König, andere für die Sachsen erklärten, worauf es zu einem innerlichen Kriege unter den Lutiziern selbst kam. Viele tausend von ihnen wurden durch das einheimische Schwerdt aufgerieben, die Nation aber schwächte sich selbst hierdurch so sehr, daß sie weder dem König noch den Sachsen dienen konnte. Der König Sveno von Dännemark, dem Heinrich schon unter dem Ministerio Adelberts die angränzende Länder und das Königreich der Obotriten versprochen hatte, wenn er die Sachsen bekriegte, hielte zwar sein Wort, und erschien mit einer Flotte

 

 

 

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an den Küsten, das Mißvergnügen aber, das sich unter seinen Soldaten erhob, welche die Sachsen als eine Vormauer von ihrem Lande ansahen, nöthigte ihn, wieder zurückzugehen, und einem Plane zu entsagen, den im folgenden Jahrhundert erst Canut ausführte r). Heinrich zog also von seinen Bündnissen mit auswärtigen Völkern sehr wenig Vortheil.

 

Noch weniger Vortheil zog er von der Versammlung der Fürsten in Gerstungen. Es erschienen allda in seinem Namen von Bischöffen, die beede Erzbischöffe von Mez und Bamberg, von Fürsten aber Herzog Gottfried von Niederlothringen, der Mathildis Gemahl, Herzog Rudolph von Schwaben, Herzog Bertold von Kärnthen, welche die Klagen anhören sollten. Er selbst mochte sich dem erbosten Pöbel nicht aussetzen, sondern wartete in Würzburg auf den Ausgang der Sache. Die sächsische Abgeordnete baten gleich anfangs um Gerechtigkeit, und versicherten die Versammlung, daß sie nicht ohne reiffe Ueberlegung ein so wichtiges Werk unternommen hätten. Sie erzählten hierauf ihre Beschwerden der Reihe nach, und sezten dardurch die anwesende Fürsten in ein solches Erstaunen, daß sie ihre Geduld bewunderten, und sich freymüthig für sie erklärten.

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r) S. Reventlau de nexu foederum inter J. R. G. & R. Daniae p. 7. seq.

 

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erklärten. Nachdem man drey Tage beysammen gesessen, so kam man endlich darinnen überein, daß man einen andern aussuchen müßte, der tüchtig wäre, einem so ansehnlichen Reiche mit Ehre und Ruhm vorzustehen. Jedoch hielten sie diesen Schluß noch geheim, und warteten, bis etwa der König sich weiter entfernte, und man über diese Sache mit andern Fürsten sich berathschlagen könnte. Unter dem Volke breiteten sie das Gerücht aus, die Sachsen hätten sich verstanden, dem König Genüge zu leisten, der König aber hätte sich verpflichtet, ihnen zu verzeihen, und mit einem Eide Sicherheit zu versprechen. Zu dieser Feyerlichkeit sezte man die bevorstehende Weyhenachten an, da sich der König in Cölln einfinden würde. DieseVersammlung hätte noch viel gefährlichere Folgen für Heinrichen gehabt, wo nicht Herzog Rudolph Mäßigung gezeigt hätte. Sie wollten unverzüglich ihn als König erklären, er widersezte sich aber alles Ernstes, und bezeugte der Versammlung, daß er Ehren halber, ohne des Meineides beschuldiget zu werden, darein nicht willigen könnte, wo ihn nicht alle Reichsfürsten seines Eides entledigten, und in seine Wahl willigten. Nach dieser glücklichen Verrichtung zogen die Sachsen ganz vergnügt wieder nach Haus.

 

Die Reichsfürsten begaben sich zum König nach Würzburg, und fanden ihn bereitwillig, alles einzugehen, wenn nur der Friede wieder

 

 

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hergestellt würde. Er nahm aber bald gewahr, daß auch die rheinische Fürsten nicht mehr die vorige Gesinnung gegen ihn hegten, und in ihrem Eifer sehr erkalteten. Er eilte also nach Regensburg, hatte aber auf seiner Reise in Nürnberg, wo er sich einige Tage verweilte, den Verdruß, ein Zeuge eines für ihn sehr bedenklichen Zufalls zu seyn. Er hatte bisher an seinem Hofe einen sehr innigen Freund, Namens Reginger, gehabt, der wegen des königlichen Vertrauens in grossem Ansehen stund. Dieser Hofmann trat auf einmal auf, und entdeckte den beeden Herzogen Rudolph und Bertold ein grosses Geheimniß, wordurch die Gährung in Deutschland immer heftiger wurde. „Ich, fieng er an, und noch andre deren sich der König gemeiniglich zu seinen Absichten bediente, wurden neulich durch die allerglänzendste Verheissungen vom König bestellt, euch und andre zu ihm nach Würzburg kommende Fürsten mitten unter der geheimen Unterredung, die er beyseit mit euch haben würde, mit dem Degen in der Faust anzugreifen, euch als Urheber der Unruhen zu ermorden, ihn hierdurch von der Gefahr und das Reich von weitern Unruhen zu befreyen. Ich weigerte mich, eine so gottlose That zu verrichten, und ermahnte ihn, von seinem Vorhaben abzustehen: Er ward aber so erbost über mich, daß er mich nicht nur von seinem Umgang gänzlich ausschloß, sondern mich auch durch seine Wache würde haben

 

 

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umbringen lassen, wo ich mich nicht gleich aus seinem Zimmer entfernt, und hierdurch die Gefahr von mir abgewandt hatte.“ Er nannte den Ort, wo es ihm der König befohlen habe, er nannte diejenige, so zugegen gewesen, und versicherte, wenn es der König etwa läugnen würde, daß er die Wahrheit seiner Aussage wider einen jeden behaupten wollte. Die beede Herzoge erstaunten über dieser Unternehmen. Sie kannten den Mann, der es ihnen sagte, als einen angesehenen und ehrlichen Mann, der seinen Ruhm bisher noch durch keine schändliche Thaten befleckt hatte. Es gieng ihnen gleich bey, daß der König schon mehreren Fürsten hatte nach dem Leben stellen lassen. Sie wußten, daß die Sachsen mehrere dergleichen Mordthaten von ihm erzählten, da Heinrich seine vertrauteste Freunde und Diener seiner heimlichen Rache aufgeopfert hatte s). Die ganze Sache schien ihnen demnach, wo nicht wahr, doch höchst wahrscheinlich.

 

Beede Herzoge schickten Gesandte an den König, und liessen ihm melden, daß sie nun ihres Eides gegen ihn los wären, und Ursache hätten, ihm den Gehorsam aufzusagen, da er selbst alle Treue und Achtung für sie aus den Augen sezte, und ihnen mitten unter den Verhandlungen wegen des Friedens nach dem Leben trachte; so lang er sich nicht entschuldigte, so würde

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s) Bruno de bello Saxonico gleich am Anfang.

 

 

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würde er von ihnen weder Treue noch Hülfe mehr erwarten können. Heinrich konnte seinen gerechten Zorn nicht verbergen. Er wandte sich an seine Getreue, und legte ihnen die Ränke Rudolphs vor. „Dieser Ehrgeitzige, sagte er, strebt mir nach der Krone, Verläumdungen sollen ihm hierzu den Weg bahnen. Ich werde mich nicht lang bemühen, seine Lügen zu widerlegen. Das Glück der Waffen muß die Sache entscheiden. Greift er die Majestät seines Königs an, so steht es mir zu, die Rechte meiner Voreltern zu vertheidigen. Und wann ich auch das Unglück haben sollte, mein Reich zu verlieren, so sollen es doch die Nachkommen wissen, daß ein rebellischer Herzog es mir aus den Händen gedreht hat.“

 

Ein Vertrauter des Königs, Ulrich von Cosheim, den Reinger in seiner Anklage genannt hatte, milderte den Schmerzen des Königs, bat ihn, sich nicht zu übereilen, bot sich freywillig an, daß er die Ehre des Königs mit dem Degen wider einen jeden retten wollte, und verfügte sich zu diesem Ende selbst zu dem Herzog Rudolph, dem er seine Bereitwilligkeit zeigte, so wie es ihm belieben würde, die Sache Heinrichs mit Regingern auszumachen. Rudolph äusserte seine wahre Gedanken nicht, sonden überließ die streitige Frage der künftigen Entscheidung der Reichsfürsten.

 

Heinrich sezte demnach seine Reise nach Regensburg fort, alles Zutrauen aber gegen ihn

 

 

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hatte sich verloren, er selbst wußte nicht, wem er trauen sollte, da er sehen mußte, daß auch seine innigste Freunde von ihm abfielen. Die Sachsen fuhren fort, den König überall anzuschwärzen, und lagen den rheinischen Fürsten an, entweder ihnen Vollmacht zu geben, einen neuen König zu wählen, oder selbst als die Hauptnation einen zu ernennen, und sich des Beytritts der Sachsen versichert zu halten, damit einmal im Reiche die Ruhe wieder hergestellt, und die Aergernisse gehoben würden. Der Erzbischoff von Maynz, dem dieses Geschäft kraft seiner Würde zugehörte, berief alle Reichsfürsten nach Maynz, um allda gemeinschaftlich den Herzog Rudolph als König zu wählen. Dieses gieng dem König sehr nahe. Er zog so viele Mannschaft zusammen, als ihm möglich war, und eilte dem Rhein zu, um dieses Vorhaben der Reichsfürsten zu vereiteln. Auf seiner Reise aber fiel er in Ladenburg in eine so schwere Krankheit, daß seine Feinde schon über sein Ende frolockten. Nach einigen Wochen erholte er sich wieder, und kam in Worms an, einer Stadt, welche eine unverrückte Treue gegen ihn bewieß. Der Bischoff der Stadt, der schon unter Alexander II. ihn am päbstlichen Hoflager verkleinert hatte, widersezte sich seinem Einzug. Die Bürger aber jagten seine Soldaten davon, und hätten beynahe den Bischofs selbst gefangen in die Hände des Königs überliefert, wo er sich nicht noch zur rechten Zeit mit der Flucht gerettet hätte.

 

 

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144 Geschichte der Deutschen,

 

In vollem Vergnügen zogen sie ihm entgegen, sprachen ihm Muth zu, versicherten ihn mit einem Eide ihrer ungefärbten Treue, boten ihm ihre Dienste an, ja sie verpflichteten sich, aus ihrem eigenen Vermögen nach Maßgabe der Kräfte eines jeden die Unkosten zu dem bevorstehenden Krieg anzuschaffen, und ihr ganzes Leben hindurch für ihn die Waffen zu führen. Heinrich war über dieses unvermuthete Glück und die Großmuth der Bürger sehr gerührt. Er erhielte hierdurch eine der allerdestesten Städte, welche er zu seinem Sitz und als eine Freystätte erwählte, wohin er sich in zweifelhaften Umständen begeben könnte. Die Lage gewährte ihm Lebensmittel, der Muth der Bürger Sicherheit, und die Bevestigung der Stadt genugsamen Schuz.

 

Seine Annäherung hatte erwünschte Folgen für ihn. Kaum hörten die Fürsten, welche sich in Maynz eingefunden hatten, daß Heinrich mit einem Heere im Anzug wäre, so entfernten sich einige aus Furcht, andere weigerten sich, in einer so wichtigen Sache ohne Zuziehung aller Reichsfürstenetwas zu entscheiden, sie verliessen also Maynz, wurden aber gleich vom König zu einer Unterredung nach Oppenheim eingeladen, wozu sie sich, wiewol ungern, entschlossen. Nachdem sie wegen ihrer Sicherheit Geissel bekommen hatten, so fanden sie sich endlich bey Heinrich ein, Hier bat er sie aufs ernstlichste und demüthigste,

 

 

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sich doch des Eides zu erinnern, den sie ihm geschworen hatten, ihn in seinem Unglücke nicht zu verlassen, ihm zu verzeihen, wenn er sich durch die jugendliche Hitze auf Abwege hatte verleiten lassen, und versichert zu seyn, daß er mit zunehmenden Jahren immer besser bedenken würder was seine Ehre, der Ruhm seines Reichs und das Wohl des Vaterlandes erheischten. Die Fürsten antworteten ihm, er verspreche Treue, die er doch in seinem Leben weder gegen GOtt noch gegen Menschen gehalten hätte, sie könnten seinen Versprechen nicht trauen, hätte er jüngsthin Meuchelmörder auf sie in Würzburg bestellt, zu einer Zeit, da sie sein wahres Wohl besorgt hätten, so würden sie auch in Zukunft nicht sicher seyn, wenn er glaubte, daß man ihm zu viel aufbürdete, so möchte er nur erlauben, daß Ulrich von Cosheim sich in einen Zweykampf mit Reginger einliesse, würde es dieser verlieren, so wollten sie es als eine göttliche Entscheidung ansehen, und ihm hinführo getreu bleiben. Der König nahm die Bedingung an, und bestimmte die Rheininsel bey Maynz als den Ort des Zweykampfs, welcher mit Anfang des folgenden Jahrs geschehen sollte.

 

Beede Partheyen blieben also noch immer in der grösten Gährung, und zufällige Begebenheiten wurden von jeder als eine Entscheidung des Himmels für ihre Sache gehalten. Egino, der Hauptankläger des Otto, den

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schon Hanno andern zum Beyspiel gedemüthigt hatte, wurde über einer Räuberey ertappt, von den Besitzern des Geraubten geblendet, und gerieth in eine solche Armuth, daß er zu betteln genöthiget wurde. Alle Sachsen und Otto sahen ihn als ein Scheusal des menschlichen Geschlechts an, und sie wurden in ihrem Glauben noch mehr gestärkt, daß sich die Gottheit selbst für sie erkläre, als der Graf Giso und Adelbert mit vier Söhnen, welche den Egino zu der bekannten Verläumdung verleitet hatten, in dem Schlosse des Giso von ihren Feinden aus Privatrache erbärmlich ermordet wurden. Aber eben so konnte Heinrich gedenken. Reginger, der den König bey den Reichsfürsten verläumdet hatte, starb noch vor dem Zweykampf eines erbärmlichen Todes. Am meisten vergnügte den König die Treue seines Commandanten Bodo in Harzburg, der beständige Ausfälle that, raubte und verheerte, was er antraf, und den Sachsen in Goslar grossen Schaden zufügte. Eben so tapfer hielt sich die königliche Besatzung in Asenberg. Jedoch war sie in grosser Gefahr, und schickte dem König einen Boten nach dem andern. Heinrich wußte sie nicht zu retten. Er wandte sich an den Erzbischoff von Maynz und Cölln, und bat sie, mit den Sachsen einen Waffenstillstand zu treffen. Die Erfahrung hatte ihn bisher gelehrt, wie redlich es diese beede mit ihm meynten. Sie verstellten sich jedoch, und beriefen die Sachsen zu einer Unterredung

 

 

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nach Corvey. Aber die Verstellung war damals den meisten Fürsten natürlich, und Heinrich wußte niemal zuverläßig, wem er trauen konnte. Als er Weyhenachten in Worms hielte, bey welcher Gelegenheit sich gemeiniglich die Reichsfürsten bey dem Hoflager einfanden, um den Glanz des Hofs und der Feyerlichkeit zu vermehren, so fanden sich dißmal sehr wenige Fürsten ein. Aber auch diese erschienen nicht mit dem gewohnten Gepränge und Gefolg, sondern in geringer Kleidung, nur damit sie Heinrich keines Abfalls beschuldigen könnte. Ueberhaupt entgiengen dem König viele Gefälle, aus welchen er den Unterhalt seines Hofe ziehen mußte. Die Bischöffe und Aebte leisteten ihm auch die gewohnte Dienste nicht mehr. Er begnügte sich also damit, daß er einige Fürsten in eigener Person bey sich hatte. Er war auch so klug, sie nicht mehr zu entlassen, damit er wenigstens den Sachsen furchtbarer schiene, wenn er so grosse Manner um sich hätte.

 

Die Unterredung der beeden Erzbischöffe von Maynz und Cölln mit den Sachsen in Corvey war ganz fruchtlos. Die Sachsen weigerten sich nicht nur von der Belagerung der königlichen Schlösser abzustehen, sondern bezeugten auch ihr Mißvergnügen, daß man durch solche Unterhandlungen die Zeit verderbe, und dem König nur desto mehr Muth mache, wider welchen sie ihr Recht durch die Waffen

 

 

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verfechten müßten. Nach heftigen Wortwechseln wurde beschlossen, nach Lichtmeß eine Versammlung in Frizlar anzustellen, und allda mit Zuziehung der andern Reichsfürsten ein neuen König zu wählen, der im Stande wäre, das deutsche Reich mit Würde und nach der Billigkeit zu regieren. Der König wurde selbst dahin beschieden, wo er in eigener Person sein Recht darthum und auf die Beschwerden antworten könnte. Gleich nach der Versammlung wurde der Krieg von Seiten der Sachsen und Thüringer mit neuem Eifer fortgesezt, Asenberg ergab sich, Spatenberg in der Grafschaft Hohenstein wurde eng eingeschlossen, Vorkenrodt erfuhr ein gleiches Schicksal, und mit vieler Mühe konnte Heinrich seine Gemahlin Bertha, welche in dieser Vestung bis zu Ende des Kriege in sicherer Verwahrung seyn sollte, noch retten. Er schickte den Abt von Hirschfeld dahin, welcher die Thüringer überredte, die Königin aus der Vestung zu entlassen. Diese Prinzeßin hatte Jammer genug auszustehen. Sie war eben damals schwanger, und erwartete ihre Entbindung stündlich. Sie gebar auch im Kloster Hirschfeld einen Sohn, Conrad, welcher in der Folge seinem Vater vielen Verdruß machte. Heinrich war in so betrübten Umständen, daß er kaum anständige Pathen zu diesem Prinzen finden konnte. Der Bischoff von Altenburg, der eben damals bey dem Abte sich ufhielte, taufte ihn, und die Mönche des Klosters brachten ihn zur Taufe.

 

 

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Je mehr sich die Reichsfürsten von Heinrich entfernten, desto mehr sahe er die Nothwendigkeit ein, einen Feldzug wider sie zu unternehmen. Er entschloß sich demnach beherzt, das äusserste zu wagen, damit seine Soldaten, welche sehr erbost über ihn waren, daß er ihnen mit keinem Entsaz zu Hülfe gekommen, nicht mehr Ursache hatten, ihn als einen Feigen zu tadlen. Er schrieb also an alle Reichsfürsten, und bat sie, ihm zu Hülfe zu kommen. Aber diese erschienen in geringer Anzahl. Die Bischöffe allein stellten sich häufiger ein, aber sie brachten keine Soldaten mit, und kamen mit einem geringen Gefolge. Dieses thaten sie mehr, um nicht in den Verdacht des Ungehorsams zu fallen, als daß sie die Sache des Königs mit Nachdruck zu unterstützen bereit gewesen wären. Andere Reichsfürsten, die Erzbischöffe von Maynz und Cölln, die Bischöffe von Straßburg und Worms, die Herzoge von Bayern, Ober- und Niederlothringen, von Schwaben, von Kärnthen, die Aebte von Fulda und Hirschfeld nahmen die Larve öffentlich ab, und erklärten sich, daß sie die Waffen zur Unterdrückung der Unschuldigen nicht darleihen könnten, wenn auch die Sachsen etwas begangen hätten, das Strafe verdiente, so müßte man doch bedenken, daß sie die Noth darzu gezwungen hatte.

 

Dessen ohngeachtet zog Heinrich doch zur allerhärtesten Jahreszeit ins Feld. Alle Flüsse waren

 

 

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stark gefroren, und Heinrichs Heer lit Mangel an Lebensmitteln. Als er nach Hirschfeld kam , schickte er den Abt dieses Klosters an die Sachsen, welche an der Werra stunden, um sich zu erkundigen, ob seine Gesandte sicher zu ihnen kommen konnten. Indeß erwartete er in Hirschfeld mit seinem Heere in den gelegenen Dörfern des Abts auf seine Rückkunft. Er trug billig Bedenken, wider ein Heer von 40000 Mann anzurücken, das sich fest entschlossen hatte ihm gleich bey dem Uebergang über die Werra in Schlachtordnung entgegen zu kommen. Hierzu war er zu schwach,

er wollte also wrten, ob sich nicht mehrere Völker bey ihm einfänden. Ja er mußte noch überdiß fürchten, daß die Feinde selbst über den Fluß, der ganz zugefroren war, setzen, und ihn noch vorher, ehe er sich in genugsame Gegenverfassung gesezt, angreifen möchten. In dieser Furcht verwieß er es seinen Räthen, daß sie ihn, ohne zuvor die Umstände reiflich zu überlegen, zu einer so unschicklichen Zeit ins Feld zu ziehen veranlaßt hätten, ohne für die Zufuhr und andere Kriegsbedürfnisse zu sorgen. An denselben hatten im Gegentheil die Sachsen einen solchen Ueberfluß, daß sie den Feldzug wohl aushalten konnten. Sie schickten noch 11000 Mann Landvolk zurück, welche im ersten Auflauf dem Heere nachgefolgt, und sich mit Speise zu versehen, vergessen hatten. Die Soldaten Heinrichs wandten diese Ruhe darzu an, in die nahe gelegenen Felder auf Beute auszugehen, und sich ihren

 

 

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Unterhalt mit Gewalt zu verschaffen. Alles wurde rein ausgeplündert, die Einwohner retteten kaum ihr Leben, das Gebiet von Fulda und Hirschfeld wurde so zu Grunde gerichtet, daß man hernach kaum noch die Mönche ernähren konnte. Der König erlaubte den Soldaten solche Gewaltthätigkeiten, wenigstens wehrte er sie nicht, weil er sein Heer durch die Beute locken, und gegen sich verpflichten wollte.

 

Indessen kam der Abt von Hirschseld mit einer sehr billigen Erklärung aus dem Lager der Sachsen zuruck. Wir sind keine Barbaren, sagten sie, wir verehren das öffentliche Völkerrecht, und werden uns nicht erkühnen, Gesandte anzutasten. Die Noth hat uns gedrungen, die Waffen zu ergreifen, welche wir blos zu unserer Vertheidigung führen. So bald wir Sicherheit wegen unserer Rechte haben, so sind wir bereit, das Schwert wieder in die Scheide zu stecken. Der König war über ihre Antwort sehr vergnügt, und ernannte gleich vier Bischöffe, welche sich mit ihnen in Friedenshandlungen einlassen sollten. Er versprach, billige Bedingungen zu genehmigen, und die Sache auf die Beurtheilung gewisser von beeden Seiten darzu ernannten Schiedsrichter auszusetzen, wenn er anders hoffen könnte, daß auch sie den Weg der Sanftmuth ergreifen, und es nicht auf das Schicksal des Kriege wollten ankommen lassen. Sie erwiederten, daß das

 

 

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das beederseitige Verständniß gar bald wieder hergestellt werden könnte, wenn er in folgende Bedingungen willigen wollte:

 

1) Müßten die Vestungen, die er in Sachsen und Thüringen errichtet hätte, geschleift werden, weil sie zur Unterdrückung ihrer National-Freyheit gebraucht würden.

 

2) Müßte er einem jeden die ihm widerrechtlich entrissene eigenthümliche Güter wieder abtreten, vor allen Dingen aber den Herzog Otto, dem er auf eine blosse Verläumdung eines gottlosen Menschen sein Herzogthum entzogen hätte, in Bayern wieder einsetzen.

 

3) Müßte er den Erzbischöffen von Maynz und Cölln, dem Herzog Rudolph und allen, die ihrer Parthey bisher angehangen, verzeihen, und in Ansehung derselben eine vollkommene Amnestie festsetzen.

 

4) Müßte er die Freyheit ihrer Nation und ihre uralte und ursprüngliche Nationalrechte erkennen, und sie unangetastet lassen.

 

5) Müßte er nicht die ganze Zeit in Sachsen bleiben, sondern sich zuweilen auch von Goslar entfernen, und andere Gegenden eines so weitläufigen Reichs besuchen, damit er seine Zeit zum Besten des Reichs zu verwenden Gelegenheit hätte.

 

6) Müßte er Kirchen und Klöster, Witwen und Waisen schützen, und sich so betragen,

 

 

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daß er der königlichen Würde Ehre machte, und einer freyen Nation mit Ruhm vorstehen könnte.

 

Wenn er eben die Reichsfürsten, welche er zum Friedensgeschäft ernannt hätte, als Bürgen stellte, so versprächen sie ihm Treue; wo nicht, so glaubten sie durch ihren Eid verpflichtet zu seyn, ihre Freyheit mit allen Kräften zu vertheidigen.

 

Der König war über diese harte Bedingungen sehr bestürzt. Er wandte sich an die Fürsten, die bey ihm waren, er bat sie, sie mochten doch bedenken, wie schimpflich es für das Reich wäre, wenn man die königliche Würde so weit herabsezte, wenn er auch seinen eigenen Schmerzen wegen seiner Schlösser nicht achtete, mit welchem Anstand er den Fürsten und einer Nation, die sich wider ihn empöre, ihre Untreue belohnen könnte? Er fand wenig Gehör, es blieb ihm also nichts übrig, als sich zur Fortsetzung des Kriegs zu entschliessen. Alle Friedenshandlungen wurden abgebrochen, das Heer wurde gemustert, und den anwesenden Fürsten befohlen, sich zu einer Schlacht zu rüsten. Aber kein Mensch war zum Treffen geneigt. Die Fürsten weigerten sich, wider solche das Schwert zu zücken, deren Sache sie für gerecht hielten. Zum grösten Glücke herrschte auch im sächsischen Lager ein gleiches Mißvergnügen. Das gemeine Volk fieng an zu murren, daß sie die mißvergnügte Fürsten in solches

 

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Ungemach stürzten. Man machte den Anführern die bitterste Vorwürfe, daß sie zu einer Zeit, wo alles durch den Krieg hätte entschieden werden können, die Gelegenheit nicht benützt, sondern sich in unnütze Friedenshandlungen eingelassen, und sich durch ihre scharfsichtige Feinde hätten täuschen lassen. Alles wandte sich an den Otto, bat ihn, das Reich zu übernehmen, und sie in das Gefecht zu führen, damit die günstige Augenblicke, ihren Feind zu vertilgen, nicht verloren giengen. Aus einem ganz verschiedenen Tone sprachen Heinrichs Vertraute mit ihm. So sehr sich der sächsische Pöbel nach dem Treffen sehnte, so sehr hinderten sie es, um das Mißvergnügen unter jenem Heere zu vermehren. Vielmehr glaubten sie, daß es nun das wahre Interesse ihres Königs erforderte, dem Frieden Gehör zu geben, um zu der Zeit, da jene die Waffen zückten, dem Ungewitter durch eine Friedensunterhandlung auszuweichen. Sie glaubten hierdurch den König aus der grösten Verlegenheit zu retten, und in der That war die Hitze der Feinde viel zu groß, welche man mußte verrauchen lassen, und Heinrich mit allzu vielen geheimen Feinden umgeben, welche ihn mitten in der Gefahr verlassen, oder ihrer Rache aufgeopfert hätten, als daß sie ihn einer so augenscheinlichen Gefahr hätten preiß geben können. Sie überredten ihn also, daß er in die Friedenshandlungen willigte. Er berief die Fürsten zu sich, und überließ es ihnen, nach ihrem

 

 

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Gutbefinden die Unruhen beyzulegen, er berechtigte sie, in seinem Namen alles zu thun, was sie als gut ansehen würden. Diese stellten ihm vor, daß bey gegenwärtigen Umständen nichts zu thun sey, als daß er in die Anforderungen der Sachsen willigte. Heinrich versprach es ihnen feyerlich. Fünfzehen Bischöffe und alle anwesende Fürsten begaben sich demnach in das Lager der Sachsen, und entdeckten ihnen Heinrichs Gesinnung. Jene trauten dem Fallstricke nicht gleich, Heinrichs Wankelmüthigkeit erregte ihnen Verdacht. Nach langen Berathschlagungen willigten sie endlich unter der ausdrücklichen Bedingung in den Frieden, daß wenn der König aus Zorn über die ihm zugefügte Beleidigung, oder unter dem Vorwand, daß ihn die Noth zu diesem Vergleich gezwungen hatte, denselben vernichten würde, sie kraft des Eides, den sie bereits einander geschworen hatten, verpflichtet seyn sollten, die Waffen wider ihn zu ergreifen, und den König als einen Eidbrüchigen, mit Einwilligung und Beystimmung aller Reichsfürstem vom Throne zu stossen. Hierauf stellten sie sich an Mariä Reinigung alle vor dem König unter dem Vortritt der Friedensstifter, Heinrich nahm sie liebreich auf, küßte die Fürsten, und bekräftigte mündlich, was jene in seinem Namen versprochen hatten. Nachdem diese wichtige Sache so erwünscht beygelegt worden war, theilte er unter diejenige, welche besondere Treue gegen ihn gezeigt hatten, Geschenke aus,

 

 

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156 Geschichte der Deutschen,

 

entließ die Reichsfürsten, und begab sich mit den Sachsen nach Goslar.

 

Offenbar hatten die Sachsen mehr Schaden als Nutzen von diesem Frieden. Einmal hatten sie sich die Schwaben zu Feinden gemacht, welche aus Achtung für sie nicht wider sie hatten dienen wollen, und bey dem Friedensgeschäft ganz übergangen worden waren. Hernach nahmen sie bald gewahr, daß man sie nur zu täuschen gesucht hätte.

 

Heinrich schickte zwar gleich überall Boten aus, daß man die Truppen von der Belagerung seiner Castelle zuruckführen solle, er befahl auch seinen Besatzungen, hinführo wider die umliegenden Oerter keine Feindieligkeiten mehr zu verüben, sondern, so bald sie den Vorrath, den sie zum Krieg zusammen gebracht, verzehrt hätten, die Vestungen den Sachsen zu übergeben, und sie schleifen zu lassen. Aber die Sachsen trauten dem Könige doch nicht, so sehr sie sich auf der andern Seite schmeichten, den König in ihrer Gewalt zu haben, der sich nicht unterstehen würde, einen so feyerlich bestätigten Frieden umzustosse. Als er nach Goslar kam, bewunderte er die Tapferkeit seiner Besatzung in Harburg ungemein, und lobte ihre Treue. Sein Commandant war über den Frieden sehr enrüstet, und versicherte ihn, daß er sich noch mehr von ihrer Treue würde zu versprechen gehabt haben, wenn er auf seinem Vorsaz beharrt hätte. Er erzählte ihm,

 

 

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was er für Vertheidigunsanstalten gemacht, und wie sehr er die Einwohner von Goslar beunruhigt hätte. Der König, der an solchen kriegerischen Unternehmungen ein wahres Vergnügen hatte; lobte ihn, und ließ sich den Frieden reuen. Sein Herz verriethe wieder die vorige Gesinnungen, und als man auf die Vollstreckung des Friedens drang, so war es niemand minder Ernsh als ihm. Er entschuldigte sich, er verzögerte die Sache, so lang er konnte. Endlich sezte er alles auf eine allgemeine Versammlung der Fürsten aus, wo man das Wohl des Reichs mit vereinigten Kräften in Beratschlagung ziehen würde. Sie gaben sich mit dieser Antwort zufrieden, und er sezte die Versammlung auf den Märzmonath an. Als aber die Zeit herbey kam, erschien kein einiger Fürst. Die Sachsen und Thüringer allein kamen mit einem starken Gefolge, und lagerten sich ohnfern Goslar.

 

Hier giengen die Unterhandlungen wieder an. Sie schickten Gesandte an ihn, und liessen ihn an die Erfüllung seines Versprechens erinnern. Heinrich war zu keiner entscheidenden Antwort zu bewegen. Bald wandte er vor , daß die Fürsten sich nicht eingefunden hätten , welche über die Sache urtheilen müßten, bald bat er es sich als eine Gefälligkeit von ihnen aus, sie möchten ihm doch wenigstens seine Castelle lassen, welche er mit so vielen Unkosten des Reichs erbaut hätte,

 

 

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158 Geschichte der Deutschen,

 

alles andere solle kräftig bleiben, und er würde sich eine Freude daraus machen, ihren Willen aufs pünctlichste zu erfüllen. Auf diesem Sinne beharrte er unveränderlich, so sehr ihn auch seine Vertraute baten, dem Andringen der Sachsen nachzugeben. Während aber, daß er sich herzhaft weigert, dieses Kleinod seiner Macht sich rauben zu lassen, erhält er die Nachricht, daß die Sachsen in den Waffen gegen den Pallast zögen, und fest entschlossensey zu seyn schienen, einen andern König zu wählen. Niemand kam dabey mehr ins Gedränge, als der Erzbischoff Limar von Bremen, die beeden Bischöffe von Zeiz und Osnabrück. Denn da sie ein Gegenstand des allgemeinen Hasses der ganzen Nation waren, so stellten sie sich die traurigsten Folgen von diesem Ungewitter vor. Sie baten den König, keine neue Gelegenheit zum Bruche zu geben, sie hätten nun seinetwegen ein ganzes Jahr über Ungemach gelitten, und würden genöthigt seyn, auch auf die Seite der Sachsen überzutretten, wenn er die Friedensbedingungen nicht erfüllte. Indessen drangen die Feinde mit grossem Ungestümme in den Schloßhof herein, und Heinrich willigte endlich in dieser Gefahr ein, er wollte dem Herzog Otto in dem Gesuch seines Herzogthums in einer Jahresfrist nach dem Gutachten der Fürsten Genüge leisten, seine Vestungen schleifen lassen, wenn anders auch die Sachsen und Thüriger die ihrigen schleifen liessen und alles

 

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erfüllen, was er in Gerstungen versprochen hatte. Die Sachsen begnügten sich nun mit dem blossen Verspruch nicht mehr, sondern Heinrich mußte in ihrer Gegenwart gleich Befehl geben, daß Spatenberg, Vockenrodt und andere Castelle geschleift würden. Wegen Harzburg entstanden mehrere Schwierigkeiten. Denn da er in diesem Castelle eine Kirche und Kloster angelegt hatte, so glaubte er nicht verpflichtet zu seyn, alles niederreissen zu lassen. Er gab demnach Befehl nur die Vestungswerke und die Thürme der Mauer abzutragen, und das andere im gegenwärtigen Stande zu lassen. Im Zorn ließ er auch andere Schlösser schleifen, wider welche sich die Sachsen nicht beschwehrt hatten, um sie aller solcher Schuzwehre wider die Streifereyen ihrer Feinde zu berauben. Im Zorn verließ er endlich Sachsen, und begab sich nach Worms, wo er die Fasten in Ruhe zubrachte.

 

So lang aber noch Harzburg stand, so lang blieb das Angedenken dessen, was man erlitten hatte, lebhaft. Die Einwohner dieser Gegenden fiengen an zu murren, einer erzählte dem andern, was für schöne Oerter vormals in dieser Gegend gestanden wären, die nun alle im Schutt lagen. Sie leiteten böse Folgen aus dem Betragen des Königs. Vergebens belehrte man sie, daß der König aus Achtung für den Dienst GOttes die Kirche und andere Gebäude nicht habe verstören wollen. Nein,

 

 

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160 Geschichte der Deutschen,

 

antworteten sie, er hat eine ganz andere Absicht, er wartet nur, bis sich der erste Unwillen unserer Nation gelegt hat. Alsdenn wird er schon wieder mit einer neuen Mannschaft kommen, und Sachsen desto härter heimsuchen. Durch solche Gespräche unter dem Pöbel entstand eine Gährung und von der Gährung kam es zum Auflauf. Sie stürzen sich über Harzburg her, reissen die Mauren bis auf den Grund ein, zerstreuen die Steine, fallen über die Häuser her, welche die Fürsten aus einer klugen Mäßigung hatten stehen lassen, verbrennen die schöne Kirche, plündern die Schätze, zerschmettern die Altäre, graben einen Bruder und Sohn des Königs aus, den er den Einwohnern zu Gefallen allda hatte beysetzen lassen, und verwüsten die ganze Gegend so, daß es ihrer Meinung nach unmögtich wäre, allda eine neue Vestung anzulegen. Sie schonten weder der Reliquien der Heiligen, noch der Leichname der Todten, sondern verübten allen Unfug, dessen eine erboste Tollkühnheit fähig ist.

 

Die Grosse und die Fürsten von Sachsen hatten an diesem Auflauf keinen Antheil. Vielmehr waren sie äusserst darüber bestürzt, daß man dem König Gelegenheit gegeben hätte, den Frieden zu brechen, und die ganze Macht des Reichs wider sie anzuführen. Sie bemühten sich, dem Ausbruch der Kriegsflamme zuvor zu kommen, straften die Frevler aufs schärfste,

 

 

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und schickten Gesandte an den König, durch welche sie sich entschuldigten, und den König versicherten, daß sie weder von dem Auflaufe etwas gewußt, noch ihn befördert haben, daß sie ihn vielmehr eben so sehr verabscheuen, als er, daß sie endlich bereit wären, ihn von der Reinigkeit ihrer Gesinnungen zu überzeugen und den Verdacht von sich abzulehnen. Der König war über diese neue Untreue ungemein erbittert, und sein alter Groll wider die Sachsen wachte wieder auf. Er gab mit einer verstellten Grosmuth t) zu erkennen, daß er nicht gewohnt wäre , wider Bauren Krieg zu führen, er glaubte vielmehr, daß es die Pflicht eines Fürsten erforderte, seine Unterthanen im Zaum zu halten. Da er jedoch zu dieser Zeit keine Soldaten hatte, und seinem Zorn keinen Nachdruck geben konnte, so war er zur Mäßigung genöthigt. Seinen geheimen Harm ver- barg er in seinem Busen, und erklarte sich, daß, da die Sachsen die weltliche Gesetze und Verträge nicht achteten, er an kein Herr in den Waffen hätte, ihm jezo nichts übrig bliebe, als sich mit den Kirchengesetzen zu schützen, und göttliche Hilfe zu suchen, wenn er bey Menschen keine fände. Er schickte auch unverzüglich Gesandte nach Rom, und verklagte die Frevler bey dem apostolischen Stuhl, welche Kirchen eingeäschert, Altäre verstört, Grabmale verheert, und die Asche der Verstorbenen

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t) Bruno de B. S. apud Freherum. T. I. p. 111.

Gesch. der Deutschen II Bd.

 

 

 

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angetastet hätten. Zu gleicher Zeit schlug er den Weg der Unterhandlungen mit den auswärtigen gekrönten Häuptern und Fürsten ein. Er wandte sich an König Philipp von Frankreich, und bat ihn; nach der Freundschaft, die sie beede zusammen hätten, ihm, wenn er ihn rufen wurde, zu Hülfe zu kommen.Philipp entschuldigte sich, daß er selbst in seinem Reiche Feinde genug hätte, wider welche er seinen Thron unterstützen müßte. Wilhelm, König von Engelland, dem Heinrich sich anbot, daß er ihm im Nothfalle auch zu Diensten stünde, entschuldigte sich damit, daß er ein Reich, das er mit so vieler Mühe erobert, nicht ohne Gefahr eines allgemeinen Abfalls verlassen könnte. Wilhelm, Herzog von Poitou, ein Oheim Heinrichs, wurde zwar zur Hülfe aufgefordert, er schüzte aber dieUnmöglichkeit vor, mit seinen Truppen durch das fremde Gebiet so vieler Grossen des Reichs durchzukommen. Auch den König von Dänemark suchte er in seinen Vortheil zu ziehen, und versicherte ihn, daß er ihm alles, was er versprochen hätte, aufs pünctlichste erfüllen wollte. Aber auch die Sachsen hatten am dänischen Hofe ihre Freunde, und Heinrich zog von dieser Seite keine Vortheile. Den Leutiziern machte er Muth, in das Gebiet der Sachsen einzudringen, und versprach ihnen alles zu geben, was sie erobern würden. Sie antworteten aber, daß sie die Sachsen in den vielen Kriegen, die sie mit ihnen geführt, genau hätten

 

 

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Kennen lernen, daß sie sich mit ihrem Lande begnügten, und keine Neigung hätten, ihre Gränzen zu erweitern. Bey Herzog Wratislaus von Böhmen fand er mehr Gehör. Er hatte ihm die Stadt Meissen mit allem, was dazu gehörte, versprochen, und die Böhmen unterstützten ihn auch hernach mit Nachdruck.

 

Auch in Deutschland gab dieses den Städten Anlaß, sich für den König zu erklären. Worms hatte den Anfang gemacht, und seinen Bischoff verjagt. Diesem Beyspiele wollte nun auch Cölln folgen. Eine geringe Ursache gab zu grossen Weiterungen Anlaß. Hanno feyerte damals die Osterfeste in Cölln, und ein anderer Bischoff hatte sich dabey eingefunden. Als dieser Fremde wieder nach Haus reisen wollte, so gab Hanno seinen Bedienten Befehl, ein Schiff für ihn zu rüsten. Diese begaben sich an das Gestade, fanden allda ein Schiff eines sehr reichen Kaufmanns, das mit Waaren beladen war, warfen die Waaren heraus, und rüsteten es aus. Das Schiffsvolk widersetzte sich, und gab unverzüglich dem Herrn desselben Nachricht davon. Sein Sohn, ein hitziger Schiffsmann, eilte mit einem Gefolge herbey, und jagte die Diener des Erzbischoffs davon. Von beeden Seiten wurde zu den Waffen gegriffen, und jede Partey hatte einen starken Anhang. Hanno, ein eben so hitziger als eifriger Priester, schimpfte, drohete, und brannte vor Rache. Der junge

 

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Schiffer breitete das Gerücht unter dem Pöbel aus, mahlte den Hanno als einen ehrgeizigen und ungerechten Beherrscher, und vermehrte die Gährung. Es traten die Grossen der Stadt zusammem und man hofte, sich eben so leicht des Erzbischoffs entledigen zu können, als es die Einwohner von Worms gethan. Sobald sich der Pöbel unterstüzt sahe, so sprach er nun nicht mehr vom Verjagen, sondern von Morden und Blutvergiessen. Nachdem der Erzbischoff dem Gottesdienst in der Kirche des h. Georgs abgewartet, und eine Rede an das Volk gehalten hatte, entstand Abends, als Hanno an der Tafel saß, ein neuer Auflauf, man drang mit bewafnerer Hand in das Zimmer, Hanno wurde noch mit Mühe gerettet, und in die Peterskirche gebracht. Der Pöbel bestürmte sie, plünderte, was er fand, stieß einige Personen todt, und wütete bis gegen Mitternacht, da man Gelegenheit fand, den Hanno aus der Stadt zu retten. Als er sich in Sicherheit sahe, brachte er in der Nachbarschaft etliche taufend Mann zusammen, und kehrte wieder nach Cölln zurück. Der zügellose Pöbel war viel zu schwach , als daß er einen ordentlichen Angriff aushalten konnte. Der Erzbischoff gelangte also wieder zum Besitz der Stadt, warf Bannstrahlen um sich, zwang die Rebellen, sich zu unterwerfen, und stellte die Ordnung wieder her. Aber wenn der Pöbel Blut vergossen hatte, so suchten sich nun die Soldaten des Bischoffs mit gleicher Wuth zu rächen.

 

 

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Sechshundert sehr reiche Kaufleute hatten sich zu Heinrich begeben, und fleheten ihn um sein Vorwort bey dem Erzbischoff an, der allzu grausam mit den Einwohnern Cöllns verführe. Hanno forderte diese Leute nach seiner Rückkunft vor, und als sie nicht erschienen, wurden ihre Häuser geplündert, alles, was den Soldaten begegnete, entweder niedergehauen oder gefangen gesezt, und alle königlich gesinnte dem Schwert der Rache aufgeopfert. Dem Schiffmann, der sich wegen seines Schiffes widersezt hatte, und seinen Anhängern wurden die Augen ausgerissen, einige mit Ruthen gestrichen, andere mit schweren Geldbussen belegt, und alle Bürger mußten von neuem schwören, daß sie nicht nur die Stadt wider alle Gewalt schützen und vertheidigen, sondern auch alle, die sich zu dem König begeben hätten, als Feinde ansehen wollten. Durch diese innere Unruhe verlor Cölln, welches bisher eine von den bevölkertesten Städten Deutschlands gewesen war, unendlich viel von ihrem Ansehen.

 

Hanno hatte sich nun deutlich genug als einen Feind des Königs erklärt, Sigfried von Maynz und Herzog Bertold hingegen hatten sich bey ihm, als er Ostern in Bamberg hielt, eingefunden, und Heinrich konnte wenigstens äusserlich, nachdem der Friede geschlossen war, keine Ungnade gegen sie zeigen. Nun aber wurden die Sachen noch verwirrten, als er in

 

 

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166 Geschichte der Deutschen,

 

Nürnberg die Legaten der apostolischen Stuhls antraf-. Gregorius VII. hatte gleich bey Antritt seiner Regierung seine Gesinnung in Ansehung Heinrichs geäussert, und auf diesem Sinne beharrte er standhaft. In einem Briefe vom 25 May 1073 an die Herzogin Beatrix und ihre Tochter Mathildis, welche ihm den Neffen des vorigen Pabstes, den Cardinal Anselm, empfohlen hatten, warnte er sie sehr ernstlich, mit den lombardischen Bischöffen keinen Umgang zu haben, welche durch dieKezerey der Simonie befleckt waren. Am Ende fügte er bey, er hätte im Sinne, andächtige Personen dem deutschen König zuzuschicken, um ihn dahin zu vermögen, daß er die Kirche erkennte, und wenn diese gelinde Mittel nichts fruchten würden, noch ernstlichere Maßregeln zu ergreifen. Dieser Brief würkte damals, daß die Kaiserin Agnes, Cardinal Rinaldo, Bischoff von Capua, und der Herzog von Schwaben sich Mühe gaben, das gute Vernehmen mit ihm wieder herzustellen. Cardinal Anselm von Lucca hatte auf Befehl seines Oheims die königliche Investitur bekommen. Aber er war auch der erste, dem Gregorius daraus ein Verbrechen machte, weil Heinrich Umgang mit Verbannten habe. Anselm bereute zwar den Fehler, und begab sich an den päbstlichen Hof, er fand aber auch den Weg der geistlichen Prätaturen mit so vielen Dornen bestreut, daß er denselben verließ, und ein Mönch in Clugni wurde. Gregortus

 

 

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Verbarg sich unter der Larve der Andacht. Und eben diese Larve nahmen auch Beatrix und Mathildis in ihren Briefen an den König an, man wird aber gar leicht unter derselben der Staatsränke des Pabstes gewahr. Während daß sie ihn durch den Verspruch der Kaiserlichen Krone zu gewinnen suchten, forderten sie auf der anderen Seite einen blinden Gehorsam gegen die Kirche, wozu sich Heinrich keineswegs verstehen wollte. Gregorius sahe wohl ein, daß er sich von dem deutschen König nicht viel gutes versprechen konnte. Er suchte daher aufs angelegentlichste, und brachte auch zween von ihnen, den Landolph von Benevent und Richard von Capua, auf seine Seite. In Mailand hatte er an Erchimbald einen getreuen Anhänger, so sehr sich dieser vor einem Zug des Königs nach Italien fürchtete. Es glückte der Beatrix, durch ihren Briefwechsel in Deutschland viele Fürsten von der Partey des Königs abzubringen, und Heinrich antwortete damals dem Pabste in einem sehr demüthigen Tone, wie leyd es ihm wäre, daß seinetwegen in der mailändischen Kirche Irrungen entständen u). Bey diesen Umständen hatte Gregorius viele Ursachen, ein außerordentliches Vertrauen in die Mathildis zu sezen. Ihr Gemahl diente dem Pabste in dem Kriege wider seine Feinde, und Mathildis unterstüzte ihn mit gutem Rath in den deutschen

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u) Gregorii Epp. L. I. ep. 24. 25. 28. 19.

 

 

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168 Geschichte der Deutschen,

 

Angelegenheiten, ja sie versprach x) dem h. Peter und seinen Nachfolgern einen vollkommenen Gehorsam bis an ihren Tod. Von solchen Gesinnungen waren die päbstliche Legaten belebt, welche bey dem König in Nürnberg ankamen. Es waren zween Cardinäle, Gerhard von Ostia und Ubert von Präneste, und zween Bischöffe von Cur und von Como. Denselben leistete die Kaiserin Agnes Gesellschaft, welche keinen geringen Verdruß über der ganzen Wendung der Angelegenheiten Deutschlands empfand und ihren Sohn durch gute Anschläge auf den rechten Weg zu leiten suchte Die römische Legaten fiengen die Unterhandlung mit einem außerordentlichen Stolz an. Sie weigerten sich, ein Wort mit dem König zu sprechen, bis er Beweise von seiner Busse gäbe, und den canonischen Gesetzen gemäß sich vom Banne durch sie freysprechen ließ, weil er wegen Verkaufung der Kirchenämter als ein Ketzer bey dem apostolischen Stuhle wäre angeklagt worden. Man bat sie, von dieser Strenge abzustehen, aber vergebens, Vielmehr hielten sie um Erlaubniß an, in Deutschland eine Synode der Bischöffe zu veranstalten. Diesem Vorhaben widersezten sich die deutsche Bischöffe aus allen Kräften. Vielmehr bezeugten sie, daß sie das Recht eine Versammlung der deutschen Bischöffe zusammen zu berufen, niemand als dem Pabste selbst gestatten würden. Die Ursache ihrer

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x) l. c. ep. 49.

 

 

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Widerspenstigkeit war diese, weil sie die Absicht des Pabstes sehr wohl wußten, der alle Bischöffe und Aebte, so um ihre Bedineungen und Aemter Geld gegeben hatten, abzusetzen, und die deutsche Geistlichkeit ganz nach seiner Weise umbilden wollte. Er hatte bereits mit den Bischoff von Bamberg und andern den Anfang gemacht, und sie von allen gottesdienstlichen Verrichtungen suspendirt, bis sie sich vor ihm stellten, und sich wegen dieses Verbrechens entschuldigten. Heinrich, der schlau genug war, sein Personal-Interesse bey allen Gelegenheiten zu befördern, wünschte, daß es dahin käme, weil er dem Bischoff von Worms und andern, die im sächsischen Krieg wider ihn sich erklärt hatten, ein solches Unglück von Herzen gönnte. Weil es nun nicht möglich war, eine so wichtige Sache in Deutschland auszumachen, so wurde alles auf den mündlichen Verhör des Pabstes selbst ausgesezt, und Heinrich entließ die Legaten im Frieden.

 

So wenig er sich auf seine Reichsfürsten verlassen konnte, so brachte er doch ein Heer zusammen, mit dem er seinen Zug nach Ungarn antrat, um den Salomo, den der Pabst so sehr verfolgte, als ihn selbst, wieder in sein Reich einzusetzen. Er war aber kaum in Regensburg angekommen, als ihm einer seiner Vertrauten nacheilte, und ihm meldete, dem Erzbischoff Hanno hätte es geglückt, den König Wilhelm von Engelland nach Deutschland

 

 

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170 Geschichte der Deutschen,

 

zu locken, und dieser sey schon im Anmarsch, um Besiz von Aachen, als dem Sitze der deutschen Könige zu nehmen. Heinrich eilte also wieder zurück, und kam schnell am Rhein an. Sigfried von Mayn erwieß ihm alle Ehre, als er in Maynz ankam. Wider den Hanno aber war Heinrich sehr entrüstet, und da der König selbst sich nach Cölln zu begeben im Sinne hatte, so erforderte es die Klugheit, daß JHanno ihm zuvor andere Gesinnungen beybrächte. Er schickte ihm demnach Gesandte entgegen, die ihn versicherten, daß seine Neider eine solche Verläumdung wider ihn ausgestreut hätten; der lezte Auflauf in Cölln habe ihm Feinde zugezogen, welche ihn nun durch Lügen zu stürzen suchten, niemals sey es ihm in den Sinn gekommen, sein Vaterland Fremden preiß zu geben, er sey allzu wohl von den Pflichten eines deutschen Patrioten unterrichtet, als daß er sich zu solchen verzweifelten Mitteln entschliessen könnte; wenn es der König erlaubte, so wollte er ihm persönlich aufwarten. Hanno gieng ihm bis nach Andernach entgegen, allwo er keinen allzu günstigen Anblick empfieng. Er reinigte sich durch einen Eid, und der König erklärte ihm, das andere, was man ihm wider ihn vorgebracht, wolle er ihm in Betracht der alten Freundschaft und seiner bischöflichen Würde verzeihen. Heinrich verbarg seinen Groll, und begab sich nach Cölln, allwo er in eigener Person den leztern Auflauf untersuchte, und dem Volk als höchster

 

 

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Richter Gehör gab. Hier hofte er Gelegenheit zu haben, eine neue Gährung zu erregen, und den Erzbischoff aus der Stadt auszuschliessen. Von Klägern erschien auch eine grosse Menge, und es fehlte nicht an Einwohnern, welche ihren Bischoff beschuldigten, daß er Unschuldige unterdrückte. Aber der schlaue Hanno wußte sich allemal so zu vertheidigen, daß ihm der König nichts anhaben konnte. Als Hanno sich aus diesem Fallstricke losgewickelt hatte, so legte ihm Heinrich einen andern. Der König gebot ihm mit königlichem Ernst, den cöllnischen Einwohnern, so sich wider ihn empört hatten, zu verzeihen, die Verbannte ihres Bannes loszusprechen, und ihm von seinen Rittern sechs Geissel zu geben, daß er sich auf seine Treue verlassen könnte. Diese drey Anforderungen schlug Hanno aufs standhafteste aus. Geissel zu stellen weigerte er sich deswegen, weil keiner seiner Vorgänger jemals von einem deutschen König darzu gezwungen worden. Die Verbannte in den Schoos der Kirche aufzunehmen, hange nicht, erwiederte er, von ihm, sondern von ihrer Busse und den Kirchengesetzen ab, und kein weltlicher Regent könne sich in solche Dinge mengen. Heinrich ward erbittert über diese Widerrede, er bedrohete den Erzbischoff, sein ganzes Land mit Feuer und Schwert zu verheeren, Hanno aber erklärte ihm dreiste, wenn der König sich so weit erniedrigte, daß er mit den ungehorsamen Unterthanen eines andern Fürsten sich selbst

 

 

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172 Geschichte der Deutschen,

 

verschwöre, so sey er bereit, sein Leben zur Vertheidigung seiner Rechte aufzuofern, und hievon würde ihn keine Menschenfrucht zurückhalten. Die Soldaten von beeden Seiten waren sehr bekümmert, es möchte dieser Streit mit einem blutigen Auftritte sich endigen. Es waren aber einige zugegen, in welche der König ein Vertrauen sezte, sie vermittelten die Sache, und bewegten den König zur Mäßigung. Nun, sagte er, so will ich ihn durch Wohlthaten zu gewinnen suchen: Wenn ich bemerken werde, daß er seinem Vaterlande treue und ersprießliche Dienste leistet, so soll er unter die Classe meiner ersten Freunde gezählt werden. Hierauf sezte er seine Reise nach Aachen fort, und suchte diese Gegend wider alle feindliche Einfälle zu sichern.

 

So hartnäckig Hanno war, so war doch Gregorius VII. noch hartnäckiger. Er mahnte die Gräfin Mathildis beständig, in ihrer Treue gegen die Kirche nicht müde zu werden, ihre Frau Mutter Beatrix reißte selbst nach Rom, und Gregorius hätte gewünscht, sich auch mit der Mathildis persönlich zu besprechen. Diese war auch auf dem verhaßten Concilio in Rom selbst anwesend, auf welchem unter andern widrigen Schlüssen auch Robert Guiscard mit allen seinen Anhängern in Bann gethan wurde. Man warb damals Völker wider diesen Feind der Kirche an, und zählte auf den Herzog Gottfried, der mit einem

 

 

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173 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

Eide versprochen hatte, mit einem Heere Lothringer seiner Gemahlin und dem Pabste zu Hülfe zu kommen. Die Veränderungen in Deutschland hatten ihn von diesem Zuge abgehalten, und Gregorius war darüber so entrüstet, daß er ihm einen sehr empfindlichen Brief schrieb y). Gottfried war also gar nicht mit seiner Gemahlin gleich gesinnt, sondern sahe vielmehr ihre innige Verbindung mit dem Pabst höchst ungern. Beatrix und Mathildis waren so sehr für die päbstliche Grundsätze eingenommen, daß sie den Bischoff von Straßburg, den der Pabst wegen der Simonie nach Rom berufen, und nach einer gelinden Erinnerung wieder entlassen, und nach Mailand geschickt hatte, bey seinem Durchzug durch ihre Staaten anhielten, weil sie glaubten, der Pabst habe einen solchen Ketzer allzu gelind behandelt. Es ist ein sehr sonderbarer Brief, den Gregorius in dieser Sache an sie schreibt. Er ermahnt sie nicht nur, den gefangenen Bischoff zu entlassen, und stellt sich als Bürge, daß der Bischoff deswegen nichts wider sie unternehmen werde, sondern giebt ihnen auch zu erkennen, daß sie hierdurch die Achtung gegen den heiligen Stuhl verlezt hätten, welches den Feinden leicht Anlaß geben könnte, arges zu vermuthen. Ihr habt euch, sagt er, aus Liebe zu uns unterstanden, wider uns zu murren. Aber der h. Petrus, wider den die andere Jünger murrten, hat sich doch nicht

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y) l. c. ep. 57.

 

 

 

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174 Geschichte der Deutschen,

 

widersezt, ihnen Rechenschaft von seinen Handlungen zu geben. Ich bin es nach seinem Beyspiel auch bereit, aber haltet dieses für den grösten Beweiß meiner Liebe zu euch. Denn keiner andern Seele wird der h. Petrus Rechenschaft geben. Die beede Prinzeßinnen unterstüzten in der That den Pabst in allen seinen Unternehmungen, und da es ihm an einem Manne fehlte, in den er sein ganzes Vertrauen hätte setzen können, so empfahl ihm Mathildis den Anselmus, ihren Beichtvater, den der Pabst aus dem Kloster berief, und ihn zwang, die Geschäfte des Hofs zu übernehmen. Mathildis hatte also ihren Beichtvater wieder, der zugleich die Stelle eines geheimen Sekretairs bey dem Pabste vertrat. Hierzu aber konnte er nicht anders gelangen, als daß er das, was er von Heinrich empfangen hatte, in die Hände des Pabstes lossagte. Man kann nicht sagen, daß sich Heinrich gar keine Mühe gegeben, diese angesehene Prinzeßinnen, mit welchen er nahe verwandt war, in sein Interese zu ziehen. Die Gefangennehmung des Bischoffs von Straßburg hatte zu verschiedenen Urtheilen Anlaß gegeben. Es schienen Leute zu seyn, welche bey dem Pabste und der Beatrix Argwohn zu erregen bemüheten. Aber der Pabst schmeichelte aufs niedrigste, z) vertraute ihnen zum Schein wichtige

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z) l. c. L. II. ep. 9. Nos nihil fere potius, quam suspectum animum fugientes, in veritate vobis loquimur, quod in nullis terrarum principibus tutius, quam in vestra nobilitate confidimus, quoniam hoc verba, hoc facta, hoc piae devotionis studia, hoc fidei, vestrae praeclara nos constantia docuerunt.

 

 

 

 

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175 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

Geheimnisse, und fesselte sie durch die Bande der Andacht und des Interesse. Kaum hatte er gehört, daß eine von ihnen sich selbst nach Deutschland begeben wollte, so schrieb er ihnen, er möchte sie zuvor beede in Rom sprechen, a) und verhinderte, daß keine von ihnen diese Reise antrat.

 

Nichts aber verursachte mehr Unruhen, als das päbstliche Verbot, daß sich kein Priester verheurathen, sondern vielmehr, wenn er geheurathet wäre, seine Frau entlassen sollte.

 

Gregorius machte es zuerst auf dem obgemeldten Concilio in Italien kund, und betete es hernach über ganz Deutschland aus. Die deutsche Bischöffe erhielten Befehl, Ernst zu gebrauchen, und durch Bannstralen die Priester zu zwingen, daß sie sich von ihren Weibern trenneten. Alle Geistliche in Deutschland geriethen hierüber in Harnisch. Sie beriefen sich auf die Ordnung GOttes, tadelten diesen Zwang, den man der menschlichen Natur anthun wollte, und hielten das päbstliche Unternehmen

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a) ad haec alteram vestrum hoc tempore transalpinaturam intelleximus, sed prius si fieri posset, ambarum colloquio uti multum desideramus, quoniam vestra consilia sicut fororum nostrarum & filiarum S. Petri in causis & negotiis nostris habere desideramus.

 

 

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176 Geschichte der Deutschen,

 

für einen Wahnwiz b) Sie droheten, lieber wollten sie aufhören, Geistliche zu als sich die Ehe rauben lassen, und alsdenn möchte der Pabst sehen, wie er Engel vom Himmel zum Dienst der Kirche bekäme. Allen diesen Harm achtete Gregorius nicht. Da er nicht gewohnt war, von seinen Planen zu weichen, so schalt er die Trägheit der deutschen Bischöffe, und drohete mit dem päbstlichen Bann, wo sie sich nicht nach seinem Willen bequemten. Der Erzbischoff Sigfried von Maynz bekam den Auftrag, dieses neue Gesetz bey seiner Nation zur Annahme zu empfehlen und zur Erfüllung zu bringen. Er sahe die Schwierigkeiten wohl ein, welche mit einer solchen Reformation verknüpft wären, wodurch die uralte und durch das Gesetz Gottes bestätigte Gewohnheiten gerade angetastet würden. Er gebrauchte anfangs alle mögliche Mäßigung, und ließ der deutschen Geistlichkeit ein halb Jahr Bedenkzeit. Zugleich ermahnte er sie, lieber sich diesem Befehl gern zu unterwerfen, als daß sie den Pabst und ihn in die Nothwendigkeit sezten, Strenge zu gebrauchen. Endlich berief er die Geistliche zu einer Synode nach Erfurt, welche im October dieses Jahrs ihren Anfang nahm. Hier machte er den Antrag, sie sollten sich nun einmal im Ernst darzu entschliessen, entweder ihre Weiber zu lassen, oder dem Dienst

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b) Vesani dogmatis esse, sagt Lambert bey Pistorius l. c. p. 379. Sigebertus Gemblac. ad a. 1074.

 

 

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177 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

des Altars zu entsagen. Die Geistliche widersezten sich wieder aufs nachdrücklichste, und erwiesen die Ungerechtigkeit des Befehls und die Strenge des Jochs, das man ihnen aufbürden wollte. Sigfried erwiederte, daß er in der Sache selbst keine Schuld habe, da er aber einmal den päbstlichen Befehl für sich hätte, so bäte er sie, die Sachen nicht zu Weitläuftigkeiten kommen zu lassen. Die anwesende Geistliche baten um Erlaubniß, abzutreten, und sich gemeinschaftlich zu berathschlagen. Sigfried erlaubte es. Aber nun waren die Meinungen unter ihnen selbst sehr getheilt. Einige waren der Meinung, gar davon zu gehen, und den Sigfried allein zu lassen. Andere waren noch erboster, und wollten, man sollte wieder in den Versammlungs-Saal hineingehen, den Erzbischoff aber, noch ehe er die Bannstralen wider sie losdrückte, von seinem Erzbisthum absetzen, und hernach gar umbringen, damit es keinem seiner Nachfolger mehr einfiele, eine so angesehene Geistlichkeit mit so ungerechten Befehlen zu beunruhigen. Von diesem mörderischen Anschlag gaben einige Freunde Sigfrieds ihm noch zu rechter Zeit Nachricht, und baten ihn, durch Mäßigung seinem Unglücke zuvorzukommen. Er schickte demnach jemand hinaus, und ließ sie bitten, wieder zur Versammlung zu kommen, er verspräche ihnen, so bald er Gelegenheit haben würde, jemand nach Rom zu schicken, und den Pabst aufs ernstlichste zu bitten, die

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178 Geschichte der Deutschen,

 

Strenge seines Befehle zu mäßigen. Den andern Tag berief er alle Geistliche und Weltliche zur Versammlung, und widerholte seine alte Klagen wegen der Zehenden, beschuldigte die Thüringer, daß sie ihm dieselbe widerrechtlich vorenthielten , und riß hierdurch die Wunde auf, welche in Gerstungen und durch vorhergehende Vergleiche geheilt worden war. Die Thüringer erstaunten über diese Neuerung. Sie antworteten anfangs gelind, der Erzbischoff möchte sich erinnern, daß sie in den Vertrag von Gerstungen unter der ausdrücklichen Bedingung gewilligt hätten, daß ihnen ihre Rechte und Freyheiten ungekränkt gelassen würden. Als Sigfried diese Vorstellung nicht achtete, stürzten sie sich in voller Wuth zum Zimmer hinaus, ruften zu den Waffen, raften eine Menge Volk zusammen, und drangen auf das Haus der Synode an. Nichts würde sie gehindert haben, den Erzbischoff mit seinem ganzen Anhang zu ermorden, wo seine Soldaten nicht ihnen selbst Recht gegeben, und durch allerhand Schmeicheleyen ihren Zorn gestillt hätten. So endigte sich die Erfurter Synode mit einer allgemeinen Furcht, welche sich über die Beförderer der Gregorianischen Anforderung ausbreitete. Sigfried eilte von Erfurt hinweg, und verbarg sich in Heiligenstadt, wo er bey jeder Messe, die er hielte, alle Störer der Synode in den Bann that.

 

 

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Indessen waren die päbstliche Legaten aus Deutschland wieder in Rom angekommen, und meldeten dem Pabste, daß Heinrich auf die Vorstellng seiner Mutter und durch den sächsischen Krieg sich dazu hätte bewegen lassen, sich zu den Absichten des Pabstes zu bequemen, und daß er gute Hofnung von sich gäbe, die versprochene Bedingungen zu erfüllen. Gregorius schrieb daher noch am Ende dieses Jahre zween Briefe an ihn, im ersten erkennt er es mit Dank, daß er die apostolische Legaten mit so vieler Achtung aufgenommen hätte, zu noch grösserem Vergnügen gereiche es ihm, daß ihn seine Mutter versicherte, er habe versprochen, die Ketzerey der Simonie gänzlich aus seinen Staaten auszurotten, und die unkeusche Priester zum Gehorsam gegen die apostolische Befehle zu zwingen, er schreibe ihm dieses auf Anrathen der Kaiserin Agnes und seiner geistlichen Töchtern, der Beatrix und Mathildis. Im andern äußert der Pabst schon wieder einen neuen Plan, den er sich auszuführen vorgenommen hatte. Denn wann er die Normannen zum Gehorsam gebracht, wenn Heinrich gehorchte, so glaubte er, den Occident schon halb bemeistert zu haben, er gedachte also an den Orient, und baute auf die Unterwerfung Heinrichs die Hofnung, das heilige Land wieder zu erobern, und die griechische Kirche mit der lateinischen zu vereinigen, wie er sich denn verlauten läßt, daß er bereits auf ein Heer von 50000 Mann zählen könnte,

 

 

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180 Geschichte der Deutschen,

 

wenn Heinrich sich entschliessen würde, dem Zuge selbst anzuwohnen.

 

Aber dieser weitschichtige Plan war noch viel zu früh. Neue Unruhen vernichteten die Hofnung des Pabstes. Die deutsche Bischöffe wollten ihre Weiber nicht lassen, die Minister 1075 des Königs wollten sich den Gewinn von Ersetzung der geistlichen Würden nicht rauben lassen, die Bichöffe selbst waren in Sorgen, durch diese neue Verordnungen mehr zu verlieren, als zu gewinnen, und vielleicht in kurzer Zeit genöthigt zu seyn, in Rom grössere Summen aufzuwenden, als sie bisher am königlichen Hoflager aufgewandt hatten. Gregorius war hierüber sehr ungehalten, und versammelte am Ende des Hornung ein neues Concilium in Rom, wo er wieder nach dem Beispiel seines Vorgängers fünf Minister des Königs mit dem Bann belegte, und von den ungehorsamen Bischöffen einige suspendirte, andere gar absezte. Heinrich duldete zwar diese Beschimpfung und Verletzung der deutschen geistlichen Rechte, weil er eine andere Absicht auszuführen im Sinne hatte, zu welcher er aus Italien Hülfe zu ziehen hofte. Er hatte auf Weyhenachten die Reichsfürsten nach Straßburg berufen, und als sich eine ziemliche Anzahl derselben eingefunden, so suchte er sie durch Verheissungen und Geschenke zu gewinnen, damit sie ihn in dem neuen Kriege wider Sachsen, den er im Sinne hatte, unterstüzten.

 

 

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Er zog Grosse und Geringe in sein Interesse, und suchte einen jeden, von dem er sich getreue Dienste versprechen konnte, durch einen Eid sich zu verpflichten. Viele neigten sich auf seine Seite, und liessen sich durch die gemachte Hofnung täuschen, daß er ihnen Sachsen und Thüringen, wenn sie diese beede Provinzen erobern würden, überlassen und erlauben wollte, dieselbe nach ihrer Willkühr unter einander zu theilen. Er hatte diese Absicht lang geheim gehalten, und sich so zu verstellen gewußt, daß, wenn ihm die Sachsen aufwarteten, er sie allemal mit vorzüglichen Ehrenbezeugungen aufnahm, und ihnen von freyen Stücken Befehle gab, aus welchen sie vermuthen mußten, daß Heinrich sie wieder des vorigen Vertrauens würdigte. In gleicher Absicht hatte er auch seine Unterhandlungen in Italiens fortgesezt, und alle seine Feinde künstlich einzuschläfern getrachtet. Er behielte auch noch immer dem äußern Anscheinen nach sein Vertrauen gegen die Beatrix und Mathildis, und alle Geschäfte, die er mit dem päbstlichen Hofe hatte, giengen durch ihre Hände. Er hofte durch diesen Canal eine günstige Antwort vom Pabste zu erhalten, damit Gregorius sich auf seine Klage wegen des Kirchenraubs in Harzburg wider die Sachsen erklärte, und er unter diesem Vorwand desto zuversichtlicher einen Feldzug wider sie unternehmen könnte. Aus diesem Grunde war er auch dem Gesuch des Pabstes in Ansehung des ehelosen Standes der Geistlichen minder zuwider, weil er hofte,

 

 

 

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182 Geschichte der Deutschen,

 

hierdurch Gelegenheit zu bekommen, entweder manche Bischöfe auf seine Seite zu ziehen, oder solchen, die er haßte, auf andere Weise Verdruß zu machen.

 

Mitten unter diesen Anstalten kam in Deutschland ein erlauchter Gremder an, und suchte Schuz. Isaslaw, Großfürst von Kiew, der in den deutschen Jahrbüchern Demitrius heißt, wurde durch seinen Bruder Usewolod vom Throne verdrungen, irrte lang in Polen herum, wurde aus diesem Lande auch dem Markgraf Dedo von Sachsen empfohlen, und von ihm nach dem Frieden dem König vorgestellt. Isaslaw brachte zwar viele Geschenke an silbernen und güldenen Gefässen und kostbare Kleidungsstücke mit, und bat, daß ihm der König von Deutschland wider seinen Bruder helfen möchte. Der König schickte auch gleich den Probst der Kirche von Trier, Burckard, einen Bruder von der Gemahlin des Isaslaw, nach Kiew, und ließ den Großfürsten bedrohen, wenn er seinem Bruder das Reich nicht abträte, so würde er sich die Ungnade des deutschen Reichs zuziehen. Aber dieses waren blose Drohungen, welche Heinrich zu erfüllen nicht im Stand war. Isaslaw blieb einige Jahre in Deutschland, wurde auch dem P. Gregorius bekannt, und hatte endlich das Glück, durch Polen den Thron wieder zu bekommen, den ihm Heinrich nicht geähren konnte.

 

 

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Dieser versäumte keine Zeit, sich in guten Stand zu setzen, und schien sich weder um die Sachsen noch um den Pabst viel zu bekümmem, sondern glaubte, daß ihn die äusserste Noth zwänge, die verachtete Majestat eines Königs von Deutschland an der Spitze seiner Heere wieder herzustellen. Gregorius fuhr ebenfalls eifrig fort, das Ansehen der deutschen Bischöffe herabzusetzen, wovon er erst neuerdings einen Beweise an dem Bischofs Hermann von Bamberg gegeben hatte. Dieser Bischoff hatte auf seine eigene Unkosten eine Kirche ausser den Stadtmauren erbauen lassen, und dazu 25 Weltgeistliche, welche gemeinschaftlich lebten, verordnet, zu deren Unterhalt er reichliche Einkünfte ausgesezt hatte. Als der Vorsteher derselben starb, fiel ihm bey, die Weltgeistliche zu entlassen, und an ihrer Stelle Mönche einzuführen. Hierüber beschwerten sich die Weltgeistliche, und wollten diese Verachtung ihres Stands und den Vorzug der Mönche, welche ihnen ihren Unterhalt raubten, nicht dulden. Andere Weltgeistliche von der Hauptkirche schlugen sich zu ihnen, und machten gemeine Sache wider den Bischoff und die Mönche. Man machte hiebey triftige Anmerkungen von der Verpflichtung der Mönche und dem Vorzug der Weltgeistlichen vor ihnen. Aber alles dieses machte bey dem Bischoff wenig Eindruck, vielmehr berief er sich auf seine Feyheit, mit dem, was er zum Besten der Armen gesammlet hätte, nach seiner Willkühr zu handlen

 

 

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184 Geschichte der Deutschen,

 

Die Weltgeistliche, lauter arme Leute, welche keine Mittel hatten, sich selbst zu erhalten, wandten sich an den König und an die Fürsten des Reichs, fanden aber nirgends Hülfe. Folglich blieb ihnen nichts übrig als der Recurs an den Pabst, und dieser war desto feyerlicher, weil die ganze bambergische Chlerisey sie durch eine besondere Gesellschaft untestüzte, und dem Pabst ihren Bischoff auf der häßlichsten Seite schilderte. Sie nannten ihn einen Ketzer, der sein Bisthum mit Geld erkauft, der deswegen schon einmal bey dem päbstlichen Stuhl angeklagt worden, und sich mit einem Eide habe reinigen müssen, der gar nichts verstände, und als ein Unwissender seine Würde erlangt, der sich schon in seinem Vaterland wegen seines Lebenswandels gerechte Vorwürfe zugezogen, der sich mehr auf den Geldwechsel als auf das Evangelium verstände, und alle Einkünfte ihrer Kirche durch unnöthigen Aufwand verschwende. Gregorius hörte diese Klagen gern. Denn da er den Bischoff schon zuvor suspendirt hatte, so belegte er ihn nunmehr mit dem Bann, desto mehr weil er schon seit 2 Jahren vor dem Pabst zu erscheinen berufen worden, und doch noch nicht erschienen war. Ueberdiß gab er den Befehl, die Weltgeistliche wieder in ihre Kirche einzusetzen. Der bambergischen Geistlichkeit wurde befohlen sich von aller Gemeinschaft mit ihm zu entfernen, und zum Ueberfluß versicherte ihn der Pabst, daß er, so lang er Pabst wäre, nicht

 

 

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mehr zum Besiz seiner Würde gelangen würde. Dieser Befehl wurde dem Hermann kund gemacht, und alles flohe vor ihm, als einem Aussätzigen. In diesem Gedränge wandte er sich an seinen werthesten Freund, den Erzbischoff von Maynz, und bat ihn, selbst nach Bamberg zu kommen und diese Unruhe zu dämpfen. Alle seine Vorstellungen aber waren ohne Wirkung. Vielmehr gaben die Geistliche ihm zu erkennen, daß der Bann auch ihn treffen würde, wenn er sich eines solchen unwürdigen Bischoffes annähme. Sigfried erbot sich, seinem Freunde zu Gefallen selbst nach Rom zu gehen und das erbitterte Gemüth des Pabstes zu besänftigen. Aber Sigfried fand auch in Rom einen unbiegsamen Richter, der nicht nur ihm einen bittern Verweiß gab, daß er einen solchen Bischoff eingeweyht hätte, sondern ihn auch mit dem Befehl zurückschickte, die Verbannung Hermanns im ganzen deutschen Reiche bekannt zu machen, und zu erwarten, wen er ihnen als Bischoff senden würde. Ueber dieses päbstliche Orakel waren die Dienstleute des Bischoffs sehr erbittert. Sie beschwerten sich, daß man einen deutschen Bischofs ohne canonische Untersuchung und ohne rechtliches Verhör, welches man doch dem geringsten Geistlichen nicht abschlagen könnte, durch einen Machtspruch absezte. Sie erklärten, daß alle Advocaten und Dienstleute der bambergischen Kirche verpflichtet wären, die Ehre ihres Bischoffes zu retten. Hermann lebte

 

 

 

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186 Geschichte der Deutschen,

 

also unter ihrem Schuz, aber weder die Weltgeistliche, noch ein Bischoff, noch der König selbst würdigten ihn ihres Umgangs. Heinrich hütete sich vielmehr, den Pabst wider sich zu erbittern, um unter dem Vorwand seines günstigen Urtheils, das er noch immer erwartete, die Sachsen zu bekriegen.

 

Alle Anstalten zum Feldzug waren gemacht. Die Sachsen waren getrennt, und darinnen hatte Heinrich eine besondere Kunst gezeigt, einige Sachsen durch Höflichkeit und Gnadenbezeugungen zu gewinnen , und sie wider der ihr eigen Land in sein Vertrauen zu ziehen. Herzog Rudolph von Schwaben war durch den lezten Friedensschluß, in welchem sie ihn ausgeschlossen hatten, so erbittert worden, daß er sich nun auf die Seite des Königs lenkte. Heinrich hatte also Schwaben, Bayern, Lothringen, die Rheinländer, die Böhmen für sich. Westphalen und Meissen verliessen die Sachsen, die meiste Bischöffe, welche der Pabst zu sehr erbittert hatte, hielten es mit Heinrich, nur die Bischöffe von Halberstadt, Osnabrück und Merseburg hatten ihre Treue gegen die Sachsen beybehalten. Andere waren neutral, und wollten den Ausgang erwarten. Das sächsische Bündniß war also geschwächt, und die Häupter desselben fiengen an, wegen ihrer Schwäche bekümmert zu seyn. Sie schickten Gesandte an einander, sie baten den König, er möchte doch Richter ernennen, welche

 

 

 

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187 Fünfte Periode Heinrich IV.

 

die Sache des Kirchenraubs untersuchten, sie wandten sich an den Erzbischoff von Maynz, dem sie ihre Noth in einem gemeinschaftlichen Schreiben klagten, aber der König schreckte sie mit der Antwort, sie hätten bey ihm keine Gnade zu hoffen, als wenn sie sich und das ihrige in die Willkühr des Königs überliessen. Ein Schreiben gleichen Inhalts erhielt auch der Erzbischoff Udo von Trier, und der Bott bat, als er eben auf der Kanzel stand, es abzulesen. Dawider aber setzte sich der König, und Herzog Rudolph goß Oel in das Feuer. Hierzu kam die Untreue mancher Sachsen, welche zuvor vom König abgefallen, nun aber, als sich in einem Jahre die Umstände so sehr geändert hatten, wieder zu ihm übergegangen waren.

 

Diß war also der günstige Zeitpunkt, da Heinrich mit mehr Hofnung als zuvor einen Feldzug wagen konnte. Als er Ostern in Worms hielt, kamen auch einige Sachsen herbey, welche dem König aufwarten wollten. Der König ließ sie nicht nur nicht vor sich, sondern schickte sie nach Hause, mit dem Bedeuten, daß sie für den Schimpf, den sie ihm angethan noch keine Genüge geleistet hätten. Auf ein Schreiben des Erzbischoffs von Magdeburg erwiederte er kurz, sie sollten Ihm nur den Bischoff Bucco von Halberstadt, den Herzog Otto und den Pfalzgrafen Friderich ausliefern. Sein stolzer Ton war sie das

 

 

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188 Geschichte der Deutschen,

 

Kriegsgeschrey. Heinrich schrieb nun öffentlich einen Feldzug nach Sachsen aus, und bestimmte ihnen Bredingen als den Sammelplatz, wo sie sich im Monat Junius einfinden sollten. Den Sachsen, die in Goslar eine Zusammenkunft gehalten hatten, ließ er den Krieg ankündigen, und wandte in seiner Kriegeerklärung folgende Ursachen vor: Er erinnere sich noch wohl der schweren Beleidigungen, die sie ihm angethan hätten, da sie ihn als ihren König gezwungen, durch eine schimpfliche Flucht sein Leben zu retten, er glaube nicht, daß alle Sachsen daran Schuld hätten, sondern der unerfahrne Pöbel hätte sich nur durch einige Fürsten dahin reissen lassen, wider diese führe er Krieg, weil alle rechtliche Mittel nichts genüzt hätten, er befehle also den Unschuldigen, die öffentliche Feinde des Reiche nicht mit bewafneter Hand zu unterstützen, würden sie ihm darinnen gehorchen, so würde er ihnen auch ihre alte Vergehen verzeihen, wo nicht, so müßte er auch gegen sie als Feinde verfahren.

 

Die Sachsen antworteten hierauf, wenn ihre Fürsten dem König nicht vollkommene Genüge leisteten, so würden sie keinen Anstand nehmen, sie unverzüglich entweder mit Verhaft zu belegen, und ihm zur Untersuchung auszuliefern, oder ihr ganzes Land zu verheeren, und sie zu verjagen. Da sie aber bereit waren, sich wegen dessen, was man sie beschuldigte, zu verantworten, so baten sie inständig,

 

 

 

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189 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

einen Rechtstag deswegen zu verordnen, und ihre Entschuldigung anzuhören, wenn er aber durch ihr Blut sich sättigen wolle, so könnte man es ihnen nicht verargen, wenn sie ihre Fürsten vertheidigten, und zur Aufrechterhaltung ihrer Ehre und Freyheit die Waffen ergriefen. Der Erzbischoff von Magdeburg, der Bischoff von Halberstadt, Herzog Magnus und Herzog Otto versicherten nochmals, daß sie sich keines Friedernsbruches bewußt wären, und wenn der König den Argwohn hätte, daß die Verheerung der harzburger Kirche von ihrer Schuld herrührte, so wollten sie in einem Gerichte von andern Fürsten ihre Unschuld darthun, ja die Kirche auf ihre Kosten noch viel schöner aufbauen lassen, als sie zuvor gewesen, und alles wieder in den vorigen Stand setzen, auch all ihr Gold und Silber und alle Einkünfte aufopfern, um den Zorn des Königs abzuwenden. Sie erboten sich sogar, mit blosen Füssen vor ihm zu erscheinen, und um Gnade und Erbarmen zu flehen. Mit dieser Erklärung schickten sie Gesandte an den König, welche aber als Spionen und Feinde gleich auf den Gränzen abgewiesen wurden. Kein einziger Gesandter, so viel sie sich auch Mühe gaben, wurde vor den König gelassen. Sie wandten sich demnach an den Herzog Rudolph von Schwaben, den Herzog Bertold und Herzog Gottfried von Niederlothringen, und baten sie um ihr Vorwort. Aber auch hier war ihnen aller Zugang verschlossen, weil diese schon zuvor

 

 

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190 Geschichte der Deutschen,

 

dem König geschworen hatten, ohne sein Vorwissen keine Gesandtschaft von ihnen anzunehmen, sie weder mit den Waffen noch mit guten Räthen zu unterstützen, und keine Fürbitte für sie zu thun, bis er sein Unrecht an ihnen gerochen hätte. In dieser mißlichen Lage ihrer Umstände hielten sie häufige Zusammenkünfte, beteten, fasteten, theilten Allmosen aus, und sezten endlich Lupezen, einen sechs Meilen von Bredingen gelegenen Ort als den Sammelplaz ihrer Völker an. Einen kleinen Trost gaben ihnen polnische und lutizische Gesandte, welche sich erboten, entweder mit ihren Hulfsvölkern in Sachsen einzurücken, oder sich dem König in Dänemark als einem Bundsgenossen des Königs entgegen zu setzen.

 

Indessen sezte Heinrich auch in Italien seine Unterhandlungen fort. Weil sich der tapfere Herzog Gottfried von Niederlothringen für den König erklärt hatte, so lag ihm unendlich viel daran, seine Gemahlin und Schwiegermutter mit ihm auszusöhnen. Er schickte daher vertraute Gesandte an den Pabst, der auf den Gottfried sehr erbost war, und ließ Friedensvorschläge thun. Zu gleicher Zeit hatte man ein geheimes Verständnis mit dem Erzbischoff Wibert von Ravenna, um wenigstens gegen den Pabst das Gegengewicht zu halten, wenn er sich unterstünde, die Sachsen öffentlich in seinen Schuz zu nehmen. Die zwo Prinzeßinnen wollten sich nicht erklären, sondern

 

 

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191 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

beobachteten dem Scheine nach eine gewisse Neutralität. Heinrich schickte neue Gesandte an den Pabst, an seine Frau Mutter, an die Beatrix und Mathildis, welche meldeten, daß, weil er sich auf gewisse Fursten seines Reichs nicht verlassen könnte, welche mehr die Unruhen zu befördern, als zu dämpfen suchten, er wegen der neuen Aufruhr der Sachsen die Gehorsams-Gesandte nicht schicken könnte, die er hatte schiken wollen, daß ihm also nichts übrig geblieben, als einige seiner Freunde abzuschicken, deren Auftrag niemand als sie wissen sollte c). Er bekümmerte sich wenig um die apostolische Legaten, welche nach Deutschland gehen sollten, sondern zog, nachdem er Pfingsten in Worms gehalten hatte, ins Feld, und hatte das Vergnügen, in Bredingen ein so starkes und zahlreichesHeer anzutreffen, als noch nicht leicht ein König in Deutschland gehabt hatte.

 

Herzoge , Bischöffe, Aebte und alle Grossen strengten alle ihre Kräften an, und boten ihre ganze Macht auf. Die meiste erschienen in Person, und es blieb nicht leicht jemand aus, als der, den Krankheit und Nothsfälle hinderten. Der einige Erzbischoff von Cölln bat den König um Erlaubniß, zu Hause zu bleiben, weil er sich ein Gewissen daraus machte, wider seinen Bruder, den Erzbischoff von Magdeburg

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c) Hoc autem quod mando, neminem scire volo praeter vos Dominam matremque meam atque amitam Beatricem & filiam ejus Mathildem.

 

 

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192 Geschichte der Deutschen,

 

und seinen Vetter B. von Halberstadt, zu fechten. Heinrich erlaubte es ihm desto gerner, weil er ihm wegen seiner geheimen Nachstellungen äusserst verhaßt war. Doch mußte er seinen Antheil von Soldaten stellen, so wie der betagte Bischofs von Lüttich, dem man den Feldzug über die Königin in die Verwahrung gab. Der Herzog von Böhmen erschien mit einem so starken Heere, daß er glaubte, durch sich allein im Stande zu seyn, dem sächsischen Kriege ein Ende zu machen. Nachdem nun Heinrich sich an der Spitze eines so ansehnlichen Heers sahe, so schickte er Spionen aus, welche vom sächsischen Lager Kundschaft eingezogen. Diese meldeten ihm, daß das sächsische Heer dem seinigen nichts nachgäbe, daß es Ueberfluß an allem , daß Lager nicht mehr weit entfernt wäre, daß sie entschlossen zu seyn schienen, zuvor Gesandte zu schicken, und wenn sie den Frieden nicht erlangen könnten, es auf ein Treffen ankommen zu lassen. Darüber verlor Heinrich den Muth noch nicht, sondern verließ sich auf den Kern seiner Völker. Jedoch beeilte er sich, noch vorher ein Treffen zu liefern, ehe die sächsische Gesandte ankämen, weil er besorgte, sie möchten die bey ihm dienende Fürsten durch allerley Vorstellungen abwendig machen. Am eifrigsten zeigte sich Herzog Rudolph von Schwaben, um durch diese Probe seiner Treue dem König allen Verdacht wider ihn zu benehmen. Der König brach also von Bredingen

 

 

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auf, und kam durch schnelle Märsche in die Nähe der Sachsen. Kaum hatte er sich zur Ruhe gelegt, um mit seinen Volkern auszurasten , so trat Herzog Rudolph in sein Zimmer, und berichtete ihn, iezo sey der glücklichste Augenblick, da man die allzu sichere Sachsen überfallen, und dem Kriege auf einmal ein Ende machen könne. Beede eilten zum Heere zurück, und machten zum Treffen Anstalt. Rudolph mit seinen Schwaben führte nach der Gewohnheit, welche die Schwaben seit langen Zeiten in den Feldzügen der deutschen Könige als eine vorzügliche Ehre beobachteten, den Vortrab an. Der König war an der Spitze des fünften Trupps , und hatte die auserlesenste Mannschaft bey sich. In guter Ordnung marschirte das königliche Heer wider den Feind, der sich eines solchen Angriffs nicht versehen hatte. In gröster Eile ergriefen die Sachsen das Gewehr, und rannten dem König entgegen. Ihr erster Angriff war so hitzig, daß sie den Herzog Reudolph beynahe zum Weichen genöthiget hätten, wo ihm nicht Herzog Welf mit seinen Bayern zu Hülfe gekommen wäre. Die Sachsen fiengen an einzuhauem und richteten ein grosses Blutvergiessen an. In diesem Angriffe blieben Markgraf Ernst von Bayern, zween Söhne des Grafen von Nellenburg, ein Graf Engelbert, viele Schwaben und Bayern, und noch mehrere wurden verwundet. Herzog Rudolph fochte als ein Held. Aber auch die Sachsen hatten ihren

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194 Geschichte der Deutschen,

 

Helden, den Herzog Otto, der für sein Vaterland mit einer wahren Begeisterung stritte. Nachdem man bereits von Mittag bis an den Abend gefochten hatte, und die Bayern und Schwaben, welche am meisten gelitten, ermüdet waren, so rückte auf einer Seite Graf Hermann von Glizberg, auf der andern die Bamberger vor, ihnen folgten der Herzog in Böhmen und Herzog Gottfried von Lothringen, den die Schwaben und Bayer lang genug um Hülfe ersucht hatten, und entschieden mit ihren frischen Völkern den Ausgang des Treffens. Die Sachsen wichen, flohen, hieben nieder, was sie fanden, und liessen ihr Lager im Stiche, welches die königliche Soldaten plünderten. Die Nacht verhinderte den König, die Feinde jenseits der Unstrut zu verfolgen, jedoch hatten die Sachsen keinen einigen ihrer Grossen verloren. Diß ist der Ausgang der ersten Schlacht an der Unstrut zwischen Hohenburg und Negelstadt ohnfern Langensalza.

 

Von der lebhaftesten Freude durchdrungen, gieng Heinrich in sein Lager zurück, und erndtete die Lorbeere seines Siegs ein. Betrübt aber war es, daß Bürger wider Bürger das Schwerdt ergriffen hatten. Dieser Sieg war daher mit vieler Bitterkeit vermengt, als viele Väter, Brüder und andere Anverwandte unter den Todten fandem und noch mehr wurde das Frolocken über den Sieg gehemmt,

 

 

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als man keinen von den Grossen der Sachsen unter den Todten antraf. Vielmehr vernahm man bald hernach, daß diese von neuem Völker zusammen zögen, und den Tod so vieler Unschuldigen zu rächen suchten. Dieses verursachte bey Heinrich eine nicht ungegründete Besorgniß, er möchte bey einem zweyten Zug die Bereitwilligkeit bey seinen Freunden nicht mehr finden, die er bey dem ersten gefunden hatte. Religion, Gewissens-Scrupel, Mitleiden mit den erschlagenen Anverwandten konnten damals bey dem Volk mancherley Folgen nach sich ziehen. Der Erzbischoff Sigfried verschlimmerte die Sache noch mehr durch einen unzeitigen Eifer. Nachdem er sich mit einigen Räthen des Königs besprochen hatte, so trat er öffentlich auf, und belegte die Grosse von Thüringen mit dem Banne, weil sie das vorige Jahr, als er die Synode von Erfurt gehalten hatte, mit blossen Schwerdtern in die Kirche eingedrungen waren. Er gebrauchte zwar den Vorwand, daß ihm der Pabst erlaubt hätte, nach seinem Belieben ohne weitere Untersuchung den Bann wider sie kund zu machen, wenn er wollte. Die Zeit und das Unglück der Thüringer aber zogen ihm wegen dieses Schrittes vielen Haß zu, da jedermann merkte, daß er blos dem König damit zu gefallen suchte, der nun wider Verbannte mit desto grösserer Freyheit handlen konnte.

 

Heinrich rückte nach der Schlacht mit seinem Heere in Thüringen und Sachsen ein,

 

 

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196 Geschichte der Deutschen,

 

und handelte überall feindlich, ob er wohl indessen auch durch Gesandte die sächsische Fürsten ermahnen ließ, sie möchten sich ergeben, und ihn nicht zur Fortsetzung des Kriegs nöthigen. Aber das Vertrauen zu ihm schien nun ganz verschwunden zu seyn. Sie entschuldigten sich zwar bey ihm, wie leyd ihnen wäre, daß sein Zorn durch nichts, als durch ihr Blut gestillt werden könnte. Aber sie bezeugten ihm auch standhaft, daß sie lieber im Treffen umkommen wollten, als daß sie ihre Ehre und Freyheit verlören, oder durch lange Gefangenschaft sich martern liessen. Der Erzbischoff von Maynz wurde selbst zu ihnen gesandt, der sie inständig bat, ihr Volk dem gänzlichen Untergang nicht auszusetzen, und versprach, daß sie, wenn sie sich ergäben, gleich oder wenigstens bald hernach losgesprochen, und in alle ihre Würden und Güter wieder eingesezt werden sollten. Dieser lockenden Stimme traueten sie eben so wenig. Vielmehr beklagten sie sich, daß, wenn der König den in Gerstungen mit Einwilligung der Fürsten geschlossenen Vertrag nicht gehalten hätte, sie sich nunmehr auch auf die glänzendeste Verheissungen anderer Fürsten nicht mehr verlassen könnten. Sie sezten sich also mit ihrem Heere ohnfern Magdeburg, und schienen entschlossen zu seyn, es zu keinem Treffen mehr kommen zu lassen. Jedoch ergaben sich einige an den König. Markgraf Udo wurde gleich wieder losgelassen, nachdem er seinen Sohn als Geissel gestellt hatte.

 

 

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Der Bischofs von Merseburg wurde in das Kloster Lorsch abgeschickt, und allda verwahrt. Andere Fürsten übergab man andern getreuen Freunden des Königs, damit sie auf sie ein wachsames Aug hätten. Der König hingegen rückte mit seinem Heere bis nach Halberstadt vor, wo er alles mit Feuer und Schwerdt verwüstete. Er selbst begab sich mit einem kleinen Gefolge nach Goslar, damit der unbändige Haufen dieser Stadt, die er so sehr liebte, kein Leyd zufügte. Jedoch litt er an Lebensmittel ziemlichen Mangel, und diese Noth zwang ihn, in einen Waffenstillstand zu willigen. Er verließ also Sachsen wieder, begab sich durch Thüringen nach Eschwegen, entließ sein Heer, und gebot den Fürsten, gegen Martini mit einem noch zahlreichern Heer sich in Gerstungen einzufinden.

 

Kein Herzog schien dem König getreuere Dienste zu leisten, als Herzog Gottfried von Niederlothringen. Aber keinem schmeichelte auch Heinrich mehr als ihm. Wenn dieser etwas empfahl, so hatte der König allemal Achtung für ihn. Davon gab er ihm einen neuen Beweiß, als er ihm nach dem Tode des Bischoffs von Lüttich, Dietwin einen seiner Unterthanen, Heinrich, Domherrn von Verdun vorschlug, den der König ohne Bedenken als Bischoff ernannte. Herzog Rudolph und Bertold hingegen hatten nach dem Treffen an der Unstrut den festen Vorsaz gefaßt, dem Kriege

 

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198 Geschichte der Deutschen,

 

wider die Sachsen nicht mehr anzuwohnen, weil sie beede Ursache hatten, sich über den König zu beschweren. Den Rudolph schwerzte es, daß er von dem Herzog Gottfried, dem Vertrauten der Königs, auf seine inständige Bitte im Treffen nicht unterstüzt, sondern der grösten Gefahr allein ausgesezt worden, wie er denn auch am meisten gelitten hatte. Bertold konnte aller Mühe ohngeachtet, die er sich gab, doch nicht zum Besiz seines Herzogthums gelangen, und erkaltete also immer mehr.

 

Heinrichs Lage war demnach seines Siege ohnerachtet noch immer bedenklich, desto mehr, da seine Casse ganz erschöpft war. Jedoch da die Soldaten ihren Sold mit Ungestümm begehrten, bekam Heinrich unvermuthet einen Zufluß von Geld, dessen er sich nicht vermuthet hatte. Der deutsche Gesandte kam von Kiow zurück, und brachte von Usewold grosse Schätze mit, wordurch er den deutschen König bezaubern wollte, seinem Bruder nicht beyzustehn. Auch ohne sich bitten zu lassen, überließ Heinrich den kiowischen Fürsten seinem Schicksal, weil er doch nicht im Stande war, einen so weiten Feldzug zu unternehmen. Desto inniger verband er sich mit dem Erzbischofs von Maynz, und dieser that dem König alles zu Gefallen, was in seinen Kräften war. Er suchte, mit seiner geistlichen Macht bewafnet, den Bischoff von Halberstadt zu bezwingen,

 

 

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dem er die Schuld beymaß, daß er die Uebergabe yon ganz Sachsen an den König gehindert hätte. Er berief ihn zu einer Synode, wo er sich von einem Meineid entschuldigen sollte, den er gegen das Reich und seinen König begangen habe, indem er so kühn gewesen, selbst Völker wider den lezten ins Feld zu führen. Wegen dieses Verbrechens war er auf Ränke bedacht, wie er ihn gar seines Bisthums beraubte. Allem Ansehen nach hatte ein Personal-Haß, den Sigfried schon lang gegen den Burckard von Halberstadt hegte, vielen Antheil an diesem Betragen. Jedoch die ganze Sache hatte keine weitere Folgen, weil der Botte, der den Schuldigen vorforderte, durch das Gebiet der Feinde nicht zu rechter Zeit in Halberstadt ankommen konnte. Dessen ohngeachtet hielte Sigfried eine Synode in Maynz, allwo sich auch ein päbstlicher Abgeordneter, der Bischoff von Cur, einfand, der die allergeschärfteste päbstliche Befehle mitbrachte, Sigfried sollte alle Priester in seinem Kirchsprengel ohne Unterscheid zwingen, entweder der Ehe oder dem Dienst des Altars zu entsagen. Siegfried gehorchte. Es entstand aber ein so gewaltiges Geräusche in der Versammlung, daß der Erzbischofs kaum noch seines Lebens sicher war. Dieser neue fruchtlose Versuch machte endlich den Siegfried selbst muthloß, er erklärte demnach, nun wollte er sich nach so oft wiederholten Versuchen der Sache nicht mehr annehmen, sondern es gänzlich

 

 

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200 Geschichte der Deutschen,

 

dem Pabst überlassen, diesen Plan durch sich selbst unmittelbar auszuführen.

 

Gregorius VII. versäumte auch keine Gelegenheit, seine Hoheit in Deutschland zu behaupten. Er beharrte auf seiner Anforderung, daß ihm der König eine Gehorsams-Gesandtschaft zuschicken müßte, wenn er anders gänzlich mit ihm ausgesöhnt seyn wollte. Hierzu wollte sich Heinrich nach dem Siege noch viel weniger verstehen, als zuvor. Er schrieb daher seinen Edelleuten, die er für sich nach Rom geschickt hatte, noch eine Weile allda zu verweilen, und dem Pabst zu bedeuten, daß nun zwar durch seinen Sieg alle Furcht vor den Rebellen einigermassen gehemmt, aber noch nicht gänzlich erstickt sey, daher er noch ausser Stand wäre, die Gehorsams-Gesandtschaft nach Rom zu schicken. In Deutschland hingegen sagte er frey, was er vor der Schlacht noch als einen geheimen Vertrag mit dem Pabst verborgen wissen wollte, daß Gregorius mit der Gesandtschaft seiner Edelleute sich begnügen könnte, und keine Ursache hätte, auf eine so feyerliche Gehorsams-Gesandtschaft zu dringen. Dieser geänderte Ton mißfiel dem Pabst, welcher befürchtete, es möchte die Parthey des Königs sich durch die Parthey der mißvergnügten Geistlichen verstärken, und aus diesem Grunde entschloß er sich, diesen Knoten mit Herzhaftigkeit zu zerreissen. Seinen Entschluß vertraute er wieder der Beatrix und

 

 

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Mathildis, und bat sie um Hülfe. Diese zwo Prinzeßinnen wußten noch nicht, was der Vergleich mit dem Herzog Gottfried für eine Wendung nehmen könnte, sie trugen also billig Bedenken, den Weg der päbstlichen Monitorien und Bannstralen zu genehmigen, und nahmen sich die Freyheit, es dem Pabste zu mißrathen, und vielmehr sich seinen guten Rath in Ansehung ihres Vergleichs mit Gottfried auszubitten. Gregorius war mit ihrer Antwort keineswegs zufrieden, sondern erklärte, die Ehre des h. Stuhls, die Achtung für die Religion und das Seelenheil des Königs selbst erfordern es, daß er den Heinrich von seinem Verderben zurückrufe; was den Gottfried betreffe, so rathe er, alle Unterhandlung mit ihm abzubrechen, weil er sie schon einmal durch einen eidlichen Verspruch getäuscht habe, er sey zwar geneigt, einen jeden Vergleich zu loben, der nicht wider das Gewissen laufe, er würde sich aber auch Gottfrieden herzhaft widersetzen, wenn er in Erfahrung brächte, daß er ihn zu verfolgen trachtete d).

 

Indessen wartete der mißvergnügte Pabst mit Schmerzen, was die deutsche Angelegenheiten für eine Lage bekämen. Die Sachsen und Thüringer hielten gleich, so bald der König ihr Land geräumt hatte, häufige Zusammenkünfte, bey welchen die Gemüter sehr erbittert waren. Die Sachsen machten den

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d) Ep. Greg. VII. L. 3.

 

 

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202 Geschichte der Deutschen,

 

Thüringern die bitterste Vorwürfe, daß diese das geschlagene Heer der Sachsen selbst feindlich behandelt, und sie überall auf der Flucht gehindert und geplündert hätten. Das Volk beklagte sich über die Fürsten, welche sie zu diesem verderblichen Krieg verleitet hätten, und mit vieler Mühe dämpften der Bischoff von Halberstadt und Herzog Otto das Mißvergnügen, indem sie das Volk beredten, daß sie bereit wären, mit dem König Friedensunterhandlungen anzufangen. Man gab auch gleich hernach dem Bischoff von Bremen und dem Markgrafen Udo Befehl, sich zu dem König zu verfügen, ihn um Frieden zu bitten, alle Genugthuung zu versprechen, auf einen Fürstentag anzutragen, und sich nur ihr Leben und Freyheit auszubedingen. Der König antwortete, er sey eben so bereit, einem jeden zu verzeihen, der wegen seiner Verbrechen genug zu thun sich erbiete, die Sache sey aber allzu wichtig, als daß er sie entscheiden könnte, die Fürsten, welche durch Beschimpfung der Majestät eben so sehr beleidigt worden, würden über ihren Antrag in Gerstungen richten, auf diesem Fürstentag sollten sie sich einfinden, und die Entscheidung erwarten. Diese Antwort vermehrte die Furcht der Sachsen, und sie wandten alles an, um ihrer Sache noch vorher gewiß zu seyn, ehe der angesagte Feldzug zur Wirklichkeit käme. Sie sandten neue Abgeordnete, unter welchen der Bischoff von Hildesheim war, und gaben ihnen Befehl nicht nur den König

 

 

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aufs demüthigste um Frieden zu bitten, sondern sich auch an andere Fürsten zu wenden.

 

Heinrich war dieser Gesandtschaften müde. Er konnte sich auf die Gesinnung seiner Fürsten nicht gänzlich verlassen, er mußte befürchten, daß theils Mitleiden, theils anderwärtige Absichten den kriegerischen Muth dämpften, er verhütete demnach aufs sorgfältigste, daß die sächsische Gesandte keine Gelegenheit mehr hätten, ihm aufzuwarten. Vielmehr nahm er von den ungarischen Unruhen Anlaß, alle Reichsfürsten durch eine unvermuthete Reise nach Böhmen zu täuschen. Er hatte in seiner Begleitung niemand als den Grafen von Glizberg und 500 auserlesene Reuter, welche ohne Gepäcke marschirten, und jedermann glaubte, daß er von Böhmen nach Ungarn zu gehen gesonnen wäre. Unvermuthet aber drang er mit dem Herzog von Böhmen und dem böhmischen Heere in Sachsen ein, kam in Meissen an, wurde von den Bürgern gern aufgenommen, nahm aber gleich ihren Bischoff gefangen, und verheerte alle seine Güter, weil er in dem vorigen Feldzug weder seine Völker gestellt, noch sonst den König durch Briefe seiner Treue versichert hätte. Als er weiter vorrückte, meldeten ihm diejenige, die er auf Kundschaft ausgeschickt hatte, daß die Sachsen von seiner Annäherung schon Nachricht hätten, mit 150000 Mann anmarschirten, und im Sinne hatten, ihn den andern Tag anzugreifen, wenn er nicht die

 

 

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204 Geschichte der Deutschen,

 

Friedensvorschläge genehmigen wollte, die sie ihm gemacht hatten. Die Wege weiter einzudringen, waren verzäunt, und Heinrich lief Gefahr, die Früchte seines Siegs auf einmal zu verlieren. Er zog sich also eilends wieder nach Böhmen zurück, schickte aber den Grafen Boto als Gesandten an die Feinde, der ihnen vieles von der Bereitwilligkeit des Königs ihnen zu verzeihen vorsagte, seine Rückreise aber also verzögerte, daß der König durch diesen geschickten Unterhändler und schlauen Krieger Zeit bekam, seinen Feinden zu entwischen. Nachdem sein Heer ein wenig ausgeruht hatte, begab er sich nach Regensburg, wo er Gesandte der Sachsen antraf, die schon längst auf seine Rückkunft gewartet hatten. Er hielte sie aber unter mancherley Vorwendungen so lang auf, bis er glaubte, daß alles zu einem neuen Feldzug gefaßt wäre.

 

Die Sachsen waren demnach noch immer in der grösten Ungewißheit. Sie beobachteten, daß die Erbitterung des Königs wider sie noch die nämliche war. Als Markgraf Dedo mit Tode abgieng, so übertrug Heinrich seine Mark dem Herzog von Böhmen, dessen getreue Dienste er hierdurch belohnen wollte. Auch dieses war eine neue Quelle des Mißvergnügens. Das Haus des Dedo hatte vieles vor sich. Einmal hatte er einen Sohn mit der Adela gezeugt, dem nach dem Erbfolgerecht e)

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e) Lamb. Schafn. apud Pist. l. c. p. 394.

 

 

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205 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

die Mark gebührte, hernach hatte er seit dem Gerstunger Frieden eine unverlezte Treue gegen den König und das Vaterland gezeigt. Sein Beyspiel war also für die Sachsen allzu unterrichtend, was sie von Heinrich zu hoffen hätten. Sie berathschlagten sich häufig, wie sie sich rathen wollten: aber sie fanden auch wenige Rettungsmittel. Einige verfielen auf den verzweifelten Gedanken, alles in Sachsen und Thüringen zu verwüsten, und mit all ihrer Haabe sich jenseits der Elbe zu begeben, damit das königliche Heer nirgends Unterhalt fände. Andere brachten in Vorschlag, sich der Leutizier zu bedienen, sie in ihr Land zu rufen, und dem König entgegen zu setzen. Noch andere sagten, man sollte die Castelle, die Heinrich habe schleifen lassen, wieder aufbauen, Besalzungen hineinwerfen, und den Feinden daraus Einhalt thun. Aber mit allen ihren Anstalten war das gemeine Volk am mindesten zufrieden. Da sie die grösten Beschwerden bey solchen Feldzugen zu dulden hatten, so waren sie fest entschlossen, lieber alles Ungemach auszustehen, als ich einem neuen Treffen auszusetzen. Die Fürsten wandten alle ihre Beredtsamkeit an, diese trübe Wolken zu zerstreuen, und schwazten ihnen etwas von einem neuen König vor, dem sie huldigen, und sich durch ihn nach einer guten Kriegszucht sollten anführen lassen. Aber ihre Vorschläge fanden noch kein Gehör, sie giengen wieder eben

 

 

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206 Geschichte der Deutschen,

 

so unentschlossen aus einander, als sie zusammen gekommen waren.

 

Doch hatte auch der König nicht Ursache, allzu stolz zu triumphiren. Das zweyte Heer, das er zusammen brachte, war bey weitern nicht mehr so ansehnlich, als das erste gewesen war, und es hatten sich indessen einige Umstände ziemlich geändert. Es fanden sich zwar auf die bestimmte Zeit alle deutsche Bischöffe und Grafen von der königlichen Parthey in Gerstungen ein. Am meisten thaten sich Herzog Dieterich von Oberlothringen und Herzog Gottfried von Niederlothringen hervor, und die Völker des leztern vornemlich übertrafen wegen ihrer vortreflichen Ausrüstung alle andere. Hingegen hatten sich auch drey Herzoge geweigert, ihre Völker dem König zuführen. Herzog Rudolph von Schwaben, Herzog Bertold und Herzog Welf von Bayern waren heimlich auf die andere Parthey übergetreten , und machten sich ihrem Vorgehen nach ein Bedenken daraus, zu den Absichten eines so erbosten Königs wider Mitbürger behülflich zu seyn, welche sich alle Mühe gegeben, das unversöhnliche Gemüth des Königs zu besänftigen. Wir haben schon oben berührt, was Bertold und Rudolph für Ursachen gehabt, den König zu verlassen. Welf von Bayern hatte mit Rudolph gemeinschaftliche Schicksale. Man hatte auch ihm den Verdacht beygebracht, als ob ihm Heinrich nach dem Leben

 

 

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stellte f). Die Anhänger des römischen Hofs gossen bey diesen drey Fürsten Oel in die Flamme und schilderten den König als einen Herrn, der sich in allen Stücken dem Pabst widersezte, welcher doch nichts anders suche, als Ordnung im Reiche einzuführen, und die Ehre der Reichsfürsten zu unterstützen.

 

Die Sachsen und Thüringer bezogen nun ebenfalls ihr Lager bey Nordhausen, und schickten den Erzbischoff von Bremen, den Bischoff von Hildesheim und den Markgraf Udo nach Gerstungen, welche baten, der König möchte einige seiner Fürsten zu ihnen schicken, welche sich in Unterhandlungen mit ihnen einliessen, wie sie denn bereit wären, zu allen Bedingungen, wenn man nur einige Billigkeit gegen sie hätte, die Hände zu bieten. Von Unterhandlungen wollte der König kein Wort hören, sondern antwortete vielmehr etwas trotzig, ob sie denn glaubten, daß er und seine Fürsten aus so entfernten Gegenden nur um gerichtlicher Untersuchungen willen gekommen wären, er würde nun mit bewehrter Hand Rechenschaft fordern. Die Gesandte liessen sich durch seinen Troz nicht schrecken, sie hielten vielmehr mit ihrer Bitte an: Aber kein Fürst wollte sich zu einer kizlichen Sache gebrauchen lassen, wo er entweder den König beleidigen, oder wenigstens die Sachsen nicht befriedigen konnte. Während daß der König näher anrückte, handelte

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f) Abbas Urspergensis ex Anonymo de Guelfis.

 

 

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man wegen dieser Sache noch immer, bis sich endlich Heinrich auf das Zureden so vieler Fürsten bewegen ließ, fünf Gesandte, welche sich die Sachsen ausgebeten hatten, in ihr Lager zu schicken. Diese waren die zween Erzbischöffe von Maynz und Salzburg, die zween Bischöffe von Augsburg und Würzburg und der Herzog Gottfried von Niederlothringen, der bey diesem Zuge im grösten Ansehen stand. Aber auch bey ihnen widerholten sie ihre alte Klagen, sie erzählten ihr Elend, und baten um gerichtliche Untersuchung. Zugleich gaben sie ihnen zu erkennen, daß das Beyspiel von Sachsen im deutschen Reiche noch weitere Folgen haben würde, und daß vielleicht das Schwerdt auch ihren Nacken bedrohe, sie glaubten, daß es in diesem Falle alle Betrachtung verdiene, wie man die allgemeine Freyheit der deutschen Fürsten, wider einen König, der willkührlich zu handlen gewohnt sey, mit zusammengesezten Kräften vertheidige. Die fünf Abgeordnete gaben ihnen Recht, daß sie anfangs genöthiget gewesen, die Waffen zu ergreifen, sie billigten auch die Strenge des Königs nicht, nur wollten sie, daß sie nun einmal die Waffen niederlegten, und versprachen zu diesem Ende ihre Vermittlung, es sollte ihnen weder an ihrer Ehre noch an ihrem Leben noch an ihren Gütern kein Unrecht zugefügt werden.

 

Diesem Vorschlag widersezte sich das ganze Volk. Nein, einem so grausamen König,

 

 

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schryen sie, ergeben wir uns nicht. Er schnaubt noch vor Rache, unser Blut hat ihn noch nicht gesättigt, er bewegt noch immer Himmel und Erde wider uns. Wir wollen lieber als tapfere Manner im Treffen sterben, als daß wir uns durch Gefängnisse martern liessen. Die königliche Abgeordnete suchten das Geschrey zu stillen, und versprachen, zum König zurückzugehen, und ihn zu befragen, ob sie den Sachsen Sicherheit und Verzeihung versprechen könnten. Heinrich war endlich geneigt, in den Frieden zu willigen, und versprach den vermittlenden Fürsten aufs feyerlichste, wenn sich die Sachsen ergäben, nichts wider den Willen derjenigen zu thun, welche ihm einen solchen Sieg ohne Blut verschaft hatten. Aber auch diesem Verspruche traueten die Sachsen nicht, und es kostete den Gottfried und die anwesende Bischöffe unendliche Mühe, die Ruhe wieder herzustellen. Herzog Gottfried machte sich eine wahre Angelegenheit daraus, die Gemüther zu besänftigen, und versprach endlich mit seinen Friedensunterhändlern mit einen Eide, die Sachsen sollten nicht das geringste verlieren, die Genugthuung, die sie dem König leisteten, wäre in einem Augenblicke geschehen, gleich nachdem sie sich ergeben hätten, sollten sie freygesprochen, und in ihre Ehrenstellen wieder eingesezt werden. So sehr man die Sache übersilberte, so traueten sie doch im Herzen weder dem Eide der Fürsten noch den Versprüchen des Königs. Die traurige-

 

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Nothwendigkeit zwang sie, in Vorschläge einzuwilligen, welche sie niemals würden genehmigt haben, wenn ihre Macht dem königlichen weit überlegenen Heere gleicher gewesen wäre. Mit innerem Kummer entschlossen sie sich zu ergeben, damit nicht das Volk, das des Kriegs müde war, sich von ihnen trennete. In dem Heere des Königs entstand hierüber ein allgemeines Tryiumphlied. Dann auch diese Völker waren es vollkommen zufrieden, weil sie durch die sächsische Tapferkeit nicht eben so vieles verlieren wollten, als im vorigen Treffen die Schwaben und Bayern verloren hatten.

 

An diesem feyerlichen Tage sezte sich der König auf einem offenen Felde bey dem Dorfe Spiraha zwischen Greussen und Kindelbrücken, ließ sein Heer in Ordnung stellen, und die Grossen von Sachsen in Gegenwart des ganzen Heers sich vorführen. Zuerst erschienen die Fürsten, der Erzbischof Wezel von Magdeburg, Bischoff Bucco von Halberstadt, Herzog Otto, Herzog Magnus von Sachsen, sein Oheim der Graf Hermann, der Pfalzgraf Friederich, Graf Dieterich von Katlenburg, Graf Adelbert von Thüringen, nebst andern Grafen. Ihnen folgten alle Freye, welche wegen ihres Geschlechts oder Vermögens in einigem Ansehen standen. Alle ergaben sich der Verabredung gemäß dem König auf Gnade und Ungnade. Heinrich übergab sie seinen Fürsten zur Verwahrung , bis man

 

 

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gemeinschaftlich einen Schluß ihretwegen fassen könnte. Aber diese Beute war viel zu schön und hatte für ihn zu viel Reiz, als daß er sie hätte vernachläßigen sollen. Ohne Rücksicht auf Eide und Verheissungen, sahe er sie als seine Gefangene an, und ließ sie theils nach Franken, theils nach Schwaben und Bayern, theils nach Burgund und Italien führen, wo man sie als Gefangene bewachen sollte. Ihre Güter theilte er unter seine Freunde aus. Sein Castell Asenberg ließ er wieder herstellen, und warf eine starke Besatzung hinein, damit sie den Pöbel und das Landvolk im Zaun hielten. Nach diesen Anordnungen gieng er nach Worms zurück, und entließ sein Heer.

 

Mitten unter diesen kriegerischen Unternehmungen vergaß Heinrich den Pabst nicht. Er glaubte auch nicht, daß Gregorius VII. einen siegenden König anzugreifen und zum Zorn zu reitzen sich erkühnte. Er beobachtete daher einige Achtung gegen ihn, und gab ihm in seinem Ansuchen, einen andern Bischoff von Bamberg zu ernennen, nach, zumal da auch die bambergische Weltgeistliche es aus allen Kräften unterstüzten. Heinrich that es aus Staatsklugheit. Denn im Grunde hatte er nichts wider den Hermann einzuwenden, der ihm zu allen Zeiten getreue Dienste geleistet hatte: vielmehr hofte er, sich durch eine solche Absezung den Weg zu bahnen, daß er auch andere Bischöffe, welche wider ihn gedient hatten,

 

 

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mit gleichen Drohungen schreckte. Er begab sich demnach selbst nach Bamberg, und beförderte einen seiner vertrautesten Freunde, den Domherr Ruprecht von Goslar, zum bambergischen Bisthum, welcher zwar den Dienstleuten und Rittern der Kirche eben deswegen, weil ihn der König hochschäzte, äusserst verhaßt war, von der Clerisey aber nur deswegen gern angenommen wurde, weil sie einmal den apostolischen Stuhl wider den Hermann aufgefordert hatten. Dem Hermann blieb also nichts übrig, als daß er nach Rom gieng, allda sich dem Pabste zu Füssen wärf, und seine Gnade suchte. Dieses that er, Gregorius VII. entband ihn seines Banns, und erlaubte ihm obwohl keine bischöfliche jedoch priesterliche Verrichtungen zu versehen. So sehr Heinrich in dieser Sache nach dem Sinne des Pabstes gehandelt hatte, so wenig konnte er ihn in den Wahlen der Aebte einer unregelmäßigen Simonie beschuldigen. Vielmehr ereignete sich eine sehr feyerliche Gelegenheit, wo Heinrich Geld hätte erpressen können, und sich dessen doch enthielt. Es starb der Abt von Fulda, von welchem wir oben gesprochen haben. Aus ganz Deutschland kam eine Menge Mönche zusammen, und boten ihm Geld in die Wette an, wenn er sie zu dieser Abtey beförderte. Aber Heinrich verabscheute ihre unanständige Sitten, g) und rief auf einmal, ohne daß ein Mensch daran gedachte, einen Mönch von Hirschfelden, der sich

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2) Lamb. Schafn. I. c. p. 393

 

 

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in Geschäften seines Abts am königlichen Hoflager aufhielt, auf, übergab ihm den Abtsstab. Der neue Abt Ruzelin, der sich einer solchen Ehre nicht versehen hatte, weigerte sich unter allerley Vorwendungen, diese Stelle anzunehmen, die Wahl hatte aber einen so allgemeinen Beyfall, daß die Bischoff ihn beschworen, den Abtsstab zu ergreifen. Eben so uneigennützig handelte er in Ersetzung der Abtey Lorsch. Mönche und Dienstleute des Klosters fanden sich bey dem König ein, und jedermann glaubte, er würde den Prior des Klosters, der seine Gnade durch allerley Mittel gesucht hatte, als Abt ernennen. Unversehens aber ergrief er den Mönch Adelbert, zog ihn mitten aus dem Haufen hervor, und übergab ihm zu jedermanns Erstaunen den Abtsstab. Auf diese Weise hütete sich Heinrich, dem Pabste seine blose Seite zu zeigen.

 

Der König verlor auch einen Feind, der isher viele Sorgen gemacht hatte. Am Ende dieses Jahrs starb Hanno, Erzbischoff von Cölln, ein Mann von geringer Herkunft, aber von außerordentlichen Gaben des Gemüths und des Leibs. Er kam in seiner Jugend an den Hof Heinrichs III. und hatte das Glück, daß ihn dieser Kaiser, der ihn schr hoch schäzte, zur Würde eines Erzbischoffs von Cölln erhob. Am Hofe Heinrichs IV. war er beständig ein strenger Sittenrichter, und tadelte die jugendliche Fehler seines Königs bey allen

 

 

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Gelegenheiten. Dieses flößte dem jungen Herrn einen so eingewurzelten Haß gegen ihn ein, daß er ihn bis an sein Ende nicht dulden konnte. Die beständige Uebereinstimmung des Hanno mit den Päbsten, welche ihn wegen seiner Mönchssitten innig liebten, machte ihn dem Könige furchtbar. Heinrich wandte alles an, um ihn entweder zu gewinnen, oder seiner los zu werden, aber nichts konnte den standhaften Hanno fällen. In den sächsischen Krieg hatte er nie gewilligt, das Unglück seiner nahen Anverwandten gieng ihm sehr zu Herzen, er trat also nur desto mehr auf die päbstliche Parthey über, hob den Bann wider die Einwohner von Cölln auf, beseufzete das Unglück seines Vaterlands, und starb.

 

Gleich nach seinem Tode brachen die Unruhen noch heftiger aus, als zuvor. Heinrich hatte es erfahren, was ein Erzbischof von Cölln für eine wichtige Person seyn konnte, wenn er sich wider ihn erkiärte. Er war daher sehr sorgfältig, diese Stelle durch einen solchen Mann zu ersetzen, der ihm weniger Verdruß machen könnte.

 

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Er hielte eben damals einen Fürstentag in Goslar, wohin er alle berufen hatte, um sich wegen der gefangenen sächsischen Fürsten gemeinschaftlich zu berathschlagen. Allein es erschienen sehr wenige. Jedoch ließ er sich den Herzog von Böhmen und diejenige, die zugegen waren, einen Eid schwören, daß sie nach seinem Tode keinen andern, als seinen

 

 

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noch jungen Prinzen, Conrad, als König ernennen wollten. Der König schien sich auch durch Gnadenbezeugungen beliebt zu machen. Er ließ den Herzog Otto von Bamberg, wo er in Verhaft saß, nach Goslar berufen, und ertheilte ihm, nachdem er seine beede Söhne als Geissel gegeben hatte, die Freyheit, ja er würdigte diesen klugen Herrn eines ausnehmenden Zutrauens, und besprach sich mit ihm von den öffentlichen Reichsgeschäften mehr als mit andern. Aber er war auch der einige, dem er die Freyheit schenkte, an seine andere Gefangene gedachte er aus weisen Ursachen nicht.

 

Bey eben dieser Gelegenheit hatten sich auch die Cöllner eingefunden, und betrieben die Wahl eines neuen Erzbischoffs. Der König, der gewohnt war, für seine goslarische Canonicos zu sorgen, schlug ihnen einen, Namens Hildulph, vor. Die Cöllner widersezten sich, und erklärten, daß sie eine so ansehnliche Würde nicht für einen so unansehnlichen Mann von geringer Herkunft und noch geringern Eigenschaften schickte. Der Neugewählte hatte sich bey den anwesenden Grossen und dem Volke so verächtlich gemacht, daß man überall, wo er gieng, ihn auszischte, und Steine nach ihm warf. Heinrich hatte ein grosses Interesse dabey, einen schwachen Herrn nach Cölln zu setzen, dem er nach seiner Willführ befehlen könnte. Aber er war nicht im Stand, den Eigensinn der Cöllner zu besiegen, er entließ si also im Zorn, mit dem Befehl, auf die Fasten

 

 

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216 Geschichte der Deutschen,

 

wieder zu kommen, aber sich eines bessern zu besinnen, widrigenfalls sich gefaßt zu machen, so lang er lebte, gar keinen Erzbischoff zu bekommen, wenn sie diesen nicht annähmen.

 

Mitten unter diesen öffentlichen Reichsgeschäften traten päbstliche Legaten in Goslar auf, und erregten eine neue Gährung, welche sich hernach über ganz Deutschland, Italien und Burgund ausbreitete. Sie meldeten dem König, er sollte auf die zwote Woche in der Fasten in Rom vor dem Pabst erscheinen, und sich vor einer Synode wegen der Verbrechen, welche man wider ihn angebracht, reinigen, wenn er sich weigerte, dem Pabst zu gehorchen, so erklären sie ihm, daß er von dem heutigen Tage an im Bann wäre. Diese fürchterliche Bannposaune betäubte die Anwesende, der erzürnte König verschwieg den Legaten nichts, was er gedachte, er entließ sie voll Unwillen, und machte andere Anstalten. Die Umstände der Zeit und des Orts, in welche diese Androhung des päbstlichen Zorns eingehüllt war, verriethen eine sehr boshafte Neigung, den König in Gegenwart anderer Fürsten auf einer öffentlichen Zusammenkunft zu beschimpfen. Gregorius VII. hatte diesen Schritt wohl bedacht, und mit vieler und reifer Ueberlegung diesen Pfeil so zugerüstet, daß er in Goslar sollte losgedrückt werden. Und doch weiß er keine andere Ursache dieses Unwillens

 

 

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anzugeben , h) als diese, daß Heinrich öffentlich mit den verbannten Ministern Umgang hatte, daß er die der Simonie Schuldige wieder nach Hof berufe, daß er die Kirchen von Fermo und Spoleto mit untüchtigen und in Rom ganz unbekannten Personen besetze, und daß er in Mayland einen neuen Erzbischof gesezt, da doch der andere noch lebte. Was den lezten Vorwurf betrift, so lebte nicht nur einer, sondern zween Erzbischoffe, und doch ernannte Heinrich den dritten. Die Mayländer hatten dem König vier Candidaten zu dieser Stelle ernannt, Heinrich hatte ihnen auch versprochen, ihre Wünsche zu gewähren. Er hatte ihnen einen Namens, Gottfried, gegeben, den er selbst in sein Amt eingesezt, und den die Suffragan-Bischöffe eingeweyht hatten. Da man aber wider ihn die Einwendung machte, daß er von Schismatikern geweyht worden wäre, so bestätigte ihn zwar Heinrich durch ein neues königliches Diplom. Als er aber gewahr nahm, daß die päbstliche Parthey einen andern, Atto, ernannte, den der Pabst bestätigte, so hielt er dieses für einen Eingriff in seine Rechte, und verordnete, desto mehr da sich Atto beständig in Rom aufhielt, den Tedaldus, einen Mayländer, der bey seiner Capelle diente, und im Treffen mit den Sachsen die heilige Lanze getragen hatte, als Erzbischoff, Tedaldus, der mit Anfang des Augusts vorigen Jahrs als Erzbischoff ernannt worden war, suchte die Genehmigung des Pabstes.

 

h) Gregor. L. III. ep. 10.

 

 

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Gregorius aber schrieb ihm im September einen Brief, wo er ihn bloß als einen mayländischen Geistlichen betrachtet, und ihm den apostolischen Seegen giebt , wenn er gehorchen würde. Er beschied ihn auf eben die Synode nach Rom, wohin er auch den König vorgefordert hatte, er versprach ihm, die strengste Gerechtigkeit zu verwalten, wenn er seine Unschuld darthun könne, und bietet ihm einen sichern Geleitbrief von der Gräfin Beatrix und ihrer Tochter an, wenn er sich in Rom einfinden wolle. Er befiehlt ihm im Namen GOttes und des h. Petri, keinen geistlichen Orden anzunehmen , und spricht in einem sehr stolzen Ton mit ihm, daß er sich in einer solchen Gewissenssache weder auf den König, noch auf seinen Adel, noch auf seine Bürger verlassen solle i), Einen gleich stolzen Befehl schickte der Pabst an alle unter dem Metropolitan von Mayland stehende Bischöffe, und gebot ihnen, den Tedaldus nicht einzuweyhen. Aber sie achteten seine Befehle nicht, Tedaldus kam in Mayland an, und hatte das Vergnügen, daß ihn die Bischöfe mit der grösten Begierde aufnahmen. Dieses waren die Ursachen, welche den Pabst zu einem so erbosten Verfahren wider Heinrich reizten. Er schrieb ihm

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i) Si qui igitur, non percipientes, qux Dei sunt, aliter tibi suggerere & persuadere incipiant, ostendentes, quanta Tibi iint in rege praesidia, quanta in Tua nobilitate potentia, quanta etiam in civibus Tuis adjutoria, tutum Tibi illis credere non existimes.

 

 

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deswegen noch im Jänner dieses Jahrs einen andern Brief, und warf es ihm mit Bitterkeit vor, daß er ihm das gar nicht gehalten habe, was er ihm in der mayländischen Kirchensache durch seine Frau Mutter und andere, Bischöffe versprochen hätte.

 

Freylich hatte sich indessen das System in Deutschland ziemlich geändert, und Heinrich glaubte nicht mehr gehalten zu seyn , eine sclavische Ehrfurcht gegen den Pabst zu zeigen. Er hatte in Italien Anhänger, Herzog Gottfried war ihm aus wichtigen Ursachen mit unverrückter Treue zugethan, er glaubte also, es wagen zu können, den trotzigen Pabst zu bezähmen. In Rom selbst war der Präfect Lincius mit ihm und dem. Herzog Gottfried verstanden, und da er eigene Ursachen des Hasses gegen den Pabst zu haben glaubte, so war es ihm ein erwünschter Anlaß , unter dem Schein des königlichen Befehls seine Absichten auszuführen, und den Römern einen andern Pabst zu geben. Sein Ansehen in Rom war gros, er stammte aus einem der vornehmsten Häuser ab, an Vermögen fehlte es ihm nicht, und seine Macht war im Gebiete der Stadt Rom furchtbar, und in ganz Italien ansehnlich. Heinrich hatte also vieles gewonnen , da er ihn auf seiner Seite hatte. Der Pabst verführ zwar Anfangs mit dem Cincius glimpflich, als er ihn aber durch gelinde Erinnerungen nicht zum erwünschten Zwecke bewegen konnte, so donnerte

 

 

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er auch wider ihn Bannstralen, und glaubte, Cincius würde sich wenigstens hierdurch schrecken lassen. Aber eben dieses Mittel verband ihn nur desto genauer mit Heinrich IV, und er entschloß sich, ihm durch einen kühnen Streich einen grossen Gefallen zu erweisen. Unvermuthet, als der Pabst am Christabend vor dem Altare stand, und Messe hielt, drang Cincius mit bewafneter Hand und einem zahlreichen Gefolge in die Kirche ein, nahm ihn bey den Haaren, stieß die schimpflichste Worte gegen ihn aus, riß ihn zur Kirche hinaus, und schleppte ihn, noch ehe das Volk Nachricht davon bekommen konnte, mit sich in seine Burg. Das Gerücht, daß der Pabst gefangen sey, breitete sich bald in der Stadt aus, man lief aus allen Ecken und Gassen zusammen, drang auf die Burg des Cincius an, und bedrohete ihn, alles niederzureissen, wenn er den Pabst nicht augenblicklich herausgäbe. Gregorius wurde also wieder frey, eilte noch vor Anbruch des Tags in seine Kirche der h. Maria der Grössern, hielte mit verwundetem Gesicht seine Messe, und dämpfte den Auflauf auf eine Weile. Er brach aber bald wieder aus, die Römer verheerten alle Güter des Cincius in und ausser der Stadt, und dieser handelte auf gleiche Weise mit den Gütern der römischeit Kirche.

 

Mit gleicher Heftigkeit grief man den Pabst in Deutschland an. Der König hatte eine

 

 

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Versammlung der Bischöffe und Aebte nach Worms angesagt, und beschleunigte sie desto mehr, als auch der Pabst ein Concilium in Rom zu halten entschlossen war. Die meiste deutsche Bischoffe und Aebte, nur einige sächsische ausgenommen, fanden sich bey dem König auf die bestimmte Zeit ein, und zur grösten Freude des Königs erschien auch der Cardinal Hugo Blancus, den Gregorius VIl. wegen seines unanständigen Wandels abgesezt hatte. Dieser Mann erzählte der Versammlung vieles von den Schicksalen des Pabstes, und erdichtete verschiedene Unwahrheiten von seinem niedrigen Ursprung, da man doch seinen Vater und die Güter seiner Familie wohl kannte, von seinem unregelmäßigen Wandel, da man ihn doch an allen Hofen als den feinsten Kopf und gesittesten Priester kannte, von seiner unrechtmäßigen Wahl, in welche doch Hemrich nach geschehener Untersuchung des Grafen von Nellenburg gewilligt hatte. Aber es war jezo die Zeit nicht mehr, Haß und Unpartheylichkeit mit kaltem Geblüte von einander zu unterscheiden. Blancus kam dem König zu seinem Endzwecke bequem, und diß bestimmte die Gemüther, daß man ihm glaubte. Die Gährung ward allgemein, und man fällte das Endurtheil, bey diesen Umständen könnte Gregorius nicht mehr Pabst seyn, ein Priester, der sich durch so viele Laster beschimpft hätte, verdiene nicht, daß man ihm die Macht zu binden und zu lösen anvertraue. Alle stimmten damit

 

 

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überein, nur zween Bischöffe, Adalbero von Würzburg und Hermann von Mez, widersezten sich. Sie hielten es bey gegenwärtigen Umständen, da Gregorius von der deutschen Nation einmal als Pabst erkannt worden, für sehr unschicklich, ihm den Gehorsam zu entziehen, und das Reich den Folgen der Unruhe und des Parthey-Geistes auszusetzen. Sie wünschten, daß das, was Blancus von dem Pabste vorgebracht hätte, mit Zeugen erwiesen würde, sie wandten ein, daß man einer solchen Anklage, welche durch andere Ankläger nicht unterstüzt würde, nicht blindlings glauben könnte, sie beriefen sich auf die canonische Rechte, welche einem jeden Bischoffe diesen Vortheil der Untersuchung gönneten, und im Falle eines Pabstes verordneten, daß wider ihn weder eines Erzbischoffs noch Bischoffs Anklage angenommen werden könnte, sie wünschten daher, daß man diese wichtige Angelegenheit auf einer allgemeinen Versammlung der Stände untersuchen möchte. Ihre Einwendungen wurden-nicht geachtet. Der Bischof Wilhelm von Utrecht warf sich als Sprecher für den König auf, und nöthigte sie, entweder mit den übrigen in die Verdammung des Pabstes zu willigen, oder dem König den Gehorsam aufzusagen. Man kan sich leicht vorstellen, wie beliebt sich dieser Bischoff bey dem Könige gemacht, der noch dieses gute Vorurtheil für sich hatte, daß er wegen seiner Gelehrsamkeit überall in gutem Ansehen stand.

 

 

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Es wurde demnach von einem jeden anwesenden Bischoff eine Formel zur Unterschrift vorgelegt, k) durch welche er bezeugte, daß er dem Hildebrand den Gehorsam aufsage, und ihn nicht mehr als Pabst erkennen wollte. Zugleich wurde ein gemeinschaftliches Schreiben verfaßt, wodurch man dem Pabst bezeugte, daß er der päbstlichen Würde, die er wider die Kirchengesetze erschlichen hätte, sich entsagen, und wissen sollte, man würde von Seiten der deutschen Nation hinführo alle seine Befehle und Schlüsse als ungültig ansehen. Die Gesandte beeilten sich, noch vor der Synode des Pabstes in Rom anzulangen, und sie übergaben den Brief noch den Tag zuvor, ehe jene ihren Anfang nahm. . . . Dieses Schreiben war mit einem königlichen Briefe an die Römer begleitet, denen Heinrich sein an den Pabst abgelassenes Schreiben beyschloß.

 

In dem Schreiben an die Geistlichkeit und das Volk von Rom dankt er für ihre Treue; die sie bisher gegen ihn gezeigt haben. Er ermahnt sie, darinnen zu beharren, und zum Beweiß derselben den Hildebrand als einen Feind der Kirche und Störer der Ruhe seines Reichs zu verabscheuen. Er legt ihnen seinen Brief an den Hildebrand selbst vor, wo er sein ganzes bisheriges Betragen gegen ihn rechtfertigt. „Ich habe zwar, sagt er, bisher von dir Beweise einer

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k) die Formel steht bey Bruno de B. S.

 

 

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väterlichen Zuneigung erwartet, und dir zum Verdruß meiner Getreuen Gehorsam geleistet. Dafür aber hast du mir keinen solchen Dank erstattet, daß du der gefährlichste Feind meines Lebens und meines Reichs wurdest. Du, hast mir nicht nur gleich Anfangs die anererbte Würde entzogen, welche ich von deinem Stuhl fordern konnte, sondern auch durch allerhand Ränke das italiänische Reich von mir abwendig zu machen gesucht. Noch nicht genug, auch die ehrwürdigste Bischöffe, welche mir zugethan waren, hast du beschimpft, und gegen sie allerley Gewaltthätigkeiten verübt. Ich hatte noch immer Geduld, du mißbrauchtest aber meine Duldungen, und drohetest meinem Leben, da du frey erklärtest, entweder müßtest du sterben, oder ich müßte Leben und Krone verlieren. Dieses hat mich veranlaßt, die Grossen meines Reichs zusammen zu berufen, und ihnen die Sache zur Berathschlagung vorzulegen. Ihr Schluß war dieser, daß du auf dem apostolischen Stuhle nicht mehr sitzen könnest. Weil ich ihre Meinung vor GOtt und Menschen als billig anrsahe, so stimmte ich ihr bey, spreche dir alle päbstliche Rechte ab, und gebiete dir kraft des Patriciats, welches mir GOtt und die beschworne Einwilligung der Römer übertragen haben, daß du die Stadt Rom gänzlich räumest.

 

 

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Dieser Erbitterung ohnerachtet ermahnt er die Römer, nicht Hände an ihn zu legen, noch sein Blut zu vergiessen, sondern bloß, ihn zu verdammen, aus ihrer Stadt auszuschliessen, und wenn er sich nicht freywillig zu Ablegung seiner Würde bequemen wollte, ihn zu zwingen, und einen andern Pabst an seiner Stelle zu wählen. Gregorius VIl, der kaltes Geblüt genug hatte, einen solchen Sturm auszuhalten, verlor den Muth nicht, sondern berief das Haupt der Gesandtschaft, den Orlandus, einen Priester von Parma, zur Lateransynode, wo er den Schluß der Wormser Versammlung ablesen mußte. In demselben nannte sich Heinrich, König nicht durch Usurpation, sondern durch rechtmäßige Verordnung GOttes, und gab dem Pabste bloß den Namen Hildebrands, eines falschen Mönchen. Er wirft ihm seinen Stolz gegen die Prälaten vor, die er als eben so viele Sclaven mit Füssen trete, und sich mit seiner Gelehrsamkeit ein Ansehen unter dem Pöbel gebe. Er erklärt, daß er aus Achtung für den römischen Stuhl seinen Gewaltthätigkeiten bisher gelassen zugeschaut habe, und glaube, daß es nunmehr Zeit sey, ihn zu überführen, der HErr habe den Hildebrand als einen Priester, Heinrichen aber als König berufen, welche Macht er nicht von ihm, sondern von GOtt habe. Das Ende des Schlusses war unmittelbar an den Pabst gerichtet : „Da du nun, sagt er, durch diesen Bann und nach meinem

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und aller Bischöffe Urtheil als verdammt anzusehen bist, so steige vom apostolischen Stuhl herab, und laß einen andern den Stuhl des h. Petri besteigen, der seine Gewaltthätigkeiten nicht mit Religions-Vorwendungen übertünche, sondern die gesunde Lehre des h. Petri vortrage. Ich Heinrich, von GOttes Gnaden König, sage dir mit allen meinen Bischöffen : Steige herab, steige herab !“ Mit diesem Schlusse hatten auch die lombardische Bischöffe auf einer besondern Versammelung in Piacenza eingestimmt.

 

Aber Gregorius VII hatte nichts weniger im Sinne, als Furcht vor einem König vom päbstlichen Stuhle herabzusteigen. Die in der Laterankirche versammlete Väter erhoben ein solches Geschrey, daß der königliche Gesandte kaum seines Lebens sicher war. Gregorius dämpfte die Unruhe, und rechtfertigte sich in einer andern Sitzung, wo er ebenfalls erzählte, wie viele Geduld er bisher mit Heinrichen gehabt, und wie wenig Gehör er gefunden hatte. Er erklärte demnach, daß er bey diesen Umständen die Verbannung des Königs für das gerechteste Mittel hielte, die Rechte des römischen Stuhls zu retten. Als ihm alle beygestimmt hatten, so fieng er an, den h. Peter, dem der HErr die Schafe zu weiden anvertraut hatte, und den h. Paul nebst der Mutter GOttes als Zeugen anzurufen, daß er wider seinen Willen Pabst geworden. Im Vertrauen

 

 

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auf ihn, und zur Ehre und Vertheidigung seiner Kirche, entzieht er im Namen des allmächtigen und dreyeinigen GOttes dem König Heinrich, der sich wider seine Kirche erhoben, das Regiment vom ganzen deutschen Reich und Italien, spricht alle Christen, welche unter seinem Zepter stehen, von der Verpflichtung ihres Eyds los, verbietet, daß ihm niemand mehr gehorchen solle, und verbannet ihn im Namen Petri, damit alle Völker wissen, er sey Petrus, und der Sohn GOttes habe auf seinen Felsen seine Kirche erbaut.

 

Weil er aber wohl gewahr wurde, daß diese Art zu handlen in dem deutschen Reiche und in der ganzen Welt Aufsehen machen würde, so hielte er für nöthig, in einer besondern Schrift an die Bischöffe, Herzoge und Grafen die Gerechtigkeit dieser Verbannung zu erweisen, und dem Einwurf zu begegnen, daß ein Pabst nur befugt sey, in geistlichen Dingen zu richten. Er holt in demselben weit aus, und erzählt, daß er den König noch als Diakonus oft erinnert, daß er ihm seine Simonie vorgehalten, auch von ihm schriftliche Verheissungen von seiner Besserung erhalten habe. Er erinnert sie, wie Heinrich den beeden Bischöffen von Präneste und Ostia mit Berührung der h. Stole Gehorsam und Ehrfurcht versprochen, denselben aber gleich nach seinem Sieg über die Sachsen wieder aus den Augen gesezt, und die verbannte Diener wieder an

 

 

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228 Geschichte der Deutschen,

 

seinen Hof genommen habe. Als aber dieser Brief bey den Deutschen doch noch nicht allen Zweifel hob, sondern viele einwendeten, es sey nicht in der Macht des Pabstes gestanden , einen König also zu verbannen, daß auch die Unterthanen ihres Gehorsams los wären, so schrieb er noch an die Bischöffe besondere Briefe, wo er sich auf Schriftstellen und Entscheidungen älterer Päbste berief, und durch mancherley Schrifterklärungen seinen Saz zu erhärten suchte. Der Bann wurde zugleich auch wider den Erzbischoff Sigfried von Maynz, wider den B. Wilhelm von Utrecht und wider den B. Ruprecht von Bamberg ausgesprochen. Andere getreue Anhänger Heinrichs wurden nach Rom vorgefordert, und wenn sie sich nicht auf einen gewissen Tag einstellten, ebenfalls verbannt. Es war demnach fast in ganz Deutschland keine Gegend, wo nicht Verbannte waren. Otto, B. von Regensburg, Otto, B. von Costniz, Burckard, B. von Lausanne, Graf Eberhard von Nellenburg, Graf Ulrich und andere, welche der König zu Rathe zog, waren schon zuvor mit dem Banne belegt worden.

 

Heinrich hatte indessen nichts versäumt, wordurch er sich furchtbar machen, und sich zu dem bevorstehenden Ungewitter bereiten konnte. Dann gleich nach der Versammlung von Worms hatte er sich nach Goslar begeben, und allda die ernstlichste Anstalten gemacht,

 

 

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damit die Sachsen entkräftet, und außer Stand gesezt würden, unter der Begünstigung des Pabstes das Joch abzuwerfen. Die Gefangene, die er hatte, wurden an die äußerste Gränzen des Reichs verwiesen, und ihre Güter seinen Freunden zur Beute preiß gegeben. Andere, die sich noch nicht ergeben hatten, wurden durch die strengste Befehle, sich zu ergeben, aufgefodert, alle Castelle wieder hergestellt, neue erbaut, und mit starken Besatzungen besezt. Noch ehe er Gostar verließ, verliehe er das Erzbisthum Cölln dem Hildolphus, den er in der gegenwärtigen Lage der Umstände als den tüchtigsten zu seinen Absichten ansahe, so wenig auch die Cöllner Mut und Zutrauen zu ihm zeigten. Damit er auch durch die Einweyhung gleich in sein Amt eingeleitet würde, begab er sich selbst nach Cölln; und ließ diese Feyerlichkeit durch seinen geliebten Bischoff, Wilhelm von Utrecht, verrichten, dessen Vetter er zum Bisthum Paderborn zu erheben versprochen hatte.

 

Ein betrübter Zufall nöthigte ihn, sich selbst nach Utrecht zu begeben. Sein gröster Freund, Herzog Gottfried von Niederlothringen, war durch die Hände eines Meuchelmörders, Giselberts, eines Bedienten des jungen Grafen Dieterichs von Holland, ermordet worden. Er starb in Utrecht, und wurde in Verdun begraben. Das deutsche Reich verlor an ihm einen mächtigen Fürsten, der sich durch seine

 

 

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230 Geschichte der Deutschen,

 

Klugheit, gute Sitten und Kriegserfahrung überall in ein grosses Ansehen gesezt hatte. Der Pabst selbst, so unzufrieden er mit ihm war, weil er der Parthey seiner Gemahlin nicht beytreten wollte, schonte ihn doch, hatte Achtung für ihn, und belegte ihn nicht mit dem Bann, ob er es wohl öffentlich mit dem König hielt. Feinde des Königs sehen es als einen Fluch über ihn wegen seines Ungehorsams gegen den Pabst an, daß er ohne Sacramente gestorben. Da man den stärksten Verdacht auf den Graf Robert von Flandern hatte, welcher ihn durch Nachstellung aus dem Wege hatte räumen lassen, so war die Gegenwart des Königs in diesen Gegenden desto nothwendiger, weil man den Eroberungsgeist des Graf Roberts nur allzuwohl kannte. Hier übertrug er das Herzogthum Niederlothringen seinem eigenen Prinzen Conrad, die Markgrafschaft Antwerpen aber einem Neffen des verstorbenen Herzog Gottfried des höckerigten, von seiner Schwester Ida, einer Gemahlin des Graf Eustachius von Boulogne l). Bald nach seiner Abreise aus diesen Gegenden verlor Heinrich seinen gelehrten Freund, den Bischoff Wilhelm von Utrecht, der sich bis an das Ende seines Lebens eine der grösten Angelegenheiten daraus gemacht hat, seinen König zu vertheidigen, und den Pabst bey allen Gelegenheiten, auch bey der Messe selbst, als einen Meineidigen, Ehebrecher und falschen Apostel seiner Gemeinde

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l) Sigeb. Gembl. ad a. 1076.

 

 

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verhaßt zu machen. Zur Belohnung für seine Treue lassen ihn die Geschichtschreiber dieser Zeiten, welche dem Pabste anhiengen, auch ohne Sacramente sterben, und ihm gleich nach seinem Tode den Satan erscheinen. An seine Stelle sezte der König den Cämmerer des Erzbischoffs von Maynz, Cunrad, einen Schwaben, welcher sich alle Mühe gab, sein Schloß Iselmünde und seine Besitzungen in der Grafschaft Holland mit bewafneter Hand zu schüzen, durch ein unglückliches Treffen aber in die Hände des Siegers fiele, genöthiget wurde, das Schloß und die Grafschaft Holland dem jungen Grafen Dieterich, zugenannt Domicellus, zu überlassen, worauf sich dieser mit aller Achtung gegen den Bischoff betrug, und ihn seiner Gefangenschaft entließ.

 

So bald der Pabst durch seinen Bann das Zeichen zum Kriege gegeben hatte, so hielten sich einige Fürsten für berechtigt, sich Heinrichen zu widerseten, unter der päbstlichen Begünstigung, ihre Absichten durchzusetzen, und die Freyheit der Gefangenen auszuwirken. Rudolph, Herzog von Schwaben, Welf, Herzog von Bayern, Bertold, Herzog von Kärnthen, Bischoff Adalbero von Würzburg, Bischoff Hermann von Mez, hielten deswegen eine Zusammenkunft, und berathschlagten sich, was in dieser bedenklichen Lage von Deutschland zu thun wäre. Sie beschwerten sich, daß der König noch immer der nemliche sey, daß er

 

 

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mit ihnen noch gleich hart verfahre, und durch seinen Sieg ein unumschränktes Recht über ihr Leben erlangt zu haben glaubte. Es schmerzte sie ungemein, daß er ihre Mitbrüder wider den eidlichen Verspruch so lang gefangen hielte, und sie schlossen hieraus die allerbedenklichste Vorbedeutungen. Heinrich hatte durch diese Strenge sich viele Feinde gemacht, und auch die Friedensmittler waren damit höchst mißvergnügt. Es geschah eine neue Verbindung wider ihn, welche immer stärker wurde, je mehr die Meynung überhand nahm, daß man nicht gehalten sey, einem verbannten König zu gehorchen. Der Bischoff von Mez und noch mehrere Bischöffe und Fürsten liessen also die Gefangene loß, welche der König ihrer Verwachung anvertraut hatte.

 

Die Anhänger des Königs waren eben so wohl auf ihrer Hut. Sie gaben sich in Sachsen alle Mühe, den Nacken der Aufwiegler unter das Joch zu drücken, sie störten ihre Zusammenkünfte, sie trieben mit Gewalt Beute von den Feldern ein, sie beluden das Land mit Abgaben, zwangen die Einwohner zum Vestungsbau, und hielten sie im strengsten Zaume. Diese Gewaltthätigkeiten konnten die Sachsen nicht in die Länge ertragen. Die zween Söhne des Grafen Gero von Beene machten also den Anfang zu neuen Feindseligkeiten. Sie hatten sich zur Zeit, als die Sachsen sich ergeben mußten, jenseits der Elbe

 

 

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geflüchtet, einige Mannschaft an sich gezogen, und mit derselben widerholte Einfälle in Sachsen gethan. Alles lief ihnen haufenweiß zu, und sie sahen sich in kurzer Zeit in den Stand gesezt, daß sie den königlichen Truppen gewachsen waren. Mitten unter diesen Zurüstungen kam Graf Hermann, des Magnus Oheim, und andere Fürsten zur grösten Freude der Sachsen aus ihrer Gefangenschaft zurück, und fachten den Keim des Feuers noch mehr an. Sie zogen öffentlich zu Felde, eroberten einige königliche Schlösser mit Gewalt, andere ergaben sich freywillig. Die Besatzungen entliessen sie, wenn sie eidlich versprachen, nicht mehr wider sie im Kriege zu dienen, allen Kriegsvorrath erbeuteten sie, und die Anhänger, Freunde und Diener des Königs jagten sie zum Lande hinaus.

 

Otto, den der König als seinen Statthalter in ganz Sachsen gesezt, saß indessen ganz ruhig in Harzburg, und war eifrig bemüht, dieses Schloß und Steinberg auf Befehl des Königs wieder in guten Vertheidigungsstand zu setzen. Die Sachsen schickten Gesandte an ihn, und machten ihm die bitterste Vorwürfe, daß er sich zum Werkzeug gebrauchen lasse, Anstalten zu befördern, wordurch die Freyheit des Vaterlands unterdrückt würde. Sie tadelten seine Absichten, die er gehabt, als er ihnen angeräthen, sich zu ergeben. Sie beschuldigten ihn eines Eigennutzes, und ermahnten

 

 

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ihn, von der königlichen Parthey abzutreten, oder gewärtig zu seyn, daß sie ihn als einen Verräther des Vaterlands aus Sachsen mit Gewalt verstossen würden. Otto bat sie, sich in einer so wichtigen Sache nicht zu übereilen, sondern von ihm versichert zu seyn, daß er bey dem König sein ganzes Ansehen anwenden würde, um ihn zur Auslieferung der Gefangenen, zur Schleifung der Vestungen und zur Aufrechterhaltung ihrer Gesetze zu vermögen, und versprach, wenn seine Vorstellungen bey dem König fruchtlos seyn sollten, ihn zu verlassen, und ihre Sache bis an das Ende seines Lebens zu schützen. Er hielt auch sein Versprechen, schickte Gesandte mit seinen Vorstellungen an den König, zog seine Besatzung von den Bergen herab, und lebte mit den Sachsen auf einen sehr freundschaftlichen Fuß. - Diö

 

Die Nachrichten hievon waren für den König sehr bedenklich. Zorn und Kummer griefen ihn heftig an, und er wußte nicht, was er zuerst unternehmen solte. Anfangs schien er entschlossen zu seyn, vor Mez zu gehen und den Bischoff zu strafen, daß er die Gefangene auf freyen Fuß gestellt. Aber der Mangel an Soldaten und die Ungewißheit von der überall wankenden Treue der Fürsten, Heere zu erbitten, mißriethen ihm diesen Vorsaz. Er schrieb demnach einen Fürstentag nach Worms aus, wo er mit den Grossen des Reichs gemeinschaftlich die zu ergreifende Maßregeln

 

 

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überlegen wollte. Auf demselben erschienen zwar einige, aber eben diejenige blieben aus, von welchen man am meisten zu befürchten hatte. Man richtete also nichts aus, und eben so fruchtlos war der folgende Fürstentag in Maynz, worzu er die Fürsten aufs inständigste eingeladen hatte. Der Geist der Empörung herrschte schon in den Gemüthern der meisten Grossen, und die Zwistigkeiten unter den Anwesenden vernichteten alle gehofte Frucht. Vielmehr kostete man nun die bittere Früchte des Einflusses der päbstlichen Bannstralen auf die Gemüther.

 

Udo, Erzbischoff von Trier, hatte ein päbstliches Schreiben erhalten, in welchem ihm Gregorius VIl. meldet, daß er ihn nebst dem Bischoffe von Mez und dem B. von Verdun desto mehr zu ermahnen für nöthig erachte, die Schismaticker zu meiden, weil er von ihnen vernommen habe, daß sie durch die angedrohete Absetzung von ihren Aemtern und Todesstrafe sich hätten verleiten lassen, seine Absetzungs-Formel zu unterschreiben, weswegen er hoffe, daß sie sich eines bessern besinnen, und der Kirche Gelegenheit geben werden, sich über sie zu freuen, so wie sie über sie getrauret habe m). Udo glaubte, seine Besserung nicht zuverläßiger zeigen zu können, als wenn er sich selbst nach Rom begäbe, und den Pabst von seiner Denkungsart überzeuge. Er söhnte sich auch

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m) Hontheim Cod. Diplom. ad a. 1076.

 

 

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236 Geschichte der Deutschen,

 

mit dem Pabste aus, wollte aber nach seitner Rückkehr von Rom keinen Umgang mit den beeden Erzbischöffen von Maynz und Cölln und mit andern haben, deren Anschläge der König gemeiniglich anzuhören pflegte, weil der König und sie im Banne wären. Er gab ihnen zu erkennen, daß ihm auf anhaltendes Bitten der Pabst nur dieses endlich erlaubt habe, mit dem König zu reden, sonst aber weder mit ihm zu speisen und zu trinken, noch zu beten. Seinem Beyspiele folgten viele andere, welche sich das Ansehen einer reinern Frömmigkeit geben wollten. Sie entzogen sich nach und nach dem königlichen Pallaste, damit sie nicht durch den verbannten Unflath verunreiniget würden, der König mochte Befehle schicken, so viele er wollte, keiner erschien ihm, sondern ein jeder glaubte, damit GOtt einen besondern Gefällen zu erweisen, wenn er dem König nicht gehorchte. Die beschimpfte Erzbischöffe von Maynz und Cölln waren hierüber äußerst erbittert. Sie sagten öffentlich, daß man auf den Ausspru:h des Pabstes nicht achten könne, er habe kein Recht, sie zu verbannen, da er sie weder nach der Vorschrift der canonischen Gesetze zu einer Synode berufen, noch ihres Verbrechens überführt habe. Den Erzbischoff von Trier beschuidigten sie eines geheimen Verständnisses mit dem Pabst und strafbarer Absichten zum Umsturz des Reichs. Sie glaubten, daß es ihm nicht sowohl um die Erhebung der päbstlichen Macht als um die Unterdrückung der

 

 

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königlichen Macht zu thun sey, und daß er seinen Zweck nur mit dem Scheine der Religion bemäntle. Sie gaben demnach dem Könige Recht, wenn er auf die Erhaltung seiner Rechte bedacht sey, das Rachschwerdt ergreife, und die Feinde seines Throns aus ihren Winkeln hervorziehe.

 

Dieses waren eben diejenige Gesinnungen, welche dem König schmeichelten, und ihn in seinen Absichten stärkten. So heftig aber sein Zorn war, so mußte er sich desto mehr mäßigen, weil er sahe, daß unter dem Vorwand der Religion die Fürsten nach und nach von ihm abfielen, und daß er in die Unmöglichkeit gesezt würde, seiner Rache einen Nachdruck zu geben. Er bemühete sich demnach, die erbitterte Fürsten durch Gesandtschaften zu besänftigen, auf der andern Seite aber ließ er doch die noch gefangene Grosse nicht los, sondern verdoppelte vielmehr seine Wachsamkeit, damit sie ihm nicht entwischen möchten. Er erinnerte die, deren Aufsicht sie übergeben worden waren, ihres Eydes, und ermahnte sie zur Treue. Am sorgfältigsten ließ er den B. Bucco von Halberstadt bewachen, den er dem B. Ruprecht von Bamberg übergeben hatte, weil er aber befürchtete, die Feinde möchten ihn mit Gewalt in Freyheit setzen, so ließ er ihn an sein Hoflager berufen, wo er ihn als den Hauptanstifter der Unruhen aufs unanständigste behandelte, und dem Spott seiner

 

 

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238 Geschichte der Deutschen,

 

Bedienten und Köche aussezte. Eben damals hatte sich seine Schwester, die Gemahlin des vertriebenen Königs Salomo, bey ihm eingefunden, um Hülfe für ihren Gemahl zu erflehen. Heinrich hielte dieses für die beste Gelegenheit, den Bischoff seiner Schwester anzuvertrauen, welche ihn in eine ungarische Vestung einschliessen sollte. Er wurde auch auf der Donau abgeführt, fand aber unterwegens durch die treue Hülfe seines Dieners Mittel; den Wächtern zu entkommen, und kam unvermuthet in Sachsen an. So sehr die Sachsen hierüber frohlockten, so bestürzt war Heinrich, daß ihm auch diese Absicht fehlgeschlagen. Er konnte sich von ihm nichts anders versprechen, als daß er nun die Gemüther von neuem wider ihn aufbringen, und die Kriegsflamme anblasen würde. Ueberdiß mußte er befürchten, daß seine andere Gefangene ihm auf gleiche Weise nach und nach entwischen möchten. Er entschloß sich demnach, die Bischöffe von Magdeburg, Merseburg und Meissen samt dem Herzog Magnus und dem Pfalzgraf Friderich zu sich zu berufen, und auf gelindere Wege die Unruhen beyzulegen. Er redte sie sehr liebreich an, und sagte, daß er sie zwar als Ungetreue mit der Todesstrafe zu belegen berechtigt wäre, er wollte ihnen aber gern verzeihen, und ihnen unter keiner andern Bedingung die Freyheit schenken, als daß sie ihm zur Beruhigung der Sachsen behülflich wären, er würde sie für diese Gefälligkeit unter seine vornehmste Freunde

 

 

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zählen, und sie seine königliche Gnade reichlich geniessen lassen. Die Gefangene waren höchst erfreut, ihre Freyheit wieder zu erlangen, sie versprachen, was man wollte, und verbargen die Gesinnungen ihres Herzens.

 

Auf die Ermahnungen des Herzogs Otto hatte Heinrich ihn bloß wissen lassen, er sollte sich in Salfeld einfinden, wo er das weitere mit ihm verabreden wollte. Da er sich aber zu viel auf das Wort der losgelassenen Grossen verließ, so änderte er seine Entschliessung, und ließ dem Otto nach Salefeld melden, er sollte alle Truppen, so viel er zusammen bringen könnte, in aller Eile an sich ziehen, und in der Mark Meissen zu ihm stossen, in welcher er durch Böhmen mit seinem Heere sich einfinden wollte. Gleiche Befehle schickte er auch an die losgelassene Bischöffe und Fürsten, erinnerte sie an die Pflichten der Dankbarkeit, und bat sie, sich mit starken Heeren bey ihm einzustellen. Er selbst nahm so viele Soldaten mit sich, als er in der Eile fand, und reißte, ohne daß jemand seine Absichten wußte, nach Böhmen. Auch hier zog er vom Herzog eine ziemliche Verstärkung an sich, und drang in der allerbesten Hofnung, die sächsische Fürsten anzutreffen, in Meissen ein. Aber er fand sich in seiner Meynung aufs äusserste betrogen. Herzog Otto war über die geänderte Entschliessung des Königs aufgebracht. Er hatte ihm wegen

 

 

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240 Geschichte der Deutschen,

 

der Sachsen die allertriftigste Vorstellungen gemacht. Er fand aber an ihm ein unerbittliches Gemuth. Heinrich, der von Jugend auf als König erzogen und geherrscht hatte, war gewohnt, zu befehlen, nicht aber zu gehorchen. Lieber wollte er sterben, als sich überwinden lassen, und ein ihm angethanes Unrecht nicht rächen. Da er mit Männern umgeben war, welche ihm ihr Glück zu danken hatten, so schmeichelten sie ihm mehr, als daß sie ihn auf gelinde Wege geleitet hätten. Ihr Eigennuz fand allzuviele Nahrung, wenn es unruhig zugieng, als daß sie im Ernst Frieden gewünscht hätten. Das Gehör, das der König solchen Männern gab, verdroß den Herzog Otto. Er erklärte demnach dem Bischoff Eppo von Zeiz, den Heinrich an ihn geschickt hatte, wenn der König mehr Vertrauen in seine Schmeichler, als ihn sezte, wenn er glaubte, mit der Hülfe des Herzogs von Böhmen und seines Heers mehr ausrichten zu könne , als mit einem deutschen Heere, so möchte man es hinführo nur auf die Rechnung des Herzogs von Böhmen schreiben, was auch die Sache für einen Ausgang nähme, er glaube ihm ehrlich und patriotisch gerathen zu haben, und könnte in die Vergiessung des unschuldigen Bluts nicht willigen, folglich glaube er nun, seines dem König gethanen Eydes los zu seyn, und er würde von nun an die Freyheit seines Volks aus allen Kräften vertheidigen.

 

 

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241 Fünfte Periode. Heinpich IV.

 

Die Erklärung des Otto zog die gleichlautende Erklärung aller andern Fürsten nach sich, welche sich entschuldigten, daß sie dem König keine Volker zuführen könnten, indem sich auch ihre Unterthanen selbst zur Unterdrückung ihrer Mitbrüder nicht wollten gebrauchen lassen. Dißmal war die Erbitterung auf den höchsten Gipfel gestiegen, und die sächsische Fürsten hatten nicht zu besorgen, daß sie von ihren Leuten möchten verlassen werden. Vielmehr droheten diese selbst, alle Fürsten zum Lande hinauszujagen, wenn sie sich nicht der Gewaltthätigkeit des Königs mit Anstrengung aller ihrer Kräften widersezten. So bald daher das Gerücht erschall, daß der König in die Mark Meissen eingedrungen, und alles mit Feuer und Schwerdt verheerte, so war der Auflauf allgemein, alles schrye zu den Waffen , und in sehr kurzer Zeit kamen viele tausend Menschen zusammen, welche alle vor Begierde brannten, dem König ein Treffen zu liefern. Da sie aber mit ihrem Gepäcke nicht schnell genug marschiren konnten, so suchten die Söhne des Grafen Gero sich 7000 Mann von den besten Truppen aus, und eilten dem König entgegen. Es war auch höchst wahrscheinlich, daß sie den nicht mit genugsamen Völkern versehenen König übel würden behandelt haben. Zum guten Glücke war der Fluß ausgetreten, und hatte beede Heere gehindert, einander näher zu kommen. Hierdurch wurde Heinrich gerettet, der äufs schleunigste wieder nach Böhmen

Gesch. der Deutschen II Bd.

 

 

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242 Geschichte der Deutschen,

 

zog, und ganz bestürzt über sein widriges Schicksal in Worms ankam. Die Mark Meissen, die er dem Herzog von Böhmen geschenkt hatte, gieng ebenfalls verloren. Markgraf Ekbert, ein junger Herr, dessen Vater sie zuvor zugehört hatte, erwartete die gute Gelegenheit, bis der Fluß wieder in seine Ufer getreten war, drang in die Mark ein, eroberte die Schlösser, die der Herzog von Böhmen angelegt hatte, besezte sie mit seinen Völkern, und nahm Besiz von einem Lande, welches ihm der König seiner Meynung nach unrechtmäßiger Weise entzogen hatte.

 

Aber diß schien noch kaum der Anfang des Unglücks zu seyn, dem Heinrich ausgesezt war. Rudolph von Schwaben, Welf von Bayern, Bertold von Kärnthen, die beede Bischöffe von Worms und Würzburg gaben sich das Ansehen, als ob sie der Zerrüttung Deutschlands ein Ende machen wollten. Sie hatten ein Schreiben vom Pabste von Laurentium vom 25 Julius erhalten, wo Gregorius alle Reichsfürsten ermahnt, den König den Händen des Satans zu entziehen, und sich mit dem Pabste zu vereinigen, der fest entschlossen war, sich lieber von Tyrannen umbringen zu lassen, als die Rechte der Religion zu vernachläßigen. Sie kamen in Ulm zusammen, und schrieben eine Versammlung der Fürsten nach Tribur aus, wo man den Kirchenfrieden endlich einmal wieder herstellen sollte. Sie thaten es allen

 

 

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Fürsten und Grossen in Schwaben, Franken, Bayern, Sachsen und Lothringen zu wissen, und baten sie auf das inständtgste, doch bey dieser allgemeinen Zerrüttung ihrem Vaterlande ihre getreue Dienste nicht zu versagen. Jedermann erstaunte über diese besondere Verbindung der Fürsten, und da sie sich die Verbesserung der Reichsangelegenheiten zum Zweck gesezt hatten, so fanden sie sogar bey dem Erzbischof Sigfried von Maynz und andern Anhängern des Königs Eingang, welche den Heinrich verliessen, und auf die Seite der verbündeten Fürsten traten. Viele gaben von freyen Stücken die Geissel los, welche einige Fürsten das vorige Jahr zur Versicherung ihrer Treue gestellt hatten. Auf die Weise bekam Otto seine Söhne wieder, wovon einer vom König, der andere ohne Vorwissen desselben entlassen worden war. Der Sohn des Markgrafen Udo und ein Sohn des verstorbenen Markgrafen Dedo, welche dem Grafen Eberhard zur Bewachung übergeben, und vom König empfohlen worden, daß er sie als junge Leute zu Geschäften anhielte, und wegen ihrer Jugend verschonende Nachsicht mit ihnen hätte, hatten ebenfalls Mittel gefunden, ihren Wächtern zu entgehen, und langten in Maynz an, wo sie Sigfried wider den Graf Eberhard in seinen Schuz nahm, und ihren Eltern unter sicherer Bedeckung zuschickte. Alle diese Vorfälle machten dem Fürstenbunde noch mehr Muth, und sie kamen auf die bestimmte Zeit

 

 

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in der festen Entschliessung an, den König Heinrich von allen Reichsgeschäften auszuschliessen, und ein anders Reichsoberhaupt zu wählen.

 

In Tribur fanden sich auch päbstliche Gesandte ein. Dann diß war der wahre Zeitpunkt, wo Gregorius unendlich viel gewinnen konnte. Er hatte zwar auch in Italien noch mächtige Feinde, und der Erzbischoff von Mayland und der Erzbischoff von Ravenna waren gut kaiserlich gesinnt. Sie hatten eine Versammlung von meistens lombardischen Bischöffen in Pavia zusammen berufen, wo sie den Pabst ebenfalls in den Bann thaten, weil sie auch der Meynung waren, daß es unerlaubt sey, einen König in den Bann zu thun. Heinrich hatte auch seinen getreuen Graf Eberhard gleich nach dem päbstlichen Banne nach Italien geschickt, um sich da einen Anhang wider den Pabst zu machen. Gregorius hatte aber auch noch Freunde, unter welchen nicht nur Mathildis, die den 18 April dieses Jahrs ihre Mutter Beatrix verlohren hatte, und nun ihre Staaten allein beherrschte, die vornehmste Betrachtung verdient, n) sondern auch in Mayland

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n) B. Poenitentiarius im Leben des h. Anselms , ihres Beichtvaters, sagt von ihr: Ecce facta in omni Romano Imperio inaudita persecutio. – Unica dux & Marchionissa Mathildis in fide permaneas, zelum Dei habens -- inventa est. Haec totam se (Papae) tradidit dispositioni, specrans ab oneribus mundi hujus tali obedientia explicari.

 

 

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selbst waren ihm einige Andächtige beygetreten. Ein gewisser Ritter, Wifred, hatte dem Pabste, welcher die Unruhe mit Geld nährte, Freunde gesammlet, und erhielte von ihm die vertrauteste Briefe, wo er ihm meldet, wie groß bereits die Parthey der Rechtgläubigen in Deutschland sey, und daß der h. Peter noch Herz genug habe, auch den dritten Erzbischoff von Mayland von seinem Stuhle herabzustossen, nachdem er schon zween verstossen hätte. Mathildis machte zwar dem Scheine nach neue Versuche, einen Vergleich zwischen Heinrich und dem Pabste zu treffen, aber die Gemüther waren schon zu erhizt. Sie hatte demnach auch in Tribur einen grossen Einfluß, und es sind noch Urkunden vorhanden, aus welchen erhellet, daß sich der Bischoff von Mez zuvor bey dem Pabste erkundigt, wie er sich in Tribur in Ansehung der Verbannten verhalten hätte, und was man sich für eine Hofnung wegen der Mathildis machen könnte. Die päbstliche Gesandte brachten also alles schon zubereitet mit, und sie waren eben deswegen erschienen, um grosse Plane auszuführen. Einer von ihnen war Sigehard, Patriarch von Aquileja, der andere der berühmte Altmann, Bischoff von Passau, den der Pabst in dieser Sache als seinen Vikarius in den geistlichen Angelegenheiten, und zugleich mit der Vollmacht versehen hatte, die Gültigkeit des päbstlichen Bannes zu erhärten, und die Einwilligung des Pabstes in eine neue Wahl anzubieten.

 

 

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246 Geschichte der Deutschen,

 

Die Wichtigkeit der Verhandlung hatte eine Menge Menschen herbeygezogen, und von Rom selbst kamen auch einige Weltliche mit, welche jedermann bezeugten, daß Heinrich aus gerechten Ursachen vom Pabste verbannt worden, und versprachen, daß sie der Pabst mit seinem ganzen Ansehen unterstützen wurde, wenn sie sich entschlössen, einen andern König zu wählen. Kein Römer wollte weder mit Heinrich, noch mit andern, die mit ihm nach seiner Verbannung Umgang gehabt, oder auch nur gesprochen hatten, kein Wort reden, sondern ein jeder, den sie dieser Ehre würdigen wollten, mußte sich zuvor vom Bischoff, Altmann vom Banne lossprechen lassen. Eben so sorgfaltig vermieden sie den Umgang mit denjenigen, die mit geheuratheten Priestern, oder mit solchen, die ihre geistliche Würden mit Geld an sich gebracht hatten, gemeinschaftlich GOtt gedient hatten. Sieben Tage überlegten sie, was zum Besten des Reichs für Maßregeln zu ergreifen wären und mit der grösten Schärfe beurtheilten sie das ganze Leben Heinrichs von seiner zarten Kindheit an, bis in sein erwachsenes Alter. Ueberall fanden sie Flecken; wodurch Heinrich sich und das Reich beschimpft hätte. Anstatt das Reich zu erweitern, und seiner Krone bey Auswärtigen Ansehen zu verschaffen, unterdrückte er, wie sie sagten, sein eigenes Vaterland, zerstörte die Kirchen, verwendte die Kircheneinkünfte zum Soldaten-Sold und zum Vestungsbau, und

 

 

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unter ihm kenne man weder gute Sitten noch Ehrfurcht für die Kirche. Sie hielten demnach fürs zuträglichste, ihm den Gehorsam aufzukünden, und ein anderes würdigeres Oberhaupt zu ernennen.

 

Heinrich empfand die Folgen dieser Entschliessungen nur allzuwohl. Er sammlete die wenige Anhänger, die er noch hatte, und begab sich nach Oppenheim an der andern Seite Rheins, um den Fürsten von Tribur nahe zu seyn. Er fieng an, kleinmüthig zu werden, und sich gegen seine Feinde herab zu lassen. Er schickte einmal über das andere Gesandte an sie, und versprach güldene Berge. Er versicherte sie, daß er sich bessern, und hinführo keine Reichsangelegenheit ohne ihr Vorwissen verhandlen wollte, daß er das ihnen zugefügte Unrecht durch neue Wohlthaten ersetzen, ja daß er sich ganz seines Rechts begeben, und alle Macht ihnen allein überlassen wollte, wenn sie ihm nur den königlichen Namen und die damit verbundene Ehrenzeichen liessen, welche er ohne ihre eigene und des ganzen Reichs Beschimpfung nicht so schnöde vernachläßigen könnte. Zu grösserer Sicherheit bot er ihnen Eyde und Geissel an, und übergab sich ganz in ihre Willkühr.

 

Die Fürsten prüften diese Anerbietungen. Es fiel ihnen aber gleich dabey ein, wie oft schon Heinrich dergleichen Versicherungen von sich

 

 

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248 Geschichte der Deutschen,

 

gegeben, wie oft er durch Eyde und vor GOtt sich zu bessern verheissen, und doch allemal wieder, so bald der Sturm ein wenig vorüber gegangen, sie gebrochen und seine Gegner getäuscht hatte. Sie wandten ein, daß sie zuvor es wohl überlegt, und alle mögliche Versuche gemacht, ehe sie diesen Schritt gethan hatten. Nun aber erlaubte es ihnen ihrer Meynung nach ihre Ehre nicht, zurückzutreten, sondern sie hielten sich desto mehr für berechtiget, Vaterland und öffentliche Freyheit zu retten, da der Pabst durch seinen Bann ihnen alle Wege abgeschnitten, mit ihm umzugehen. Sie glaubten demnach, daß dieses die beste Gelegenheit wäre, das einmal durchzusetzen, was sie schon so lang im Sinne gehabt hatten, und wenn sie diese nicht gebrauchten, so müßten sie alle Augenblicke das Schwerdt des Königs fürchten, das über ihren Nacken gezückt wäre. Ihr Schluß war also dieser, sie wollten sich einen andern König wählen, der sie mit Gerechtigkeit regierte, und mit dieser Anwort entliessen sie die königliche Gesandte. Heinrich schickte zwar noch einmal an sie, und bat sie aufs inständigste, davon abzustehen, er fand aber kein Gehör, sondern in der Erbitterung der Gemüther sollte die Sache mit den Waffen entschieden werden. Man machte in Tribut alle Zurüstungen zur Königswahl, und wollte den andern Morgen über den Rhein setzen und den König angreifen, worzu Sigfried von Maynz schon die Schiffe bereit liegen hatte.

 

 

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249 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

Gleiche Zurüstungen machte Heinrich , zog seine Völker zusammen, um seine Feinde beym Uebersetzen anzugreifen.

 

Alles war auf den andern Morgen begierig, und man erwartete ein heftiges Blutbad. Wider Vermuthen aber schickten die Sachsen und Schwaben, welche über die Gegenanstalten des Königs erschrocken waren, Gesandte an ihn, und liessen ihm melden, ob er wohl niemal nach den Gesetzen mit ihnen gehandelt, so wollten doch sie gesezmäßig mit ihm verfahren, und dem römischen Pabste die Kenntniß über ihren Streit vorbehalten, den sie dahin vermögen würden, daß er auf Lichtmeß sich in Augsburg einfinden, allda vor einer ganzen Reichsversammlung ihre beederseitige Rechtsgründe prüfen, und hierauf entscheiden sollte. Aber sie schärften die Bedingungen noch mehr. Erstlich wollten sie, wenn er vor Verfluß eines Jahrs aus seiner Schuld die Loslassung vom Banne nicht erhielte, so sollte er all sein Recht voraus verloren haben, und hernach keine Ansprache mehr auf das Reich machen können, weil er den Bann ein ganzes Jahr über getragen habe. Hernach forderten sie als ein Angeld seines gänzlichen und unbedingten Gehorsams gegen den Pabst, daß Heinrich alle vom Pabst verbannte Diener alsbald von sich entferne, sein Heer entlasse, sich nach Speyer begebe, und allda in Gesellschaft des Bischofs von Verdun und derjenigen, welche

 

 

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ihm die Stände als bewährte Männer zugeben würden, als eine Privatperson leben, in keine Kirche keinen Fuß setzen, keine Reichsgeschäfte versehen , der Reichsinsignien und des königlichen Geprängs sich nicht bedienen, bis ihre Streitsache synodisch abgethan wäre, auch dem Bischoff von Worms seine Stadt wieder abtreten, und deswegen eine eydliche Versicherung und Geissel geben sollte, damit der Bischoff in Zukunft keine Nachstellung oder Aufruhr von den Bürgern zu befürchten hätte. Würde er, sezten sie endlich noch hinzu, alle diese Bedingungen nicht halten, so würden sie ihres Eydes entledigt seyn, und hernach zum Besten des Reichs andere Maßregeln ergreifen. Betrübt war es, daß die Mutter Heinrichs selbst, Agnes, mit dem Abt von Dume und der Gräfin Mathildis den Vorschlag getan, den Pabst zum Richter aufzuwerfen. Doch was diese thaten, that Gregorius selbst, welcher ihnen durch ihre Beichtväter einflössen ließ, was er wollte.

 

Heinrich , der im Gedränge war, versprach wieder alles, was man wollte. Er fieng auch die Erfüllung dey Bedingungen gleich damit an, daß er die Bischöffe von Cölln, Bamberg, Straßburg, Basel, Speyer, Lausanne, Zeiz und Osnabrück, nebst den Grafen Ulrich von Cosheim, Eberhard, Hartmann und andere Verbannte, die ihm bisher so getreu beygestanden, aus seinem Lager hinweggehen ließ. Er schickte auch gleich nach Worms,

 

 

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ließ seine Besatzung abziehen, und gab Befehl, daß man dem Bischoffe die Thore öfnete. Er entließ alle von sich, und begab sich mit einem kleinen Gefolge nach Speyer, wo er sehr eingeschränkt lebte, und sich eine Weile Gewalt anthat.

 

Die Sachsen und Schwaben waren über diesen Triumph höchst erfreut, und begaben sich ganz vergnügt nach Haus, schickten aber gleich Gesandte nach Rom, um dem Pabst vom Hergang der Sachen Bericht abzustatten , und ihn zu bitten, daß er zu Beylegung ihres Streits und zur Beruhigung des Reichs sich auf die bestimmte Zeit in Augsburg einfinden möchte. Aber der König hatte in seiner Einsamkeit Zeit genug, die Folgen seines Verspruchs zu überlegen.

 

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Es war ihm gar nicht angenehm, daß er den Pabst in Deutschland erwarten sollte, indem er wohl voraussahe, was er von einem so erbosten Richter und von so feindlich gesinnten Anklägern zu erwarten hätte. Jedoch lag ihm unendlich viel daran, noch vor Verfluß eines Jahrs vom Banne los zu seyn, weil er hofte, alsdenn alle Schwierigkeiten zu heben, wenn er nur einmal nicht mehr durch die Religionsbedenklichkeiten gehindert würde, mit den Fürsten sich zu unterreden, und Hülfe von seinen Freunden zu suchen. Er entschloß sich demnach, selbst nach Italien zu gehen, verließ Speyer, und begab sich mit seiner Gemahlin und seinem jungen Sohn, Conrad , auf den

 

 

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252 Geschichte der Deutschen,

 

Weg. Auf dieser Reise spielte er die niedrigste Rolle von der Welt. Von jedermann verlassen, konnte er nicht einmal von seinen vorigen Freunden genugsame Hülfsmittel zu einem solchen Zug erhalten, und sein Gefolg bestand in einer einigen Person. Seinem Beyspiele folgten die andere Verbannte, und eilten nach Italien, jedoch hüteten sie sich, aus Furcht vor dem Pabst, in Gesellschaft des Königs zu reisen. Auf diese Weise hatten die Italiäner das angenehme Schauspiel, ein Heer von Verbannten in ihr Land einrücken zu sehen.

 

Nun hatten die Fürsten zwar ihren König tief genug erniedrigt, sie mußten aber gleich durch ein Beyspiel überführt werden, was sie hierdurch dem Reiche für eine Achtung bey Auswärtigen verschaft hatten. Der Herzog von Polen entsagte aller Verbindung mit Deutschland, ließ sich am Weyhenachtfest die Krone aufsetzen, und diese Feyerlichkeit durch fünfzehen Bischöffe vollziehen. Dieses schmerzte alle deutsche Patrioten , daß sie so verdrüßliche Folgen von ihren innern Streitigkeiten sehen mußten. Sie merkten nun allzu deutlich, daß sie bey fremden Nationen ein Spott waren, daß ein Herzog von Böhmen schon dreymal ungescheut in ihr Reich eingefallen, und daß der Herzog von Polen, ohne sich um das deutsche Reich zu bekümmern, den königlichen Titel angenommen hätte.

 

 

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253 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

Heinrich konnte nicht einmal den gewohnten Weg nah Italien nehmen, weil Welf, Rudolph und Bertold die Alpenpässe besezt hatten. Er gieng also durch Burgund, und hielte Weyhenachten in Besanson, wo ihn sein Groß-Oheim Wilhelm, Graf von Poitou, der in diesen Gegenden eine grosse Macht besaß, mit aller Achtung und Zärtlichkeit aufnahm. Hierauf überstieg er die mit Schnee bedeckten Alpen zu einer Zeit, wo die Kälte, welche überhaupt dieses Jahr außerordentlich streng war, am heftigsten wütete. Hier kam ihm seine Schwiegermutter mit ihrem Sohne Amadeus entgegen, welche ihn ebenfalls mit vieler Ehrerbietung aufnahmen. Da sie in Ober-Italien in grossem Ansehen stunden, und keine geringe Macht besassen, so war ihm dieser Empfang desto erfreulicher, weil er sich durch sie noch grössere Vortheile in Italien versprach. Der bekannte Bischoff Benzo hatte auch lang geheime Unterhandlungen mit dieser Prinzeßin Adelheid gepflogen, o) welche als Erbin des Graf Ulrichs von Susa, Turin und Asti fast alles besaß, was heutzutag Savoyen und Piemont ausmacht, und den Schlüssel von Italien zu haben schien. Er meldet dem König, daß sie bereit sey, ihn aufzunehmen, und bittet ihn, ihr geneigtes Gehör zu geben. Aber auch dieses Gehör war für den König kostbar. Er mußte der Adelheid und

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o) Benzo Panegyr. in Henr. IV. l. c. apud Menken. p. 1039 seq.

 

 

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ihrem Sohne fünf bischöfliche Gebiete, die an ihre Länder gränzten, abtreten, und sich hierdurch den Eintritt in Italien erkaufen. Und da er dieses einzugehen sich weigerte, so trat er ihnen eine Provinz in Burgund ab, und sezte seinen Zug fort p). Er litte aber unendliche Beschwerlichkeiten von der Kälte, welches ihm in Ansehung seiner Gemahlin und seines noch zarten Sohns sehr schmerzhaft war.

 

Als sich das Gerücht ausgebreitet hatte, daß Heinrich die Alpen überstiegen, und bereits in Italien angekommen wäre, so eilten ihm die italiänische Grafen und Bischöffe zu, empfiengen ihn so, wie es ein König fordern konnte, und führten ihm in wenigen Tagen ein zahlreiches Heer zu. Sie hatten sich schon längst nach der Ankunft des Königs gesehnt, weil sich im italiänischen Reiche grosse Unordnungen eingeschlichen hatten. Sie freueten sich nur desto mehr auf ihn, als sie vernahmen, daß seine Ankunft die Absicht hätte, den Pabst, abzusezen, welches sie wegen der Bannstralen, die Gregorius gegen sie gebraucht hatte, von Herzen wünschten. Der Pabst war indessen ebenfalls auch wider den Willen der Grossen von Rom, welche die Folgen dieser Reise wohl einsahen, aus seiner Residenz abgereißt, um sich

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p) Lambert von Aschaffenburg sagt, daß Adelheid fünf Bisthümer in Italien verlangt, Guichenon glaubt, daß es burgundische vielleicht jn Bugey gelegene Bisthümer gewesen.

 

 

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auf die bestimmte Zeit in Augsburg einzufinden, und hatte die Gräfin Mathildis zu seiner Begleiterin. Diese war bisher dem Pabste nicht von der Seite gewichen, sondern verehrte ihn als ihren Herrn. Ihr allzu vertrauter Umgang mit ihm hatte den Freunden des Königs und vornemlich den Geistlichen, deren Ehen er getrennt hatte, Anlaß zu vielen Spöttereyen gegeben. Auf diese mächtige Fürstin stolz, kam der Pabst nach Vercelli, wo er die Ankunft Heinrichs in Italien, und den grossen Zulauf zu ihm vom Bischoff Gregorius, Canzler von Italien erfuhr. Mathildis gab ihm gleich den Rath, sich in ihre Vestung Canossa zu begeben, bis man weitere Nachrichten einzöge, was Heinrich für Absichten hätte.

 

So glücklich Heinrich in Italien angekommen war, so unglücklich gieng es einigen andern Verbannten auf ihrer Reise. Bischoff Dieterich von Verdun, ein getreuer Freund des Königs, der mit Einwilligung der Stände bey ihm blieb, und ihm nach Italien nachreisen wollte, wurde vom Graf Adelbert von Calw angehalten, gefangen gesezt, all des seinigen beraubt, und nach einer langen Gefangenschaft, nach abgenommenem Eyde, daß er sich deswegen nicht rächen wollte, vermittelst eines schweren Lösegelds wieder auf freyen Fuß gestellt. Der Bischoff, Ruprechr von Bamberg hatte ein gleiches Schicksal. Herzog Welf von Bayern hielt ihn auf seiner Durchreise

 

 

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durch Bayern an, und ließ ihn fast ein ganzes Jahr im Verhaft sitzen, ohne sich durch irgend eine Vorstellung zu seiner Loslassung bereden zu lassen. Die andere Bischöffe und weltliche Verbannte waren glücklicher nach Italien gekommen, und unterwarfen sich dem Pabst, welcher sie in Zellen einzeln einschloß, mit keiner Seele zu sprechen erlaubte , nur etwas weniges Abends zu essen gestattete, und nach einer solchen Busse endlich vor sich ließ. Hier sprach er sie zwar vom Banne los, schärfte es ihnen aber aufs ernstlichste ein, mit dem König so lang keine Gemeinschaft zu haben, bis er wegen seines Bannes Genüge geleistet. Er erlaubte ihnen zwar, mit ihm zu sprechen, aber nicht um ihm zur Beförderung der Unruhe Anschläge zu geben, sondern ihn blos zur Busse zu ermahnen.

 

Bald hernach aber kamen auch Gesandte vom König selbst an, welcher die Mathildis um eine Unterredung mit ihm bat. Diese Prinzeßin begab sich selbst zu Heinrich, und wurde von ihm zur Vermittlung und zur Aussöhnung mit dem Pabst gebraucht. Sie übernahm dieses Geschäft gern. Sie begab sich in Gesellschaft der Gräfin Adelheid, des Graf Amadeus, Heinrichs Schwagers, des Markgrafen von Este und Grafen von Mayland Azzo II. und des Abts Hugo von Clugni nach Canossa, und bat mit den andern im Namen des Königs, daß Gregorius ihn von seinem

 

 

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Banne lossprechen, und den deutschen Fürsten nicht allzuviel Glauben beymessen möchte, welche mehr aus Neid, als aus Liebe zur Gerechtigkeit ihm Verdruß zu machen suchten. Der Pabst, der wohl wußte, daß Heinrich vor Verfluß eines Jahrs der Lossprechung nöthig hätte, sezte seiner Gnade einen hohen Preiß. Er warf also immer neue Schwierigkeiten auf, er wandte ein, daß es ihm die Gerechtigkeitsliebe nicht erlaubte, die Sache des Beklagten in Abwesenheit der Ankläger zu verhandlen; wenn er sich seiner Unschuld bewußt wäre, so möchte er nur auf die bestimmte Zeit sich in Augsburg einfinden, allwo auch die übrige Fürsten erscheinen würden, hier wollte er die beederseitige Rechtsgründe mit der grösten Unpartheylichkeit anhören, und endlich ein Urtheil fällen. Die Gesandte des Königs erklärten dem Pabste, daß Heinrich an allen Orten gern seinem Urtheile sich unterwerfen wollte, eine jede Verzögerung aber würde ihm desto schädlicher seyn, da die ihm festgesezte Jahresfrist bald zu Ende gehe, worauf die Fürsten mit Schmerzen warteten, damit sie ihn absezten, und ihm hierauf kein Gehör mehr geben dürften. Sie baten daher inständig, der Pabst möchte ihn nur einstweilen vom Banne lossprechen, und in die Gemeinschaft der Kirche aufnehmen, der König wollte sich zu einer jeden Genugthuung verstehen, und an jedem Orte und zu jeder Zeit sich der Entscheidung des Pabstes unterwerfen, auf alles antworten, was

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seine Ankläger wider ihn vorbringen würden, und entweder die königliche Würde behalten, wenn die Entscheidung für ihn günstig ausfiele, oder derselben entsagen, wenn sie wiedrig wäre.

 

Der Pabst weigerte sich lang, einen Schritt zu thun. Er befürchtete immer, der Leichtsinn des Königs möchte ihn zwar jezo bewegen, in alles zu willigen, weil es sein wesentlicher Nuzen erforderte, hernach aber, wenn er seinen Endzweck erhalten hätte, möchte er eben so leicht sich wieder durch die Stimme der Schmeichley dahin reissen lassen. Endlich gab er doch den dringenden Vorstellungen der Gesandten Gehör, sezte aber die Bedingung so hoch an, daß auch die Gesandte selbst darüber erstaunten. Wenn es ihm denn, sagte er, mit seiner Busse ein wahrer Ernst ist, so soll er mir die Reichskrone und die andere Reichsinsignien zum Beweiß seiner ungeheuchelten Reue ausliefern und bekennen, daß er des königlichen Namens ganzlich unwürdig ist. Die Gesandte baten sich diese so heftig beschimpfende Bedingung ab. Die päbstliche Linderung bestand darinnen, daß er selbst zu ihm kommen, und die dem römischen Stuhl zugefügte Beschimpfung reuend abbitten sollte. Hier fiel Heinrich ins Nez. Er begab sich ohne weitere Bedingung in das Schloß, welches mit einer dreyfachen Mauer umgeben war, und stand zwischen der ersten und zwoten, ohne daß ein Mensch mit ihm

 

 

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eingelassen worden wäre, ohne Krone, ohne königlichen Schmuck, als ein Sünder mit blosen Füssen, fastete vom Morgen bis auf den Abend, und wartete in dieser demüthigenden Stellung in der grösten Kälte drey Tage auf den Ausspruch des Pabstes. Diese Beschimpfung war so außerordentlich, daß Heinrich den dritten Tag, im Begriffe stund, wieder hinwegzugehen, als der Abt von Clugni dem Pabste anlag, der Fürbitte der Mathildis einmal Gehör zu geben. Heinrich selbst warf sich seiner Baase zu Füssen, und bat sie, alles bey dem Pabste anzuwenden, damit er einmal dieser Noth entkäme. Sie gab sich auch wirklich seinetwegen Mühe und erweichte endlich den harten Pabst, welcher sich durch seine Strenge noch ein Verdienst bey den deutschen Fürsten machen wollte q).

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q) Sein Brief Epist. L. 4. ist der sicherste Beweiß von der Wahrheit der bey dieser Busse vorgefallenen demüthigenden Umstände. Per triduum, sagt er, ante portam castri deposito omni regio cuitu miserabiliter, utpote discalceatus & laneis indutus persistens, non prius cum multo fletu apostolicae miserationis auxilium & consolationem implorare destitit, quam omnes, gui ibi aderant, & ad quos ranior ille pervenit,: ad tantam pietatem & compassionis misericordiam movit, ut pro eo multis precibus & lacrimis intercedentes, omnes quidem insolitam nostrae mentis duritiem mirarentur, nonnulli vero in nobis non apostolicae severitatis gravitatem, sed quasi tyrannicae feritatis crudelitatem esse clamarent

 

 

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Gregorius suchte die Bedingungen der Aussöhnung also zu entwerfen, damit die mißvergnügte Fürsten sich nicht darüber beschweren könnten. Die erste war diese, Heinrich sollte bey einer jeden Reichsversammlung, wohin sie auch der Pabst ansetzen würde, erscheinen, auf die wider ihn gemachte Anklagen antworten, und der Pabst würde dabey selbst, wenn es nöthig wäre, als Richter anwohnen. Zweytens sollte der König dem Endurtheil sich unterwerfen, wie es auch ausfallen würde, und sollte er auch das Reich verlieren, sich deswegen an keiner Seele rächen. Drittens sollte Heinrich bis zu Austrag der Sachen weder die Reichsinsignien noch sonst ein Ehrenzeichen der königlichen Würde gebrauchen, und in Reichsangelegenheiten nichts eigenmächtig handlen, sondern alles auf die Entscheidung der Fürsten ankommen lassen. Viertens sollte er von den königlichen Regalien zwar so vieles einzufordern berechtigt seyn, als zu seiner eigenen und der seinigen Unterhaltung nöthig wäre, sonst aber keinen öffentlichen Gebrauch von seiner königlichen Würde machen, wie denn fünftens alle, die ihm den Eyd der Treue geschworen hätten, indessen ihrer Verpflichtung vor GOtt und vor Menschen entledigt seyn sollten. Sechstens sollte er den Bischoff Rupert von Bamberg und den Ulrich von Cosheim, deren Anschläge er sich bisher bedient, von sich entfernen. Siebentens sollte er, wenn er sich auch wegen der ihm vorgeworfenen Verbrechen reinigen, und

 

 

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in der königlichen Würde bestätigt würde, sich dem Pabst in allem unterwerfen, ihm gehorchen, und zu allem, was er zur Verbesserung der Reichmängel für nöthig erachten würde, getreulich mitwürken. Achtens, wenn er wider diese Bedingungen handelte, so sollte auch die Aufhebung des Bannes ungültig seyn, er vielmehr als überführt angesehen werden, und die Reichsfürsten eben deswegen berechtigt seyn, einen andern König zu erwählen.

 

So giebt Lambert von Aschaffenburg die Bedingungen an, welche der Pabst dem König mündlich vorgelegt. Die von den anwesenden Fürsten errichtete Urkunde, r) welche allem Anscheinen nach vom Abt Hugo entworfen worden, geht in etwas davon ab, und lautet nur so: „Ich Heinrich werde innerhalb der Frist, die mir durch den Herrn Pabst Gregorius vorgeschrieben werden wird, nach seiner Entscheidung, betreffend die Klagen der Erzbischöfe und Bischöffe, der Herzoge, der Grafen und der andern Fürsten des deutschen Reichs, und derjenigen, die ihnen folgen, wie auch betreffend ihrer Zwistigkeiten mit mir, Rechtsgewärtig seyn, und mich fügen, wo sich nicht auf seiner oder meiner Seite eine Hinderniß ergiebt, und auch nach Verfluß

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r) Sie steht im Leben des Pabstes. bey Pandulph von Pisa und Paul von Bernried, und unter dem Titel; Eyd Heinrichs, Königs von Deutschland in den Regeltis Gregorii VII.

 

 

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dieser Frist werde ich bereit seyn, ein gleiches zu thun. Ferner, wenn gemeldter Herr Pabst jenseits der Gebürge oder in andere Gegenden der Welt gehen will, so wird nicht nur er und die zu seinem Gefolge gehören, sondern auch diejenige, die er abschicken wird, oder die aus einer Gegend der Welt, welche es auch sey, zu ihm kommen werden, von mir und von allen, die ich mir zu gehorchen, werde zwingen können, in Ansehung ihres Lebens, ihrer Glieder, Freyheit, während ihres Aufenthalts und Hin- und Herreise vor aller Nächstellung gesichert seyn, und so viel von mir abhangt, soll er keine andere seiner Ehre widrige Hindernisse leiden. Wird er aber durch jemand anders geführt, so werde ich dem Bedrückten nach meinen Kräften ehrlich und redlich beystehen“ s).

 

Diese Urkunde unterschrieb Heinrich. Weil man aber seinen Versprüchen nicht trauete, so mußten die Zeugen in seinem Namen auf die Reliquien schwören; wovon nur der Abt von Clugni ausgenommen wurde, der wegen seiner Ordensregeln sich dessen weigerte. Hierauf wurde gemeldte Urkunde vorgelegt, welches der Abt von Clugni, die beede Gräfinnen Mathildis und Adelheid, die Bischoffe von Zeiz und Vercelli, Markgraf und Graf Azzo von Mayland unterzeichneten. Und nach dieser

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s) Die Urkunde ist unterzeichnet Canossa den 25 Jänner in der 15 Indiction.

 

 

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Feyerlichkeit wurde endlich der Bann aufgehoben. Der Pabst hielte die Messe, berief den König und alle Anwesende zum Altar hin, hielte die geweyhete Hostie in der Hand, und redte den König an: „Du hast mir in deinem Schreiben an mich vorgeworfen, daß ich den apostolischen Stuhl durch die Ränke der Simonie bestiegen habe, du hast mich vieler Verbrechen beschuldigt, welche mich dieser Würde unwürdig machen. Ich habe zwar Zeugen meiner Unschuld genug, Zeugen; die mich von Jugend auf kennen, Zeugen, denen es bekannt ist, wie ich auf den Stuhl Petri erhoben worden. Damit ich aber einem jeden seinen Zweifel benehme, siehe den göttlichen Zeugen meiner Unschuld. Zum Beweiß meiner Lauterkeit werde ich nun den Leib des HErrn nehmen, und entweder soll mich der „allmächtige GOtt eines plözlichen Todes sterben lassen, wenn ich schuldig bin, oder er soll mich von allem Verdacht loszählen, wenn ich unschuldig bin.“ Hierauf nahm er einen Theil der Hostie zu sich, und das Volk lobte GOtt. Er berief hierauf den König näher zu sich, und sagte ihm: Mein Sohn, mache es nun eben so, wie ich. Du weißst , wie sehr dich die Reichsfürsten angeklagt haben. Bist du dir deiner Unschuld bewußt, so befreye hierdurch auf einmal die Kirche alles gegebenen Ärgernisses. Dieses ist das einige Mittel, wordurch du dir meinen beständigen Schuz versprechen, die Fürsten mit dir aussöhnen, den

 

 

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264 Geschichte der Deutschen,

 

bürgerlichen Kriegen ein Ende machen, und das Reich wieder erlangen wirst. Dieser Vortrag kam dem König ganz unvermuthet, er besann sich, er fragte seine Freunde um Rath, und erklärte dem Pabst, daß die Fürsten seines Anhangs nicht zugegen waren, und daß seine Ankläger und Feinde Einwendungen wider eine jedwede Art der Genugthuung machen würden, wovon sie nicht selbst Zeugen wären, der Pabst möchte demnach diese Sache auf die allgemeine Versammlung der Stände aussetzen, wo man alles reiflich überlegen könnte, und wo er sich zu allen billigen Bedingungen verstehen würde.

 

Der Pabst gewährte ihm seine Bitte, zog ihn zur Tafel, gab ihm noch manche gute Lehren, schickte den Bischoff Eppo von Zeiz voraus, der die andere, so mit dem verbannten König Gemeinschaft gehabt hatten, im Namen des Pabstes vom Banne lossprach, und entließ endlich auch den König, nachdem er ihn nochmals erinnert hatte, sich vor neuer Befleckung zu hüten. Kaum hatte sich Heinrich aus diesem Gedränge herausgerissen, gerieth er in eine andere Verlegenheit. Als er wieder zu den Italiänern zurückkam , und ihnen meldete, wie es ihm bisher ergangen, so empfiengen sie ihn alle mit Unwillen. In der Raserey stiessen sie die anzüglichste Schimpfworte wider den Pabst aus, und sagten, daß sie sich um den Bann eines Pabstes nichts bekümmerten, den alle Bischöffe in Italien schon längst verbannt hätten,

 

 

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265 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

der König habe hierinnen wider seine eigene Ehre gehandelt, und sich einen unauslöschlichen Schimpf zugezogen, daß er-seine Majestät einem so ketzerischen und mit so vielen Verbrechen befleckten Mönchen unterworfen hätte, sie haben an ihm einen Vertheidiger der Gerechtigkeit und einen Retter der Kirche erwartet, nun verrathe er selbst die Würde der Kirche, verlasse sie mitten in ihrem Eifer für das Wohl des Staats, und schliesse mit einem öffentlichen Feind einen besondern Frieden. Durch dergleichen Vorwürfe zogen sie dem Heinrich einen allgemeinen Haß zu, und einige machten schon Anstalten, dem Vater den Gehorsam aufzukünden, seinen noch unmündigen Sohn auf den italiänischen Thron zu erheben, mit ihm nach Rom zu ziehen, allda einen andern Pabst zu wählen, durch denselben den jungen Prinzen als Kaiser krönen zu lassen, und hierauf alle Handlungen des Königs zu vernichten. Heinrich gab sich alle Mühe, dieses Mißvergnügen zu stillen, und fieng eine gedoppelte Unterhandlung an. Die erste geschahe durch Gesandte an die mißvergnügte italiänischende Stände, bey welchen er sich mit der äußersten Noth, in die er versezt worden, entschuldigte, weil es nicht möglich gewesen, weder die erboste Fürsten von Deutschland, welche ihn seines Reiches berauben wollten, noch den Pabst, der ihn aus der Gemeinschaft der Kirche ausgeschlossen, auf eine andere Weise zu befriedigen, zugleich versprach er ihnen auch,

 

 

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266 Geschichte der Deutschen,

 

sich hinführo äußerst angelegen seyn zu lasset, sein und ihr Unrecht zu rächen. Die zwote fieng er mit dem Pabste selbst an, den er um die Erlaubniß bat, sich in der Kirche des h. Johannes von Monza nach dem Beyspiel der vorigen Könige durch die Bischöffe von Mayland und Pavia krönen zu lassen, oder wenn er es diesen beeden nicht gestattete, weil sie noch im Bann wären, selbst einen andern Bischoff nach seinem Belieben darzu zu ernennen, damit er mit der geistlichen Gemeinschaft auch die Reichskrone ihm zu danken hätte t). Aber beede Unterhandlungen hatten die gewünschte Wirkung nicht. Denn die italiänische Grossen verliessen ihn meistens, und entzogen sich dem Lager. Andere blieben zwar, und empfiengen ihn gelassen, zeigten ihm aber weder die vorige Ehrfurcht, noch die erste Bereitwilligkeit, dem König die gewohnte Dienste zu leisten, sondern murrten vielmehr, und verachteten ihn als einen Feigen. Wenn er um Gericht zu halten in eine Stadt kam, so schloß man die Thore vor ihm zu, man empfieng ihn nicht mit den gewöhnlichen Feyerlichkeiten, und führte ihm kaum so viel zu, als er und sein Gefolg zu ihrer Unterhaltung nöthig hatten. Ja sie

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t) Paulus Bernriedensis Vita Gregorii VII. c. 86. Rer. Ital. T. III. Graf Giulini nimmt die Begebenheit als wahr an. S. Marc sezt einen Zweifel darein, weil weder Arnulph von Mayland, noch Pandulph von Pisa, noch der Cardinal von Arragonien, noch der Pabst selbst in seinen Briefen davon Meldung thut.

 

 

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stellten überall Wachen aus, damit seine Soldaten nicht die Felder verheeren und auf Beute ausgehen konnten. Und was den Pabst betrift; dem er durch das Gesuch der italiänischen Krone, welche von Rechtswegen nicht von seiner, sondern der italiänischen Stände Willkühr abhieng, sehr geschmeichelt hatte, so wollte Gregorius auf keine Weise sich dazu verstehen; sondern entschuldigte sich, daß die Krönung nicht ohne vorhergehende Wahl geschehen könnte, welche er den italiänischen Standen überliesse, da sie aber deswegen noch keinen Reichstag versammlet hätten, so könnte er sich in die Sache nicht mengen.

 

Heinrich wußte sich fast nicht mehr zu helfen. Er bereuete den unvorsichtigen Schritt, sich einem unbekannten Volk anvertraut zu haen, welches ihn nun eben so untreu behandelte, als die Deutsche. Das nächste Mittel schien ihm dieses zu seyn, auf alle mögliche Art die erbitterte italiänische Stände sich wieder zu Freunden zu machen. Er gieng demnach mit seinem getreuen Ulrich von Cosheim und andern, deren Umgang ihm der Pabst verboten hatte, wieder zu Rath, und vertraute ihnen seine öffentliche und besondere Angelegenheiten. Hierauf änderte er in den Zusammenkünften mit den italianischen Fürsten in Reggio das erstemal seine Sprache, und nannte den Pabst den Hauptstifter aller Unruhen, der durch seine gewaltthätige Absichten in der Kirche diese Gährung

 

 

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268 Geschichte der Deutschen,

 

erregt hätte. Er ermahnte sie, daß sie ihm getreu blieben, und unter seiner Anführung das erlittene Unrecht zu rächen suchten. Er überschriet alle Bedingungen, er bekümmerte sich nicht mehr um die Versprüche, die er dem Pabst gethan, und verachtete das künstliche Gewebe des Pabstes. Hierdurch besänftigte er die Italiäner, daß sie mehr Zutrauen gegen ihn zeigten, sich häufiger bey ihm einfanden, die Kriegserfordernisse beyführten, und sich zu allen seinen Befehlen bereitwillig zeigten. Da er nun zuvor in Monza sich der königlichen Insignien nicht bedient hatte, so machte er wieder Gebrauch davon. Ja wenn wir dem Capellanen der Gräfin Mathildis, Doumizo, glauben dürfen, so hatte er sechs Tage nach seiner Busse den Anschlag gefaßt, den Pabst und die Gräfin Mathildis gefangen zu setzen. Er kam nach Bibianello, einem Ort der Gräfin, und zeigte ein grosses Verlangen, den Pabst und die Mathildis zu sprechen. Gregorius verfügte sich wirklich auf den Weg, als sie aber jenseits des Po kamen, so glaubten sie, solche Nachstellungen Heinrichs zu entdecken, welche ihnen den Willen benahmen, weiter zu reisen, oder sie schöpften wenigstens einen Argwohn, an dem die Staatsklugheit Antheil haben könnte. Sie eilten wieder zurück, und schlossen sich in die Vestungen ein. Bey diesen Umständen ward Mathildis immer mehr gewahr, welch einen Haß Heinrich gegen sie hätte. Sie entschloß sich demnach, ihre eigene Güter, welche

 

 

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269 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

nach der Sprache Innocentius II. das Allodium der Mathildis heissen, der römischen Kirche als ein Eigenthum zu schenken u).

 

Es fanden sich bey Heinrich nach und nach die deutsche Erzbischöffe und Bischöffe von Bremen, von Zeiz, von Osnabrück, von Lausanne und von Basel nebst andern deutschen Grafen und Herrn ein, deren Umgang ihm die päbstliche Gesandte in Oppenheim verboten hatten, und blieben ihm getreu. Die mißvernügte deutsche Fürsten hingegen schrieben eine Versammlung nach Forchheim aus, wohin sie auch die Sachsen beriefen, damit sie in Abwesenheit des Königs gemeinschaftliche Anschläge für das allgemeine Beste ergreifen könnten. Sie luden aus Höflichkeit auch den Pabst dazu ein, und baten ihn, weil er auf Lichtmeß sich in Augsburg nicht habe einfinden können, so möchte er wenigstens nach Forchheim kommen, und dem deutschen Reich seinen Schuz angedeyhen lassen. Gregorius wußte es sehr wohl, daß Heinrich seinen Vorsaz geändert, und allerley feindliche Unternehmungen wider ihn versucht hatte. Er verbarg jedoch seine Empfindlichkeit darüber, weil Heinrich ihm durch seinen Anhang furchtbarer geworden war. Er schickte also eine Gesandtschaft von Canossa an ihn. Die zween Cardinale, Gerhard, Bischoff von Ostia, und Anselmus, Bischoff von Lucca,

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u) Domnizo, Petrus Diaconus, Fiorentini, Origg. Guelficae T. I. p. 448.

 

 

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270 Geschichte der Deutschen,

 

erinnerten ihn an sein Versprechen, und führten ihm zu Gemüthe, daß nun die neue Zusammenkuntft der Fürsten in Forchheim ihm eine erwünschte Gelegenheit an die Hand gäbe, sich zur Beruhigung des Reichs zu rechtfertigen, oder den Zepter gar abzulegen. Der König entschuldigte sich damit, daß dieses das erstemal sey, da er im italiänischen Reich erscheine, daß er so häufige Geschäfte angetroffen, welche ihm nicht erlaubten, in einer so kurz angesezten Frist auf dem Weg, den er nach Italien habe nehmen müssen, sich in Deutschland einzufinden. Einen andern Weg konnte der König auch nicht wohl nehmen, da seine Gegner alle Zugänge besezt hatten. Nach dieser Antwort schickte der Pabst gleich zween andere Legaten, den Abt Bernhard von Marseille, und den Cardinal Diaconus Bernhard nach Deutschland, welche den ganzen Hergang der Sachen den Fürsten in Forchheim erzählen sollten, wie der Pabst durch den König so umringt und eingeschlossen sey, daß er weder nach Rom noch nach Deutschland reisen könnte, sie möchten demnach in ihren Berathschlagungen für das Wohl des deutschen Reichs nur fortfahren, bis er Gelegenheit hätte, selbst zu ihnen zu reisen.

 

Heinrich handelte nun auch mit minder Rückhalt. Weil er wußte, daß die zween an ihn geschickte Cardinäle auch nach Mayland gehen, und die Parthey des Pabstes unterstüzen

 

 

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271 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

sollten, so ließ er einen von ihnen, den Cardinal Gerhard, Bischoff von Ostia, auf der Rückreise anhalten, den Card. Anselm aber als Beichtvater der Mathildis, aus einer der angesehensten Familien von Mayland, ließ er frey, damit er seine Anverwandte nicht wider sich erbitterte. Sonst fuhr er getrost fort, als König zu handlen, und in verschiedenen Städten Italiens Gericht zu halten. Indessen kamen die Sachsen und Schwaben in Forchheim den 13 März an, es fanden sich auch Gesandte von andern Gegenden ein, welche den Ausgang dieser Versammlung erwarten, und dem Schluß derselben beyfallen wollten. Gleich den zweyten Tag begaben sich einige Fürsten zu den päbstlichen Legaten nach ihrer Behausung und meldeten ihnen, daß die Beschaffenheit der Umstände die Wahl eines neuen Königs nothwendig mache. Die Legaten antworteten ihnen, daß sie es für besser hielten, wenn man auf die Ankunft des Pabstes wartete, wenn aber die Fürsten glaubten, daß dieses äusserste Mittel unumgänglich nöthig sey, so möchten sie thun, was sie für gut hielten. Man merkte den Fürsten nur allzu deutlich an, daß sie durch den Pabst berechtigt seyn wollten, so wenig es ihnen auch Ernst war, ihn selbst bey sich zu haben.

 

Man schlug zwar verschiedene Fürsten zur königlichen Würde für, die Sachsen und Schwaben aber erwählten den 15 März eimüthig den

 

 

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Herzog Rudolph von Schwaben als ihren König. Da man aber seinetwegen bey einem jeden der anwesenden Fürsten die Einwilligung begehrte, so waren viele geneigt, ihm diese Bedingung zu setzen, sie würden ihn nicht anders als ihren König erkennen, als wenn er ihnen verspräche, das Unrecht, das sie unter Heinrich erlitten, zu ersetzen. Otto von Nordheim vornemlich weigerte sich, ihn als König zu verehren, wo er ihm nicht verspräche, daß er ihm zu seinem Herzogthum wieder helfen wollte. Andere brachten nach ihren eigenen Absichten noch andere Erinnerungen vor, bis sich endlich.die päbstliche Legaten in die Sache mengten, und erinnerten, man könnte den neuen König nicht an das persönliche Interesse eines jeden anbinden, weil dieses sonst offenbar den Schein einer strafbaren Simonie hätte, vielmehr sey es genug, wenn er verspreche, daß er gegen jedermann ohne Ansehen der Person eine unpartheyische Gerechtigkeit beobachten wollte. Damit begnügten sich die andere noch nicht, sondern begehrten, daß man ihn zur Verbesserung gewisser Mängel insbesondere verpflichten müßte. Man schrieb ihm also das Gesez vor, daß er die Bisthümer und Abteyen nicht eigenmächig besetzen, sondern einer jeden Kirche die Wahlfreyheit lassen, hernach, daß er die königliche Würde nicht erblich machen, sondern den deutschen Fürsten die Wahlfreyheit lassen sollte, damit sie entweder den Sohn des Königs, wenn er diese Würde mit Ruhm begleiten

 

 

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273 Afterkönig Rudolph.

 

Könnte, oder widrigenfalls, wenn sie auch nicht bey der regierenden Linie bleiben wollte, einen andern erwählte. Diese Bedingung wurde von allen genehmigt, und von den Legaten im Namen des Pabstes bestätigt. Rudolph wurde hierauf nach Maynz geführt, allwo ihn Sigfried den 27 März feyerlich als König salbte und krönte. Aber gleich nach der Tafel erhob sich eine traurige Scene. Da man bey diesen Gelegenheiten den Hofleuten gewisse Spiele erlaubte, so gaben die Bürger von Maynz bald zu erkennen, daß sie mehr Zutrauen zu ihrem alten, als zum neuen König hatten; sie mengten sich in das Spiel, erregten einen Wortwechsel, von welchem es zum Auflauf kam. Der ganze Hofstaat Rudolphs war nicht mit genugsamen Gewehr versehen, man schränkte sich ein, so gut man konnte, und überließ den Pöbel seiner mörderischen Raserey. Dieser schreckende Anblick bewegte den Rudolph, Maynz zu verlassen, und sich durch Schwaben über Augsburg nach Sachsen zu begeben. Sigfried selbst mußte diese Stadt verlassen, die er in seinem Leben nicht mehr sahe. In Erfurt und Merseburg sammlete sich gleich ein starkes Heer zu ihm, welches er aufmunterte, dem Feinde entgegen zu gehen, und die sächsische Tapferkeit durch kriegerische Thaten zu verewigen.

 

Die Nachricht von dieser neuen Wahl fand bey dem Pabste nicht gänzlich Beyfall.

Gesch. der Deutschen II Bd.

 

 

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274 Gesch. der Deutsch. Heinrich IV.

 

Er hatte schon in dem Brief an die Reichsfürsten ihnen gemeldet, daß er sich nach der mit ihnen getroffenen Verabredung noch 20 Tage vor dem bestimmten Tag in der Lombardie eingefunden, da ihn nach ihrem Verspruch einer von den Fürsten am Fuß der Alpengebürge hätte einholen, und unter sicherer Bedeckung nach Augsburg bringen sollen, man habe ihm aber gemeldet, daß sich von Seiten der Fürsten grosse Schwierigkeiten hervorgethan, und seine Einholung verhindert hätten, worüber er in eine grosse Verlegenheit gerathen, und seine Reise hätte einstellen müssen. Er beschuldigt also auch sie auf eine künstliche Weise, daß sie ihm nicht Wort gehalten, und es scheint in der That, daß die Fürsten selbst eingesehen, wie sie sich einer augenscheinlichen Gefahr aussezten, Sclaven vom Pabste zu werden; wenn sie den Gregorius VIl. nach Deutschland kommen, und der Versammlung der Fürsten vorsitzen liessen. Dieser geheime Harm des Pabstes bewegte ihn, an seine Legaten zu schreiben, daß seine Absicht gar nicht wäre, eine so übereilte Erklärung von sich zu geben, sie möchten also trachten, von beeden Königen sichere Geleitsbriefe zu erhalten, weil er im Sinne hätte, selbst nach Deutschland zu gehen, die Rechtsgründe beeder Gegner mit Zuziehung der billigsten geistlichen und weltlichen Fürsten zu überlegen, und alsdenn zu Gunsten dessen, der es verdiente, zu entscheiden. Jedoch ermahnte er sie, wenn entweder Heinrich oder

 

 

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275 Afterkönig Rudolph.

 

Rudolph den Umsturz des Reichs suchten, sich ihm aufs ernstlichste zu widersezen, und ihn des Reichs zu berauben, wie er denn ihnen Vollmacht gab, ein Concilium zu berufen, und den zu bestätigen, der sich der Kirche unterwärfe. Diesen Brief, der von der gewohnten Staatskunst der Päbste zeugt, und mit einem andern Brief an die deutsche Fürsten gleichlautend ist, schrieb er am Ende des May von Carpineto. Denn Mathildis hatte ihm den Weg nach Toscana gebahnt. Er kam über Pisa nach Florenz, verließ allda seine Beschützerin, und begab sich über Siena nach Rom. Von hier aus schrieb er einen Brief an den Erzbischof von Trier, wo er zwar bezeugt, daß ihm die Unruhen in Deutschland sehr zu Herzen giengen, und daß er deswegen durch seine Geistliche für das Reich öffentliche Gebete anstelle lasse, sich aber auch über die Gefangenschaft seines Legaten, des Abts von Marseille, der den Anhängern Heinrichs in die Hände gefallen, beklagt, und die Eydesformel beylegt, welche Heinrich, den er übrigens zu drücken das Ansehen nicht haben will, in Canossa beschworen hatte.

 

Heinrich vernahm seine Absetzung in Pavia, er begab sich daher von hier gleich Verona, und nahm den Weg über Aquileja nach Deutschland, bey welcher Gelegenheit ihm der von ihm gesezte Herzog von Kärnthen grosse Dienste that. Vor seiner Abreise

 

 

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276 Gesch. der Deutsch. Heinrich IV:

 

beklagte er sich noch einmal bey Gregorius über das Betragen der Fürsten, welcher ihm aber antwortete, daß er ausser Stand wäre, etwas für ihn zu thun, so lang er den h. Peter in der Person des Legaten Gerald gefangen hielte. Aber Heinrich war nicht geneigt, einen Mann loszulassen, von dem er wußte, daß er seine Parthey in Mayland unterdrückt hatte. Gerald starb vielmehr am Ende des Jahrs im Verhaft, und Heinrich gieng seinen Feinden beherzt entgegen, und fiel in Schwaben ein, als Rudolph mit der Belagerung von Würzburg beschäftigt war, welche Stadt Heinrich getreu blieb, und weder den Rudolph als König erkennen, noch ihren Bischoff einlassen wollte. Rudolph mußte die Belagerung aufheben, und den Feinden in seinem eigenen Lande Widerstand thun. Die beede Heere stiessen am Neckar zusammen, keines wollte über den Fluß setzen. Heinrich, der etwas schwach war, verzögerte die Sache durch allerley Verhandlungen so lang, bis er bayrische und böhmische Hülfstruppen bekam, worauf er die Unterhandlungen abbrach, und seine Feinde nöthigte, nach Hause zu ziehen. So wenig entscheidendes in diesem Feldzuge geschehen, so war doch Heinrich am Ende des Jahrs glücklicher als am Anfang. Es waren noch immer viele Bischöffe auf seiner Seite, und so begeistert einige Fürsten gewesen waren, den Pabst zu unterstützen, so daß Bertold anerboten hatte, dem-Pabst zur Versicherung

 

 

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277 Afterkönig Rudolph.

 

seiner Treue seinen eigenen Sohn als Geissel zu geben, so nahmen sie doch bald gewahr, daß die politische Absichten des Pabstes nicht auf das lautere Wohl von Deutschland abzweckten, und der Eifer fieng auf beeden Seiten an, etwas zu erkalten. Bertold starb auch noch am Ende dieses Jahrs in seinem vesten Schlosse Lyntberg, x) nachdem er bis an sein Ende den Rudolph unterstüzt, und seinen Sohn Bertold III. mit Rudolphs Tochter, Agnes, vermählt hatte. Die eigene Mutter Heinrichs, Agnes, verschied endlich den 14 December, nachdem sie in den lezten Jahren ihres Lebens durch die Bande der Andacht so gefesselt worden war, daß sie ihren eigenen Sohn verließ, und den Absichten des Pabstes blindlings beytrat.

 

Heinrich verlor demnach den Muth noch nicht. Er warb ein ziemliches Heer an, und als er vernahm, daß auch die Sachsen und Schwaben neue Mannschaft zusammen gebracht, und sich mit einander vereinigen wollten, so zog er ins Feld, und suchte ihre Vereinigung zu hemmen.

 

1078

Die Sachsen stiessen bey Mellrichstadt am Flusse Strova auf ihn, und es kam den 7 August zum Gefecht. Die dieser Parthey anhangende Schriftsteller y) gestehen selbst ein, daß auf ihrer Seite der Erzbischoff

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x) von der Lage desselben im tewischen s. Sachs in der Geschichte von Baden. Th. I. S. 18.

y) Bruno de B. Sax. und Annalista Saxo.

 

 

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278 Gesch. der Deutsch. Heinrich V.

 

Wernher von Magdeburg, und der Bischoff von Merseburg gleiches Namens, den Anfang zur Flucht gemacht. Der erste wurde auf derselben getödtet, der leztere aber ganz ausgeplündert, und nackt nach Hause geschickt. Der Cardinal Legat Bernhard, und der Erzbischof Sitzfried von Maynz fielen ebenfalls in die Hände der Feinde, entkamen aber wieder. Den Bischoff von Worms traf ein gleiches Unglück, er wurde vor den König geführt, und saß geraume Zeit im Verhaft. Der König, der auf einem Flügel so glücklich focht, ruckte immer vorwarts, bis ihm der Herzos Otto in die Flanke fiel, ihn schlug, und bis nach Würzburg verfolgte, in welche Stadt sich Heinrich eilends warf. Aber auch Otto, dem die Ehre des Siegs gebührte, kehrte nach Hause, ohne zu wissen, daß er gesiegt hatte: denn als er vom Nachsetzen zurückkam, fand er das Schlachtfeld durch den Pfalzgraf Friderich besezt. Weil er das Heer desselben für Feinde hielte, gieng er davon. Friderich aber sammlete die verstreute Völker, jagte den Feinden einige obgenannte Gefangene wieder ab, und zog sich nach Schmalkalden. Dieses Treffen war noch nicht entscheidend. Die Sachsen hatten von Grossen den Erzbischoff von Magdeburg, der König aber seinen tapfern Graf Eberbard von Nellenburg verloren, beedeTheile rüsteten sich demnach von neuem zum Krieg. Heinrich versammlete sich mit seinem Anhang in Regensburg, und brachte auch allda wieder

 

 

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279 Afterkönig Rudolph.

 

so viele Truppen zusammen, daß er sich auf den Marsch nach Sachsen begab. Als er an die Thüringer Gränzen kam, erfuhr er, daß ihm 60000 Sachsen den Eingang versperrten, worauf er nach Schwaben gieng, und Rudolphen sein Land verwüstete. Bey diesem Feldzug wurde Täbingen belagert, und Udo, Erzbischoff von Trier, der aus diesen Landen gebürtig war, starb währender Belagerung unvermuthet z).

 

Die päbstliche Legaten aber schienen auf einmal in ihrem Betragen ganz rätzelhaft. Die Fürsten von Rudolphs Anhang sahen die tiefe Staatsränke des Pabstes wohl ein, und schrieben ihm deswegen einen sehr bedenklichen Brief. Sie erklärten ihm, daß sie den Heinrich nicht aus eigennützigen Absichten abgesezt, sondern daß sie hierinnen bloß dem päbstlichen Befehl gefolgt, ihn nicht mehr als Konig zu erkennen, weil er den h. Stuhl beleidigt hatte; daß sie hiebey sich der allergrösten Gefahr und den augenscheinlichsten Verfolgungen Heinrichs ausgesezt, und nun keinen weitern Vortheil davon hätten, als daß der Pabst ohne sie zu fragen den Heinrich vom Banne losgesprochen; daß diese Lossprechung ihren Schluß wegen seiner Absetzung nicht vernichten könnte, welchen sie erst alsdenn gefaßt, nachdem sie ein Jahr lang ohne König gewesen, und die Noth sie gezwungen hätte, einen andern König zu wählen, daß

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z) Gesta Trevirorum apud Hontheim Prodr.

 

 

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280 Gesch. der Deutsch. Heinrich IV.

 

sie sich daher sehr wunderten, wie der Pabst in seinem Schreiben zween Könige nennen, und seine Legaten an beede hätte schicken können, wordurch er nichts anders ausrichte, als daß die Gemüther noch mehr getrennt würden; daß sie Ursache sich zu wundern hätten, warum der Pabst allemal den Heinrich zuerst nenne, noch mehr, warum er auf einer Seite sie zur Standhaftigkeit ermahne, auf der andern aber auch ihren Gegnern noch immer Hofnung mache; daß sie zwar glaubten, er handle aus tiefen Absichten, sie könnten aber dieselbe nicht ergründen, und sehen voraus, daß aus seiner Achtung fur beede Partheyen nichts anders als bürgerliche Kriege und Blutvergiessen entstehen könnten. Sie erinnerten ihn auch dreiste an das römische Concilium und dessen Schlüsse, welche ihnen durch einen Legaten bestatigt worden. „Wenn wir diesen nicht glauben dürfen, fragten sie, was sollen wir denn für gültig halten? Wenn wir wegen unsers Gehorsams dem Rachen des Wolfs ausgesezt sind, und uns auch vor dem Hirten selbst hüten müssen, so sind wir die elendeste unter allen Menschen. GOtt gebe dir, endigten sie, einen solchen Eifer wider die Feinde Christi, damit uns die Hofnung, die wir auf dich setzen, nicht zu Schanden mache.“ Sie sahen also die Kunstgriffe des Pabsies sehr gründlich ein, aber die Sache war schon so weit gekommen, daß sie mit Ruhm nicht zurücktreten konnten.

 

 

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281 Afterkönig Rudolph.

 

Der Pabst bekümmerte sich auch sehr wenig um diese Vorstellungen. Er hatte mit Anfang dieses Jahrs ein neues Concilium auf die Fasten in Rom angesagt, und dazu auch den Erzbischoff von Ravenna samt seinen Suffraganten, mit allen Bischöffen in der Mark Fermo und Camerino, in Pentapolis und Aemilien und in der Lombardie eingeladen, sie aber nicht einmal des apostolischen Segens gewürdigt, weil sie den h. Peter und die römische Kirche so schwer beleidigt hätten. Er schmeichelt ihnen im andächtigsten Tone, weil er selbst in Italien unendliche Schwierigkeiten vor sich sahe, welche ihn an der Ausführung seiner Plane hinderten. Es kamen zwar gegen hundert Bischöffe und Aebte zusammen, aber weder Wibert noch die andere Bischöffe, die er eingeladen hatte, erschienen. Er schloß also den 3 März das Concilium damit, daß er die beede Erzbischöffe von Mayland und Ravenna von allen priesterlichen Verrichtungen gänzlich suspendirte, weil sie sich wider die Kirche erhoben hätten, den Bischoff von Cremona wegen der Simonie, und den Bischof Roland von Treviso deswegen absezte, weil er auf dem Concilio vom J. 1076 die Kirche und die weltliche Macht getrennt hätte, den er noch überdiß mit einem ewigen Bann belegte, damit keiner der folgenden Päbste ihn jemals wieder zur Einweyhung zulassen könnte. Den Cardinal Hugo Blancus konnte er hiebey desto weniger übergehen, weil er ihm durch seinen Uebergang

 

 

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282 Gesch. der Deutsch. Heinrich IV.

 

auf Heinrichs Seite einen empfindlichen Schimpf zugefügt. Er verdammte ihn aus drey Gründen, einmal, weil er dem Cadolaus, Bischoff von Parma, oder vielmehr der kaiserlichen Parthey wider den apostolischen Stuhl angehangen, hernach, weil er als apostolischer Legat sich auf die Seite derjenigen gewandt, welche der apostolische Stuhl als Ketzer verdammt, drittens, weil er als ein Apostat und Häresiarch in der Kirche Trennungen verursacht habe. Seine Plane wegen des deutschen Reichs entwickelt er durch die Erklärung seines Entschlusses, lauter Männer von Wissenschaft und Religion als Legaten nach Deutschland zu schicken, welche die Liebhaber der Religion und Gerechtigkeit sammlen, und die Unruhen stillen könnten. Zu diesem Ende verbietet er allen Königen, Erzbischöffen und Bischöffen, Herzogen Grafen und Rittern, unter den allerfürchterlichsten Strafen sich solchen Legaten zu widersetzen. Er bestätigte sein erstes Dekret, daß man keinem Verbannten Gehorsam schuldig sey, und streute so viele Bannstralen aus, daß fast in der ganzen Welt kein Mensch war, der nicht ohne es zu wissen im Bann war a).

 

Nachdem er seinen Legaten einen so hohen Begriff angeheftet hatte, so wandte er seine Grundsätze gleich in zween Briefen vom 9 März auf Deutschland an. Im ersten meldet er den Deutschen überhaupt, daß er ihnen Legaten

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a) Hontheim hist. Dipl. ad h. a.

 

 

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283 Afterkönig Rudolph.

 

schicken wolle, welche eine Versammlung von Erzbischöffen, Bischöffen und Aebten berufen, und am Frieden arbeiten sollten. Dem Ueberbringer seines Schreibens giebt er den besondern Auftrag, mit dem Erzbischoff von Trier, der damals schon todt war, als einem Anhänger Heinrichs, und mit einem andern Bischoffe von Rudolphs Anhang, die Zeit und den Ort der Versammlung zu bestimmen. Gleichen Inhalts ist der Brief an den Erzbischof Udo von Trier, von dessen Tod damals noch keine Nachricht in Rom eingelaufen war, dem er befiehlt, sich in dieser Sache Mühe zu geben, und hernach ihm persönlich in Rom Nachricht von dem Erfolg der Unterhandlung zu erstatten, damit er sodenn seine Legaten unter sicherer Begleitung mit ihnen abschicken könne. Da er aber wußte, wie eifrig Udo für den König Heinrich zu arbeiten gewohnt gewesen, so sehr er sonst dem römischen Stuhl ergeben war, so spricht er in seinem Brief an ihn kein Wort von Rudolph, nennt aber auch den Heinrich nicht, sondern bedient sich aus Staatsklugheit nur immer des zweydeutigen Ausdrucks: der König b).

 

Denn Rudolph bezeugte eben so wenig Neigung als Heinrich, die Entscheidung ihrer Streitigkeiten dem Pabste zu überlassen. Die Anhänger Rudolphs sahen sich bey diesen Umständen genöthiget, noch einmal an

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b) Ebend. T. I. S. 424.

 

 

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284 Gesch. der Deutsch. Heinrich IV.

 

den Pabst zu schreiben, und ihre Verwunderung zu äussern, daß er auf die ihm gegebene Nachricht von Heinrichs Absetzung ihnen nach langem Warten bloß mündlich habe sagen lassen, er glaube das nicht, was sie ihm melden liesen; sie erinnern ihn nochmals, daß sie alles, was sie gethan, auf seinen Befehl gethan, daher es sie jezo desto mehr schmerze, daß er sie mitten im Gang der Geschäfte verlasse. Aber auch hierauf erhieiten sie keine Antwort. Sie wandten sich demnach an das neue Concilium, das der Pabst den 19 November im Lateran hielte, und wiederholten ihre alte Klagen wider den Heinrich, den sie als einen mit Recht Verbannten ansehen. Die eigene Briefe des Pabstes aber geben es zu erkennen, daß auch sie sich der Versammlung der Reichsstände widersezt haben, wo die päbstliche Legaten den Vorsiz haben sollten c). Gregorius beklagte sich deswegen sehr, daß die Feinde GOttes und die Kinder des Teufels sich alle Mühe geben, den Reichstag zu hindern. Er befiehlt sehr ernstlich, daß diejenige, denen sein Schreiben zu Händen kommt, keinen Umgang mit solchen Leuten haben, weil sie schon voraus mit dem Banne belegt sind, folglich auch keinen Sieg erhalten können. Er bedrohet demnach auf die feinste Art den Anhang Rudolphs eben so sehr, als den Anhang Heinrichs, und wirft sich sogar als Herrn über den Sieg auf.

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c) Greg. cpp. L.V. ep. I.

 

 

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285 Afterkönig Rudolph.

 

Die Rudolphische Fürsten glaubten, Ursache zu haben, mit diesem Schreiben des Pabstes nicht allzu vergnügt zu seyn. Sie antworteten ihm, daß sie sich sehr wunderten, wie er auf dem römischen Concilio habe den Schluß fassen können, ein Concilium in Deutschland von allen gottesfürchtigen Bischoffen und Layen zu halten, um darauf zu untersuchen, ob Rudolph oder Heinrich mit Recht König seyn könne. Sie erklären ihm, daß dieser Vorsaz unmöglich ausgeführt werden könne, sondern nur mehr Verwirrung in Deutschland anrichte. Auf diese Vorstellung antwortete Gregorius mit weniger Rückhalt: d) Er versichert sie, daß er noch gesonnen ist, an einem sichern Ort ein Concilium anzusagen, wohin sich Freunde und Feinde mit Bequemlichkeit begeben können. Auf demselben wolle er nach reifer Prüfung seine tiefste Künste anwenden, um den zu entdecken, von welchem alles Uebel herkommt, und alsdenn einen dauerhaften Frieden wieder herzustellen. Er verspricht, alles zu thun, was die Gerechtigkeit erfordert, und die Bosheit der Frevler zu Schanden zu machen, welche der römischen Kirche solchen Jammer verursachen. Hingegen bezeugt er auch in der Gegenwart GOttes, daß Rudolph, den einige Deutsche als König gekrönt, weder auf seinen Befehl noch mit seiner Genehmigung die Krone angenommen, und daß die Erzbischöffe und Bischöffe, so ihn gekrönt, vom Römer Concilio

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d) Ebend. L. IX. ep. 28.

 

 

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286 Gesch. der Deutsch. Heinrich IV.

 

Befehl bekommen, sich deswegen zu vertheidigen, oder zu glauben, daß er sie wie den Heinrich absetzen wollte. Er beruft sich aber auf ihr eigen Gewissen, daß sein Befehl nicht habe vollstreckt werden können. Er ermahnt sie also noch einmal, sich Mühe zu geben, damit er sein Concilium in Deutschland halten könne. Rudolphs Freunde empfanden also, daß sie eben so sehr, als Heinrich, vom Pabsie geäft würden, dem es um nichts anders zu thun war, als seine Erhabenheit über das deutsche Reich durch allerley Ränke durchzusetzen. Sie rufen den Pabst noch einmal auf, und klagen es ihm, daß sie bloß wegen ihres Gehorsams gegen ihn solche Verfolgungen litten, und als Schlachtschafe e) angesehen würden. Mit aller Mühe, die sich Gregorius gab, brachte er es endlich doch dahin, daß die Abgeordnete Heinrichs und Rudolphs auf dem Römer Concilio versprachen, sie ihres Orts wollten sich keiner Kunstgriffe bedienen, um den Reichstag zu hindern, den die päbstliche Legaten berufen wollten f). Gregorius fuhr indessen eifrig fort, durch die allersüsseste Beredungen seine Unterhandlungen beliebt zu machen. Auf einer Seite sucht den Erzbischoff von Ravenna, von dem er wohl das meiste in Italien zu befürchten hatte, zu entwafnen. Auf der andern fangt er einen

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e) Bruno de B. S. apud Freherum T. I. p. 144.

f) Leo von Ostia in seiner Chronik. L. III. c. 45. 46 Acta Concilii Romani inter Greg. VII. Epist. L. VI.

 

 

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287 Afterkönig Rudolph.

 

sondern Briefwechsel mit Herzog Welf von Bayern an, dem er am Ende des Jahrs schreibt, daß, wenn er und seine Bundsgenossen ihn nach den Hirtenpflichten, nicht aber nach ihren eigenen Absichten beurtheilen, sie leicht finden würden, wie genau er mit der Hülfe GOttes und durch die Verdienste des h. Peters den Fußstapfen seiner Vorgänger folge, welches ihr Murren wider ihn stillen würde. Er versichert sie nochmals, daß die Keule des h. Peters diejenige niederschlagen werde, welche sich auf Lügen gründen. Er spricht ihnen Mu zu, sie sollten sich auf die Gerechtigkeit und auf die Hülfe des h. Peters stützen, Friede und Sieg würden ihnen bald nachfolgen, wenn sie sich auf den HErrn verliessen.

 

So künstlich Gregorius alle Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen bemühet war, eben so sorgfältig war Heinrich, seine Rechte wider den Pabst zu behaupten, und dem Gregorius eine andere Wunde beyzubringen. Es war damals in der Kirche von Passau ein gewisser Probst, Egilbert, aus Bayern gebürtig, welchem es wehe that, daß man mit dem König Heinrich so widerrechtlich verfuhr. Alle Bischöffe liessen diejenige, welche gute Catholiken seyn wollten, folgende Formel unterschreiben: „Ich verbanne alle Ketzerey Heinrichs, der sich König nennt, und aller seiner Mitschuldigen, und einen jeden, der ihn als König verehrt, Heinrichen, nemlich den Vierten,

 

 

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288 Gesch. der Deutsch. Heinrich IV.

 

König dieses Namens.“ Altmann von Passau forderte in seiner Kirche eine gleiche Unterschrift. Egilbert weigerte sich, die Formel zu unterzeichnen, und behauptete, daß es dem Kaiser erlaubt sey, ohne daß man ihn deswegen von der Gemeinschaft der Kirche ausschließen könne, wo nicht das Geistliche, doch wenigstens seine Regalien für Geld oder ohnentgeltlich zu geben, wem er wollte, das Geistliche könne man nach der römischen Gewohnheit Regalien des h. Petri oder der Kirche nennen. Er erkannte sehr freymüthig, daß Manner, welche zu geistlichen Würden zu gelangen suchen, in ihrem Gesuch einen gewissen Ehrgeiz verriethen, den Vorwand einer erdichteten Simonie zu ihren eigenen Absichten gebrauchten, und nur zu oft nicht geistliche, sondern irdische Dinge durch irdische Dinge suchten, da doch das weltliche Interesse ihre vornehmste Triebfeder sey, welche sie antreibe, ein Hirtenamt zu begehren. Diese Freymüthigkeit gefiel dem Alemann nicht. Er sonderte ihn also von der Gemeinschaft der Kirche ab, bis ihn der Pabst wieder in seine vorige Rechte einsetzen würde. Egilbert ließ sich hierdurch bewegen, selbst eine Reise nach Rom zu unternehmen, jedoch hielte er für nöthig, sich zuvor mit König Heinrich deswegen zu besprechen. Heinrich nahm ihn mit Vergnügen auf, und gab ihm einen vertrauten Auftrag an den Erzbischoff von Ravenna mit, den er ausspähete, ob er sich entschliessen könnte, als Pabst wider Gregorius VII. Gebraucht zu

 

 

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289 Afterkönig Rudolph.

 

werden. Egilbert blieb in Ravenna, ohne nach Rom zu gehen, welches dem Gregorius Gelegenheit gab, den obgemeldten Brief an die Kirche von Ravenna wegen des Wiberts abzulassen. Auf seiner Rückreise vernahm er, daß Udo mit Tode abgegangen, und daß sich Heinrich deswegen nach Trier begeben habe, um einen neuen Erzbischoff wählen zu lassen. Er beschleunigte demnach seine Reise, und bat den König, für seine geleistete Dienste ihn mit dieser Würde zu beehren. Der König versammlete die Geistlichkeit, und ließ sich die Candidaten von ihnen vorschlagen. Keiner war ihm anständig, und das Wahlgeschäft verzögerte sich drey Tage lang. Als endlich Egilbert ankam, so schlug der König diesen vor, und ihm fielen Dieterich, Bischoff von Verdun, und ein Theil vom trierischen Volk bey. Hermann von Mez, Bibo von Toul und das übrige Volk samt einem Theil der Geistlichkeit stimmten nicht ein, konnten sich aber dem Willen des Königs nicht widersezen. Jedoch baten die Clerisey und das Volk, welche ihre gekränkte Wahlfreyheit nicht ertragen konnten, die Bischöffe, und bedroheten sie mit dem päbstlichen Banne, sie sollten ihn nicht als Bischoff einweyhen. Egilbert blieb auch über drey Jahre uneingeweyht, weil der Bischoff von Verdun als suspendirt diese Feyerlichkeit nicht verrichten konnte g). Indessen hatte Heinrich

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g) Hontheim hist. Dipl. T. I. p. 427.

Gesch. der Deutschen II Bd.

 

 

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doch einen seiner Freunde bedacht, durch den er einen der wichtigsten Versuche auszuführen gedachte.

 

1079

Aber auch Gregorius nahm seine Maßregeln mit vieler Staatsklugheit. Er hielte im Hornung sein sechstes Concilium, auf welchem sich 150 Bischöffe einfanden. Unter denselben waren unter den Deutschen der Bischoff Altmann von Passau, und der Patriarch Heinrich von Aquileja die vornehmste. Die Bannstralen werden nicht nur in reicher Masse wider den Erzbischoff Thedald von Mayland, den Bischoff Roland von Treviso und die Bischöffe von Fermo und Camerino, als kaiserliche Anhänger verschwendet, sondern der Patriarch von Aquileja that auch einen besondern Eyd, daß er die Regalien des h. Peters auf alle Art vertheidigen, und die römische Kirche mit Völkern unterstützen würde. Da der Patriarch ein Vasall der Könige von Deutschland und Italien war, so hatte Gregorius viel gewonnen, da er einen solchen Mann auf seine Seite gebracht, der ihm wegen der Lage seiner Reichslehen ersprießliche Dienste leisten konnte. Auf dem nämlichen Concilio schworen auch die Abgeordnete Heinrichs h) einen Eyd, daß bis auf das Himmelfahrtsfest sich Abgeordnete von ihm einfinden sollten, welche die päbstliche Legaten sicher hin und her begleiten werden, daß

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h) dieser Eyd stehet bey Pandulf von Pisa, und Paul von Bernried. c. 104

 

 

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der König ihnen in allem gehorchen, und alles genau beobachten werde, wo ihn nicht ein päbstlicher Befehl davon freysprechen werde. Einen gleichen Eyd thaten auch Rudolphs Abgeordnete, wiewohl dieser dem römischen Hofe die Sache noch mehr erleichterte, und sich weniger verpflichtete, als Heinrich. Hierauf wurden als Legaten nach Deutschland ernannt Peter Ignäus, Cardinal Bischoff von Albano, Altmann, Bischoff von Passau, und der Patriarch Heinrich von Aquileja, der als ein mächtiger Fürst für die beede andere Legaten wachen, und den Zugang nach Italien auf jener Seite sichern sollte. Sie bekamen den Auftrag, beede Könige an der Fortsetzung des Kriegs zu hindern, und die Bischöffe und andere gottesfürchtige Personen zu einer Versammlung zu berufen, um mit ihnen zu entscheiden, wem die Krone von Rechtswegen gehöre. König Heinrich konnte es nach den Regeln einer gesunden Staatskunst nicht dahin kommen lassen, daß seine meuterische Unterthanen zwischen ihm und seinem Gegner entscheiden sollten. Er erlaubte demnach den Legaten nicht, ein Concilium zu versammlen, wo sie nicht zuvor auch seinen Mitwerber, Rudolph, in den Bann gethan hätten. Diese Forderung hatte er schon in Rom machen lassen, und er widerholte sie nun in Deutschland noch einmal. Die Legaten kehrten also unverrichteter Dingen nach Rom zurück, und rühmten den Gehorsam Rudolphs, schilderten aber Heinrich als den einigen

 

 

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Friedensstörer und als einen ungehorsamen Sohn der Kirche des Herrn.

 

Die apostolische Legaten trugen demnach zur Beförderung der Ruhe wenig bey, sie waren freygebig in Versprüchen, sie boten die päbstliche Gnade an, wem sie wollten, aber sie liessen sich auch ihre Gnade bezahlen, und schleppten allemal vieles Geld mit sich nach Rom i). Die Streitsache mußte also durch das Schwerdt entschieden werden. Rudolp übte seine königliche Gewalt auch in Ersetzung der Erzbisthümer aus, und ernannte nach Verfluß eines Jahrs den Hartwig als Erzbischof von Magdeburg, und empfohl der Kirche von Zeiz einen aus dem Hause der Grafen von Camburg, der die erzbischöfliche Würde von Magdeburg ebenfalls gesucht hatte. Ueberall machten die päbstliche Abschwörungs- Formeln und die königliche Entsagung viele Verwirrung Der Krieg wurde fortgeführt, und während daß Rudolph nach Westphalen gieng, und die Einwohner dieses Landes zu einem Vergleich mit ihm nöthigte, aus Westphalen nach Hessen zog, und Frizlar verbrannte, verheerte ihm Heinrich sein Herzogthum Schwaben, plagte alle Rudolphische Creaturen, und jagte die Sachsen, welche Rudolph allda hielte davon.

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i) Annalista Saxo, ein Anhänger der Rudolphischen Parthey, ad a. 1079. pecuniam, quantam poverant, Romano more secun detrulerunt.

 

 

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293 Afterkönig Rudolph.

 

Mathildis konnte den bedenklichen Wendungen, die diese Sache nahm, nicht ganz gelassen zusehen. Sie empfand selbst die beschwerlichste Folgen in ihren eigenen Staaten davon. In ihren eigenen Urkunden unterschreiben sich die Richter immer als Richter des Herrn Kaisers, und bezeugen hierdurch, daß die Absezung Heinrichs ihn seiner Rechte nicht berauben konnte. Ein Theil der Geistlichkeit von Lucca hatte sich offenbar wider den Pabst und den Bischoff Anselm erklärt, und als Gregorius ihretwegen den ernstlichen Befehl gegeben, sie abzusetzen, dem weltlichen Richter zu übergeben, ja gar sie aus dem Lande zu jagen, so befolgte Mathildis den Befehl, und behandelte sie als Knechte ihres Hofs. Hierüber geriethen aber jene in eine solche Wuth, daß sie sich auch wider die Gräfin selbst verschworen , und ihr nach dem Leben trachteten. Sie wünschte also einen Vergleich mit dem Pabst, und hierzu gab ihr Dieterich II. von Ober-Lothringen Gelegenheit, welcher die Wittwe eines gewissen Grafen Perers k) heurathen wollte. Er hatte sich an sie gewandt, damit sie die Sache mit dem Pabste ins Reine brächte, und sich zu einem Vergleich zwischen dem Pabst und dem König anerboten. Gregorius aber, ein Feind aller derienigen , welche seine Bannstralen nicht fürchteten, antwortete ganz kalt, daß er von dem Marfgrafen keine Kenntniß hätte,

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k) Einige halten ihn für den ältesten Sohn der Gräfin Adelheid, Markgräfin von Susa,

 

 

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294 Gesch. der Deutsch. Heinrich IV. .

 

auch bey der Gräfin Adelheid nicht allzuviel vermochte, am allerwenigsten aber den Herzog Dieterich zu geistlichen Verhandlungen gebrauchen wollte, weil er vom Bischoff von Mez unter seiner Genehmigung in den Bann gethan worden, und davon nicht los werden könne, als bis er die Stadt Mez und die Güter des Bischoffs wieder abgetreten hätte. Uebrigens aber hätte er gar nicht nöthig, daß sich jemand anders in seine Streitigkeiten mit Heinrich mengte, von welchem er Gehorsam erwarte. Seine Strenge machte ihm nirgends Ehre, und an seinem eigenen Hofe fielen dreyzehen Cardinäle von ihm ab.

 

Heinrich hatte indessen ein neues Heer zusammen gebracht, womit er im Winter die Sachsen überzog.

 

1080

Er stieß bey Fladenheim oder Flarchheim in Thüringen auf sie, und es kam den 27 Jänner zum Gefecht. Die Sachsen hatten dem König den Otto entgegen gesezt, Heinrich aber suchte ihnen in den Rücken zu kommen. Das Gefecht war sehr erhizt, endlich mußte Heinrich weichen, nachdem er viel Volk verloren hatte. Aber auch Rudolph war durch dieses Treffen so geschwächt, daß er lang in der Unthätigkeit blieb. Er berichtete seinen Sieg nach Rom, und beklagte sich durch seine Abgeordnete, daß Heinrich ganz Deutschland verwüste, und noch immer in seinem Ungehorsam gegen den Pabst beharre, auch den

 

 

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295 Afterkönig Rudolph.

 

Bischoff Adelbert von Worms noch gefangen halte l). Auch Heinrich schickte einige Bischöffe an den Pabst, und ließ ihm ohne Rückhalt sagen, er sollte nunmehr auch den Rudolph mit dem Banne belegen, widrigenfalls würde er sich bald jemand verschaffen, der die Gewaltthätigkeiten seines Feindes durch Kirchenflüche hemmte. Darüber bekümmerte sich Gregoritus sehr wenig, sondern wurde nur desto beherzter, seine Plane auszuführen, je verwirrter es in Deutschland zugieng.

 

Er hielte sein achtes Concilium in der Laterankirhe in Rom, und endigte es den 7 März. Das Dekret desselben dictirte er selbst, desto mehr dient es als ein Beweiß seiner weiten Aussichten. Vor allen Dingen will er, es soll kein Bischoff noch Abt von der Hand eines Layen ein Bisthum oder Abtey annehmen, widrigenfalls würde man ihn nicht dafür erkennen , und ihm den Eintritt in die Kirche des h. Peters verwehren. Sein Befehl erstreckt sich sogar auch auf die niederen geistliche Würden. Hernach verbannt er Kaiser, Könige, Herzoge, Markgrafen, Grafen und alle, welche sich unterstehen, einem Bischoff oder Abt die Investitur zu verleihen. Ferner bestätigt er die Verbannungen Tedalds von Mayland, Wiberts von Ravenna, und Rolands von Treviso. Endlich erzählt er alles, was indessen zwischen ihm und

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l) Paul von Bernried , c. 106. sezt die Ankunft dieser Abgeordueten auf das folgende Concilium.

 

 

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296 Gesch. der Deutsch. Heinrich IV.

 

Heinrich vorgefallen, läugnet, daß er in Rudolphs Wahl gewilligt , belegt den Heinzrich von neuen samt allen seinen Anhängern mit dem fürchterlichsten Bann, beraubt ihn aller königlichen Macht, und spricht alle seine Unterthanen von neuem ihrer Pflichten los. In Ansehung Rudolphs willigt er nun feyerlich in seine Erhebung auf den deutschen Thron, doch unter der Bedingung, daß er dem h. Peter getreu sey, und ohne der italiänischen Krone darinnen mit einem einigen Worte zu gedenken. Rudolph wurde also wegen seiner Demuth und wegen seines Gehorsams als König erkannt, und in der andächtigsten Entzückung werden der h. Peter und Paul aufgerufen, daß sie der ganzen Welt zu erkennen geben, wie sie nicht nur im Himmel lösen und binden, sondern auch auf der Erde einem jeden Bösen und Unwürdigen Kaiserthümer, Königreiche, Fürstenthümer, Herzogthümer, Markgrafschaften, Grafschaften, Patriarchate, Primate, Erz- und Bisthümer entziehen können. Damit aber Rudolph auch durch ein Sinnbild seiner Unterwürfigkeit unter den h. Peter erinnert würde, übergab Gregorius VII.. auf dem Concilio seinen Abgeordneten eine Krone mit einer lateinischen Umschrift: Der Fels hat die Krone dem h. Peter, und der h. Peter har sie Rudolphen gegeben m). Gregorius sahe also den Heinrich als überwunden an, und hofte, sein Vasall Rudolph würde ihn in kurzer Zeit

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m) Petra dedit Petro, Petrus diadems Rudolpho.

 

 

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297 Afterkönig Rudolph.

 

gänzlich unterdrücken können. Weil er aber immer befürchten mußte, seine fanatische Grundsätze möchten auch andere Könige wider ihn aufbringen, und Heinrich mit ihnen gemeine Sache machen, so schmeichelte er dem K. Wilhelm von Engelland aufs niederträchtigste, und söhnte sich mit den Normannen aus. Er begab sich selbst nach Benevent, hob den Bann wider den Herzog Robert auf, und machte ihm Hofnung zur kaiserlichen Krone.

 

Während daß Rudolph und Gregorius sich mit einem guten Ausgang der sache schmeichlen, während daß dieser jenen beständig durch Briefe aufmuntert, so versäumte auch Heinrich mit seinem Anhang nichts, Rudolphs Hofnung zu vereiteln, und sich an Gregorius ohne Rückhalt zu rächen. Heinrich berufte die Bischöffe seines Anhangs nach Maynz, und fand sie nicht ungeneigt, dem Gregorius einen andern Pabst entgegen zu setzen, und seine begeisterte Seele dadurch zu ermüden. Da aber ihrer nur neynzehen waren, so wollten sie in einer so wichtigen Angelegenheit nichts entscheiden , gaben aber denjenigen Vollmacht, in dieser Sache zu handlen, welche an einem besser gelegenen Ort sich versammlen würden, allwo sich eine grössere Anzahl von deutschen und italiänischen Bischöffen einfinden könnte. Heinrich schlug ihnen Brixen in Tyrol vor. Es kamen auch in dieser Stadt am 25 Junius dreyßig Bischöffe von Deutschland und Italien

 

 

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298 Gesch. der Deütsc<. Heinrich IV.

 

samt einer grossen Anzahl von Fürsten und Grossen aus beeden Reichen zusammen, und der Cardinal Hugo Blancus gab sich allda das Ansehen eines Repräsentanten der römischen Kirche. Einige trugen die päbstliche Krone dem Erzbischoff Tedald von Mayland an, welcher aber aus Klugheit sich diese Ehre abbat. Bereitwilliger war Wibert, Erzbischoff von Ravenna, den Heinrich schon dazu bereitet hatte. Die Bischöhe sezten also den Gregorius aus der Ursache ab, weil er nicht von GOtt gewählt, sondern durch Ränke und Bestechungen sich auf den Stuhl Petri erhoben, weil er die Ordnung der Kirche und die ganze Christenheit in Unruhe gebracht, wider das Leben eines katholischen und friedfertigen Königs sich verschworen, und einen meineydigen König vertheidigt, den Samen der Zwitracht ausgestreut, Ehen getrennt, Aergernisse angerichtet habe. Aus diesen Beweggründen machen die dreyßig Bischöffe in ihrem und der neunzehen Bischöffe Namen, welche in Maynz ihnen diese Vollmacht gegeben, den Schluß, daß der höchst unverschämte Hildebrand canonisch abgesezt und vertrieben werden, und wenn er auf geschehene Ankündigung dieses Urtheils nicht von seinem Stuhl herabsteige, auf immer verdammt werden solle n). Jedoch hatte dieser Schluß und die Form des Dekrets mehr die Gestalt eines Gutachtens, als eines

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n) der Schluß dieses Concilii steht bey dem Abt von Ursperg.

 

 

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299 Afterkönig Rudolph.

 

wirklichen Endurtheils. Der Erzbischof von Lucca schrieb gleich hernach einen Brief an den Wibert, nannte ihn einen Frevler und Stolzen, und suchte ihn zu bereden, daß er von seinem Unternehmen abstehen sollte.

 

Gregorius VIl. übersahe die Folgen dieses Schritts auf einmal. Er geriethe hierüber in einen ausschweifenden Zorn, in welchem er seine Gegner mit den schimpflichsten Ausdrücken belegt, o) und sie Schüler des Satans nennt. Der einige Trost, der ihm übrig blieb, war dieser, daß die normannische Fürsten ihn ihres Schutzes versicherten, und daß er auf die Hülfe aller in der Nachbarschaft von Rom gelegenen Fürsten, auf Toscana und andere Gegenden sich verlassen könnte. Er drohete in der Hitze seines Zorns, seinen Feinden selbst mit bewafneter Hand entgegen zu gehen, und ermahnte seinen Anhang in Deutschland, Opfer der Gerechtigkeit zu opfern, und auf den Herrn zu hoffen. Aber sein kriegerisches Feuer verrauchte bald, als Wibert Besiz von Ravenna nahm, es wider alle Ueberfälle sicherte, und in Italien selbst einen außerordentlichen Anhang von Geistlichen und Truppen bekam. Als Gregorius sahe, daß er mit den Wafen sich nicht Meister von Ravenna machen konnte, so bemühete er sich doch, seine geistliche Macht

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o) So sagt er von den lombardischen Bischdffen: obturatas, meretricum more, frontes gerentes. Gregor. Epp. L. VIII. n. 5. 7. 9. 12. 13. 14.

 

 

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allda aufrecht zu erhalten. Er schmeichelt in seinen Briefen der Kirche von Ravenna, und rühmt wider die historische Wahrheit die Treue derselben, da sie doch lang vorher sich den Patriarchen von Rom beständig widersezt hatte. Er ermahnte sie, die Ehre ihrer Kirche zu retten, und einen andern Erzbischoff zu wählen, zu welchem Ende er ihnen auch Cardinäle zuschickte, welche bey der neuen Wahl den Vorsiz führen sollten.

 

Er hätte sich aber wohl enthalten, diesen Brie zu schreiben, wenn er gewußt hätte, was am nämlichen Tage, als er ihn schrieb; in der Lombardie und in Deutschland vorfiel. Den 15 October p) griefen die Lombarden die Truppen der Gräfin Mathildis, welche sie, allem Vermuthen nach, wegen des Feldzugs von Ravenna zusammen gebracht hatte, bey Volta im mantuanischen Gebiete an, und schlugen sie in die Flucht. Am nemlichen Tage lieferte Heinrich, der von neuem ein Heer zusammen gebracht, damit in Sachsen eingedrungen war, und Erfurt geplündert hatte, im Osterlande an der Elster zwischen Gera und Dreißig ein Treffen, wo er eine überlegene Erfahrung im Kriegswesen zeigte, und nach einem heftigen Widerstand seiner Feinde, vornemlich des tapfern

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p) Bertold von Costniz ad h. a. der Cardinal von Arragonien folgt einer falschen Zeitrechnung und verwirrt die Begebenheiten. Muratori, der ihm folgt, irrt mit ihm

 

 

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Herzogs Otto, obsiegte. Gottfried, Markgraf von Antwerpen, der sich hernach als König von Jerusalem berühmt gemacht, führte in diesem Treffen die deutsche Reichsfahne, stieß damit den Afterkönig Rudolph in den untern Leib, und hieb ihm die rechte Hand ab q). Rudolph ließ sich nach Merseburg bringen, wo er einige Tage hernach starb. Der Abt von Ursperg und der Geschichtschreiber der Slaven, Helmold, erzählen, daß er noch vor seinem Ende zu den Bischöfen, welche bey ihm zugegen waren, gesagt haben solle: Hier ist die Hand, mit welcher ich meinem Herrn Heinrich Treue geschworen habe. Ihr sehet, wie ich Reich und Leben lasse. Der apostolische Befehl und eure Vorstellungen haben mich dahin gebracht. Ihr mögt nun zusehen, wie ihr mich geleitet habt. Die sächsische Geschichtschreiber hingegen bezüchtigen nicht nur den Heinrich, daß er gleich anfangs geflohen, und schreiben dem Herzog Otto die Ehre zu, daß er den Flügel, auf den er stieß, zum Weichen gebracht, auch hierauf den Pfalzgrafen Heinrich von Lacu vom Schlachtfeld vertrieben, und das feindliche Lager geplündert habe; sondern rühmen auch an Rudolph eine außerordentliche Standhaftigkeit im Sterben, aus welcher man gar keine Spur einer Reue gewahr wurde.

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q) der Verfasser der Lebensbeschreibung Heinrichs bey Reuber meldet, Rudolph sey durch seine eigene Leute umgebracht worden, welche Heinrich mit Geld gewonnen habe.

 

 

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Rudolph starb ihrer Aussage nach gern, sobald er den Sieg der seinigen vernommen, tröstete seine Freunde, und richtete sie durch gute Anschläge, die er ihnen gab, auf. Die Sachsen versicherten ihn auch ihrer noch nicht wankenden Treue, und versprachen ihm, keinen andern als ihn für ihren König zu erkennen, wenn er auch beeder Hände manglen sollte. Heinrich benuzte auch diesen Todesfall so, daß er durch seine Unterhändler die Sachsen ausspähen ließ, ob sie, wenn sie anders nicht ohne König seyn wollten, nicht seinen Sohn Conrad als König erkennen wollten, wobey er sie eydlich versicherte, daß Conrad niemals einen Fuß nach Sachsen setzen sollte. Aber die Sachsen merkten die List, und lehnten dieses Ansinnen von sich ab.

 

Gregorius , der zu Anfang des Jahrs in Gegenwart vieler Zeugen in der Kirche zu S. Peter versichert hatte, r) daß Heinrich von Ostern bis auf S. Petritag Reich und Leben verlieren würde, war nun beschämt, und wurde zum Gelächter vernünftiger Leute. Seine Parthey verlohr unendlich viel, und doch war er noch so kühn, Richard als Erzbischoffetn von Ravenna einzuweyhen, wiewohl er niemal Besiz von seiner Würde nehmen konnte.

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r) Sigeb. Gembl. und Card. Benno in seinen Briefen wider den Gregorius, Gregorins VII. selbst in seinen Briefen, besonders in jenem an alle Glaubige des h. Peters.

 

 

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Aber sein Muth trieb ihn noch weiter. Er hielte in der Fasten wieder ein Concilium, und erneuerte seinen Bann wider Heinrich und seine Anhänger. Sein Herz schüttete er gegen seinen theuren Alrmann, Bischoff von Passau, und den Abt Wilhelm von Hirschau, aus. Er dankte für ihre Bemühung, da sie ihm die wahre Lage der deutschen Angelegenheiten gemeldet hätten. Er entdeckt ihnen, daß er nun in sehr bedenklichen Umständen sey, alle seine Freunde, welche den Tod Rudolphs gehört, liegen ihm beständig an, Heinrich zu Gnaden anzunehmen, weil ihn die Deutsche nicht mit Hülfstruppen unterstützen könnten, wenn Heinrich nach Italien kommen sollte.

 

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Mathildis, welche von ihren Völkern einer Tollheit beschuldigt würde, daß sie sich dem siegenden Heinrich widersezte, würde sodenn entweder zu einem schimpflichen Frieden genöthiget werden, oder alles verlassen müssen. Er will wissen, auf wie viele Truppen er sich etwa bey einem Einfall Heinrichs in Italien verlassen könne. Er bittet sie, den Herzog Welf von Bayern, der in Gegenwart der Kaiserin Agnes und des Bischoffs von Como versprochen habe, dem h. Peter den Eyd der Treue zu leisten, an sein Versprechen zu erinnern, und ihn zu versichern, daß er nach dem Tode seines Vaters, Markgraf Albert Azzo II. mit einem Lehen belehnt werden sollte, das sein Vater damals besaß. Diesen Fürsten möchte er gern ganz an den Schoos des h. Peters anschliessen , und bittet

 

 

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seine Freunde, ihm gleich davon Nachricht zu geben, worzu er sich entschliesse. Seine Abficheten aber gehen noch viel weiter. Indem er sie ermahnt, sich mit einer neuen Wahl nicht zu übereilen, so schreibt er die Bedingungen vor, welche ein neuer König, den die deutsche Fürsten Heinrichen entgegen seen würden, beschwören müßte: Er soll dem seligen Peter und seinem Statthalter, dem Pabst Gregorius, getreu seyn, alles getreulich befolgen, was ihm der Pabst befehlen werde, und ihm, so wie es eines Christen Pflicht ist, einen wahren Gehorsam leisten. In Ersetzung der Kirchen und in Ansehung der Länder, die Constantin und Carl, oder auch andere Männer oderWeiber, dem Stuhl Petri übergeben haben, soll er mit dem Pabst einstimmig handlen, damit er in keine Seelengefahr komme. Wann er den Pabst das erstemal sehen werde, soll er sich zum Ritter des h. Peters und des Pabstes machen lassen, das ist, dem h. Peter in die Hände des Pabstes den Vasallen-Eyd leisten. Auf diese Weise verlohr Gregorius auch im grösten Unglücke die Neigung nicht, die deutsche Krone von sich abhangend und den Regenten von Deutschland sich zinsbar zu machen. Er gab sich indessen alle Mühe, Geld zusammen zu bringen, und den Herzog Robert zu Hülfstruppen zu bereden.

 

Heinrich begab sich nunmehr gerade nach Italien, und hielte Ostern in Verona.

 

 

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Von hier begab er sich nach Mayland, allwo sein Anhang die Oberhand bekommen hatte. Allda ließ er sich und seine Gemahlin feyerlich krönen. Der Erzbischoff Tedald sezte ihm die Krone auf das Haupt, übergab ihm das Zepter und den Stab, und weyhete ihn ein. Hierauf führte er ihn auf den Thron, überreichte ihm den Reichsapfel, und hielte eine Rede von den Pflichten eines Regenten in Ansehung seiner Unterthanen. Er empfieng hierauf die Königin bey ihrem Eintritt in die Kirche, und begleitete sie zum Hauptaltar, wo sie ihr Gebet verrichtete. Nach Verfluß desselben weyete er und salbte sie, übergab ihr einen Ring, und sezte ihr ebenfalls die Krone auf. Der Erzbischoff hielte Hochamt, und der König empfing aus seinen Händen die Communion, worauf er Brod und Wein in die Hände des Erzbbischoffs opferte s). In Mayland war demnach Heinrich beliebt, und übte alle königliche Rechte mit seinem Canzler Buccard, Bischoff von Lausanne, ungehindert aus. Von Mayland begab er sich nach Ravenna, und nahm allda die Abrede mit Wibert, wie er ihn auf den päbstlichen Stuhl einsetzen könnte. Von allen Seiten her wurden Truppen zusammen

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s) Martene de soriq. Eccl. Rit. T. II. L. 2. und Muratori in Anecdot. T. II. p. 328. haben die Liturgie dieser Krönung. Herr Graf Giulini erweißt gründlich, daß sie auf Heinrichs IV. Krönung aufgesezt worden.

Gesch. der Deutschen II Bd.

 

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gezogen, und der gröste Theil der italiänischen Nation lief ihm aus Haß gegen den Pabst mit einer Art von Begeisterung zu. |

 

Aber eben so begeistert war Gregorius. Er schrieb gleich bey dem Eintritt Heinrichs in Italien inen Brief an den Bischoff Hermann von Mez, dem er wieder mit ganz besondern Wendungen zu erweisen sich bemüht, daß er einen rechtmäßigen Gebrauch von seiner Gewalt gemacht, wenn er den Heinrich abgesezt und verbannt habe. Aber alle seine Wendungen sind höchst beleidigend. Ein schlechter Exorcist, sagt er, hat weit mehr Gewalt, als alle weltliche Herrn. Die Fürsten, die nicht als gute Christen leben, sind Sclaven der Teufel, über welche die Exorcisten befehlen. Folglich befehlen sie auch über diejenige, so Sclaven und Glieder der Teufel sind. Nichts kan für die Ehre eines jeden Regenten schimpflicher seyn, als dieser Brief des Pabstes. Heinrich, der ihn sehr wohl kannte, verbot daher nicht ohne Ursache r) seinen Anhängern, nach Rom zu gehen, oder er verpflichtete sie wenigstens, allda nicht mit dem Gregorius zu sprechen. Der Pabst hingegen blieb auch noch bey der Annäherung des Königs sich immer gleich. Er meldet mit kaltem Geblüte dem Cardinal Desiderius, Abt von Montecassino, u) Heinrich mache Anstalten, auf Pfingsten in Rom zu

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t) Bertoldus Constantiensis ad a. 1081.

u) Epist. L. IX, ep. II.

 

 

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307 Afterkönig Rudolph.

 

Seyn, er fürchte ihn aber nicht, er habe nur eine Hand voll deutscher und lombardischer Truppen, er wolle zwar noch von Ravenna und Fermo mehrere Völker an sich ziehen, er müsse aber durch solche Gegenden ziehen, wo ihm die Leute nicht einmal Feuer geben würden. Er ist ganz stolz darauf, daß keiner seiner Vorgänger so starke Beweise der Achtung und wesentliche Dienste von irgend einem König oder Erzbischoff hätte erhalten können, als ihm Heinrich und der Erzbischoff angeboten hätten. Aber er rühmt sich auch seiner Hartnäckigkeit, daß er lieber sterben wolle, als in ihre Ungerechtigkeiten willigen. Es erhellet hieraus, daß Heinrich umd Wibert noch immer die Hände zu einem Vergleich geboten, und daß Gregorius standhaft alle Friedensvorschläge ausgeschlagen habe. Vielmehr fuhr er noch immer fort, Himmel und Erde wider Heinrich zu bewegen, und Mathildis spähete sorgfältig alle geheime Absichten Heinrichs aus. Sie hatte durch ihre vertraute Freunde am königlichen Hofe selbst entdeckt, daß Heinrich um eine Tochter Robert Guiscards für seinen Sohn Conrad geworben, und dem Herzog Robert anerboten habe, ihn mit der Mark Fermo-zu belehnen. Gleich ergreift Gregorius die Feder, schreibt an den Cardinal Abt von Montecassino, ruft ihn auf, diese Verhandlungen auszuspähen, und versichert ihn, daß die Romer bereit sind, für seinen und GOttes Dienst Leib und Leben aufzuopfern. Zu gleicher Zeit schreibt

 

 

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er an seinen Legaten in Deutschland, den Bischoff Altmann von Passau, x) sich mit dem Erzbischoff von Salzburg und andern Bischöffen zu besprechen, und diejenige, welche es noch mit Heinrich halten, auf den rechten Weg zu bringen, besonders diejenige, welche wieder auf die Seite der Religion und der Kirche treten wollten, liebreich zu behandlen, vor allen andern aber den Bischoff von Osnabrück, der sich mit dem Pabste verbinden wolle, als einen Bruder aufzunehmen, und ihn wider alle seine Feinde zu schützen. Am vorzüglichsten aber hütete er sich, den König Wilhelm von Engelland zu erbittern, dessen Freundschaft Heinrich aufs neue gesucht hatte.

 

Heinrich brach endlich von Ravenna auf, und rückte in die Staaten der Gräfin Mathildis ein. Er fand überall den allerheftigsten Widerstand. Das Land war mit starken Vestungen versehen, die Regentin war bey ihren Unterthanen beliebt, Heinrich überließ es also den Lombarden, die Gräfin durch beständige Streiffereyen zu beunruhigen, und rückte in Gesellschaft Wiberts vor Rom, wo er am 23 May auf den Neronianischen Wiesen ankam. Gregorius hatte schon solche Anstalten gemacht, daß Heinrich und Wibert von den erbitterten Römern sehr schimpflich behandelt wurden. Er bis zu Ende des Junius vor der Stadt, ohne sie bemeistern zu können. Die Hitze, welche Krankheiten

 

 

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unter seinen Völkern zeugte, nöthigte ihn, die Belagerung wieder aufzuheben, nachdem er zuvor das Vergnügen gehabt, die Empörung der Stadt Lucca wider die Mathildis und den Erzbischoff Anselm da Baggio zu vernehmen. Die Einwohner dieser Stadt traten auf die Seite der mißvergnügten Canonicker, jagten den Erzbischoff davon, erwählten sich einen andern, Namens Peter , und erklärten sich gänzlich für Heinrich. Diesem Beyspiele folgte Siena, und Heinrich unterstüzte sie, so viel er konnte. Er begab sich von Rom unmittelbar nach Lucca, nahm seine Anhänger in seinen Schuz, und erwählte diese Stadt zum Hauptsitz seiner Macht in Toscana.

 

In Deutschland waren indessen neue Auftritte geschehen, welche Heinrich neuen Kummer verursachten. Heinrichs Freunde hatten ihn zwar noch vor seiner Abreise nach Italien ermahnt, das deutsche Reich, so weit er es beherrschte, den Einfällen der Sachsen nicht auszusetzen. Sie hatten auch zuvor an die sächsische Fürsten geschickt, und sie um eine gemeinschaftliche Unterredung ersucht. Es erschienen an der Werra von Seiten des Kaisers die Bischöffe von Cölln, Trier, Bamberg, Speyer und Utrecht, und von Seiten der Sachsen die Bischöffe von Maynz, Magdeburg, Salzburg, Paderborn und Hildesheim. Beede zankten sich lang, ob man besonders oder öffentlich vor dem Volk besprechen, und wer den Anfang zu reden

 

 

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machen sollte. Endlich brachte der Erzbischoff von Salzburg die alte Klagen wieder vor, und endigte damit, daß sie nicht gehalten waren, dem K. Heinrich weiter zu gehorchen. Auf diesen Punkt wollten sich die kaiserlich gesinnte Bischöffe nicht einlassen, sondern trugen vielmehr auf einen Waffenstillstand, bis auf die Mitte des Junius an, bis man endlich auf einer allgemeinen Versammlung den ganzen Streit entscheiden könnte. Diesen Antrag genehmigte Herzog Otto nicht, sondern begehrte entweder einen feyerlichen Frieden unter Genehmigung des Pabstes, oder gar keinen. Er erklärte ihnen sogar ungescheut, daß sie, so bald es möglich, sich einen neuen König wählen wollten. Mit dieser Antwort trenneten sich die Abgeordnete. Heinrich empfahl die Sorge für das Reich seinem Tochtermann, Friderich von Staufen, den er entweder gleich nach Rudolpbs Tod, oder schon zuvor als Herzog von Schwaben ernannt hatte, und reißte nach Italien. Die Sachsen hingegen schrieben an alle Fürsten der deutschen Nation, daß sie auf einen andern König bedacht seyn möchten, sie versprachen, einen jeden zu genehmigen, wenn es nur nicht Heinrich oder sein Sohn wäre, sie ruckten hierauf in Franken ein, verheerten alles mit Feuer und Schwerdt, und vereinigten sich mit den Schwaben bey Bamberg. Hier faßten sie gemeinschaftlich den Entschluß, den Grafen Hermann als König zu wählen. Heinrichs Anhang war viel zu schwach, als daß er

 

 

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sich hätte widersezen können. Friderich von Staufen wandte sich demnach an den Otto besonders, und suchte ihn unter grossen Versprechungen zu bewegen, daß er in diese Wahl nicht willigte. Er verzögerte auch seine Entschliessung den ganzen Sommer hindurch, und erklärte sich erst im November für den neuen Afterkönig Hermann, Grafen von Luxemburg, einen zwar erfahrnen Krieger, der aber von sanftem Geist war, und sich am allermeisten durch sein außerordentliches Vermögen in Ansehen gesezt hatte. Friderich von Staufen, Herzog von Schwaben, hatte diese Wahl nicht verhindern können, sondern hatte vielmehr das Unglück, daß ihn der neu gewählte König und Herzog Welf von Bayern den 10 August unmittelbar nach dem Wahltag bey Höchstedt angriefen, und zum Weichen nöthigten. Um aber in der Nähe eine Stadt zu haben, auf welche man sich verlassen, und den Herzog von Schwaben noch immer beunruhigen könnte, wurde beschlossen, Augsburg zu belagern. Hier hatte Hermann das Glück, daß auch Markgraf Leopold IV. von Oesterreich zu ihm stieß. Dieser Markgraf hatte bisher grosse Neigung für die päbstliche Parthey gezeigt, aber auch eben deswegen schon etwas gelitten. Denn da er wegen der Gränzen seines Landes mit dem Markgrafen von Mähren in Zwist gerathen war, wandte sich dieser an seinen Bruder Wratislaus von Böhmen, der in das Oesterreichische in Begleitung des Bischoffs von Regensburg

 

 

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einfiel, und den Leopold bey Maurenberg schlug. So bald er sich von den Böhmen frey sahe, unterstüzte er den Welf, aber auch hier war er nicht allzu glücklich. Hermann und sein Anhang mußten die Belagerung aufheben, und verwüsteten aus Rache ganz Ober-Schwaben. Er zog sich hernach voll Verdruß nach Sachsen, und ließ sich vom Erzbischoff Sigfried von Maynz in Goslar den 26 December krönen.

 

Heinrich, den Bertha mit seinem zweyten Prinzen erfreut hatte, brachte den Winter in Ravenna zu, brach aber mit Anfang des Frühlings wieder nach Rom auf, und belagerte die Leoninische Stadt von neuem. Aber auch dißmal ward sie so vertheidigt, daß Heinrich nicht viel gewinnen konnte.

 

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Jedoch glückte es ihm, einige Häuser bey der Peters-Kirche in Brand stecken zu lassen, und er hofte, die Römer würden in aller Eile die Mauren verlassen, und der Kirche zueilen. Aber Gregorius besaß auch dißmal eine solche Gegenwart des Geistes, daß er der erste war, der nach der Feuerstätte gieng, überall seine Posten ausstellte, und das Feuer wieder dämpfte. Heinrich ließ indessen seine Völker immer vor Rom, und besuchte den 17 März die Abtey Farfa, wo er mit der zärtlichsten Achtung aufgenommen wurde. Dieses kaiserlich königliche Kloster achtete den ihm anklebenden Bann keineswegs, sondern die Mönche liessen ihn als ihren Mitbruder

 

 

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zur Gemeinschaft ihrer Gebete zu. Als Beschützer der Abtey belagerte und eroberte er das Schloß Fara, das sich empört hatte, und trat es dem Abt wieder ab. Hierauf ließ er den Bischoff Domnizo von Sutri und einige andere Anhänger des Pabstes festsezen, und gieng wieder nach Rom zurück. So bald aber die heisse Witterung anbrach, verließ er nach Ostern den Wibert in Tivoli, übertrug ihm das Commando seines Heers und die Belagerung von Rom, und zog mit einem kleine Gefolge nach der Lombardie. Hier stellte er sich an die Spitze seiner getreuen Lombarden, und fieng den Krieg wider die Mathildis an. Diese Gräfin hatte überall auf den Bergen von Modena und Reggio Vestungen angelegt, ihre Anstalten waren vortreflich, Heinrich konnte also auch hier keine grosse Eroberungen machen, sondern begnügte sich mit Streifereyen und Verheerungen. Gregorius empfand bald, daß zu kriegerischen Unternehmungen auch Geld erfordert würde. Seine Cassen fiengen an leer zu werden, und niemand konnte ihm in dieser Noth bessere Dienste thun, als Mathildis. Sie nahm mit ihrem Beichtvater, dem Cardinal Anselm, der damals apostolischer Vikarius in der Lombardie war, zur Bedürfniß der römischen Kirche vom Abte des Klosters des h. Apollonius von Canossa Geld auf, und die Mönche gaben ihr gern ihren ganzen Schaz, der für die damalige Zeiten doch beträchtlich war. Gregorius bekam auf diese Weise sieben hundert Pfund

 

 

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Silber, neun Pfund Gold und andere Kostbarkeiten, und Mathildis ersezte es durch Schenkungen von Kirchen und Ländern. Hingegen fand auch Heinrich neue Quellen von Reichthum. Herzog Robert, der damals Durazzo belagerte, erregte bey dem griechischen Kaiser grossen Verdacht. Da er nicht wußte, wie er sich ihm widerseßen sollte, so schickte er dem Heinrich reiche Geschenke zu, und bat ihn, diesen Helden durch einen Einfall in Apulien zu schrecken. Dieser Kunstgriff hatte auch seine gute Wirkung. Robert, als er hörte, daß Heinrich in Apulien eindringen würde, eilte nach Italien, warf sich aber hernach nur desto eifriger auf die Seite des Pabstes und widersezte sich den Absichten Heinrichs.

 

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Heinrich erschien ohne Furcht das drittemal vor Rom, feyerte Ostern zu S. Ruffina, und belagerte die Leonische Stadt mit dem gröstem Nachdruck. Durch die Errichtung eines Schlosses hatte er so viel gewonnen, daß er durch seine Maschinen die Römer auf den Mauren sehr beunruhigte. Zugleich unterließ er auch den Weg der Unterhandlungen nicht, und war dißmal so glücklich, daßer durch Geld und andere Versprüche einige Häupter des Adels auf seine Seite brachte. Sie kamen alle, nur den Gisulf, ehemaligen Fürsten von Salerno ausgenommen, darinnen überein, daß sie den Pabst bewegen wollten, im November dieses Jahrs ein Concilium zu halten, wo man die

 

 

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Reichsangelegenheiten überlegen, und einen festen Schluß ergreifen würde. Die Römer gaben dem Heinrich zwanzig Geissel von Adel, die Markgräfin Adelheid suchte mit der Mathildis einen Vergleich zu treffen, und sie unter allerley schmeichelhaften Vorschlägen, so gar einer Vermählung mit Heinrichs Prinzen y) auf andere Gedanken zu bringen, und Heinrich versprach allen, die die Grabmäler der Apostel besuchen, und die Prälaten, so sich auf dasConcilium nach Rom begeben wollten, frey durchreisen zu lassen. Nach diesem Waffenstillstand kehrte er nach der Lombardie zurück, und schickte den Wibert nach Ravenna.

 

Aber Heinrich konnte seinen Groll wider seine heftigste und geschäftigste Feinde unmögich verbergen. Er ließ nicht nur die Abgeordnete der deutschen Fürsten seiner Feinde anhalten, sondern auch Otto, Cardinal Bischoff von Ostia, den Gregorius als Legaten nach Deutschland sandte, Hugo, Erzbischof von Lyon, Anselm von Lucca, der geheime Rathgeber der Mathildis, und Reginhald, Bischoff von Como, erfuhren ein gleiches Schicksal. Er verbot ihnen, auf dem Concilio zu erscheinen, hielt sie an, ließ sie aber hernach bald wieder loß. Das Concilium nahm indessen den 20 November seinen Anfang, und es erschienen auf demselben viele Bischöffe aus Campanien,

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y) dieses sollte man fast aus des Benzo Paneg. In Henr. IV. schliessen.

 

 

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Apulien, den Fürstenthümern Salerno, Benevent und Capua, auch einige aus Frankreich und Deutschland. Gregorius, der durch den Cardinal Otto die Unruhen in Deutschland hatte vermehren wollen, wo ihm nicht Heinrich durch die Gefangennehmung desselben zuvor gekommen wäre, zeigte auch hier den grösten Muth, und war im Begriff, den Heinrich von neuem in den Bann zu thun. Doch widersezten sich ihm die andere, und er begnügte sich dißmal damit, überhaupt alle in den Bann zu thun, welche die Prälaten mit Gewalt gehindert hatten, auf dem Concilio zu erscheinen. Bald hernach aber entdeckte der Pabst ein ander Geheimniß. Der römische Adel hatte sich bey Schliessung des vorigen Waffenstillstands eydlich verpflichtet, den Pabst zu zwingen, daß er dem König die kaiserliche Krone geben sollte, und wenn er sich dessen weigerte, den Gregorius zu verjagen, und an seine Stelle einen andern Pabst zu setzen, der sie ihm gäbe. Sie lagen dem Pabste heftig an, einmal von seiner Strenge etwas nachzulassen und den Heinrich ohne weitere Genugthuung anzunehmen. Aber diß erlaubte dem Pabste sein Stolz, sein Eigensinn und seine begeisterte Herzhaftigkeit nicht.

 

Ganz unerschrocken erklärte er, dem Heinrich würde er weder die Krone noch die Erlaubniß an der kirchlichen Gemeinschaft Theil zu nehmen geben, wo er nicht GOtt und der Kirche

 

 

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Genüge leistete. Jedoch solche Drohworte müssen mit Macht verbunden seyn, wann ste eine Wirkung haben sollen. Und auch diese verschafte dem Pabste ein unvermutheter Zufall. Robert, der sich vor Heinrich zu fürchten anfieng, schickte dem Pabst auf einmal 30000 Goldgulden, womit er sich unter den Römern ein neues Ansehen zu geben im Stande war. Kaum hatten sie Geld in den Händen des Pabstes gesehen, so traten sie wieder auf seine Seite über, und Gregorius half ihnen, durch eine Verdrehung ihres Verspruchs den Konig zu täuschen. Sie liessen ihn wissen, daß, ob sie ihm wohl nicht versprochen hätten, ihn feyerlich krönen zu lassen, sie doch bereit wären, ihm zur Krone zu helfen, sobald er zuverläßige Beweise einer wahren Reue gäbe, und wann dieses nicht sey, so würden sie den Pabst dahin vermögen, daß er ihm die Krone an einem Seile von der Engelsburg herablassen würde.. Wie hätte Heinrich in eine so schimpfliche Verdrehung willigen können, welche dem Begriff von Ehrlichkeit gerad zuwider läuft. Er verwarf sie, und die Römer glaubten ihres Eydes los zu seyn. Heinrich grief also die Leoninische Stadt wieder an und wurde endlich von der Peterskirche und dem Vatikan Meister, wo er Weyhenachten hielte. Eben so furchtbar machte er sich in Apulien, Jordan, Fürst von Capua, war selbst erschienen, um sich mit seinem Fürstenthum belehnen zu lassen, welche Gnade er vermittelst einer

 

 

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318 Gesch. der Deutsch. Heinrich IV.

 

grossen Summe Geldes erhielt. Von diesem Fürstenthum aber hattte Heinrich das Kloster Montcassin abgesondert, welches er zum kaiserlichen Domanio zog, und unter seinen eigenen Schuz nahm. Er gebot daher gleich nach der Einnahme von S. Peter dem Cardinal Abt Desiderius, einem Herzensfreunde des Pabstes, vor ihm zu erscheinen, und da er ihm auf den ersten Brief nicht antwortete, weil er nicht wußte, wie er den König nennen sollte, so widerholte Heinrich den Befehl, und beschied ihn in Farfa sich einzufinden. Er entschuldigte sich zwar, daß er von den Normannen so vieles zu fürchten hätte, er erholte sich bey Gregorius Raths, welcher ihm keine Antwort gab, aber Heinrich forderte Gehorsam, und Desiderius war zu schwach, sich zu wiedersehen; er fand sich demnach mit dem Anfang des folgenden Jahrs in Albano ein. Hatte Heinrich das Kloster Montcassino gedemüthigt, so zog dagegen Mathildis vor das kaiserliche Kloster Nonantola und belagerte es.

 

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In Albano verweilte Desiderius eine gute Weile, ohne Gnade des Königs mit Eilfertigkeit zu suchen. Heinrich ließ ihm durch den Fürst Jordan von neuem befehlen, die Investitur von ihm zu holen und wenn er sich dessen weigerte, zu erwarten, daß er sein Kloster verheerte. Jordan besänftigte zwar den König, aber Heinrich sagte ihm doch klarr, er müßte den Hirtenstab von ihm annehmen,

 

 

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weil sein Kloster unmittelbar von den Kaisern abhange. Der Abt war so kühn, ihm zu sagen, wenn er die kaiserliche Krone empfangen habe, so wolte er alsdenn sehen , ob er von ihm die Investitur seiner Abtey annehmen, oder derselben gänzlich entsagen würde. Aber dieser andächtige hizige Abt gieng immer weiter. Nichts konnte seinen Muth dämpfen, und am Hofe des Königs selbst äusserte er die stolzeste Gesinnungen. Bald grief er den Wibert an, bald stritt er mit dem gefangenen Cardinal Otto von Ostia, welcher durch seine Gefangenschaft gelernt hatte, sich mehr nach den Zeitumständen zu bequemen. Nun behauptete er, was er als Legat niemals würde eingestanden haben, daß man das Dekret beobachten müßte, welches Nicolaus Il. mit Einwilligung von 125 Bischöffen, des Cardinal Hildebrands selbst und anderer Cardinäle abgefaßt hätte, keinen Pabst ohne Einwilligung des Kaisers zu wählen. Desiderius hingegen war von den hohen Begriffen der römisch gregorianischen Sätze so eingenommen, daß er bezeugte, kein Pabst, kein Bischoff und kein Mensch könne ein solches Dekret abfassen, weil der h. Stuhl keinem Menschen unterworfen sey, Nicolaus II. habe ungerecht gehandelt, und der Fehler eines einigen Menschen könnte die Kirche ihrer Rechte nicht berauben, weder er noch seine Mitbrüder wurden jemals darein willigen, daß der Kaiser den Pabst machte. Otto rieth ihm an, doch behutsamer zu reden. Nein, sagte Desiderius,

 

 

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und wenn die ganze Welt wider uns ist, so werde ich meine Meynung nicht ändern, meinetwegen kan der Konig obsiegen, aber meine Einwilligung wird er niemal erzwingen. Eben so heftig grief er den Wibert an, und behandelte ihn aufs schimpflichste, so sehr sich auch dieser entschuldigte, daß er in die Sache mit Gewalt hineingezogen worden, und die einige Absicht hatte, dem König seine Krone zu erhalten. Genug, Desiderius mußte sich belehnen lassen, und zog nach Haus, z) Heinrich aber behauptete seine Rechte über die unmittelbare Kloster in Italien, Farfa, u. a. in vollem Glanze.

 

Seine Angelegenheiten hatten auch wirklich eine viel günstügere Lage bekommen. Robert konnte den Pabst doch nicht so mit Geld unterstützen, als der griechische Kaiser den Heinrich unterstüzte. Alexius hatte ihm von neuem 144 tausend Goldgulden und hundert Stücke Scharlach a) überschickt, damit er den Robert mit Krieg überzöge. Heinrich drang auch in Campanien und Apulien ein, verheerte dem Robert sein Land , und zog sich wieder nach Rom zurück, desto mehr, da ihn die Römer, welche durch das anhaltende Ungemach des Kriegs ermüdet waren, einluden, als Freund im Frieden zu ihnen zu kommen. Sie

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z) das Diplom aber mit einer güldenen Bulle, worauf sich P. Gattala beruft, ist ein Mährchen.

a) Anna Comuena in Alex. L. Iil.

 

 

 

321 Afterkönig Hermann.

 

eröfneten ihm am 21 März das Lateran-Thor, worauf er sich gleich des Lateran-Pallastes und nach und nach aller Brücken und bevestigten Oerter der Stadt bemächtigte. Kaum konnte sich Gregorius noch in die Engelsburg retten. Weil aber Heinrich dem Adel nicht traute, so ließ er sich 50 Geissel von ihnen geben, worauf er dem Volk den Wibert vorstellte, und seine Einwilligung in die Erhebung desselben erhielte. Er ließ ihn am Palmtage in der Laterankirche durch die Bischöffe seines Anhangs einweyhen, bey welcher Besitznehmung Wibert den Namen Clement III. Annahm. Hatte es nun Heinrich so weit gebracht, einen Pabst nach seiner Art zu haben, so wollte er von ihm als Kaiser gekrönt seyn. Diese Feyerlichkeit geschahe den 31 März zum grossen Verdruß des Gregorius, der ihn noch in seinem Zug nach der Peterskirche angreifen, und vierzig von seinem Gefolge niedermachen ließ. Nachdem er und seine Gemahlin mit der kaiserlichen Krone beehrt worden, so nahm Heinrich vom Capitolio Besitz, und ließ alle Häuser der corsischen Familie, welche eine vorzügliche Feindschaft wider ihn gezeigt hatte, niederreissen. Nun blieb ihm noch das Heptizonium übrig, wo sich der Neffe des Gregorius, Rusticus, festgesezt hatte, aber die Zeit erlaubte dem Kaiser nicht, diese Vestung zu erobern. Niemand war mehr im Gedränge als Gregorius. Auf das Volk, das dem mit Geld versehenen Kaiser anhieng, konnte er sich

Gesch. der Deutschen II Bd.

 

 

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322 Gesch. der Deutsch. Heinrich IV.

 

nicht mehr verlassen, und in seiner Engelsburg war er so eingeschlossen, daß nichts hinein konnte. Er nahm seine Zuflucht zu Robert, der ein Heer von 30000 Mann zu Fuß und 6000 Reuter zusammenzog, und damit nach Rom marschirte. Der Abt Desiderius gab dem Kaiser und dem Pabst davon Nachricht, und glaubte hierdurch, seine Pflicht gegen beede beobachtet zu haben.

 

Heinrich, dessen Heer viel zu schwach war, berief die Römer, deren Unbeständigkteit er wohl kannte, und meldete ihnen, daß ihn seine Angelegenheiten nach der Lombardie beriefen, sie möchten indessen auf die Erhaltung ihrer Stadt bedacht und versichert seyn, daß er sie bey seiner Rückkehr nach ihren Verdiensten belohnen würde. Hierauf zog er sich nach Civta Castellana zurück, und begab sich von hier nach Siena. Drey Tage nach seiner Abreise rückte Robert an, drang mit seinen Truppen, unter welchen sich auch Saracenen befanden, in die Stadt ein, verübte alle Gewaltthätigkeiten, und rettete den Gregorius, den er in den Lateran-Pallast führte. Die Römer wurden nun gezwungen, sich mit dem Pabst auszusöhnen, und die Feinde des Gregorius gefangen genommen, oder nach seiner Willkühr gestraft. Gregorius hielte sein zehendes Concilium, that den Gegenpabst, den Kaiser und alle ihre Anhänger in den Bann, und schickte den Cardinal Otto von Ostia als Legaten nach Deutschland,

 

 

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323 Afterkönig Hermann.

 

den Cardinal Bischoff von Sabina aber nach Frankreich, um die Nachricht von seinen Verfluchungen überall auszubreiten. Robert, der in Rom wegen seiner Strenge eben so wenig beliebt war, als Gregorius, verließ diese Stadt, und nahm seinen Pabst mit sich, der 1 zuerst bey seinem Freunde, dem Abt Desiderius von Montecassino, eine liebreiche Aufnahme, und hernach in Salerno einen bis an sein Ende währenden Aufenthalt fand. Der Kaiser begab sich in die Lombardie. Ueberall breitete er das Gerücht aus, daß er im Sinne hätte, wieder nach Rom zu ziehen. Unter diesem Vorwand fanden sich bey ihm viele Grafen und Bischöffe mit Soldaten ein, mit welcher Macht er auf einmal in das Modenesische einbrach, und das Schloß Sorbara belagerte. Mathildis, die sich ihm in einer offenen Feldschlacht nicht widersetzen konnte, überwand ihn mit List. Unvermuthet überfiel sie sein Heer bey Nacht, schlug ihn auf das Haupt, nahm den Bischoff Eberhard von Parma, nebst sechs Rittern und hundert Edelleute vom lombardischen Adel gefangen, erbeutete das Gepäcke, Zelte und das ganze Lager, und belebte durch diesen vollkommenen Sieg den Anhang des Gregorius von neuem. Für den Kaiser war also nichts übrig, als daß er eilends Italien verließ, und sich nach Deutschland begab, wo seine Gegenwart wegen der bisher vorgegangenen Veränderungen höchst nöthig war.

 

 

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324 Gesch. der Deutsch. Heinrich IV.

 

1082

In Deutschland war es indessen sehr umnruhig zugegangen. Markgraf Udo der ältere, Graf von Stade, der in den bisherigen Kriegen wider ihn sich hervorgethan hatte, war mit Tod abgegangen, und ihm sein Sohn Heinrich in der Mark nachgefolgt. Der Kaiser hatte auch nichts mehr vom Herzog Otto zu zu befürchten.

 

1083

Denn dieser grosse Fürst und Beherrscher des Herzogthums Sachsen an der Weser, b) einer der tapfersten Krieger dieser Zeiten, war ebenfalls gestorben, und hatte von seiner Gemahlin Richenza, einer Wittwe des Grafen Hermanns von Werle eine zahlreiche Nachkommenschaft zur Fortpflanzung des northeimischen Stammes hinterlassen. Der Afterkönig Hermann war viel zu shwach und zu sanft, als daß er sich auch bey seinem eigenen Anhang ein grosses Ansehen hätte erwerben können.

 

1082

Er saß fast beständig in Eißleben, und man nannte ihn auch deswegen aus Verachtung den König von Eißleben. Es schmerzte ihn zwar, daß es dem Gregorius so übel gieng, er war auch bereit, ihm zu helfen, und sprach von einem Zug nach Italien, den er selbst unternehmen wollte, er brach auch wirklich aus Sachsen nach Schwaben auf, wo sein Anhang raubte und plünderte. So bald er aber von dem Tode des Herzogs Otto, den er als seinen Statthalter in Sachsen gesezt hatte, Nachricht erhielt, so eilte er wieder nach Sachsen zurück, um allda allen Unruhen zuvorzukommen.

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b) s. Origg. Guelficae. T. IV. p. 480.

 

 

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325 Afterkönig Hermann.

 

Hier saß er wieder ein ganzes Jahr müßig, während daß theils Herzog Welf allerley Gewaltthätigkeiten verübte, und sogar einen andern Bischoff in Augsburg sezte, c) theils hin und her Raub-Schlösser angelegt wurden, welche der Herzog Friderich und der Bischoff Sigfried von Augsburg, von Heinrichs Parthey, verheerten d). Alle Achtung der Auswärtigen verschwand. Salomo, Heinrichs Schwager, wurde vom K. Ladislaus von Ungarn nicht nur abgesezt, sondern sogar in ein Gefängniß gelegt, aus welchem er ihn nach Verfluß eines Jahrs wieder los ließ, und nach Deutschland schickte, wo ihn Heinrich mit seiner Gemahlin in Regensburg großmüthig unterhielt. Der Kaiser hatte doch noch immer Mittel genug, gegen seine Feinde das Uebergewicht zu halten.

 

1082

Seine lebhafte Geschäftigkeit wußte gleich neue Wege zu finden, seinen Angelegenheiten eine andere Gestalt zu geben. Nachdem er die Schlacht in Italien verloren hatte, suchte er sich in Deutschland wieder furchtbar zu machen, er kam unvermuthet in Regensburg an, wo man ihn mit vieler Achtung aufnahm. Hier sammlete er ein neues Heer, und kam der Stadt Augsburg zu Hülfe, welche von den Feinden mit List erobert, und durch den

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c) Bertholdus Constantientis ad a. 1084.

d) Chronicon Augustense apud Freh. T. III. ad a. 1084.

 

 

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326 Gesch. der Deutsch. Heinrich IV.

 

eingeschobenen Bischoff Wigold sehr mißhandelt worden war. Heinrich kam am Lechfluß an, und blieb allda in seinem verschanzten Lager so lang stehen, bis die Feinde, welche sich von nichts als Rauben nährten, aus Mangel an Lebensmitteln genöthigt wurden, davon zu ziehen. Hierauf zog er im Triumphe in die Stadt ein, und wurde mit dem zärtlichsten Vergnügen von der Geistlichkeit und den Bürgern aufgenommen. Von hier begab er sich gleich wieder nach Regensburg, und sodenn nach Maynz, wo seine Gegenwart nothwendig war, weil die beede Erzbisthümer Maynz und Trier seine Sorgfalt erforderten. Der Erzbischof Sigfried von Maynz, ein getreuer Freund des Pabstes, war mit Tod abgegangen und es lag dem Kaiser unendlich viel daran, auch dieses Erzbisthum mit einem seiner Freunde zubesetzen. Er hatte hiezu den Wezilo, einen Geistlichen aus der halberstädtischen Kirche, ausersehen, der ihm bisher auf allen seinen Zügen und in seinen Unternehmungen wider den Pabst getreue Dienste geleistet hatte. Er belohnte ihn demnach mit der ansehnlichsten Würde des deutschen Reichs. Mit gleichem Eifer nahm er sich des Erzbischoffs Egilberts von Trier an, den seit drey Jahren kein andeyer Bischoff hatte einweyhen wollen. Zu seinem grösten Erstaunen erfuhr dieses Heinrich noch in Italien und schrieb deswegen gleich an den Bischoff von Verdun; e) ihn ungesäumt einzuweyen.

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e) Hontheim hist. dipl. Trev. ad a. 1083.

 

 

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327 Afterkönig Hermann.

 

Dieterich von Verdun konnte kaum glauben, daß Heinrich in Rom ein so ausnehmendes Glück gehabt, als er ihm selbst berichtet hatte. Weil er aber dem Banne nicht traute, den ihm die trierische Geistlichkeit entgegen gehalten, so hielte er fürs rathsamste, sich selbst an den Pabst Gregorius zu wenden, den er versicherte, daß er sich des Bischoffs Hermanns mit allem Nachdruck annehme, daß Egilbert ohne den mindesten Verdacht der Simonie gewählt worden, und also nicht verdiene, der Einweyhung solang beraubt zu seyn. Man weiß die Antwort des Pabstes auf dieses Schreiben nicht, und vermuthlich hat er dem Dieterich gar nicht geantwortet. Als der Kaiser in Maynz ankam, wartete ihm auch Dieterich in Gesellschaft anderer Bischöffe auf, und bat diese, weil Hermann von Mez und Bibo von Toul aus Haß gegen den Kaiser sich wider die Weyhe des Egilberts gesezt hätten, so möchten sie nun ihm bey dieser heiligen Feyerlichkeit die Hände bieten. Dieses geschahe, und Egilbert gieng nach Trier zurück. Hier drückte er alle diejenige, die sich seiner Erhebung widersezt hatten, und das Mißvergnügen war desto allgemeiner, je mehr das Volk und die Clerisey es mit dem Pabste, der Erzbischoff aber mit dem Kaiser hielt, für welchen er auch Leib und Leben aufzuopfern bereit war. Kein Mensch wollte die Priesterweyhe von ihm annehmen, weil er von Gregorius das Pallium noch nicht hatte. Egilbert wandte sich an den Clemens, und welche Freude

 

 

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328 Gesch. der Deutsch. Heinrich IV.

 

war es für diesen, daß er von einem deutschen angesehenen Erzbischoff um diese Ehre ersucht wurde? Er machte sich eine Freude daraus, ihm zu willfahren. Und so schlossen viele Städte Deutschlands Freunde und Feinde des Gregorius zugleich ein, welches unendliche Unruhen verursachte. Die Flammen der Zwietracht breiteten sich sogar auch in Burgund aus. Heinrich hatte allda einen sehr eifrigen Freund an dem Bischoff Aycard von Arles, der eben deswegen auch von den Päbsten Alexander I. und Gregorius VII. sehr mißhandelt wurde. Lezterer hatte endlich dem Volk und der Clerisey der Stadt anbefohlen, unter der Anleitung seines Legaten, des Bischoffs Leodegarius von Gap, und Empfehlung des päbstlichen Vikarius, Bischoffs Hugo von Die, einen andern Bischoff zu wählen f). Das Volk hatte aber seinen Hirten so lieb, daß es den Lockungen des Pabstes nicht gehorchte, worauf Aycard alle Schicksale mit dem Kaiser theilte, und ihm aller Verbannungen ungeachtet getreu blieb. Als Gregorius ihn und den Erzbischoff von Narbonne nicht bezwingen konnte, so sammlete er sich unter den Weltlichen Anhänger, unter welchen vornemlich Graf Bertrand von Provence nicht nur alle seine Ehren und Würden dem h. Petro und dem Pabste übertrug, sondern ihm auch als Ritter des h. Petri einen

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f) Petri Saxii Pontificium Arelatense apud Menken T. I. p. 245. u. f.

 

 

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329 Afterkönig Hermann.

 

sondern Eyd der Treue leistete g). Als die Kriegsflammen ausbrachen, näherten sie sich auch diesen Landen, und Heinrichs Freunde suchten besonders Bertold II. in seinen breisgauischen Gütern Schaden zuzufügen. Man verheerte das Land, und da es jenen mit der Eroberung eines Schlosses nicht gelingen wollte, so zogen sie sich zurücke, und litten alsdenn gleiche Verwüstungen von den päbstlichen Anhängern h).

 

1085

Aber unter allen diesen Begebenheiten hörte man sehr wenig von dem Afterkönig Hermann. Der päbstliche Legat Otto, Cardinal Bischoff von Ostia, traf ihn in Goslar an, und veranstaltete eine Unterredung zu Berchach in Thüringen, auf welcher sich Heinrich nicht selbst einfand, sondern in seinem Namen den Erzbischoff Wezilo von Maynz schickte. Im Namen der Sachsen erschien der Erzbischoff von Salzburg, welcher auch für sie das Wort führte, so wie auf jener Seite der Erzbischoff von Maynz und der Bischoff von Utrecht die Gründe des Kaisers in ihrer Stärke anzuführen bemüht waren. Gebhard von Salzburg beharrte darauf, sie müßten den Heinrich als verbannt ansehen, denn hiezu hätten sie Befehle vom Pabst und vom Römer Concilio, es hätte auch der Pabst ihn mit Recht seines Reichs und der Gemeinschaft der Gläubigen

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g) Ebendaselbst.

h) Bert. Const ad a. 1084.

 

 

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330 Gesch. der Deutsch. Heinrich IV.

 

berauben können. Dawider liessen sich die beede Advokaten des Kaisers auf, und wollten nicht zugeben, daß ein ungerechter Bannstral ihren Herrn seiner weltlichen Rechte berauben könnte. Beede Theile zankten sich wegen des Verstands der canonischen Gesetze, und die gute Sache Heinrichs wurde übel vertheidigt i). Beede giengen auch unverrichteter Dingen auseinander. Der übertriebene Eifer und die blinde Achtung für die Bannstralen machten hernach eine viel fürchterliche Wirkung auf die Gemüther, als zuvor. Kaum hatten die Sachsen erfahren, daß der Bischoff von Hildesheim mit dem Kaiser gesprochen, so wollten sie Geissel von ihm haben. Im blinden Eifer wurde der Graf Dieterich von Katlenburg ermordet, und der Bischoff samt seinem Bruder davon gejagt. Kaiser Heinrich nahm ihn desto gerner auf, weil er hofte, durch ihn die Sachsen von Hermann zu trennen. Er versicherte ihn auch mit einem Eyde, daß, wenn sich die Sachsen ihm unterwerfen würden, er alle ihre Freyheiten, die sie je von Carl dem grossen bis auf seine Zeiten erhalten hätten, heilig beobachten, und sie nacher strengsten Gerechtigkeit behandlen würde. Andere Fürsten und Bischöfe, welche bey diesem Vertrag zugegen waren, bestätigten ihn ebenfalls mit einem Eyde, und verpflichteten sich, wenn ihn der König nicht hielte, ihm

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i) Annalista Saxo ad a. 1085. nullum rebus suis spoliatum ad Synodum posse vocari, judicari, damnari.

 

 

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331 Afterkönig Heymann.

 

wider Sachsen keine Hülfe zu schicken. Der Bischoff that eine Reise nach Sachsen, und war in seiner Unterhandlung nicht unglücklich. Viele traten wieder auf Heinrichs Seite, worüber sich der Kaiser so freute, daß er, um die günstige Gelegenheit zu benützen, gleich selbst dahin marschiren wollte. Hermann machte Anstalten, ihm entgegen zu gehen, weil aber die Fasten-Zeit anbrach, so mußten wegen des beschwornen Waffenstillstands oder des sogenannten Friedens-Gottes die kriegerische Unternehmungen eingestellt werden. Jedoch vermehrte sich indessen in Sachsen Heinrichs Anhang immer mehr. Hermann fiel in Verachtung, den vertriebenen Gregorius achtete man nicht mehr, alles lief dem Kaiser zu, und seine Feinde wetteiferten einander vorzukommen, ihre ganze Gesinnung schien geändert zu seyn, und sie fiengen an, durch die Erfahrung überzeugt zu werden, wie wenig sie ihren wahren Nutzen dabey fänden, wenn Heinrich seines Reiches gänzlich sollte entsezt werden. Wenigstens waren sie alle bereit, mit Heinrich sich in Unterhandlungen einzulassen.

 

Bey diesen Umständen versammelte der päbstliche Legat Otto von Quedlinburg, wo Hermann Ostern gehalten hatte, ein Concilium, wo sich die beede Erzbischöffe von Salzburg und Magdeburg, und die Abgeordnete von den Bischöffen von Würzburg, Worms, Augsburg und Costniz nebst einigen Aebten von der Parthey

 

 

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332 Gesch. der Deutsch. Heinrich IV.

 

des Gregorius einfanden. Hier wurde die wichtige Materie vom Primat des Pabstes so weit ausgedehnt, daß kein Mensch sich unterstehen dürfe, über seine Entscheidungen zu urtheilen, ja daß auch eine ungerechte Verdammung des Pabstes allemal mit blindem Gehorsam müsse angenommen werden. Hier wurden Heinrichs Freunde, der Erzbischoff von Maynz und die Bischöffe von Augsburg und Chur, verdammt. Am meisten war man über den Wezilo von Maynz erbittert, den man als einen Ketzer und Fürsten der Ketzer behandelte, k) weil er auf der Versammlung von Berchach behauptet habe, daß die Weltliche, wenn sie ihrer Staaten beraubt sind, dem Urtheil der Kirche nicht mehr unterworfen wären, noch wegen ihrer Ausschweifungen verbannt werden könnten. Allem Ansehen nach war der Sinn des Wezilo, daß Heinrich durch seine Verbannung des Reichs nicht entsezt werden könnte l). Entweder muß sich Wezilo nicht recht ausgedruckt haben, oder Otto bildete in Quedlinburg unbefugt einen neuen Ketzer, dessen Ketzerey in einer blossen willkührlichen Einbildung bestand. Ueberhaupt waren die Väter in Quedlinburg ziemlich fanatisch gesinnt. Voll von einem heiligen Eifer verbannen sie nach Auslöschung der brennenden Kerzen den Gegenpabst Wibert, den Cardinal Hugo Blancus,

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k) Bertoldus Const. ad a. 1085.

l) der Abt von Ursperg spricht mit weniger Begeisterung davon, als Bertold.

 

 

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333 Afterkönig Hermann.

 

den Canzler der römischen Kirche Petrus, und den Bischoff Johann von Porto, als Apostaten. Mitten unter diesen Verbannungen hatte doch noch ein Deutscher, Cunibert, ein Geistlicher von Bamberg, das Herz, auf dem Concilio aufzutreten, und die Ausdehnung der Begriffe vom römischen Primat anzufechten: Ey, sagte er, den Primat haben sich die römische Päbste selbst angemaßt, kein Mensch hat ihnen das Privilegium gegeben, daß niemand über ihre Urtheile urtheilen, oder daß sie von niemand sollten gerichtet werden können. Die Freymüthigkeit dieses Manns war nicht angenehm, und er mußte sich mit der schwachen Wiederlegung zufrieden geben: Der Jünger ist nicht über seinen Meister.

 

Hatte Hermann ein Concilium für sich, so wollte auch Heinrich eines für sich haben. Die Bischöffe, so ihm anhiengen, kamen in Maynz zusammen, undWezilo führte den Vorsitz mit den Legaten des Wiberts. Die anwesende Bischöffe mußten die Absezung des Gregorius und die Wahl Wiberts unterschreiben. Auch hier verdammte man die Anhänger des Gregorius, und da sich der Cardinal Otto die Freyheit genommen hatte, die Bischöffe: des Heinrichs abzusetzen, und anstatt der Verbannten neue einzuweyhen, so wurden jezo auch diese verbannt, abgesezt, und für sie andere gesezt. Hieraus entstand eine solche Verwirrung, daß die meiste Kirchen in Deutschland

 

 

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zween Bischöffe hatten. Jedoch müssen auch Heinrichs Feinde erkennen , daß er z. B in der Kirche von Würzburg einen sehr würdigen Mann, Metzinhard, eingesezt habe.

 

Aber in Italien geschahe die gröste Veränderung, von welcher Heinrich mehr Vortheil hofte, als er wirklich erhielt. Gregorius VII. war am 25 May gestorben. Noch vor seinem Ende hatten ihn die Cardinäle gefragt, wen sie ihm zum Nachfolger geben sollten. Er schlug ihnen den Cardinal Otto, Legaten in Deutschland, den Erzbischoff Hugo von Lyon, und den Cardinal Desiderius, Abt von Montecassino, drey seiner innigsten Freunde, vor. Kurz vor seinem Ende sagte er noch: Ich habe geliebt die Gerechtigkeit, und gehaßt das gottlose Wesen. Darum sterbe ich im Elende. Er war bereit, sich mit allen Verbannten auszusöhnen, nur den Haß gegen Heinrich nahm er mit sich ins Grab m). Die Cardinäle wollten sogleich den Abt Desiderius an seine Stelle als Pabst setzen, er bat sich aber diese Stelle ab, doch versprach er der römischen Kirche alle Dienste zu leisten, die ihm möglich wären. Als der Cardinal Bischoff von Sabina und der Cardinal Gratianus von Rom ankamen, entdeckte ihnen Desiderius den Unterricht, den ihm der sterbende Pabst gegeben, er gieng mit ihnen nach Capua, und erhielt vom Fürst Jordan Verspruch,

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m) Paul von Bernried.

 

 

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335 Afterkönig Hermann.

 

daß er die Kirche schützen wollte. Man schrieb an die Mathildis, Bischöffe und Personen zu schicken, welche des Stuhls Petri würdig wären. Die Cardinäle schienen den Desiderius zur Annahme der päbstlichen Krone zwingen zu wollen, er weigerte sich noch immer, und darüber verstriech ein Jahr. Mathildis hingegen benüzte die gute Gelegenheit, brachte die Städte, so sich empört hatten, vorneimnlich Lucc , wieder unter ihren Gehorsam, sezte allda den Bischoff Anselmus, ihren geistlichen Rath, wieder ein, welcher aber das folgende Jahr starb, und ernannte nach dem Tod der Bischöffe von Reggio und Pistoia, getreuer Anhänger des Kaisers, Männer von ihrem Anhang, denen zu lieb sie die Einkünften dieser Kirchen von ihren Gütern vermehrte. Hingegen hielte doch noch der Herzog Luitald von Kärnthen, und der Markgraf von Verona n) die kaiserliche Parthey, wie denn auch Heinrich an dem Herzog Robert, der dieses Jahr in Cephalonia gestorben war, einen grossen Feind verlohr.

 

Der kaiserliche Pabst Clemens III. wand-te, so lang der Siz nach dem Sinne der Gregorianer erledigt war, alles an, um sich in Rom zu behaupten. Hiezu half ihm auch der kaiserliche Statthalter aus allen Kräften. Dieser war zwar durch den Herzog Robert gefangen genommen, nach seinem Tode aber durch seinen

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n) Muratori Ant. It. Diff. 28.

 

 

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336 Gesch. der Deutsch. Heinrich IV.

 

Nachfolger, Rogerius, wieder entlassen worden, und wohnte im Capitolio.

 

1086

Die Bischöffe und Cardinäle, so als Legaten verschickt worden waren, kamen nach und nach herbey, und beriefen den Desiderius nebst andern Cardinälen, die er in seinem Kloster bey sich hatte, samt dem Fürsten Gisulf zu sich nach Rom, allwo die gregorianische Anhänger ebenfalls einen Theil der Stadt inne hatten. Desiderius erschien um Pfingsten, man lag ihm von neuem an, die päbstliche Krone anzunehmen, konnte aber weiter nichts erhalten, als daß er dem gewählten Pabst einen sichern Aufenthalt in seinem Kloster verschaffen wollte. Vielmehr schlug er und der Consul Cencius den Legaten Otto von Deutschland vor. Andere Cardinäle weigerten sich und zogen endlich den Desiderius nach der Kirche des h. Lucas, wo sie ihm die päbstliche Mütze aufsezten,und ihn unter dem Namen Victor III. als Pabst ausruften. Hierüber war der kaiserliche Statthalter ungemein erbittert, er verschanzte sich auf dem Capitolio, that häufige Ausfälle, und jagte den neuen Pabst samt seinen Cardinälen davon. So bald Victor nach Terracina kam, flohe er in sein Kloster, und die Cardinäle beredten den Fürst Jordan, ihn mit einem Heere in Rom einzusetzen, welches er aber auszuführen nicht im Stande war. Desiderius war der Mathildis sehr erwünscht, und sie lag ihm sehr an, sich zur Annahme der päbstlichen Krone zu entschliessen. Ueberhaupt

 

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337 Afterkönig Hermann.

 

spielte sie in Europa um diese Zeit eine sehr glänzende Rolle. Die gröste Prnzen warben um sie, und sie äste die meiste. Den Prinz Robert, ältesten Sohn des englischen Monarchen, der sich selbst bey ihr eingefunden, und ihre Liebe zu gewinnen gesucht hatte, um sich hernach an seinem eigenen Vater zu rächen, empfieng sie mit grosser Achtung, aber ihre Liebe versagte sie ihm, und beobachtete die Staatsmaxime des Gregorius, den K. Wilhelm von Engelland auf keine Weise für den Kopf zu stossen.

 

Weil auf diese Weise noch nicht entschieden war, wer Pabst seyn sollte, so hielte Desiderius, als apostolischer Vikarius, in Capua ein Concilium, wo sich viele Bischöffe und Cardinäle einfanden. Von weltlichen Fürsten erschienen der Fürst Gisulf von Salerno, der Consul Cencius mit einem grossen Theil des römischen Adels, der Herzog Rogerius von Apulien und der Fürst Jordan von Capua.

 

1087

Desiderius gab endlich den Zuredungen dieser Männer nach, und nahm am Palmtag die päbstliche Ehrenzeichen wieder an, worauf er in sein Kloster zurückkehrte. Aber er hatte auch einen grossen Theil der gregorianischen Anhänger wider sich. Erzbischoff Hugo von Lyon, der Cardinal Richard, Abt von Marseille, Cardinal Witmond widersprachen seiner Wahl. Hugo von Lyon war erst nach der Wahl angekommen, erkannte ihn zwar als Pabst,

Gesch. der Deutschen II Bd.

 

 

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338 Gesch. der Deutsch. Heinrich IV.

 

schrieb aber der Mathildis einen sehr bedenklichen Brief, in welchem er seine Einwilligung bloß dem Unglück der Zeit zuschreibt, übrigens aber den Victor III. als einen sehr eitelen Mann schildert, Er bezeugt, daß er aus seinem eigenen Munde gehört, er habe Heinrich, den er beständig König genannt, sein Wort gegeben, ihm aus allen Kräften zur kaiserlichen Krone behülflich zu seyn. Der ganze Inhalt des Briefs überzeugt einen jeden, daß Desiderius, welchen der Kaiser als einen Abt über eine kaiserliche Reichsabtey, folglich als seinen Lehensmann ansahe, ein geheim Verständniß mit dem Kaiser zuvor müsse gehabt haben. Wenigstens meldet Hugo, der neue Pabst habe es ihm selber entdeckt, Heinrich wäre nie nach Rom gekommen, wenn ihn dieser Abt nicht dazu aufgemuntert hätte, Desiderius habe die Handlungen des Gregorius selbst getadelt, den Erzbischoff Tedald von Mayland selig genannt, und sich ein gleiches Loos im Himmel gewünscht, wie dieser Auserwählte von Mayland, auch sich nur zum Schein so sehr geweigert, da er im Grunde doch durch seine Minen den Herzogs Rogerius und die Bischöffe seines Anhangs aufgefodert, ihn zu zwingen. Seine Wahl war also ein Werk des Partheygeistes und der Normannen, und andere rüstige Kirchen-Helden und Freunde des Gregorius waren damit höchst mißvergnügt. Victor III. ließ sich nach Ostern durch die normannische Fürsten nach Rom

 

 

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339 Afterkönig Hermann.

 

führen, wo sie den Clemens III. mit ihren Truppen aus dem Besitze der Peterskirche verdrangen, und den Cardinälen Gelegenheit verschaften , den Vicror einzuweyhen und zu krönen. Er blieb aber kaum acht Tage in Rom, als er wieder davon gieng. Mathildis kam gleich nach ihm in Rom an, und schickte ihm Befehl zu, wieder zurückzukommen. Victor III. gehorchte dem Befehl der Mutter der Päbste, erschien und hielte ihr zu lieb eine Messe. Mathildis führte ihn hierauf in Rom ein, streute Geld unter das Volk aus, und brachte es dahin, daß Victor III. in den Besitz der Leonischen Stadt, der Engelsburg, der Tiber-Insel und der Städte Ostia und Porto kam, während daß Clemens III. den übrigen Theil der Stadt besaß, und zu S. Maria della Rotonda seinen Sitz hatte.

 

So zweifelhaft die Sachen in Italien aussahen , eben so bund war die Gestalt des deutschen Reichs. Heinrich, der sich auf die glückliche Unterhandlungen des Bischoffs von Hildesheim verliesse, war in Sachsen eingerückt, und befam anfangs starken Zulauf.

 

1085

Er gab sich auch alle Mühe, seine Feinde durch Grosmuth und Liebe zu gewinnen. Hermann war mit seinen Freunden, dem Erzbischoff von Magdeburg und dem Bischoff von Halberstadt , davon geflohen, und hatte sich in Dänemark Sicherheit verschaft. Aber Heinrichs Glück währte wieder nicht lang. Markgraf Ecbert

 

 

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340 Gesch. der Deutsch. Heinrich IV.

 

von Thüringen, einer der reichsten Herrn in Sächsen, erregte ein neues Ungewitter wider ihn, und zwang den Kaiser, nach Franken sich zurückzuziehen. Er kam mit seinem Heere wieder, und verwüstete Sachsen, so viel er konnte. So sehr ihm Ecbert zuwider war, so brachte Heinrich es doch dahin, in Magdeburg als König aufgenommen zu werden. Ueberal sezte er neue Bischöffe ein, und vermehrte hiedurch den Keim der Unordnung.

 

1086

Es währt nicht lang, so kamen die Flüchtlinge aus Dänemark zurück, und Heinrich mußte aus Sachsen wieder weichen, o) desto mehr weil Herzog Welf von Bayern neue Bewegungen machte. Heinrich hatte ihn zwar seines Herzogthums entsezt, p) er hatte auch in Bayern noch immer Anhang genug, welche dem Herzog vielen Verdruß machten. Welf aber söhne sich auf einmal mit seinen Ständen aus, und bekam desto mehr Gewalt, die Getreue des h. Peters, wie sie sich selbst nannten, zu unterstützen. Er überfiel den Kaiser unvermuthet in Regensburg, und nachdem sich Heinrich mit vieler Mühe gerettet hatte, so nahm Welf Besitz von dieser Stadt und Freisingen, und sagte hierauf eine Zusammenkunft der Sächsischen, Thüringischen, Bayrischen und Schwäbischen Anhänger des Pabstes bey Würzburg an. Der Kaiser eilte mit einem starken Heere herbey, und suchte sie zu stören. Weil ihm aber

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6) Annalista Saxo. ad a. 1085.

p) Origg. Guelficae T. II. p. 276.

 

 

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341 Afterkönig Hermann.

 

die schwäbische Truppen in den Rücken fielen, so mußte er sich zurückziehen, worauf der ganze Schwarm von Feinden vor Würzburg gieng, und die Stadt belagerte. Heinrich, der sich an der Spitze von 20000 Mann sahe, glaubte ein Treffen wagen zu können. Die beede Heere griefen einander bey Bleichfeld an, und Heinrich hatte das Unglück, geschlagen zu werden, und gegen 5000 Mann zu verlieren. Die Stadt Würzburg wurde hierauf von seinen Feinden eingenommen, und der Bischoff Adalbero allda eingesezt. Man ließ ihn mit einer starken Besatzung zurück, und ein jeder gieng nach Haus. Heinrich aber erschien bald wieder, eroberte die Stadt, und jagte den Adalbero davon, an dessen Stelle er den Meginhard einführte. Von hier drang er in Bayern ein, und belagerte am Ende des Jahrs ein Schloß, wo ihm aber Welf und Bertold zu nahe kamen, und ihn nicht eher entliessen, als bis er ihnen versprach, eine Unterredung auf künftige Fasten in Oppenheim zu halten, allwo man den bisherigen Unruhen ein Ende machen könnte.

 

Unter allen diesen Widerwärtigkeiten hatte der Kaiser an dem Herzog Wratislaus von Böhmen einen getreuen Freund, der ihn noch allemal mit Völkern versehen hatte. Dafür suchte er ihn nunmehr auch zu belohnen. Schon in Würzburg waren die Unterhandlungen mit ihm angefangen worden, und sie kamen nun zu

 

 

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342 Gesch. der Deutsch. Heinrich IV.

 

Maynz völlig zu Stande. Der Unterhändler in dieser Sache war Wipert von Groitsch, der es dahin brachte, daß Wratislaus dem Kaiser 4000 Mark Silber und der Kaiserin ein Geschenk von 30 Pfund versprach, und noch überdiß sich anheischig machte, dem Kaiser 300 Mann unter Anführung seines Sohns zum italiänischen Zuge zu stellen. Der Kaiser schickte demnach den Erzbischof Egilbert nach Prag, der dem Herzog und seiner Gemahlin die königliche Krone aufsezte, seiner Nation als König darstellte, und hierdurch den Titel des altes mährischen Reichs auf Böhmen übertrug, welchen Titel aber seine Nachfolger nicht beständig gebrauchten q). Wratislaus gab sich hierauf alle Mühe, die Markgrafschaft Meissen, aus deren Besitz ihn Ecbert gesezt hatte, mit Gewalt wider zu erobern, er war auch so glücklich, eine Schlacht zu gewinnen, welche ihn aber vieles Blut kostete, und leistete dem Kaiser auf dieser Seite immer sehr ersprießliche Dienste.

 

Heinrich zeigte wirklich einen über alle Unfälle erhabenen Muth. So sehr man ihn plagte, so wenig sezte er seine Ehre hintan.

 

1087

Er machte sich ein Vergnügen daraus, seine Freunde mit der königlichen Würde zu zieren, sein blosser Name hatte in Rom eine grosse Veränderung hervorgebracht. Es langte allda eine Person an, welche vorgab , daß sie von Heinrich

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q) Cosim. Prag. apud Menken T. I. p. 2057 u. f.

 

 

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343 Afterkönig Hevmann.

 

gesandt sey. Wenigstens bedrohete sie in seinem Namen die Consuln, die Senatoren und das Volk mit der kaiserlichen Ungnade, wenn sie nicht gleich dem Victor entsagten. Unverzüglich treten die Römer auf die Seite des Clemens III. und zwingen den Anhang des Victors, sich in die Engelsburg einzuschliessen. Victor begab sich auch wirklich von Rom nach seinem Kloster, nachdem er zuvor an die deutsche Fürsten geschrieben hatte, daß er das Urtheil seines Vorgängers wider Heinrich bestätigte. Sein Brief kam in Deutschland an, als eben die Fürsten in Speyer beysammen waren. Denn nach Oppenheim kämen zwar Heinrichs Feinde, er selbst aber blieb weg, und machte vielmehr Anstalten zum Kriege. Nach Speyer hingegen kam er selbst , und hörte die Vorschläge seiner Gegner. Diese bestanden darinnen, daß er sich auf ihre Hülfe verlassen könnte, wenn er es nur dahin brächte, daß er vom Banne freygesprochen würde. Seine Ehre aber war ihm viel zu lieb, als daß er ihnen auch nur eingeräumt hätte, daß er im Banne wäre. Er widersprach ihnen standhaft, und brach alle Unterhandlungen ab. Vielmehr drohete er, daß wider Leute, die ihn für verbannt hielten, kein ander Mittel Statt fände, als sich an der Spitze seiner Heere Recht zu verschaffen. Sein Muth sank noch nicht, als K. Ladislaus von Ungarn die Fürsten in Speyer versichern ließ, daß den Getreuen des h. Peters 20000 Ungarn wider die Schismatiker

 

 

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344 Gesch. der Deutsch. Heinrich IV.

 

zu Dienste ständen. Die Fürsten waren dem Reiche und sich selbst noch nicht so feind, daß sie diese Anerbietung hätten annehmen sollen. Vielmehr hofte er, mit den böhmischen Hülfstruppen seine Feinde leicht zu bezwingen. Er war im Begriff, mit denselben einen neuen Einfall in Sachsen zu thun, Hermann gieng ihm entgegen, wurde aber von seinen Freunden selbst verlassen. Ekbert II. von Thüringen, der sich schon lang Hofnung zur königlichen Krone machte, half dem Kaiser aus dem Gedränge, mit welchem er es aber eben so wenig gut meynte, als mit dem Afterkonig Hermann. Heinrich schmeichelte sich noch immet, Sieger zu werden, er vergab der Ehre seines Stammes nicht das geringste, und ließ seinem ältesten Sohne in Aachen durch den Erzbischof von Cölln die deutsche Reichskrone aufsetzen.

 

Dem Ekbert trauten wirklich die Sachsen viel weniger, als Heinrich. Der Kaiser war mit seinem Heere bis nach Hersfeld gekommen, als ihm Ekbert entgegen kam, und sich als Friedensmittler anbot.

 

1088

Heinrich versahe sich nichts böses von ihm, er entließ demnah sein Heer, und hofte, daß ihm Ekbert seine Treue durch einen grossen Dienst bewahren würde. Bald hernach aber verrieth er seine Absichten bey den Sachsen selbst. Er suchte die Reichskrone, und als ihm diese kein Gehör gaben, so rächte er sich auf eine andere Weise. Als Bucco von Halberstadt seine Begeisterung

 

 

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345 Afterkönig Hermann IV.

 

für den h. Peter aufs höchste trieb, und lieber sterben, als mit Heinrich sich versöhnen wollte, gab dieses dem Ekbert Gelegenheit , seine Güter feindlich zu verwüsten. Man setzte eine Unterredung in Goslar an, viele Große aus Sachsen und Bayern fanden sich dabey ein, Ekbert aber war ihnen schon zuvorgekommen und hatte den Bürgern den Kaiser so rühmlich geschildert, daß sie den Burkard in einem Auflauf tödtlich verwundeten, und hierdurch den Heinrich von einem zwar 60. jährigen, aber unerbittlichen Feind befreyeten. Hingegen verlor auch er zween seiner guten Freunde, den Erzbischoff Wezilo von Maynz und Bischoff Magenhard von Würzburg durch den Tod, welcher ihn auch seiner Gemahlin Berta beraubte.

 

In Italien hatte Victor III. ein Concilium in Benevent gehalten, den Clemens III. verbannt, und die Layen-Investituren verboten.

 

1087

Weil er dem Card. Abt von S. Victor von Marseille und dem Erzbischoff Hugo nicht viel gutes zutrauete, so belegte er auch diese Creaturen Greggorii VII. mit dem Bann. Hierauf eilte er wieder nach seinem Kloster, empfahl den Cardinälen den Bischoff Otto von Ostia zur Wahl, und starb den 16 September.

 

1088

Card. Hugo von Lyon schrieb bald hernach einen neuen Brief an die Gräfin Mathildis, wo er sich sehr über den verstorbenen Pabst beschwert, und sie versichert,

 

 

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346 Gesch. der Deutsch. Heinrich IV.

 

daß er und sein College Richard niemals im Sinne gehabt, sich von der römischen Kirche zu trennen. Vielmehr ist er noch immer ein sehr heftiger Eiferer nach dem gregorianischen Sinne, und klagt es der Gräfin, daß die Mönchen von Clugni nicht könnten abgehalten werden, das Gebet für den verbannten Kaiser fortzusezen. Darinnen stimmte also Clugni mit Farfa und andern Abteyen überein, daß sich die Mönche durch nichts irre machen liessen, für den Kaiser eifrig zu beten. Nach Verfluß von 6 Monathen kamen endlich den 8 März etwa 40 Bischöffe und Aebte samt einigen römischen Cardinälen in Terracina zusammen, allwo auch der Card. Bischoff von Porto im Nahmen der andern, die Rom nicht hatten verlassen können, der Präfect Benedict von Rom im Nahmen des Adels und- des Volks von Rom erschienen. Den 12 März wurde Otto, Bischöff von Ostia, als Pabst unter dem Nahmen Urban II ausgerufen und gleich inthronisirt. Dieser neue Pabst hatte als Legat in Deutschland vollkommene Känntniß von den deutschen Angelegenheiten erlangt, schon damals viele Unruhen erregt, und die beste Neigung mit auf den Thron gebracht, in diesem Tone fortzufahren. Gleich in seinem ersten Brief an die catholische Christen versicherte er sie, daß er den Fußstapfen des Gregorius ernstlich nachfolgen wolle. Ueberall wurden Legaten ausgeschickt, welche die Könige und Nationen

 

 

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347 Afterkönig Hermann.

 

erinnerten, in der Vertheidizung der Religion zu beharren. Er bat besonders die Mathildis, sich des apostolischen Stuhles anzunehmen, zog eine Weile herum, gieng nach dem Kloster Montcaßin, that eine Reyse nach Sicilien zum Grafen Rogerio, und brachte den Winter in Rom auf der Tiber-Insel, aber in solcher Dürftigkeit zu, daß er von dem Allmosen der römischen Damen und der gemeinen Weibsleute leben mußte.

 

Die Getreue des h. Peters gaben sich indessen in Deutschland noch immer Mühe, dem Kaiser Verdruß zu machen. Herzog Welf rückte wieder vor Augsburg, eroberte es, und nahm den kaiserlichen Bischoff allda gefangen. Die päbstliche Parthey verlohr durch den Tod des Erzbischoff Gebhards von Salzburg eine gross Stütze. Ihr Haupt selbst, der Afterkönig Hermann, wurde immer verächtlicher, und Markgraf Ekbert, der beede Könige aufreiben, und sein Glück auf ihre Ruine bauen wollte, hatte meisterlich dazu geholfen. Heinrich zog also in Sachsen ein, und wurde von vielen mit Freuden aufgenommen. Dem verlassenen Hermann blieb nichts übrig, als daß er sich so gut möglich mit dem Kaiser vergliech, und seiner eingebildeten Herrlichkeit entsagte. Nachdem er nun seine Schätze zugesezt, so entschloß er sich, seine Tage in seinem Vaterlande in Ruhe zu schliessen. Aber auch dieses wurde ihm nicht gewährt. Er wurde

 

 

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348 Geschichte der Deutschen,

 

bey der Belagerung eines Schlosses von einem Weibsbild durch einen grossen Stein todt geworfen, und in Mez begraben.

 

Nachdem Ekbert sich des einen Königs entledigt hatte, so grief er nun auch den Kaiser an. Heinrich hatte ihn nunmehr genauer gekannt, und deswegen auch seine Schlösser nicht verschont. Ekbert berief nun die Sachsen von neuem zur Aufruhr, sezte sich an die Spitze, eroberte Hildesheim, und entsezt sein Schloß Gleichen. Er verfolgte den Heinrich mit solchem Nachdruck, bis er ihn endlich in einen engen Paß brachte, wo ihm Heinrich zwar eingestand, daß er verbannt worden, und seine Aussöhnung zu betreiben versprach, aber es niemals zu halten im Sinne hatte. Er kam hierauf aller seiner Kostbarkeiten beraubt, in Bamberg an, nachdem er im Treffen den Bischoff von Lausanne, der die h. Lanze trug, unter den Todten, und den Erzbischoff Limar von Bremen unter den Gefangenen zurückgelassen hatte. Der Verspruch des Kaisers gab indessen Gelegenheit, die Materie von den Bannstralen etwas genauer zu entwicklen.

 

1089

Urban II., der dieses Jahr eine Versammlung in Melfi hielte, schrieb eine Dekretale vom 18 April an den Gebhard, den er als Legat sebst als Bischoff von Costniz eingeweyht, und nun als Pabst als seinen Legaten in Deutschland ernannt hatte, um den um den römischen Stuhl so sehr verdienten Bischoff Altmann

 

 

 

349 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

von Passau in etwas zu erleichtern. Gebhard hatte ihn wegen der Verbannten befragt, und hierauf antwortet ihm der Pabst, daß im ersten Grad der Häresiarch von Ravenna, im zweyten der König Heinrich, ihre Räthe, die sie mit Geld unterstützen, die ihnen gehorchen, besonders diejenige, so von ihnen oder ihren Anhängern geistliche Würden annehmen, im dritten die, so mit ihnen Gemeinschaft haben, verbannt seyen, man verbanne sie zwar in Rom nicht namentlich, man lasse sie aber auch nicht zur kirchlichen Gemeinschaft zu, bis sie Busse gethan haben. Man sieht hieraus, wie groß die Verwirrung gewesen, welche die ewige Verbannung in Deutschland angerichtet haben. Urban II. War freylich nicht so keck, seine Feinde in Rom öffentlich und namentlich in den Bann zu thun, weil er allda ein sehr kleines Licht war. Denn Clemens III. behauptete sich noch immer, und dieses hatte auch auf das deutsche Reich den stärksten Einfluß. Die mißvergnügte Fürsten sahen den elenden Zustand von Deutschland selbst ein, und fiengen an, Unterhandlungen mit dem Kaiser zu pflegen, dem sie in Speyer anerboten, ihn wieder ganz in seine vorige Rechte einzusetzen, wenn er nur dem Gegenpabst entsagte. Der Kaiser war nicht ungeneigt, ihrem Antrag Gehör zu geben, nur bat er sich aus, die Sache zuvor mit seinen Anhängern zu überlegen. Er fand auch bey den Weltlichen keinen Anstand. Die Geistliche hingegen widersezten sich desto mehr, weil

 

 

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350 Geschichte der Deutschen,

 

sie befürchten mußten, daß Urban II. alle clementische Bischöffe unter dem Vorwand der Simonie verdringen würde r). Die Sachen waren also so sehr verwickelt, daß die Hülfsmittel selbst unendlich schwer wurden.

 

Beede Partheyen suchten sich durch Vermählungen zu verstärken. Der Kaiser vermählte sich mit Eupraxia oder Praxedes, welche die deutsche Schriftsteller gemeiniglich Adelheid nennen, einer russischen Prinzeßin, und Wittwe Heinrich des Langen, Markgrafen von Stade s). Eine viel abendtheurlichere Ehe aber stiftete der Pabst, bloß in der Absicht, zu verhindern, daß der päbstliche Stuhl nicht gänzlich unterdrückt würde. Die 43 jährige Mathildis sollte wieder einen Mann nehmen, so wenig sie Lust dazu bezeugte. Der Markgraf Albert Azzo II. von Este, dessen Sohn Welf IV. Herzog in Bayern eine der mächtigsten Stüzen der Päbste in Deutschland war, entwirft den Plan, sein Haus durch die Vermählung seines Enkels Welfs V. mit der Marbildis noch ansehnlicher zu machen. Der Pabst befördert die Sache aus allen Kräften, und Mathildis nahm aus Gehorsam gegen den römischen Stuhl einen Mann, den sie nicht liebte. Das Welfische Haus richtete die Bedingungen

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r) Bertoldus Const. Ad a. 1089.

s) S. Hist. Com. Leisnic. bey Menken T. III. p. 1115. wo die Geschlechtstafel der Grafen von Stade steht.

 

 

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351 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

aufs vortheilhafteste ein. Mathildis sollte im Falle, wenn sie ohne Erben vor ihrem Manne sterbe, ihrem Gemahl nicht nur die Allodien, sondern auch die beede Reichslehen, die Markgrafschaft Spoleto und das Herzogtum Toscana, überlassen t). Der römische Stuhl entsagte demnach, um sich vor dem bevorstehenden Schiffbruch zu retten, der ersten mathildinischen Schenkung, und vermittelte alle diese Bedingungen unter seinen eigenen Befehlen. Alles aber wurde so geheim behandelt, daß der Kaiser kein Wort davon erfuhr, als bis die Ehe geschlossen war , über welche damals so viele satyrische Köpfe Erdichtungen niederschrieben.

 

Die Staatsklugheit des Pabstes und des Markgraf Albert Azzo II. hatte den Kaiser in Erstaunen gesezt. Die lombardische Stände vornemlich geriethen hierüber in die gröste Gährung. Da sie viel mehr von einem nahen und mächtigen Fürsten, als von einem abwesenden minder mächtigen Kaiser zu fürchten hatten, so widersezten sie sich aus allen Kräften, giefen die Staaten der Mathildis an, wurden aber überall zurückgeschlagen, und erhielten endlich von der Gräfin einen Waffenstillstand bis auf Ostern künftigen Jahrs. Das Glück der mathildinischen Waffen hatte auch auf Rom einen Einfluß. Urban II. hatte Rom verlassen, und war in ganz Apulien und Calabrien

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t) Origg. Guelf. T. I. p. 452

 

 

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352 Geschichte der Deutschen,

 

herumgeirrt, wo er sich mit Concilien und Einweyhungen der Kirchen beschäftigte. Nachdem aber die Lombarden geschlagen worden, so kam er wieder nach Rom zurück, wo allem Vermuthen nach u) Clemens III, der in Farfa bey der Einweyhung des Abts Reinalds zugegen war, sich entfernt hatte. Aber Urban II. war hierdurch in Rom noch nicht gesichert, wie wir ihn denn schon das folgende Jahr wieder ausser Rom finden.

 

1090

Der erbitterte Kaiser that nun einen neuen Einfall in Sachsen, mußte sich aber bald wieder zurückziehen, worauf er in Lothringen, allwo indessen auch der päbstlich gesinnte Bischoff Hermann von Mez mit Tode abgegangen war, eindrang, und alles, was Mathildis allda besaß, ein vestes Schloß ausgenommen, das Domnizo x) Brigerin nennt, eroberte und verheerte, und hierauf seinen zweyten Feldzug nach Italien antrat.

 

1087

Schon zwey Jahre zuvor hatte er seinen altesten Prinzen, Conrad, gleich nach seiner deutschen Krönung nach Italien geschickt, um sich auch als König von Italien krönen zu lassen. Er befand sich mit Anfang des Jahrs 1088 in Gesellschaft des Canzlers Ogerius, Bischoffs von Ivrea, und anderer Freunde seines Vaters in Bergamo, wo sich viele grosse Herrn aus Mayland und

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u) Bertold von Costniz ad a. 1089, Ruinart e. 62 in Chron. Parv. Farf.

x) L. II. c. 4.

 

 

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353 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

der ganzen Lombardie bey ihm einfanden. Er konnte es aber doch nicht dahin bringen, daß ihn die Stände als König ausgerufen und gekrönt hätten, ob er wohl königliche Befehle gab. Der Erzbischoff Anselm von Mayland selbst, den sein Vater eingesezt hatte, fand sich nicht bey ihm ein, sondern erklärte sich hernach sogar für den Pabst wider seinen Vater y). Da nun Conrad unverrichteter Dingen nach Deutschland hatte zurückgehen müssen, so entschloß sich Heinrich selbst zum italiänischen Zuge; und kam im Marz mit einem mächtigen Heere an, welches sich durch den Beytritt der Lombarden noch mehr verstärkte.

 

1090

Seine erste Unternehmung war auf Mantua gerichtet, welche Stadt er im May belagerte. Die Truppen Welfs vertheidigten sie tapfer, und Heinrich verwüstete nicht nur das Gebiet von Este und alles, was der Mathildis oder dem Großvater Welfs zugehörte, mit Feuer und Schwert, sondern eroberte auch bald hernach die Haupt-Castelle Ripalta und Governolo. Bologna stellte dem Pabst zu Gefallen, der aber wieder Rom verlassen, und nach Capua gehen mußte, zahlreiche Heere auf die Beine, und Urban II. machte sich kein Bedenken, dem Bischoff von Lucca zu antworten, daß man diejenige gar nicht als Todtschläger ansehen könnte, welche

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SI 1i5 7 ; einen

 

y) die diplomatische Beweise hievon s. bey Giulini Stor. Di Milano T. IV. wo er das Diplom Conrads selbst anführt.

Gesch. der Deutschen II Bd.

 

 

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354 Geschichte der Deutschen,

 

einen Verbannten umbrächten. So mörderisch andächtig waren diese Kriege! Der erste Feldzug war noch rühmlich genug für den Kaiser. Der Tod entrieß ihm zwar wieder einen eistigen Vertheidiger an dem Herzog Luitold von Kärnthen und Markgrafen von Verona: aber seine Schwester, die Aebtissin von Quedlinburg, that ihm, wie damals das Gerücht gieng, einen andern Gefallen, indem sie seinem grossen Feinde Ekbert, Markgrafen von Thüringen, nachstellen, und ihn in einer Mühle ohnweit Braunschweig umbringen ließ, mit welchem zugleich der ältere männliche Stamm von Braunschweig erlosch.

 

1091

Mantua war noch immer bloquirt, und es würde dem Kaiser sehr schwehr gefallen seyn, diese veste Stadt, welche immer Verstärkung bekommen konnte, zu erobern, wo sie nicht durch Verrätherey, an welcher die Soldaten der Mathildis selbst Antheil gehabt zu haben scheinen, den 11 April in seine Hände gekommen wäre. Jedoch zog sich die Besatzung ohne Hinderniß mit dem ganzen Gepäcke heraus. Der Bischoff flohe zu der Mathildis, und der Kaiser sezte nicht nur einen andern für ihn dem er zugleich die Befehlhaberstelle in der Stadt auftrug, sondern bestätigte auch der Stadt alle ihre Privilegien, die sie unter der Mathildis selbst genossen hatte. Hierauf fiel alles in kaiserliche Hände, was die Gräfin disseits des Po hatte, Nogara

 

 

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355 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

Piadena ausgenommen. Das veste Schloß Manerbio bezwang er durch Hunger, und Ferrara selbst empörte sich wider die Gräfin zum Vortheil des Kaisers. Auch in Rom erhob sich sein Anhang, und Clemens III. der sich allem Ansehen nach von Farfa wieder nach Rom begeben hatte, nahm seinem Feinde die Engelsburg ab. Für den Urban II. blieb also nichts übrig, als daß er davon gieng, wie er sich denn wieder meistens in Calabrien und Campanien aufhielt.

 

Doch das Glück war Heinrich immer günstiger. Die wachsame Mathildis, welche sich im Gebiethe von Reggio und Modena sehr stark verschanzt hatte, schickte häufige Partheyen wider den Kaiser aus. Der Der Markgraf Hugo von Mans, ein Anverwandter der Gräfin, bekam Befehl, mit 1000 Mann der besten Truppen ihm, nachdem er sich über den Etsch begeben hatte, den Weg abzuschneiden. Aber Hugo hatte selbst Achtung für den Kaiser, und wußte es so zu veranstalten, daß der Mathildis dieser Kern ihrer Völker in Tricontai niedergehauen wurde. Diese Reyhe von Unglücksfällen mußte die päbstliche Parthey aufmerksam machen. Welf IV. Herzog von Bayern verfügte sich demnach im August selbst nach Italien, um dem Kaiser den Frieden anzubieten. Er versprach mit seiner ganzen Macht auf seine Seite zu treten, wenn er dem Gegenpabst entsagen,

 

 

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356 Geschichte der Deutschen,

 

den Urban II. als Pabst erkennen, und seinem Sohne, dem jungen Welf, und der Mathildis samt ihren Bundsgenossen das Entzogene wieder abtreten wollte. Ein Sieger, dem das Glück günstig ist, läßt sich seine Eroberungen nicht gern entziehen. Der Kaiser schlug alles ab, und das konnte der ältere Welf voraussehen. Nachdem er nach Deutschland zurückgekommen war, schilderte er den Kaiser als den hartnäckigsten Regenten, und ob wohl immer mehrere auf die kaiserliche Seite übertraten, auch der päbstliche Legat Altmann von Passau mit Tode abgegangen war, so reizte doch Welf die Sachsen und andere Mißvergnügte unaufhörlich, einen andern König zu wählen, wozu sie aber keine grosse Neigung zu haben schienen.

 

Heinrich sahe sich nunmehr als Herrn von Italien an. Die Gräfin Adelheid voy Susa, seine Schwiegermutter von seiner ersten Gemahlin her, war mit Tod abgegangen und hatte einige Enkel hinterlassen.

 

1092

Heinrich welcher glaubte , daß sein Sohn das nächste Recht zu diesen ansehnlichen Staaten hätte, schickte ihn ab, um Besitz davon zu nehmen, und diese Entfernung seines Sohns, den er nun nicht mehr beständig unter den Augen hatte, war der erste Schritt zu seinem Unglück. Anfangs gieng es zwar noch gut. Er gieng über den Po, verwüstete das Modenesische, nahm Montemorello und Montealfredo ein, und

 

 

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357 Fünfte Periode. Heinrich lV.

 

belagerte Montebello. Hier kam sein Pabst Clemens zu ihm , und besprach sich mit ihm wegen der Folgen seines Feldzugs. Die Unterthanen der Gräfin fiengen an schwierig zu werden, und suchten sie zum Frieden zu bereden. Sie besprach sich auch mit ihren Gottesgelehrten, welche ihr zum Frieden riethen. Ein einiger Eremit sprach ihr im fanatischen Tone Muth zu, und in ihrem gleich fanatischen Sinne erklärte sie , daß sie lieber sterben, als mit Heinrich, dem Feinde der Kirche GOttes, Friede machen wollte. Aber ihr fanatisches Ansehen verhüllte eine tiefe Staatsklugheit. Denn während daß Heinrich, Montebello belagerte, und allda seinen natürlichen Sohn verlohr, den er mit vielem Gepränge in Verona beysezen ließ; während daß er Reggio selbst eroberte, und auf einmal vor Canossa erschiene, so hatte sie überall solche Anstalten gemacht, welche dem Kaiser schmerzlich wehe thun mußten. Sie belebte ihre Soldaten, ließ die kaiserliche Völker unvermuthet angreifen, schlug sie, nahm ihnen das kaiserliche Hauptpanier ab, und stellte dieses herrliche Siegeszeichen in der Kirche von Canossa auf. Hierauf entdeckte sie auf einmal, was sie bisher ganz geheim verhandelt hatte, und dieses konnte sie nun desto bequemer thun, da Heinrich wegen einer Unterredung, die er in Person mit dem K. Ladislaus von Ungarn zu halten gesonnen war, über die Alpen zurückgieng, aber auch hier das Unglück hatte, daß

 

 

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358 Geschichte der Deutschen,

 

ihm Welf IV. mit einem grossen Trupp Reuterey zu Leibe gieng, und ihn zu fliehen nöthigte.

 

Der Verlust dessen, was er erobert hatte, war schmerzhaft.

 

1093

Noch schmerzhafter aber war der Verlust seines Sohns Conrads, der ihm nunmehr von seinen Feinden von der Seite gerissen, und ihm entgegen gesezt wurde. An diesem traurigen Schauspiel hatte wohl Mathildis den grösten Antheil, wie es denn auch ihrem unternehmenden Geiste glückte, ein Buündniß der vier Städte, Mayland, Cremona, Lodi und Piacenza zu bewirken, welche dem Heinrich den Krieg ankündigten. Heinrich hatte ohne Streit ein gegründetes Recht auf die Markgrafschaften Susa, Turin und Ivrea, und andere Güter in Italien und Burgund, als Reichslehen. Und auf die Allodialien, welche unter fünf oder sechs Erben vertheilt werden sollten, gewährten die Rechte dem Sohne Heinrichs eine eben so gegründete Ansprache; als den andern weiblichen Erben. Diese Ursachen hatten den Kaiser bestimmt, seinen Sohn abzuschicken, um Besitz von den Lehen und den Allodial-Gütern zu nehmen, z) und man kan

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z) Sehr partheyisch schreibt Bertold von Costniz alles Recht nur allein dem Grafen Fridrich zu, einem Sohne Friderichs († 1091) und Enkel Ludwigs, Grafen von Moncon, und der Sophia, mütterlicher Muhme der Gräfin Mathildis. Der damals noch lebende Graf Friderich, dem die päbstlich gesinnte Schriftsteller wider den Heinrich alles Recht beymessen, hatte zur Mutter die Adelheid, eine Tochter des Markgrafen Peters, ältesten Sohns der Gräfin Adelheid von Susa.

 

 

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359 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

den Kaiser hierinnen keiner andern Ungerechtigkeit beschuldigen, als wenn er mit Ausschliessung aller andern weiblichen Erben alles an sein Haus hätte ziehen wollen. Conrad war ein junger Prinz von guten Sitten, von grösserem Ehrgeiz als Verstand, von einer Frömmigkeit, die mit dem Geschmack dieser Zeiten überein kam. Er war also leicht zu verführen. Mathildis, die seinen Character sehr wohl kannte, hatte Leute abgeschickt, die ihm bange machten, daß er eben sowohl verbannt sey, als sein Vater, weil er mit ihm in Religions-Sachen zu thun hätte. Durch solche Verblendungen brachte man ihn endlich dahin, daß er zur Beförderung der Ehre GOttes die heiligste Pflichten gegen seinen Vater vergaß. So bald der Vater Nachricht von der Verführung erhielt, hieß er ihn vor sich berufen, und in Verhaft setzen. Matbildis fand Mittel, ihn zu befreyen, man brachte ihn an ihren Hof, und sie brachte es dahin, daß ihn der Pabst vom Banne lossprach. Man streute hierauf die unverschämteste Lügen aus, wie ihn sein Vater behandelt habe, und der Partheygeist hielte es für eine Pflicht, solche Gerüchte auf die Nachkommenschaft überzutragen. Die Mayländer nahmen ihn in ihre Stadt auf, und der Erzbischoff Anselmus

 

 

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360 Geschichte der Deutschen,

 

krönte ihn zuerst in Monza, hernach it Mayland a) in Gegenwart der Stände, welche Antheil an dieser Veränderung hatten. Bald hernach starb der Erzbischoff Anselmus, und Conrad übte das glänzende Recht aus, den neuen Erzbischoff Arnulfus zu ernennen, und ihn zu investiren, worauf ihn die noch anwesende Suffragan-Bischöffe einweyhen sollten. Aber gleich diese erste Handlung Conrads wurde vom römischen Hofe nicht genehmigt. Unter den Suffragan-Bischöffen war nur ein einiger zugegen, der gut katholisch war. Man hatte ihm also die Hand nicht aufgelegt, sondern blos in seine Erhebung gewilligt. Der päbstliche Legat vernichtete also diese Wahl, und Arnulf begab sich in ein Kloster.

 

Dieser wichtige Vorfall gab dem Systeme Heinrichs eine ganz neue, aber betrübte Wendung. In Italien hatten die vier Städte ihren Bund auf 20 Jahre gemacht, und ihnen traten immer neue Städte bey. In Deutschland empfieng der apostolische Legat, Bischoff Gebhard von Costniz von Welf IV. den Eyd, ein Vasall oder Ritter des h. Peters zu seyn. Und eben diesen Eyd hatte er auch von seinem leiblichen Bruder, Herzog Bertold II. von Zähringen, genommen, den die päbstliche Parthey, nachdem Bertold, Rudolphs Sohn, schon im J. 1090 gestorben war, schon das vorige Jahr feyerlich als Herzog von Schwaben erwählt

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a) Landulfus der jüngere, Cap. I. rer. Ital; T. V.

 

 

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361 Fünfte Periode. Heinrich lV.

 

hatte. Alle diese Fürsten kamen in Ulm zusammen, und verstanden sich miteinander, daß man in Ansehung des Geistlichen dem Bischoff Gebhard nach den kanonischen Gesetzen, in weltlichen Dingen aber dem Herzog von Schwaben, Bertold, und den Grafen nach den schwäbischen Gesetzen gehorchen sollte. Hierauf beschworen sie den Frieden, den sie alle, Grosse und Kleine, vom 25 November bis auf Ostern und von Ostern an auf zwey Jahre beobachten wollten. Als sie nach Haus kamen, liessen sie diesen Frieden auch in ihren Landen beschwören, und Herzog Welf IV. machte hierauf eine Reise nach Italien, um dem neuen König seine Dienste anzutragen.

 

Noch nie war Heinrich auf einmal auf einer so empfindlichen Seite angegriffen, und von so wiederholten Unglücksfällen betroffen worden. Alle Alpenpässe waren durch seine Feinde besezt, sein Sohn hatte das Joch abgeworfen, alles verließ ihn. Er begab sich in diesem marternden Harm seines Gemüths in ein vestes Schloß, und lebte eine Zeitlang als eine Privatperson ohne königliches Gepränge. Seine Gegner melden von ihm, daß er sich aus Verzweiflung selbst habe tödten wollen, wo er nicht von den Seinigen zurückgehalten worden wäre. Er verfügte sich hierauf nach Verona, wo sein Pabst Clemens III. war. Diesem war bey solchen Umständen seine Würde eine Last, und und er bot sich selbst an, seinen Rechten zur

 

 

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362 Geschichte der Deutschen,

 

päbstlichen Krone zu entsagen, wenn man unter diesen Bedingungen den Frieden erlangen könnte. Aber die Anhänger des Pabstes und der Mathildis liessen sich deswegen nicht einmal in Unterhandlungen ein. Sie sahen es für vortheilhafter an, den Vater durch den Sohn zu Grunde zu richten, und Urban II. hatte sich einmal in den Sinn gesezt, die Absetzung des Kaisers nach gregorianischem Plane auszuführen, und die päbstliche Unabhängigkeit auf diese Grundsäulen zu bauen. Er konnte nun freyer nach Rom kommen, und seine Feinde allda bekriegen. Jedoch erlaubte ihm eine grosse Dürftigkeit und sein Mangel an Geld nicht, grosse Thaten zu thun.

 

1094

Er schrieb an die Bischöffe und Aebte in Aquitanien, Gascogne und Nieder-Burgund, ihn mit Geld zu unterstützen. Der Abt Renald von S. Cyprian bey Poitiers, und Gervasius, Abt von S. Savin, mußten für ihn eine Collecte sammlen. Die grosse Bedürfniß des Pabstes hatte unter andern auch den Abt Gottfried von der h. Dreyeinigkeit in Vendome bewegt, selbst nach Rom zu gehen, und dem Pabst mit all seinem Vermögen zu dienen. So bald die Römer Geld sahen, das ihnen Heinrich nicht mehr geben konnte, waren sie bereit, alles zu thun, und dem Kaiser und seinem Gegenpabst zu entsagen. Urban II. der sich nun mit etwas mehr Geld aus Frankreich unterstüzt sahe, war auch mehr im Stande, etwas zu unternehmen. Er hielte sich bisher im Hause des Johannes

 

 

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363 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

Franginani, das so, wie die meiste Häuser der römischen Edelleute bevestigt , und mit einem Thurme versehen war, ganz verborgen auf, als ihm Ferruccio, der den Lateran-Pallast samt der Kirche im Namen Clemens III. im Besitz hatte, anbot, ihm den Pallast abzutreten, wenn er ihm dagegen eine Summe Gelds gäbe.

 

1094

Vergeblich wandte sich Urban an die Cardinäle und Bischöffe, welche so wenig Geld, als er, hatten. Ein solcher Zufall preßte dem ehrgeitzigen Pabste Thränen aus, welche durch die großmüthige Anerbietung des Abts Gottfrieds von Vendome bald abgetrocknet wurden. Dieser verkaufte alles, was er hatte, und brachte so viel Geld zusammen, daß Ferruccio davon konnte befriedigt werden. Dreyzehen tausend Thaler oder hundert Mark Silber, wie sie der Abt selbst nach den damaligen Zeiten ausgleicht, gewinnen dem Pabste den Lateran-Pallast, welcher den Abt und seine Nachfolger für diese Gefälligkeit als gebohrne Cardinal-Priester der römischen Kirche ernannte. Die Aebte blieben wohl 300 Jahre über im Besitze dieser Würde.

 

In Deutschland vermehrte sich bey diesen Umständen der Anhang des Pabstes. Der apostolische Legat, Bischoff Gebhard von Costniz, hielte nicht nur in dieser Stadt ein Concilium, wo er wider den Concubinat der Geistlichen und die Simonie eiferte, und das Volk unter dem Banne von solchen Priestern trennte, die sich mit

 

 

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364 Geschichte der Deutschen,

 

Eheflecken befleckt hatten, sondern es berief auch der Erzbischoff Hugo von Lyon, als Legat des apostolischen Stuhls, in Burgund die Erzbischöffe, Bischöffe und Aebte zusammen, und erneuerte den Bann wider den K. Heinrich, den kaiserlichen Pabst und alle ihre Anhänger. Dieser Keim des Ungehorsams nöthigte den Kaiser, selbst eine Reise nach Burgund und Lothringen zu thun, wo er so viel möglich die Sachen in gute Ordnung einleitete. Er hatte seinem meineydigen Sohn das Herzogthum Niederlothringen bereits entzogen, und es dem Herzog Gottfried von Bouillon übertragen, der ihm bisher so wesentliche Dienste gethan, den Afterkönig Rudolph erlegt hatte, und bey der Einnahme von Rom zuerst in die Stadt eingedrungen war. Denselben schüzte er, so viel er konnte, nahm die nöthige Abrede mit ihm, um in diesen Gegenden einen Fürsten zu haben, auf den er sich verlassen konnte, und gieng hernach wieder nach Italien zurück. Im deutschen Reiche aber wütete der Geist der Uneinigkeit aufs fürchterlichste, und hätte die traurigste Folgen. Der Fürstenbund wandte zwar alles an, um diese Folgen zu hemmen; Herzog Welf von Bayern und Herzog Bertold von Schwaben brachten es auch dahin, daß Schwaben, Ostfranken, Elsaß und Bayern mit einander zu Behauptung des Friedens gemeine Sache machten, und alle Länder vom Rhein an bis nach Ungarn denselben zu halten versprachen. Allein man achtete doch nicht allzu

 

 

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365 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

viel darauf, und der einige Herzog Bertold von Schwaben hatte die Ehre , daß er für die Ordnung am meisten that, und durch seine Gerechtigkeitsliebe sich überall beliebt machte.

 

Während der Abwesenheit des Kaisers hatte ihn ein anderer Unfall betroffen. Seine zwote Gemahlin Adelheid, welche er aus Verdruß oder aus Mißvergnügen über ihre Aufführung, die ihm in den Umständen, in welchen er war, gedoppelt bedenklich scheinen mußte, das vorige Jahr in Verona hatte fest setzen lassen, war ihm den Winter über entwischt, und hatte ihre Zuflucht bey der Gräfin Mathildis gesucht, welche ihr zu ihrer Befreyung geholfen hatte. Sie hatte ihren Gemahl auf dem obgemeldten Concilio von Costniz angeklagt, und solche abscheuliche Dinge wider ihn angebracht, die sie zu ihrer eigenen Ehre, auch wenn sie wahr gewesen wären, in einem ewigen Stillschweigen hätte verbergen sollen. Als Mathildis ein solches Pfand in Händen hatte, wovon sie nach ihren Staatsabsichten einen willführlichen Gebrauch machen konnte; so war es ihr viel leichter, einige lombardische Vestungen von der kaiserlichen Parthey abzubringen, welches dem Kaiser einen grossen Stoß gab. So traf er die Sachen bey seiner Rückkunft nach Italien an. Er begab sich demnach nach Treviso, dessen Bischoff ihm beständig getreu geblieben war, suchte die Bischöffe durch Abtretung verschiedener Regalien zu gewinnen, und fieng eine

 

 

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366 Geschichte der Deutschen,

 

eine Unterhandlüng mit den Venetianern an. Da diese Insulaner bisher beständige Kriege mit den Normannen geführt, so trauete er ihnen nach dem System von Italien am meisten , und es freuete ihn nicht wenig, als er drey Gesandte von Venedig bekam, welche ihn um die Bestätigung ihrer Verträge mit den deutschen Kaisern und Königen von Italien baten. Er erkannte es dankbar, daß sie sich nichts mit seinem widerspenstigen Sohne zu thun machten, und versprach ihnen, selbst in ihre Stadt zu kommen.

 

1095

Sein Versprechen hielte er auch wirklich das folgende Jahr, war seht vergnügt in dieser Stadt, vertrat die Patenstelle bey einem Kinde, das dem Doge gebohren wurde, und bestätigte im Monath Junius durch seinen Canzler, B. Wallbrunn von Verona, alle Verträge mit dieser Nation.

 

Aber die Vertraulichkeit mit den Venetianern konnte ihn doch nicht wider die Nachstellungen der Mathildis schützen. Diese lud nunmehr den Pabst ein, selbst nach der Lombardie zu reisen, um durch seine Anwesenheit seiner Parthey aufzuhelfen. Urban schrieb deswegen an alle Metropolitane von Italien, von Burgund, von Lothringen, von Deutschland, von Frankreich, sich auf dem Concilio von Piacenza einzufinden. Er war noch am Ende des vorigen Jahrs von Rom abgereißt, und in Pisa angekommen, wo ihn Mathildis

 

 

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367 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

mit allen Ehrenbezeugungen aufnahm.

 

1095

Mit Alnfang des Jahrs kam er in Guastalla an, wo er auf einer besondern Versammlung alles zubereitete, was in Piacenza sollte abgehandelt werden. Mathildis führte ihn in ihr Schloß Canossa, und bewirthete ihn aufs prächtigste. Hierauf begab er sich über Cremona nach Piacenza, und eröfnete das Concilium am 1 März. Der Zusammenlauf von Leuten war außerordentlich. Man zählte beynahe 200 Bischöffe, 4000 Geistliche, und über 30000 Layen, welches den Pabst nöthigte, die Sitzungen auf freyem Felde zu halten. Man beschäftigte sich von neuem mit dem Verbote der Simonie der Priester-Ehe, der Layen-Investituren und der falschen Bussen. Wider den Wibert und seine Anhänger wurden die Bannstralen von neuem losgedrückt, und wenn man auch den Kaiser nicht namentlich verbannte, so traf ihn doch der Bann auf einer andern Seite. Zur Aergerniß rechtschaffener Männer wiederholte hier Mathildis das Schauspiel mit der Kaiserin Adelheid, welche alles, was man abscheuliches sagen konnte, in Gegenwart der Beysitzer wiederholte. Der Pabst und die Bischöffe rechneten es ihr als ein grosses Verdienst an, daß sie in ihrer Gegenwart sich wegen solcher Greuel angeklagt hatte. Sie sahen sie sehr zweydeutig als den leidenden Theil solcher Unflätereyen an, und legten ihr deswegen nicht einmal eine Busse auf. Das konnte man auch desto weniger thun, weil sie bey dem Trauerspiel

 

 

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368 Geschichte der Deutschen,

 

eine so wesentliche Rolle vorgestellt, und den Kaiser vor so vielen tausend Menschen durch ihre Anschwärzungen verhaßt gemacht hatte. Hier kamen auch Gesandte vom griechischen Kaiser an, welche um Hülfe wider die Ungläubige baten. Sie fanden Gehör, und der Pabst empfahl den Christen die Eroberung der heiligen Länder. Er begab sich hierauf nach Cremona, und besprach sich am 10 April mit dem König Conrad, der ihn empfieng, ihm die Pflichten eines Stallmeistes entrichtete, und den Eyd der Treue leistete. Für diese niederträchtige Schmeicheley gab ihm der Pabst die süsseste Hofnung, welche ihn am wenigsten kostete. Er nahm ihn als einen Sohn der römischen Kirche an, und versprach ihm die kaiserliche Krone, wenn er die Rechte der Kirche behauptete, und die apostolische Dekrete, vornemlich jene von den Investituren, beobachtete. Welf V. und Mathildis überlegten hierauf gemeinschaftlich mit dem Pabste, was man ihm für eine Prinzeßin ausfindig machen könnte. Das natürliche System leitete sie auf das normannische Haus, aus welchem man ihm die Prinzeßin des Rogerius, Mathildis, vorschlug. Urban II. schrieb selbst an den Rogerius, stellt ihm den Ruhm und den Nutzen vor, wenn er seine Tochter zur Königin machen, und den Bräutigam in den Stand setzen würde, seinem Vater zu widerstehen, und über die Feinde der Kirche GOttes zu triumphiren. Rogerius ließ sich hiezu bereden, und schickte

 

 

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seine Tochter mit reichen Geschenken zur See nach Pisa, allwo sie Conrad empfieng, und sich gleich mit ihr trauen ließ; Urban II. hielte sich noch einige Zeit in der Lombardie auf, kam nach Mayland, zog allda den Erzbischoff Arnulph aus seinem Kloster herfür, und ließ ihn durch drey deutsche Bischöffe von Salzburg, von Passau und von Costniz einweyhen, worauf er in Begleitung einiger Bischöffe die Reise nach Frankreich machte. Nachdem er hier hin und wiedey einige Kirchen eingeweyht, so berief er auf Martini auch die weltliche Fürsten zu einem Concilio nach Clermont in Auvergne. Unter andern Geistlichen fanden sich allda auch deutsche Bischöffe ein, und waren Zeugen von dem Eifer, mit welchem man den ersten Kreuzzug wider die Unglaubige und Anhänger des Mahomets ansagte. Ungeachtet der fanatische Peter der Einsiedler auch Deutschland durchstreift, und den Völkern Muth gemacht hatte, Jerusalem die heilige Stadt, den Unglaubigen zu entziehen, so waren doch unter dem ersten Schwarm von Kreuzfahrern die Deutsche die wenigste, und es kostete sie mehr Ueberlegung, bis sie durch wiederholte fanatische Anfälle sich entschlossen, vollkommene Vergebung ihrer Sünden durch dieses Mittel zu suchen.

 

Der Kaiser spielte freylich bey allen diesen Auftritten eine sehr mittelmäßige Figur. Er hielte in Padua Gericht, nahm Güter von Klöstern in seinen Schuz, belagerte mit Hülfe der

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370 Geschichte der Deutschen,

 

Veroneser Nogara, wurde aber durch die Truppen der Mathildis verjagt, und mußte

 

Gepäck und alles zurücklassen. Alles fiel in die Hände seines boshaften Sohns. Es hatte sich aber eine Begebenheit ereignet, die ihm neue Hofnung machen konnte. Die päbstliche Parthey selbst war uneins geworden, und schon bey dem Angriff von Nogara war Welf V. bey dem Kaiser, der bisher so eifrig wider ihn gestritten hatte. Welf war nicht mehr der Gemahl der Mathildis, sondern hatte sich eigenmächtig von ihr getrennt. Als diese schlaue Fürstin aus Gehorsam gegen den Pabst den Welf geheurathet hatte, so reizte sie ihn durch die glänzendeste Versprüche. Da sie in der Lombardie alle Macht in Handen hatte, und keinen König über sich erkannte, so stand es in ihrer Gewalt, den Welf durch die Hofnung von Städten und Vestungen, durch Herzogthümer und Markgrafschaften zu bethören. Welf nannte sich auch wirklich, so lang er ihr Gemahl war, Herzog von Spoleto und Markgraf von Tuscien. Aber die politische Bettachtungen, welche die Ehe zu schliessen angetan hatten, lösten sie nun wieder auf. Die alte Mathildis hatte für einen jungen Herrn zu wenig Reitze, und die Liebe, welche sie nach dem verdienstlichen Aberglauben dieser Zeiten nicht kennen wollte, verband die Gemüter nicht. Man hatte zwar die Schenkung, die Mathildis von ihren Gütern an den römischen Stuhl gemacht, dem welfischen Hause zu Gefallen

 

 

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371 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

wieder aufheben müssen, aber der päbstliche Hof arbeitete doch heimlich wider das welfische Haus, welches seine durch den Ehe-Contract erlangte Rechte wieder verlieren sollte. Welf V. hatte sich überdiß Hofnung gemacht, König in Italien zu werden, und als Conrad dieser Ehre theilhaftig wurde, und sich Welf in seiner Hofnung betrogen sahe, so wurde er des Stolzes der Mathildis müde, welche nur immer mit Conrad sich zu thun machte, heimliche Unterredungen mit ihm hielte, den Welf von den Geheimnissen ausschloß, und mit dem Pabste die wichtigste Dinge ausmachte. Er brach also öffentlich mit ihr, und gieng davon. Sein Vater kam selbst nach Italien, und suchte die Eintracht wieder herzustellen. Am meisten aber war es ihm um die Erfüllung der Ehepacten zu thun, welche Mathildis zu erfüllen sich weigerte. Als endlich der Herzog Welf von Bayern wahrnahm, daß diese Prinzeßin ihre Guter bereits einem andern zugedacht habe, so wurde er über diese Ränke, die man seinem Hause spielte, so erbost, daß er öffentlich auf die kaiserliche Parthey übertrat, und den Heinrich in sein Interesse zog. Nach dem unglücklichen Ueberfall bey Nogara aber begab er sich wieder nach Deutschland, und wandte allda alles an, damit Heinrichs Anhang wieder das Uebergewicht erhielte.

 

1096

Heinrich hatte ihm auch auch sein Herzogthum Bayern wieder feyerlich verliehen, und bald hernach,

 

1098

als er die augenscheinlichste Proben von der Treue dieses Herzogs

 

 

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372 Geschichte der Deutschen,

 

erfuhr, die Nachfolge im Herzogthum Bayern auch seinem Sohne versprochen.

 

Urban II. kam aus Frankreich nach Verfluß beynahe eines Jahrs wieder nach Italien, und wurde von der Mathildis in Pavia empfangen.

 

1096

Er besuchte Mayland, durchreißte die Lombardie und Toscana, und begab sich in Begleitung der Gräfin nach Rom, welche Stadt sich ihm in seiner Abwesenheit fast ganz unterworfen hatte. Indessen empfand Deutschland die Wirkungen von der Erfindung Urbans. Die Kreuzfahrer durchwanderten Deutschland, besonders Schwaben und Bayern, und richteten, wo sie hinkamen, nichts als Unheil an. Ihre Raserey brach zuerst wider die Juden aus, welche sie, wann sie nicht augenblicklich Christen wurden, niedermachten, wo sie sie fanden. Diese Unglückliche mußten sich in Speyer in den Pallast des Kaisers und des Bischoffs flüchten, um sich wider die mörderische Ausschweifungen zu schützen, sie fanden auch bey dem Bischoff Johannes selbst Mitteiden, der sie wider ihre Feinde schüzte, und viel duldender behandelte, als der Bischoff von Worms, der sie, als sie sich in seinen Pallast retteten, nicht anders schützen wollte, als wenn sie Christen würden, welches sie so zur Verzweiflung brachte, daß sie in dem Schlafzimmer des Bischoffs sich entleibten b). Mehrere Ordnung beobachtete das Heer, das Gottfried von Bouillon

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b) Bertoldus Const. ad a. 1096.

 

 

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373 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

anführte. Dieser tapfere Fürst, den der Kaiser anfangs zum Markgrafen von Antwerpen und nach der Empörung seines Sohns zum Herzog von Niederlothringen erklärt hatte, entsagte seinem Fürstenthum zum Vortheile seines Vetters, Graf Heinrichs von Limburg, der sich aber auch nicht allzulang in seiner Würde behauptete.

 

Urban war von den Kreuzzügen so eingenommen, daß er selbst über Benevent nach Chieti reißte, um sich mit den Bischöfen hievon zu besprechen.

 

1097

Ueberall, wo er hinkam, predigte er das Creuz, unter dieser Andacht aber vernichtete er die Rechte des Kaisers, und zog unter andern die kaiserliche Abtey Casauro, welche K. Ludwig II. gestiftet hatte, unmittelbar unter seinen Gerichtszwang, welches dieser Abt desto mehr sich gefallen lassen mußte, weil er überall von den Normannen umgeben war, welche seine Güter plünderten. Der Pabst übergab ihm statt des kaiserlichen Zepters den Hirtenstab, und suchte auch noch bey der Verleihung die Ehre des Kaisers zu beschimpfen c). Am Ende des Jahrs kam er wieder nach Rom zurück, und nöthigte endlich den Gegenpabst, der sich bisher noch immer im sogenannten

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c) Caesaris ob sceptrum baculum tibi porrigo dextrum, Quo bene fis fretus: plus Caesare dat tibi Petrus. sagt er zum Abt. So wird er wenigstens in einem Ms. von der Chronick von Easauro in der königlichen Bibliotheck von Paris vorgestellt.

 

 

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374 Geschichte der Deutschen,

 

Thurm von Crescentius behauptet hatte, Rom zu verlassen. Wibert zog sich nach Ravenna, wo seine Truppen nie aufhörten, die Bischöffe und Mönche zu beunruhigen, die nach Rom reißten. Heinrich verließ endlich Italien gänzlich, nachdem er zuvor die hinterlassene Güter seiner Schwiegermutter getheilt hatte. Adelheid hatte in der ersten Ehe den Herzog Hermann IV. von Schwaben, nach dessen Tod sie den Markgraf Orto von Ivrea heurathete. Nach dem Tode ihres Manns hatte sie es, da keine männliche Erben vorhanden waren, dahin gebracht, daß sie durch ihren Tochtermann im Besitz der Reichslehen gelassen wurde. Nach ihrem Tode hatte zwar Heinrich ihre Güter seinem Sohne zugedacht, seine Empörung aber hinderte den Vater, den Geist der Meuterey durch Reichslehen zu belohnen. Er hatte andere Freunde, welche er damit beehren wollte. Humbert II, Graf von Maurienne, hatte schon zuvor seine Gnade erprobt, da er Tarantaise, ein burgundisches Lehen, ihm aufgetragen und befohlen hatte, den räuberischen Aimerich, über den sich seine Unterthanen so sehr beschwehrten, zu strafen. Da nun der Kaiser Italien verlassen mußte, so suchte er sich den Weg durch Burgund nach Italien immer offen zu behalten. Zu diesem Ende verband er sich den Markgraf Bonifacius II. von Montferrat, indem er ihm einen Theil von der Markgrafschaft Susa, nemlich Savona, welches von diesen Zeiten an beständig

 

 

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375 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

den Titel einer Markgrafschaft führte, zutheilte. Graf Humbert II. aber, ein Tochtermann und Schwager der Grafen von Burgund, schien ihm wegen seiner Treue und wegen der Lage seiner Staaten der tüchtigste zu seyn, das burgundische Reich vor allem Ueberfall zu schützen. Er belehnte ihn demnach mit der Markgrafschaft Susa und Turin, und zugleich mit einem Theil der Markgrafschaft Ivrea. Dieser erste Grund zur Grösse des Hauses Savoyen, der ihm viele Ehre bringt, bewegte den Humbert II, seine Neigung zu den Kreuzzügen schwinden zu lassen, und als neuer Markgraf seine Staaten zu beherrschen.

 

Heinrich flohe also nicht als ein Nero aus Italien, wie ihn seine Feinde anschwärzen. Er machte die klügste Anstalten, wodurch er seine kaiserliche Hoheit rettete, und nachdem er seine Rechte gesichert hatte, begab er sich nach Deutschland zurück, wo er die meiste Zeit theils in Regensburg, theils in Nürnberg und Speyer zubrachte, und gleich eine Probe seiner Duldung gab. Die Juden, die bisher so harte Verfolgungen erlitten hatten, wandten sich an ihn, baten um Schuz, boten ihm Geld an, und erlangten, daß sie im deutschen Reiche vollkommene Gewissensfreyheit haben sollten. Er hielte hierauf im December eine Zusammenkunft der Fürsten, beklagte sich über die Untreue seines Sohns, und erklärte, daß er ihn nicht mehr als König von Deutschland ansehen könnte,

 

 

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376 Geschichte der Deutschen,

 

dem das Recht der Nachfolge zustände. Es wurde auch alles Ernstes an einem Frieden gearbeitet, und da das welfische Haus nun gut für den Kaiser gesinnt war, so kam es auch dahin, daß Bertold II. von Zähringen, ein Herr, der die Billigkeit liebte, sich des Herzogthums Schwaben begab, und vom Kaiser mit der Reichsvogtey über Zürch belehnt wurde, auch alles beybehielt, was er im Turgau, am Rhein, im Schwarzwald, Breisgau und Mortenau besaß.

 

Conrad regierte indessen im italiänischen Reiche ganz nach dem Sinne des Pabstes und der Mathildis. Er verlohr aber einen grossen Freund, dessen Tod auch die welfische Familie in Deutschland angieng. Es starb Albert Azzo II. von Este, Markgraf und Graf von Mayland und Ligurien, und hinterließ drey Söhne; mit seiner ersten Gemahlin Kunigunda, der Erbin des welfischen Hauses, zeugte er den Herzog Welf IV. von Bayern, mit der zwoten, Garsendis, aus dem Hause Maine, den Hugo von Maine, der in den Kriegsdiensten der Gräfin Mathildis stand, und den Fulco, den Stifter der Markgrafen von Este und Herzoge von Modena. Hugo hatte, als er nach Maine abgieng, auf die Güter seines Vaters in Italien Verzicht gethan, ob er wohl hernach wegen seiner unglücklichen Schicksale wieder nach Italien kam. Beede Brüder aber hatten vom Kaiser Heinrich IV. schon im J. 1077,

 

 

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377 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

zu einer Zeit, da Heinrich auf den Welf äusserst erbittert war, ein Bestätigungs-Diplom aller ihrer Güter in Italien gesucht und erhalten. Weil sich aber indessen die Umstände so sehr geändert hatten, so machte Welf, Herzog von Bayern, auf seine mütterliche Güter Anspruch, und, als seine Brüder sich nicht gutwillig dazu, verstanden, so ward er genöthigt, sein Recht, mit bewehrter Hand auszuführen. Die beede Markgrafen widersezten sich ihm alles Ernstes, es blieb also dem Welf nichts übrig, als sich durch Bündnisse mit dem Herzog Heinrich von Kärnthen und Markgrafen von Verona, und dessen Bruder dem Patriarchen von Aquileia, zu verstärken. Es glückte ihm auch einen Theil von den Gütern seines Vaters zu erobern: Aber Fulco hatte in Italien eben so mächtige Freunde.

 

1098

Er eroberte das Verlohrne wieder, und das Haus Este besaß hernach verschiedene Stücke des welfischen Hauses in Ruhe, welches ihm durch einen in der Geschichte nicht angemerkten Vergleich bestätigt worden seyn kan.

 

Welf IV. beobachtete eine unverrückte Treue gegen den Kaiser, und hielt auch seine Söhne in Schranken, als sie durch mancherley Verführungen zu einer Empörung gereizt wurden. Er söhnte sie mit dem Kaiser aus, und sorgte für ihr künftiges Wohl. Es versuchte es auch Graf Comad von Hohenburg an der Lautra im Nordgau sich zu empören,

 

 

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378 Geschichte der Deutschen,

 

verlohr aber seine Burggrafen-Stelle von Nürnberg. Der Kaiser behauptete also seine Ehre wider alle Anfälle, und suchte die Ungerechtigfeiten auszuspähen und zu bestrafen. Als er in Maynz war, konnte er sich nicht enthalten, wegen des Vermögens der Juden eine sorgfältige Untersuchung anzustellen. Als er fand, daß der Erzbischof Ruthard und seine Anverwandte selbst Antheil an dieser Verfolgung hätten, welche sich nicht gescheut, die Verlassenschaft der Ermordeten sich zuzueignen, ließ er sie seine Ungnade fühlen. Der Erzbischoff und seine Anverwandte flohen eilends nach Thüringen, der Kaiser aber zog die Erzbischöfliche Einkünfte zur kaiserlichen Kammer, und ließ die Häuser der andern niederreissen. Zu diesem Verfahren wurde er desto mehr berechtigt, als Ruthard sich alle Mühe gab, ihm in Thüringen neue Feinde zu erregen d). Man erstaunte, daß ein Erzbischoff sich der Mörder auf eine so hartnäckige Weise annehmen sollte, und man konnte hievon keine andere Ursache angeben, als daß er sich selbst vom Gelde der verfolgten Juden bereichert habe. Ueberhaupt waren diese Zeiten für die Juden sehr beschwerlich. Man hatte sie gezwungen, Christum zu bekennen. So bald sie davon nicht überzeugt seyn wollten, und in ihren alten Gewohnheiten fortfuhren, verfolgte man sie, nicht aus Liebe zur Religion, sondern aus Begierde, ihre Reichthümer zu erhaschen. Brecislaus in Böhmen,

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d) Abbas Ursp. ad a. 1098.

 

 

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379 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

der gewahr wurde, daß sich viele dieser unglücklichen Leute nach Polen und Ungarn zogen, ließ sie überfallen, und so viel Geld von ihnen erpressen, daß die böhmische Geschichtschreiber selbst ihr Erstaunen hierüber nicht verbergen konnen e).

 

Der Kaiser wandte demnach viele Mühe an, die Ordnung in Deutschland wieder herzustellen, und herrschte mit mehr Ruhm, als sein Sohn in Italien. Sein Gegenpabst Wibert wurde zwar immer kleiner, und verlohr endlich auch die Engelsburg. Aber Conrad wurde auch nicht grösser, sondern lebte mit wenigem Gepränge. Die Andacht dieser Zeiten hatte ihn ganz eingenommen, er las und betete viel, machte sich aber wenig furchtbar. Sein stiller Character war der Mathildis anständig, welche indessen nur mit desto grösserem Ansehen herrschte, auch die Stadt Reggio, die der Kaiser erobert hatte, wieder hinweg nahm. Conrad war sich seines Fehlers wohl bewußt, er sprach auch immer mit der grösten Hochachtung von seinem Vater, empfieng die Deutsche, die zu ihm in Geschäften seines Vaters kamen, höflich und liebreich, und nannte sich einen Mitknecht des Kaisers. f) Aber hiedurch verbesserte er seine Umstände nicht, und man achtete so wenig auf ihn, daß bey der neuen Wahl eines Erzbischoffs

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e) Cosmas Prag. apud Menken.

f) Annalista Saxo.

 

 

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380 Geschichte der Deutschen,

 

von Mayland die päbstliche Legaten blos nach ihrer Willkühr handelten, und daß Mathildis dem Neugewählten einen Hirtenstab zuschickte, eben als ob sie ihn statt des Königs, der schon zuvor dem Investiturrecht entsagt hatte, investiren wollte. Conrads Regierung war demnach mehr eine Regierung der Päbste und der Mathildis in der Lombardie, und der König befahl nicht so wohl, als daß er das, was der Pabst befahl, befolgte.

 

1099

Der Kaiser, sein Vater, sahe ihn als einen unwürdigen Sohn an, und berief eine Versammlung der Fürsten nach Aachen, wo er dem Conrad, wegen Felonie die Krone des deutschen Reichs entzog, und seinen zweyten Sohn Heinrich als König krönen ließ. Diese Feyerlichkeit geschahe am Feste der Erscheinung, und Heinrich mußte sich besonders durch einen Eyd verpflichten, nichts widey seinen Vater zu unternehmen. Urban beschäftigte sich bis an sein Ende mit Concilien. Auf dem lezten, das er zu S. Peter in Rom im Monat April hielte, verbannte er den Gegenpabst und seine Anhänger noch einmal, und suchte die Anstalten der Kreuzzüge aus allen seinen Kräften zu befördern. Er starb den 25 Julii, und hatte den Ruhm, daß er die Ansprüche des romischen Hofs durch seine feinste Ränke befördert hatte. Es ist leicht zu vermuthen, daß dieser Todesfall den Kaiser minder geschmerzt, als der Verlust seines getreuen Lehrmeisters, des B. Conrads von Utrecht,

 

 

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381 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

eines Schwaben, dem er Ostfriesland geschenkt hatte. Wir haben oben seinen unglücklichen Krieg berührt, den er mit dem Graf Dieterich von Holland wegen Isselmünde geführt. Er hatte seinen Lehrling bisher auf öffentlichen Zusammenkünften vertheidigt, und wurde wegen seiner Gelehrsamkeit hoch geschäzt. Ein friesländischer Baumeister, der wegen eines Kirchengebäudes einen Haß auf ihn warf, ermordete ihn meuchelmörderisch, als er eben in seinem Zimmer dem Gebet abwartete. g)

 

Bey der neuen Pabstwahl mußte die Geistlichkeit und das Volk von Rom wieder eine sanfte Gewalt gebrauchen, bis sich Cardinal Raynerius, aus Toscana, ein Benedictiner Mönch und Abt vom Kloster des h. Laurentius entschloß, die päbstliche Mütze anzunehmen. Seine Wahl geschahe den 13 August, und gleich den folgenden Tag wurde er als Bischoff eingeweyht. Er nahm den Nahmen Paschal II an, und da die Gräfin Mathildis zu derselben Gesandte abgeschickt, und sie befördert hatte, so schrieb er ihr gleich einen sehr gnadigen Brief, und empfahl ihr den Schuz der Kirche.

 

1100

Diese Prinzeßin hatte also wieder die Ehre, einen neuen Pabst erhoben zu haben, der aus der Schule des Gregorius VII. kam, und als Legat am spanischen Hofe die Staatsklugheit der Höfe und

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g) Chron. Magn. Belg. apud Pistorium T. III. p. 137.

 

 

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382 Geschichte der Deutschen,

 

die Art, die Geschäfte des römischen Hofs nach gregorianischem Sinne zu verwalten gelernt hatte. Sein Gegner, Clemens III, aber lebte noch, und fieng gleich nach dem Antritt der paschalischen Regierung an, neue Bewegungen zu machen. Er begab sich von Ravenna nach Sutri, und fieng neue Unterhandlungen mit den Römern an, ob sie ihn nicht in ihre Stadt wieder aufnehmen möchten. Die Gegenparthey war viel zu wachsam, und als Wibert durch Unterhandlungen nichts gewan, so fieng er an feindlich zu handlen, und von Alba aus die Römer beständig zu beunruhigen. Dieser Angriffe wurden sie bald müde, sie baten den neuen Pabst, sie einmal von diesen Bedrückungen zu befreyen, sie boten ihm Geld zu den Kriegsunkosten an, und Graf Rotgerius von Sicilien überschickte ihm zu diesem Kriege tausend Unzen Gold. Nun waren die Römer bereit, dem Gegenpabst entgegen zu gehen, sie belagerten ihn in Alba, wo er sich zwar eine Zeitlang vertheidigte, endlich aber Mittel fand zu entkommen, und sich in ein Schloß zu werfen, wo er bald hernach starb. Leute, die ihn persönlich gekannt haben, h) loben ihn als einen gelehrten, beredten und angesehenen Herrn, der von vornehmer Geburt war, und durch sein

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k) der Verf. des ersten Theils der Chronik des Abts von Ursperg. Denn dieser Abt, der seine Nachrichten nur sammlete, konnte es nicht von sich selbst sagen.

 

 

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383 Fünfte Petiode. Heinrich IV.

 

äußeres Ansehen jedermann Hochachtung einflößte. Er wurde wider seinen Willen dem P. Gregorius entgegengesezt, hatte 3 Päbste überlebt, und seine beede Sitze von Rom und Ravenna verlohren. Er starb mit dem Wunsche, den Titel Pabst niemal angenommen zu haben. Seine Anhänger gaben Wunder vor, die bey seinem Grabe in Ravenna geschehen. Paschal fand also für nöthig, ihn ausgraben, seinen Leichnam verbrennen, und die Asche in den Fluß werfen zu lassen. Seine Freunde aber waren noch immer so hartnäckig, daß sie für ihn einen gewissen Albert zum Haupte aufwarfen. Kaum behauptete sich dieser einen Tag, als jene wieder einen Gegenpabst, Dieterich, erwählten, der über drey Monathe seine Rolle spielte. Beede fielen endlich den Normannen in die Hände, welche den ersten in das Kloster des h. Laurentius, und den andern in Cava und Salerno einsperrten. Der lezte lebte bis zum Jahr 1106, und sein Anhang hörte nicht auf, als Pabst anzusehen, als bis er mit Tode abgegangen war.

 

Welch eine betrübte Rolle spielte indessen der andächtige Conrad ? Er empfand die traurige Lage seiner Umstände nur allzuwohl, und wollte nicht mehr König zum Scheine seyn. Mathildis verachtete ihn, so bald sein Vater mit seinem Heere Italien verlassen hatte, weil sie nach ihrer herrschsüchtigen Staatskunst die nämliche Ursachen nicht mehr hatte, den Sohn

 

 

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384 Geschichte der Deutschen,

 

2101 dem Vater entgegen zu setzen.

 

1101

Sie verachtete den schwachen Prinzen, und that, was sie wollte. Conrad konnte sein Mißvergnügen nicht verbergen, kam selbst nach Toscana, hatte einen heftigen Wortwechsel mit ihr, und begab sich sehr erbittert nach Florenz, wo er im Julius starb. Man sage zur Vertheidigung der Mathildis, was man will, i) so haben wir ein Zeugniß eines Schriftstellers dieser Zeiten, k) der uns versichert, daß er nach einem Getränke sein Leben endigte, das ihm der Leibarzt der Mathildis, Aviano, beygebracht hatte. So ward Conrad ein Schlachtopfer einer übel angewandten Andacht.

 

Der Kaiser, der bisher so viele Hülfe aus Böhmen gezogen hatte, wurde nun auch dieser beraubt. Der Herzog Brecislaus war auf der Jagd von einem Räuber ermordet worden, und es entstanden nach seinemTode häufige innere Unruhen wegen der Nachfolge. Die böhmische Stände schickten zwar an den Borivoi, einen Bruder des umgebrachten Fürsten, nach Mähren, und beriefen ihn zur Reichsnachfolge. Er erschien auch, und wurde auf den böhmischen Thron gesezt. Die andere böhmische Prinzen aber waren sehr mißvergnügt, und suchten einen Theil der Länder an sich zu ziehen. Ulrich und Lutold, Söhne des Conrads,

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i) Abb. Ursp.

k) Landulf, der jüngere, accepta potione ab Aviano medico Mathildis Comitissae.

 

 

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385 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

eines Bruders des Wratislaus, der dem Kaiser so wesentliche Dienste gethan hatte, sezten sich gleich in den Besitz von Mähren, und jagten die Besatzungen des Boriwoi davon. Zween andere Prinzen, Bosey und Mutina, welche wegen der Strenge des Brecislaus gegen sie bisher in Polen flüchtig gewesen, erschienen ebenfalls wieder, und Borivoi sahe sich gezwungen, sie zufrieden zu stellen, und einem jeden eine Stadt abzutreten. Bosey bekam Satek, Mutina aber Leutweriz. Jedoch damit war der Thron des Borivoi noch nicht gesichert. Der ehrgeizige Ulrich begab sich nach Regensburg zu dem Kaiser, und lag ihm so lang an, bis Heinrich sich entschloß, seinem Gesuch Gehör zu geben. Er belehnte ihn mit dem Herzogthum Böhmen, und nahm das ihm anerbotene Geld an, überließ es aber den Böhmen, ob sie ihn als ihren Herzog erwählen wollten. Ulrich schickte hierauf einen seiner Freunde nach Böhmen, und ließ den Ständen vorstellen, daß er älter als Borwoi sey, folglich auch ein grösseres Recht zur höchsten Würde habe. Aber der Gesandte kam mit der traurigen Antwort zurück, daß die Stände keine grosse Neigung zu ihm zeigten. Dessen ohngeachtet wollte sich Ulrich noch nicht zufrieden geben, sondern bat den Kaiser, er möchte ihm erlauben, einen Feldzug nach Böhmen zu wagen, und sich hierzu deutscher Völker zu bedienen. Er beredte den Graf Sighard von Burghausen und Schala und den Bischoff von Freysingen

Gesch. der Deutschen II Bd.

 

 

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386 Geschichte der Deutschen,

 

dazu, daß sie ihm Gesellschaft machten. Nachdem er sie durch die reitzendeste Versprüche gewonnen hatte, marschirte er und sein Bruder Lutold mit den deutschen Völkern in Böhmen ein, Borivoi und Zwentopolk, ein Sohn des Otto, dritten Bruders des Wratislaus, giengen ihnen entgegen, und schnitten ihnen die Pässe so ab, daß die Deutsche mit Zurücklassung alles ihres Gepäcks sich durch die Wälder aufs schleunigste zurückbegeben mußten. Borivoi regierte also in beständigem Zwist, that aber doch in der Folge dem Kaiser noch grosse Dienste.

 

Heinrich suchte nichts angelegentlicher, als wie er im deutschen Reiche die allgemeine Ruhe wieder herstellte. Er hatte mit den Fürsten verschiedene Unterhandlungen angefangen, ließ sich von ihnen guten Rath geben. Es stellte sich bey ihm in Maynz eine ziemliche Anzahl derselben ein, und riethen ihm einmütig an, er möchte suchen, mit dem päbstlichen Hofe einen Vergleich zu treffen, und seine Gesandte nach Rom zu schicken, damit einmal die Ruhe der Kirche wieder hergestellt würde, welches nicht füglicher geschehen könne, als wenn er den Paschal, den die Römer und andere Kirchen als Pabst erkennten, ebenfalls als rechtmäßigen Pabst annähme. Der Kaiser versprach zwar, auf das folgende Jahr ein Concilium in Rom halten zu lassen, auf demselben entweder in eigener Person oder durch Gesandte zu erscheinen,

 

 

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387 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

und allda seine und des Pabstes Sache nach den kanonischen Gesetzen untersuchen zu lassen. Aber sobald er gewahr wurde, daß Paschal II. eben so heftig wider ihn arbeitete, als seine Vorgänger, so vergaß er die Aussöhnung mit ihm wieder, und war vielmehr darauf bedacht, dem Pabste durch einen neuen Gegenpabst Verdruß zu machen, oder, wo es möglich wäre, dem Gegenpabst Dieterich, den der Herzog von Apulien gefangen hielte, die Freyheit zu verschaffen. Er sorgte indessen nach allen seinen Kräften für die Ruhe des Reichs. Er hatte, ohne die Widerspenstigkeit des Vaters am Sohne zu rächen, den Sohn des Herzogs Otto, Heinrich den Fetten, als Markgrafen von Frießland ernannt l). Dieser mächtige Fürst aus dem Northeimischen und Böhmersburgischen Hause gieng nach Frießland ab, und nahm mit Hülfe des Bischoffs von Utrecht Besitz von seinem Lande, herrschte mit Ernst, wurde den unbändigen Frießen verhaßt, von ihnen verfolgt, und als er sich auf der Flucht bis an das Meer begab, allda von frießländischen Seeleuten umgebracht. Er hinterließ von seiner Gemahlin Gertrud, einer Tochter Ekbert des I. Markgrafen von Sachsen und Thüringen, zwo Töchtern, wovon die erste Richenza den nachmaligen Kaiser Lotharius, die andere Gertrud, den Pfalzgraf Sigfried am Rhein heurathete. Auf diese Weise blühete das Northeimische Haus noch lang, und

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l) Annalista Saxo. ad a. 1101.

 

 

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388 Geschichte der Deutschen,

 

Heinrich IV. selbst, der es anfangs verfolgt hatte, wurde sein Wohlthäter. Die Sachsen lebten indessen meistens vom Reiche abgesondert, oder sie thaten doch, während dieser Verwirrung wegen der Schwäche des Kaisers, was sie wollten. Wir bemerken, daß sie unter dem Herzog Magnus und dem Erzbischöfe von Bremen besondere Verträge mit dem Graf Udo, zugenannt Ludger, schliessen, Kriege mit den Leutiziern führen, Brandenburg erobern, und daß Udo die Grafschaft Stade seinem Schwager, dem Graf Friderich von Putelendorf, giebt, und die nördliche Mark mit grossem Ruhme beherrscht, auch wegen sein Einnahme von Brandenburg Markgraf von Brandenburg genannt wird m). Heinrich that, soviel er konnte. Kaum erfuhr er in Lüttich, wo er seinen Sohn Heinrich mit dem Rittergürtel beehrte, daß sich neue Unruhen in Niederdeutschland hervorthaten, und daß Graf Heinrich von Limburg und Graf Dieterich von Holland das Joch abgeworfen hätten, so eilte er dahin, belagerte und verstörte das Schloß Limburg, und zwang den Grafen, sich ihm auf Gnade und Ungnade zu ergeben. Aber der Kaiser war mit Geld leicht auszusöhnen. Heinrich von Limburg besänftigte ihn mit einer ansehnlichen Summe, und brachte es dahin, daß ihn der Kaiser auch mit dem Herzogthum Niederlothringen belehnte n).

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m) Annales Hildesheimenses.

p) Sigeb. Gembl. ad a. 1101.

 

 

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389 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

Indessen hatten die bisherige Unruhen doch einen zufälligen Vortheil verschaft. Die deutsche Nation hatte an den Kreuzzügen keinen Antheil genommen. Ein geheimer Haß, der die Römer wider die Deutsche und diese wider jene entflammte, o) hatte anfangs den Plan Urbans II. gar nicht beliebt gemacht, und kein einiger deutscher Fürst entschloß sich zu einem solchen Feldzug, als der Held von Bouillon, dessen Tapferkeit Deutschland bisher bewundert hatte. Als das Heer der Kreuzfahrer durch die deutsche Provinzen zog, verlachte man überall diese Raserey, das gewisse aufs ungewisse zu verlassen. Nachdem man aber aus Jerusalem Nachricht erhielt, Gottfried habe sich durch seine Faust den Thron erfochten, so überfiel auf einmal auch unsere Nation die nämliche Wuth, und diese wurde nur desto heftiger, als man durch allerley Lufterscheinungen gleichsam vom Himmel dazu aufgefodert zu seyn schiene. Die erste, welche den Deutschen das Beyspiel gaben, durch solche heilige Wanderungen ihre Sitten zu bessern, und Vergebung der Sünden zu erlangen, waren Wilhelm, Graf von Poitou, des Kaisers Schwager, der alte Herzog von Bayern, Welf IV., der Erzbischoff Thimo von Salzburg, und die Mutter des Markgraf Leopolds von Oesterreich, Ida. Mehr denn 160 tausend Menschen wohnten diesem Zuge bey, und unter denselben war ein ungläubiger Schwarm von

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o) Abb. Ursp. in Chron. p. 214. ed. 1540.

 

 

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390 Geschichte der Deutschen,

 

Weibsleuten, deren Ausschweifungen so viele Geschichtschreiber den schlechten Erfolg der Feldzüge beymessen. Sie zogen durch Ungarn, die Bulgarey, und kamen glücklich nach Constantinopel. Hier liessen sie sich übersetzen, und sezten ihre Reise nach Bithynien fort. Sie kamen nach Nicomedien und Astacum, litten aber schon hier grossen Mangel an Lebensmitteln, weil die Saracenen alles Getreide verbrannt hatten. Nach vielen Beschwerlichkeiten langte sie in Heraclea an, wo sie zwar Wasser antrafen, auf der andern Seite des Flusses aber die Feinde gewahr wurden, mit welchen sie zu streiten hatten. Der Herzog Welf verlohr alles, was er hatte, und entgieng den Feinden mit Noth. Die Markgräfin Ida aber fiel mit dem Schwarm von Weibsleuten in die Hände der Saracenen, und wurde entweder auf ewig nach Corasan verwiesen, p) oder mußte gar einen saracenischen Fürsten heurathen, welcher den Fürsten Sanguin mit ihr zeugte q). Welf fand endlich einen Hafen, aus welchem er sich nach Jerusalem bringen ließ. Hier verrichtete er sein Gebet bey dem Grabe des Erlösers, und ließ sich nach Cypern überseßen, wo er seinen Tod fand. Dieses waren die erste Versuche unserer Nation in Jerusalem Vergebung der Sünden zu suchen. So unglücklich sie ausfielen, so fiengen doch

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p) Alb. Aquens. Chron. Hier, L. IX. c. 34.

q) Monsch. Weingart. hist. de Princ. Welfis bey Leibniz Script. rer. Brunsv. T. I. p. 785.

 

 

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391 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

die Deutsche an, durch solche Ideen begeistert zu werden, welche der kluge Kaiser zu seinem Vortheil anzuwenden wußte.

 

Denn Pabst Paschal ließ noch immer nicht nach, ihn aufs heftigste zu verfolgen. Er hielte ein sehr zahlreiches Concilium, auf welchem man das Schisma als die gröste Ketzerey ansahe.

 

1102

Ja die Beysitzer mußten ein eigenes Formular unterschreiben, welches für einen Deutschen nur deswegen merkwürdig ist, weil man nach seinem Tode den Erzbischoff Wezilo von Maynz wegen einer sehr unschuldigen und von vielen Vätern behaupteten Lehre antastet, daß man ungerechte Bannstralen nicht zu fürchten hätte. Dieses hieß man damals die Ketzerey des Wezilo. Ich anathematizire, heißt es in dieser Formel, alle Ketzerey, vornemlich diejenige, welche den gegenwärtigen Zustand der Kirche zu trennen lehrt, und zu erweisen behauptet, daß man das Anathem nicht fürchten, sondern die Bande der Kirche verachten müsse. Dem Paschal genügte an diesem noch nicht, sondern er trat an dem Tage, den man vom Nachtmahl des HErrn benennt, in der Laterankirche auf, und verbannte den Kaiser von neuem, weil er nach allen vorhergehenden Verbannungen doch noch nicht aufhöre, den Rock Christi zu zerreissen, und durch Unzucht, Räubereyen und Meineyd. zu beflecken r). Diese Beschimpfung übertraf

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r) Abt von Ursperg ad a. 1102. Annalista Saxo. bey Eccard. T. I. p. 918.

 

 

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392 Geschichte der Deutschen,

 

wohl noch alle andere. Paschat II. war der erste, der einen Kaiser öffentlich an dem Tage, da man sonst nur die gröste Ketzer verbannte, als einen der grösten Frevler verdammte. Heinrich bekümmerte sich anfangs nicht viel darum. Er gieng vielmehr dahin, wo es die Bedürfnisse seines Reichs erforderten. Es hatte der Graf Robert von Flandern das Reichsgebiet beunruhigt, und Cambrai belagert. Die Besatung hatte sich tapfer gehalten, und der Kaiser eilte bald herbey, verwüstete ihm sein Land, und zwang ihn, sich in das Innerste desselben zurückzuziehen. Er kehrte hierauf, weil der Winter herannahete, wieder zurück, nahm ihn aber auch das folgende Jahr auf dem Fürstentag zu Lüttich s) wieder zu Gnaden an. Indessen aber waren die Bannflüche Paschals in Deutschland angekommen, und sorgfältig ausgebreitet worden. Sie brachten verschiedene Wirkungen hervor, und die Parthey des Pabstes und des Kaisers suchte überall ihre anderweitige Absichten unter diesem Mantel zu verhüllen. Die Befehdungen wurden immer ungescheuter, der Graf Friderich von Arensberg aus dem northeimischen Hause verheerte dem Erzbischof von Cölln sein Land, und dieser nahm ihm sein Schloß Arensberg selbst hinweg. Dergleichen Beyspiele hatte man in Deutschland viele. Einer der angesehensten Herrn aus eben diesem Hause, Graf Conrad von Beichlingen, ein Sohn des

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s) Sigeb. Gembl. ad a. 1102.

 

 

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393 Fünfte Periode. Heinrich lV.

 

Herzogs Otto, ein reicher, gelehrter und beredter Fürst, der durch seine Vermählung mit der Cunigunda, des Markgrafen Otto von Orlamünde Tochter, schöne Güter bekommen, hatte ein grösseres Unglück. Er wurde auf der Reise ermordet, und man gerieth deswegen in grossen Verdacht, da man die öffentliche Sicherheit so sehr gestört sahe.

 

1103

Der Kaiser, der des Jammers müde zu werden anfieng, ließ sich beygehen, die Fürsten in Maynz durch einen unvermutheten Antrag zu überraschen. Auf einmal ließ er bey öffentlicher Messe durch den Bischoff Emehard von Würzburg erklären, daß er sich entschlossen habe, die Regierung seinem Sohne Heinrich zu übergeben, und das heilige Grab zu besuchen. Seine Erfindung hatte eine unvergleichliche Wirkung. Die Fürsten, die Geistliche, der Pöbel selbst rühmten seine Andacht , und viele fiengen schon an, sich zu dieser Reise zu schicken. Sie kamen oft zu ihm an sein Hoflager, und nachdem sie das Ihrige allda zugesezt hatten, so wurden sie, aber zu spät, gewahr, daß es ihm kein Ernst war. Sie verbargen anfangs ihr Mißvergnügen, fachten aber nach und nach in der Stille ein neues Feuer an, welches den Kaiser endlich um Krone und Leben brachte.

 

Zuerst mußten die italiänische Angelegenheiten in Richtigkeit gebracht werden, damit man alsdenn mit desto mehr Nachdruck dem Kaiser zu Leibe gehen könnte. Mathildis und

 

 

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394 Geschichte der Deutschen,

 

der Pabst spielten hier wieder meistermäßige Auftritte der Staatskunst. Zuerst bat sie den Pabst wieder um einen vertrauten Rath, dessen Klugheit und Heiligkeit den Tugenden ihres vorigen Beichtvaters gleich kämen. Der Pabst schickte ihr den Cardinal Priester Bernhard, Abt von Vallombrosa als Legaten und Vikarius zu, der sich beständig bey ihr aufhalten sollte. Die geheime Instruction, die er mit sich brachte, war diese, er sollte die mathildinische Schenkung ihrer Güter in Richtigkeit bringen. Es war besonders unter Gregorius VII. die Gewohnheit aufgekommen, daß die Grossen der Welt dem päbstlichen Stuhl nicht nur kleine Stücke, sondern ganze Reiche und Provinzien zu Lehen auftrugen. Man hat von diesen Zeiten eine Menge solcher Beyspiele von Rußland, von Croatien, Provence und Gregorius scheint t) alle Grosse dahin bereden zu wollen, daß sie, um Vergebung ihrer Sünden zu erlangen, ein gleiches thäten. Mathildis gab im J. 1077 davon ein Beyspiel. Wenn wir die Erneuerung dieser Schenkung unter Paschal II. im J. 1102 erwähnen, so sollten wir aus der erneuerten Schenkungs-Urkunde schliessen, daß Mathildis damals mit der grösten Feyerlichkeit in Gegenwart der römischen Baronen zu Rom im Lateran-Pallast in der Capelle des h. Creuzes durch die Hände des Gregorius der römischen Kirche alle ihre gegenwärtige und zukünftige

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t) Epp. L. IX. ep. 3.

 

 

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395 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

Güter geschenkt habe. Wenn wir aber, den einigen gleichzeitigen Schriftsteller, den Caplanen der Mathildis, selbst zu Rathe ziehen, so geschahe diese Schenkung nicht in Rom, sondern auf einem Bergschloß zwischen der Lombardie und Toscana, wo sich Gregorius 3 Monathe aufhielte, und die Kirche von Canossa, welche dem Pabst einen jährlichen Zins zahlte, wurde selbst darunter begriffen. Gregorius verfügte sich damals nach Rom, und erzählte dem Volk, was Mathildis für ihn gethan habe, die Gräfin aber blieb in ihrem Lande zurück, wo sie vom Heinrich das meiste zu förchten hatte. Als Mathildis Welf den V. heurathete, wußte er allem Anscheine nach nichts von dieser Schenkung. Diese Vermählung war ohne dies eine geheime Staatserfindung des Pabstes, welcher mit der Gräfin gemeinschaftlich handelte, und ihr erlaubte, die obengemeldte Ehepunkten mit ihm einzugehen. Nicht Unfähigkeit, sondern die nämliche Ursache, welche den König Conrad in das gröste Elend gestürzt, trennete diese Ehe, und sie mußte getrennt werden, weil man des Welfs nicht mehr nöthig hatte, wann anders die mathildinische Güter dem Pabste zufallen sollten. Kaiser Heinrich selbst wußte von dem wahren Inhalt dieser Schenkung nichts. Die zwote Urkunde versichert zwar, daß man die erste Urkunde nicht mehr finden konnte, und sich deswegen veranlaßt gesehen, die zwote zu entwerfen.

 

 

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396 Geschichte der Deutschen,

 

Wer sollte aber von einem Hofe; der in diesen Zeiten nach Schenkungen so sehr begierig war, vermuthen, daß eine so merkwürdige Acte verlohren gegangen? vielmehr glaubte schon Paschal II. daß er die erste nicht aufweisen dürfte, weil Gregorius in derselben der Mathildis solche Fesseln angelegt, daß er diese Güter, es mochte geschehen, was immer wollte, gewiß erhaschen könnte. Seine Räthe, die er ihr gab, drangen immer auf Keuschheit und Enthaltung vom Beyschlaf, und sezten sie eben durch solche andächtige Erfindungen in den Stand, in welchem sie die Päbste haben wollten. Hatte Gregorius die Reichslehen von Toscana und andere in die Urkunde gesezt, so schien dieses dem Paschal II. zu viel gewagt. Er schwieg also davon, und veranstaltete die neue Acte so, daß Mathildis alle ihre eigene, sowohl gegenwärtige als zukünftige, sowohl dis- als jenseits der Alpen gelegene Güter gänzlich nach dem salischen Gesetze den 17 November in Canossa übergab. Dieses war die wichtige Unterhandlung des Cardinal Bernhards, welche er zu Stande zu bringen das Glück hatte.

 

So bald dieser Punkt in Richtigkeit gebracht war, so hatte Paschal II. schon eine stärkere Wafenrüstung bereit, welche er wider den Kaiser gebrauchte. Dazu gab ihm die Kirche von Cambrai die nächste Veranlassung. Vormals hatte die Kirche von Arras

 

 

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397 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

und von Cambrai einen gemeinschaftlichen Bischoff, bis endlich die Clerisey und das Volk von Arras vom P. Urban II. die Wiederherstellung ihres besondern Bischoffs erhielten. Es wurde demnach, alles Wiederspruchs der Stadt Cambrai ungeachtet, im J. 1093 Robert von Guines als Bischoff von Arras erwählt, und von Urban II. selbst im Rom eingeweyht. In Cambrai hingegen hatte sich ein Theil des Volks für den Gaucher, ein andrer für den Manasses erklärt. Gaucher oder Walcher erhielte die Investitur vom Kaiser, und der Pabst schien damit auf gewisse Art zufrieden zu seyn, er genoß auch des kaiserlichen Schutzes, bis ihn Urban auf dem Concilio von Clermont eben deswegen absezte, weil er die kaiserliche Investitur erhalten hatte. Manasses wurde indessen Erzbischoff von Rheims, und Walcher behauptete sich in seinem Bisthum. Auf einmal gab Paschal II. der den Walcher und seine Anhänger als Schismatiker ansahe, dem Graf Robert von Flandern, der eben damals vom gelobten Lande nach Hause kam, Befehl, in das Gebieth von Cambrai einzufallen, und die Güter dieser Kirche zu verwüsten. Robert gehorchte und erhielt dafür ein sehr bedenkliches Schreiben vom Pabste. Gelobet sey der GOtt Israel, sagt er, der seine Macht durch deinen Dienst zeigt: dies ist die wahre Pflicht eines Soldaten, die Feinde seines Königs überall zu verfolgen: Wir loben

 

 

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398 Geschichte der Deutschen,

 

deine kluge Aufführung in Ansehung der Kirche von Cambrai: Aber wir befehlen dir jezo, das nämliche gegen die Lütticher zu thun, welche wahre Verbannte und falsche Geistliche sind. Aber nicht nur in dieser Provinz sollest du den Heinrich, das Haupt der Ketzer und seine Gönner bekriegen, sondern sie überall, wo du sie antrifst, verfolgen: denn du kannst GOtt kein angenehmers Opfer bringen, als wenn du den unterdrückst, der sich selbst wider GOtt erhoben hat: Wir gebieten dir diesen Feldzug, als das sicherste Mittel, Vergebung deiner Sünden zu erlangen und dir den Weg zum himmlischen Jerusalem zu bahnen. Die Kirche von Lüttich gab hierauf eine sehr gründliche und bescheidene Antwort, wo sie den Kaiser vertheidigte. Paschal II. getraute sich nicht, die starke Gründe Sigeberts von Gemblours, des Verfassers dieses Briefs, zu widerlegen. Er verdammte ihn aber auch nicht, sondern gieng seinen Weg.

 

Während daß Mathildis in der Lombardie alles nach ihrem Wink leitete, und in Mayland durch die päbstliche Anhänger Erzbischöffe sezte, die ihr angenehm waren, wurden in Deutschland die Zurüstungen zu einer neuen Empörung gemacht. Paschal II. schrieb dem jungen König Heinrich einen Brief, in welchem er ihn ermahnte, der Kirche beyzuspringen. In welchem Verstande er dieses genommen, konnte ein jeder leicht begreiffen. Man

 

 

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399 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

sahe es aus dem Schreiben an den Graf Robert, und die päbstliche Legaten arbeiteten auf diesen Zweck, und schilderten den Vater bey dem Sohne als einen Verbannten.

 

1104

Der Keim des Mißvergnügens war also ausgestreut, und es fehlte nur noch an Gelegenheit, dem Kaiser Verdruß zu machen. Allein auch diese ereignete sich bald. Heinrich war um Weyhenachten in Regensburg, und verweilte sich einige Zeit allda. Hier erhob sich gleich ein Zwist unter den anwesenden Grossen. Die Bayern behaupteten, der Kaiser habe vielmehr Gnade und Achtung gegen die Sachsen und Franken, als gegen die Einwohner des Landes. Unter den Mißvergnügten that sich vor andern Graf Sigehard, der mit dem Fürsten Erpo von Kärnthen Geschwisterkind und ein Neffe Hartwigs, Pfalzgrafen von Bayern war, hervor, und wurde deswegen dem Kaiser sehr verhaßt, weil er vor allen andern ein sehr starkes Gefolge von bewafneter Mannschaft mit sich gebracht hatte. Heinrich sahe es als eine Beleidigung an, als ob er ihm trotzen wollte, und sich mit seinen Leuten zu wiedersetzen gefaßt wäre, wenn der Kaiser etwas wider ihn zu beschliessen Ursache fände. Jedoch verbarg er seinen Verdacht wider ihn, welches den Grafen bewegte, seine Truppen nach und nach zu entlassen. Die Bürger von Regensburg verbanden sich hierauf mit andern, und es kam zum Auflauf wider ihn, welcher so heftig war, daß der Sohn

 

 

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400 Geschichte der Deutschen,

 

des Kaisers selbst ihn nicht stillen konnte. Der Pöbel drang mit Ungestümm in das Haus ein, wo sich Siggehard verschlossen hatte, und schlug ihm den Kopf ab. Dieser Mord machte den Kaiser höchst verhaßt, und die ganze Familie des Entleibten, welche in Sachsen und Bayern viele Anverwandte hatte, machte ihm die bittersten Vorwürfe, daß er dieses Unglück wohl hätte verhüten können, wenn er gewollt hätte. Er war nun überall den Nachstellungen ausgesetzt, welche er kaum vermeiden konnte. Er begab sich demnach von Regensburg hinweg nach Maynz, wo er Ostern hielt. Von hier eilte er gleich in sein geliebtes Lüttich, welche Stadt ihm neuerdings so deutliche Proben ihres Wohlwollens gegeben hatte. Aber schon auf dieser Reise erfuhr sein Gefolg offenbare Gewaltthätigkeiten. Graf Diererich von Eimbeck verfolgte einige, welche von Magdeburg aus dem Kaiser nachzogen, beraubte sie des Ihrigen, und nahm den Graf Hermann von Magdeburg u) unter dem Vorwand gefangen, daß er einen Domherrn von Magdeburg durch Simonie zur bischöflichen Würde verhelfen wollte. Ueber diese neue Gewaltthätigkeiten mußte der Kaiser wie billig äusserst erbittert werden. Er zog also ein Heer zusammen in der vesten Entschliessung, den Graf Dieterich wegen seines Ungehorsams zu strafen. Als er nach Frizlar kam, brach die verborgene Absicht

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u) Annal. Saxo. ad a. 1104

 

 

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401 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

seines Sohns in einen offenbaren Zwist aus. Die Vorstellungen der päbstlich Gesinnten hatten endlich auf das Gemüth dieses jungen Herrn einen solchen Eindruck gemacht, daß er seinen Vater selbst als einen Verbannten ansahe. Er nahm einige vertraute Diener des Kaisers mit sich, und entwischte nach Bayern. Hier kam ihm gleich Markgraf Diepold von Vohburg, ein Enkel des entleibten Grafen Sigehards, entgegen, nahm ihn mit andern bayrischen Magnaten mit grossem Jubel auf, und begleitete ihn nach Regensburg, wo allem Ansehen nach zuvor die erste Verabredung wegen dieses Abfalls geschehen war. Wenigstens ist es sehr bedenklich, daß der ungehorsame Sohn seinen Weg gerad nach Bayern nahm. x)

 

Wie bestürzt der Kaiser gewesen, als er den andern Morgen die Flucht seines Sohnes vernommen, ist sich leicht vorzustellen. Sein Schmerz war desto grösser, als er nun seinen Feldzug nach Sachsen verschieben mußte. In Regensburg war der junge Heinrich mit lauter Feinden des Kaisers umgeben.

 

1105

Die Vornehmste waren Diepold von Vohburg, Graf Berenger von Sulzbach und ein junger Otto, den die Geschichtschreiber einen Anverwandten vom jungen König von seiner Mutter her nennen. Das Gewissen erlaubte diesem Prinzen nicht, sich offenbar wider seinen Vater

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x) Ebenderselbe.

Gesch. der Deutschen II Bd.

 

 

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402 Geschichte der Deutschen,

 

aufzulehnen. Aber seine Anhänger wußten ihm bald Mittel vorzuschlagen, wie er zur Beruhigung desselben gelangen könnte. Es wurden Gesandte an den Pabst geschickt, durch welche er erklären ließ, daß er die Ketzerey seines Vaters verabscheue, und dem apostolische Stuhl allen Gehorsam zu leisten bereit sey. Nur möchte ihn der Pabst in Ansehen des Eydes Berathen, den er seinem Vater geschworen, daß er ohne seine Einwilligung die königliche Macht niemals gebrauchen wolle. Paschal II. gab ihm den Segen, bezeugte, daß dieser Vorfall von GOtt geschehen, ließ ihn des göttlichen Segens durch den Bischoff Gebhard von Costniz versichern, und versprach ihm, daß er auch im göttlichen Gericht deswegen nichts würde zu befürchten haben, wenn er mit Gerechtigkeit regieren und ein Beschüzer der Kirche seyn wollte. Im Vertrauen auf die päbstliche Einsegnung eröfnete Heinrich der jüngere den Feldzug. Sein bestürzter Vater schickte zwar gleich von Maynz die angesehenste, klügste und eifrigste Männer, die Erzbischöffe von Cölln und Trier, den Herzog Friderich von Staufen und seinen Canzler Erlolf nach Bayern, um eine Aussöhnung zu versuchen. Es war aber alles vergeblich. Der Sohn beharrte darauf, so lang sein Vater im Bann sey, könne er Gewissens halber keinen Umgang mit ihm haben. So bald die Sachsen von dieser grossen Veränderung Nachricht erhalten hatten, so hielten sie in Quedlinburg eine

 

 

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403 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

Zusammenkunft, wohin der junge Heinrich seine beede Vertraute, den Diepold von Vohburg und den Beringer von Sulzbach abschickte, und sie seiner Treue und Gerechtigkeits-Liebe versichern ließ. Er fand die Gemüther schon zu seinen Gunsten eingenommen. Die Sachsen versprachen ihm Gehorsam, und baten ihn, auf Ostern zu ihnen zukommen. Er trat auch diese Reise mit einem starken Gefolge an, und wurde in Erfurt vom Erzbischoff Ruthard mit grossen Ehrenbezeugungen aufgenommen. Aus Thüringen begab er sich nach Sachsen, und fand die Einwohner eben so geneigt. Um sie von seinem Religionseifer zu überzeugen, gieng er in der Charwoche barfuß nach Quedlinburg. Durch solche Mittel brachte er bald alle sächsische Städte auf seine Seite. Alles ehrte ihn als König, und der Erzbischoff von Maynz samt dem päbstlichen Legaten, Gebhard von Costanz, trugen überall die Aussöhnung mit dem Pabste an. Er berief die Geistliche zurück, sezte die vertriebene Bischöffe wieder ein, und beschäftigte sich meistens mit Religions- und Kirchen-Geschäften. Der alte Kaiser saß in Maynz, und hatte wenige Anhänger. Niemand fand sich bey ihm ein, als der Patriarch von Aquileia, der sich das Ansehen gab, als ob er ihn ausöhnen wollte. Er ermahnte ihn, er möchte sich doch vor GOtt demüthigen, und dem römischen Stuhl in allen Dingen gehorchen, sonst könnte er selbst nicht mit ihm umgehen. Er verweilte sich indessen doch eine

 

 

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404 Geschichte der Deutschen,

 

Weile bey ihm, und wurde vom Kaiser großmüthig beschenkt und entlassen.

 

Der junge König fand sich bald nach Ostern in Goslar ein, und besprach sich mit den sächsischen Fürsten, wie er die allgemeine Unruhen und die Trennung der Kirche beylegen könnte. Der päbstliche Legat, Gebhard von Costniz, der ihm überall auf dem Fuß nachfolgte, erschien auch hier, und war nebst dem Erzbischoff Ruthard von Maynz der Meynung, ein Provincial-Concilium in Nordhausen anzusetzen, die Ordnung der Kirche herzustellen, alle durch Simonie eingeschobene Bischöffe abzusetzen, und sogar die Todte auszugraben, auch geheurathete Geistliche vom Gottesdienst zu entfernen. Mit solchen Dingen beschäftigte man sich in Nordhausen, wohin eine grosse Menge Geistliche zusammen gekommen war. Heinrich spielte auch hier die Rolle eines Andächtigen. Er erschien in einem geringen Kleide, und bezeugte sich sehr folgsam. Jedoch fiel ihm immer sein Vater ein, und er bezeugte der ganzen Versammlung mit Thränen, daß er gar nicht aus Herrschsucht nach der Krone gestrebt, noch die Absetzung seines Vaters jemals verlangt habe, nur jammere ihm sein Eigensinn, und er sey bereit, sich ihm zu unterwerfen, so bald auch er sich dem Statthalter Christi unterwerfen wollte. Durch ein solches Betragen gewann er die Zuneigung der Sachsen immer mehr. Man fuhr also munter

 

 

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405 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

fort, nach dem Sinne des Pabstes zu reformiren, und was zu schwer war, der Entscheidung Paschals zu überlassen.

 

Der junge Heinrich war nun durch die Sachsen in den Stand gesezt, seinem Vater ein Heer entgegen zu stellen. Er marschirte mit demselben gegen Maynz, um allda den vertriebenen Erzbischoff Ruthard, der ihm bisher mit seinem Rath an die Hand gegangen war, wieder einzusetzen. Als er an den Rhein kam, traf er seinen Vater in der Stadt in so guter Verfassung an, daß es ihm unmöglich ward, diese Stadt einzunehmen. Der Kaiser hatte noch einige Fürsten bey sich, und obwohl man sich mit der Hofnung geschmeichelt, es würde der Pfalzgraf den jungen König übersetzen, so blieb er doch seinem Kaiser so getreu, daß Ruthard unverrichteter Dingen wieder nach Thüringen zurückgehen mußte. Man hatte zwar gesucht, einen Frieden zu stiften, der Kaiser hatte sich zu einer Theilung des Reichs und zur gesicherten Reichsnachfolge verstanden, der Sohn aber beharrte hartnäckig darauf, daß sich sein Vater dem Pabst unterwerfen sollte, worüber sich die Verhandlungen zerschlugen. Der Sohn wandte sich nach Würzburg, sezte den kaiserlichen Bischoff ab, und einen andern ein, entließ die Sachsen, eroberte Nürnberg, begab sich nach Regensburg, und ließ das Heer auseinander gehen. Der Vater folgte ihm mit seinem Heere nach,

 

 

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406 Geschichte der Deutschen,

 

nahm ihm Würzburg wieder ab, jagte den Bischoff seines Sohnes davon, und gieng auf Regensburg los, wo der Sohn kaum noch Zeit hatte zu entweichen. Die Stadt mußte sich ergeben, und weil ihm Borwoi böhmische Hülfsvölker zugeschickt hatte, so säumten sich diese nicht, die Güter des Graf Diepolds von Vohburg und des Grafen von Sulzbach mit Feuer und Schwerdt zu verheeren. Der Anhang seines Sohns that ein gleiches, und beede Heere stellten sich endlich am Fluß Regen einander entgegen. Der Anblick war fürchterlich, einen Sohn wider den Vater bewafnet zu sehen. Einige Fürsten machten sich selbst ein Bedenken daraus, und suchten Friede zu stiften. Aber auch unter den Verhandlungen selbst waren die gefährlichste Absichten verborgen. So sehr der junge Heinrich seinen Soldaten sagte, es sollte keiner in der Ermordung seines Vaters einen besondern Ruhm suchen, er wolle ein christlicher Regent und kein Mörder seines Vaters seyn, so wandte er doch alles an, seinen Vater ins äusserste Elend zu stürzen. Der Kaiser hatte zwar mächtige Fürsten bey sich, den böhmischen Heerführer und den Markgrafen Leopold IV. von Oesterreich, auf deren Treue er sich verließ. Aber mitten unter dem Schein des Friedens wußte der junge Heinrich sie beede seinem Vater zu entreissen. Den Markgraf Leopold von Oesterreich fesselte er dadurch, daß er ihm die Wittwe des Herzog Friderichs von Hohenstaufen,

 

 

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407 Fünfte Periode. Heinrich lV.

 

Agnes, seine Schwester, deren Gemahl dieses Jahr mit Tod abgegangen war, versprach. Als sich das Heer des Sohns zurückzog, und Ehrfurcht vor dem Kaiser zeigte, entdeckte der Vater, der eben Anstalt zu einem entscheidenden Treffen machte, bey Nacht die Abneigung der Fürsten. Der böhmische Heerführer und der Markgraf meldeten ihm, die Fürsten weigerten sich, ein Treffen zu liefern. Er bat sie, ihm treu zu bleiben, aber vergebens. Sein eigener Sohn hatte auch durch geheime dazu bestellte Leute ihm melden lassen, daß in seinem eigenen Lager sich einige wider ihn verschworen hatten. Der auf allen Seiten geängstete Kaiser wußte sich nicht anders zu helfen, als daß er noch in der Nacht mit einigen Vertrauten unter Bedeckung der Böhmen davon gieng, und Regensburg samt Franken und Bayern seinem Sohne preiß gab. Der fliehende Vater begab sich durch Oesterreich nach Böhmen, und wurde allda vom Borivoi "mit allen seinem Stande gebührenden Ehrenbezeugungen aufgenommen. Er gab ihm ein sicheres Geleit, und schickte ihn zu seinem Schwager Wibert II. von Groitsch, einem mächtigen Grafen im Osterlande, dem er ihn bestens empfahl. Der verlassene Kaiser bat sich von seinem Sohne nichts aus, als daß er ihn am Rheine ruhig regieren liesse y).

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y) Abt von Ursperg usque ad Rhenum illi ducatum, hoc enim per legatos ipse supplicabat, administrari permisit.

 

 

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408 Geschichte der Deutschen,

 

Er kam nach vielen Beschwerlichkeiten in Maynz an, und suchte sich da so fest zu setzen, daß er seinem Sohn den Uebergang über den Fluß abschnitte. Aber dieser kam bald nach, bestach den kaiserlichen Commandanten in Speyer, eroberte die Stadt, sezte einen Bischoff nach seinem Gefallen, und plünderte seines Vaters Schätze. Der Vater, der dieses nicht hindern konnte, war in der äussersten Bestürzung, und ließ seinen Sohn durch den Abt von S. Alban bitten, er möchte sich doch erinnern, daß er sein Vater sey, und ihn nicht mit solcher schreyenden Hartnäckigkeit vom Throne verdrängen. Aber der Sieger gab dem Gesandten kaum Gehör, sondern begab sich in das Castell Hammerstein, wo er den Erzbischoff Ruthard zu sich berief, und ihn in Maynz wieder einsezte.

 

Nachdem er am Rhein die Sachen in Ordnung gebracht, so wollte er sich auch im burgundischen Reich als Regenten zeigen. Kaum war er aber entfernt, so schickten ihm seine Anhänger eilends nach, und beriefen ihn wegen neuer Versuche seines Vaters zurück. Der Kaiser, der erfahren hatte, daß sein Sohn die Reichsfürsten nach Maynz berufen hätte, schickte den Pfalzgraf Sigfried und den Graf Wilhelm mit Völkern voraus, damit sie diese Versammlung hinderten. Der junge Heinrich aber kam mit einem starken Heer herbey, wider welches sie viel zu schwach waren. Der König

 

 

 

409 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

verfolgte sie bis nach Coblenz, wo er seinen Vater auf der andern Seite des Flusses antraf. Der Kaiser schickte seinem Sohne Gesandte zu, und bat um Frieden. Der Sohn gieng über den Rhein, und besuchte den Vater. Dieser warf sich jenem zu Füssen, und bat ihn, sich zu erinnern, daß er sein Sohn sey. Der Sohn fiel dem Vater ebenfalls zu Füssen, und bat ihn, dem Nachfolger des h. Petri und dem Reiche zu gehorchen, wenn er ich dessen weigere, so erkläre er ihm, daß er einen Vater im Himmel habe, und daß er diesem zu Ehren seinem irdischen Vater entsagen müsse. Den ganzen Tag über besprachen sie sich von der Einigkeit der Kirche und von geistlichen Dingen, und der Vater sezte alles auf die bevorstehende Versammlung der Fürsten in Maynz aus. Bey Nacht machte der Kaiser neue Versuche, zu entfliehen, er war aber mit einer so starken Wache umgeben, daß es nicht möglich war. Den andern Morgen führte der Sohn seinen Vater nach Bingen, und übernachtete allda. Weil er aber des Kaisers gesichert seyn wollte, so ließ er ihn in das Castell Böckelheim einschliessen, und übergab ihn dem Bischoff von Speyer zu bewachen. Hier war er alles Umgangs, der nöthigsten Pflege, des einem Kaiser gebührenden Anstands beraubt, und kein Mensch wollte ihn zum Gottesdienst zulassen. Der Sohn entschuldigte zwar dieses strenge Verfahren damit, daß er geheime Unterhandlungen entdeckt, und deswegen

 

 

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410 Geschichte der Deutschen,

 

für nöthig erachtet hätte, ihn bis auf die Zusammenkunft der Fürsten in Maynz einzuschliessen, weil der Erzbischoff von Maynz und der Bischoff von Speyer sich schlechterdings geweigert, mit ihm umzugehen, und ihn in ihre Stadt aufzunehmen. Allein alles dieses berechtigte ihn noch nicht, einen Vater so empfindlich zu täuschen, und in einer Gesellschaft von drey Personen Hunger und Durst leiden zu lassen, und ihm sogar zur heiligsten Zeit den äussern Gottesdienst zu versagen.

 

Auf Weyhenachten kamen endlich die Reichsfürsten in Maynz zusammen, und die tragische Vorstellung erreichte ihr Ende. Die Versammlungwar so zahlreich als sie in vielen Jahren nicht gewesen. Unter-mehr denn 52 deutschen Magnaten wurde niemand als Herzog Magnus von Sachsen vermißt, der Alters halber sich nicht einfinden konnte.

 

1106

Diese grosse Scene konnte ohne päbstliche Legaten nicht gespielt werden. Es erschienen ihrer zween, der bisher so berühmt gewordene Bischoff Gebhard von Costniz, der vor Eifer für den apostolischen Stuhl brannte, und der Bischoff Richard von Albano, welche allem Volke und der ganzen auf der Erde zerstreuten Kirche mündlich und schriftlich den Bann und Fluch bekräftigen, den drey Päbste nach einander wider den sogenannten Kaiser Heinrich ausgesprochen, welche ihn im Namen JEsu Christi und des seligen Petri seit so vielen Jahren

 

 

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411 Fünfte Periode. Heinvich IV.

 

von der Gemeinschaft der Kirche abgesondert hätten. Der Kaiser, der von diesen neuen Verfluchungen nichts wußte, saß ganz bestürzt in seinem Verhaft, und sahe noch größerer Gefahr entgegen. Er berief in seiner Angst den Bischoff von Speyer zu sich, und bat ihn, er möchte ihn nach Maynz bringen, er versprach, alle Bedingungen einzugehen, die der Bischoff und die übrige Reichsfürsten ihm vorschreiben wollten, und alle seine Hauptvestungen in die Hände seines Sohns zu übergeben, wenn er ihm nur so viele Güter übrig liesse, daß er davon leben könnte. Der Bischoff erstattete zwar der Versammlung davon Bericht, man hielte es aber nicht für rathsam, ihn nach Maynz zu bringen, allwo das Volk eine außerordentliche Liebe zu dem Vater hegte. Der Gefahr eines Auflaufs zu entgehen, entschlossen sie sich, ihn nach Ingelheim bringen zu lassen, und sich zu ihm in dieses Castell zu verfügen. Von einem gefangenen Kaiser, der seine Freyheit sehnlich suchte, war alles zu erwarten. Es kostete sie demnach nicht viele Mühe, ihn dahin zu bewegen, daß er sich als schuldig erkannte, und Genugthuung versprach. Er trat dem Sohne das Reich ab, und bat insonderheit den Legaten, Gebhard von Costniz, fußfällig um Lossprechung vom Banne, erkannte, daß er vom P. Gregorius VII. verbannt worden, bereuete die Erhebung des Gegenpabstes, und gestand ihnen so viele Sünden ein, als sie von ihm begehrten. Aber als er durch diese demüthigende

 

 

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412 Geschichte der Deutschen,

 

Stellung sich mit der Hofnung schmeichelte, einmal des Jammers los zu werden, kam Cardinal Richard dazu, und erklärte, es stehe nicht bey ihnen, eine so grosse Person, welche so viel Unheil gestiftet, vom Banne loszusprechen, sie müßten diese Ehre dem Pabst selbst vorbehalten. Nun hatte der Kaiser zwar mündlich dem Sohne die Regierung abgetreten, welcher ganz vergnügt mit den übrigen Fürsten nach Maynz zurückreißte, aber der Vater war noch im Banne wie zuvor, ja er mußte sogar wegen seines Lebens besorgt seyn. Man hatte schon zuvor den Graf Wibert von Groitsch, der ihn auf seiner Flucht aus Böhmen aufgenommen hatte, an ihn geschickt, und ihm bedeuten lassen, wenn er anders sein Leben retten wollte, so sollte er die Reichsinsignien ausliefern. Damals weigerte er sich noch. Jezo aber, da die Entsagung des Reichs in Gegenwart der Fürsten geschehen war, handelte man mit weniger Rückhalt. Der abgesezte Kaiser schickte den Graf Werner und seinen Rath Folcmar auf das Schloß Hamerstein, und ließ das Kreuz, die Lanze, das Zepter und den Reichsapfel den Fürsten in Maynz zustellen, empfahl ihnen seinen Sohn, und versprach nun allein für seine Seele zu sorgen. Der Erzbischoff Ruthard von Maynz empfieng sie, und lieferte sie dem neuen König aus, mit dem Wunsch, daß es ihm eben so, wie seinem Water ergehen solle, wenn er sich nicht als einen gerechten Regenten und als einen Vertheidiger

 

 

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413 Fünfte Periode. Heinrich IV.

 

der Kirche betrüge. Die päbstliche Legaten legten dem neuen König die Hände auf, und die deutsche Fürsten und Bischöffe schworen ihm Treue. Jene ermahnten hierauf den König und die Reichsfürsten, die Kirche von den Flecken zu reinigen, wodurch sie nach ihrem Sinne verunstaltet würde, und man beschloß gemeinschaftlich, kluge und gelehrte Männer nach Rom zu schicken, welche die Einwürfe des Pabstes beantworten, und die Nothdurft der deutschen Kirche mit Paschal gemeinschaftlich überlegen könnten. Hiezu erwählte man aus dem lothringischen Reiche den Erzbischoff Bruno von Trier, aus Sachsen den Erzbischoff Heinrich von Magdeburg, aus Franken den Bischoff Otto von Bamberg, aus Bayern den Bischoff Eberhard von Eichstedt, aus Schwaben den Bischoff Gebhard von Costniz, aus dem burgundischen Reiche den Bischoff von Chur, denen man noch einige weltliche Herrn beygesellte, und den besondern Auftrag gab, den Pabst dahin zu bewegen, daß er selbst nach Deutschland käme.

 

Aber die vernünftige Welt konnte alle diese Gewaltthätigkeiten nicht billigen. Der abgesezte Kaiser hatte noch überall Freunde, die aus Mitleiden mit ihm einige Versuche zu seinem Vortheile machten. Die deutsche Gesandte kamen glücklich nach Trient, hier aber wurden sie vom Grafen Adelbert angehalten, geplündert und gefangen gesezt. Der Kaiser

 

 

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414 Geschichte der Deutschen,

 

hatte überall Briefe ausgeschickt, wo er die unanständige Grausamkeit gegen ihn lebhaft schilderte, und den Städten und Provincien zu Gemüthe führte, was sie nunmehr zu befürchten haben würden, wenn man kein Bedenken trüge, mit dem Kaiser selbst also zu verfahren. Albert berief sich auf den kaiserlichen Befehl, und es entgieng ihm keiner, als der Legat Gebhard von Costniz, der durch abgesonderte Wege unter Bedeckung der mathidinischen Truppen glücklich in Toscana ankam. Die andere Gesandte behandelte er mit wenig Rückhalt, den Bischoff Otto von Bamberg ausgenommen , dessen Ritter er war. Er ließ ihn und durch seine Vermittlung auch den Staatsklugen Bruno von Trier unter der Bedingung los, daß sie sich zum Kaiser verfügen, Friede mit ihm machen, und seine Befehle ihm zurückbringen sollten. Indessen kam Herzog Welf V. herbey, eröfnete den Alpenpaß, setzte einen neuen Bischoff, gab ihm das Castell, und zwang den Graf Adelbert, sich ihm zu unterwerfen. Aber auch in Italien selbst hatte der Kaiser noch immer Freunde. Nachdem der Gegenpabst Dieterich im Kloster Cava mit Tode abgegangen war, so brachte es der Markgraf Werner von Ancona auf Vorstellung der Mißvergnügten in Rom dahin, daß in Tivoli Maginulf; ein Mönch aus dem Reichskloster Farfa, als Pabst erwählt wurde. Diese Wahl machte auch noch nach des Kaisers Tod dem Pabste, der von Rom abwesend

 

 

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war, vieles zu schaffen. Denn noch am Ende des Jahrs brachte Markgraf Werner seinen Pabst nach Rom, ließ ihn zu S. Maria der Runden unter dem Namen Sylvester IV. als Pabst wählen, und ihn hernach im Lateran einweyhen. Jedoch konnte sich Sylvester nicht in die Länge halten, so bald Paschalis ankam. Er floh und man weiß in der Geschichte seine weitere Schicksale nicht zu finden.

 

In Deutschland hingegen geschahen ernstlichere Auftritte. Elsaß empörte sich wider diejenige, so sie zum Gehorsam gegen den neuen bereden wollten. Ordert, Bischoff von Lüttich, Heinrich, Herzog von Niederlothringen, Cölln, Jülich, Bonn und andere Städte dieser Gegenden erklärten sich für den Vater, und dieser erschien selbst in Cölln, wo er den Bürgern alle seine Schicksale erzählte und ihr Mitleiden erregte. Von hier begab er sich nach Lüttich, und berief den Herzog Heinzrich von Niederlothringen samt andern Magnaten zu sich, denen er durch die blosse Erzählung seines Jammers Muth einflößte, ihn mit aller ihrer Macht zu unterstützen. Von hier schrieb er an viele gekrönte Häupter und flehete sie um ihre Hülfe an. Vorzüglich erzählte er dem König Philipp in Frankreich den ganzen Hergang der Sache, und bittet sich von seinem getreuesten Bundsgenossen, wie er ihn nennt, Hülfe aus. Es ist auch fast zu

 

 

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vermuthen, daß Frankreich und Engelland, wo die Bannstralen und das angemaßte Investitur-Recht eben so viele Unruhen verursachten , sich den Eingriffen der päbstlichen Legaten und des römischen Hofs gemeinschaftlich würden widersezt haben, wenn der Kaiser das Leben behalten hätte. In Lüttich bekam der Kaiser so viele Hülfe, daß er seinem Sohne die Spitze bieten konnte. Der neue König konnte hiebey nicht gleichgültig seyn. Er brach selbst nach Lüttich auf, und berief die Reichsfürsten auf Ostern eben dahin. Der Kaiser suchte also alle seine Truppen in Lüttich zusammen zu ziehen, um gefaßt zu seyn, die Versammlung der Stände zu hindern. Er zog seine Völker aus Cölln an sich, und sein Sohn, der in der Kriegserfahrung seinem Vater noch lang nicht gleich kam, nahm gleich Besitz von Cölln, feyerte da den Palmtag, und war am grünen Donnerstag in Aachen. Weil die Feinde alle Brücken über die Flüsse abgeworfen hatten, so schickte er 300 Mann aus, um die einige Brücke über die Maaß zu besetzen, welche er nöthig hatte, wenn er nach Lüttich kommen wollte. Hier wartete der tapfere Herzog von Lothringen auf sie, zog sie in einen Hinterhalt, hieb sie mit seiner Reuterey alle nieder und sprengte den Rest in den Fluß. Dieser Verlust nöthigte den jungen Konig, nach Bonn zurückzugehen, und Ostern allda zu halten. Der Kaiser rückte also wieder vor Cölln, eroberte es, jagte den Erzbischoff davon, verbesserte

 

 

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die Vestungswerke, legte eine starke Besatzung hinein, und kehrte nach Lüttich zurück. Die Reichsstände hatten sich indessen bey dem König eingefunden, und ihn wegen des unglücklichen Erfolgs seiner Unternehmung ganz bestürzt angetroffen. Er gieng mit ihnen nach Worms, erklärte den Herzog Heinrich des Verbrechens der beleydigten Majestät schuldig, beraubte ihn seines Herzoghums, und sagte einen Feldzug wider Lothringen an. Im Junio erschien er in Coblenz, brachte ein Heer von 20000 Mann zusammen, und rückte damit vor Cölln. Die Einwohner aber thaten eine so verzweifelte Gegenwehr, und Herzog Heinrich beunruhigte sie durch seine tapfere geldrische Truppen so sehr, daß der junge König genöthigt wurde, die Belagerung aufzuheben. Vor Cölln kamen Gesandte von seinem Vater, und brachten ein Schreiben an ihn, und ein anderes an die Reichsfürsten mit. Im leztern beklagt sich der Kaiser sehr über die Grausamkeit seines Sohns, ermahnt sie, ihm Recht widerfahren zu lassen, bezeugt, daß er dem Pabste, so wie sie, der Abt Hugo von Clugni und andere rechtschaffene Männer es genehmigen würden, Genüge leisten wollte, bittet sie, Friede zu machen, und seinen Sohn, der sich aus Herschsucht habe bethören lassen, zur Ruhe zu bewegen, und appellirt endlich, wenn er von ihnen nichts erhalten könnte, an

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den Pabst, an den h. Stuhl, und an die allgemeine Kirche. Der Sohn ließ eine Antwort verfassen, welche der Erzbischoff Heinrich von Magdeburg vor dem ganzen Heere ablesen mußte. Die Fürsten sprachen in derselben von nichts, als von Eifer vor das Gesez GOttes und von Gehorsam gegen den apostolischen Stuhl, dem zu lieb sie den Kaiser abgesezt hätten. Sie erinnern ihn an seine Einwilligung und Auslieferung der Reichskleinodien, und erbieten sich, seine Sache noch einmal in Gegenwart der ganzen Nation zu prüfen. Weder der Kaiser noch sein Anhang hatten Ursache, damit zufrieden zu seyn. Der Kaiser antwortete kurz, so solle man denn die Waffen niederlegen, und einen Fürstentag ansagen, wo man alles prüfen könnte. Der junge König brach von Cölln auf, und rüstete sich zum lothringischen Feldzug. Er schickte noch einmal an seinen Vater , und bat ihn, zu ihm nach Achen zu kommen , um allda wegen der Friedensbedingungen sich zu besprechen, wenn er sich dessen weigerte, so künde er ihm den Krieg von neuem an. Der Vater verstärkte sich beständig durch neue Hülfsvölker, die ihm der Herzog Heinrich zuschickte. Aber er hatte ihrer nicht mehr nöthig. Der beständige Verdruß und die Strapazen hatten seinen sonst starken Körper geschwächt, und er mußte endlich unterliegen. Seine lezte Krankheit währete nur acht Tage, er that eine demüthige Beicht, bekannte seine Sünden, vergab seinem Sohn,

 

 

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und schickte ihm seinen Ring, den Degen und die königliche Krone zu, die er bisher noch behalten hatte. Die Sakramente wurden ihm vom Bischoff von Lüttich gereicht, und er starb als ein guter Christ den 10 August in einem Alter von 56 Jahren. Noch vor seinem Ende hatte er durch den Bischoff Burcard von Münster, den er aus seiner bisherigen Gefangenschaft entlassen, seinen Sohn bitten lassen, diejenige zu Gnaden anzunehmen, die ihm bisher in seinen Nöthen beygestanden, und ihn in Speyer bey seinen Eltern beysetzen zu lassen. Der Bischoff von Lüttich hatte ihn in der Kirche He des h. Lamberts vor dem Altar der h. Maria standesmäßig begraben lassen. Aber sein Sohn machte sich auch noch hieraus ein Bedenken, und fragte die Fürsten, was er in Ansehung der Begräbniß seines Vaters zu thun hätte. Diese riethen ihm an, ihn ausgraben und in einen ungeweyheten Ort beysetzen zu lassen, wenn er sich anders nicht der Verdammung seines Vaters theilhaftig machen wollte, indessen aber nach Rom zu schicken, und die Aufhebung des Bannes zu suchen. Den Bischoff von Lüttich und seine Geistlichkeit liessen die Erzbischöffe und Bischöffe zwar zu ihrer Gemeinschaft zu, aber sie sezten ihm die Bedingung, den Leichnam wieder auszugraben. Dieser auch nach seinem Tode noch verfolgte Kaiser wurde hierauf auf eine Insel der Maaß gebracht, wo niemand keine Todtenklage über ihn hielte, als ein Mönch, der von ohngefähr von Jerusalem angekommen

 

 

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war, und die Todten-Gebete über ihn betete. Er wurde hierauf nach Speyer gebracht , und sein getreuer Kämmerer Erkembald zur Bedeckung der Leiche ihm mitgegeben. Das Volk und die Geistlichkeit, welches für den Kaiser unendliche Hochachtung gehabt hatte, holte ihn ein, und brachte ihn in die vom Kaiser selbst erbauteKirche der h. Maria. Gleich belegte der Bischoff sie mit dem Bann und hob den Gottesdienst in dieser Kirche so lang auf, bis sie sich von ihrer Befleckung reinigten. Das Volk gerieth hierüber in die äußerste Gährung, und lief täglich haufenweiß zu, und betete für ihn, so lang der Körpex in einer abgesonderten ungeweyheten Capelle stand, bis er endlich erst im J. 1111 nach Aufhebung des Bannes in der gewöhnlichen Gruft in Speyer beygesezt wurde.

 

Dies ist das Ende eines durch seine Wiederwärtigkeiten berühmten Kaisers. SeinLeben hat zwo Haupt-Epochen, nach welchen er sich auf einer verschiedenen Seite zeigte. In seiner Jugend war er ein anderer, als er in reifern Jahren war. Vom ersten Augenblicke an, da er sich seines Daseyns bewußt war, wußte er auch, daß er Konig war. Er wußte also besser zu befehlen, als zu gehorchen. So lang seine Mutter herrschte hatte sie ein sorgfältiges Aug auf ihn, und sie erzog ihn zwar als eine zärtliche Mutter, aber doch nach Grundsätzen, und Heinrich behielt Hochachtung für sie, und folgte ihr,

 

 

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so lang, sie nicht in die Hände römischer Beichtväter gerieth. Von einer zärtlichen Mutter fiel er in die Aufsicht eines zwar vernünftigen, aber allzu strengen Sittenrichters, des Erzbischoffs Hanno von Cölln. Hofränke und Schmeicheleyen umgaben ihn, als er unter den ehrgeitzigen Adelbert von Bremen fiel, der seine, nicht aber des Kaisers Grösse suchte, und ihm Leute zugab, welche nach den Lüsten der Jugend alles thaten, was ihnen einfiel. Diese beständige Abwechslungen in seiner Erziehung bildeten auch einen wenig festen Charakter; der bald des Guten, eben so bald aber auch des Bösen fähig war. Weil er Regent war, so waren seine Lüste zu oft Befehle, und Niemand wiederstand ihm, wodurch er sich nach und nach in den Unordnungen so verhärtete, daß er seinen Einfällen einen blinden Gehorsam leistete. Hieraus entsprangen die Ausschweifungen mit dem weiblichen Geschlechte, so daß es ihn unendliche Mühe kostete, sich durch die Bande der Ehe fesseln zu lassen. Die Natur hatte ihm eine majestätische Mine, eine unvergleichliche Stellung des Leibs,. einen durchdringenden Verstand, eine männliche Herzhaftigkeit, welche oft der heldenmäßigen Unerschrockenheit nahe kam, gegeben. So lang sich nur der Keim davon zeigte, entstand ein wunderbares Gemische von einer kühnen Wollust und einer unerschrockenen Kühnheit, welche ihn oft in dem ersten Anfalle seiner Hitze dahin rieß.

 

 

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So bald er aber durch keine widrige Schicksale zum reifen Nachdenken gebracht wurde, so war vielleicht kein Prinz, der die kaiserliche Krone vorzüglicher verdient hätte. z) Hier zeigte er die wahre Grösse seiner Seele. Mit einer unglaublichen Schnelligkeit durchschaute er alle mögliche Fälle und ihre Folgen, und sein feuriger Geist konnte nie durch äussere Gefahren unterdrückt werden, daß er nicht den Augenblick wieder eine Auskunft gefunden hätte. Er kannte die deutsche Fürsten, die ganze Verfassung Deutschlands so genau, daß er ihnen gleich neue Dämme entgegen zu setzen wußte. Er behauptete seine Ehre, und zeigte in den Schlachten ein beneidenswürdiges Augenmaß. Er schlug sich über 60 mal mit den Feinden, und zeigte noch an seinem Ende, daß sein Sohn im Felde gegen ihn ein sehr schwacher Lehrling war. Sein Verstand drang durch alle Anstände durch, und er entschied Dinge leicht, wo andere Fürsten den Grund zu entdecken Mühe hatten. Er hörte aufmerksam zu, sprach wenig, und seine Entscheidungen waren reif, Er warf scharfe Blicke auf diejenige, die ihm ins Gesicht kamen, er durchschaute die geheime Bewegungen ihres Herzens und nahm bald gewahr, ob man sein Freund oder Feind war. Mitten unter den grösten Fürsten war seine Mine reizend, und man wurde durch seinen bloßen Anblick, wie von einem Strahl gerührt.

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z) Abt von Ursperg.

 

 

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Dieses erwarb ihm viele persönliche Freunde, und wenn er als der schönste Reichsfürst mitten unter seinen Feinden auftrat, so wußte er sie zu fesseln. Das Volk war für ihn begeistert, und sein Sohn mußte es so gar hindern, daß er seine Majestät nicht zeigte, weil er voraus versichert war, die holde Majestät seines Vaters würde ihm die Herzen rauben. Sein Herz war gut. Er war ein Wohlthäter der Armen, und hatte auf jedem seiner Güter beständige Pensionen für sie ausgesetzt. Er nährte sie, wenn ein Mißwuchs kam, zu tausenden, und eben deswegen wurde sein Ende überall beklagt. Dieses sind Eigenschaften, welche Feinde und Freunde an ihm erkennen. Staatsursachen, die in dem damaligen System von Deutschland gegründet waren, machten, daß man mehr Laster an ihm fand, als er wirklich hatte. Und allemal, wenn er am furchtbarsten war, wütete der Verläumdungsgeist am heftigsten. Man bemerkt drey Epochen in seinem Leben, wo der Geist der Verläumdung besonders erboßt war, das erstemal, als man den Pabst in das Spiel bringen wollte, das anderemal, nachdem die beede Wahlen Rudolphs und Hermanns ihn noch nicht unterdrücken konnten, sondern sein Geist immer neue Auskunften fand, das drittemal, als er in Italien dem Pabste und der Mathilde bange machte. So bald man die Ursachen der freywilligen Keuschheit der Mathildis einsieht, so bald wird man

 

 

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auch einen Mißbrauch der Religion gewahr werden, der bis an das Ehebett des Kaisers seinen Einfluß hatte. Gegen die Religion hatte er wahre Hochachtung, und so heftig auch bisweilen seine Anfälle waren, so liebte er doch die Gerechtigkeit von Natur. Er schenkte den Kirchen vieles, er erbaute Klöster in Speyer und Maynz, und that alles, was zur Frömmigkeit dieser Zeiten gehörte, ja er ehrte auch den Pabst und berief sich auf ihn. Aber auch aus seinen Erziehungsanstalten für die Geistlichen machte man ihm ein Verbrechen, und wenn er einen Unterschied zwischen päbstlichen und kaiserlichen Rechten machte, hieß er verbannt. Die Noth machte ihn kriegerisch und bildete aus ihm einen Helden, und seine Tugenden würden in den Jahrbüchern in stärkern Zügen glänzen, wenn nicht ein Gregorius VII. Gewesen wäre, der Himmel und Erde in eine Masse warf, und auch nach seinem Tode noch Männer hinterließ, die in seiner Schule gebildet waren, und ihn durch eine unbändige Nacheiferung noch zu übertreffen suchten.

 

 

 

 

Quelle:

Le Bret, Johann Friedrich: Die Geschichte der Deutschen. Zweyter Band, S. 1 bis 424, Heilbronn, in der Eckebrechtischen Buchhandlung, 1771. Das Buch ist in der Bayerischen Staatsbibliothek digital über folgenden LINK zugänglich:

 

http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10015792_00009.html

 

Le Bret war ein Historiker und evangelischer Theologe, 1786 wurde er Professor der Theologie, Prälat und Propst der St. Georgenkirche in Tübingen und Kanzler der hiesigen Universität. Zugleich war er Abt des Klosters Lorch.