Adlerkapitell Kaiserdom zu Königslutter

 

Das Adlerkapitell im Kaiserdom von Königslutter

 

ist wahrscheinlich das früheste auf deutschem Boden. Es erfüllt voll seine Funktion in diesem Musterbau der Protorenaissance.

 

Der Adler wird bereits bei Homer in der Ilias (24.292-94) als der größte und stärkste, als der Lieblingsvogel und Bote des Zeus genannt, als  wichtigster und  zuverlässigster Künder des Götterwillens. Durch Jahrtausende galt er als Symbol göttlicher und herrscherlicher Macht. Die Giebel antiker Tempel wurden Adler genannt und die Zepter der Kaiser trugen an der Spitze einen Adler.

 

Auch in der Bibel wird er als Bild der Vorsorge und des Schutzes Gottesfür sein Volk genannt (5 Mo 32.11). Der antike Seelengeleiter wurde zum Zeichen der Himmelfahrt. Vielen Heiligen und dem Evangelisten Johannes wurde er als  Symbolfigur zugeordnet und durch den Physiologus sollte seine hohe Wertung für die erzieherische Praxis nutzbar gemacht werden.

 

Diese auf vielen vorchristlichen Traditionen fußende naturwissenschaftlich-religiöse Schrift aus dem 2.-4. Jahrhundert erschien immer wieder und glich sich dem jeweiligen Bildungsgut an. Die schöne illustrierte Fassung des 11. Jahrhunderts aus Smyrna war sehr beliebt und weit verbreitet.

 

Die Reformmönche in Königslutter nutzten deren Popularität, um den Eintretenden mit einem Adlerkapitell auf ihr wichtiges Anliegen hinzuweisen: "So auch du, Neuling in der Gemeinde, erhebe dich in die Höhe der Gerechtigkeit und lege den alten Menschen ab mit seinen Taten...“

 

Erneuerung,(Offb 21.5), Veredelung der Seele (Sen ep 17.1) waren das ständiige Ziel der religiösen Heiisbewegungen und philosophischen Lehren.

 

Das Neue und Einmalige der damaligen Erneuerungsbewegung, auf die der wichtigste und zuverlässigste Künder des Götterwillens hier hinweisen soll,  ist das, was Seneca und Paulus, die beiden Wortführer der großen Erneuerungsbewegungen zur Zeitenwende in ihren Briefen  immer wieder forderten, die Selbstbestimmung, „auf dass wir nicht mehr Unmündige seien, hin und her geworfen von jedem Winde der Lehre, die da kommt durch die Betrügerei der Menschen, durch ihre Verschlagenheit zu listig ersonnenem Irrtum, sondern die Wahrheit festhaltend in Liebe, „ (Eph 4.14) als die neuen Menschen in wahrhafter Gerechtigkeit(4.25), die Gott ihrer Willensfreiheit überlassen hat (Sir 15.14) .

 

 “Sie ist dir nicht zu nehmen, drum werde gut, solange du noch lebst, solange es möglich ist, “ schrieb Kaiser Marc Aurel vor 1825 Jahren an sich selbst; denn „alles, was du zu tun vermagst mit deiner Kraft, das tue, denn es gibt weder Tun noch Überlegung, noch Kenntnis, noch Weisheit in der Unterwelt, wohin du gehst“ (Pred 9.10) sagte der weise Salomo schon vor fast 3000 Jahren.

 

Vor 875 Jahren ließ der weise Kaiser Lothar III diese Erkenntnisse als seine allerheiligste Mahnung an alle und für alle, für alle lesbar für alle Zeit in Stein meißeln. Darauf soll das erste Adlerkapitell auf deutschem Boden hinweisen.

 

Otto Kruggel
13.01.2010

 

 

 

Heinz Röhr "Das rätselhafte Vogelkapitell"

Auszug aus "Das Moosholzmännchen Nr. 41/1966
Heinz Röhr "Das rätselhafte Vogelkapitell"

Das rätselhafte Vogelkapitell

wird in der Fachliteratur allgemein als „Adlerkapitell“ bezeichnet. Dr. Joachim schreibt darüber in seiner Leipziger Doktorarbeit: „Die Säule am Nordwestpfeiler zeigt ein recht plumpes Adlerkapitell. Das Motiv der nach unten gerichteten Adler an den Ecken des Kapitells ist in der zweiten Hälfte des 12. und der ersten des 13. Jahrhunderts sehr beliebt gewesen.

Wir finden es z.B. in Schwarzrheindorf, Bacharach, Köln, (S. Andreas und S. Pantaleon),Braunweiler, Magdeburg, Naumburg, Freiburg a.d. Unstrut usw. Hier in Königslutter scheint mir nicht nur das Kapitell, sondern auch die Basis mit den ornamentierten Eckblättern eine ungeschickte Nachahmung von Formen des Magdeburger Chorumganges zu sein .. also sicher nach 1230.“

Da die dargestellten Vögel mit ihren groben Schnäbeln aber stark Raben ähneln, bat ich einen besonderen Experten, den Göttinger Professor Dr. Rosemann, um eine Stellungnahme. Dieser betonte: „Mit Ihrer Anfrage wegen des Adlerkapitells in Königslutter berühren Sie ein schwieriges und bis heute nicht befriedigend gelöstes Problem. Ich selbst könnte im Augenblick keine Erklärung für die Umkehrung des Adlermotivs geben. Die Vögel als Raben zu bezeichnen, erscheint mir unmöglich.“ Der mittelalterliche Künstler sah seine Hauptaufgabe nicht in der naturgetreuen Nachbildung der Vögel, sondern in der Darstellung des bekannten Adlermotivs. Es gelang ihm in Königslutter nur eine „plumpe und ungeschickte Nachahmung“ des beliebten Motivs,dessen Sinn er dadurch aber nicht veränderte.

Der Physiologus, das bekannteste Lehrbuch mittelalterlicher Tiersymbolik, erzählt von einem Adler, der in eine Quelle stürzt, um sich darin zu verjüngen. „So soll“, erklärt der Physiologus, „auch der Mensch, wenn die Augen seines Herzens dunkel sind, sich in Christus, der Sonne der Gerechtigkeit, erheben und sich in der Quelle des ewigen Lebens verjüngen.“ (Vgl.Psalm 103,Vers 5).

 

Heinz Röhr